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2 Fertigung/Technik

Der Potentialanalyse bei Die klar besseren Ergebnisse errei-


chen die progressiven Unterneh-
neuen Fertigungstechnologien men, deren Umsatzsteigerungen
soll ein neues durchweg um den Faktor zwei
Planungsinstrument dienen höher liegen (siehe Penzkofer/
Schmalholz 1994, Eversheim/
Böhlke 1992). Parallel dazu findet
sich bestätigt, daß Prozeßinnovatio-
nen die Entwicklung der Beschäfti-
gung positiv beeinflussen können.

Innovativer mit dem Dem Erfolg von technischen


Innovationen förderlich ist insbe-
sondere eine Neuausrichtung des

Technologiekalender strategischen Denkens. Erst eine


konsequent innovationsorientierte
strategische Planung ermöglicht es,
sich von einem nur einseitig auf die
Einführung neuer Technologien be-
WALTER EVERSHEIM, UWE H. BÖHLKE, schränkten Vorgehen zu lösen und
CLAUS J. MARTINI, WOLFGANG J. SCHMITZ statt dessen eine Strategie zu verfol-
gen, bei der insbesondere auch die
Anforderungen des Marktes be-
Jedes Geschäft beginnt mit einer
zukunftsgerichteten Idee – und mit
einem Wagnis: Wird sich diese Idee als
E ine Befragung von 5000 Unter-
nehmen des verarbeitenden Ge-
werbes ergab: Innovative Produkti-
rücksichtigt werden. Je nach Markt-
lage lassen sich dann verschiedene
erfolgversprechende strategische
tragfähig erweisen? Zwar warnte onstechnologien – „Technologien“ Optionen kombinieren.
schon Friedrich Schiller, „nichts
hier als Sammelbegriff für ein Spek-
Wahres läßt sich von der Zukunft
wissen“. Doch das Wort des Dichter- trum unterschiedlicher Techniken Das Erfolgsrezept
fürsten darf Unternehmen nicht verstanden – sind heute zum Wett-
schrecken, und der harte Wettbewerb bewerbsfaktor ersten Ranges avan- „Outpacing“
läßt ihnen ohnehin keine Wahl. ciert (siehe Penzkofer/Schmalholz Der Begriff „Outpacing“ gilt einem
Unternehmen brauchen viele neue 1994). Vorgehen, bei dem mehrere binäre
Ideen, um Innovationen einzuleiten. Über 75 Prozent der befragten Strategien miteinander verknüpft
Daher haben sich technologie- Unternehmen schreiben den neuen oder simultan verfolgt werden (siehe
führende Unternehmen Produktionsverfahren und Werk- Corsten/Will 1992). Michael Porter
„kontinuierliche Innovation“ auch stoffen erhebliche Rationalisie- hat die Hypothese vertreten, daß
längst auf die ersten Seite des
Pflichtenhefts geschrieben. Kleineren rungspotentiale und erweiterte ferti- sich die Fokussierungstrategien
und mittleren Herstellern fällt es gungstechnische Optionen zu. Aus „Kostenführerschaft“ und „Diffe-
dagegen immer schwerer, die raschen ihnen ergäben sich konkrete Mög- renzierung“ wechselseitig aus-
Fortschritte bei vielen Technologien lichkeiten, den Produktionsaufwand schließen (siehe Porter 1990).
und die neuen fertigungstechnischen an Zeit, Energie und Material zu re- Dementgegen konstatieren an-
Möglichkeiten zu erkennen und zu duzieren, so daß mittel- und unmit- dere Autoren wie zum Beispiel Gai-
nutzen. Eine neu entwickelte telbar erhebliche monetäre Ein- tanides und Westphal, daß die strikte
Planungsmethode namens sparungen erreicht werden. und gradlinige Verfolgung der einen
Technologiekalender soll ihnen aus Da verbesserte Prozesse auch oder der anderen Strategie nicht zum
diesen Nöten helfen. echte Produktinnovationen ermög- Unternehmenserfolg führt; dieser
PROF. WALTER EVERSHEIM ist lichen, sieht immerhin die Hälfte der werde vielmehr durch die Fähigkeit
Mitglied des Direktoriums des Fraun- befragten Unternehmen auch die bestimmt, beide Grundstrategien
hofer-Instituts für Produktions- Chance, sich damit neue Märkte er- unter gegebenen Marktbedingungen
technologie (FhG-IPT) in Aachen. schließen zu können (siehe die Ab- sinnvoll zu kombinieren (siehe Gai-
DR. UWE H. BÖHLKE leitet dort bildung 1). tanides/Westphal 1991).
die Abteilung Planung und Organisa- Der Einsatz neuer Fertigungs- Ziel dabei ist es, die Wettbewer-
tion des FhG-IPT. technologien kann sich tatsächlich in ber zu überholen: „Outpacing“. Er-
DR. CLAUS J. MARTINI ist den Bilanzen niederschlagen. Das reichbar werde das eben durch die
Werkleiter bei der Deutschen Spezial-
glas AG (DESAG). zeigt sich deutlich, wenn die Um- sequentielle Kombination des Stre-
WOLFGANG J. SCHMITZ arbeitet satz- und Beschäftigungsentwick- bens nach Differenzierung und des
als Gruppenleiter in der Abtei- lung bei innovationsfreundlichen Strebens nach Kostenführerschaft.
lung Planung und Organisation des Unternehmen verglichen wird mit In der Regel wird ein Erstanbie-
FhG-IPT. der konservativer Unternehmen: ter seine neuen Produkte zunächst
Fertigung/Technik HARVARD BUSINESS manager 1/1996 3

Abbildung 1: Wozu Unternehmen neue Technologien einsetzen

Innovationsziele* Innovationserfolg,*
der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe gemessen an Umsatz und Beschäftigung
150
Innovatoren
Nichtinnovatoren
Steigerung 140
der Flexibilität

130
Senkung
der Lohnkosten Umsatz

In Prozent
120
Erhaltung
des Marktanteils
110
Erschließung
neuer Märkte 100
Beschäftigung
Senkung 90
der Materialkosten

80
0 20 40 60 80 100 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986
In Prozent der befragten Unternehmen Basis: 5000 Unternehmen
*Hier: Prozeßinnovation durch neue Technologien Quelle: Penzkofer/Schmalholz 1994.

mit Blick auf einen hohen relativen Die Praxis zeigt, daß aus Diffe- Noch in den frühen 80er Jahren
Produktverkaufswert entwickeln, renzierung wie Kostenführerschaft, galt das Hauptaugenmerk der Er-
um sie wegen der (noch) geringen aber auch aus einer Kombination schließung neuer Geschäftsfelder
Konkurrenz am Markt zu hohen beider Strategien eine effektive durch innovative Technologien;
Preisen einführen zu können. Marktleistung resultieren kann, die jetzt spielt in den strategischen
Diese Differenzierung erlaubt den Markterfolg der neu angewand- Überlegungen dieser Unternehmen
es dem Anbieter, auf Grund seiner – ten Technologie erhöht und wesent- verstärkt das eigene technologische
mehr oder weniger lang währenden lich dazu beiträgt, Mitbewerber zu Kerngeschäft die beherrschende
– monopolistischen Stellung am überholen (siehe Martini 1995). Rolle. Reife Technologien sollen
Markt eine Innovationsrente abzu- Der Einsatz der neuen Ferti- mehr dazu beitragen, das Produkti-
schöpfen. Wird diese Vorzugsstel- gungs- oder Montagetechnologie onskostenniveau dem Wettbe-
lung dann durch wachsenden Wett- hilft im Ergebnis dann, sowohl die werbsstandard anzugleichen, also zu
bewerb aufgeweicht, sollte der Erst- eigene Kostenposition zu verbessern senken.
anbieter seine strategische Stoßrich- (interne Wirkung) als auch den Ab- Die Folge ist eine mehrschich-
tung wechseln. stand zu den Wettbewerbern zu si- tige Führer/Folger-Strategie. Um
Er wird nun Kostenminimie- chern (externe Wirkung). Erst die diese auch realisieren zu können,
rung anstreben, indem er sein Poten- mit Blick auf die Rahmenbedingun- muß das Konzept Outpacing, das
tial zu Preisreduzierungen nutzt, um gen adäquate Kombination beider eine simultane Verfolgung von Dif-
Markteintrittsbarrieren aufzubauen. Grundstrategien schafft einen nach- ferenzierung und Kostensenkung
Ein Unternehmen hingegen, das in haltigen Wettbewerbsvorteil. einschließt, erweitert werden. Erfor-
den Markt erst als Produktimitator Allerdings befinden sich heute derlich ist ein noch stärkerer Bezug
einsteigt, wird gewöhnlich eine Stra- viele kleinere und mittelständische zur Dimension Zeit.
tegie der Kostenführerschaft verfol- Unternehmen in der Situation, daß Gemeint ist das in dem Sinne,
gen, um mit tieferen Preisen schnell sie ihre Produkte in einer erheblich Technologieentwicklungen generell
Fuß zu fassen. breiteren Palette zu vergleichsweise möglichst frühzeitig zu antizipieren.
Erst in einem zweiten Schritt hohen Kosten herstellen. Viele Un- Es kommt darauf an, auf dem strate-
wird es sich bemühen, seine Markt- ternehmen hat das zu einem Sinnes- gischen Spielbrett dank eines Know-
leistung ebenfalls zu differenzieren, wandel geführt, wonach sie reife how-Vorsprungs gegenüber Wett-
um sich so von den Mitbewerbern Technologien inzwischen anders be- bewerbern eine Startposition zu be-
abzuheben. werten. setzen, die ganz unter dem Vorzei-
4 Technologiekalender

chen Outpacing steht (siehe die Ab-


bildung 2).
Abbildung 2: Outpacing als Strategie

Das Potential neuer


Technologien erkunden Worauf es ankommt, ist
Adaption neuer Fertigungs- und Montagetechnologien
Ein zukunftsorientiertes Unterneh-
men muß einfach dem Erfolgsfaktor
„innovative Technologien“ frühest- OUTPACING
möglich Rechnung tragen. Den un-
ternehmerischen Planern kommt
damit die Aufgabe zu, sich auf künf-

LG
FO
tige Marktgegebenheiten möglichst Wahrgenommener Produktwert

ER
gut vorzubereiten, indem sie konti-

KT
AR
nuierlich nach neuen, noch rationel-
DIFFERENZIERUNG

M
leren Prozeßtechnologien Ausschau

R
DE
halten. Wegen der mittlerweile

EN
HS
schwierigen Rahmenbedingungen

AC
ist das jedoch ein kompliziertes Un-

W
terfangen, das an ihre Beharrlichkeit
und Phantasie hohe Ansprüche FT
HA
stellt.
SC

Insbesondere die erhebliche


ER
HR

Dynamik, mit der sich die Ferti-


gungstechnologien weiterentwic-
IT
ZE

keln, sorgt für „belastende“ Um- KOSTENFÜHRERSCHAFT


stände. So hat einerseits das Angebot STARTPUNKT
an neuen produktionstechnischen
Möglichkeiten geradezu riesige
Zu beachten sind:
Ausmaße angenommen und zu
Unternehmensexterne Wirkungen: Unternehmensinterne Wirkungen:
kaum überschaubaren technischen Steigende Produktionsqualität Geringere Produktionskosten
Fortschritten geführt. (Zur Mög- Neue produktionstechnologische Verkürzte Produktionszeiten
lichkeit, an Informationen über die Funktionalitäten
Datenbank dabit zu kommen siehe
Kasten auf Seite 7.)
Auf der anderen Seite werden
auch viele Produkte zunehmend
komplexer und stellen demzufolge wie die Tatsache, daß in der Folge entwickelt – der sogenannte Techno-
immer höhere Anforderungen an die auch die Einsatzplanung für neue logiekalender.
geeignete, optimale Fertigungstech- Technologien nur unbefriedigend Dieses Planungsinstrument er-
nologie (siehe Eversheim/Böhlke gelingt (siehe Abbildung 3). Offen- möglicht es Produktionsunterneh-
1992; Pümpin/Prange 1991; Fischer bar besteht hier ein Dilemma, das men, die Einsatzmöglichkeiten
1993). fragen läßt, wie denn eine effizien- neuer Fertigungstechnologien syste-
Darüber hinaus wissen wir, daß tere Technologieplanung möglich matisch zu ermitteln und transpa-
heute weithin ein „Lean Manage- wäre. rent darzustellen. Damit kann so-
ment“-Denken dominiert. Eine der wohl der Aufwand für technologie-
Konsequenzen: Der Abgleich von Der Nutzen eines orientierte Potentialanalysen erheb-
Potentialen und Soll-Charakteri- lich reduziert als auch die Ef-
stika bei den neuen Technologien Technologiekalenders fektivität der Ergebnisnutzung
muß dann allzuoft neben den vom Besonders kleinere und mittlere Un- maßgeblich gesteigert werden (siehe
Tagesgeschäft diktierten Tätigkeiten ternehmen haben dringenden Bedarf Schuh/Böhlke 1992).
erfolgen, und diese lasten die Ent- an einer Methode, die ihnen zu einer Der Technologiekalender ist
scheidungsträger zumeist schon ge- besseren Technologieplanung ver- einfach und übersichtlich struktu-
nug aus. Technologierecherchen hilft. Also wurde am Aachener riert: Sein Ansatz basiert darauf, daß
werden unter solchen Bedingungen Fraunhofer-Institut für Produkti- die zur Fertigung vorgesehenen
häufig nur sporadisch, unsystema- onstechnologie – IPT – in Zusam- Produkte oder Produktkomponen-
tisch und eher zufällig durchgeführt. menarbeit mit dem Institut für ten systematisch den potentiell ein-
Das ist kein Wunder (siehe Technologiemanagement der Uni- setzbaren Technologien gegenüber-
Eversheim/Böhlke 1992) – sowenig versität St. Gallen ein Hilfsmittel gestellt werden. Die möglichen An-
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gungen in Gestalt von Bauteilen und


Produktstruktur berücksichtigen
Abbildung 3: Das Wagnis Zukunft
kann,
 der Produktion, um hier frühzei-
tig potentialträchtige Technologien
in den Fertigungs- und Organisati-
onskonzepten berücksichtigen zu
Kontinuierliche Suche können,
Aufgabenstellung nach rationelleren  der Forschung + Entwicklung, da-
Produktionstechnologien
mit sie die Potentiale neuer Ferti-
gungstechnologien bei ihren Kon-
zeptionen neuer Produkte umsetzen
Intransparenter kann als auch
Technologiemarkt  der Unternehmensleitung, die die
Widerständige
Randbedingungen Hohe Produktkomplexität strategische Ausrichtung der Pro-
Arbeitsbelastung durch dukt- und Fertigungsplanung zu
das Tagesgeschäft
steuern und zu kontrollieren hat so-
wie die strategischen Investitionen
nach Art und Umfang festlegen
Technologiekalender, der
muß.
Das rettende die Recherche systematisiert
Hilfsmittel den Aufwand senkt Den Technologie-
die Effizienz erhöht
kalender erstellen
Erforderlich ist dazu ein strukturier-
tes und systematisches Vorgehen,
das gleichermaßen strategische und
operative Planungsebenen durch-
läuft. Das ganze erfolgt in vier Pla-
wendungen von Fertigungstechno- bereichen Informationen darüber nungsschritten (siehe Schuh et al
logien können so einem bestimmten zuzuleiten, welche kurzfristigen 1992). Im ersten Schritt, der grund-
Produkt eindeutig zugeordnet wer- Optimierungsmöglichkeiten für die legenden Produktanalyse, wird das
den. Darüber hinaus lassen sich In- Produktion gegeben und welche unternehmensspezifische Produkt-
formationen über neueste ferti- Maßnahmen erforderlich sind, um spektrum ermittelt – für welche Pro-
gungstechnische Fortschritte einbe- eine bestimmte Alternative zu reali- dukte beziehungsweise Komponen-
ziehen – was der schon angesproche- sieren. ten scheinen neue Technologien
nen hohen Dynamik in diesem Anhand der mittel- bis langfri- prinzipiell potentialträchtig. Diese
Bereich Rechnung trägt. stigen Zuordnungen Produkt/Tech- Untersuchung bezieht sich im allge-
Graphisch läßt sich das ganze nologie können Trends aus dem Be- meinen darauf, welche maximale
Vorgehen in ein Koordinatensystem reich Forschung und Entwicklung Kostensenkung angestrebt wird
mit drei Achsen umsetzen. Die für bewertet und sich abzeichnende oder inwieweit die Produktqualität
das planende Unternehmen spezifi- anwendungsrelevante Ergebnisse gezielt verbessert werden soll.
schen Produkte und die zu deren frühzeitig berücksichtigt werden. Im zweiten Planungsschritt, der
Fertigung geeigneten Technologien Der Technologiekalender ist Verknüpfung, werden in einer
werden an einer Achse mit kurz-, ebenso produkt- wie bereichsüber- Funktionsanalyse die Soll-Parame-
mittel- und langfristigem Planungs- greifend ausgelegt: Werden die Zu- ter der ausgewählten Produkte er-
horizont gespiegelt. So lassen sich ordnungen für eine Vielzahl von mittelt, zum Beispiel in Hinsicht auf
Produkt, Zeitpunkt der Fertigung Produkten vorgenommen, so kann Anschlußmaße oder mechanische
und nutzbare Technologie einander der Kalender auch als Informations- Werte. Anhand von Morphologien
zuordnen (siehe Abbildung 4). grundlage bei einer Vielzahl von Pla- oder auch Analogieschlüssen wer-
Auch den Fertigungzeitpunkt nungsaufgaben genutzt werden. den diesen Parametern dann Pro-
einzubeziehen ist wichtig, da da- Ohnehin stellt effektives Technolo- duktionstechnologien zugeordnet,
durch langfristig auch der mögliche giemanagement eine bereichsüber- die die geforderten technischen
Einsatz neuer Technologien voran- greifende Herausforderung dar. Randbedingungen erfüllen.
getrieben werden kann. Das Hilfsmittel Technologieka- Je nach Optimierungspotential
Der Technologiekalender dient lender steht mithin mehreren Orga- muß dabei auch eine technologiebe-
der Planung auf kurze, mittlere und nisationseinheiten zur Verfügung: dingte Umkonstruktion vorgesehen
lange Sicht. Er hilft unter anderem,  der Konstruktion, damit sie früh- und eingeplant werden, die die Re-
den unternehmerischen Planungs- zeitig technologiespezifische Bedin- striktionen bezüglich einer neuen al-
6 Technologiekalender

Abbildung 4: Der Technologiekalender (TK) -- strukturell dargestellt

TK-ANSATZ TK-AUFBAU

Systematische Gegenüberstellung der


zu fertigenden Produkte
einsetzbaren Technologien 80 000 100 000 120 000
und zeitlichen Entwicklung Stück Stück Stück

Bauteil 1
TK-ANWENDUNGSBEREICH Bauteil 2
Bauteil 2n
Kurzfristig Bauteil 3

PRODUKT
Optimierungsmöglichkeiten identifizieren
Handlungsempfehlungen ableiten kurzfristig mittelfristig langfristig
Langfristig:
Entwicklungstendenzen aufzeigen Technologie A
Nutzungsstrategien ableiten
Bauteil 1
Technologie B

ZE
Konstruktion Forschung und

IZ
SK
Produktion Entwicklung Bauteil 2

P-
...

ZI
IN
PR
ternativen, aber rationelleren Tech- schaulicht werden. Mit ihm wird es gebnisse diverser Anwendungspro-
nologie eliminiert. Aus dieser Ver- möglich, sowohl die verschiedenen jekte (siehe Böhlke 1994). So wurde
knüpfung ergibt sich eine Liste der Einsatzpotentiale der untersuchten etwa im Fall eines Unternehmens
prinzipiell möglichen und technisch Prozeßtechnologien zu überblicken untersucht, inwieweit die bislang
machbaren Produkt/Technologie- als auch einzelne Einordnungen im zur Fertigung von Bauteilen einge-
Kombinationen. Detail nachzuvollziehen. setzte Zerspantechnik substituiert
Der dritte Planungsschritt gilt Die Ergebnisse der einzelnen werden könnte durch alternative, ra-
der Bewertung: Dabei werden die Verfahrensschritte sind selbstver- tionellere Fertigungstechnologien.
ermittelten alternativen Technolo- ständlich geprägt von den grundle- Das interdisziplinäre Projekt-
gieanwendungen eingeschätzt im genden Innovations- respektive team, zusammengesetzt aus Kon-
Hinblick auf ihre strategische Be- Entwicklungsstrategien, die das Un- strukteuren, Produktionstechni-
deutung für das Unternehmen; das ternehmen verfolgen will. Im Sinne kern, Marketingexperten und Ein-
geschieht anhand technischer, öko- des oben beschriebenen Outpacing käufern, konnte mit Hilfe der neuen
nomischer und ökologischer Krite- hat das Unternehmen dabei mehrere Planungsmethode den 32 unter-
rien. Als weitere methodische Hil- Optionen und wird keinem pau- suchten Bauteilen 110 innovative
fen lassen sich hierzu beispielsweise schalen Erfolgsrezept unterworfen. Fertigungsansätze zuordnen. Die
Nomogramme oder Portfolios nut- Je nachdem, wie seine Rahmenbe- Ergebnisse wurden in einem Tech-
zen. Je nach Bedarf an unterneh- dingungen aussehen, wird es sich auf nologiekalender festgehalten, dessen
mensspezifischen Detaillierungen Senkung der Kosten, Differenzie- Aufbau Abbildung 5 veranschau-
steht in dieser Planungsphase auch rung des Angebots, Gewinn an zeit- licht. Wie zu sehen, wurden dabei je-
ein Fuzzy-basiertes EDV-System lichem Vorsprung oder eine Kombi- der einzelnen Zeile des Kalenders
zur Verfügung, mit dem es möglich nation konzentrieren (siehe Martini sowohl die jeweils in Frage kom-
wird, für das Unternehmen spezifi- 1995). menden Informationsträger als auch
sche Wege des Technologieeinstiegs die bauteilbezogenen Bewertungen
zu bewerten. Erste erfolgreiche hinterlegt.
Im abschließenden vierten Pla-
nungsschritt, der Darstellung, kön- Anwendungen
Innovationsvorteile im Detail
nen die Ergebnisse aller Planungs- Wie die richtige Handhabung des
schritte in der Form des Technolo- Technologiekalenders zu Erfolgen Der jedem Bauteil (beziehungsweise
giekalenders festgehalten und veran- führt, belegen mittlerweile die Er- jeder Zeile des Technologiekalen-
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DIE DATENBANK DABIT –


INFORMATIONEN ÜBER INNOVATIVE FERTIGUNGSTECHNOLOGIEN
Schnelligkeit ist Geld wert. Weil die Un- Hilfreich ist diese Fülle für Unternehmen teilung in vier relevante Informationsfel-
ternehmen das wissen, suchen sie sich nur bedingt, die abklären möchten, ob der: Beschreibung der Fertigungstech-
auch in ihrer Technologieplanung auf und wie sie eine neue Technologie im ei- nologie, ihre Anwendungsfelder, ihre
diese Tatsache einzustellen. Besteht genen Haus anwenden könnten. Denn Wirtschaftlichkeit sowie Technologie-
eine Möglichkeit, auf relevante Informa- die Informationen sind vielfach unvoll- quellen.
tionen rasch zuzugreifen, kann viel wert- ständig, zu theoretisch, überholt oder
volle Zeit gewonnen werden. Darum allzu subjektiv gefärbt. Im Informationsfeld Technologiebe-
wurde die Datenbank dabit entwickelt. schreibung finden Informationssu-
Sie kommt der Planungsmethodik Tech- Besonders mittelständische Unterneh- chende zu jeder Technologie eine kurze
nologiekalender erheblich zustatten, men sind bei ihrer Technologieplanung Schilderung ihres Verfahrensprinzips.
können doch nun Informationen über im Nachteil. Selbst wenn sie die Trends Dabei werden jeweils auch wesentliche
innovative Fertigungstechnologien auf dem Feld innovative Fertigungstech- Vor- und Nachteile sowie typische Vor-
schnell und bequem abgerufen werden. nologien durchaus kennen, wissen sie und Nachbearbeitungsverfahren zur be-
im konkreten und im Detail meistens zu treffenden Technologie aufgezeigt. So
Unternehmen, die auf Dauer wettbe- wenig. So fällt es ihnen dann schwer zu kann der Abfragende schnell abschät-
werbsfähig bleiben wollen, müssen ihre entscheiden, ob eine bestimmte Tech- zen, ob die angepeilte Technologie sei-
Potentiale zu Kosteneinsparungen auf- nologie für sie in Frage käme und renta- ner Produktionsaufgabe entspricht und
decken und ausschöpfen. Ein Weg da- bel wäre. Diese Unternehmen verfügen Rationalisierungspotentiale vorliegen.
hin bilden bessere, das heißt vor allem eben nicht wie die Großen über Stabs-
rationellere Fertigungstechnologien. abteilungen, die interessante Technolo- Im Informationsfeld Anwendungsberei-
Aber technische Weiterentwicklungen gien recherchieren, Informationen fil- che sind Angaben über technische Gren-
im Bereich Fertigungstechnologie er- tern und aufbereiten und schließlich zen und Ausschlußkriterien des Verfah-
möglichen es nicht nur, Produktionsko- den Verantwortlichen vorstellen. rens zu erfragen. Das Feld Wirtschaft-
sten zu senken. Leistungsfähigere Ver- lichkeit schließlich liefert Aufschlüsse
fahren können auch andere Erfolgsfak- Im Ergebnis führt das zu einer Informati- über solche Positionen wie „Investiti-
toren positiv beeinflussen: Lieferzeit, onsassymmetrie zwischen Technologie- onskosten“ und „Betriebskosten“. Ent-
Reaktionszeit, Produktionsflexibilität quelle (etwa Technologieanbieter For- scheider sind so imstande, die Herstell-
und Produktqualität – Faktoren im Sinne schung, Laboreinrichtungen) und Tech- kosten zu überschlagen und den Spiel-
des Kundennutzens. nologienutzern. Um diesem Übel zu be- raum für eine Entscheidung pro oder
gegnen und den Transfer neuer contra abzustecken. Sollte danach eine
In Bezug auf innovative Fertigungstech- Fertigungstechnologien zu unterstüt- bestimmte Technologie für den Anfra-
nologien interessiert Unternehmen zen, wurde die Datenbank dabit aufge- genden attraktiv sein, kann er aus dem
natürlich vor allem, welche ganz konkre- baut. Mit der dabit ist es möglich, struk- vierten Informationsfeld – „Technologie-
ten, den eigenen Belangen entspre- turierte Informationen für die Anwen- quellen“ – die kompetenten Ansprech-
chenden Einsatzmöglichkeiten ihnen da dungsplanung neuer Fertigungstechno- partner erfahren und zu ihnen schnell in
geboten werden. Zudem müssen ihnen logien bereitzustellen. Verbindung treten.
dann alle Informationen dazu zum richti-
gen Zeitpunkt und in geeigneter Form Bei der Entwicklung der dabit fanden die Mit der Datenbank dabit haben die Un-
zur Verfügung stehen, anders ist ei- Bedürfnisse der mittelständischen Un- ternehmen ein Werkzeug an die Hand
ne systematische Technologieplanung ternehmen besondere Beachtung, ent- bekommen, das ihnen aktuelle und qua-
schwerlich denkbar. Kurzum, es kommt sprechend benutztergerecht wurden litativ hochwertige Technologieinforma-
nicht nur auf die Informationen an sich alle gesammelten Informationen struk- tionen zugänglich macht. So können
an, sondern auch auf den Zeitpunkt, zu turiert. Zu diesem Vorgehen gehörte, technische Investitionsentscheidungen
dem sie verfügbar sind. daß die Benutzer den Informationsbe- und Rationalisierungen schneller und
darf definierten, also die Datenbank da- präziser erfolgen.
Mit der Zahl von etwa 650 000 Fachzeit- nach aufgebaut wurde, was die Nutzer-
schriften weltweit gibt es heute ein befragung ergeben hatte. Auf diese Weitere Informationen zu dabit unter E-
Überangebot an Informationsträgern. Weise ergab sich für die dabit eine Auf- mail: boh@VW1.IPT.RWTH-AACHEN.DE

ders) zugrundeliegende Innovati- durchmesser eine allgemein übliche Technologieanalyse ermittelt wer-
onsansatz wurde in den sogenann- Herstellungsmethode anwenden den konnten.
ten Produktdatenblättern festge- müssen – das Zerspanen aus Vollma- Als alternative Fertigungstech-
halten und ist nun nachvollziehbar. terial. Das Verfahren hatte jedoch nologie rückte das Innenhoch-
In dem erwähnten Praxisbei- eine unangenehme Folge: Bei ihm druckumformen ins Visier. Dabei
spiel konnte so für ein hülsenförmi- entfielen auf die Späne 85 Prozent würde als Ausgangsmaterial ein
ges Bauteil in den Produktdatenblät- des eingesetzten Materials, auf das Rohr verwendet, das in einem Ge-
tern ein innovatives Fertigungskon- Bauteil lediglich 15 Prozent senk unter einer Druckbeaufschla-
zept – Innenhochdruckumformen – An der Zeitachse des Technolo- gung von 2000 bar quasi auf die ge-
konkretisiert werden. giekalenders kann für dieses Bauteil wünschte Endgeometrie aufge-
Bisher hatte man bei diesem beispielsweise abgelesen werden, pumpt würde (siehe Böhlke 1994).
Bauteil wegen der ungünstigen Ver- welche Möglichkeiten einer Verfah- Das Ergebnis wäre: keine Späne, we-
hältnisse von Innen- zu Außen- rensverbesserung auf Grund der niger Kosten.
8 Technologiekalender

Die technologische Detailana-


lyse ergab im folgenden, daß für den
Abbildung 5: Ein Beispiel aus der Praxis
bauteilspezifischen Einsatz dieses
Verfahrens nur geringfügige Um-
konstruktionen und die Entwick-
lung eines Umformgesenks erfor-
derlich sein würden. Sobald diese Technologiekalender der Innotech AG
Anpassungen vorgenommen wären,
könnte das Innenhochdruckumfor-
men schon kurzfristig in der Pro-
duktion eingesetzt werden.
Bei der Kostenbewertung dieses
alternativen Fertigungsverfahrens
konnte dann festgestellt werden, daß
die aktuellen Herstellkosten da-
durch um mehr als 30 Prozent sin-
ken würden.
Da sich der Übergang zu dieser
neuen Fertigungstechnologie dem-
zufolge als erheblich rentabler dar-
stellt als die Option, an dem bisheri-
gen Verfahren festzuhalten, war die
Empfehlung an die Unternehmens-
planer klar: Diese weitergehende
Produkt- und Technologieentwick-
lung sollte im Hinblick auf eine bal-
dige Umsetzung nachdrücklich for-
ciert werden. 32 UNTERSUCHTE
BAUTEILE
Innovationsvorteile
110 INNOVATIVE
auf breiter Basis ANSÄTZE
Das gesamte Einsparpotential pro
Jahr, das durch die Erstellung eines
Technologiekalenders aufgezeigt
werden kann, errechnet sich aus dem
Potential pro Bauteil multipliziert
mit der Zahl der jährlich benötigten
Bauteile, aufaddiert über alle Zeilen
des Technologiekalenders.
Diese Rechnung bezieht sich al-
lerdings nur auf das kurz- bezie-
hungsweise mittelfristige Rationali-
sierungspotential. Was sich langfri-
stig an Einsparmöglichkeiten für ein
Unternehmen ergibt – insbesondere
durch Übertragung der besseren xitätsgrad, mit niedrigem ebenso wie Ausblick
Technologie auf Ähnlichteile oder mit hohem Stückzahlbedarf (siehe
weitere Bauteile –, bleibt nahezu Abbildung 6). In der Anwendung überzeugt der
unüberschaubar. Im Durchschnitt konnten dabei Technologiekalender vor allem da-
Die Ermittlung von rationelle- Einsparpotentiale zwischen 19 und durch, daß er systematische und
ren Fertigungstechnologien mit 40 Prozent der ursprünglichen Her- strukturierte Hinweise auf die Ein-
Hilfe des Technologiekalenders er- stellkosten nachgewiesen und auch satzpotentiale innovativer Ferti-
folgte bislang schon für recht unter- realisiert werden. Demnach ist die gungstechnologien liefert.
schiedliche Produkte . Planungsmethode Technologieka- Das verschafft gerade den klei-
So wurde diese Planungsme- lender geeignet, die Unternehmen neren und mittleren Unternehmen
thode sowohl angewandt bei Pro- bei vielen Produkten auf die Spur ra- ein höheres Maß an Transparenz be-
dukten mit niedrigem als auch bei tionellerer Fertigungstechnologien züglich der Möglichkeiten, die die
Produkten mit hohem Komple- zu führen. rasanten Fortschritte in der mo-
HARVARD BUSINESS manager 1/1996 9

Abbildung 6: Der Technologiekalender in der Anwendung


-- eine „Referenzliste“
Hoch

Motorenbaugruppe Baumaschine
(50 --5000 Stück/a) (10 000 --300 000 Stück/a)
Komplexität*

Zahnstange Befestigungselement
(1000 --2500 Stück/a) (circa 300 000 000 Stück/a)
Niedrig

Niedrig Hoch
Stückzahlbereich*
*der betrachteten Produkte.

dernen Fertigungstechnologie er- „Technologiekalender“, Vortrag an der


öffnen. RWTH Aachen vom 5. 8. 1994.
H. Corsten und T. Will: Das Konzept
Darüber hinaus gelingt es mit generischer Wettbewerbsstrategien –
dem Instrument auch, Rationalisie- Kennzeichen und kritische Analysen, in:
rungspotentiale aufzuzeigen, deren WISU, 21. Jg., Heft 3, 1992, Seite 185–191.
Ausschöpfung die Wettbewerbs- W. Eversheim, U. Böhlke, C. Martini und
W. Schmitz: Wie innovativ sind
fähigkeit von Unternehmen erheb- Unternehmen heute? Studie über die
lich steigern könnte. Diese neue Pla- Einführung neuer Produktionstechnologien;
nungsmethode besitzt selbst ein be- in: Technische Rundschau, 84 Jg., Nr. 46,
trächtliches Potential, wie ihre Flexi- 1992, Seite 100–105.
bilität in der Anwendung auf A. Fischer: The Way to Leap Ahead, in:
Financal Times vom 11.01.1993, Seite 10.
unterschiedlichste Produkte und M. Gaitanides und J. Westphal: Strategische
Produktionsverfahren schon be- Gruppen und Unternehmenserfolg.
stätigt hat. Ergebnisse einer empirischen Studie; in: Zei-
Was morgen sein wird, ist ge- tung für Planer, Nr. 3, 1991, Seite 247–265.
C. Martini: Marktorientierte Bewertung
wiß schwer vorauszusehen. Den- neuer Produktionstechnologien, Hoch-
noch: Der Technologiemarkt der schule St. Gallen, Dissertation 1995.
Zukunft wird sich mit Hilfe dieser H. Penzkofer und H. Schmalholz:
systematischen Planungsmethode Zusammenhang zwischen Marktstruktur,
besser einschätzen und damit besser Innovationsverhalten und dynamischem
Wettbewerb. Eine empirische Analyse auf
nutzen lassen. der Basis des ifo-Innovationstests; hrsg. vom
Gerade Schlagworte wie Inno- ifo-Institut für Wirtschaftsinformation e.V.,
vation, Rationalisierung oder fle- München 1994.
xible Anwendbarkeit, die den Tech- C. Pümpin und J. Prange: Management der
Unternehmensentwicklung. Phasengerechte
nologiekalender begleiten, machen Führung und der Umgang mit Krisen,
verständlich, daß hier ein Planungs- Frankfurt am Main 1991.
hilfsmittel zur Hand ist, mit dem G. Schuh, U. Böhlke, C. Martini und W.
produzierende Unternehmen ihre Schmitz: Planung technologischer
zukünftige Wettbewerbsposition si- Innovationen mit einem
Technologiekalender; in: io management, 61.
chern und ausbauen können. Jg., Nr. 3 ,1992, Seite 31–35.
M. Porter: Wettbewerbsstrategie. Methoden
zur Analyse von Branchen und
Literatur Konkurrenten, Frankfurt am Main/ New
York 1990.

U. Böhlke: Neue Technologien erfolgreich


einsetzen – erweiterte Anwendungsmöglich-
keiten für das Planungshilfsmittel © 1996 HARVARD BUSINESSmanager.

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