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Elektrochemische Analysen und Messmethoden

Book · May 2018

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1 author:

Cosimo A. De Caro
METTLER TOLEDO
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Determination of surfactant content by titration View project

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Elektrochemische Analysen und Messmethoden

- Eine kurze Anleitung über Messprinzipien und Anwendungen -

Vorlesungsnotizen

veröffentlicht durch:
Cosimo A. De Caro

1. Auflage, Mai 2018

Elektrochemische Analyse und Messmethoden.docx Seite 1 von 40


Vorwort
Bei der Anwendung elektrochemischer Methoden für analytisch-chemischen Untersuchungen in
wässrigen Lösungen kann man folgende Effekte beobachten:

1. Potenzialdifferenz (EMK) an unbelasteten (stromlosen) Elektroden


2. Polarisationserscheinungen an belasteten (unter Stromfluss) Elektroden
3. Strom -- Geflossene elektrische Ladungsmenge
4. Leitfähigkeit bzw. Widerstand des Elektrolyten

Im vorliegenden Abriss werden die wesentlichen chemisch-physikalischen Prinzipien kurz vorgestellt,


die zum Verständnis der erwähnten elektrochemischen Effekte notwendig sind. Dies wird zu einer
besseren Kenntnis und Deutung der meistbenutzten elektroanalytischen Messmethoden in wässrigen
Lösungen und deren Resultate führen, wie z.B. Gehaltsbestimmungen verschiedenster Analyten durch
Direktpotentiometrie bei Nullstrom und durch potenziometrisch indizierten Titrationen.

Aus diesem Grund wird es bewusst auf eine vollständige Darstellung der elektrochemischen
Grundlagen verzichtet, um den Umfang im Rahmen zu halten. Daher ist diese Anleitung keine
Einführung in die Elektrochemie, wie man in einem erstsemestrigen Grundkurs an der Universität
besuchen kann.

Dieses Skript beruht auf handschriftlichen Notizen einer Hochschulvorlesung über Analytische Chemie,
die ich im Archiv der Fa. Mettler-Toledo Analytical (http://www.mt.com) gefunden habe. In dieser
Firma arbeite ich als Senior Applikations-Chemiker seit November 1994. Leider ist mir der Verfasser
oder die Verfasserin dieser Notizen in Papierform unbekannt. Ich finde aber sehr schade, dass eine so
klare, nützliche und kurze Beschreibung wesentlicher elektrochemischer Methoden irgendwann Opfer
der Zeit sein wird und daher für immer verschwinden kann. Aus diesem Grund habe ich mich
entschieden, den Text in elektronischer Form wiederzugeben, um den Inhalt aufbewahren zu können.
Der Inhalt wurde abgeschrieben, durch zusätzliche Informationen ergänzt und in eine Word-Datei
gespeichert. Fast alle Bilder wurden mit Hilfe von Microsoft PowerPoint neu gemacht, und nur
einzelne Abbildungen aus Wikipedia heruntergeladen und beingefügt (Referenzen sind angegeben).

Falls Sie Kommentare zu diesem Text haben, stehe ich sehr gerne zur Verfügung. Selbstverständlich
sind auch Hinweise auf Fehler und Korrekturvorschläge inkl. sprachliche Verbesserungen jederzeit
willkommen! Sie können mich unter www.researchgate.net/profile/Cosimo_De_Caro oder
cr.decaro@bluewin.ch direkt kontaktieren.

Viel Spass beim Lesen!

Cosimo A. De Caro
Dübendorf, Mai 2018

Elektrochemische Analyse und Messmethoden.docx Seite 2 von 40


Inhaltsverzeichnis

1. Potenzialmessung an unbelasteten Elektroden


(Nernst'sche Elektrodenpotenziale) ................................................................................................. 4

1.1. Die Konzentrationsmesskette .................................................................................................. 4

1.2. Referenzelektroden....................................................................................................................... 8

1.3. Stabile Potenziale .........................................................................................................................11

1.4. Die elektrolytische Doppelschicht ........................................................................................12

1.5. Das Diffusionspotenzial .............................................................................................................13

1.6. Messprinzip ....................................................................................................................................15

2. Messungen an Elektroden unter Stromfluss................................................................................17

2.1. Potenzial in einer Zelle ..............................................................................................................17

2.2. Überspannung und Polarisation ............................................................................................18

2.3. Strom-/Spannungskurven .......................................................................................................21

2.4. Voltametrische Titration...........................................................................................................23

2.5. Amperometrische Titration....................................................................................................24

2.6. Polarographie ................................................................................................................................25

3. Coulometrie ................................................................................................................................................34

3.1. Potenziostatische Coulometrie (Potenzial = konstant) ...............................................35

3.2. Galvanostatische Coulometrie (Strom = konstant) .......................................................36

4. Leitfähigkeitsmessung ...........................................................................................................................37

4.1. Begriffe .............................................................................................................................................37

4.2. Analytische Anwendung ...........................................................................................................38

4.3. Messung der Leitfähigkeit ........................................................................................................39

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1. Potenzialmessung an unbelasteten Elektroden
(Nernst'sche Elektrodenpotenziale)

1.1. Die Konzentrationsmesskette

Fig. 1: Die Konzentrationsmesskette.


Sie wird durch eine semipermeable Trennwand in zwei Teile getrennt, die jeweils
mit einer Lösung von Silbernitrat (AgNO3) verschiedener Konzentration c1 und c2 gefüllt ist.

Es sei: c1 > c2 d.h. a(Ag+)1 > a(Ag+)2

Beobachtung: Tendenz zum Konzentrationsausgleich durch folgende Prozesse:

o Ag+ + e- ➔ Ag (Reduktion)

o Ag ➔ Ag+ + e- (Oxidation)

Als Folge davon fliessen Elektronen im äusseren Stromkreis


(Strom I messbar)

Zum Ausgleich der Elektroneutralität müssen die Nitrat NO3--Ionen durch das
Diaphragma von 1 (höhere Konzentration) in Richtung 2 (tiefere Konzentration)
wandern.

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Wird nun die angelegte Spannung Vvar so eingestellt, dass kein Strom im äusseren
Stromkreis fliesst (d.h. I = 0), dann ist die Tendenz zum Konzentrationsausgleich durch
diese äussere angelegte Spannung gerade kompensiert:

Es herrscht Elektrochemisches Gleichgewicht, und die Spannung V ist dann gleich ΔE


(EMK der Konzentrationszelle - Elektromotorische Kraft).

∆𝐺
Δ𝐸 = −
𝑧∙𝐹

ΔE: Potenzialdifferenz (EMK)

ΔG: Freie Enthalpie (Gibbs-Energie)

z: Anzahl Elektronen pro entladenes (geladenes) Ion

F: 96485 C/mol für monovalente Ionen (Faraday-Konstante)

Δ𝐺 = 𝜇! − 𝜇!

𝜇! = 𝜇!! + 𝑅𝑇𝑙𝑛(𝑎! )

Δ𝐺 = 𝜇! − 𝜇! = −𝑧 · 𝐹 · 𝐸! − 𝐸! =
𝑎! 𝑎!"
= 𝑅 · 𝑇 · 𝑙𝑛 = 𝑅 · 𝑇 · 𝑙𝑛
𝑎! 𝑎!"#

Und somit:

𝑅·𝑇 𝑎!
𝐸! − 𝐸! = Δ𝐸 = − · 𝑙𝑛
𝑧·𝐹 𝑎!

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E1 und E2 sind die sogenannten Einzelelektrodenpotenziale, sie sind für sich allein
nicht messbar. Es sind immer nur Potenzialdifferenzen zwischen zwei Elektroden
messbar. Die Einzelelektrodenpotenzialsprünge sind an der Phasengrenze zwischen
Elektrode und Elektrolytlösung.

Ein Elektrolyt (Leiter 2. Klasse) leitet den Strom durch die Wanderung von Ionen durch
die Elektrolytlösung, und nicht durch Wanderung von Elektronen. Der Ladungstransport
für den genannten Strom geschieht aber nicht nur durch eine Ionensorte (Ag+), sondern
durch alle sich in der Lösung befindlichen Ionen.

Die Überführungszahl ti gibt an, welches der Anteil der Ionensorte i am


Ladungstransport ist (Stromanteil). Die Überführungszahl ti hängt von der
Konzentration ci und der Ionenbeweglichkeit (Mobilität) ui der betreffenden Ionensorte
i ab.

Eine vollständige Ableitung unter Berücksichtigung der Überführungszahl ergibt für


unsere Konzentrationszelle:

z=1

𝑅·𝑇 +
𝑎(𝐴𝑔 )2 ∙ 𝑎(𝑁𝑂3 )

−Δ𝐸 = · 𝑡!"!! · 𝑙𝑛 2

𝐹 +
𝑎(𝐴𝑔 )1 ∙ 𝑎(𝑁𝑂−
3 )1

Auch ist es grundsätzlich nicht möglich, die Aktivität nur einer Ionensorte zu messen,
man misst stets eine mittlere Aktivität a± .

Fügt man sowohl auf Seite 1 wie 2 der Zelle in Figur 1 einen relativ zur AgNO3-
Konzentration grossen Überschuss an Kaliumnitrat zu (beidseits gleiche KNO3-
Konzentration), dann wird a(NO3-)2 ≈ a(NO3-)1 und der Ladungstransport geschieht
vollständig durch das sogenannte Leitsalz (Leitelektrolyt), so dass :

𝑅·𝑇 𝑎(𝐴𝑔+ )2
−Δ𝐸 = · 𝑙𝑛
𝐹 𝑎(𝐴𝑔+ )1

für 𝑡!"!! → 1 .

Bei der ganzen Ableitung wurde angenommen, dass die Aktivität von Wasser konstant
sei, d.h. a(H2O) = konst.

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Für die Einzelelektrodenpotenziale in mV definiert man:

𝑅∙𝑇
𝐸(𝐴𝑔/𝐴𝑔! ) = 𝐸 ! (𝐴𝑔/𝐴𝑔! ) − ∙ 𝑙𝑛(𝐴𝑔! ) = 𝐸 ! (𝐴𝑔/𝐴𝑔! ) − 59.16 ∙ 𝑙𝑜𝑔(𝐴𝑔! )
𝑧∙𝐹

E0(Ag/Ag+) definiert als das Standardelektrodenpotenzial, insbesondere als


Normalpotenzial wenn bezogen auf die a(Ag+)=1, 25 °C und P=1,013 bar (1 atm).

Unter der Annahme, dass die Aktivität ungefähr gleich der Konzentration sei, erhält
man pro Konzentrationsdekade eine Spannung von

59.16
Δ𝐸 = 𝑚𝑉
𝑧

bei 25 °C und 1,013 bar.

Sind beidseits des Diaphragmas verschiedene Metallelektroden und -ionen im Spiel, gilt
(wiederum mit Leitelektrolyt im Überschuss):

Fig. 2: Die galvanische Zelle

Tendenz:

Cu2+ + 2e- --> Cu

Zn --> Zn2+ + 2e-

Cu2+ + Zn --> Zn2+ + Cu

Δ𝐺 𝑅⋅𝑇 𝑎(𝐶𝑢2+ )
Δ𝐸 = − = 𝐸 ! (𝑍𝑛/𝑍𝑛2+ ) − 𝐸 ! (𝐶𝑢/𝐶𝑢2+ ) + ⋅ 𝑙𝑛
𝑧⋅𝐹 2⋅𝐹 𝑎(𝑍𝑛2+ )

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wobei:

Δ𝐺 !
Δ𝐸 ! = 𝐸 ! (𝑍𝑛/𝑍𝑛2+ ) − 𝐸 ! (𝐶𝑢/𝐶𝑢2+ ) = −
𝑧⋅𝐹

Dasselbe gilt auch für Redoxpotenziale z.B. von Fe2+/Fe3+ .

1.2. Referenzelektroden
Da wie bereits erwähnt Einzelelektrodenpotenziale nicht messbar sind, wurde ein
standardisiertes Bezugssystem eingeführt: Die Normalwasserstoffelektrode (NWE).

Normalwasserstoffelektrode

1. Platinierte Platinelektrode - mit amorphen Pt-Metall beschichtet

2. Wasserstoffgas-Einstrom

3. HCl-Lösung mit a(HCl)± = 1:


1.184 molale HCl Lösung d.h. 1.184 Mole HCl/kg H2O
bei 25°C und 1,013 bar .

4. Abschluss zur Vermeidung von Störungen durch Sauerstoff

5. Reservoir

Fig. 3: Normalwasserstoffelektrode (©Wikipedia)

𝑅⋅𝑇 𝑎! !
𝐸!! = 𝐸!!! + ⋅ 𝑙𝑛
𝐹 𝑝
!!

Definition: E0(H2/H+) = 0 bei 25°C 1,013 bar a(HCl)± = 1

Bem.: a(H+) für sich allein nicht bestimmbar, sondern nur die mittlere Aktivität der HCl-
Lösung a± .

Die meistgebrauchte Normalspannungsreihe der Elemente und Redox-Reaktionen ist


auf die oben angegebene Definition bezogen und festgelegt worden. Für übliche
elektrochemische Messungen und Analysen wird aber die NWE wegen der zu
komplizierten Handhabung kaum verwendet.

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Gebräuchliche Referenzelektroden sind:

• Silber/Silberchloridelektrode (Ag/AgCl) in gesättigter KCl-Lösung

• Kalomelelektrode (Hg2Cl2) in gesättigter KCl-Lösung

• Mercurosulfatelektrode in gesättigter K2SO4-Lösung

• Etliche andere je nach Messfragestellung

Silber/Silberchloridelektrode:

Ableitelement

Nachfüll-Öffnung für gesättigte KCl-Lösung

Referenzelektrolyt: gesättigte KCl-Lösung mit sat. AgCl

Dünne AgCl-Schicht auf Referenzelement

Poröses Keramik-Diaphragma

Fig. 4: Die Silber/Silberchloride-Elektrode (Ag/AgCl)

E = +197 mV gegenüber NWE.

Diese Elektrode ist recht stabil und wenig polarisierbar.

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Sie ist eine sogenannte Elektrode 2. Art, das Silbermetall ist mit dem festen
Silberchlorid in Kontakt. Dieses steht wiederum im Löslichkeitsgleichgewicht mit den
Ag+- und Cl--Ionen in der gesättigten Kaliumchlorid-Lösung.

Durch das Löslichkeitsprodukt ist die Aktivität der Silberionen gegeben (T-abhängig),
die Aktivität der Chloridionen durch die gesättigte Kaliumchlorid-Lösung ebenfalls
gegeben:

𝑅⋅𝑇 𝑅⋅𝑇
𝐸 = 𝐸! − ⋅ ln 𝑎 𝐴𝑔! ⋅ 𝑎 𝐶𝑙 ! = 𝐸! − ⋅ 𝑙𝑛(𝐶)
𝐹 𝐹

wo C = konstant, aber temperaturabhängig.

Dies bedeutet, dass das Potenzial ist gut definiert und reproduzierbar.

Kalomel-Elektrode (SCE):

Fig. 5: Die Quecksilber/Quecksilberchlorid-Elektrode (Hg/Hg2Cl2) - auch Calomel-Elektrode genannt.


(©Wikipedia)

E = +241 bis +245 mV gg. NWE

Auch diese ist eine Elektrode 2. Art mit gut definiertem Potenzial.

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1.3. Stabile Potenziale
Im Allgemeinen ist es so, dass ein definierter Elektrodenvorgang vorhanden sein muss,
um reproduzierbare und stabile Potenziale zu messen.

Der potenzialbestimmende Austauschvorgang muss sich einstellen, d.h. er muss in einem


dynamischen Gleichgewicht sein.

𝑘!
𝐴𝑔 ⇄ 𝐴𝑔! + 𝑒 !
𝑘!

𝑘!!
𝐴𝑔! + 𝐶𝑙 ! ⇄ 𝐴𝑔𝐶𝑙
𝑘!!

kv , kr : Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten (Auflösung, Abscheidung)

Wichtig:

o Eine rasche Auflösung (kv) bzw. Abscheidung (kr) des Metallions bedeutet eine
hohe Austauschstromdichte. Es ist noch zu bemerken, dass kein Nettoumsatz im
Gleichgewicht stattfindet.

o Finden mehrere Reaktionen gleichzeitig statt, wird ein sogenanntes


"Mischpotenzial" gemessen.

o Eine in Schwefelsäure getauchte Platinelektrode zeigt ebenfalls irgendein


Potenzial:

o es ist unstabil und

o kann ganz verschieden sein, je nach der "Vorgeschichte" der Oberfläche


der Pt-Elektrode ("Oxidhaut", usw.).

-> Kein definierter Elektrodenvorgang-.

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1.4. Die elektrolytische Doppelschicht
Sie ist der Sitz des Einzelelektrodenpotenzials: Wird ein Metall in eine Elektrolytlösung
getaucht, so hat es die Tendenz, unter Zurücklassen von Elektronen, Metallionen in
Lösung abzugeben.

Dadurch entsteht eine Ladungsseparation und somit ein Potenzial - die Elektrode wird
negativ geladen.

Fig. 6: Die elektrolytische Doppelschicht - Beim Übergang von Ladungsträgern zwischen Elektrode und
Elektrolyt bildet sich an der Phasengrenze eine elektrochemische Doppelschicht und damit eine
Potenzialdifferenz aus (Ref.: https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/chemie/artikel/elektrode - 24.12.2017)

Durch die Coulomb'schen (elektrostatischen) Kräfte werden die ausgetretenen Ionen an


der Phasengrenze lokalisiert, sie wandern nicht ins Lösungsinnere. Es entsteht eine Art
Kondensator mit erheblichen Kapazitäten.

Wird an eine Elektrode von aussen ein Potenzial angelegt, dann akkumulieren sich an
der Oberfläche ebenfalls Ionen mit entgegengesetzter Ladung.

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Bis zum Aufbau dieser Doppelschicht fliesst im äusseren Stromkreis einer Zelle ein
kapazitiver Strom ohne jeden Stoffumsatz.

Die Ausdehnung der Doppelschicht ins Lösungsinnere liegt zwischen 10 und 100
Ångstrom (1 Å = 0.1 nm), und die entsprechende Kapazität beträgt 10-100 µF/cm2
(Anwendung: Elektrolytkondensatoren).

1.5. Das Diffusionspotenzial


Das Diffusionspotenzial ist bei jeder Potenzialmessung mit im Spiel und lässt sich nicht
eliminieren. Es ist je nach Konzentration aller in Lösung vorliegenden Ionen
verschieden, sodass z.B. pH-Messungen in verschiedenen Lösungen nicht exakt
miteinander verglichen werden können.

In der Praxis ist der Sitz des Diffusionspotenzials an der Grenze zwischen der
Elektrolytlösung der Messzelle und der Elektrolytlösung der Referenzelektrode. Die
Ursache für dieses Diffusionspotenzial liegt bei den verschiedenen
Wanderungsgeschwindigkeiten der einzelnen Ionen:

Unterschiedliche Ionen haben


unterschiedliche
Wanderungsgeschwindigkeiten.

K+-Ionen und Cl--Ionen


wandern nahezu gleich
schnell (Äquitransferenz).

Ein verschmutztes Diaphragma kann


Ionenaustauscher-Effekte zeigen und
so eine Ionenart bremsen.

Fig. 7: Diffusionspotenzial - Dies entsteht durch Diffusion der geladenen Teilchen an der Grenze zwischen
innerer Elektrolytlösung der Referenzelektrode und der Probelösung.

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Die H+-Ionen haben z.B. eine etwa 5 x höhere Ionenbeweglichkeit und damit
Wanderungsgeschwindigkeit als die Chlorid-Ionen. Sie diffundieren schneller und es
tritt eine gewisse Ladungstrennung auf, die durch die auftretenden Coulomb-Kräfte
abgebremst wird. Diese Ladungstrennung führt zum sogenannten Diffusionspotenzial.

Die störende Wirkung des Diffusionspotenzials wird dadurch minimiert, dass der
konzentrierte Elektrolyt in der Referenzelektrode so gewählt wird, dass die
Ionenbeweglichkeiten von Anion und Kation fast gleich sind.

Dies ist der Fall für KCl mit u(K+) = 67 x 10-5 cm/s und u(Cl-) = 68 x 10-5 cm/s, als auch
mit KNO3 ( u(NO3-) = 64 cm/s ). Dadurch wird das durch das Herausdiffundieren des
Leitelektrolyten aus der Referenzelektrode entstehende Diffusionspotenzial verkleinert.

Dazu lässt man stets etwas Leitelektrolyt (KCl-Lösung) aus der Referenzelektrode
ausfliessen - d.h. Verschluss vor der Messung öffnen - sodass kein Elektrolyt von der
Messzelle in das Diaphragma eindringt.

In der Messzelle sollte die Rührung so stark sein, dass die ausfliessende Lösung stets
weggespült wird, sodass sich auch ausserhalb keine grössere, instabile
Diffusionsschicht aufbaut.

Durch diese Massnahmen erreicht man wenigstens sehr gut reproduzierbare


Messergebnisse, aber das Diffusionspotenzial wird nicht eliminiert und ist weiterhin bei
verschieden zusammengesetzten Elektrolyten verschieden.

Wichtig:

• Referenzelektroden im gleichen Elektrolyten aufbewahren, wie im Innern


vorhanden (z.B. gesättigte KCl-Lösung), also auch nicht in destilliertem Wasser.

• Bei der Silber/Silberchloridelektrode wird beim Eindringen von Wasser durch


Verdünnen der KCl-Lösung Silberchlorid im Diaphragma ausgefällt.

• Da Silberchlorid sehr leicht zu Silber reduziert wird, erhält man ein


Elektrodensystem, das die Messung stören kann.

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1.6. Messprinzip

1. Kompensationsschaltung

Fig. 8: Kompensationsschaltung für stromlose potentiometrische Messungen

Funktionsweise einer Kompensationsschaltung:

1. Am Regelwiderstand Abgriff so regeln, dass I = 0 am Galvanometer ist.

2. Kompensationsschaltung zur stromlosen Messung der Spannung E in der


Messzelle.

3. Bei bekannter Spannung Efix wird der Widerstand Rx so lange verändert, bis
Stromlosigkeit eintritt.

Die Kompensationsschaltung ist die genaueste Messmethode.

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2. Direktanzeigendes Gerät

Fig. 9: Signalverstärkung vor der Anzeige

Das Messsignal E am Verstärkereingang bewirkt einen Stromfluss I2 im Stromkreis 2.


Dieser Strom I2 wird so gross, dass der Spannungsabfall I2 * Rf gerade entgegengesetzt
gleich der Zellenspannung E wird, d.h. die Spannung zwischen A und B wird gleich Null,
und im Kreis 1 fliesst kein Strom.

Der Strom I2 bewirkt über den Widerstand Rr einen Spannungsabfall I2 * Rr , der


proportional der Zellenspannung E ist und nun angezeigt werden kann, ohne die Zelle zu
belasten.

In Wirklichkeit ist aber diese Messung nicht völlig stromlos, d.h. ein kleiner Strom fliesst
im Stromkreis 1.

Die Belastbarkeit einer Elektrode einerseits und der Eingangswiderstand des


Messgerätes (bestimmt den zur Messung benötigten Strom ) andererseits spielen für
korrekte Messungen eine wesentliche Rolle: pH-Messgeräte haben Eingangswiderstände
von etwa 1012 Ohm (Ω), spezielle Elektrometer kommen noch höher (1014-1016 Ohm) ,
wobei dann aber bereits die Kabelisolationen und statische Aufladung eine störende
Rolle spielen.

Anwendungen:

• pH-Messung

• Messung mit ionenselektiven Elektroden (ISEs)

• Messung von Redoxpotenzialen

• Titrationen mit Äquivalenz- und Endpunktbestimmung durch Potenzialmessung


(Titrationskurven).

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2. Messungen an Elektroden unter Stromfluss

2.1. Potenzial in einer Zelle


Werden Elektroden belastet, d.h. fliesst Strom in den Elektroden, dann treten kinetische
Effekte auf, die zum Teil für analytische Zwecke herangezogen werden können (Fig. 10):

unbelastet c3 >> c1 > c2 belastet

Potenzialverlauf:
Strom fliesst in erzwungener Richtung (d.h.
ΔE = Eg + EDiff entgegen dem freiwillig ablaufenden Prozess) ,
d.h. c1 wird noch konzentrierter, und c2 noch
verdünnter.

Eg = E1 - E2 ΔE = E1 - E2 + EDiff + η1 + η2 + R⋅I

E1, 2 : Elektrodenpotenziale η1 + η2 + R⋅I = η = Überspannungspolarisation

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2.2. Überspannung und Polarisation
Beim Stromfluss tritt eine Überspannung (Polarisation) η , die dem Stromfluss
entgegenwirkt:

• Beim erzwungenen Prozess (Elektrolyse) muss also eine höhere Spannung als die
Gleichgewichtsspannung Eg angelegt werden.

• Bei Stromentnahme, beim spontan ablaufenden Prozess (z.B. Batterie, zu hoch


belastete Messelektroden bei Potenziometrie) wird eine niedrigere Spannung als
Eg gemessen.

Die Überspannung η setzt sich zusammen aus folgenden Beiträgen:

• R⋅I = Ohm'scher Spannungsabfall


Folge des Ohm'schen Widerstandes der Elektrolytlösung. Dieser Widerstand ist
indirekt proportional zur Leitfähigkeit der Lösung. Er wird in vielen Fällen durch
die Zugabe eines Leitsalzes (Hier: Leitelektrolyt KNO3) bis zur
Vernachlässigbarkeit verringert.
Leitelektrolyten: HCl, H2SO4, KCl, KNO3, NaOH, Pufferlösungen

• ηc = Konzentrationspolarisation
Hemmung durch den Stofftransport, z.B. Antransport des an der Phasengrenze
"verbrauchten" Stoffes.

• ηa = Aktivierungsüberspannung
Hemmung infolge Durchtritt durch die Doppelschicht, gehemmte
Ladungsübertragungsreaktion, kleine Austauschstromdichte,
Adsorptionserscheinungen an der Phasengrenze.

• ηR = Reaktionsüberspannung
Hemmung infolge einer der Elektrodenreaktion vorgelagerten Reaktion wie z.B.
langsames Loslösen eines Metallions aus einem Komplex.

• ηk = Kristallisationsüberspannung
Hemmung durch das Aufsuchen eines Gitterplatzes durch das abgeschiedene Ion.

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Polarisation:

𝜂 = 𝑅 ⋅ 𝐼 + 𝜂! + 𝜂! + 𝜂! + 𝜂!

Aus den obengenannten Gründen besteht für jedes elektrochemischen System eine
charakteristische Strom-/Spannungskurve I-U (E), die den fliessenden Strom I bei
bestimmter Spannung resp. die Spannung bei einem bestimmten Stromfluss beschreibt.

In den meisten Fälle elektrochemischer Reaktionen ist der gesamte fliessende Strom
proportional zur Elektrodenfläche F. Daher wird normalerweise nicht mit dem Strom I,
sondern mit der flächenspezifische Grösse i operiert, d.h. der Stromdichte:

𝐼 𝐴 𝑚𝐴 𝐴
𝑖= = 𝑆𝑡𝑟𝑜𝑚𝑑𝑖𝑐ℎ𝑡𝑒 𝐸𝑖𝑛ℎ𝑒𝑖𝑡: , , , 𝑢𝑠𝑤.
𝐹 𝑐𝑚! 𝑐𝑚! 𝑚!

Da die beim Stromfluss auftretenden Polarisationserscheinungen häufig an der Anode


("+"-Elektrode) und Kathode ("-" Elektrode) gleichzeitig auftreten, möchte man aber
meist nur die charakteristischen Phänomene an einer der beiden Elektroden
beobachten, misst man mit drei Elektroden: zwei Arbeitselektroden und eine
Bezugselektrode.

Somit kann man das Potenzial der ausgewählten Elektrode gegenüber der
Bezugselektrode messen, z.B. im Fall der Silberabscheidung an einer Silberelektrode:

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Fig. 11: Silberabscheidung an einer Silberkathode

Ist R⋅I << ∆EK , dann kann die Referenzelektrode irgendwo in der Zelle platziert werden,
sofern dadurch nicht andere Störeffekte (Stromverteilung, Strömung, usw. ) auftreten.

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2.3. Strom-/Spannungskurven
Eine ideal polarisierende Elektrode ist beispielweise eine Platinelektrode in wässriger
Schwefelsäure, die eine Spannung gegenüber der NWE misst. Die angelegte Spannung
kann über einen relativ grossen Bereich variiert werden, ohne dass ein nennenswerter
Strom fliesst (Fig. 12):

Fig. 12: Zersetzungsspannung von Wasser mit Entwicklung von Wasserstoff- und Sauerstoff-Gas

Fügt man diesem System einen sogenannten Depolarisator bei, so verändert sich die
Strom-/Spannungskurve. Ein Depolarisator besteht aus einem Redox-Paar mit kaum
behindertem Ladungsaustausch, d.h. mit einem reversiblen Elektrodenvorgang, z.B.
Fe2+/Fe3+.

Im folgendem Bild wird die Änderung einer typischen Strom-/Spannungskurve in


Anwesenheit vom Depolarisator Fe2+/Fe3+ veranschaulicht:

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Fig. 13: Einfluss des Depolarisator-Redoxpaares Fe3+/Fe2+ auf die Zersetzungspannung

ig = Grenzstromdichte, bedingt durch den maximal möglichen Fluss der an der


Elektrode reagierenden Ionen unter den gegebenen Bedingungen.
(siehe : ηc , stofftransportbedingte Polarisation)

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Analytische Anwendungen der depolarisierenden Eigenschaft gewisser Ionen finden
sich bei den Voltametrischen und Amperometrischen Titrationen. Es sind dies
Titrationen mit elektrochemischer Endpunktindikation.

2.4. Voltametrische Titration


Wir verfolgen der Spannung bei konstanter Stromfluss (galvanostatischer Gleichstrom)
im Verlaufe einer Titration. Man kann dabei die Polarisation an nur einer Elektrode oder
auch an beiden Elektroden berücksichtigen, je nach Titrations- und Messsystem.

Typische Titrationskurven sind in Figur 14 abgebildet:

Fig. 14: Voltametrisch indizierte Titrationen.

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2.5. Amperometrische Titration
Hier wird der Strom bei konstant angelegter Gleichspannung im Verlauf einer
Titration verfolgt.

Fig. 15: Typische amperometrische Titrationskurven.

Beispiele solcher Titrationen sind:

• Iodometrische Titration

• Cerimetrische Titration

• Komplexometrische Titration
(durch Komplexbildner gebundenes, depolarisierendes Metallion)

Folgende Sensoren können zur Indikation amperometrischer Titrationen eingesetzt


werden:

• Platinelektrode (kombiniert, oder als Halbzellen)

• Doppelplatinstiftelektroden

• Amalgamierte Silberelektrode

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2.6. Polarographie
Bei der Polarographie wird die Erscheinung der Konzentrationspolarisation η c zu
analytischen Zwecken benützt.

Wird an einer Kathode ein Metallion wie z.B. Cu2+ abgeschieden, dann verarmt die
unmittelbare Umgebung der Phasengrenze an Kupferionen. Der Transport der
Kupferionen geschieht durch drei Mechanismen:

• Konvektion: Rührung irgendwelcher Art, auch natürlicher Umwälzung.

• Migration: Wanderung elektrisch geladener Teilchen im elektrischen Feld.

• Diffusion: Wanderung von Teilchen unter dem Einfluss des chemischen


Potenzialgefälles infolge des Konzentrationsunterschiedes.

Die Konvektion transportiert die Metallionen nicht bis unmittelbar an die Phasengrenze,
sondern nur in den Bereich der Strömungsgrenzschicht.

Im unmittelbaren Bereich an der Phasengrenze (Ausdehnung je nach Rührintensität


oder Elektrolysedauer) geschieht der Stofftransport durch Migration und Diffusion. Der
Einfluss der Migration kann durch Zugabe eines Leitelektrolyten (das Erhöhen der
Leitfähigkeit verringert das elektrische Feld) weitgehend eliminiert werden, sodass am
Ende praktisch der gesamte Stofftransport durch die Diffusion geschieht. Man sagt, der
Stofftransport sei diffusionskontrolliert.

Die Diffusionsschicht ist diejenige Elektrolytschicht an der Phasengrenze, in der der


Stofftransport durch Diffusion geschieht.

Die Dicke dieser Schicht nimmt nach dem Einschalten des Elektrolysestromes laufend
zu, die Schicht wächst bei konstantem Elektrolysestrom ( d.h. galvanostatisch) Richtung
Lösungsinneres proportional zu t1/2, bis der äussere Rand der Diffusionsschicht in den
Bereich der Konvektion gerät.

Bei stabilen Konvektionsverhältnissen stellt sich ein stationärer Zustand ein, die
Diffusionsschichtdicke δ bleibt konstant (s. Fig. 16).

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Fig. 16: Konzentration als Funktion der Diffusionsschichtdicke δ

Die Diffusion wird durch die Fick'schen Gesetzte beschrieben (Linearisierung - auf
ebene Elektroden bezogen):

1. Fick'sches Gesetz (stationärer Zustand)

𝑑𝑐
𝑛∗ = −𝐷 ⋅
𝑑𝑥
2. Fick'sches Gesetz (nichtstationärer Zustand, Diffusionsschicht wächst)

𝑑𝑐 𝑑! 𝑐
=𝐷⋅ !
𝑑𝑡 𝑑𝑥

𝑑𝑛 1 𝑚𝑜𝑙
𝑛∗ = ⋅ , 𝑑. ℎ. 𝑀𝑜𝑙𝑒𝑛𝑓𝑙𝑢𝑠𝑠 𝑝𝑟𝑜 𝐹𝑙ä𝑐ℎ𝑒𝑛𝑒𝑖𝑛ℎ𝑒𝑖𝑡 𝐴 ,
𝑑𝑡 𝐴 𝑠 ⋅ 𝑐𝑚 !

c = Konzentration des "verbrauchten" Stoffes, mol/cm3

𝑡 = 𝑍𝑒𝑖𝑡, 𝑠

x = 𝐴𝑏𝑠𝑡𝑎𝑛𝑑 𝑣𝑜𝑛 𝑑𝑒𝑟 𝐸𝑙𝑒𝑘𝑡𝑟𝑜𝑑𝑒, 𝑐𝑚

𝑐𝑚 !
𝐷 = (𝑘𝑜𝑛𝑠𝑡𝑎𝑛𝑡𝑒𝑟) 𝐷𝑖𝑓𝑓𝑢𝑠𝑖𝑜𝑛𝑠𝑘𝑜𝑒𝑓𝑓𝑖𝑧𝑖𝑒𝑛𝑡,
𝑠

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Nernst'scher Approximation - Linearisierter Konzentrationsprofil

Fig. 17: Nernst'sche Näherung der Diffusionsschichtdicke

Die Steilheit des Konzentrationsgefälles an der Elektrode wird linear verlängert bis zum
Schnittpunkt mit der Elektrolytkonzentration im Lösungsinnern. Die Dicke dieser
Nernst'schen Diffusionsschicht wird mit δN bezeichnet.

Die Stromdichte i (elektrischer Strom pro Flächeneinheit) kann bei einer durch die
Konvektion gegebenen Diffusionsschichtdicke nur gesteigert werden, bis die
Konzentration des reagierenden Ions an der Phasengrenze auf Null abgesunken ist.

Solange keine andere Reaktion auftritt, kann der jetzt fliessende Strom nicht mehr
gesteigert werden: Der Grenzstrom bzw. die Grenzstromdichte ig sind erreicht; d.h. die
Grenzstromdichte ig ist direkt proportional zur Konzentration des reagierendes Teilchens.

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In der Polarographie wird diese Proportionalität zur Konzentrationsbestimmung
herangezogen, indem eine Strom-/Spannungskurve aufgenommen wird.

Als Beispiel sei hier die Strom-/Spanungskurve einer Metallabscheidung oder eines
Reduktionsvorganges (Fig. 18):

Fig. 18: Polarographische Welle - Man beachte die Beschriftung der x-Achse!

Als polarisierte Elektroden werden unter anderem rotierende Platinelektroden


(definierte Konvektion), meistens aber tropfende Quecksilberelektroden verwendet. Die
tropfende Quecksilberelektrode hat wesentlich Vorteile:

1. Ständig erneuerte Oberfläche - dadurch werden Adsorptionseinflüsse eliminiert.

2. Amalgambildung vieler Metalle - keine Kristallisationsüberspannung

3. Hohe Wasserstoffüberspannung, d.h. die Wasserzersetzung tritt erst bei sehr


negativen Kathodenpotenzialen auf (hohe Aktivierungspolarisation), was erlaubt,
elektronegativere Metalle als Wasserstoff (s. Spannungsreihe) noch zu
analysieren.

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Unter anderem hat Quecksilber allerdings wieder der Nachteil, dass allzu positive
Anodenpotenziale wegen der anodischen Auflösung des Quecksilbers nicht erreicht
werden können (ca. +0,45 V gegen SCE).

In theoretischer Hinsicht ist die tropfende Quecksilberelektrode etwas komplizierter zu


erfassen als Elektroden mit stationärer Konvektion, doch ist eine Ableitung des
Zusammenhanges zwischen Lösungskonzentration und Grenzstrom Ig an dieser
Elektrode mit recht guter Näherung möglich unter Annahme folgender Bedingungen:

1. Der Tropfen sei kugelförmig


2. Während der Lebensdauer eines Tropfens tritt keine Konvektion auf, d.h. die
Diffusionsschicht ist im Wachstum begriffen (2. Fick'sches Gesetz anwendbar)
3. Die Diffusionsschichtdicke δ ist sehr klein gegenüber dem Tropfendurchmesser r
(lineare Diffusionsmodell)
4. Während der Lebensdauer eines Tropfens ist das Elektrodenpotenzial konstant.
5. Die Elektrodenreaktion sei reversibel - es gilt die Gleichgewichtsbeziehung:

𝑅∙𝑇
𝐸 = 𝐸! + ∙ 𝑙𝑛(𝑐! )
𝑧∙𝐹

6. Randbedingungen für die Integration:


a. t = 0 c = c0 für alle x
b. t > 0 c = ce für x = 0
c. t > 0 c = c0 für t --> ∞

Während der Lebensdauer eines Tropfens nimmt der Strom durch die Vergrösserung
der Elektrodenoberfläche zu (Fig. 19):

Fig. 19: Nernst'sche Näherung der Diffusionsschichtdicke

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Durch Dämpfung (mit einem variablen RC-Glied) werden diese Schwingungen im
Polarographen teilweise unterdrückt, man misst einen mittleren Strom I . Dafür wurde
von Ilkovic folgende Beziehung hergeleitet:

𝐼 = 607 ∙ 𝑧 ∙ 𝐷! !
∙ (𝑐! − 𝑐! ) ∙ 𝑚! ! ! !
∙ 𝑡! =
! !
𝐼 = 607 ∙ 𝑧 ∙ 𝐷! !
∙ 𝑚! !
∙ 𝑡! ∙ (𝑐! − 𝑐! ) =

𝑰 = 𝒌 ∙ 𝚫𝒄
tm = Tropfzeit [s]

m = Masse Hg pro s [mg Hg/s]


¯
𝐼 = Mittlerer Strom [µA]

D = Diffusionskoeffizient [cm2/s]

c = Konzentration [mol/l] (c0, ce: Anfangs- und Gleichgewichtskonzentrationen)

Bei der Auswertung der Polarogramme kann man sowohl die Spitzen als auch die
Mittellinie der Oszillation ausmessen, da nicht mit der Beziehung von Ilkovic gerechnet
wird, sondern stets Eichmessungen zum Vergleich herangezogen werden.

Eine unangenehme Erscheinung bei der Polarographie ist der Reststrom, welcher durch
folgende Faktoren verursacht wird:

• Verunreinigungen
Sie sollten möglichst klein sein

• Sauerstoff
O2 muss durch Stickstoff-Gas N2 ausgetrieben werden.

• Kapazitiver Ladestrom
Dieser ist verursacht durch das Aufladen der elektrolytischen Doppelschicht
(analog dem Aufladen von Kondensatoren). Da der Tropfen wächst und sich stets
wieder erneuert, muss die Doppelschicht immer wieder frisch aufgeladen
werden.

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Fig. 20: Schema eines Gleichstrompolarographen

Die Spannungsdifferenz ΔV1 - ΔV2 steuert über den Differenzverstärker den Servomotor
so, dass ΔV1 = ΔV2 wird.

Dies bedeutet, dass kein Spannungssignal am Verstärker mehr auftritt.

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Fig. 21: Strom-Potenzial Verlauf

Das Halbwellenpotenzial E1/2 (siehe Figur 18) ist charakteristisch für das
abgeschiedenen Ion oder die Art der Reaktion, und hängt mit E0 zusammen.

Halbwellenpotenziale E1/2 verschiedener Substanzen und Reaktionen in verschiedenen


Grundelektrolyten sind tabelliert.

Der Stoffverbrauch (Reduktion am Hg-Tropfen) ist sehr gering:

Beispiel:

• 20 ml einer 10-5 M NiSO4-Lösung, d.h. 2⋅10-7 mol Ni2+

• Grenzstrom während 5 Min. : ≈ 4⋅10-8 A

!"" ! ⋅ !⋅!"!! !"#$/!


• Stoffverbrauch: ! ⋅ !.!"⋅!"! !"#$/!"#
≈ 5 ⋅ 10!!! 𝑚𝑜𝑙

d.h. ≈ 0.025%

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Neben der gewöhnlichen Gleichstrom-Polarographie existieren noch verschiedene
Varianten mit ganz speziellen Vorteilen, wie

• Rapid-Polarographie (künstlich verkürzte Tropfzeit)

• Wechselstrom-Polarographie (der Gleichspannung überlagerte Sinusspannung)

• Puls-Polarographie (Gleichspannungsrampe mit Rechteckpulsen)

• Inversions-Polarographie (eine Kombination mit Coulometrie)

die zum Teil ermöglichen, aussergewöhnlich kleine Konzentrationen noch zu erfassen.

Auch Messgeräte zur direkten Sauerstoffkonzentrationsbestimmung beruhen auf der


Methode der Polarographie (z.B. die Clark-Elektrode)

Bei der Polarographie betrachtet man normalerweise nur die Polarisation an einer
Elektrode (z.B. Quecksilbertropfen). Um Polarisationserscheinungen an der
Gegenelektrode vernachlässigbar klein halten zu können, verwendet man als
Gegenelektrode meist ein hochbelastbare, stabile Referenzelektrode (z.B.
Silber/Silberchlorid), die bei den verwendeten Stromstärken keine
Polarisationserscheinungen zeigt.

Eine andere, viel verwendete Methode ist die sogenannte 3-Elektrodenpolarographie, bei
welcher die lineare Potenzialsteuerung über eine separate Referenzelektrode gesteuerte
wird. Dazu braucht man einen steuerbaren Potenziostaten (siehe Fig. 22).

Ein Potenziostat ist ein Messgerät, welche für die Messung über drei Elektroden verfügt:
Eine Arbeitselektrode, eine hochohmige Referenzelektrode und Gegenelektrode. Diese
Elektroden sind alle im Betrieb mit einem zu untersuchenden galvanischen Element
verbunden.

Dabei wird vom Potenziostat eine elektrische Spannung zwischen der Arbeitselektrode
und der Referenzelektrode über einen elektrischen Strom zwischen der Gegenelektrode
und der Arbeitselektrode konstant gehalten. Dabei wird vom Potenziostat die
elektrische Spannung und der elektrische Strom gemessen und als Messwerte
ausgegeben (s. Wikipedia/Potentiostat).

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3. Coulometrie
Die Coulometrie macht von der Tatsache Gebrauch, dass bei der Stromleitung über Ionen
(Leiter 2. Art) die Ladungsübertragung an den Phasengrenzen stets mit einer
bestimmten Stoffmenge (Anzahl Elementarladungen pro Ion, Anzahl Ionen als
Ladungsträger) verknüpft ist, d.h. dass pro Äquivalentgewicht stets 96485 Coulomb
übertragen werden.

Man misst die übertragene Ladungsmenge (Ampere x Zeit), die während des
Auselektrolysierens des zu bestimmenden Stoffes in der Lösung geflossen ist. In
Anbetracht dessen, dass mit modernen Geräten noch Ströme von weit unter 1 µA
gemessen und kontrolliert werden können, und dass auch die Einschaltzeit sehr genau
messbar ist, ergibt sich, dass die Coulometrie zur Bestimmung sehr kleiner Mengen
prädestiniert ist:

Annahme:

• Ein Strom von 1 µA fliesst während 100 s :

10! 𝑠 ∙ 10!! 𝐴
≈ 𝐶𝑜𝑢𝑙
≈ 10!! 𝑉𝑎𝑙
10! 𝑉𝑎𝑙

Val : Grammäquivalent - Stoffmenge eines Stoffes, die mit einem Mol Wasserstoff H reagiert.
Oder: Die Stoffmenge in Val ist gleich der Stoffmenge in Mol mal der Äquivalentzahl z*, weil jedes
Teilchen z*-fach gezählt wird.

• d.h. im Falle von Cu2+ ≈ 0.03 µg

Dies setzt voraus, dass 100% des Stromes ausschliesslich der Bestimmungsreaktion
zugeführt wurden, also keine anderen Reaktionen stattfinden konnten (kein Reststrom).

Der Reststrom, hervorgerufen durch Verunreinigungen, andere Reaktionen, usw.


limitiert denn auch die Genauigkeit der Coulometrie.

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3.1. Potenziostatische Coulometrie (Potenzial = konstant)
Man benützt einen Potenziostaten, der ermöglicht, das Potenzial zwischen der
betrachteten Arbeitselektrode und einer Referenzelektrode einzustellen und konstant zu
halten:

Fig. 22: Potenziostat

Beim Coulometrischen Auselektrolysieren erhält man folgendes Bild:

Fig. 23: Coulometrisches Auselektrolysieren

Das Integrieren geschieht graphisch, mit einem elektrischen Integrator oder einem
Knallgascoulometer ( 1 As = 0.174 cm3 Knallgas bei 1 atm).

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3.2. Galvanostatische Coulometrie (Strom = konstant)

Fig. 24: Galvanostatische Coulometer (Strom = konstant)

Das Potenzial steigt während des Auselektrolysierens an, bis eine andere Reaktion
eintritt.

Die Galvanostatische Coulometrie ist geeignet für die sogenannten Coulometrische


Titrationen:

• Durch den Strom wird in der Zelle ein Reagens erzeugt (z.B. Br2 oder I2 aus KBr
bzw. KI durch Oxidation), welches seinerseits mit einer oxidierbaren Substanz
(z.B. SO2-Lösung) reagiert. Mit einer geeigneten Endpunktanzeige (z.B.
Potenzialmessung) wird indiziert, wenn ein Überschuss des Reagens (Br2)
entsteht, also alle oxidierbare Substanz aufgebraucht ist.

𝑄 =𝐼∙𝑡=𝑛∙𝑧∙𝐹

• Diese Methode wurde auch für kontinuierlich arbeitenden Analyseapparatur


weiterentwickelt, wobei dann der fliessende Strom I gerade proportional der
Konzentration der oxidierbaren Substanz in der Lösung ist (z.B. SO2-Bestimmung
in der Luft im Durchflussverfahren).

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4. Leitfähigkeitsmessung

4.1. Begriffe
Die Leitfähigkeit G eine Lösung wird in Siemens (S) gemessen:

S = Ω-1 mS = (kΩ)-1 µS = (MΩ)-1

Die Leitfähigkeit ist der Kehrwert (reziproke Wert) des elektrischen Widerstandes (Ω).

Da der gemessene Leitfähigkeitswert von der Geometrie und der Anordnung der Zelle
und der Elektroden abhängt, benützt man zur Charakterisierung der Leitfähigkeit einer
Lösung die sogenannte spezifische Leitfähigkeit κ

𝑆 1
𝜅 ;
𝑐𝑚 Ω ∙ 𝑐𝑚

Es ist dies die Leitfähigkeit, die in einem Würfel von 1 cm3 gemessen wird, wenn zwei
parallele Seiten von je 1 cm2 Fläche als Elektroden dienen:

Die Leitfähigkeit der Lösung eines bestimmten Elektrolyten hängt sowohl von der
Temperatur als auch der Konzentration ab. Bei sehr grosser Verdünnung besteht eine
lineare Proportionalität zwischen Leitfähigkeit und Konzentration.

Dies führte zur Einführung der sogenannte Äquivalentleitfähigkeit Λ0 , welche die


charakteristische Leitfähigkeit eines bestimmten Salzes in unendlicher Verdünnung
angibt. Fest steht, dass bei den meist vorliegenden Konzentrationen kein linearer
Zusammenhang zwischen Leitfähigkeit und Konzentration mehr besteht (aufgrund von
Bildung von Assoziaten in Lösung, Coulomb'schen Kräften, Ionenaktivitäten, usw.).

Für analytische Zwecke müssen stets Eichkurven der interessierenden Lösungen


hergestellt werden.

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4.2. Analytische Anwendung
In der Analytik wird die Leitfähigkeitsmessung vor allem auf die beiden folgenden Arten
angewendet:

• Leitfähigkeitsmessung
zur Bestimmung von Konzentrationsveränderung in bekannten Systemen zur
Überwachung und Steuerung von Anlagen.

• Leitfähigkeitstitrationen
Bei Titrationen, bei denen die Leitfähigkeit im Verlauf der Zugabe des Reagens
sich verändert, wird diese als Funktion der Menge hinzugegebenes Reagens
aufgezeichnet. Am Äquivalenzpunkt tritt ein Knick in der graphischen
Darstellung dieser Werte auf (Fig. 25).

Beispiel:

o Säure/Basentitrationen: H+/OH--Ionen haben wesentlich höhere


Leitfähigkeiten als andere Kationen und Anionen.

o Fällungstitrationen: Wegnahme von Ionen als Ladungsträger durch


Fällungsreaktionen.

Fig. 25: Leitfähigkeitstitration


Die Leitfähigkeit G wird als Funktion des zugegebenen Titriermittels gemessen

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4.3. Messung der Leitfähigkeit
Grundsätzlich ist die Leitfähigkeitsmessung vom Apparativen her gesehen eine Messung
des elektrischen Widerstandes. Bei der vorher beschriebenen Analysenmethoden ist der
Einfluss der Leitfähigkeit (Ohm'scher Widerstand) eliminiert worden, indem ein Leitsalz
diese sehr stark erhöhte. Will man nun die Leitfähigkeit einer Lösung messen, müssen
die Polarisationserscheinungen an den Elektroden weitgehend unterdrückt werden:

• Unterdrücken der Aktivierungsspannung:


Man misst häufig mit platinierten (d.h. mit aktivem Platinschwarz überzogen)
Platinelektroden, um die Wasserstoffüberspannung herabzusetzen.

Trotz dieser Massnahmen wird der Widerstand einer Messzelle (d.h. 2 Elektroden im
Elektrolyten) nicht rein ohmisch, sondern ist eine Impedanz (Wechselstromimpedanz).

ZF = Faradayimpedanz (Ursache: Elektrodenreaktionshemmung)


CD = Doppelschichtkapazität
REl = Reiner Ohm'scher Elektrolytwiderstand (Leitfähigkeit)

Fig. 26: Elektrisches Ersatzschaltbild einer Messzelle

Durch geeignete Wahl der Frequenz (200-2000 Hz) wird der kapazitive Widerstand
verringert. Der phasenschiebende Einfluss der Faraday-Impedanz wird in gewissen
Messbrücken durch phasensensitive Messung verkleinert, sodass eine Messung von REL
möglich wird.

Eine genaue Messung ist nur mit einer abstimmbaren Widerstandsmessbrücke


möglich (z.B. Wheatstone-Messbrücke), es werden aber auch direkt anzeigende
Instrumente benutzt, deren Genauigkeit durch den Schaltaufwand bestimmt wird.

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Fig. 27: Prinzip einer abstimmbaren Widerstandsmessbrücke

Am geeichten Potentiometer RA abgleichen bis I = 0, dann gilt:

𝑹𝟏
𝑹𝑬𝑳 = ∙𝑹
𝑹𝟐 𝑨

In dieser Weise ist es möglich, den Widerstand REL zu messen und somit die
Leitfähigkeit der Lösung zu bestimmen.

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