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Historischer

Sprachkontakt
Historischer Sprachkontakt

 gesamte Geschichte europäischer Sprachen = Geschichte des Sprach- und


Kulturkontakts
 Substrat- und Superstratwirkung  die heimische Sprache vs. Eroberersprache

 z.B. Romanisierung der keltischen Sprache (Substratwirkung)


Eroberung Gallien durch Franken (Superstratwirkung)

 „h aspire”

 die Erhaltung der Zweikasusflexion

 die Entwicklung des Indefinitpronomens on (dt. man)

 obligatorische Setzung des Personalpronomens beim Verb


Historischer Sprachkontakt

 die Bezeichnungen Substrat und Superstrat


 haben einen negativen Beigeschmack
 auch in Kreolistik verwendet

 neutraler Begriff: Adstrat


 die Beeinflussung durch andere Sprache infolge lange
währender Nachbarschaft

 zentraler Einfluss: das Lateinische und das


Französische
Sprachkontakt in der Geschichte des
Deutschen

Erste Kontaktphase: Germanen und Römer

 die Übernahme der römischen überlegenen Sachkultur und


damit auch der dazugehörigen Bezeichnungen
 die zweite Lautverschiebung
 z.B.: Pfeil < pilum
Keller < cellarium
Zelle < cella
 Beispiele finden sich in einer Reihe von Bereichen:
 Kriegswesen: Kampf < campus
 römische Verwaltung: Kerker < carcer
 Geräte: Spiegel < speculum
 Lebensmittel: Käse < caesus, Pfeffer < piper
 Verkehr und Handel: Straße < via strata, Markt < mercatus, Korb <
corbis, Kiste < cista, Pfund < pondo
 Hausbau: Ziegel < tegula, Mauer < murus, Fenster < fenestra
 Garten- und Weinbau: Wein < vinum, Kelch < calix,-cis

Die Entlehnungen werden immer aus den lateinischen


Akkusativformen entnommen werden und nicht aus dem
Nominativ!!!
Zweite lateinische Welle: das
lateinische Mittelalter

 althochdeutsche Zeit
 aus Kirche und Kloster übernommene Wörter
 keine Verschiebung der lateinischen Plosive p,t,k

 übernommen werden Bezeichnungen für:


 kirchliche Einrichtungen und Begriffe: Papst < papa, Kloster <
clostrum, Kreuz < crux, crucis, predigen < praedicare
 neue materielle Errungenschaften: Mantel < mantellum,
Teppich < tapetum
 neue Pflanzen aus den Klostergärten: Petersilie < petrosilium,
Zwiebel < cipolla, Salbei < salvia
Zweite lateinische Welle: das
lateinische Mittelalter

 Schreib- und Schriftkultur: schreiben < scribere, Tinte


< aqua tincta, Pergament < pergamentum, Griffel <
graphium, Tafel < tabula

 Fälle von semantischer Übernahme – Lehnbedeutung


 Lehnübersetzungen: Überfluss (< superfluitas),
Gewissen (< conscientia), Heiligtum (< sanctuarium)

 alte Wörter werden verdrängt: leikari > Arzt (archiater)


Zweite lateinische Welle: das
lateinische Mittelalter

 althochdeutsche Phase massiv durch den Sprachkontakt mit


dem Lateinischen geprägt
 mehrsprachige Schreiber
 schriftsprachliche Sozialisation nur in der
Mehrheitssprache erhalten

 Dialekte  nur gesprochen


 Schriftzeugnisse  auf Lateinisch verfasst

 keine Interlinearversionen, sondern selbstständige


Übersetzungstexte
Zweite lateinische Welle: das
lateinische Mittelalter

 Beispiel für die althochdeutsche Übersetzungspraxis:


“Tatian”; Übersetzung einer lateinischen
Zusammenschau der Evangelien

a) et dixit illi: haec tibi omnia dabo, si cadens adoraveris


me.
inti quad imo: thisu allu gibu ih thir, oba thû nidarfallenti
betôs
(Tatian, 15,5)
b) hora erat quasi sexta
was thô zît nâh sehsta
(Tatian, 87,1)
Zweite lateinische Welle: das
lateinische Mittelalter

 ahd. Periode zwischen zwei Tendenzen hin- und hergerissen:


 bestimmte Wortstellungs- und Satzmuster der
einheimischen Dichtungssprache
 zahlreiche Sprachkontakterscheinungen in den
Übersetzungstexten
 eine Art Sogwirkung

 fehlende Strukturen der Muttersprache durch


Anregung der Kontaktsprache nachzubilden
Klassisches Mittelhochdeutsch: Einflüsse
der französischen Dichtungssprache

 Sprach- und Kulturkontakt in der höffischen Dichtung


 die Übernahme der französisch-provenzalischen Lebensform 
Kontakt mit dem Französischen

 von 2000 Wörtern lebt heute nur noch ein kleiner Teil fort:
 Kampfspiele: Turnier < tornei
 Unterhaltung: Tanz < danse, Melodie < melodie
 Kleidung und Stoffe: Samt < samit
 Kostbarkeiten: Rubin < rubin
Klassisches Mittelhochdeutsch: Einflüsse
der französischen Dichtungssprache

 der entlehnte Wortschatz  Mittel der stilistischen


Differenzierung und Konstituierung verschiedener Stilebenen
oder Funktiolekte
 Entlehnungen im Bereich der Morphologie:
 Suffixe
 -ieren: buchstabieren
 -îe zu -ei
 -loi zu lei
 die Übernahme eines neuen Höflichkeitsmusters
 die höfliche Anredeform in der 2.P.Pl. ir zu frz. vous
Latein in der Frühen Neuzeit

 seit dem 14. Jh. – die nicht mehr durch lateinische


Muster geprägten Texte  Strukturen der
Mündlichkeit

Lateinisch-deutsche Zweisprachigkeit im Humanismus


 eine starke Renaissance des Lateinischen
 besser beherrscht als das Deutsche
 aber kein sprachliches “Mutterland”
Latein in der Frühen Neuzeit

 viele Wörter werden aus dem Lateinischen und


Griechischen übernommen:
 Universität, Humanität, Pensum, Text, diskutieren,
präparieren, Prozess, Akte, legal..
 lateinische Namen für Monate: Juli statt
Heumonat

 durch Wortschatzflut bereicherte Fachwortschatz


 die Möglichkeit der Bedeutungsdifferenzierung:
sozial vs. gesellschaftlich
Latein in der Frühen Neuzeit

 eine Reihe nicht-integrierter Lexeme


 Index - Indices, Atlas - Atlanten, Thema - Themata
 eine Lehnmorphologie als Teil der lexikalischen Entlehnung
 Tradition lateinischer und griechischer Flexionssuffixe 
Statussymbol

 Übernahme lateinischer und griechischer Suffixe (-ität,-ation, -


ur, -age, -ant, -al...) und Präfixe (ex-, de-, con-, dis-, hyper-...)
 Doppel- und Mehrfachsuffigierung (z.B. sakramental,
sakramentar, sakramentaisch)
Luther und Code-Switching

„Qui autem vexantur Spiritu tristitiae, inquit, debent summe


cavere, ne sint soli, denn Gott hat societatem ecclesiae geschafft
et fraternitatem gebotten, sicut Scriptura dicit: ‘Vae homini soli,
quia cum cediderit etc.’”

Die aber vom Geist der Traurigkeit geplagt werden, sollen sich aufs
Höchste hüten und vorsehen, dass sie nicht alleine seien. Denn
Gott hat die Gesellschaft der Kirche geschafft, und die Bruderschaft
geboten, wie die Schrift sagt: "Wehe dem Menschen, der allein ist;
denn wenn er fällt etc.“
Luther und Code-Switching

 Häufiger Gebrauch konventioneller und Ad-hoc-Entlehnungen


aus dem Lateinischen
 Zitatfunktion; Streben nach Deutlichkeit; bildhafte
Wendungen, die sprachspezifisch sind; Emotionalität
 Umstrittener Einfluss des Lateinischen auf die deutsche
Sprache
Lateinische Satzbaumuster

 Schachtelsatz in der Kanzleisprache (amtliches und höfisches


Idiom)
 Verbendstellung in Nebensätzen und Nebensatzklammer
 Beschleunigung der Tendenzen des deutschen Sprachsystems
durch den Sprachkontakt
Lateinische Strukturen

 afinite Konstruktionen - „Nebensätze“, in denen das finite Hilfs- oder


Modalverb weggelassen ist

Als Doct. Faustus dem Keyser sein Begeren / wie gemeldet / erfuellet [hat] / hat
er sich Abendts / nach dem man gen Hof zu Tisch geblasen [hat] / auff eine
Zinne gelegt / das Hofgesind auß vnd eingehen zu sehen.

 Mittel syntaktischer Integration


 nahe den Partizipialkonstruktionen des Lateinischen
Lateinische Strukturen

 keine direkte Übernahme - analoge bzw. Replika-


Konstruktionen nach dem Muster des Lateinischen
 Kanzleisprache – im 16. und 17. Jh. in Geschäftsbriefen und
anderen Textsorten
 Nachahmung stilistisch-rhetorischer Mittel
 Virtuosität in der Verschachtelung der Sätze nach dem Vorbild
des Humanistenlateins
Französisch – Sprache der Höfe

 Frankreich - eine der führenden Nationen Europas


 Adel und gehobenes Bürgertum richten sich nach den
Konventionen von Paris und des französischen Hofes
 Französisch - Prestigesprache oder Sprache des Hofes

„Man spricht nur unsere Sprache. Das Deutsche ist für Soldaten
und die Pferde.”
Französische Lehnwörter

 Mode: Mode, Kostüm, Weste, Parfüm, frisieren, Perücke


 Küche: Omelette, Ragout, Torte, Serviette, Tasse
 Wohnkultur: Balkon, Salon, Hotel, Gardine, Sofa, Büffet
 Gesellschaftsleben: Maskerade, Billard, Karussell, Promenade
 Adjektive: galant, charmant, curiös, nobel, nett, interessant
 Verben: amüsieren, spendieren, parlieren, maskieren
Französische Lehnwörter

 Übernahme bestimmter Gebrauchskontexte französischer


Lehnwörter

Karriere: beruflicher Aufstieg (nicht Fahrt, Bahn)


Verbreitung des Französischen

 Soldaten, Händler und Reisende (Kriegszeiten) - das


Französische gelingt in die unteren Schichten sowie in
unterschiedliche Mundarten

(Berlinisch Budike = Geschäft).


Einfluss auf den Grundwortschatz

 Verwandtschaftsbezeichnungen - ursprünglichen deutschen


Begriffe wurden verdrängt

Onkel-Vetter/Oheim (Vater- und Mutterbruder)


Tante-Base/Muhme (Vater- und Mutterschwester)
Papa, Mama, Cousin, Cousine

 soziokultureller Wandel - Auflösung des alten


Verwandtschaftssystems
Einfluss auf die deutsche Morphologie

 s-Plural - zusammen mit französischen Substantiven entlehnt und


darauf isoliert und grammatikalisiert wurde

 Konfixe – Morpheme, die keine selbstständigen Grundmorpheme


sind, aber die als eine Basis bei der Wortbildung dienen können
thermo-, phil-, -meter, -graph, -log (Philantropin und
Philantropist)

 von + Dativ-Kontruktion
Das Auto von meinem Freund / Das Auto meines Freundes
 Französisch - Sprache des gesellschaftlichen Umgangs
 an bestimmte Gebrauchskontexte gebunden

Adieu, ma chère et bonne amie, je fais de vœux pour votre santé et


embrasse les enfants. Wann kommen meine Bücher, meine Papiere
und mein Schreibtisch von Prag?

 Lockerung des damaligen Kanzleistils


Englisch

 17. und 18. Jh. – Einfluss auf literarischer Ebene


 19. Jh. - Industrielle Revolution - England als Vorbild in der
Industrie, im Handel sowie im Verkehrs- und Pressewesen
 Entlehnung des entsprechenden Wortschatzes
Trust, Partner, Tunnel, Waggon, Express, Essay, Reporter,
Interview
Englisch

 20. Jh. - Französisch als Konventionssprache wird verdrängt


 Erster Weltkrieg, puristische Nazizeit
 Nachkriegszeit – angloamerikanischer Einfluss umfasste alle
gesellschaftlichen Schichten
Englische Lehnwörter

 auf morphologischer Ebene integriert


 nicht dem deutschen Laut- und Schriftsystem angepasst
 Luxuslehnwörter - aus Prestigegründen verwendet
Drink (alkoholisches Getränk)
Hit (erfolgreicher Schlager)
Meeting (geschäftliche Zusammenkunft)
Baby – Gefühlswert; Säugling, Kleinkind - Amtssprache
Bedeutungstransfer auf
einheimisches Wortmaterial

 Erweiterung der Bedeutung deutscher Wörter

buchen – to book
ins Rechnungsbuch eintragen; einen Platz bestellen
realisieren – to realize
verwirklichen; einsehen
sinnvoll sein – Sinn machen (to make sense)
Zusammenfassung

 Sprach- und Kulturkontakt – Lateinisch, Französisch und


Englisch stehen im Mittelpunkt
 größter Einfluss auf dem Gebiet des Lexikons – Entlehnung
neuer Wörter; Verschwinden überflüssiger Lehnwörter
 Einfluss der Zweisprachigkeit auf etliche Stils

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