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odontogene Zysten
Indizes
Entwicklungsbedingte odontogene Zyste, Knochenzyste, laterale parodontale Zyste,
gingivale Zyste des Erwachsenen, Eruptionszyste, infantile gingivale Zyste, follikuläre
Zyste, glanduläre Zyste
Zusammenfassung
Paco Weiss
Odontogene Zysten sind die häufigsten Zysten im Kieferbereich. Sie werden definiert als
pathologischer Hohlraum, der ganz oder teilweise von Epithel ausgekleidet ist, welches Andreas Filippi
embryologisch gesehen von Zahnanlagen (odontogen) abstammt. Sie kommen häufiger Prof. Dr. med. dent.
im Unterkiefer vor, werden mehrheitlich zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr-
zehnt diagnostiziert und sind öfter bei Männern als bei Frauen zu finden. Odontogene J. Thomas Lambrecht
Zysten werden in entzündungsbedingte und entwicklungsbedingte Zysten unterteilt. Prof. Dr. med. dent. Dr. med.
Die am häufigsten auftretende odontogene Zyste ist die entzündungsbedingte periapikale Klinik für Zahnärztliche Chirurgie, -Radiologie,
Mund- und Kieferheilkunde
Zyste. Die follikuläre Zyste stellt die am meisten verbreitete entwicklungsbedingte Universitätskliniken für Zahnmedizin Basel
odontogene Zyste dar, während die glanduläre Zyste am seltensten vorkommt. Bei der Hebelstrasse 3
Eruptionszyste und der infantilen gingivalen Zyste ist in der Regel keine Therapie CH-4056 Basel
E-Mail: paco.weiss@unibas.ch
erforderlich. Die laterale parodontale Zyste und die gingivale Zyste des Erwachsenen
sowie die follikuläre Zyste und die Eruptionszyste zeigen starke Ähnlichkeiten. Die
jeweils Letzteren werden als weichgewebliches Pendant der ossären Zysten angesehen.
Die glanduläre odontogene Zyste zeigt die höchste Rezidivrate.
Einleitung
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Abb. 1 Epstein-Perlen gelten als palatinale Variante der Abb. 2 Die infantile gingivale Zyste: bukkale weiße
gingivalen Zyste bei Neugeborenen und treten in dieser Knötchen im linken Oberkiefer eines Neugeborenen
Form am häufigsten auf
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Abb. 3 Panoramaschichtaufnahme
einer zum Zeitpunkt der Aufnahme
27-jährigen Patientin. Am retinierten
Zahn 48 ist distal ein kleiner
Osteolysesaum zu erkennen
Abb. 5 Die dentale Volumentomographie des Zahnes 48 lässt den interradikulären Verlauf des Canalis mandibularis erkennen.
Aufgrund der typischen Lagebeziehung der Zahnkrone zur Zyste wurde die Verdachtsdiagnose follikuläre Zyste gestellt
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Tab. 2 Die Morphologie der follikulären Zyste (FZ) hängt vom Zeitpunkt der Zahnbildung ab52
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Eine postoperative röntgenologische Kontrolle erfolgt Grundsätzlich ist bei der EZ keine Therapie erforderlich,
in der Regel nach 6 Monaten41. Die FZ zeigt sehr selten denn sie marsupialisiert sich durch den Zahndurch
Rezidive51. Trotzdem empfiehlt sich ein regelmäßiges bruch von alleine. Bei Beschwerden kann eine Inzision
Recall. Nach Ausbleiben eines Rezidivs über 2 Jahre soll am Dach des Zystenbalgs durchgeführt werden32,52.
te bis zum sechsten postoperativen Jahr eine radiologi Biopsien schließen meistens einen Teil des Zystenda
sche Kontrolle in 1- bis 2-jährigen Intervallen stattfinden41. ches ein, das aus der bedeckenden Mundschleimhaut,
einem entzündlichen Infiltrat in der Zystenwand und
Eruptionszyste einem feinen nicht keratinisierten Plattenepithel als
Auskleidung der Zyste besteht32.
Bei der Eruptionszyste (Synonyme/englischsprachige
Bezeichnungen: Durchbruchszyste, eruption cyst, erup Recall und Prognose
tion hematoma) handelt es sich um eine Form der
follikulären Zyste, die jedoch nur im Weichgewebe Post operationem oder nach der spontanen Ruptur der
vorkommt32. Die WHO teilt die Eruptionszyste (EZ) als Zyste kann der Zahn in der Regel ungehindert und
eigene Entität ein23. schnell durchbrechen32. Rezidive werden in der Literatur
nicht beschrieben, so dass nach vollständigem Zahn
Epidemiologie und Pathogenese durchbruch keine längerfristigen Kontrollen nötig sind.
Die EZ kann nur während des Zahndurchbruchs vor Glanduläre odontogene Zyste
kommen52. Am häufigsten tritt sie bei Patienten im Alter
von weniger als 10 Jahren bei den ersten Molaren und Die glanduläre odontogene Zyste (englischsprachige Be
den oberen Schneidezähnen auf32. Die Zyste entwickelt zeichnungen: sialo-odontogenic cyst, mucoepidermoid
sich durch die Separation des dentalen Follikels von odontogenic cyst, polymorphous odontogenic cyst)
der Zahnkrone eines durchbrechenden Zahnes und liegt enthält Drüsengewebe im das Lumen auskleidenden
zwischen der Krone sowie der bedeckenden Mund Epithel und ist sehr selten52. Sie wurde erstmals im
schleimhaut von bleibenden oder Milchzähnen32,52. Jahr 1987 von Padayachee und van Wyk36 beschrieben.
Gardner et al.13 stuften sie 1988 als eigene Entität ein.
Diagnostik Die WHO klassifizierte die glanduläre odontogene Zyste
(GOZ) als entwicklungsbedingte odontogene epitheliale
Die EZ sind bläuliche, transluzente, erhabene, kompres Zyste, wobei der Ursprung nicht genau geklärt ist5,20.
sible und kuppelförmige Läsionen des Alveolarkamms31
(Abb. 8). Sie können bei Kleinkindern zu Schmerzen Epidemiologie und Pathogenese
beim Saugen bis hin zur Nahrungsverweigerung füh
ren38. Radiologisch gibt es keine Beschreibungen, da die Kaplan et al.20 stellten 2008 aus sämtlichen in der Litera
EZ nur im Weichgewebe liegt52. Differenzialdiagnos tur veröffentlichten Fällen (insgesamt 111 in 20 Jahren)
tisch kommen das Hämangiom, die Duplikationszyste, folgende Daten zusammen: Der Anteil der GOZ an allen
die dermoidale und epidermoidale Zyste, die Ranula, odontogenen Zysten lag bei 0,2 %, das mittlere Alter
die Mukozele, das linguale Thyroid, die lymphoepithe der Patienten mit GOZ betrug 45,7 Jahre und das zah
liale Zyste, das zystische Hygrom, das Teratom und lenmäßige Verhältnis von Männern zu Frauen 1,3:1, der
Epstein-Perlen in Frage29. Unterkiefer war mit 70 % deutlich häufiger betroffen
als der Oberkiefer mit 30 %, und im Unterkiefer gab es
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keine bevorzugte Lokalisation. Die Zyste entwickelt sich Epithels charakterisiert20,23. Histomorphologisch zeigt
im zahntragenden Anteil des Alveolarkamms52. Die sie Ähnlichkeiten mit der lateralen parodontalen Zyste
GOZ zeigt ein expansives Wachstum und ein lokal ag und dem niedriggradig malignen Mukoepidermoid
gressives Wachstumsmuster wie Wurzelresorptionen, karzinom5.
Osteolyse der Kortikalis und Extension in die Weichge
webe52. Recall und Prognose
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Abb. 9 Glanduläre
odontogene Zyste: Auf der
Panoramaschichtaufnahme
ist die Ausdehnung der Zyste
im Corpus mandibularis von
Regio 36 bis Regio 46 zu
sehen. (Die Abbildungen 10
bis 14 zeigen den gleichen
Fall zu einem späteren
Zeitpunkt.) Abbildungen von
Prof. Dr. Dr. Th. Kreusch
Abb. 10 Die dreidimensionale Computertomographie zeigt das Abb. 11 Lateralansicht der Computertomographie der
Ausmaß der glandulären odontogenen Zyste im Unterkiefer glandulären odontogenen Zyste
Abb. 12 Der Operationssitus der glandulären odontogenen Abb. 13 Situation nach der Zystektomie: Knochensäulen
Zyste: Die Auftreibung des Unterkieferknochens und der wurden zur Stabilisierung des Unterkiefers belassen
bläulich durchschimmernde Zysteninhalt sind zu erkennen
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Abb. 14 15 Monate nach der chirurgischen Entfernung der glandulären odontogenen Zyste: Abb. 15 Laterale parodon-
Eine deutliche Knochenneubildung, aber auch einige Radioluzenzen sind zu erkennen. tale Zyste zwischen den
Letztere wurden als Rezidive betrachtet, welche erneut chirurgisch angegangen werden Zähnen 34 und 35. Die
mussten beiden benachbarten Zähne
sind vital
Abb. 16 Auf dem Ausschnitt der Panoramaschichtaufnahme Abb. 17 Operationssitus der lateralen parodontalen Zyste
ist zwischen den Zähnen 22 und 23 eine laterale parodontale bei der Zystektomie. Der Zystenbalg ist noch in situ
Zyste zu erkennen. (Die Abbildung 17 zeigt den gleichen Fall.)
scheinlich sind Männer gegenüber Frauen leicht be Schneidezähnen, seltener im Unterkieferfrontzahnbe
vorzugt betroffen44. Am häufigsten kommen LPZ im reich oder in zahnlosen Kieferabschnitten44. Die LPZ
Gebiet der unteren Prämolaren und in der Eckzahn entstehen eindeutig aus odontogenen Epithelresten,
region vor, gefolgt vom Oberkiefer anterior des ersten wobei unklar ist, ob sie sich aus reduziertem Schmelz
Prämolaren oder zwischen Eckzahn und seitlichen epithel1, Resten der Dentallamina54 oder den Malassez-
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Epithelresten52 entwickeln. Zudem ist ungewiss, woher bis fünf Schichten ausgekleidet ist1. Die Zystenwand
die Stimulation zum zystischen Wachstum der Epithel besteht aus fibrösem Bindegewebe mit keinen oder nur
reste kommt1,47. Die polyzystische Variante der LPZ minimalen Entzündungszeichen44. In der Zystenwand
könnte sich aus der Konfluation der einzelnen Zysten können insbesondere bei den polyzystischen LPZ Epithel
anteile einer multilokulären LPZ entwickeln44. reste vorhanden sein54.
Die LPZ wird typischerweise als radiologischer Zufalls Im Allgemeinen haben LPZ eine niedrige Rezidivrate
befund entdeckt, und mehr als ein Drittel der betrof zwischen 3 bis 4 %, aber Rezidive können auch erst nach
fenen Patienten sind völlig symptomlos14. Die Zyste mehreren Jahren auftreten9. Im Fall von polyzystischen
präsentiert sich radiologisch als gut definierte, eher LPZ ist die Rezidivrate deutlich höher, und in Anbetracht
kleine, runde, ovale oder tränenförmige unilokuläre der histologischen Ähnlichkeit mit der glandulären odon
Radioluzenz mit sklerotischen Rändern in einer inter togenen Zyste sollten Patienten mit polyzystischen LPZ
radikulären Lage zischen dem zervikalen und apikalen gut und lange auf Rezidive überprüft werden14. Es
Anteil der Zahnwurzel1 (Abb. 15). Eine Divergenz der empfiehlt sich, bei Patienten mit LPZ über einen Zeit
Wurzeln (Abb. 16) sowie eine Lyse der Lamina dura raum von bis zu 10 Jahren nach der Entfernung ein
und des Parodonts können auftreten, jedoch wurden jährliches radiologisches Recall durchzuführen14,44.
nie Wurzelresorptionen beschrieben9. Die polyzystische
LPZ ist eine mehrheitlich unilokuläre Läsion, und der Gingivale Zyste des Erwachsenen
polyzystische Aspekt lässt sich erst histopathologisch
nachweisen27. Klinisch kann es zu einer Expansion Die gingivale Zyste des Erwachsenen (englischsprachige
meistens des bukkalen Anteils des Alveolarfortsatzes Bezeichnungen: gingival microcyst, gingival cyst of the
kommen, was unter Umständen zu einer domähnli adult) stellt ein sehr seltenes Gegenstück zur lateralen
chen Schwellung der Schleimhaut führt, welche einen parodontalen Zyste dar52. Zum ersten Mal tauchte die
bläulichen Aspekt annehmen kann26. Angrenzende Zäh gingivale Zyste des Erwachsenen (GZE) im Jahr 19368,
ne sind, sofern keine anderen Pathologien vorliegen, dann 195337 in der Literatur auf, wobei die Studien von
vital44. Die LPZ können eine Größe von 1 bis 10 mm Ritchey und Orban40 sowie später von Bhaskar und
erreichen, während polyzystische LPZ in der Regel Laskin4 dazu geführt haben, dass die GZE als eigene
größer werden (bis zu 5 cm)1,9. Folgende Differenzial Entität anerkannt wurde. Die WHO ordnete sie 1992
diagnosen kommen in Frage: laterale radikuläre Zyste, den odontogenen entwicklungsbedingten Zysten zu23.
glanduläre odontogene Zyste, keratozystischer odonto
gener Tumor und gingivale Zyste des Erwachsenen20,44. Epidemiologie und Pathogenese
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Abb. 18 Der Zystenbalg ist komplett entfernt und der Abb. 19 Gingivale Zyste des Erwachsenen: klinisches Bild
ossäre Defekt in der Maxilla zu erkennen einer gingivalen Zyste bei einer Patientin unter der bewegli-
chen Mukosa
fünften und sechsten Lebensdekade vor32, und Frauen angrenzenden Zähne sind vital (Abb. 19). Die GZE ist
sind mit 57,2 % leicht häufiger betroffen als Männer22. schmerzlos32. Differenzialdiagnostisch kommen Läsio
nen in Frage, die eine gingivale Schwellung aufweisen:
Diagnostik peripheres Fibrom, peripheres ossifizierendes Fibrom,
peripheres Riesenzellgranulom, pyogenes Granulom
Radiologisch kann die GZE normalerweise nicht nach und Mukozele22.
gewiesen werden, aber es kommt vor, dass röntgeno
logisch eine scharf begrenzte kleine Radioluzenz ersicht Therapie und Histologie
lich ist22,52. Nach einer Untersuchung von insgesamt
155 GZE-Fällen gaben Kelsey et al.22 im Jahr 2009 fol Die GZE wird mittels einfacher Exzisionsbiopsie thera
gende klinischen Merkmale an: Die GZE imponiert piert32. Die Histologie entspricht der von lateralen par
vorzugsweise als unilaterale kleine Schwellung an der odontalen Zysten.
fazialen Seite der Gingiva in der unteren Eckzahn- und
Prämolarenregion, die Größe variiert zwischen 5 mm Recall und Prognose
und mehr als 1 cm, die Läsion findet sich entweder
unter der befestigten Gingiva oder der beweglichen Die GZE zeigt keine Rezidive und heilt sehr gut ab. Ein
Schleimhaut, die Schwellung kann mit Flüssigkeit gefüllt regelmäßiges Recall nach Abheilung der Pathologie ist
sein, der Inhalt kann bläulich durchschimmern, und die nicht notwendig32.
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