Dokumentation 570

Grobblech –
Herstellung und Anwendung

Stahl-Informations-Zentrum
 Stahl-Informations-Zentrum
Das Stahl-Informations-Zentrum ist eine
Gemeinschaftsorganisation der deutschen Stahl-
industrie. Markt- und anwendungsorientiert
werden firmenneutrale Informationen über
Verarbeitung und Einsatz des Werkstoffs Stahl
bereitgestellt.
Verschiedene Schriftenreihen bieten ein
breites Spektrum praxisnaher Informationen
für Planer, Konstrukteure und Verarbeiter von
Stahl:
„Merkblätter“ sind mit Fotos und techni-
schen Zeichnungen illustrierte Schriften, die
konzentrierte praxisorientierte Informationen
über die Anwendungsvielfalt sowie die Band-
breite der Be- und Verarbeitungsverfahren von
Stahl vermitteln. Sie finden auch Anwendung in
Ausbildung und Lehre.
„Charakteristische Merkmale“ berichten
über Produkteigenschaften und technische Lie-
ferbedingungen von oberflächenveredeltem
Stahlblech und geben Hinweise auf Regelwerke.
„Stahl und Form“ zeigt ästhetisch, gestal-
terisch und funktionell vorbildliche Beispiele von
Stahlanwendungen in der Architektur. Es werden
Bauwerke mit Fotos, Zeichnungen und Skizzen
signifikanter Details ausführlich dargestellt.
„Dokumentationen“ beschreiben die Lei-
stungsfähigkeit von Stahl aus technischer, öko-
logischer und ökonomischer Sicht in verschie-
denen Anwendungsfeldern.
Vortragsveranstaltungen bieten ein Forum
für Erfahrungsberichte aus der Praxis. Die The-
men reichen von Konstruktion über Anwen-
dung und Verarbeitung bis hin zur Ökologie.
Messen und Ausstellungen dienen der
Präsentation spezifischer Leistungsmerkmale
von Stahl. Neue Werkstoffentwicklungen sowie
innovative, zukunftsweisende Stahlanwendungen
werden exemplarisch dargestellt.
Die Internet-Präsentation unter der
Adresse www.stahl-info.de informiert über
aktuelle Themen, Veranstaltungen sowie neue
Publikationen. Einige Publikationen sind bereits
als pdf-Files abrufbar. Online besteht zudem die
Möglichkeit zur Kommunikation.
2
Marketing-Aktivitäten werden zur Förde-
rung des Stahleinsatzes in verschiedenen Märk-
ten durchgeführt, beispielsweise im Automobil-
bau sowie im Wohnungs- und Wirtschaftsbau.
Im Abstand von drei Jahren wird der Stahl-Inno-
vationspreis verliehen. Die Aus- und Weiterbil-
dung wird mit speziellen Aktionen, wie dem
Europäischen Stahlbau-Lehrprogramm ESDEP
(European Steel Design Education Programme),
unterstützt.
Bei Anfragen werden als individueller
Service Kontakte zu Instituten, Fachverbänden
und Spezialisten aus Forschung und Industrie
vermittelt.
Die Pressearbeit richtet sich an Fach-,
Tages- und Wirtschaftsmedien und informiert
kontinuierlich über neue Werkstoffentwicklun-
gen und -anwendungen.
Impressum
Dokumentation 570
„Grobblech – Herstellung und Anwendung“
1. Auflage 2001
ISSN 0175-2006
Herausgeber:
Stahl-Informations-Zentrum
Postfach 10 48 42, 40039 Düsseldorf
Redaktion:
Dipl.-Ing. Arno Frank und
Dr.-Ing. Walter Rohde,
Verein Deutscher Eisenhüttenleute
Gemeinschaftsarbeit des Walzwerksausschusses
und des Werkstoffausschusses des Vereins
Deutscher Eisenhüttenleute anläßlich des
50-jährigen Bestehens des Unterausschusses
Grobblech
Die dieser Veröffentlichung zugrunde liegen-
den Informationen wurden mit größter Sorgfalt
recherchiert und redaktionell bearbeitet. Eine
Haftung ist jedoch ausgeschlossen.
Ein Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit
schriftlicher Genehmigung des Herausgebers
und bei deutlicher Quellenangabe gestattet.

Inhalt
Vorwort
Übersicht
Die Grobblechherstellung aus
verfahrenstechnischer Sicht
Dr.-Ing. A. Streißelberger und
Dipl.-Ing. V. Schwinn, Dillingen
Moderne hochfeste Baustähle
mit hoher Bauteilsicherheit
Dipl.-Ing. H.-J. Tschersich,
Dr. rer. nat. H.-J. Kaiser,
Dr.-Ing. habil. A. Kern und
Dr.-Ing. U. Schriever, Duisburg
Grobbleche für wirtschaftliche
Stahlbau- und Offshore-
Konstruktionen
Dr.-Ing. R. Hubo,
Dipl.-Phys. F. Martin und
Dr.-Ing. F. Schröter, Dillingen
SZ-Stähle: Sonderzähe höherfeste
Baustähle für Grobblech in Dicken
bis 120 mm
Dr.-Ing. P. Trubitz,
Dr.-Ing. P. Hübner,
Dr.-Ing. Th. Brecht und
Dr.-Ing. Th. Kreschel, Freiberg
Moderne Schiffbaustähle normaler
bis extrem hoher Zähigkeit
Dipl.-Ing. J. Saralampi und
Dipl.-Ing. M. Valkama, Raahe, Finnland
Verwendung und Verarbeitung
von Grobblechstählen im Schiffbau
aus der Sicht einer Klassifikations-
gesellschaft
Dr.-Ing. G. Kalla,
Dipl.-Ing. D. Engel und
Dipl.-Ing. J.-O. Probst, Hamburg
Grobbleche im Kessel- und
Druckbehälterbau
Dr.-Ing. K. Richter,
Dr.-Ing. G. Luxenburger und
Dipl.-Ing. R. Cawelius, Dillingen
Anwendungsbeispiele zur Weiter-
verarbeitung von Grobblechen –
Induktivgebogene Stahlrohre
Dipl.-Ing. E. Muthmann,
Mülheim a. d. Ruhr
Grobblech – Herstellung und Anwendung
4 Stahl – ein umweltfreundlicher
Werkstoff 64
5 Ing. P. Bögh und
J. Laurberg-List, Frederiksvaerk,
Dänemark
7
Grobbleche aus nichtrostenden
Stählen 67
Dr. rer. nat. T. L. Ladwein, Krefeld
17 Walzplattierte und massive Bleche
für die Umwelttechnik –
Werkstoffwahl, Verarbeitung,
Praxiserfahrungen 71
Dipl.-Ing. V. Wahl, Altena
Plattiertes Grobblech – ein kosten-
günstiger Hochleistungswerkstoff 77
23 Dipl.-Ing. R. Wödlinger und
Dipl.-Ing. Dr. techn. J. Lettner,
Linz, Österreich
Moderne verschleißfeste
Sonderbaustähle – Herstellung,
Verarbeitung und Anwendung 81
33 Dr. rer. nat. H.-J. Kaiser,
Dr.-Ing. habil. A. Kern,
Dr.-Ing. U. Schriever und
Dipl.-Ing. H. Wegmann, Duisburg
Verarbeitungs- und Gebrauchs-
eigenschaften des verschleißfesten
39 Sonderstahls Brinar 400 Cr 89
Dipl.-Ing. A. Rost, Ilsenburg
Schweißtechnische Verarbeitung
niedriglegierter hochfester
Baustähle 91
Dr.-Ing. D. Uwer und
47 Dipl.-Ing. H. Wegmann, Duisburg
Erfahrungen mit dem Laserstrahl-
schneiden von Grobblechen 97
Dipl.-Ing. H. Wegmann und
Dr. rer. nat. H.-J. Kaiser, Duisburg
53
Anwendung von Grobblechen im
Walzwerksmaschinenbau 107
Dipl.-Ing. H. Thiel, Hilchenbach
60
3
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Vorwort
Grobbleche sind geometrisch einfache,
großflächige, ebene Erzeugnisse, gekennzeich-
net durch Dicke, Breite und Länge. Sie werden
durch Warmwalzen aus Blöcken oder Brammen
hergestellt. Stückgewichte von mehr als 30 t
sind möglich.
Der Walzvorgang dauert nur rund zwei
Minuten. Er trägt in entscheidendem Maß zur
Qualität des Bleches bei. Stichfolge und Wärme-
führung haben ausschlaggebende Bedeutung
für die innere Beschaffenheit und damit fast im-
mer für die mechanisch-technologischen Eigen-
schaften und deren Gleichmäßigkeit über den
Querschnitt.
Wenn das Blech im Wettbewerb auf dem
Markt verkäuflich sein soll, müssen nicht nur
Dicke, Breite und Länge stimmen. Über die
ganze Fläche sind zulässige Grenzabmaße mit-
unter im Bereich von Bruchteilen eines Milli-
meters einzuhalten. Ebenheit und Welligkeit
sind wichtige Kriterien. Die Eigenspannungen
im Blech müssen niedrig gehalten werden, da-
mit es bei einer Teilung oder Erwärmung beim
Weiterverarbeiter nicht zu unzulässigem Ver-
zug kommt. Hohe Erwartungen werden an die
gleichmäßige Beschaffenheit der Oberfläche
gestellt. Die Ausbildung der Walzhaut kann die
spätere Verarbeitung des Bleches erleichtern
oder erschweren. Qualitativ und wirtschaftlich
vorteilhaft sind Walzprozesse, die es möglich
machen, auf eine anschließende Wärmebehand-
lung des Bleches im Ofen zu verzichten.
Durch Kalt- oder Warmumformen und
Schweißen lassen sich aus dem ursprünglich
ebenen Erzeugnis fast beliebig geformte Bau-
teile und Bauwerke herstellen. Umformbarkeit
und Schweißeignung sind deshalb für das Grob-
blech wesentliche Qualitätsmerkmale, die
durch den Walzprozeß mitbestimmt werden.
Dominierende Bedeutung in dieser Hinsicht
gewinnt allerdings die chemische Zusammen-
setzung der Werkstoffe, aus denen die Erzeug-
nisform Grobblech hergestellt wird.
4
Die chemische Zusammensetzung muß sich
an den Erfordernissen orientieren, die sich aus
der geplanten Anwendung ergeben. Festigkeit,
Zähigkeit, Warmfestigkeit, Schwingfestigkeit,
Korrosions- und Verschleißwiderstand am fer-
tigen Bauteil sind einige der wichtigsten Krite-
rien, nach denen der Konstrukteur die jeweils
geeigneten Stähle auswählt. Die Palette der
Stahlsorten für Grobbleche reicht von unlegier-
ten Stählen bis zu hochlegierten austenitischen
Stählen. Die Mindestwerte der Streckgrenze er-
strecken sich über eine Bandbreite von 235 MPa
bis 1100 MPa. Stähle mit hohem Verschleiß-
widerstand erreichen Mindestwerte der Brinell-
härte von mehr als 500 HB. Der erforderliche
Korrosionswiderstand unter extremen Bedin-
gungen macht die Verwendung von Nickelle-
gierungen notwendig. Unter dem Gesichts-
punkt der Kosten werden dann oft Grobbleche
aus unlegierten Stählen bevorzugt, die mit ver-
hältnismäßig dünnen Schichten geeigneter
Werkstoffe mit hohem Korrosionswiderstand
plattiert sind. Die zweckmäßige Herstellung
und Verarbeitung der plattierten Bleche erfor-
dert besondere Maßnahmen.
Die ungeheure Vielfalt der Grobblechquali-
täten hinsichtlich Werkstoff, Formgenauigkeit,
Verarbeitbarkeit und sonstiger Beschaffenheit
eröffnet dem Konstrukteur nahezu grenzenlose
Möglichkeiten zu optimaler Gestaltung, Aus-
legung und Bemessung der Bauwerke. Moder-
nes Grobblech ist ein „high-tech“-Erzeugnis,
das mehr ist, als es scheint. Die vorliegende
Dokumentation soll einen Überblick über die
Vielseitigkeit der Herstellung und Anwendung
von Grobblech geben.

Übersicht
Grobbleche werden üblicherweise in
Dicken zwischen 8 mm und 250 mm geliefert.
Markante Anwendungsbeispiele sind der Stahl-
hoch- und Brückenbau, Offshore-Bauwerke und
Schiffbau. Grobbleche begegnen uns aber auch
in zylindrischen Tanks, Kugelbehältern und
Fernleitungsrohren, deren äußere Gestalt kaum
noch an das ursprünglich ebenflächige Erzeug-
nis erinnert.
In fast allen Großstädten der Welt stehen
Hochhäuser. Manche sind weit über 100 m hoch.
Immer besteht das tragende Skelett aus Stahl,
und je höher die Bauten, je größer die Spann-
weiten und je größer die Lasten sind, die auf den
stählernen Stützen ruhen, um so mehr verdrängt
das Grobblech die im traditionellen Stahlhoch-
bau bevorzugten Walzprofile. Die Herstellung
großer Tragkonstruktionen durch Zusammen-
schweißen von Blechen bietet wirtschaftliche
Vorteile. Bei Spannweiten über rund 150 m
kommen fast ausschließlich geschweißte Blech-
konstruktionen in Betracht.
Längsprofilbleche sind spezielle Grobbleche,
die über ihre Länge unterschiedliche Dicken
aufweisen. Solche Bleche haben in den Stahl-
brückenbau Eingang gefunden, da die örtlichen
Werte der Dicke dem Belastungsprofil der Brücke
angepaßt werden können. Das bedeutet Ein-
sparungen an Schweißnahtlänge. Dadurch
sinkt der Aufwand an Zeit und Kosten für die
Fertigung.
Für Brücken mit Spannweiten von nur weni-
gen Metern bietet sich die Verwendung sehr
dicker Grobbleche in ihrer ebenen Ursprungs-
form an. Der Vorteil liegt hier vor allem in der
kurzen Dauer der Bauausführung. Aber auch
die im Vergleich zur Trägerbrücke geringere
Einbauhöhe kann bei beengten Platzverhältnis-
sen von entscheidender Bedeutung sein.
Offshore-Plattformen für die Gas- und Ölför-
derung stehen, soweit die Meerestiefe es zuläßt,
auf Fachwerken geschweißter Konstruktions-
rohre mit Wanddicken zwischen 20 mm und
90 mm. Damit die Anzahl der Rohrsegmente
und Schweißnähte gering gehalten werden
kann, werden Grobbleche besonders großer
Breite eingesetzt.
Noch vielfältiger als die Erscheinungsformen
weiterverarbeiteter Grobbleche sind die Stahl-
sorten, aus denen Grobbleche hergestellt wer-
Grobblech – Herstellung und Anwendung
den. Grobbleche aus Baustählen sind mit Min-
destwerten der Streckgrenze zwischen 235 MPa
und 1100 MPa verfügbar. Mit zunehmender
Festigkeit und steigender Dicke sind höhere
Gehalte an Legierungselementen oder beson-
dere Herstellungsmaßnahmen erforderlich.
Moderne Stahlwerksmetallurgie und innovative
Walz- und Wärmebehandlungstechniken, wie
thermomechanisches Walzen, Intensivabküh-
lung oder Flüssigkeitsvergüten, geben auch den
höchstfesten Stählen unter konsequenter Nut-
zung der metallkundlichen Mechanismen gute
Umformbarkeit und Schweißeignung sowie ins-
besondere auch ein hohes Zähigkeitsniveau. Die
höherfesten Stähle ermöglichen leichtere Bau-
weisen. Der notwendige Materialaufwand und
die Fertigungskosten werden gesenkt. Bei Nutz-
fahrzeugen und Mobilkränen fallen niedrigere
Betriebskosten an.
Ein besonders wichtiges Kriterium der Ge-
brauchstauglichkeit der Baustähle ist die Spröd-
bruchsicherheit. Umfangreiche Sicherheitsana-
lysen nach dem modernen bruchmechanischen
Konzept des Eurocode 3 haben gezeigt, daß alle
hochfesten Stähle ein Zähigkeitsniveau aufwei-
sen, das für die sichere Nutzung geschweißter
Stahlkonstruktionen unter üblichen Bedingun-
gen mehr als ausreichend ist. Die Möglichkeiten
der Leichtbauweise wirken sich dabei vorteil-
haft aus, denn je dünner die Bauteilwand ist,
um so geringer ist die Sprödbruchgefahr.
Große Mengen Grobblech in Dicken bis
80 mm werden im Schiffbau gebraucht. Auch
hier setzen sich allmählich die höherfesten
Stähle durch, die bei etwa gleichen äußeren
Abmessungen der Schiffe beträchtliche Steige-
rungen des Nutzvolumens zulassen. Mit der
Größe der Schiffe steigt der Anteil dieser Stähle
an der Gesamtmenge bis auf gegenwärtig rund
65 %. Thermomechanisch gewalzte Grobbleche
werden wegen ihrer besseren Schweißeignung
im Vergleich zu normalgeglühten Blechen be-
vorzugt.
Druckführende zylindrische Umschließun-
gen oder kugelige Lagerbehälter sind die häufig-
sten, aus Grobblechen hergestellten Bauformen
unterschiedlichster Größe im Dampfkessel-,
Druckbehälter- und Tankbau. Während die
Dampfkesseleinbauten naturgemäß im Verbor-
genen bleiben, stehen die hoch aufragenden
Reaktorkolonnen der chemischen Großindu-
strie und die gigantischen Flachbodentanks für
5
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
flüssiges Butan oder Propan mit einem Fassungs-
vermögen bis zu 100.000 m3 vielerorts deutlich
sichtbar in der Landschaft. Die Vielfalt der zur
Verwendung kommenden Stahlsorten ist das
besondere Merkmal dieser Anwendungsgebiete.
Für Dampfkraftwerke und chemische Reaktions-
gefäße werden warmfeste Stähle gebraucht. Von
den Stählen für Reaktoren der Erdölchemie wird
neben hoher Warmfestigkeit bis nahezu 500 °C
ein hoher Widerstand gegen den Angriff von
Druckwasserstoff verlangt. Bei den Lagertanks
für verflüssigte Gase kommt es vor allem auf
ausreichend hohe Zähigkeit und gutes Rißauf-
fangvermögen auch noch unterhalb der Siede-
temperatur der gelagerten Gase an, also z. B.
bei flüssigem Sauerstoff unterhalb – 196 °C.
Für verschleißbeanspruchte Konstruktionen,
wie z. B. LKW-Mulden, Transport- und Zerklei-
nerungsanlagen, Schrottpressen oder Abbau-
und Erdbewegungsmaschinen, werden Grob-
bleche in Dicken bis 100 mm aus normalge-
glühten oder wasservergüteten Sonderbau-
stählen mit hohem Verschleißwiderstand ein-
gesetzt. Diese Stähle zeichnen sich durch außer-
gewöhnlich hohe Härtewerte bis 500 HB aus.
Kennzeichnend sind vor allem die für Baustähle
hohen Kohlenstoffgehalte bis 0,28 %. Je nach
Art der Verschleißbeanspruchung haben sich
unterschiedliche Legierungskonzepte auch im
Hinblick auf Kaltumformen, thermisches Tren-
nen und Schweißen als optimal bewährt.
Metallurgische und walztechnische Fort-
schritte haben zu einer wesentlichen Verbesse-
rung des Verarbeitungsverhaltens der hochfesten
Baustähle beigetragen. Dank eines breiten Fun-
damentes solider wissenschaftlicher Erkennt-
nisse ist man heute in der Lage, auch Baustähle
höchster Festigkeit kaltrißfrei zu schweißen.
Ebenso hat man gelernt, im Schweißgut und in
der Wärmeeinflußzone zielsicher anforderungs-
gerechte Eigenschaften einzustellen. Dadurch
haben die Grobbleche aus modernen Stählen
im Vergleich zu ihren Vorgängern ganz erheb-
lich an Gebrauchswert gewonnen und wesent-
lich zur Wettbewerbsfähigkeit der weiterverar-
beitenden Industrie beigetragen.
Bei Grobblechen bis etwa 20 mm Dicke
bietet das Laserstrahlbrennschneiden unter Ver-
wendung von Sauerstoff als Schneidgas Vorteile
hinsichtlich Schneidgeschwindigkeit und Maß-
haltigkeit der geschnittenen Werkstücke. Wich-
6
tig ist jedoch, daß die Bleche einen optimalen
Oberflächenzustand aufweisen und möglichst
arm an Eigenspannungen sind. Solche Bleche
sind heute als LaserCut-Qualitäten auf dem
Markt.
Grobbleche aus nichtrostenden Stählen
werden immer dann eingesetzt, wenn die For-
derungen an den Korrosionswiderstand der
Konstruktionswerkstoffe mit sonstigen Stählen
auch unter Zuhilfenahme zusätzlicher Korro-
sionsschutzmaßnahmen nicht erfüllt werden
können. Demgemäß können für die nichtro-
stenden Stähle auch keine scharf begrenzten
Anwendungsgebiete angegeben werden. Im
Bauwesen und in der Architektur werden sie
ebenso verwendet wie im Apparate- und Behäl-
terbau, für Chemikalientanker sowie in Rauch-
gasentschwefelungsanlagen oder in Meerwasser-
entsalzungsanlagen, um nur einige Beispiele zu
nennen. Das entscheidende Kriterium für die
Anwendung ist letztlich immer die Wirtschaft-
lichkeit. In vielen Fällen werden deshalb nicht-
rostende Stähle nicht als massive Grobbleche,
sondern als walzplattierte Bleche eingesetzt.
Aufgrund ihrer sehr guten mechanischen
Eigenschaften und Schweißeignung haben
in den letzten Jahrzehnten im großen Maße
Schweißkonstruktionen den Stahlguß im
Maschinenbau, insbesondere im Walzwerksbau,
abgelöst. Es kommen vorrangig Blechdicken
von 20 mm bis 270 mm aus höherfesten Stahl-
sorten zum Einsatz.
Die zukünftige Entwicklung der Grobbleche
wird von dem Wunsch der Anwender geprägt
sein, weitere Kosteneinsparungen in der Verar-
beitung zu erzielen. Das bedeutet steigende
Forderungen an die Homogenität der inneren
Beschaffenheit der Bleche, an die zulässigen
Grenzabmaße und an die Ebenheit bei mög-
lichst geringem Eigenspannungszustand. Für
die Prozeß- und Walztechnologie sind das
gewaltige Herausforderungen, denen sich die
moderne Stahlindustrie gestellt hat.
 Die Grobblechherstellung aus verfahrenstechnischer Sicht

Die Grobblechherstellung aus verfahrenstechnischer Sicht

Dr.-Ing. A. Streißelberger und Dipl.-Ing. V. Schwinn, Dillingen

1 Anforderungen an den
Blechherstellungsprozeß
An ein Grobblech werden im allgemeinen
folgende Anforderungen gestellt: Es muß
– die vorgegebenen Abmessungen haben und
das in engen Toleranzen und mit guter Eben-
heit (Bestelldicken können im Bereich von
5 bis 500 mm, die Breiten von etwa 1 bis 5 m
gewählt werden),
– die seitens der Konstrukteure geforderten
Streckgrenzen- und Zugfestigkeitswerte auf
weisen (Streckgrenzen von etwa 235 N/mm2
bis über 1100 N/mm2 können spezifiziert
werden),
– von Konstrukteuren benötigte hohe Zähig-
keiten, und das häufig bei tiefen Temperaturen
besitzen,
– gute Verarbeitbarkeit (z. B. Umformbarkeit,
Schweißeignung) aufweisen,
– wenn gefordert, Resistenz gegen Korrosions-
schädigung z. B. durch den von H2S-haltigem
Gas (Sauergas) entstehenden Wasserstoff-
angriff oder eine bedingte Beständigkeit
gegen atmosphärische Korrosion („Wetter-
festigkeit“) besitzen. Bild 1: Schematische Darstellung des Input/Output in
Diese Eigenschaften sind zum Teil gegenläu- einem Walzwerk
fig und wurden in extremer Kombination bezüg-
lich Legierungs- und Prozeßtechnologie erst Output werden zusätzlich zu den Blechen um-
durch umfangreiche Entwicklungsarbeiten und fassende Prozeßdaten zur Qualitätsüberwachung
Anlageninvestitionen realisierbar. und Auswertung erfaßt sowie Proben-Coupons
Der technologische Status der heutigen Grob- zur mechanisch-technologischen Prüfung im
blechproduktion soll im folgenden vorgestellt Abnahme-Prüflabor entnommen.
werden. Zur Herstellung der Bleche müssen Zur Veranschaulichung der Abläufe und
Brammen oder Blöcke geeigneter Abmessung Mengen bleibt noch festzuhalten, daß zum
(Stranggußdicken bis 400 mm, Blockgußdicken Beispiel im Dillinger Grobblechwalzwerk pro
bis 1000 mm) eingesetzt und eine Reihe gezielter Monat mehr als 25.000 Bleche aus etwa 9.000
Prozeßschritte definiert und reproduzierbar an- Brammen /Blöcken produziert werden und daß
gewendet werden (Bild 1). Diese Schritte umfas- jedes Blech auf Bestellung nach Kundenspezifika-
sen im wesentlichen das Erwärmen der Bram- tion gefertigt wird. Im folgenden sollen die dazu
men auf Walztemperatur, das Walzen und Ab- notwendigen Prozesse näher erläutert werden.
kühlen, gegebenenfalls eine Wärmebehand-
lung, das Schneiden auf Fertigabmessung sowie
begleitende Prüfschritte.
Für all diese Prozeßstufen muß der Grob-
2 Die Prozeßschritte aus
blechhersteller über qualifiziertes Personal, lei- metallurgischer Sicht
stungsfähige Anlagen und geeignete Steuer- und
Regeleinrichtungen verfügen. Als Input müssen Ausgehend von definierten Stahlzusammen-
außerdem gezielte Vorgaben (Procedures, ...), setzungen müssen im Walzwerk in unterschied-
basierend auf dem aktuellsten Know-how-Status, lichen Prozeßstufen metallkundliche Mechanis-
und beträchtliche Energiemengen (Heizgase, men aktiviert werden, die eine Erfüllung der
Antriebsstrom, ...) in das Walzwerk fließen; als mechanisch-technologischen Eigenschaftsanfor-

7
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 2: Prozeß-
stufen im Walz-
werk und deren
metallurgische
Ziele

derungen ermöglichen. In schematischer Form Sicherstellung der Wasserstoffeffusion. Durch

werden in Bild 2 die metallurgisch relevanten
Schritte vorgestellt, die nicht nur zur Formgebung
(Geometrie) des Grobbleches, sondern auch zu
seinen mechanisch-technologischen Eigenschaf-
ten durch Gefügebeeinflussung beitragen.
Während der Brammenerwärmung auf eine
definierte Temperatur im Bereich 1050 – 1200 °C
erfolgt die Austenitisierung mit Homogenisie-
rung und Auflösung von Mikrolegierungsele-
menten. Im Walzprozeß erfolgt je nach Wahl
des Temperatur- Regimes eine gewisse Verfesti-
gung und Kornfeinung des Gefüges, die bei
der anschließenden Abkühlung durch Gefüge-
umwandlung und Ausscheidungsvorgänge je
Bild 3: Warm- nach Abkühlgeschwindigkeit weiter verstärkt
zone eines werden. Üblicherweise erfolgt im unteren Ab-
Walzwerks kühlbereich ein Warmstapeln der Bleche zur
Wärmebehandlungsschritte unterschiedlichster
Art können definierte Gefügebeeinflussungen
vorgenommen werden. Auf die entsprechen-
den Technologien wird in den nachfolgenden
Kapiteln eingegangen.
3 Die Warmzone des Walzwerkes
und das Walzen als formgebender
Prozeß
In Bild 3 werden die typischen Anlagen in
der Warmzone im Layout des Dillinger Walz-
werkes näher vorgestellt. Das geometrische Um-
wandeln der vom Stahlwerk kommenden Bram-
men zu Blechen erfolgt, nach dem Aufheizen in

8
 Die Grobblechherstellung aus verfahrenstechnischer Sicht

Stoß- und Herdwagenöfen, an zwei Quarto-Walz-

gerüsten, die zu den stärksten und modernsten
der Welt gehören.
Ausgangspunkt des Materialflusses ist das
Brammenlager, das direkt mit der Brammenad-
justage des Stahlwerkes verbunden ist. Erwähnt
werden soll die ausreichende Erwärmungskapa-
zität durch Nutzen von 3 Stoßöfen mit 7 Reihen
zur Brammenerwärmung und 3 Herdwagenöfen
für Blöcke und Sonderprodukte. Vor dem Wal-
zen erfolgt eine Hochdruckentzunderung. Das
Kernstück der Warmzone sind 2 Quarto-Gerüste
mit Prozeßrechner-Steuerung, an denen reversie-
rend in Breitungs- und Längsstichen gewalzt
wird. Bild 4 beschreibt anlagentechnische
Details, insbesondere die große Walzenballen-
länge von 5,5 bzw. 4,8 m, was die Herstellung
entsprechender Walztafelbreiten erlaubt. Durch
die starken Antriebe (insbesondere am Vor-
gerüst durch den Drehstrom-Synchron-Motor)
können metallurgisch vorteilhafte hohe Stich-
abnahmen bis zu 50 mm realisiert werden.
Besondere Steuerungs- und Meßeinrichtungen
zur Einhaltung enger Dickentoleranzen sind das
AGC (Automatic Gauge Control) und die Dicken-
meßanlage. Für die Ebenheitssteuerung stehen
WORB (Work Roll Bending), BURB (Backup Roll Bild 4: Leistungsfähige Reversiergerüste
Bending) und ein Prozeßmodell zur Stichplange-
staltung zur Verfügung. Durch den Abstand von
105 m zwischen den 2 Gerüsten ist eine beson-
dere Prozeßflexibilität gegeben. Alternativ zur Ab-
kühlung des Walzgutes an Luft kann an der soge-
nannten MULPIC-Kühlanlage (Multi-Purpose-In-
terrupted Cooling) mit Wasser beschleunigt
gekühlt werden. Diese 30 m lange Anlage kann
als wichtiges „metallurgisches Werkzeug“ einge-
setzt werden, was im nächsten Kapitel gezeigt
wird. Am Ende der Warmzone kann an der
Warmrichtmaschine mit bis zu 3000 t Kraft die
Walztafelebenheit sichergestellt werden.
Beim Standardwalzverfahren ohne spezifi-
sche Temperaturvorgaben, auch Normalwalzen
genannt, wird das Walzen als reines Formgebungs-
verfahren eingesetzt. Die auf hohe Temperatu-
ren aufgewärmte Bramme wird in einer Walz-
phase in die Blechform umgewandelt; die Ab-
kühlung geschieht an Luft.
In besonderen Fällen, vor allem für Dick-
bleche, ist es von Bedeutung, die Möglichkeiten
der starken Gerüste voll auszuschöpfen. Durch
größtmögliche Stichabnahmen im sogenannten
HS-Walzen (High Shape Factor Walzen) wird die
Kernbeschaffenheit des Walzgutes verbessert.
Wie Bild 5 veranschaulicht, kann durch ein

Bild 5: Einfluß des HS-Walzens auf die Verformung und

Eigenschaften im Blechkern

9
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 6a/b:
Längsprofil-
bleche: Schema
der Herstellung
von LP-Blechen
(oben);
einige Profil-
typen von LP-
Blechen (rechts)
entsprechendes Experiment mit präparierten
Brammen die Bedeutung hoher Stichabnahmen
aufgezeigt werden. Im Fall des HS-Walzens wird
auch der Kern des Walzgutes gut durchverformt
und damit die Basis für gute Zähigkeitseigen-
schaften oder hohe Einschnürungswerte in
Blechdickenrichtung gelegt.
Als Sondervariante bezüglich Formgebung
soll an dieser Stelle noch das LP (Längsprofil)-
Walzen angesprochen werden. Der schemati-
schen Erklärung in Bild 6a folgend, wird die
hydraulische Anstellungsregelung des AGC in
diesem Fall nicht zur Gewährleistung einer kon-
stanten Walzdicke, sondern zur Einstellung eines
definierten Längsprofils (lieferbare Profile in
Bild 6b) eingesetzt. Die Profilgebung wird den
Belastungsfällen im Stahlbau unter Gewichts-
optimierung der Konstruktion gerecht.
4 Die Prozeßvarianten zur
Gefügebeeinflussung bzw. zur
Einstellung des Lieferzustandes
Die oben angesprochenen Anlagen im
Walzwerk und das metallurgische Know-how
lassen nun je nach Bedarfsfall, sprich Spezifika-
tion der Blecheigenschaften, den Einsatz maß-
geschneiderter Prozeßvarianten zu.
10
Im Bild 7 sind in einem Temperatur-Zeit-
Schema die wichtigsten Varianten vergleichend
zusammengestellt:
4.1 Klassische Verfahren:
Walzen und Wärmebehandlung
Die erste Gruppe der Varianten baut auf
dem oben beschriebenen Normalwalzen (ohne
besondere Temperatursteuerung des Walzvor-
ganges) auf:
Variante A
Ohne weitere Gefügebeeinflussung durch
Glühen wird das Grobblech im Zustand „U“
(ungeglüht, as rolled) ausgeliefert.
Durch Wärmebehandeln (Kombination
von Glühen bei bestimmten Temperaturen und
Abkühlen) wird reproduzierbar ein Gefüge mit
einer typischen Eigenschaftskombination erzielt,
und zwar:
Variante B
Normalwalzen + Wärmebehandlung „Aus-
tenitisieren (>Ac3 , ca. 900 °C) + Luftabkühlung“
= Normalisieren (Normalglühen)
Diese erfolgt in entsprechend dimensionier-
ten Öfen im Durchlauf ( z. B. Gleichschrittöfen)
oder stationär ( z. B. Einlegeofen).
Ergebnis ist ein Gefüge aus überwiegend
polygonalem Ferrit + Perlit. Der Lieferzustand
wird mit „N“ abgekürzt. Höhere Streckgrenzen
und Zugfestigkeiten können für normalisierte
Stähle im wesentlichen nur über höhere Legie-
rungsgehalte erreicht werden; dadurch sind die-
sem Verfahren hinsichtlich der möglichen Eigen-
schaftskombinationen der Grobbleche Grenzen
gesetzt. Ein äquivalenter Zustand kann durch
normalisierendes Walzen, d. h. ein Walzen mit
einer Endumformung im Bereich der N-Glühtem-
peraturen, eingestellt werden, der folglich auch
mit „N“ bezeichnet wird. Stähle im Zustand N
werden u. a. vor allem für den Kessel- und Druck-
behälterbau eingesetzt.
Variante C
Normalwalzen + Wärmebehandlung
„Austenitisieren (>Ac3) + Wasserabschreckung“
= Quenchen (Quetten, Härten)
Dieser Prozeß erfolgt in einer Kombination
von Rollenherdofen und Durchlaufquette oder
stationär in einem Quett-Becken.
Ergebnis ist infolge der sehr hohen Abkühl-
geschwindigkeit des Bleches ein hartes Gefüge
aus überwiegend Martensit + Zwischenstufe.
Der Lieferzustand wird mit Q abgekürzt.
 Die Grobblechherstellung aus verfahrenstechnischer Sicht
Durch eine anschließende Anlaßglühung
(z. B. in einem weiteren Rollenherdofen bei
Temperaturen von etwa Ac1 –100 °C, ca. 600
°C) wird die Zähigkeit des Gefüges erhöht,
indem die ursprünglich harten und spröden
Martensitbereiche modifiziert werden. Es ent-
steht ein Vergütungsgefüge mit einer Kombina-
tion von noch relativ hoher Härte bzw. Streck-
grenze und Festigkeit mit einer gezielt eingestell-
ten Zähigkeit.
Q + A – Stähle finden vor allem bei beson-
ders hohen Belastungs- und Verschleißanforde-
rungen ihren Einsatz; als Beispiel seien Teleskop-
kranausleger bzw. Baggerschaufeln genannt.
4.2 Thermomechanische
Behandlungsverfahren
Die Forderungen nach hohen Werten der
Streckgrenze und Zugfestigkeit bei Großrohren
(dünne Wandstärken, höhere Förderdrücke bei
Erdgas, ...) kombiniert mit hohen Zähigkeiten
bei tiefen Temperaturen und guter Schweiß-
eignung haben zur Entwicklung des „Thermo-
mechanischen Walzens“ geführt, dessen ver-
schiedenste Formen heute unter dem Oberbegriff
TM (bzw. TMCP = Thermo-Mechanical Controled
Process) zusammengefaßt werden können.
Der wesentliche Unterschied zu den bisher
vorgestellten klassischen Verfahren besteht dar-
in, daß das Walzen nicht nur als Formgebungs-
verfahren eingesetzt wird, sondern gezielt zur
Einstellung der Eigenschaftskombination be-
nutzt wird. Folglich kann das TM-Walzen defi-
niert werden als ein Prozeß, der auf ein Gefüge
mit feiner effektiver Korngröße zielt, eine gün-
stige Kombination der Gebrauchseigenschaften
ermöglicht, auf die Stahlzusammensetzung ab-
gestimmt ist und eine nach Zeit und Tempera-
tur gesteuerte Abfolge der folgenden Schritte
darstellt:
– Brammenerwärmung: mit definierter
Ziehtemperatur;
– Walzen: nach einem festgelegten Stichplan
mit Fertigwalzen im nichtrekristallisierenden
Austenit- oder (α+γ) -Zweiphasengebiet;
– Kühlung: entweder an Luft oder im Stapel
oder beschleunigt in der Kühlstrecke auf
definierte Kühlendtemperatur;
– gegebenenfalls zusätzliche Wärmebehandlung
(Anlassen).
Diese knappe Definition bedarf weiterer
Erläuterungen. Wesentliche Effekte des TM-
Walzens basieren auf der Wirkung einer Mikro-
legierung, z. B. mit Niob (Nb), welches bereits
in geringen Gehalten von 0,02 – 0,05 % seine
volle Wirkung entfaltet, und zwar:
– Niob verzögert bzw. unterdrückt die Rekri-
stallisation des Austenits (Kornneubildung
zwischen den einzelnen Walzstichen).
Dadurch wird die Verformungswirkung
vieler Stiche bei Temperaturen von etwa
< 850 °C akkumuliert, und damit die
Bildung feinster Körner bei der Umwand-
lung ermöglicht.
– Niob bildet im Prozeßablauf Karbonitridaus-
scheidungen, die die Versetzungen im Atom-
gitter blockieren und somit zu Streckgrenzen-
und Festigkeitssteigerungen führen.
Diese beiden Wirkungen des Nb können
durch die Prozeßgestaltung dosiert werden und
erlauben es, die Legierungselementgehalte und
den C-Gehalt so stark abzusenken, daß hohe
Zähigkeitswerte und gute Schweißeignung bei
gleichen oder höheren Streckgrenzen- und
Festigkeitswerten eingestellt werden können.
Durch eine entsprechende Anlagenausstat-
tung im Walzwerk kann die richtige Mischung
der Verfestigungsmechanismen herbeigeführt
werden, um dem spezifizierten Eigenschaftspro-
fil durch „Gefügezüchtung“ am besten gerecht
zu werden. Deswegen können nach Bild 7 einige
grundsätzliche TM-Varianten unterschieden
werden, wobei der Lieferzustand normgerecht
mit „M“ abgekürzt wird.
Varianten D und E
Für diese Varianten werden die angespro-
chenen Mechanismen in mehreren, z. B. von-
einander in Temperaturlagen und Verformungs-
graden sich unterscheidenden Walzphasen
gesteuert. Hierbei kann die Endwalztempera-
tur noch im nichtrekristallisierenden γ-Gebiet
(Austenit) liegen (D) oder bis hinunter in den
γ→α (Ferrit) – Umwandlungsbereich gezogen
werden (E). Hierdurch erreicht man eine
festigkeits- und streckgrenzensteigernde „Kalt-
verformung“ beim Warmwalzen. Die Abküh-
lung des Bleches erfolgt in beiden Fällen an
der Luft.
Varianten F und G
In diesen Fällen geschieht das Walzen nach
einem zu D oder E vergleichbarem Schema. Zur
gezielten Einstellung modifizierter Gefüge vor
allem für zunehmende Blechdicken oder zur Er-
höhung von Streckgrenze, Zugfestigkeit, Zähig-
keit und Sauergaseignung wird das Blech nach
dem Walzen beschleunigt mit definierter Ge-
schwindigkeit in der MULPIC-Anlage mit Was-
ser abgekühlt. Nach der Wahl des Abkühlver-
laufes – entsprechend Bild 8 – können die Ver-
fahren eingeordnet werden:
11
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 7: Tempe-
ratur-Zeit-
Schema der
angewandten
Walz-, Kühl- und
Wärmebehand-
lungsvarianten

Bild 8: Blechab-
kühlverläufe für
unterschiedliche
MULPIC-Verfah-
rensvarianten

12
 Die Grobblechherstellung aus verfahrenstechnischer Sicht
Bild 9: Vergleich der Festigkeitseigenschaften für unterschiedliche Verfahrensvarianten
Variante F
Im Fall von ACC (Accelerated Cooling)
kommt eine Abkühlung nach Bild 8a zur
Anwendung, die zur Einhaltung vorgegebener
Endkühltemperaturen führt.
Variante G
Bei dieser Methode erfolgt eine schnellst-
mögliche Abkühlung der Oberfläche ähnlich der
des konventionellen Quenchens (Variante C).
Im Fall DQ (Direct Quenching) wird auch der
Kern des Bleches durch fortgesetzte Kühlung
unter die Martensit-Start-Temperatur gebracht
(Bild 8b). Im Fall QST wird die noch vorhan-
dene Kernwärme nach einer sehr kurzen Kühl-
zeit zu einem dosierten Selbstanlassen (Q+Self
Tempering) verwendet (Bild 8c).
In welch unterschiedlichem Maß durch
TM-Walzen und beschleunigtes Abkühlen bis
hin zum Direct Quenching bei einer gegebenen
Stahlanalyse im Vergleich zum normalisierten
Zustand Verfestigungsmechanismen ausgelöst
werden, zeigt Bild 9. Für eine gegebene Blech-
dicke (25 mm) und eine mikrolegierte Stahl-
analyse niedrigen C-Äquivalentes werden die
über TM + ACC bzw. DQ gegenüber N-Glühen
erreichbaren Steigerungen der Streckgrenze
und Zugfestigkeit dargestellt.
Zur technologischen Realisierung der
TMCP-Verfahren bedarf es der Festlegung aller
wichtigen Verfahrensparameter (Bild 10) und
ihrer Umsetzung durch die Prozeßsteuerung. Die
wesentlichen Stufen der TM-Verfahrenstechnik
können im Anlagen-Layout der Warmzone des
Dillinger Walzwerkes nachvollzogen werden
(Bild 3):
– Brammenerwärmung in den Stoß- und
Herdwagenöfen,
– Walzung an den Quarto-Reversiergerüsten,
– Kühlung an der MULPIC-Kühlstrecke.
Eine definierte und reproduzierbare Bram-
menerwärmung setzt eine gesteuerte Ofenfahr-
weise basierend auf physikalischen Modellen der
Brammendurchwärmung voraus. Wesentlich
für den Umformprozeß an den Quarto-Rever-
sier-Gerüsten ist deren technische Ausrüstung
und Leistungsfähigkeit. Besonders für TM-Stich-
pläne mit niedrigen Endwalztemperaturen sind
hohe Walzkräfte erforderlich. Die Reproduzier-
barkeit setzt eine schnelle und exakte Prozeßre-
gelung, basierend auf einer möglichst genauen
Messung von Walzguttemperatur, -dicke und
Walzkraft, voraus. Für wirtschaftliche Durchsatz-
leistungen ist die Anwendung eines Tandem-
Walzschemas mit mehreren Brammen gleichzei-
tig im Gerüstbereich erstrebenswert. Die Abküh-
lung des fertiggewalzten Bleches erfolgt an der
Luft, auf dem Rollgang bzw. Kühlbett oder im
Stapel sowie, wenn notwendig, beschleunigt in
der Kühlstrecke.
13
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 10:
Definition des
TM-Prozesses
Da an der Dillinger Kühlstrecke die beschleu-
nigte Abkühlung unterschiedlichster Blechdicken
(ca. 12 bis 120 mm) und das Direct Quenching
in einer Anlage realisiert werden sollen, stand
bei der Auswahl des Kühlsystems die hohe Flexi-
bilität bezüglich der Abkühlintensität im Vorder-
grund. Das gewählte MULPIC-Kühlsystem in der
konzipierten Ausbauform mit einem Hochdruck-
teil ist charakterisiert durch: Wasserkissenkühlung
der Bleche aus einer Serie von über oder im Roll-
gang angebrachten Ober- und Unterrampen, eine
hohe Variationsmöglichkeit der Wasserbeauf-
schlagung von 70 bis 2500 l/m2 min, und damit
eine in weiten Grenzen regelbare Kühlintensität.
Das Regelschema der Anlage wird in Bild 11
14
erklärt: Die rechnergestützte Prozeßregelung für
den Kühlvorgang erfolgt über zwei gekoppelte
Systeme: über das Transportleitsystem bezüg-
lich der Walztafelfahrgeschwindigkeit auf den
Rollgängen, entweder pendelnd in der Anlage
oder kontinuierlich durchfahrend, und über das
Wasserleitsystem bezüglich der Erzielung einer
homogenen Wasserbeaufschlagung.
Die vorgestellten TM-Behandlungsvarianten
werden nun seit mehr als 15 Jahren zur Herstel-
lung von Grobblechen für Großrohre zum Öl-
und Gastransport (Line-Pipe) und seit einigen
Jahren im Schiffbau und im Stahlbau (Brücken,
Offshore-Plattformen) in großen Tonnagen ein-
gesetzt. Auf die werkstoffrelevanten Vorteile
dieser Stähle wird in anderen Berichten einge-
gangen.
Allen vorgestellten Prozeßvarianten gemein-
sam und für die neueren Varianten besonders
zutreffend ist die Rolle der Prozeßregelung und
Qualitätssicherung zur Einhaltung aller spezifi-
zierten Anforderungen. In der Praxis ist zwar ein
Toleranzbereich („Fenster“) der Eigenschaftswerte
zugelassen. Diesen aber statistisch gesichert –
also reproduzierbar – einzuhalten, verlangt auf
alle Fälle eine gute Kenntnis der zugrunde liegen-
den metallkundlichen Zusammenhänge und die
Einstellung aller Prozeßparameter mit definier-
ter Standardabweichung sowohl bei der Stahlher-
 Die Grobblechherstellung aus verfahrenstechnischer Sicht

stellung im Stahlwerk, d.h. Einhaltung der Soll- Einzelblech erfolgt durch Abtrennen des Rand- Bild 11: Regel-
analyse, als auch im TM-Walzprozeß einschließ- schrottes und Teilen der Walztafel in Quer- und/ schema der
lich Kühlung sowie Online-Überwachungs- und oder Längsrichtung, entweder an der Scherenlinie MULPIC-Kühl-
Freigabesysteme. oder bei Dickblechen und hochlegierten Stählen strecke und
ihre Einbindung
im Bereich
zwischen Fertig-
5 Weitere Prozeßschritte bis zum gerüst und
versandfertigen Blech Warmricht-
maschine
Nachdem am Blech die gewünschten Eigen-
schaften durch temperaturgesteuerte Walzpro-
zesse oder Wärmebehandlungsschritte eingestellt
sind, müssen – Bild 12 folgend – noch einige
wichtige Prozeßschritte bzw. Stationen bis zum
fertigen Blech durchlaufen werden. Für den Trans-
port der Walztafeln bzw. Bleche im Werk ste-
hen umfangreiche Transporteinrichtungen wie
Rollgänge, Magnetkräne und Spezialtransporter
zur Verfügung. Je nach Ebenheitsanforderung
sind am warmen oder kalten Blech Richtvorgän-
ge notwendig. Das Abstapeln der Bleche erfüllt
eine doppelte Rolle, die der Wasserstoffeffusion
und des Puffers vor der Adjustage. Die Walztafeln
und Bleche müssen durch eindeutige Identifika-
tionsnummern (Referenz-Nummern) ihrer Ge-
schichte und Spezifikation zugeordnet werden Bild 12: Produk-
können. Dazu werden sie gestempelt und farb- tionsschritte im
beschriftet. Die Umwandlung der Walztafel zum Walzwerk

15
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
durch Brennschneiden. Für die Qualitätsüberwa-
chung erfolgen zerstörungsfreie Prüfungen, z. B.
eine Ultraschall- Prüfung im Fluß oder Ober-
flächen- und Maßkontrollen sowie die Entnahme
von Proben-Coupons für die zerstörende Werk-
stoffprüfung. Auf Bestellung kann das Blech ge-
strahlt und mit Primer konserviert werden.
Der Versand zum Kunden erfolgt ab Werk per
LKW, Bahn oder per Schiff.
6 Lieferprogramm
Charakteristisch für ein Grobblechwalzwerk
ist das Lieferprogramm, das Einblick in die Prozeß-
vielfalt und -flexibilität gibt. Je nach Verfahren
und den dazu notwendigen Anlagen sind den
Abmessungen eines Grobbleches direkt oder
indirekt über das Gewicht Grenzen gesetzt.
Nicht eingegangen wird an dieser Stelle auf
die Tatsache, daß dieser Vielfalt von Abmes-
sungen eine Vielzahl von Stahlsorten überlagert
ist, die in Normen, Regelwerken, Werkstoff-
blättern oder individuellen Kundenspezifikatio-
nen näher beschrieben werden.
7 Prozeßentwicklung als Basis für die
Erfüllung moderner Spezifikationen
Der Herstellungsprozeß für Grobbleche
beinhaltet vielfältige Kombinationsmöglichkeiten
von Prozeßstufen. Aus deren Optimierung leitet
sich ein weites Innovationspotential ab. Durch
enge Kooperation mit der Verarbeiter- und
Anwenderseite kann eine gezielte und ausge-
wogene Abstimmung von Kundenwünschen
und Herstellermöglichkeiten erfolgen. Die an
den Grobblechhersteller herangetragenen Kun-
denwünsche bezüglich Produkteigenschaften,
insbesondere Abmessungen sowie Verarbei-
tungs- und Gebrauchseigenschaften, können
nur dann realisiert werden, wenn in wohlab-
gestimmter Weise durch gezielte Investitionen
und systematische Entwicklungsarbeit die Basis
für neue Prozeßvarianten gelegt wird.
16
8 Weiterführendes
Informationsmaterial
Streißelberger, A.; Oswald, W.; Bauer, J.;
Hanus, F.:
Verfahren der TM-Behandlung mit
beschleunigter Kühlung zur Herstellung
von Grobblech aus Baustählen.
Stahl und Eisen 111 (1991), Nr. 5, S. 65 – 73
Oswald, W.; Streißelberger, A.; Thul, R.;
Nehrenberg, H.-J.; Kirsch, J.:
Heavy plates with special process design to
meet extreme customer requirements.
Proceedings METEC Congr. 94,
6th Int. Rolling Conf., Düsseldorf (1994),
Vol. 2, S. 42 – 51
Schwinn, V.; Streißelberger, A.:
DICREST-Stähle für Druckbehälter unter
Sauergasbedingungen.
Stahl (1992), Nr. 4, S. 49 – 52
Dilg, C.; Kirsch, H.-J.; Streißelberger, A.;
Bauer, J.:
Accelerated cooling during plate production.
Steel Techn. Int. (1992), pp. 211 – 217
Bergmann, B.; Bannenberg, N.; Streißelberger, A.;
Bauer, J.:
Advanced casting practices and TMCP tech-
nology applied to offshore plate and linepipe.
The Houston Mat. Conf. (1993)
Streißelberger, A.; Hanus, F.; Schütz, W.;
Hubo, R.:
Erweiterte Nutzungsmöglichkeiten der thermo-
mechanischen Behandlung von Grobblechen.
Stahl und Eisen 117 (1997), Nr. 4, S. 49 – 57
Streißelberger, A.; Flüß, P.; Kolling, A.:
Controlling Homogeneity and Reproducibility
in the Production of Heavy Plates.
Steel research (1998), No. 4+5, p. 2 – 12
 Moderne hochfeste Baustähle mit hoher Bauteilsicherheit

Moderne hochfeste Baustähle mit hoher Bauteilsicherheit

Dipl.-Ing. H.-J. Tschersich, Dr. rer. nat. H.-J. Kaiser, Dr.-Ing. habil. A. Kern und Dr.-Ing. U. Schriever, Duisburg

1 Einleitung
In hochbeanspruchten Stahlkonstruktionen,
wie z. B. Druckbehältern, Druckrohrleitungen,
aber vor allem im Nutzfahrzeug- und Mobilkran-
bau, hat das Eigengewicht der Konstruktion einen
wesentlichen Einfluß auf die Wirtschaftlichkeit.
Eine Verringerung des Eigengewichts ohne Ein-
buße der Tragfähigkeit, d. h. der Festigkeit und
der Bauteilsicherheit der Konstruktion, steht
dabei im Vordergrund. Diesem Wunsch nach
Leichtbauweise und nach gleichzeitiger Steige-
rung der Sicherheit hochbeanspruchter Kon-
struktionen ist die Thyssen Krupp Stahl AG durch
Bereitstellung thermomechanisch gewalzter oder
wasservergüteter Feinkornbaustähle mit Mindest-
werten der Streckgrenze zwischen 550 MPa und Bild 1: Verminderung der Blechdicke bei gleicher Trag-
1100 MPa nachgekommen. Dank fortschrittlicher fähigkeit durch Einsatz hochfester Stähle anstelle der
Stahlwerks- und Walzwerkstechnik verfügen diese Stahlsorten P355 im Druckbehälterbau
modernen hochfesten Baustähle trotz ihrer hohen
Festigkeit über eine hervorragende Zähigkeit, ein
günstiges Verhalten beim Kaltumformen und eine
gute Schweißeignung. Ein wichtiger Aspekt für
die Nutzung dieser Stähle ist darüber hinaus deren
hoher Widerstand gegen Sprödbruch. Ergänzend
verdeutlicht Bild 1 anschaulich die Möglichkei-
ten zur Gewichtseinsparung durch Verwendung
hochfester Stähle im Vergleich zu den Stahlsorten
P355 (St52–3) am Beispiel des Druckbehälterbaus.

2 Entwicklung und Erzeugung

der hochfesten Baustähle
Moderne hochfeste Baustähle mit Mindest-
werten der Streckgrenze zwischen 550 MPa
und 1100 MPa sollen besonders hohe Anforde-
rungen hinsichtlich Festigkeits- und Zähigkeits-
eigenschaften sowie Sprödbruchwiderstand,
Umformvermögen und Schweißeignung erfüllen.
Neben einer ausgewogenen chemischen Zusam-
mensetzung der Stähle sowie einer modernen
Stahlwerksmetallurgie mit kombiniertem Blasen
und Pfannennachbehandlung ist daher der Ein-
satz neuzeitlicher Walz- und Wärmebehandlungs-
techniken unter konsequenter Nutzung metall-
kundlicher Mechanismen unerläßlich [1]. Dabei
kommen neben normalgeglühten und normali-
sierend umgeformten Stählen vor allem thermo-
mechanisch gewalzte oder aus der Walzhitze
beschleunigt abgekühlte Stähle sowie wasser-
Bild 2: Herstellung von Feinkornbaustählen
unterschiedlicher Festigkeitsstufen
vergütete Stähle mit unterschiedlichem Legie-
rungsaufbau zum Einsatz. Bild 2 gibt eine all-
gemeine Übersicht über wichtige Herstellungs-
verfahren hochfester Feinkornbaustähle, den
typischen Gefügeaufbau, die Einsatzgebiete und
die resultierenden Mindestwerte der Streckgrenze.
Nachfolgend soll insbesondere auf die Stähle mit
Mindestwerten der Streckgrenze von mindestens
550 MPa eingegangen werden.
Während durch Normalwalzen mit anschlie-
ßendem Normalglühen oder durch das vorteil-
haftere normalisierende Walzen nur Mindest-

17
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 3: Entwick- werte der Streckgrenze bis höchstens 500 MPa
lung der hoch- erreicht werden können, ist durch Einsatz des
festen Grob- thermomechanischen Walzens (TM), einschließ-
blechstähle lich der beschleunigten Abkühlung aus der Walz-
hitze, die Darstellung von hochfesten Grobble-
chen mit Mindestwerten der Streckgrenze bis
zu 700 MPa möglich. Beim TM-Walzen sind
chemische Zusammensetzung, vor allem die
Mikrolegierung, und der Umform-Zeit-Tempera-
tur-Verlauf genau aufeinander abgestimmt. Die
Endumformung wird üblicherweise in der Nähe
des Umwandlungspunktes Ar3 durchgeführt, so
daß sich in Verbindung mit der Mikrolegierung
des Stahles, z. B. durch Niob, bei der anschlie-
ßenden Abkühlung und Umwandlung des nicht
rekristallisierten Austenits ein äußerst feines
Ferritgefüge mit günstigen Auswirkungen auf
Streckgrenze und Zähigkeit bildet. Der Gesamt-
gehalt an Legierungselementen kann auf diese
Weise sehr niedrig gehalten werden. Beschleu-
nigtes Abkühlen führt dabei unter optimalen
Fertigungsbedingungen gegenüber der Luftab-
kühlung bei gleichem Kohlenstoffäquivalent zu
einer höheren Streckgrenze [2, 3]. Umgekehrt
Tafel 1: Eigen-
schaften hoch-
fester Baustähle
18
kann man eine vorgegebene Streckgrenze oder
Zugfestigkeit mit einer schwächeren, d.h. kosten-
günstigeren, chemischen Zusammensetzung,
erreichen als beim TM-Walzen mit Luftabkühlung
oder beim Normalglühen.
Für höchste Anforderungen an Festigkeit
und Zähigkeit stehen insbesondere bei größeren
Blechdicken wasservergütete Stahlsorten zur
Verfügung. Das Vergüten wird auf leistungsfähigen
Anlagen durchgeführt und beginnt mit einem
durchgreifenden Erwärmen auf Temperaturen
oberhalb Ac3. Nach der Erwärmung erfolgt ein
schnelles Abkühlen der Bleche mit Druckwasser,
wodurch eine Gefügeumwandlung in der Mar-
tensit- oder Bainitstufe erreicht wird. Neben der
chemischen Zusammensetzung ist die an das
Härten anschließende Anlaßbehandlung die wich-
tigste Steuergröße für die mechanischen Eigen-
schaften. Durch Direkthärten, d. h. durch Härten
direkt aus der Walzhitze, versucht man heute,
den Vorgang des Vergütens zu vereinfachen.
Die bei dieser Vorgehensweise verbesserte Härt-
barkeit erlaubt eine weitere Absenkung der
Legierungsgehalte, die sich auch zur Verbesse-
rung der Schweißeignung nutzen läßt [4, 5].
3 Moderne Baustähle mit
Mindestwerten der Streckgrenze
bis zu 1100 MPa
Die Entwicklung der TM-gewalzten und der
wasservergüteten hochfesten Grobblechbau-
stähle mit Streckgrenzen über 550 MPa hat bei
der Thyssen Krupp Stahl AG bereits vor über
30 Jahren begonnen (Bild 3). Legierungsauf-
bau und mechanische Eigenschaften der Stähle
sind in Tafel 1 zusammengefaßt. Die Grob-
bleche werden dabei sowohl als Quartogrob-
blech als auch bei geringen Dicken aus Warm-
 Moderne hochfeste Baustähle mit hoher Bauteilsicherheit
breitband geschnitten (Bandblech) gefertigt. Die
hochfesten Feinkornbaustähle N-A-XTRA und
XABO weisen ein durch eine Wasservergütung
erzeugtes feines martensitisch-bainitisches
Gefüge auf, das hohe Festigkeit mit ausgezeich-
neter Zähigkeit und hohem Ermüdungswider-
stand verbindet. Hierdurch stehen geeignete
Werkstoffe mit niedrigem Legierungsgehalt für
eine Vielzahl von Anwendungsbereichen zur
Verfügung. Die Thyssen Krupp Stahl AG nutzt in
diesem Zusammenhang die besonderen Vorteile
der Bandblechfertigung im Vergleich zur Ferti-
gung über die Quartostraße bei Blechdicken bis
zu 10 mm und Breiten bis zu 2.000 mm. Durch
Optimierung der Bandblechfertigung können
verbesserte Dickentoleranzen eingehalten wer-
den, die im allgemeinen bei Quartogrobblechen
nicht erreicht werden können. Hierdurch eröff-
nen sich für den Verbraucher neue Möglich-
keiten zur Optimierung der Konstruktion und
zur Reduzierung von Eigengewicht und Verar-
beitungskosten. Im Mobilkranbau werden diese
Vorteile der Bandblechfertigung zunehmend
genutzt.
Mit XABO 1100 ist ein vorläufiger Höhe-
punkt der Entwicklung hinsichtlich der erreich-
baren Mindestwerte der Streckgrenze bei was-
servergüteten Stählen gegeben [6 bis 8]. Dieser
neue extra hochfeste Feinkornbaustahl XABO
1100 trägt auf besondere Weise den Bedürfnissen
der Grobblechkunden nach Gewichtsreduzie-
rung und Erhöhung der Nutzlast Rechnung. Der
niedriglegierte Stahl auf der Basis CrNiMoV wird
in Dicken bis 40 mm hergestellt. Seine heraus-
ragenden Festigkeitskennwerte sind mit einer
bedarfsgerechten Zähigkeit auch bei tiefen
Anwendungstemperaturen kombiniert (Tafel 1).
Grobbleche aus XABO 1100 werden derzeit für
die Herstellung von ungeschweißten Abspann-
stangen für Mobilkräne eingesetzt. Diese hoch-
belasteten Zugelemente ersetzen immer häufiger
die bisher verwendeten Seile. Darüber hinaus
werden Grobbleche aus XABO 1100 in Zukunft
auch im Auslegerbau verstärkt angewendet.
Parallel zu der Bereitstellung der wasserver-
güteten Stähle N-A-XTRA und XABO mit Mindest-
werten der Streckgrenze bis zu 1100 MPa wurde
auch die Entwicklung von hochfesten TM-gewalz-
ten Stählen PAS mit Mindestwerten der Streck-
grenze bis 690 MPa betrieben, die ihre Eigenschaf-
ten bereits im Walzzustand ohne nachträgliche
Wärmebehandlung erreichen. Diese Stähle haben
ihren festen Platz vor allem im Nutzfahrzeugbau,
da sie wegen ihres reduzierten Kohlenstoffgehal-
tes und des vorteilhaften Ausscheidungszustandes
neben guter Festigkeit und Zähigkeit in Dicken
bis 8 mm vor allem eine sehr gute Kaltumform-
barkeit aufweisen (Tafel 1). Neben der Herstel-
lung dieses Stahles über die Warmbandstraße
ist Thyssen Krupp Stahl AG durch Weiterent-
wicklung von Legierungskonzept und Herstell-
bedingungen heute in der Lage, bis 2.500 mm
breite Quartogrobbleche aus PAS 700 bis 15 mm
Dicke auch über TM-Walzen zu fertigen. Dieser
Stahl mit einem Mindestwert der Streckgrenze von
700 MPa stellt in diesem Zusammenhang eine
Alternative zum wasservergüteten N-A-XTRA 70
(S690QL) dar.
Die hochfesten Stähle mit Mindestwerten der
Streckgrenze von 550 MPa bis 1100 MPa haben
sich insbesondere beim Einsatz in extrem bean-
spruchten Schweißkonstruktionen vorzugsweise
im Nutzfahrzeug- und Mobilkranbau bewährt.
Zur Dokumentation des wirtschaftlichen Vor-
teils dieser Stähle gibt Bild 4 abschließend Aus-
kunft darüber, wie sich im Mobilkranbau die Stahl-
Bild 4: Geste-
hungskosten
von Schweiß-
konstruktionen
im Mobilkran-
bau, bezogen
auf die Kosten
bei Verwendung
der Stahlsorten
S355 [9]
19
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
auswahl auf die Gestehungskosten von Schweiß-
konstruktionen auswirkt. Die Ergebnisse basie-
ren auf einer Analyse [9] eines führenden deut-
schen Kranherstellers. Bei Verwendung eines
S960QL anstelle des klassischen S355 (St 52–3)
ergibt sich eine Kostenersparnis von rund 80 %.
Eine weitere Ersparnis ist durch den Einsatz von
XABO 1100 zu erwarten. Zusätzlich ist im Mobil-
kranbau zu berücksichtigen, daß bei Einsatz
hochfester Stähle die zulässige Nutzlast erhöht
wird und damit niedrigere spezifische Betriebs-
kosten anfallen.
Die modernen Baustähle sind mit den gängi-
gen Schweißverfahren gut schweißbar. Sie wei-
sen durch ihr niedriges Kohlenstoffäquivalent
bei Verwendung hochwertiger Schweißzusätze
mit niedrigem Wasserstoffgehalt eine hohe Kalt-
rißsicherheit auf. Die in DIN EN 1011 dargestell-
ten Überlegungen zur Vermeidung von Kaltrissen
(CET-Konzept) zeigen, daß ein Vorwärmen zur
Begünstigung der Wasserstoffeffusion und Ver-
zögerung der Abkühlung im Nahtbereich erst
bei dickeren Blechen notwendig ist. Innerhalb
des CET-Konzeptes zur Bewertung der Kaltriß-
sicherheit werden die Einflüsse von Stahlzusam-
mensetzung, Blechdicke, Wasserstoffgehalt im
Schweißgut, Wärmeeinbringen und Eigenspan-
nungszustand auf das Kaltrißverhalten mathe-
matisch erfaßt.
Die Schweißbedingungen beeinflussen bei
den hochfesten Baustählen natürlich auch die
mechanischen Eigenschaften der Schweißver-
bindung. Wichtig hierbei ist die Festlegung einer
Bild 5: Zähigkeit geeigneten Abkühlzeit t8/5 [10]. In der Abkühl-
und Höchsthärte zeit t8/5 sind die zahlreichen schweißtechnischen
in der WEZ Einflußgrößen zu einer zentralen Kenngröße
von Mehrlagen- zusammengefaßt, welche die Schweißbedin-
verbindungen gungen charakterisiert. Bei modernen Baustählen
der Stahlsorte sollte die Abkühlzeit t8/5 zwischen 5 s und 25 s
N-A-XTRA 70 liegen, um optimale Eigenschaften in der Schweiß-
20
verbindung sicherzustellen. Wie am Beispiel des
N-A-XTRA 70 in Bild 5 gezeigt, ergeben sich
nämlich bei kürzeren Abkühlzeiten, d. h. zu nied-
rigem Wärmeeinbringen, aufgrund des Legie-
rungsgehaltes unzulässig hohe Höchstwerte der
Härte in der Wärmeeinflußzone, die die Bruch-
gefahr der Verbindung erhöhen. Andererseits
ergibt sich bei zu hohem Wärmeeinbringen eine
ungenügende Zähigkeit in der Wärmeeinflußzone
von Schweißverbindungen, was an den hohen
Werten der Übergangstemperatur T27 deutlich
wird.
4 Bewertung des Bruchverhaltens
hochfester Stähle mittels moderner
Sicherheitskonzepte
Bei der Konzeption von geschweißten Stahl-
bauwerken ist die Kenntnis des Bruch- und Ver-
formungsverhaltens eine wichtige Voraussetzung
für eine sichere Konstruktion. Um die Bauteil-
sicherheit geschweißter Stahlkonstruktionen ins-
besondere gegen plötzliches Versagen durch
Sprödbruch nachzuweisen, finden quantitative
Sicherheitsanalysen auf der Basis bruchmechani-
scher Kennwerte zunehmend Anwendung (PD
6493). Hier wird von rißbehafteten Bauteilen
ausgegangen und der Sicherheitsnachweis wird
vornehmlich durch Vergleich der aus der Bean-
spruchungssituation erforderlichen Zähigkeit
des Bauteils mit der gemessenen bruchmecha-
nischen Zähigkeit des Werkstoffs in der Schweiß-
verbindung durchgeführt. Zur vereinfachten Ab-
schätzung bruchmechanischer Kennwerte sind
in der Vergangenheit Korrelationen zwischen
Bruchmechanik-Kennwerten (Spannungsinten-
sitätsfaktor, Rißaufweitung) und Kennwerten
des Kerbschlagbiegeversuchs (Übergangstem-
peratur) aufgestellt worden [11 bis 13] und z. B.
im Eurocode 3 [14] verankert.
Um nun beurteilen zu können, ob mit den
modernen hochfesten Stählen auch ein sicheres
Betreiben geschweißter Konstruktionen mög-
lich ist, wurden entsprechende Sicherheitsanaly-
sen durchgeführt [15]. Beispielhaft zeigt Bild 6
für Stähle mit Mindestwerten der Streckgrenze
bis 1100 MPa den Vergleich des Zähigkeits-
niveaus von Grundwerkstoff und WEZ mit den
Zähigkeitsforderungen nach Eurocode 3. Es
wird deutlich, daß die Anforderungen an die
Zähigkeit mit zunehmender Festigkeit ansteigen.
Für die betrachteten Stähle wird jedoch in allen
Streckgrenzenstufen gefunden, daß das Zähig-
keitsangebot immer über den Anforderungen
liegt. Die Bruchzähigkeit der Stähle liegt in jedem
 Moderne hochfeste Baustähle mit hoher Bauteilsicherheit

Bild 6: Bewer-
tung des Bruch-
verhaltens von
Grundwerkstoff
und WEZ von
Schweißver-
bindungen bei
konstanter Trag-
fähigkeit der
Konstruktion

Fall über der bruchmechanisch erforderlichen Bild 7: Hoch-

Bauteilzähigkeit. Vorteilhaft für die Zähigkeits- feste wasser-
reserve ist dabei, daß beim Konstruieren mit vergütete Grob-
zunehmender Streckgrenze des Werkstoffs auf bleche mit bis
dünnere Blechdicken übergegangen werden zu 1100 MPa
kann. Alle hochfesten Stähle weisen ein Zähig- Mindeststreck-
keitsniveau auf, das für ein sicheres Betreiben grenze für den
von geschweißten Stahlkonstruktionen mehr Mobilkranbau
als ausreichend ist.

5 Anwendungsbeispiele für den Einsatz

moderner hochfester Baustähle
Der Einsatz der hochfesten Baustähle ermög-
licht in vielen Fällen die Reduzierung der Blech-
dicke und damit eine Verringerung der Material-
und Verarbeitungskosten sowie der laufenden
Betriebskosten. Das breite Festigkeitsspektrum
bietet dem Konstrukteur die Möglichkeit, unter
Berücksichtigung der Beanspruchungs- und
Fertigungsbedingungen die optimale Stahlsorte
auszuwählen.
Typische Anwendungsbeispiele
(Bilder 7, 8) sind
– Druckbehälter, Druckrohrleitungen,
– Nutzfahrzeuge und Mobilkräne,
– Schienengebundene Schwerlastfahrzeuge, Bild 8: TM-
– Bergbaugeräte. gewalzte Band-
Konstrukteure und Stahlbauer machen von und Quartobleche
der Möglichkeit erfolgreich Gebrauch, Abmes- mit einem Min-
sungen und Gewicht von Bauteilen oder Bau- destwert der
werken durch Verwendung hochfester Stähle Streckgrenze
zu begrenzen. In manchen Fällen lassen sich von 700 MPa für
technische Grenzen in der Bauhöhe erst durch den Nutzfahr-
die Verwendung dieser Stähle überwinden. zeugbau

21
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
6 Zusammenfassung
Um dem wachsenden Bedürfnis nach Ge-
wichtsreduzierung und Leichtbauweise Rechnung
zu tragen, werden an Stähle für hochbeanspruchte
geschweißte Konstruktionen hinsichtlich Festig-
keit, Zähigkeit und Schweißeignung besonders
hohe Anforderungen gestellt. Hierfür stellt die
Thyssen Krupp Stahl AG zum einen hochfeste
wasservergütete Grobblechstähle N-A-XTRA und
XABO mit Mindestwerten der Streckgrenze bis
zu 1100 MPa bereit. Besonders vorteilhaft ist in
diesem Zusammenhang die Fertigung als Band-
blech, da hier verbesserte Dickentoleranzen ein-
gehalten werden, die im allgemeinen bei Quarto-
grobblechen nicht erreicht werden können. Für
den Verbraucher eröffnen sich damit neue Mög-
lichkeiten zur Optimierung der Konstruktion.
Zum anderen stehen hochfeste TM-gewalzte
Stähle der PAS-Reihe mit Mindestwerten der
Streckgrenze bis zu 700 MPa zur Verfügung, die
ihre Eigenschaften bereits im Walzzustand ohne
nachträgliche Wärmebehandlung erreichen. Diese
Stähle, speziell gefertigt als Bandbleche, weisen
neben guter Festigkeit und Zähigkeit vor allem
eine sehr gute Kaltumformbarkeit und eine her-
vorragende Oberflächenqualität auf. Eine bruch-
mechanische Bauteilbewertung der modernen
hochfesten Grobblechstähle auf der Basis neuar-
tiger Sicherheitskonzepte zeigt, daß die Stähle
auch bei Annahme kritischer Beanspruchungsbe-
dingungen ein Zähigkeitsniveau aufweisen, wel-
ches das sichere Betreiben von geschweißten
Konstruktionen in vollem Umfang sicherstellt.
7 Schrifttum
[1] Degenkolbe, J.; Müsgen, B.:
in: Stahlbau Handbuch, Band 1 (Teil A).
Stahlbau-Verlagsgesellschaft, Köln (1993),
S. 453 – 483
[2] Tschersich, H.-J.; Schriever, U.; Bobbert, J.;
Kuntze, Ch.:
Proc. Int. Conf. Offshore, Polar Eng.,
Den Haag (1995), S. 187 – 196
[3] Meyer, L.; Müschenborn, W.; Schriever, U.:
Proc. Int. Conf. on Thermomechanical
Processing, Stockholm (1996)
22
[4] Degenkolbe, J.; Müsgen, B.; Schriever, U.:
Proc. Int. Conf. „Microalloying ’88“,
Chicago (1988), S. 365 – 371
[5] Degenkolbe, J.:
Thyssen Technische Berichte 25 (1993), Nr. 1,
S. 19 – 30
[6] anonym:
XABO 1100 – Ein neuer Stahl für höchste
Beanspruchung im Mobilkranbau.
COMPACT-TKS-Information 1/98, S. 9
[7] Heller, T.; Kaiser, H.-J.; Kern, A.;
Tschersich, H.-J.:
Moderne hochfeste Stähle im Nutzfahrzeug-
und Mobilkranbau.
ATZ 100 (1998) 9, S. 664 – 668
[8] Kaiser, H.-J.; Kern, A.; Tschersich, H.-J.:
Werkstoffwoche ‘98, Band II, Symposium 2:
Werkstoffe für die Verkehrstechnik.
S. 251 – 254
[9] Gerster, P.:
DVS-Berichte, Band 101 (1986), S. 36 – 39
[10] Uwer, D.; Wegmann, H.:
TWS’98, Workshop on „Steels for Engineering
Industries – Trends in Weldability“.
Tiruchirappalli/India (1998), S. 57 – 67
[11] Marandet, B.; Sanz, G.:
Revue de Métallurgie 7 (1980), Nr. 7,
S. 621 – 642
[12] Kußmaul, K.:
Proc. 12. MPA-Seminar, Stuttgart (1986),
Band 2, S. 25.1/63
[13] Kanazawa, T.; Watanabe, I.; Suzuki, M.:
IIW Doc. X-1085 (1985)
[14] Eurocode 3, Annex C
CEN, ENV 1993-1-1, December 1995
[15] Kaiser, H.-J.; Kern, A.; Schriever, U.;
Wegmann, H.:
Proc. Int. Symposium on Safety in Application
of High-Strength Steel
Trondheim, Norway 1 – 2 July 1997, Session 1.3
 Grobbleche für wirtschaftliche Stahlbau- und Offshore-Konstruktionen
Grobbleche für wirtschaftliche Stahlbau- und
Offshore-Konstruktionen
Dr.-Ing. R. Hubo, Dipl.-Phys. F. Martin und Dr.-Ing. F. Schröter, Dillingen
Im Bauwesen gibt es traditionell drei bedeu-
tende Anwendungsgebiete für Grobbleche:
– Schwere Stahlhochbauten mit geschweißten
Konstruktionen, zum Beispiel für Hochhäuser,
Schiffbauhallen oder Kraftwerksgebäude,
– Brückenbauwerke mit Spannweiten von
4 bis 1000 m und
– Offshore-Plattformen für die Öl- und
Gasförderung auf See.
Für diese Anwendungsgebiete wird heute
eine breite Palette von Grobblechen angeboten,
die den Konstrukteuren mit ihren unterschied-
lichsten Anforderungen bezüglich der Abmes-
sungen, der Festigkeits- und der Zähigkeitsstu-
fen nahezu unbegrenzte Designmöglichkeiten
eröffnen und so bei gleichzeitig günstigen Verar-
beitungseigenschaften sehr wirtschaftliche und
langlebige Konstruktionen ermöglichen.
1 Anwendungsorientierte Entwicklung
von Grobblechen
Im Stahlbau werden heute noch in großem
Umfang Grobbleche in Stahlsorten angewendet,
die sich bereits seit Jahrzehnten bewährt haben.
Dazu gehören insbesondere die Stahlsorten S235
(St37) und S355 (St52). Die Entwicklung der
Grobbleche im Stahlbau orientierte sich zunächst
daran, die Festigkeitseigenschaften bei gleichzei-
tig akzeptabler Schweißeignung zu steigern. Da-
mit konnte die verbaute Stahlmenge – früher ein
wesentlicher Kostenfaktor – auf das notwendige
Minimum reduziert werden. So konnten schon
zu Beginn der 70er Jahre die hochfesten Stahl-
bleche S460N und S690Q vorgestellt werden,
die allerdings eine relativ aufwendige schweiß-
technische Verarbeitung erfordern und deshalb
aufgrund der damit verbundenen höheren Fer-
tigungskosten nur geringe Anwendung fanden.
Aus dem Wunsch nach Gewichtsersparnis,
d. h. Reduzierung des Totgewichtes der Kon-
struktion und der Minimierung der benötigten
Stahlmenge insgesamt, entwickelten sich die
Längsprofil-Bleche (LP-Bleche [1, 2]). Hochent-
wickelte Walzspaltregelungen erlauben es, einem
Grobblech während des Walzvorganges ein
Längsprofil zu geben, d.h. die Dicke des Bleches
über die Länge der Walztafel zu verändern. Auf
diese Weise können verschiedenste LP-Blech-
Geometrien erzeugt werden (Bild 1), so daß
die Dicke des Bleches optimal an das Beanspru-
chungprofil der Konstruktion angepaßt werden
kann. In Europa wurden in den letzten 25 Jahren
über 35.000 t dieser Bleche verbaut. Typische
Bild 1: Arten von
Längsprofilble-
chen (LP-Ble-
chen); Breiten
bis 4.300 mm,
Dicken über 20
mm, Lieferzu-
stände N und U
23
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Anwendungsfälle sind in den Bildern 2 bis 6
dargestellt. Des weiteren werden neben der
Gewichtseinsparung bei Anwendung von LP-
Blechen durch eine Verminderung der Schweiß-
längen vor allem Fertigungskosten und Fertigungs-
zeit eingespart.
Ohnehin werden Aspekte der Fertigungs-
und Verarbeitungskosten zunehmend wichtiger
Bild 2: Anwendungsgebiete für Längsprofilbleche (LP-Bleche)
Bild 3: Untergurte der Verbund-Autobahnbrücke der
A 8 bei Wellingen (D); Länge 320 m (4 x 80 m), offener
Kastenträger, Betonfahrbahn;
Stahlsorte S355J2G3 mit Aufschweißbiegeversuch, Dicken
8 mm bis 65 mm, 800 t (davon 290 t LP-Bleche)
Bild 4: Obergurte der Verbund-Autobahnbrücke
der A 8 bei Wellingen (D)
24
Bild 5: Sauertal-Autobahnbrücke der A 8 (D) mit Stahl-
Kastenträger und orthotroper Stahl-Fahrbahnplatte;
Stahlsorte S355J2G3 mit Aufschweißbiegeversuch,
Dicken bis 60 mm, 13.000 t (davon 400 t LP-Bleche)
und haben zur Entwicklung der modernen Gene-
ration von Stahlbaublechen, den TM-gewalzten
Grobblechen geführt [3 bis 5]. Diese seit Ende
der 80er Jahre lieferbaren Grobbleche in den
Stahlsorten S355M/ML, S420M/ML und S460M/ML
bieten neben einer hohen Festigkeit eine opti-
male Schweißeignung und damit die Möglichkeit,
sehr kostengünstige Stahlbauten zu fertigen.
Die modernen Offshore-Grobbleche stellen
Weiterentwicklungen der Feinkornbaustähle
dar. Die Standardstahlsorten S355N und S355NL
zeichnen sich durch günstige Zähigkeitseigen-
schaften in der Wärmeeinflußzone, d.h. nach dem
Schweißen aus. Auch für dieses Anwendungsge-
biet wurden seit Ende der 80er Jahre TM-gewalzte
Grobbleche in den Streckgrenzenklassen 355,
420, 450 und 500 entwickelt, die gegenüber den
Standardsorten bei gleicher Festigkeit weiter ver-
besserte Verarbeitungseigenschaften aufweisen.
Bild 6: Autobahnbrücke der A 42 bei Beeckerwerth (D);
Schrägseilbrücke mit Stahl-Kastenträger und orthotroper
Stahl-Fahrbahnplatte;
Stahlsorte S355J2G3 mit Aufschweißbiegeversuch,
Dicken bis 60 mm, 8.500 t (davon 600 t LP-Bleche)
 Grobbleche für wirtschaftliche Stahlbau- und Offshore-Konstruktionen

Bild 7: Thermisches Kraftwerk Schwarze Pumpe (D); Bild 8: Thermisches Kraftwerk Schwarze Pumpe (D);
Hochbau; schwere, geschweißte Träger aus Grobblech Tragwerk
S355ML und S355J2G3 (sowie S690QL1),
Dicken bis 65 mm (125 mm), 8.000 t

2 Anwendung im Hochbau Kennzeichnende Beispiele für schwere

Stahlhochbauten aus Grobblechen sind:
Hinsichtlich der Anwendung von Grobblech – Kraftwerksgebäude, wie z. B. für das Kraftwerk
muß im Hochbau zwischen dem einfachen, Schwarze Pumpe (Bilder 7 und 8) mit einer
standardisierten Geschoß- und Hallenbau und Bauhöhe von 161 m. Die Stützen und Quer-
schweren Schweißkonstruktionen für Industrie- träger wurden aus TM-gewalzten Grobblechen
hallen, Kraftwerksgebäude und Hochhäuser unter- S355M/ML, dem Standardbaustahl S355J2G3
schieden werden. Im standardisierten, ein- bis (mit Aufschweißbiegeversuch) und in kleinen
mehrgeschossigen Hochbau und Hallenbau, der Teilen aus S690QL gefertigt. Die Blechdicken
hinsichtlich des Gesamtstahlbaumarktes den betragen bis zu 65 mm.
größten Anteil am Stahlverbrauch darstellt, findet – Commerzbank Hochhaus in Frankfurt
man Grobbleche in der Regel nur in Form von (Bilder 9, 10 und 11).
Kopfplatten oder Steifen für die ansonsten aus
gewalzten Profilen zusammengesetzten Rahmen-
fachwerkskonstruktionen. Dabei kommen über-
wiegend die Stahlsorten S235 oder S275 zur
Anwendung [6].
In den Fällen, in denen hohe Traglasten
oder große Spannweiten in der Konstruktion
notwendig sind, bieten sich aus Grobblech zu-
sammengeschweißte Stützen und Querträger an.
Diese Lösung zeigt deutliche ökonomische Vor-
teile für Trägerbauhöhen oberhalb etwa 600 mm,
da die Querschnitte der Tragkonstruktion indivi-
duell und mit einem Minimum an verbrauchter
Stahlmenge an die konstruktive Aufgabe angepaßt
werden können. Als Stahlsorte kommt heute über-
wiegend S355 zur Anwendung, in einzelnen An-
wendungen finden sich aber auch höherfeste
Grobbleche S460, jeweils in charakteristischen
Abmessungen von: Bild 9: Bürohochhaus der Commerzbank in Frankfurt a. M.
– Dicken von 8 mm bis 100 mm, (D); schwere, geschweißte Stützen und Träger aus Grob-
– Breiten bis zu 1,5 m und blech aus S355M, S355ML, S355J2G3 mit Aufschweißbiege-
– Längen bis 18 m. versuch, S460M und S460ML, Dicken bis 120 mm, 18.500 t

25
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 10: Bürohochhaus der Commerzbank in
Frankfurt a. M. (D) ; Stützkonstruktion
Bild 11: Bürohochhaus der Commerzbank in
Frankfurt a. M. (D); Deckenkonstruktion
Im Hochhausbau führten in den letzten 10
Jahren die sehr hohen Anforderungen der
Architekten an die Ästhetik der Bauwerke
dazu, daß zunehmend schwere Stahlskelett-
konstruktionen zum Einsatz kommen. Ein
typisches Beispiel stellt das über 298 m hohe
Commerzbank Hochhaus in Frankfurt dar [7],
in dessen Stahlrahmenkonstruktion 18.000 t
Grobblech verwendet wurden. Blechdicken
über 30 mm wurden in S355M ausgeführt. Die
besonders hoch beanspruchten Träger und
Stützen wurden in S460M gebaut. Durch opti-
male Grobblechauswahl konnten so die Ferti-
gungskosten minimiert werden.
26
Bild 12: Wohngebäude des Sony Center in Berlin (D);
schwere, geschweißte Fachwerkträger aus Grobblech aus
S460M, S460ML und S690QL1, Dicken bis 110 mm, 1.000 t
– Sony Center in Berlin, Gebäude F (Bild 12)
Auch in diesem Fall gaben die Anforderungen
des Architekten den Ausschlag zur Anwendung
hochfester Grobbleche. Die Tragkonstruktion
besteht aus drei schweren Stützen, auf denen
zwei aus Grobblechen gefertigte Fachwerk-
träger aufliegen, die aus Blechen der Stahl-
sorten S460M und S690QL1 in Blechdicken
bis 100 mm zusammengeschweißt wurden.
An letzteren wurden die einzelnen Etagen
des Gebäudes aufgehängt [8].
– Fernbahnhof Frankfurt/M. (Bilder 13 und 14)
Die 700 m lange und 50 m breite Ankunfts-
halle des ICE-Fernreisebahnhofes am Flughafen
in Frankfurt ruht auf schweren, geschweißten
Stützen. Insgesamt wurden über 18.000 t
S355M/ML und 2000 t S355K2G3 verbaut.
Jeder einzelne Fachwerkoberrahmen wiegt
rund 320 t und liegt auf den schweren ge-
schweißten Stützen auf, die je 7.500 t Trag-
kraft aufweisen.
3 Anwendung für Brückenbauwerke
Im Brückenbau ist in den letzten Jahren ins-
besondere infolge der Entwicklung in Richtung
Verbundbau (Stützkonstruktion aus Stahl, Deck
aus Beton) ein zunehmender Trend zur Verwen-
dung von Grobblechen zu verzeichnen [9]. Hin-
 Grobbleche für wirtschaftliche Stahlbau- und Offshore-Konstruktionen
Bild 13: ICE-Fernbahnhof Frankfurt a. M. Flughafen (D);
schwere geschweißte Stützen und Träger aus Grobblech
aus S355M, S355ML und S355J2G3 mit Aufschweißbiege-
versuch, Dicken bis 120 mm, 20.000 t
sichtlich der Brückengröße ist vor allem der
Bereich mit mittleren Spannweiten zwischen
30 und 150 m davon berührt. Typische Bei-
spiele für Querschnitte von Verbundbrücken
sind in den Bildern 3, 4 und 15 dargestellt. In
diesen Konstruktionen können die Liefermög-
lichkeiten von Grobblechen hinsichtlich Abmes-
sungen und Stahlsorten voll ausgenutzt werden.
Sowohl sehr dicke (Gurtbleche bis 150 mm
Dicke) wie auch sehr breite (bis zu 4300 mm
Breite, in Einzelfällen bis 5200 mm Breite) und
lange Bleche für Segmentlängen zwischen 18
und 36 m aus Stahlsorten bis S690QL1 [10] sind
anzutreffen und ermöglichen sehr kostengün-
stige Konstruktionen.
Brücken mit sehr kleinen Spannweiten von
3 bis 6 m können aus einzelnen dicken Grob-
blechen hergestellt werden. Diese Plattenbrük-
ken bestehen sozusagen nur aus einem Blech in
einer Dicke, die je nach Belastung und Durch-
biegungskriterium bis zu 250 mm betragen kann
[11]. Typische Plattenbrücken sind die Brücke von
La Moyaz und die Brücke Creux du Maz in der
Schweiz (Bilder 16 und 17). Beide Platten-
Bild 14: ICE-Fernbahnhof Frankfurt a. M. Flughafen (D);
Tragwerk
Bild 15: Querschnitt der Verbund-Straßenbrücke Nesebachtal (D); Länge 450 m,
Stützweiten bis 90 m; Grobblech aus S355J2G3 mit Aufschweißbiegeversuch
in Dicken von 12 mm bis 80 mm, 1.600 t, und S690QL 1 in Dicken von 12 bis
50 mm, 200 t
brücken bestehen aus nebeneinanderliegenden,
dicken Grobblechen der Stahlsorte S275NL.
Die Blechdicken liegen zwischen 160 mm und
220 mm, bei Breiten von rund 2.300 mm und
Längen von rund 4.400 mm. Diese Bauweise
zeichnet sich durch die geringe Verkehrsunter-
brechungszeit aus. So vergehen vom Beginn der
Abbrucharbeiten der alten Tragkonstruktion bis
zur Überfahrt des ersten Zuges über die neue
Plattenbrücke im allgemeinen nicht mehr als
acht Stunden.
Der Bereich großer Spannweiten (größer
als 150 m) ist konstruktionsbedingt die Domäne
der Ganzstahlkonstruktionen. Für derartige Brük-
ken kommen nahezu ausschließlich Konstruk-
tionen zur Anwendung, die aus Grobblechen
zusammengeschweißt werden.
Im Brückenbau werden heute in Europa
überwiegend Grobbleche der Stahlsorte S355
angewendet und mit zunehmender Spannweite
auch höherfeste TM-gewalzte Grobbleche
S420M/ML und S460M/ML. In Einzelfällen wird
auch die höherfeste wasservergütete Stahlsorte
S690QL/QL1 verbaut. Die Blechdicken sind in
Bild 16: Querschnitt der Eisenbahn-Plattenbrücke von
La Moyaz (CH)
27
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

der Regel kleiner als 50 mm. Gelegentlich sind

aber bis zu 150 mm Blechdicke in den tragenden
Querschnitten anzutreffen.
Kennzeichnende Beispiele für den modernen
Stahlbrückenbau zeigen die folgenden Bilder:
– Eisenbahnbrücke Nantenbach, Deutschland
Die zweigleisige Verbundbrücke [12, 13] hat
eine Gesamtlänge von 695 m und an den
Stützen eine maximale Bauhöhe von 15,5 m
(Bild 18). Die mittlere Öffnung beträgt 208 m.
Die Brücke wurde als dreifeldriges, gevoutetes
Verbundbauwerk mit einer obenliegenden
Bild 17: Querschnitt der Eisenbahn-Plattenbrücke von Betonfahrbahnplatte und einer Betondruck-
Creux du Maz (CH) platte im Bereich der negativen Momente über
den Stützen (Doppelverbund) konstruiert. Als
Werkstoff kam die Stahlsorte S355J2G3 mit
Aufschweißbiegeversuch nach SEP 1390 in
Blechdicken bis 65 mm zum Einsatz.
– Brücken für den TGV-Méditerranée, Frankreich
Von den 23 Brückenbauwerken wurden 15
als Verbundbrücken mit 2 Hauptlängsträgern
gebaut. Davon sind die bedeutendsten die
Brücke von Cavaillon (5.200 t), die Brücke
von Orgon (3.600 t) und die Brücke Cheval
Blanc (3.500 t). Neben fünf kleineren Brük-
ken wurden drei große Stabbogenbrücken
Bild 18: Nantenbachtal ICE-Eisenbahn-Verbundbrücke (D); konstruiert: Viaduc de Donzère, Viaducs de
zweigleisig, Hauptöffnung 208 m; Grobblech aus Mondragon und Mornas (Bilder 19 und 20).
S355J2G3 mit Aufschweißbiegeversuch, 5.600 t Neben der klassischen Stahlsorte S355K2G3
(Blechdicken < 30 mm) wurden als Grobblech
die Stahlsorten S355N und S355NL (Blech-
dicken > 80 mm) zum Teil als LP-Bleche
angewendet.
– Erasmus-Brücke Rotterdam, Niederlande
Die Erasmus-Brücke [14] verbindet die
Rotterdamer Innenstadt mit der nördlichen
Seite der Nieuwe Maas, Kop Van Zuid, wo auf
einem altem Hafengelände ein neuer Stadtteil
errichtet wird (Bild 21). Bei einer Gesamtlänge
von 499 m setzt sich die Stahlbrücke aus zwei
unterschiedlichen Brückenbauwerken, einer
Bild 19: Brücke von Donzère Mondragon (F) für den 410 m langen Schrägseilbrücke mit einem
TGV-Méditerranée 139 m hohen Stahlpylon sowie einer 89 m
langen Klappbrücke, zusammen. Insgesamt
wurden über 6.000 t Grobblech verbaut in
den Stahlsorten S355M (Dicke < 100 mm,
4.200 t), S460ML (Dicke < 80 mm, 2.000 t)
und S460QL (Dicke < 125 mm).
– Öresund-Brücke, Dänemark-Schweden
Die Öresund-Verbindung (Bild 22) wird aus
einer 7.500 m langen Fachwerk-Verbund-
brücke, einer 4.000 m langen, künstlich
angelegten Insel und einem 3.500 m langen
Tunnel gebildet. Die Vorlandbrücken und die
Schrägseilbrücke mit der Hauptöffnung wurden
Bild 20: Brücke von Mornas (F) für den als Fachwerkbrücke mit Betonoberdeck und
TGV-Méditerranée Stahlunterdeck (Eisenbahndeck) ausgeführt.

28
 Grobbleche für wirtschaftliche Stahlbau- und Offshore-Konstruktionen

Zur Anwendung kamen für die Vorlandbrücken

Grobbleche in der Stahlsorte S460M/ML in
Blechdicken bis 80 mm (60.000 t) und für die
Hauptbrücke als S420M/ML bis 50 mm Dicke
(16.000 t).
– Normandie-Brücke, Frankreich
Die Normandie-Brücke [15] wurde 1995 als
damals größte Schrägseilbrücke der Welt dem
Verkehr übergeben (Bild 23). Von der Gesamt-
länge der Hauptöffnung (856 m) wurden 624 m
aus Gewichtsgründen aus Grobblechen kon-
struiert. Der aerodynamisch optimierte, ge-
schweißte Brückenkasten weist Blechdicken Bild 21: Erasmus-Brücke in Rotterdam (NL); Kombination
bis 30 mm auf (Einzelteile bis 125 mm), von Schrägseil- (410 m) und Klappbrücke (90 m); Grob-
wobei die Stahlsorten S355K2G3, S355N und blech aus S355M in Dicken von 8 mm bis 100 mm, 5.000 t,
S420M Verwendung fanden. S460ML in Dicken von 12 mm bis 80 mm, 2.000 t, und
S460QL2 in Dicken von 80 mm bis 120 mm, 800 t

4 Einsatz für Offshore-Konstruktionen

Der Bau von Offshore-Plattformen für die
Gas- und Ölförderung in der Nordsee stellte in
den 60er und 70er Jahren erstmals Anforderun-
gen an die Grobblechherstellung, die weit über
die Anforderungen des herkömmlichen Stahlbaus
hinausgingen. Aufgrund der hohen Anforderungen
an die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Platt-
formen auch unter extremen äußeren Bedin-
gungen (tiefe Temperaturen, Stürme, hoher See-
gang, Meerwasserkorrosion) sowie der Notwen-
digkeit der teilweisen Verarbeitung vor Ort auf Bild 22: Öresund-Brücke zwischen Dänemark und Schwe-
See mußten Grobbleche mit besonders hoher den; Hauptbrücke als Schrägseilbrücke ausgeführt mit
Zähigkeit, hohem Widerstand gegen Rißausbrei- Grobblech aus S420M, S420ML und S355M in Dicken bis
tung und günstigen Verarbeitungseigenschaften 50 mm, 16.000 t; Vorlandbrücken ausgeführt als Verbund-
entwickelt werden. Diese Stähle sind wesentliche brücke mit Eisenbahn-Stahldeck (unten) und Beton-Auto-
Weiterentwicklungen der Feinkornbaustähle zu bahnfahrbahn (oben); Grobblech aus S460M und S460ML
speziellen Offshore-Stahlsorten. in Dicken bis 80 mm, 60.000 t
Die Tragkonstruktion von auf dem Meeres-
boden stehenden Plattformen setzt sich in der
Regel aus einem Fachwerk aus relativ dickwan-
digen Konstruktionsrohren zusammen. Um diese
Konstruktionsrohre wirtschaftlich herstellen zu
können, werden möglichst breite Grobbleche
benötigt. Die Anzahl der Rohrsegmente, die für
die Fachwerkskonstruktion zusammengeschweißt
werden, kann so erheblich reduziert werden. Die
Blechbreiten für derartige Konstruktionen liegen
heute zwischen 3.500 mm und 4.500 mm mit
Blechdicken zwischen 20 mm und 90 mm. Die
Anwendung von Grobblechen der Stahlsorte
S355-Offshore ist heute Standard. Diese Grob-
bleche können normalgeglüht oder TM-gewalzt
in Blechdicken bis zu 250 mm bzw. 120 mm ge-
liefert werden. Insbesondere die TM-gewalzten Bild 23: Normandie-Brücke (F); Schrägseilbrücke, Länge 2200 m, Haupt-
Grobbleche lassen sich kostengünstig verarbei- öffnung 856 m; Grobblech aus S355K2G3, S355N und S355NL in Dicken von
ten und weisen nach dem Schweißen sehr gün- 12 mm bis 125 mm, 3.700 t, aus S420M, 20 mm dick, 1.750 t, und aus S460NL,
stige Zähigkeitseigenschaften auf. 75 mm dick, 150 t

29
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 24: Offshore-Plattform Ekofisk II (N); Grobblech S420M Offshore, 40.000 t

(Jacket 11.500 t, Deck 23.000 t, Piles 5.500 t)

Die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder in – Petronius Tower

größerer Tiefe erfordert einerseits größere Bau- Mit einer Gesamthöhe von 564 m stellt der
höhe und andererseits die Entwicklung schwim- Petronius Tower (Bild 25) 200 km vor New
mender Plattformen. Auf Grund der dazu nötigen Orleans im Golf von Mexiko die zurzeit höchste
großen Tragquerschnitte bei Verwendung des (oder vielleicht besser: tiefste) Offshore-Platt-
klassischen S355-Offshorestahles hat sich hier form der Welt dar. Dieses kühne Projekt konnte
in den letzten Jahren im Bereich der Nordsee nur durch den Einsatz hochfester Stähle des
verstärkt der Einsatz von höherfesten Grobble- Typs S460M-Offshore in Blechdicken bis 90 mm
chen der Stahlsorte S420-Offshore durchgesetzt. gelingen. 2.200 t dieser Stahlsorte wurden zur
Diese Grobbleche werden in Dicken bis 120 mm Konstruktion spezieller elastischer Gelenke
TM-gewalzt geliefert und bei größeren Blech- verwendet, die gestatten, daß der Turm auf
dicken wasservergütet. Wellen- und Strömungsbewegungen reagiert.
Kennzeichnende Beispiele für Offshore-
Plattformen sind:
– Ekofisk IIa
Das alte Öl- und Gasfeld Ekofisk vor der Küste
Norwegens (Bild 24) mußte auf Grund des
Absinkens des zentralen Lagertanks vollkom-
men neu konzipiert werden. Dazu wurden
zwei neue Plattformen konstruiert, für die
mehr als 45.000 t Bleche, zum überwiegenden
Teil der Stahlgüte S420M-Offshore, verwendet
wurden. Die Decks beider Plattformen stehen
etwa 90 m über dem Meeresboden und sind
miteinander und dem übrigen Komplex durch
Brücken verbunden.
Die sechsbeinige Plattform 2/4X wiegt ohne
die sogenannten Piles, Rammrohre zur Veran-
kerung im Meeresboden, allein 7.900 t, von
denen 5.800 t auf das Jacket entfallen. Die Bild 25: Tiefsee-Offshore-
neue Zentralplattform 2/4J besteht aus einem Plattform Petronius Tower
11.400 t schweren Jacket, welches ein 23.000 t (USA); Höhe 564 m, Grob-
schweres Deck trägt. Diese Plattform ist durch blech aus S460M Offshore-
16 Piles mit einem Gesamtgewicht von 5.500 t Güte in Dicken von 12 mm
im Meeresboden verankert. bis 90 mm, 2.200 t

30
 Grobbleche für wirtschaftliche Stahlbau- und Offshore-Konstruktionen

– Siri
Die Siri-Plattform (Bild 26) steht etwa 220 km
vor der Küste im nordwestlichen Teil des
dänischen Sektors der Nordsee in einer Mee-
restiefe von 60 m. Die 104 m langen Beine
dieser Plattform mit einem Einzelgewicht
von 800 t weisen einen Außendurchmesser
von 3,5 m auf. Die Wanddicke variiert dabei
zwischen 65 und 110 mm. Für die Beine wurde
erstmals ein Stahl der Festigkeitsklasse S690Q-
Offshore verwendet, für den besondere, erhöhte
Bruchzähigkeitskennwerte nachgewiesen
wurden.
In der jüngsten Zeit wird der S500-TM-
Offshorestahl, der die gleichen Zähigkeitseigen-
schaften wie ein niedrigfesterer Stahl aufweisen Bild 26: Zeitweise fixierte Offshore-Plattform Siri (DK);
muß, für die Anwendung vorgesehen, so z. B. Höhe der Stützen 104 m, Grobblech aus S690Q Offshore
für das Grane-Projekt in Norwegen. Auch die in Dicken von 10 bis 60 mm, 3.200 t
Streckgrenzenstufe S690 findet zunehmend
stärkere Verwendung, auch über die Zahnstan-
gen von Hubplattformen hinausgehend. Jedoch
sind für diese Stahlsorten vor der breiteren An-
wendung noch zahlreiche Fragen vor allem zur
Bruchsicherheit und der Korrosionsermüdung
zu beantworten. Die derzeitigen Liefermöglichkeiten werden
die Anforderungen und Wünsche bis weit in
die nächsten Jahrzehnte hinein erfüllen.
5 Ausblick Die zukünftige Entwicklung von Grobble-
chen für Stahlbau- und Offshore-Konstruktionen
Die Auswahlmöglichkeiten von Grobblechen wird geprägt sein vom Wunsch der Anwender,
für Stahlbau- und Offshore-Konstruktionen sind weitere Kosteneinsparungen in der Verarbeitung
heute nahezu unbegrenzt hinsichtlich der reali- durch weiter optimierte Grobbleche zu ermögli-
sierbaren Abmessungen und Stahlsorten (Tafel 1). chen. Zusätzliche, gehobene Anforderungen ins-
Den Konstrukteuren stehen damit fast unbe- besondere an die Homogenität der Eigenschaften
grenzte Möglichkeiten eines preiswerten Pro- in den Blechen und an die Toleranzen und Eben-
duktes zur Verfügung, so daß optimale Bemes- heit der Bleche bei geringst möglichem inneren
sung und Auslegung von Bauwerken und gün- Spannungszustand stellen dabei eine große Her-
stige Verarbeitungseigenschaften im Hinblick ausforderung an die Prozeß- und Walztechnolo-
auf wirtschaftliche und wettbewerbsfähige gien der Grobblechhersteller dar. Die Stahlindu-
Konstruktionen kombiniert werden können. strie hat diese Herausforderung angenommen.

Abmessungen Maße oder Gewicht Anmerkung

Dicke in mm 8 bis 250

Breite in mm 300 bis 5.200
Länge in mm 6.000 bis 36.000
Stückgewicht in t bis 35

Stahlsorten Kurzname
Tafel 1:
Allgemeine Baustähle S235+N bis S355+N incl. Offshore-Sorten und LP-Bleche Auswahlmöglich-
Feinkornbaustähle N S275N bis S460NL incl. Offshore-Sorten und LP-Bleche keiten von Grob-
Wetterfeste Baustähle S235W bis S355W incl. LP-Bleche blechen für
Feinkornbaustähle TM S355M bis S460ML incl. Offshore-Sorten Stahlbau- und
Wasservergütete Baustähle S460Q bis S690QL1 incl. Offshore-Sorten Offshore-
Konstruktionen
31
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
6 Schrifttum
[1] Richter, K.; Schmackpfeffer, H.:
Herstellung von LP-Blechen und deren
Verwendung im Brückenbau.
Stahlbau 57 (1988), Heft 2, S. 33 – 38
[2] Borowikov, A. et al.:
Möglichkeiten des Einsatzes dickenvariabler
Grobbleche im Stahl- und Kranbau.
Stahlbau 63 (1994), Heft 4, S. 101 – 104
[3] Streißelberger, A. et al.:
Verfahren der TM-Behandlung mit beschleunig-
ter Kühlung zur Herstellung von Grobblech aus
Baustählen.
Stahl und Eisen 111 (1991), Nr. 5, S. 65 – 73
[4] Streißelberger, A. et al.:
Erweiterte Nutzungsmöglichkeiten der thermo-
mechanischen Behandlung von Grobblechen.
Stahl und Eisen 117 (1997), Nr. 4, S. 49 – 57
[5] Hubo, R.; Hanus, F.E.:
Thermomechanisch gewalzte Grobbleche für
den Stahlbau.
Stahlbau 63 (1994), Heft 3, S. 84 – 89
[6] Hubo, R.:
Stähle für den Stahlbau.
DASt, Berichte aus Forschung, Entwicklung
und Normung, Vorträge der Fachsitzung 1,
Deutscher Stahlbautag Bremen 1996, S. 35 – 40
[7] Ladberg, W.:
Commerzbank Hochhaus Frankfurt am Main.
Bauingeniuer 72 (1997), Heft 5, S. 241 – 252
32
[8] Sischka, J.:
Sony Center Berlin, Stahlbau Gebäude F.
Tagungsunterlagen Österreichischer
Stahlbautag, Insbruck 1999
[9] Kuhlmann, U.:
Perspektiven im Verbundbrückenbau.
Stahlbau 65 (1996), Heft 10, S. 331 – 337
[10] Bornscheuer, B.-F.; Eisele, S.:
Die Nesebachtalbrücke.
Stahlbau 67 (1998), Heft 11, S. 827 – 830
[11] Reber, J.J.:
Plattenbrücken aus Grobblechen.
Stahlbau 67 (1998), Heft 8, S. 677 – 681
[12] Schwarz, O.; Saul, R.:
Mainbrücke Nantenbach, Entwurf,
Ausschreibung und Vergabe.
Bauingenieur (1994),
Heft 7/8, S. 301 – 309
[13] Schwarz, O.; Jungbeck, H.:
Mainbrücke Nantenbach, Bau der Vorland-
brücke und der Stromunterbauten.
Bauingenieur (1995), Heft 2, S. 85 – 90
[14] den Adel, W. A. et al.:
Erasmusbrug Rotterdam.
Bouwen met Staal, Nov./Dec. 1995, S. 26 – 49
[15] Voucriat, J.-C.:
Pont de Normandie.
Bulletin Ponts Métalliques No. 17,
OTUA, Paris, S. 185 – 217
 SZ-Stähle: Sonderzähe höherfeste Baustähle für Grobblech in Dicken bis 120 mm
SZ-Stähle: Sonderzähe höherfeste Baustähle für Grobblech
in Dicken bis 120 mm
Dr.-Ing. P. Trubitz, Dr.-Ing. P. Hübner, Dr.-Ing. Th. Brecht und Dr.-Ing. Th. Kreschel, Freiberg
1 Einleitung
Für thermomechanisch gewalzte Erzeugnisse
aus höherfesten Feinkornbaustählen gilt gegen-
wärtig noch die Ausgabe 1993 der DIN EN
10113-3 [1]. Sie erfaßt Flacherzeugnisse nur in
Dicken bis 63 mm. Für größere Dicken fehlte
seinerzeit der Nachweis ausreichend gleichmäßig
reproduzierbarer Zähigkeitswerte.
Im schweren Stahlbau, im Schiffbau und in
der Offshore-Industrie besteht jedoch ein Bedarf
an Blechen größerer Dicke mit den bekannten
Vorteilen, die der thermomechanisch gewalzte
Zustand bietet, z. B. die Eignung
– zum Brennen und Schweißen bei niedriger
Vorwärmtemperatur oder sogar unter Verzicht
auf Vorwärmen und
– zum Schweißen mit hoher Streckenenergie.
Anfang 1999 wurde in Ilsenburg die Produk-
tion einer neuen Generation thermomechanisch
gewalzter höherfester Baustähle der Sorten
S355ML, S420ML und S460ML im Dickenbereich
größer 63 bis 120 mm aufgenommen. Zuvor
waren von der Salzgitter AG gemeinsam mit dem
Institut für Werkstofftechnik und dem Institut
für Eisen- und Stahltechnologie der TU Bergaka-
demie Freiberg Untersuchungen mit dem Ziel
durchgeführt worden, das thermomechanische
(TM) Walzverfahren so zu modifizieren, daß auch
bei größeren Blechdicken ausreichend hohe
Zähigkeitswerte zuverlässig eingestellt werden.
Übliches TM-Walzen besteht aus dem Vor-
walzen, ein oder zwei Zwischenwalzphasen
und dem sich daran anschließenden Fertigwal-
zen. Mit zunehmender Fertigblechdicke verlän-
gert sich der zeitliche Abstand zwischen Vor-
und Fertigwalzphase. Während dieser sogenann-
ten Pendelzeit laufen Rekristallisations- und
Kornwachstumsprozesse ab. Mit zunehmender
Pendelzeit treten eine deutliche Kornvergröbe-
rung und die Ausbildung heterogener Gefüge-
strukturen ein. Solche groben heterogenen
Strukturen lassen sich bei nicht ausreichendem
Endumformgrad nicht oder nur teilweise beseiti-
gen. Sie sind die Ursache für verminderte
Zähigkeit und Anisotropie der Eigenschaften
mit steigender Erzeugnisdicke.
Um bei gegebenem Umformgrad die groben
heterogenen Strukturen zu vermeiden, muß die
Pendelzeit verringert oder gänzlich vermieden
werden. Der Hersteller entschied sich für das Bild 1:
Walzen in zwei Hitzen, also für die gänzliche Ver- Herdwagenofen
meidung der Pendelzeit. Der Walzprozeß besteht
jetzt aus einem Vorwalzen, dem Abkühlen des
Bleches auf unter 600 °C, einem anschließenden
Wiedererwärmen auf Normalisierungstempera-
tur und dem Fertigwalzen mit anschließender
Intensivkühlung.
Über diesen Weg werden zwei zusätzliche
kornfeinende Prozesse eingefügt, nämlich die
γ-α-Umwandlung nach dem Vorwalzen und die
α-γ-Umwandlung vor dem Fertigwalzen. Vor dem
Fertigwalzen liegt ein feinkörniges, homogenes
Gefüge vor. Um diesen Prozeß sicher und mit aus-
reichender Leistung durchführen zu können,
wurde für das Zwischenwärmen ein zusätzlicher
Herdwagenofen installiert (Bild 1). Auf diese
Weise wurde es möglich, dicke Bleche mit ausge-
zeichneten Zähigkeitseigenschaften, sogenannte
sonderzähe Baustähle (SZ-Stähle) zu erzeugen.
2 Das moderne Konzept der Sicherheit
gegen Sprödbruch
Wesentliches Konstruktionskriterium im
Stahlbau ist der Sprödbruchsicherheitsnachweis,
der im Annex C des Eurocode 3 niedergelegt
ist [2]. Der Sprödbruchsicherheitsnachweis
des Eurocode 3 geht von einer bruchmechani-
schen Analyse eines für den Stahlbau relevanten
Konstruktionsdetails aus und formuliert die
Zähigkeitsforderung an den Werkstoff in Abhän-
gigkeit von der Einsatztemperatur, der Bean-
spruchungsgeschwindigkeit und der Blechdicke
33
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

die Kerbschlagarbeit. Dieses Konzept des

Bild 2: Erforder- des Bauteils (Bild 2). Dabei wird ein hypotheti-
liche Kennwerte scher Riß angenommen, der sich in der Betriebs-
zur Nachweis- zeit durch zyklische Beanspruchungen gebildet
führung der haben könnte. Die zur Abwendung eines Spröd-
Sprödbruch- bruchs erforderliche Bruchzähigkeit KIJ wird
sicherheit nach ermittelt und aus dem vereinheitlichten Tempe-
dem Eurocode 3 raturverlauf der Bruchzähigkeit nach Wallin [3]
[2] eine vom Werkstoff zu erfüllende Übergangstem-
peratur TKJ100 abgeleitet, bei der die elastisch
plastische Bruchzähigkeit KIJ = 100 MPa•m1/2
beträgt. Über eine Korrelation zwischen der Über-
gangstemperatur TKJ100 und der Übergangstem-
peratur des Kerbschlagbiegeversuches T27J wird
nun der erforderliche Wert der Kerbschlagarbeit
festgelegt. Die Stahlauswahl setzt also nicht mehr
die Kenntnis der bruchmechanischen Kennwerte
voraus, sondern stützt sich ausschließlich auf
Eurocode 3 ist auf die sonderzähen Güten an-
wendbar, wenn die Gültigkeit der Korrelation
zwischen den Übergangstemperaturen TKJ100
und T27J auch für diese Güten bestätigt werden
kann. Dabei ist besonderes Augenmerk auf die
möglicherweise dickenabhängigen Werkstoff-
eigenschaften zu legen.
Zur Charakterisierung und zur Eigenschafts-
beschreibung der SZ-Stähle wurden ausgehend
vom Eurocode 3 die folgenden Untersuchungen
durchgeführt:
Die Eigenschaften der SZ-Stähle wurden so-
wohl unter Berücksichtigung der Probenlage
zur Walzrichtung, um den Einfluß einer Walz-
textur (Kornstreckung) auf die Eigenschaften
zu analysieren, als auch in Abhängigkeit von der
Probenlage bezüglich der Blechdicke ermittelt,
um eine Blechdickenabhängigkeit zu beschrei-
ben. Zum Versuchsprogramm gehörten sowohl
metallographische Gefügeuntersuchungen wie
auch in Übereinstimmung mit dem Bild 2 die
Ermittlung konventioneller Zähigkeitskennwerte
und Grenztemperaturen aus dem Kerbschlag-
biege-Versuch [4, 5] sowie die Untersuchung
des bruchmechanischen Verhaltens bei stati-
scher Beanspruchung [6,7] in Abhängigkeit von
der Temperatur. Zusätzlich wurden die NDT-
Temperatur als Rißauffang-Grenztemperatur
mittels Fallgewichtsversuch nach Pellini [8]
und das Rißwachstumverhalten bei zyklischer
Beanspruchung [9] bestimmt.

3 Gleichmäßigkeit des
Gefügezustandes
Das Mikrogefüge der nach der neuen Tech-
nologie gewalzten SZ-Stähle zeigt deutliche Un-
terschiede zum Gefüge des herkömmlich ther-
momechanisch gewalzten Stahls L485M (Bild 3),
der im unteren Blechdickenbereich ausgezeich-
nete Eigenschaften und eine gleichmäßige Ge-
fügeausbildung aufweist.
Die ASTM-Korngrößen-Nummer [10] kann
diese Unterschiede mit Ausnahme von Korn-
Bild 3: Licht- größenunterschieden nicht ausweisen. Eigen-
mikroskopische schaftsbestimmende Gefügemerkmale, welche
Gefügeaufnahme die Heterogenität beziehungsweise die Gleich-
der Stahlsorten mäßigkeit des Werkstoffs kennzeichnen, werden
S460ML (SZ-Güte), erst durch die Anwendung von Methoden der
Blechdicke: 120 stereometrischen Metallographie offenbar. Die
mm (oben) und experimentelle Ermittlung der Art der Orientie-
L485M, Blech- rung erfolgte nach der von Saltykov beschriebe-
dicke 50 mm nen Methode [11]. Dabei wird ein reales Grenz-
(unten); Proben- flächensystem als eine Überlagerung der beiden
lage: Mitte, längs Extremfälle ideale Isometrie und ideale vollstän-

34
 SZ-Stähle: Sonderzähe höherfeste Baustähle für Grobblech in Dicken bis 120 mm

Bild 4: Lage der

untersuchten
Ebenen in Bezug
auf die Blech-
oberfläche und
die Walzrichtung
sowie ermittelte
Schnittzahlrosen
am Beispiel
S460ML (SZ-
Güte), Blech-
dicke 120 mm

dige Orientierung aufgefaßt. Ein reales orientier- Gefüges, aufweisen und zwar nicht nur im mitt-
tes Grenzflächensystem enthält demnach stets ei- leren Blechdickenbereich, sondern über den
nen Isometrieanteil, dessen Größe variiert. Zur gesamten Blechquerschnitt bei Blechdicken bis
Ermittlung dieses Anteils wird eine bezogene zu 120 mm. Dies wird bei der Betrachtung der
Schnittpunktzahl m definiert, die sich aus dem in Längs- und Querrichtung ermittelten Schnitt-
Quotient der Schnittpunktanzahl zwischen Korn- zahlrosen deutlich (Bild 4).
grenzen und Meßlinie und der Meßlänge ergibt. Die SZ-Güten zeichnen sich durch eine
In einem idealen isometrischen System mit einer deutlich bessere Gefügehomogenität und aus-
ideal homogenen Kornstruktur besitzt die Schnitt- gezeichnete Kornfeinung im Vergleich zu den Bild 5: Vergleich
punktzahl m in jeder möglichen Richtung den klassisch thermomechanisch behandelten Stählen der ermittelten
gleichen Wert. In einem teilweise orientierten bei vergleichbaren Blechdicken aus. Somit bietet Korngrößen für
Grenzflächensystem mit einer inhomogenen die neue SZ-Technologie, die auf einer konse- fünf verschie-
Kornstruktur erreicht m in der zur Orientierungs- quenten Anwendung wissenschaftlicher Erkennt- dene Blechdicken
achse senkrechten Richtung einen Maximalwert. nisse beruht, auch im Dickblechbereich die beste der Stahlsorte
Als Hilfsmittel zur Veranschaulichung der Gewähr für eine Kornfeinung und damit für her- S460ML (SZ-
Orientierung eines realen Grenzflächensystems vorragende mechanische Eigenschaften und Eigen- Güte); links: Pro-
dient die sogenannte Schnittzahlrose. Sie ergibt schaftskombinationen. Dies wird insbesondere benlage: Rand,
sich aus der Darstellung der in verschiedenen beim Vergleich der ermittelten Korngrößen des längs; rechts:
Winkeln, ausgehend von der Orientierungsachse, in fünf Blechdicken untersuchten Stahls S460ML Probenlage:
ermittelten bezogenen Schnittpunktzahl m in (SZ) deutlich (Bild 5). Mitte, längs
Polarkoordinaten. Demnach erhält man als
Schnittzahlrose für ein in der Ebene isometri-
sches System einen Kreis mit dem Mittelpunkt
im Koordinatenursprung. Abweichungen von
dieser Form gelten als Nachweis des Vorhanden-
seins einer Orientierung bzw. einer inhomoge-
nen Kornstruktur, da die Schnittzahlrose selbst
in Fällen, bei denen eine Orientierung visuell
nur schwer erfaßbar ist, merklich von der Kreis-
form abweicht [11, 12]. Die Ergebnisse der
Untersuchungen zur Gefügeorientierung zeigen,
daß die sonderzäh gewalzten Stähle eine außer-
ordentlich feindisperse Gefügestruktur, verbun-
den mit einem geringen Orientierungsgrad des

35
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

4 Konventionelle
Zähigkeitseigenschaften

Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen

Bild 6: Kerbschlagzähigkeit-Temperatur-Kurven der Stahlsorte S355ML
(SZ-Güte), Blechdicke 60 mm
Bild 7: Übergangstemperatur T27 der Stahlsorte S460ML (SZ-Güte),
ermittelt an Querproben
unter Verwendung zusammenfassender Über-
sichten dargestellt und diskutiert werden.
Die Güten S355ML (SZ) und S460ML (SZ)
besitzen bis zu Blechdicken von 120 mm eine
sehr hohe Zähigkeit und sehr niedrige Über-
gangstemperaturen. Die Hochlagenzähigkeit be-
trägt über 200 J. Bild 6 zeigt das beispielhaft für
die Güte S355ML (SZ) in der Blechdicke 60 mm.
Der sehr ähnliche Verlauf der KV-T-Kurven
bei s/2 sowie s/4 weist auf eine sehr geringe
Dickenabhängigkeit der Eigenschaften hin. Der
Abfall der Eigenschaften in Dickenrichtung ist
signifikant und auf geringe Walztextur- oder
Gefügeunterschiede zurückzuführen. Die Zähig-
keit ist jedoch auch in dieser Probenlage im Ver-
gleich zu konventionell gewalzten TM-Güten
noch recht gut. Die Übergangstemperaturen
liegen unterhalb von –80 °C. Bild 7 verdeutlicht
die Blechdickenunabhängigkeit der Übergangs-
temperaturen für die Probenlage „Querprobe
bei s/4“ und die nur geringe Blechdickenabhän-
gigkeit der Übergangstemperaturen in Blech-
mitte am Beispiel der 27-J-Übergangstemperatur.
Vergleichbare Aussagen gelten für die Über-
gangstemperaturen nach den Kriterien „0,4 mm
seitliche Breitung“ und „KVmax/2“ (Bild 8).
Auch die mit dem Fallgewichtsversuch nach
Pellini ermittelte NDT-Temperatur bestätigt die
sehr gute Zähigkeit der Güten S355ML (SZ) und
S460ML (SZ). Bis zu Blechdicken von 80 mm
steigt die NDT-Temperatur sowohl im Rand als
auch in Blechmitte geringfügig an. Ab 80 mm
bleibt sie in beiden Probenlagen mit –60 °C
blechdickenunabhängig (Bild 8).

Bild 8: Sprödbruch-Grenztemperaturen in Blechmitte der Stahlsorte
S460ML (SZ-Güte)
5 Rißwachstumverhalten
bei zyklischer Beanspruchung
Das zyklische Rißwachstumverhalten der
Güten S355ML (SZ) und S460ML (SZ), Bild 9,
unterscheidet sich nicht von dem anderer Bau-
stähle. Im Bereich II der Rißwachstumkurve
konnte kein Einfluß der Streckgrenze und der
Orientierung zur Walzrichtung nachgewiesen
werden. Dieser Bereich läßt sich durch eine
Potenzfunktion nach Paris, deren Konstanten von
Maddox [13] für Baustähle ermittelt wurden, hin-
reichend genau beschreiben. Die geringfügigen
Unterschiede im Schwellenwertbereich sind auf
den Streckgrenzeneinfluß zurückzuführen.

36
 SZ-Stähle: Sonderzähe höherfeste Baustähle für Grobblech in Dicken bis 120 mm

6 Bruchmechanisches Verhalten
bei statischer Beanspruchung

Die hohe Zähigkeit der Stahlgüten S355ML

(SZ) und S460ML (SZ) wird durch die statischen
bruchmechanischen Untersuchungen bestätigt.
Erst bei Temperaturen unterhalb –100 °C wurde
Spaltbruch nach plastischer Verformung beob-
achtet. Bei höheren Temperaturen versagten die
Proben überwiegend durch plastischen Kollaps.
Aus diesem Grund wurden durch Messungen
der Stretchzonenhöhe auf den Bruchflächen die
Rißinitiierungskennwerte δi des CTOD-Konzep-
tes bestimmt. Bild 10 zeigt die Ergebnisse, die
am S460ML (SZ) gewonnen wurden. Diese phy-
sikalischen Rißinitiierungskennwerte lassen sich Bild 9: Zyklisches Rißwachstumsverhalten der Stahlsorten S355ML (SZ-Güte)
auch auf Bauteile übertragen, wie die gute Ein- und S460ML (SZ-Güte) an der Blechoberfläche
ordnung eines Versuches an einem 120 mm
dicken Bauteil belegt. Die Einflüsse unterschied-
licher Blechdicken und Probenlagen sind ver-
gleichsweise gering und auf die geringe Gefüge-
anisotropie zurückzuführen.

7 Nachweis der Sicherheit

gegen Sprödbruch
Die Tieftemperaturversuche, bei denen ein
Spaltbruch nach plastischer Verformung auftrat,
wurden nach dem Konzept von Wallin ausge-
wertet [3, 14]. Die Temperaturabhängigkeit der
Zähigkeitskennwerte für die verschiedenen Pro-
benlagen und Werkstoffe wird dabei auf die Tem-
peratur TKJ100 bezogen, bei der die elastisch- Bild 10: Rißinitiierungskennwerte des CTOD Konzeptes in Abhängigkeit
plastische Bruchzähigkeit KIJ gerade 100 MPa√m von der Temperatur
beträgt (Bild 11). Es zeigt sich, daß der Verlauf
für die Stahlgüten S355ML (SZ) und S460ML (SZ)
ähnlich ist und mit dem Konzept von Wallin [3]
beschrieben werden kann.
Die Einordnung der Ergebnisse für die Stahl-
güten S355ML (SZ) und S460ML (SZ) in die
Korrelation zwischen der bruchmechanischen
Übergangstemperatur TKJ100 und der Übergangs-
temperatur T27J bestätigt, daß das Sprödbruchsi-
cherheitskonzept des Eurocode III [2] auch auf
diese Güten angewendet werden darf (Bild 12).
Der Entwurf 1998 der Richtlinie DASt 009
[15] zur Auswahl der Stahlsorten für geschweiß-
te Stahlbauten nutzt den bruchmechanischen
Hintergrund des Eurocode III. Wenn man die
Bewertungsgrundsätze der DASt 009 auf die
sonderzähen Güten S355ML (SZ) und S460ML
(SZ) anwendet, ergibt sich, daß durch die hohe
Zähigkeit Blechdickenbereiche für die Anwen- Bild 11: Auswertung der Tieftemperaturversuche mit Versagen durch
dung erschlossen werden, die bislang noch Spaltbruch nach dem Konzept von Wallin [3]

37
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 12: Korrelation zwischen der Übergangstemperatur für KIJ = 100 MPa·m1/2
und der Übergangstemperatur T27 im Vergleich zum Eurocode 3, Annex C
Bild 13: Zulässige größte Dicke von Blechen der Stahlsorte S355ML nach
EN 10113-3 und der Stahlsorte S355ML (SZ-Güte) in Abhängigkeit von den
Zähigkeitsforderungen gemäß DASt-Richtlinie 009 (E 1998) bei einer Aus-
lastung mit 75 % der Streckgrenze (σEd = 0,75 fy(t) + 100 MPa) und einer Ein-
satztemperatur von – 30 °C
nicht durch die DIN EN 10113-3 abgedeckt sind
(Bild 13).
Die durch konventionelle Werkstoffunter-
suchungen festgestellten sehr positiven Zähig-
keitseigenschaften der SZ-Güten werden durch
die bruchmechanischen Untersuchungen be-
stätigt. Bei großen Blechdicken und anderen
sprödbruchfördernden Faktoren, wie tiefer Ein-
satztemperatur und schlagartiger Beanspruchung,
ergibt sich ein deutlicher Einsatzvorteil dieser
sonderzähen Stahlgüten bis zu einer Blechdicke
von 120 mm.
38
8 Schrifttum
[1] DIN EN 10113-3
Warmgewalzte Erzeugnisse aus unlegierten
Baustählen, Teil 1 – 3 (Ausg. 04.1993)
[2] DIN V ENV 1993 1-1
Eurocode 3, Teil 1-1. Bemessung und Kon-
struktion von Stahlbauten. Allgemeine
Bemessungsregeln, Bemessungsregeln für den
Hochbau (Ausg. 04.1993)
[3] Wallin, K.:
Recommendations for fracture toughness data
for structural integrity analysis.
Proc. CSNI/IAEA Specialists Meeting, Oak Ridge,
Tenn. Oktober 1992
[4] DIN EN 10045
Metallische Werkstoffe. Kerbschlagbiegeversuch
nach Charpy. Teil 1 und Teil 2 (Ausg. 04.91)
[5] DIN 50115
Prüfung metallischer Werkstoffe. Kerbschlagbiege-
versuch. Besondere Probeform und Auswerte-
verfahren (Ausg. 04.91)
[6] ESIS P2-92
ESIS Procedure für Determining the Fracture
Behaviour of Materials, European Structural
Integrety Society, Delft, Jan. 1992
[7] ISO/TC164/SC4-N140
Metallic materials – Unified method of test
for the determination of quasistatic fracture
toughness. Draft June 1996
[8] Fallgewichtsversuch nach W. S. Pellini:
Stahl-Eisen-Prüfblatt SEP 1325 (2. Ausg. 12.82)
[9] ASTM E 647-91
Test Method for Measurement of Fatigue Crack
Growth Rates
[10] DIN 50601
Ermittlung der Ferrit- oder Austenitkorngröße
von Stahl und Eisenwerkstoffen (Ausg. 08.85)
[11] Saltykov, A.:
Stereometrische Metallographie.
1. Auflage, Deutscher Verlag für Grundstoff-
industrie, Leipzig, 1974
[12] Stoyan, D.; Peisker, D.; Ohser, J.:
Beitrag zur Mikroanalyse orientierter metallo-
graphischer Gefüge.
Neue Hütte 26 (1981), 2, S. 65 – 69
[13] Maddox, S.J.:
Assessing the Significance of Flaw in Welds
Subject to Fatigue. Welding Research
Supplement 9 (1974), S. 401 – 409
[14] ASTM E 1921-98
Standard test method for determination of
reference temperature, T0, for ferritic steels in
the transition range
[15] DASt Ri 009
Empfehlungen zur Wahl der Stahlsorte für
geschweißte Stahlbauten.
 Moderne Schiffbaustähle normaler bis extrem hoher Zähigkeit
Moderne Schiffbaustähle
normaler bis extrem hoher Zähigkeit
Dipl.-Ing. J. Saralampi und Dipl.-Ing. M. Valkama, Raahe, Finnland
Die Schiffbauindustrie ist für Stahlunterneh-
men ein sehr wichtiger Bereich der Geschäfts-
tätigkeit. Der geschätzte Bedarf an Schiffbau-
stählen in der Welt beträgt rund 10 Millionen t,
während die gesamte Stahlproduktion der Welt
rund 800 Millionen t beträgt. Ein Beispiel im Falle
Rautaruukki: Die Zusammenarbeit bei der Ent-
wicklung von Stahlsorten begann mit der Ein-
führung der hochfesten Sonderstähle für Eis-
brecher, kurz nachdem das Unternehmen seine
Stahlproduktion im Jahre 1967 begonnen hatte.
Danach setzte eine Entwicklung der Stähle mit
ständig verbesserter Festigkeit, Zähigkeit und
Schweißeignung ein: eine wachsende Palette von
Dimensionen und Vorfertigungsdiensten, ver-
besserten Maßtoleranzen, homogeneren Eigen-
schaften und kürzeren Lieferzeiten. Heute kon-
zentriert sich die Zusammenarbeit auf die Ent-
wicklung einer neuen Generation hochfester
und ultrahochfester thermomechanisch gewalz-
ter Stähle. Diese Stähle verbinden eine Schweiß-
eignung, die normalerweise bei weniger hoch-
festen Stahlsorten zu finden ist, mit Festigkeits-
werten, die früher nur bei vergütetem Stahl zu
finden waren. Daneben wird heute auch die
Entwicklung von Stählen für Laserschneiden
und Laserschweißen sowie rekristallisations-
kontrolliert gewalzte und beschleunigt abgekühlte
Stähle (RCR + ACC) vorangetrieben.
Hochfeste Stahlbleche für den Schiffbau
können heutzutage auf verschiedene Weise her-
gestellt werden. Die gewählte Methode hängt
von der gewünschten Festigkeit und Zähigkeit
und von den im Stahlwerk zur Verfügung stehen-
den Produktionsanlagen ab. Feinkornstähle haben
den Vorteil, sowohl hohe Festigkeit als auch hohe
Zähigkeit zu besitzen. Bei Stählen mit einer Streck-
grenze von 355 MPa können gute Kombinationen
von Festigkeit, Zähigkeit und Schweißeignung im
normalgeglühten und im normalisierend gewalz-
ten Zustand erreicht werden. Allerdings ergeben
sich bei diesen Produktionsverfahren für höhere
Festigkeitswerte ziemlich hohe Kohlenstoffge-
halte und Kohlenstoffäquivalente sowie eine ver-
minderte Schweißeignung. Durch den Einsatz
thermomechanischer Verfahren können höhere
Festigkeiten mit niedrigeren Kohlenstoffgehalten
und Kohlenstoffäquivalenten sowie entsprechend
guter Schweißeignung erzeugt werden. Die ther-
momechanische Herstellung ist auch für Stähle
mit einer Streckgrenze von 355 MPa von Vorteil,
wenn die Schweißeignung eine wichtige Rolle
spielt.
Beim konventionellen Warmwalzen wird
das Walzen so durchgeführt, daß Blechform,
Dimensionen und Flachheit sowie die Produk-
tivität des Walzwerkes optimiert werden. Die end-
gültige Blechdicke bestimmen die Walztempera-
turen und die nachfolgende Abkühlungsbehand-
lung, und somit die Blechfestigkeits- und Zähig-
keitseigenschaften. Insbesondere bei dicken
Blechen ist die Korngröße relativ groß, und
Festigkeit und Zähigkeit sind begrenzt. Um feine
Korngrößen zu garantieren, sind Normalisieren,
normalisierendes Walzen und thermomechanische
Behandlung erforderlich.
Beim Normalisieren wird ein Blech nach
dem Warmwalzen noch einmal erwärmt, nor-
malerweise auf eine Temperatur von 920 °C,
und anschließend an Luft abgekühlt. Während
dieser Behandlung wird die Ferritkorngröße
verfeinert und die Blechfestigkeit und -zähigkeit
verbessert. Normalisierendes Walzen ist eine Alter-
native zur Normalisierung im Ofen. Das Walzen
wird bei Temperaturen im Normalisierungsbe-
reich vollendet, und die Festigkeits- und Zähig-
keitseigenschaften des Bleches sind nahezu die
gleichen wie bei der Normalisierung im Ofen.
Das Blech wird auch die Anforderungen an die
mechanischen Eigenschaften erfüllen, sollte es aus
irgendeinem Grund später im Ofen normalisiert
werden. Das normalisierende Walzen hat gegen-
über der Ofennormalisierung den Vorteil, daß es
die Oberflächenqualität des Bleches verbessert, da
kein Zunder wie im Normalisierungsofen entsteht.
Wenn Mindestwerte der Streckgrenze im
Bereich von 420 MPa bis 500 MPa, oder 355
MPa bei verbesserter Schweißeignung benötigt
werden, ist das thermomechanische Walzen das
beste Herstellungsverfahren.
1 Thermomechanisch gewalzte Stähle
Thermomechanisches Walzen bedeutet,
daß das Blech in einer kontrollierten Weise ange-
wärmt, gewalzt und abgekühlt wird, um Festig-
keits- und Zähigkeitseigenschaften zu erhalten, die
allein durch die Wärmebehandlung nicht erreicht
werden können. Bei einem bestimmten Legie-
39
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
rungsgrad ergeben sich bei der thermomechani-
schen Behandlung wesentlich höhere Werte der
Festigkeit als durch Normalisierung. Es gibt ver-
schiedene Methoden, Bleche zu behandeln, um
die gewünschten Eigenschaften zu erreichen.
Das Walzen kann bei einer Temperatur oberhalb
oder unterhalb der Rekristallisierungstemperatur
des Austenits durchgeführt werden. Die Abküh-
lung kann entweder frei (an der Luft) oder
beschleunigt (mit Wasser) auf eine bestimmte
Temperatur (rund 500 °C) erfolgen. Die Wahl
der Walztemperaturen und Abkühlungsmedien
hängt von den gewünschten Eigenschaften und
der Blechdicke ab.
Durch die Anwendung des thermomechani-
schen (TM) Verfahrens kann man die innere
Struktur des Stahls verbessern und bei relativ ge-
ringen Zusätzen von Legierungselementen hervor-
ragende Verbindungen von Festigkeit und Zähig-
keit und somit gute Schweißeignung erreichen.
TM-Stähle bieten den Stahlanwendern und
den Herstellern bemerkenswerte Vorteile. Dank
des niedrigen Kohlenstoffäquivalents kann auf
das Vorwärmen beim Schweißen verzichtet wer-
den, wodurch Herstellungskosten gesenkt und
Konstruktionszeit im Schiffbau eingespart wer-
den. Die Stahlhersteller sparen, weil zusätzliche
Wärmebehandlungen vermieden werden können.
Das Grobblechwalzwerk bei Rautaruukki
Steel, Raahe Steel Works, wurde Anfang der 90er
Jahre mit einer Einrichtung zur beschleunigten
Abkühlung ausgestattet. Danach ist eine Reihe
hochfester Baustähle, Schiffbaustähle und Off-
shore-Stähle mit spezifizierten Mindestwerten
der Streckgrenze von 315 MPa bis 500 MPa ent-
wickelt worden. Bei dünneren Blechen kann die
beschleunigte Abkühlung mit Wasser durch die
normale Abkühlung an der Luft ersetzt werden.
1.1 Verwendung für Eisbrecher
Seetransporte sind lebenswichtig für den
finnischen Export. Aufgrund der nördlichen
Lage Finnlands sind die Seerouten jedoch jedes
Jahr für einige Monate durch Eis blockiert. Neun
Eisbrecher werden im Laufe der vier bis fünf
Wintermonate benötigt, um den Transport in
Gang zu halten. Finnlands führende Position in
der Eisbrechertechnologie hat dazu geführt, daß
zwei Drittel der Eisbrecher in der Welt mit
Rautaruukki Stählen gebaut wurden.
Eine der interessantesten und anspruchsvoll-
sten Lieferungen von Rautaruukkis TMCP-
Stählen ist die Serie von Mehrzweckeisbrechern
(Bild 1), gebaut von Finnyards in Rauma. Durch
den Einsatz hochfester Stähle mit einer Streck-
40
Bild 1: NORDICA bei Arbeiten in der Ostsee
grenze von 500 MPa für den Schiffskörper und
den Rahmenverband war es möglich, das Schiff
stark genug zu bauen, um im Winter als Eisbre-
cher zu dienen, und leicht genug, um es im Som-
mer für andere Funktionen einsetzen zu können.
Normalisierte Stahlsorten, wie RAEX 32
POLAR und RAEX 36 POLAR, wurden früher
in Eisbrechern eingesetzt. Diese altmodischen
Eisbrecher sind zu schwer, um sie im konven-
tionellen Seedienst zu nutzen, so daß sie in den
Sommermonaten unbrauchbar sind. Die moder-
nen Mehrzweckeisbrecher sind jedoch für eine
ganzjährige Verwendung konzipiert. Zum ersten
Mal auf der Welt kombiniert die Schiffskörper-
form die Funktionen und Anforderungen zweier
völlig verschiedener Schiffstypen.
1.2 Thermomechanisches Verfahren
Das TM-Verfahren bringt wichtige Vorteile
für Festigkeit, Zähigkeit und Schweißeignung
der Stähle. Eine erfolgreiche Herstellung dieser
Stähle erfordert sorgfältige Planung und Kon-
trolle des gesamten Herstellungsprozesses.
Eine wesentliche Besonderheit thermome-
chanisch gewalzter Stähle ist ihre Mikrostruktur,
die durch Wärmebehandlung allein nicht her-
gestellt werden kann. Die thermomechanische
Behandlung kann entweder mit oder ohne be-
schleunigter Abkühlung (ACC) in zwei ziemlich
verschiedenen Prozessen durchgeführt werden:
1. Thermomechanisch kontrolliertes Walzen bei
einer niedrigen Temperatur zwischen der
Rekristallisations-Stoptemperatur (Trx) und
der Austenit-Starttemperatur (Ar3) mit Abküh-
lung an der Luft nach dem Walzen.
2. Kontrolliertes Walzen mit sofort nachfolgen-
der, beschleunigter Abkühlung. Die Fertig-
walztemperatur kann niedrig, d. h. nahe Ar3,
oder hoch, d. h. über Trx, sein.
 Moderne Schiffbaustähle normaler bis extrem hoher Zähigkeit

Bild 2: Potentielle
Vorteile der ther-
momechanischen
Behandlung.
Grundvorteile
sind mit Buch-
staben makiert:
K – Kosten-
ersparnis,
Z – Zeitersparnis,
E – Energie-
ersparnis

1.3 Wirtschaftliche Vorteile

der TM-Behandlung
TM-Stähle können nur dann wirtschaftlich
eingesetzt werden, wenn sie Gesamtvorteile
bringen. Die Grundvorteile der allgemeinen Inter-
essen sind Kosten-, Zeit- und Energieersparnis.
Laut Bild 2 kann das auf verschiedene Weise
erreicht werden.
Traditionelle feinkornnormalisierte Stähle
werden in anspruchsvollen Strukturen verwendet,
wenn die Streckgrenzenanforderungen moderat
sind (unter 460 MPa), und vergütete Stähle, wenn
höhere Festigkeiten (über 420 MPa) benötigt
werden. Das Vermeiden separater Wärmebe-
handlungen spart Zeit, Kosten und Energie.
Im Vergleich zur Normalisierung, verfeinert Bild 3: Einfluß des Herstellungsverfahrens auf die
und modifiziert die TM-Behandlung die Mikro- Schweißeignung
struktur des Stahls, erhöht die Zähigkeit und
erlaubt, die Menge der Legierungselemente zu
reduzieren. Die Reduzierung des Legierungs-
gehaltes hat einen großen Einfluß auf die Her-
stellungskosten und den Energieverbrauch, da das Ein Beispiel für die Kostenersparnis im
Vorwärmen beim Schweißen vermieden wird. Schiffbau und in der Offshore-Industrie infolge
Durch die Verwendung von Stählen mit nied- des Verzichts auf Vorwärmen ist in Bild 4
rigen Werten des Kohlenstoffäquivalents wird dargestellt.
das Risiko der Entstehung von Kaltrissen in der Ein wichtiger Faktor zugunsten der TM-Stähle
Wärmeeinflußzone geringer, und das Schwei- ist die größere Zuverlässigkeit des Endproduktes.
ßen mit niedrigerem Wärmeeinbringen ist mög- Die höhere Zähigkeit des Grundbleches und der
lich. Auch das maximal zulässige Wärmeein- Wärmeeinflußzone zusammen mit der niedrige-
bringen ist ohne Verlust an Zähigkeit in der ren Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Her-
Wärmeeinflußzone gegeben (Bild 3). Für her- stellungsfehlern bedeutet, daß das Produkt im
kömmliche normalisierte Stahlsorten ist der Gebrauch zuverlässiger ist. Daraus ergeben sich
Bereich der sicheren Betriebsbedingungen ziem- weniger Probleme während der Herstellung.
lich schmal. Kosten, Zeit und Energie werden gespart.

41
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Kundenmodifizierter, thermomechanisch gewalzter Stahl für
anspruchsvolle Anwendungen
• Genesis Sparprojekt: 22 000 Tonnen
TMCP-Stahl
• Ersparnis bei den Vorheizkosten
51 EUR/Tonne, wenn TMCP-Stähle statt
normalisierte verwendet werden
Bild 4: Ein Bei- 2 Schiffbaustähle für Laserstrahl-
spiel für Kosten-
ersparnis in schneiden und -schweißen
der Offshore-
Industrie Aufgrund wachsenden Interesses am Laser-
strahlschweißen bei den Stahlverbrauchern hat
Rautaruukki Steel die grundlegende Forschungs-
und Enwicklungsarbeit an den mit Laser schneid-
baren RAEX LASER-Stählen fortgesetzt. Hauptziel
dieser Forschungen war eine vorläufige Unter-
suchung der Eigenschaften der lasergeschweiß-
ten Stumpf- und T-Stöße unter Verwendung von
zwei RAEX LASER-Stahlsorten und zwei anderen
Stahlsorten, an denen die Laserschweißindustrie
potentielles Interesse hat, und zwar die Bau-
stahlsorte QStE 460 TM und die Schiffskörper-
stahlsorte DH 36.
Die Entwicklung der Laserstrahlschweißan-
lagen in den letzten Jahren und die Vorteile, die
mit der Anwendung von Lasern verbunden sind,
haben das Intereresse an der Verwendung des
Laserstrahlschweißens in vielen Bereichen der
Industrie erhöht. Nach den guten Erfahrungen
in der Autoindustrie, z. B. lasergeschweißte
Körperpaneele, Komponenten der Kraftüber-
tragung und Fahrgestellteile, hat auch die Schiff-
bauindustrie mit der Entwicklung von Anwen-
dungen für das Laserstrahlschweißen begonnen.
Viele in den letzten Jahren durchgeführte
nationale und europäische Forschungsprogramme
haben den Einfluß der chemischen Zusammen-
setzung der Stähle auf das Laserstrahlschwei-
ßen gezeigt. Der Bericht „Richtlinien der Klassi-
fizierungsgesellschaften zur Anerkennung des
CO2-Laserschweißens („Classification Socie-
ties’Guidelines for the Approval of CO2-Laser
Welding“) wurde als Ergebnis der Gemeinschafts-
arbeit „Laserschweißen in Schiffskonstruktionen“
(„Laser Welding in Ship Constructions“) erarbei-
tet. Die chemische Zusammensetzung der laser-
schweißgeeigneten Schiffbaustähle L24 und L36
bis zu einer Dicke von 12 mm wurde nach diesem
Bericht entwickelt.
42
Bild 5: Beim Schweißen verwendetes Strahlerzeugungs-
und Gasschutzsystem
Der Einsatz des Laserstrahlschneidens ist be-
reits weit verbreitet, und es gibt eine Auswahl
an Stahlsorten, die für diesen Prozeß besonders
gut geeignet sind, wie die RAEX LASER-Sorten. Die
Laserschnitteigenschaften dieser Stähle beruhen
u. a. auf niedrigem Kohlenstoff-, Schwefel- und
Siliziumgehalt.
2.1 Laserstrahlschweißen
Die Prüfungen beim Laserstrahlschweißen
während des Forschungsprojektes wurden am
Laserbehandlungslabor der technischen Univer-
sität von Lappeenranta (Laser Processing Labora-
tory of Lappeenranta, University of Technology)
durchgeführt. Verwendet wurde ein Rofin-Sinar
6 kW CO2-Axialflußlaser (Bild 5).
Drei Schweißnahtarten wurden während
des Forschungsprojektes hergestellt: eine Stumpf-
naht in vier verschiedenen Blechdicken, eine
voll eingebrannte T- Stumpfnaht und eine durch-
geschweißte T-Naht. Die Werkstoffe, Schweiß-
parameter und Stoßkonfigurationen sind in der
Tafel 1 aufgeführt.
Es gab keine sichtbaren Fehler auf der
Oberfläche, der Wurzel und der Decklage der
Schweißnaht bei den in Form eines Stumpf-
stoßes gefertigten Laserschweißnähten. Inner-
halb des Schweißguts waren keine Poren sicht-
bar. Der Übergang zwischen Schweißgut und
Grundmaterial war gleichmäßig und die Wurzel-
form konstant. Eine solche Naht muß sorgfältig
vorbereitet werden durch vollständig maschi-
nelle Bearbeitung oder Laserschneiden mit
Stickstoff, damit eine Oxidation der Oberfläche
vermieden wird.
 Moderne Schiffbaustähle normaler bis extrem hoher Zähigkeit

Tafel 1: Stahl-
sorten, Schweiß-
parameter und
Schweißnahtarten

1 Typ A = durchgeschweißte Naht, Typ B = Kehlnaht 2 für T- Stöße, 1. = Flanschmaterial, 2. = Stegmaterial

2.2 Makroaufnahmen der Schweißnähte

Einige Beispiele der Makroaufnahmen der DH 36, erfordert eine strengere Beachtung der
Stöße sind in den Bildern 6 bis 9 dargestellt. Schweiß- und Strahlparameter, um die Bildung
Fehlerfreie Schweißnähte können in Form von Zonen mit großer Härte und geringer Zähig-
seitlich geschweißter T-Stöße hergestellt werden, keit in der Naht zu vermeiden.
wenn die Oberflächen der Schweißkanten durch
maschinelle Bearbeitung bzw. Strahlreinigung
der Oxidschicht mit Aluminiumoxid vorbereitet
werden. Bei durch die Flansche geschweißten
Nähten ergaben sich schmale Schweißnähte im
Bereich des Stoßes. Bei Blechdicken von weniger
als 6 mm bis 7 mm war die Schweißnaht akzep-
tabel, aber für dickere Bleche war die Schweiß-
leistung (6 kW) nicht ausreichend.

2.3 Schwingfestigkeit der

laserstrahlgeschweißten Nähte Bild 6: Makroaufnahme eines 8 mm Bild 7: Makroaufnahme eines 6 mm
dicken Stumpfstoßes der Schiffbau- dicken Stumpfstoßes der Stahlsorte
Die Schwingfestigkeit der laserstrahlge- stahlsorte DH 36 RAEX 420MC LASER
schweißten Nähte war ausgezeichnet (Tafel 2).
Die Schwingfestigkeit der laserstrahlgeschweiß-
ten Kehlnähte war höher als die in einer deut-
schen Studie [1] angegebene Festigkeit der Stahl-
sorten QStE 380 TM und TStE 355. In dieser
Studie lagen die Werte der Schwingfestigkeit
zwischen 96 MPa und 105 MPa für eine Über-
lebenswahrscheinlichkeit von 97,5 %.
Die Laserstrahlschweißeignung der
Rautaruukki laserstrahlschneidbaren Stähle
RAEX LASER und die Baustahlsorte QStE 460 TM
war gut. Sie haben die Anforderungen, die in den
Richtlinien der Klassifizierungsgesellschaften für
die Akzeptanz des CO2 -Laserstrahlschweißens Bild 8: Makroaufnahme einer 5/5 mm Bild 9: Makroaufnahme einer
spezifiziert sind, erfüllt. Erfolgreiches Laserstrahl- dicken durchgeschweißten Naht der 8/6 mm dicken Kehlnaht der Stahl-
schweißen herkömmlicher Schiffbaustähle, wie Stahlsorte RAEX 250C LASER sorte DH 36/RAEX 420MC LASER

43
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Tafel 2: Errech-
nete Werte der
Schwingfestig-
keit (FAT)
3 Rekristallisationskontrolliert
gewalzte Stähle
Die Entwicklung neuer Schiffbaustähle bei
Rautaruukki Steel im Stahlwerk Raahe wird im-
mer stärker auf die thermomechanische Behand-
lung der Bleche ausgerichtet. Bild 10 zeigt
schematisch einige Möglichkeiten der thermo-
mechanischen Behandlung. Trx ist die Tempera-
tur, unterhalb der keine Austenitrekristallisation
zwischen den Walzstichen stattfindet. Ar3 ist die
Temperatur, bei der beim Abkühlen der Übergang
von der austenitischen zur ferritischen Phase be-
ginnt.
Im Falle dünner Bleche mit Dicken unter
rund 25 mm ist die Abkühlung an der Luft nach
dem thermomechanischen Walzen normaler-
Bild 10: Schematische Darstellung des Zeit-Temperatur-Verlaufs (a) beim her-
kömmlichen thermomechanischen Walzen mit Abkühlung an der Luft, (b) beim
thermomechanischen Walzen mit beschleunigter Abkühlung und (c) beim
rekristallisationskontrollierten Walzen (RSR) mit beschleunigter Abkühlung
44
weise ausreichend, um die gewünschten Eigen-
schaften zu erreichen.
Beschleunigte Abkühlung mit Wasser durch
den Temperaturbereich, in dem der Übergang
von der austenitischen in die ferritische Phase
stattfindet, erhöht die Dichte der ferritischen
Kerne. Dabei wird die ferritische Korngröße
kleiner als diejenige, die typisch für die Abküh-
lung an der Luft ist. Bei dicken Blechen wird
deshalb vorzugsweise die beschleunigte Abküh-
lung mit Wasser angewandt, da diese sonst eine
unzureichende Festigkeit und Zähigkeit haben
würden. Sie kann auch für dünnere Bleche ver-
wendet werden, wenn verbesserte Eigenschaften
gewünscht werden.
Beim herkömmlichen thermomechanischen
Walzen erfolgt eine wesentliche Stichabnahme
bei Temperaturen unterhalb der austenitischen
Rekristallisationstemperatur, um stark defor-
mierte austenitische Körner zu erzeugen, die
sich während der Abkühlung in Ferritkörner
umwandeln. Das wird normalerweise beim Wal-
zen in zwei Phasen erreicht, wobei zwischen
den Phasen eine Wartezeit bleibt, damit sich die
Bleche vor der abschließenden Umformung auf
eine genügend niedrige Temperatur abkühlen.
Vor der Einführung der beschleunigten Abküh-
lung war das die einzige Methode, thermome-
chanisch gewalzte Bleche herzustellen. Heute
kann die beschleunigte Abkühlung jedoch als
ein zusätzliches thermomechanisches Werkzeug
zur Kontrolle der endgültigen Korngröße und
Mikrostruktur verwendet werden. Das hat auch
die Möglichkeit zum Einsatz eines neuartigen
thermomechanischen Prozesses eröffnet: Das
Walzen oberhalb der austenitischen Rekristal-
lisationstemperatur wird mit beschleunigter
Abkühlung kombiniert. Dieses Verfahren ist
als rekristallisationskontrolliertes Walzen mit
beschleunigter Abkühlung (RCR + ACC) bekannt.
 Moderne Schiffbaustähle normaler bis extrem hoher Zähigkeit
CEV = C + Mn/6 + (Cr + Mo + V)/5 + (Ni + Cu)/15
3.1 Eigenschaften und Schweißeignung
der Stähle
Ein einfacher unlegierter Stahl mit Ti-Zusatz
und geringem Kohlenstoffäquivalent für das
rekristallisationskontrollierte Walzen mit be-
schleunigter Abkühlung ist erforscht worden.
Im Stahl bildet sich eine feine Verteilung von
Titannitriden, die in der Lage sind, das Korn-
wachstum zu behindern, und zwar sowohl
zwischen den Warmwalzphasen als auch in der
Grobkorn-Wärmeeinflußzone (CGHAZ) einer
Schweißnaht. Die herkömmlichen thermome-
chanisch gewalzten Stähle sind mit Nb und Ti
mikrolegiert und haben ein etwas geringeres
Kohlenstoffäquivalent als die rekristallisations-
kontrolliert gewalzten Stähle (Tafel 3).
Die in Zug- und Kerbschlagbiegeversuchen
ermittelten Kennwerte der Bleche sind in der
Tafel 4 angegeben.
Rekristallisationskontrolliertes Walzen und
beschleunigte Abkühlung (RCR + ACC) ist ein
thermomechanischer Prozeß, der zur Herstel-
lung von Baustahlblechen und Schiffbaublechen
mit einer Streckgrenze von 355 MPa und guten
Kombinationen von Festigkeit, Zähigkeit und
Tafel 3: Chemi-
sche Zusam-
mensetzung der
Schweißeignung angewendet werden kann. Die Bleche
Kerbschlagzähigkeit ist normalerweise größer
als gefordert wird, und bürgt deshalb für gute
Sicherheit.
Wie bei anderen thermomechanisch gewalz-
ten Blechen kann die RCR + ACC-Behandlung eine
ausgezeichnete Schweißeignung erzeugen. Die
niedrigen Höchstwerte der Härte in der Wärme-
einflußzone (WEZ) weisen auf gute Eigenschaf-
ten bezüglich des Widerstandes gegen Kaltriß-
bildung hin. Wie andere thermomechanisch ge-
walzte Stähle, können auch RCR + ACC-Stähle
oft ohne Vorwärmen geschweißt werden. Dank
der ausgezeichneten WEZ-Zähigkeit der UP-
Schweißnähte (50 J bei – 40 °C) können ge-
schweißte Konstruktionen in arktischen Gebie-
ten ohne das Risiko des Sprödbruches verwen-
det werden.
Mit dem RCR + ACC-Walzen können eine
bessere Blechebenheit und geringere innere
Spannungen erreicht werden als mit dem kon-
ventionellen TM-Walzen. Außerdem ist die Ober-
flächenqualität der RCR + ACC-Bleche wie bei
allen TM-gewalzten Blechen im Vergleich z. B.
zu normalisierten Blechen gut.
Tafel 4: Mecha-
nische Eigen-
schaften der
Bleche
45
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
3.2 Vorbearbeitung und Vorbehandlung
zur Weiterverarbeitung
Vorbearbeitete warmgewalzte Schiffbau-
und Offshore-Stahlbleche sind fertige Teile, die
bereit zur Montage sind. Mit der Verwendung
vorbearbeiteter Bleche können Montagezeiten
verkürzt sowie Materialkosten und das im Lager
und bei der Herstellung gebundene Kapital ver-
ringert werden.
Die Vorbearbeitungsmöglichkeiten bei
Rautaruukki Steel, Raahe Stahlwerke, beinhalten:
– Strahlreinigen und Voranstrich,
– Präzisionsschneiden,
– Anarbeiten von Schweißkanten,
– Plasma- und oxi-propangeschnittene Teile,
– Zylindrische und konische Formen,
– Brennschneiden der Breitflachstähle.
Neben diesen werksinternen Möglichkeiten
werden auch Unterlieferanten, z. B. zum Schwei-
ßen gesamter Teilkonstruktionen, eingebunden.
Fasen werden durch Fräsen oder Planparal-
lelschleifen der Kanten gefertigt, um die stren-
geren Anforderungen des mechanisierten
Schweißens zu erfüllen. Das ist besonders für
die Offshore-Industrie wichtig. Bei dickeren
Blechen können auch HU-Fugen angearbeitet
werden, um das Schweißvolumen und die
Schweißzeit zu reduzieren.
46
Eine wichtige Entwicklung der letzten Zeit
ist der vermehrte elektronische Datenaustausch
zwischen den Kunden und Rautaruukki Steel.
Im Falle der vorbearbeiteten Bleche können die
Kunden CAD gefertigte Anweisungen zum Schnei-
den direkt an die Kontrolle der Brennschneide-
maschinen bei Rautaruukki Steel übersenden.
Das hilft, Kosten zu reduzieren sowie Lieferzeiten
kürzer und Änderungen einfacher zu machen.
Ein wirtschaftliches Verfahren für den
Korrosionsschutz vorbearbeiteter Bleche und
abgeschrägter Kanten ist die Verwendung leicht-
flüchtiger Inhibitoren (VCI) anstelle von Ölfilmen.
Eine auf Wasser basierende, umweltfreundliche
Lösung oder Emulsion mit flüchtigem Korrosi-
onsinhibitor wird vor dem Verpacken auf die
Kanten des Blechbündels gestrichen. Der Inhibi-
torfilm ist so dünn, daß er praktisch unsichtbar
ist und vor dem Schweißen, Beschichten oder
anderen Behandlungen nicht entfernt zu werden
braucht. Wenn nötig, sind die Spuren des Träger-
öls leicht von den Blechkanten zu entfernen.
4 Schrifttum
[1] Wernicke, R.; Petershagen, H.:
Schwingfestigkeit von laserstrahlgeschweißten
T-Stößen an Schiffbaustahl.
Schweißen & Schneiden 51 (1999),
Heft 1, S. 24 – 27
 Verwendung und Verarbeitung von Grobblechstählen im Schiffbau
Verwendung und Verarbeitung von Grobblechstählen im
Schiffbau aus der Sicht einer Klassifikationsgesellschaft
Dr.-Ing. G. Kalla, Dipl.-Ing. D. Engel und Dipl.-Ing. J.-O. Probst, Hamburg
1 Einführung
Der wesentliche Anteil an Grobblech findet
in der Außenhaut und in Versteifungen des Schif-
fes Anwendung. Die hier dargestellten Ausfüh-
rungen sollen sich auf Containerschiffe und die
dort eingesetzten Stahlsorten beschränken. Immer
neue Forderungen nach erhöhtem Nutzvolumen
von Containerschiffen stellen die Werften und
Klassifikationsgesellschaften vor die Herausfor-
derung, ihre Konstruktion und die Wahl der
Stahlsorten daraufhin auszulegen. Bild 1 zeigt
beispielhaft zwei etwa 285 m lange Panamax-
Containerschiffe aus den Jahren 1972 und 1990,
deren Breite durch den Panama-Kanal auf 32,2 m
begrenzt ist. Die Steigerung des Nutzvolumens
von 3010 auf 4500 TEU (Twenty foot container
Equivalent Unit) wurde bei etwa gleichen äuße-
ren Abmessungen durch die Verringerung der
Wallgangbreite und den Wegfall von Längs- und
Querriegeln realisiert. Nur durch den Einsatz
höherfester Stähle in entsprechend großen Dicken
in Verbindung mit einer angepaßten Detailkon-
struktion war diese Entwicklung möglich. Bei
Bild 1: Entwicklung der Kapazität von Containerschiffen
von 1972 bis 1990
Bild 2: Spezifische Kapazität und Wallgangbreite von
Panamax-Containerschiffen in Abhängigkeit vom Baujahr
Post-Panamax-Schiffen, deren Breite die des
Panama-Kanals übersteigt und die eine Kapazität
von mehr als 7000 TEU besitzen, wurden bereits
höherfeste Stähle in Dicken bis zu 80 mm im
Bereich des oberen Kastenträgers verbaut.
Die Entwicklung eines 8000 TEU Container-
schiffes von einem deutschen Werften-Konsor-
tium im Rahmen des Entwicklungsvorhabens
Containertransportsystem der Zukunft läßt den
ausgeprägten Entwicklungstrend ermessen. Die
Grenzen für den Einsatz dieser Schiffe werden
letztendlich durch die Einrichtung und Logistik
der Container-Häfen, die Wassertiefe der Hafen-
einfahrten und im Hafen und die maximal zur
Verfügung stehende Antriebsmaschinenanlage
bestimmt [1].
In Bild 2 ist die zeitliche Entwicklung bei
der Verringerung der Wallgangbreite bis etwa
1,1 m und Steigerung der spezifischen Lade-
kapazität dargestellt. Damit wurde die Unter-
bringung von zunächst 10 auf 11 und maximal
12 Containerstapelreihen nebeneinander ermög-
licht. Eine weitere Verringerung der Wallgang-
breite scheint jedoch wegen der sehr einge-
schränkten Zugänglichkeit der als Seewassertanks
zu Trimm- und Stabilitätszwecken des Schiffes
genutzen Zwischenräume unwahrscheinlich. Die
schweißtechnische Fertigung wie auch die Appli-
kation und Instandhaltung von Korrosionsschutz-
systemen (Beschichtungen) sowie die Inspektion
dieser Zwischenräume setzen die Grenzen.
47
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 3: Defor-
mationen und
Verteilung der
Blechdicke im
Schiffskörper
2 Werkstoffe und Konstruktion
Die Bemessung schiffbaulicher Konstruktio-
nen richtet sich zunächst nach dem erforder-
lichen Widerstandsmoment der Struktur unter
Berücksichtigung der sich aus den einzelnen
Ladefällen ergebenden statischen Belastung
(Glattwasserbiege- und Torsionsmomente) sowie
der dynamischen Zusatzlasten aus dem Seegang
(Wellenbiege- und Torsionsmomente). Unter
Bild 4: Inland- Zugrundelegung der in den Klassifikations- und
lieferungen deut- Bauvorschriften des Germanischen Lloyd festge-
scher Stahlwerke legten zulässigen Spannungen für die jeweiligen
an unlegierten Stähle erfolgt die Dimensionierung. Die höchsten
und legierten Spannungen im Schiffskörper treten insofern
Qualitätsstählen mit zunehmendem Abstand von der neutralen
in den deutschen Faser am Schiffsboden und insbesondere an der
Schiffbau; gelie- oberen Gurtung und im Längssüll auf, weshalb
ferte Menge und dort dickere Bleche eingesetzt werden (Bild 3).
Anteil der gelie- Von konstruktiver Seite wird dieser Spannungs-
ferten Menge an erhöhung in den Klassifikations- und Bauvor-
den gesamten schriften des Germanischen Lloyd für stählerne
Inlandlieferungen Seeschiffe ohne Gewässereinschränkung mit einer
48
Forderung an das Verhältnis von Seitenhöhe zur
Schiffslänge im Verhältnis größer 1:16 begegnet.
Bei großen Containerschiffen, deren Breite die
des Panama-Kanals überschreitet und im allge-
meinen etwa 40 m beträgt (Post-Panamax), tritt
das Gewichtsproblem der Schiffe zunehmend
in den Vordergrund. Die Tendenz zum Bau mit
höherfesten Stählen nimmt daher mit der Größe
des Schiffes zu.
Die Menge an unlegiertem und legiertem
Qualitätsstahl, die deutsche Stahlwerke an Werf-
ten im Inland geliefert haben, erfuhr nach einem
Rückgang in den Jahren 1990 bis 1992 in den
darauf folgenden drei Jahren einen Aufschwung,
wie in Bild 4 zu erkennen ist. Er ist mit auf die
steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten bei
Neubauten in dieser Zeit zurückzuführen. Der
Anteil der Schiffbaustähle an den gesamten
Inlandslieferungen nimmt einen ähnlichen Ver-
lauf und liegt unter einem Prozent.
Die Stahlsorten werden in normalfeste Schiff-
baustähle (GL-A bis GL-E; hier: „NFS“) mit einem
Mindestwert der Streckgrenze von 235 N/mm2
und in höherfeste Schiffbaustähle (GL-A 36 bis
GL-F 40; hier „HFS“) bis zu einem Mindestwert
der Streckgrenze von 390 N/mm2 untergliedert.
Übliche Stahlsorten in der Kategorie HFS sind
jedoch die mit einem Mindestwert der Streck-
grenze von 315 N/mm2 bis 355 N/mm2, die in
verschiedene Gütegrade A, D, E, F in Abhängig-
keit von deren Zähigkeit unterteilt werden.
Wegen höherer Anforderungen an die Zähig-
keit des Stahles mit steigender Streckgrenze und
größerer Dicke werden die HFS zunehmend im
thermomechanisch (TM-) gewalzten Zustand ein-
gesetzt. Höhere Zähigkeitsanforderungen wer-
den an Gurtplatten und Stege von Trägersyste-
men sowie Lukendeckel, Ruderkörper, Hinter-
steven und Wellenböcke gestellt. Diese Aufrei-
 Verwendung und Verarbeitung von Grobblechstählen im Schiffbau
hung ist für Bauteile, die niedrigen Temperatu-
ren ausgesetzt sind, fortzusetzen ( z. B. Eisklasse).
Dickere Bleche, die in Blechdickenrichtung ins-
besondere durch Schweißschrumpfspannungen
oder hohe Betriebsspannungen auf Zug bean-
sprucht werden, müssen Mindestforderungen
an die Brucheinschnürung beim Zugversuch in
Dickenrichtung erfüllen.
Der Anteil von HFS im Schiffskörper kann
zwischen 35 und 65 % liegen, je nach Schiffstyp
und Schiffsgröße. Containerschiffe mit einer
Kapazität von 2500 TEU bestehen aus rd. 35 %
HFS, während ab einer Größe von etwa 4800
TEU rd. 60 % HFS eingesetzt werden. Bei Post-
Panamax-Containerschiffen ist ein Anteil größer
60 % HFS keine Seltenheit mehr. Querbauteile,
die weniger hohen Spannungen ausgesetzt sind,
werden jedoch aus NFS gefertigt. Ein Beispiel
hierfür sind Querschotte.
Die größte Blechdicke in der oberen Gurtung
gewöhnlicher offener großer Containerschiffe
beträgt derzeit 55 mm. Vereinzelt wurde aber
auch schon HFS in einer Dicke von 70 mm und
lokal bis 80 mm am Übergang zu den Quer-
schotten eingesetzt.
Vorbehalte zur Verwendung von HFS werden
in erster Linie von Schiffseignern geäußert. Die
Argumente, von denen nachfolgend einige ge-
nannt sind, lassen sich derzeit noch nicht völlig
entkräften. Die Frage der Verfügbarkeit von HFS
in Reparaturfällen in entlegenden Weltregionen
kann derzeit noch nicht zufriedenstellend beant-
wortet werden. Ähnliches gilt für die schweiß-
technische Verarbeitung in Bezug auf die Quali-
fikationen des Verfahrens und die des Schweißers,
die nicht allerorts für einen HFS vorliegen.
Hinsichtlich der Betriebsfestigkeit, nach der
Schiffe auszulegen sind, kann bei Vorhandensein
schweißtechnisch oder konstruktiv bedingter
Kerben das höhere Festigkeitsniveau von HFS
gegenüber NFS nicht völlig ausgeschöpft wer-
den. Bild 5 zeigt einen linearen Zusammenhang
zwischen der Zugfestigkeit des Stahles und der
Schwingfestigkeit für glatte Proben, während
dieses Verhältnis im Kerbfall einen deutlich
degressiven Verlauf annimmt.
In den Vorschriften des Germanischen Lloyd
findet dieses Verhalten durch die Berücksichti-
gung einer Werkstoffkennziffer ihren Niederschlag:
k = 295 N/mm2 / (ReH + 60 N/mm2)
Damit ergeben sich für höherfeste Stähle
folgende Werkstoffkennziffern, die in die Berech-
nung einfließen:
ReH [N/mm2] k
315 0,78
355 0,72
390 0,66
Bild 5: Einfluß
von Kerben auf
die Schwing-
festigkeit in Ab-
hängigkeit von
der Zugfestigkeit;
nach T.R. Gurney:
Fatigue of welded
structures
49
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 6:
Spannungs-
konzentrationen
an Übergängen
Um das höhere Festigkeitsniveau der HFS
auch unter Berücksichtigung der Anforderungen
an die Betriebsfestigkeit nutzen zu können, muß
eine sorgfältige konstruktive Gestaltung erfolgen.
Beispielsweise ist auf die Vermeidung größerer
Dicken- und Steifigkeitssprünge besonderer Wert
zu legen (Bild 6). Der Germanische Lloyd arbei-
tet zur Zeit im Rahmen eines europäischen For-
schungsverbundes an dieser Thematik mit, um
den Werften Möglichkeiten und Grenzen für die
Verwendung von HFS bis zu einem Mindestwert
der Streckgrenze von derzeit 390 N/mm2 aufzei-
gen zu können. Ein darauf aufbauendes Projekt
für die Verwendung von Stählen bis zu einer
Streckgrenze von 690 N/mm2 befindet sich in
der Antragsphase.
Weitere Bedenken hinsichtlich einer relativ
zur Blechdicke schnelleren Abrostung (wegen
der geringeren erforderlichen Dicke gegenüber
normalfesten Stählen) können jedoch sofort
zerstreut werden, da bereits bei der Auslegung
des Schiffes für HFS ein Korrosionszuschlag von
tk = 1,5 mm für t’ ≤ 10 mm
tk = (0,1 · t’/√k) + 0,5 mm max. 3,0 mm für t’ > 10 mm
berücksichtigt wird, wobei t’ die erforderliche
Regeldicke ausschließlich tk in mm ist. Darüber
hinaus gehende Festlegungen von Korrosions-
zuschlägen richten sich nach dem Gefährdungs-
potential des Ladegutes und sollen hier nicht
weiter betrachtet werden.
50
3 Verarbeitung
Im Schiffskörperbau verschlechtert sich
nach jedem Fertigungsschritt aufgrund thermi-
scher Trenn- und Fügeverfahren die Maßhaltig-
keit der Bauteile. Die Genaufertigung wird daher
die Aufgabe für die Zukunft sein. Sie wird einer-
seits erreicht durch den Einsatz großer Blech-
formate bis derzeit 25 m Länge und über 4 m
Breite [2], mit denen die Summe der Trenn- und
Fügelängen reduziert werden. Anderseits werden
vermehrt Fügeverfahren wie beispielsweise das
Laserstrahlschweißen angewendet, die einen
verringerten Wärmeeintrag erlauben und damit
eine verbesserte Maßhaltigkeit ermöglichen.
Eine hohe Maßhaltigkeit setzt auch ein ent-
sprechend geringes Maß an Eigenspannungen
im Blech voraus. Dem Hersteller von Grobblech
wird insbesondere beim Endwalzen (bei ver-
gleichsweise niedrigen Temperaturen) höher-
fester TM-Schiffbaustähle in dieser Hinsicht ein
großes Know-how abverlangt. Wenn dem Walz-
prozeß eine Intensivkühlung nachgeschaltet
wird, steht die Ebenheit des Bleches nach dem
Zerteilen besonders im Blickpunkt.
Für das Vorwärmen beim Schweißen zur
Vermeidung von Kaltrissen wurden Berechnungs-
formeln entwickelt, in die das Kohlenstoffäqui-
valent, die Blechdicke, die Spannungen, die
Wärmeeinbringung und der Wasserstoffgehalt
eingehen [3]. Der abgesenkte Kohlenstoff- und
Legierungsgehalt eines TM-gewalzten höherfesten
Schiffbaustahles gegenüber dem eines normal-
 Verwendung und Verarbeitung von Grobblechstählen im Schiffbau
geglühten bzw. normalisierend gewalzten höher-
festen Schiffbaustahles bietet Vorteile bei der
schweißtechnischen Verarbeitung. Eine dem
Endwalzen nachgeschaltete Intensivkühlung
ermöglicht eine weitere Optimierung der che-
mischen Zusammensetzung hinsichtlich der
Schweißeignung. Bei sonst gleichen Bedingungen
zeigen Untersuchungen mit dem Tekken-Test,
daß sich ein TM-gewalzter Schiffbaustahl der
Sorte GL-E 36 auch bei einer um 80 K geringeren
Vorwärmtemperatur als für einen normalisierten
Stahl gleicher Streckgrenze kaltrißsicher verar-
beiten läßt [4]. Ein entsprechend geringer Was-
serstoffgehalt wurde hierbei vorausgesetzt. Die
Erfahrungen im Hinblick auf Kaltrißbildung haben
gezeigt, daß bei Dicken oberhalb von 30 mm in
den seltensten Fällen auf eine Vorwärmung ver-
zichtet werden kann.
In den Richtlinien der Klassifikationsgesell-
schaften zum Laserstrahlschweißen von Stählen
im Schiffbau [5], die den Trend des Einsatzes
dieses Verfahrens auf den Werften flankieren,
sind die geeigneten Werkstoffe nicht explizit
spezifiziert. Es sind wohl aber Analysengrenzen
angegeben, die sich in erster Linie auf den Koh-
lenstoffgehalt bis 0,12 % und Verunreinigungs-
elemente wie Schwefel (0,005 % max.) und
Phosphor (0,010 % max.) beziehen, welche aus
Vorlaufprojekten zum Laserstrahlschweißen von
Stählen zusammengetragen wurden. Diese stren-
gen Vorgaben können im Einzelfall gemäß dieser
Richtlinie jedoch relativiert werden. Die Erkennt-
nisse noch laufender FuE-Projekte werden in
diese Richtlinie einfließen. Die Tendenz zur Auf-
härtung des Stahles in der Wärmeeinflußzone
und der damit verbundenen Kaltrißneigung auf-
grund der geringen Wärmeeinbringung beim
Laserstrahlschweißen bietet den TM-gewalzten
höherfesten Schiffbaustählen ein zukunftweisen-
des Anwendungsgebiet.
Das Laserstrahlschweißen ist durch den
Tiefschweiß-Effekt gekennzeichnet, bei dem die
Verfahrensparameter auf die Blechdicke abzu-
stimmen sind. Im Schiffbau sind die Grenzab-
maße der Dicke nach Klasse B gemäß EN 10029
festgelegt. Bei einer Nenndicke von beispiels-
weise 5 mm ist folglich eine Spanne der Dicken-
abweichung von 30 % der Nenndicke zulässig.
Hersteller wie auch Verarbeiter haben sich hier-
auf einzurichten, wenn der Laser zum Einsatz
kommen soll. Die Oberflächengüte der Bleche
tritt insbesondere beim Laserschweißen im T-Stoß
(Blech-Steife-Verbindung) in den Vordergrund.
Die durch den Walzprozeß der Bleche definiert
eingestellten Lieferzustände N oder M ergeben
im allgemeinen eine bessere Oberflächengüte
als die eines im Ofen normalgeglühten Bleches.
Der Verarbeiter sollte daher die Art des Liefer-
zustandes mit in Betracht ziehen.
Das Flammrichten, bei dem durch das un-
gleichmäßige Erwärmen ein Eigenspannungszu-
stand durch lokales Fließen erzeugt wird, der zum
Richten des Bauteiles genutzt wird, erfordert eine
lokale Erhitzung auf über 600 °C [6]. Bei Tempe-
raturen oberhalb AC1 (rd. 700 °C) tritt bei ent-
sprechend langen Haltezeiten eine Teilausteniti-
sierung mit einer Kohlenstoffanreicherung im
Austenit ein, die sich bei konventionellen Schiff-
baustählen wegen des höheren Kohlenstoffge-
haltes tendenziell ungünstiger als bei TM-Stählen
auswirkt. Anderseits reagieren TM-Stähle empfind-
licher auf Überhitzung und/oder Überzeitung
beim Flammrichten im γ−α−Zweiphasengebiet
mit einer Erholung und insbesondere der Rekri-
stallisation. Dabei wird bei TM-Stählen der Effekt
des thermomechanischen Walzens irreversibel
zerstört. Daher sind die Flammrichttemperaturen
und -zeiten genau einzuhalten.
Der Germanische Lloyd hat Anfang der 90er
Jahre die Bedenken der Werften aufgegriffen
und gemeinsam mit Stahlherstellern, dem VDEh
und mit Vertretern von Werften den Einfluß des
Flammrichtens auf die Veränderung der Werk-
stoffkennwerte untersucht. Als Ergebnis wurde
festgehalten, daß bei oberflächlicher Erwärmung,
die vorwiegend bei Wärmebahnen auftritt, eine
Flammrichttemperatur über 900 °C zu vermei-
den ist. Bei durchgreifender Erwärmung, die
beispielsweise bei Wärmekeilen oder -punkten
vorliegt, sind Temperaturen über 700 °C kritisch.
TM-gewalzte höherfeste Schiffbaubleche verhal-
ten sich hinsichtlich ihrer Zähigkeit aufgrund
des geringeren Kohlenstoffgehaltes und des im
Ausgangszustand allgemein höheren Zähigkeits-
niveaus unkritischer als normalgeglühte höher-
feste Schiffbaubleche [7]. Hinsichtlich ihrer
Festigkeit nach dem Flammrichten sind die
genannten Temperaturgrenzen sicher einzuhal-
ten, um eine Erweichung des flammgerichteten
Blechbereiches zu vermeiden.
4 Schlußbemerkungen
Eine Beschränkung auf eine Stahlsorte für
Schiffbaubleche, die in erster Linie durch ihre
Zugfestigkeit in den Grenzen zwischen 41 und
50 kg/mm2 im Jahr 1930 vom Germanischen
Lloyd definiert wurde, war damals völlig ausrei-
chend. Die in den späteren Jahren steigenden
Anforderungen des Schiffbaus an die Eigenschaf-
ten des Stahles und dessen Verarbeitbarkeit sind
von den Stahlherstellern stets erfüllt worden. Aus
der Herstellung von Stählen für den Stahlbau und
51
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
für Großrohre, bei der höhere Anforderungen an
Festigkeit und Zähigkeit gestellt werden, ist das
erforderliche Know-how auch für Schiffbaustähle
genutzt worden. Der Schiffbau setzt seine Festig-
keitsgrenzen derzeit jedoch noch niedriger an.
Der Germanische Lloyd begleitet und unterstützt
die Bestrebungen, die technischen Randbedin-
gungen hinsichtlich Konstruktion und Bauaus-
führung auszumachen, die für die Verwendung
höher- und hochfester Stähle im Schiffbau gelten.
Doch nicht nur technische und wirtschaftliche
Zielvorgaben werden die weitere Entwicklung
im schiffbaulichen Einsatz dieser Stähle bestim-
men. Auch Fragen der weltweiten Verfügbarkeit
oder der Verarbeitungsvoraussetzungen werden
zu beantworten sein.
5 Schrifttum
[1] Payer, H. G.:
Entwicklung zukünftiger Handelsschiffe.
Schiff und Hafen, 51 (1999), Nr. 7, S. 47 – 53
[2] Zerrahn, J.; Bühr, W.; Schöttelndreyer, W.:
Die Technologieführerschaft muß ständig neu
erarbeitet werden.
Schiff und Hafen, 51 (1999), Nr. 7, S. 57 – 63
52
[3] Stahl-Eisen-Werkstoffblatt 088:
Schweißgeeignete Feinkornbaustähle,
Richtlinien für die Verarbeitung, besonders für
das Schmelzschweißen.
Verlag Stahleisen, Düsseldorf
[4] Kaiser, H.-J.; Schriever, U.; Tschersich, H.-J.:
Einsatz moderner un- und niedriglegierter Stähle
im Schiffbau und in der Meerestechnik.
Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft,
90. Band (1996), S. 305 – 310
[5] Preliminary Guidelines for the Approval of
CO2 -Laser Welding.
Germanischer Lloyd, Edition 1998
[6] de Boer, H.; Uwer, D.:
Herstellung, Eigenschaften und Verarbeitung
thermomechanisch gewalzter Stähle.
Beitrag zum 15. Schiffbau-Kolloquium des
Germanischen Lloyd, 1988
[7] Hubo, R.; Kügler, D.; Petersen, J.;
Wegmann, H.:
Einfluß des Flammrichtens auf die Eigen-
schaften thermomechanisch gewalzter
Schiffbaustähle.
Stahl und Eisen 114 (1994), Nr. 9, S. 97 – 102
 Grobbleche im Kessel- und Druckbehälterbau
Grobbleche im Kessel- und Druckbehälterbau
Dr.-Ing. K. Richter, Dr.-Ing. G. Luxenburger und Dipl.-Ing. R. Cawelius, Dillingen
1 Einleitung
Im Rahmen einer Festzeitschrift „50 Jahre
Walzwerksausschuß des VDEh“ die Entwicklung
im Kessel- und Druckbehälterbau über die ver-
gangenen 50 Jahre zu betrachten, wäre sicherlich
eine sehr interessante Aufgabe, doch würde es den
vorgegebenen Rahmen völlig sprengen. Reichen
doch die Anwendungsbereiche des Kessel- und
Druckbehälterbaus vom Feuerlöscher bis zum
Dampfkessel, vom Druckluftspeicher bis zum
über 1 000 t schweren Hydrocracker, von der
Gasflasche bis zum Großtank für verflüssigte
Gase. Aufgrund dieser Vielseitigkeit werden im
folgenden auch nur einige typische Anwendungs-
gebiete beleuchtet und lediglich der technische
Entwicklungsstand der letzten Jahre erfaßt.
2 Deutsches Regelwerk für den
Kessel- und Druckbehälterbau
Da beim Betreiben von Dampfkesseln und
Druckbehältern, vor allem bei deren Versagen,
öffentliche Belange betroffen sind, wurden gesetz-
liche Bestimmungen erlassen und technische
Regeln aufgestellt. In Deutschland sind neben
den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) weitere
gesetzliche Bestimmungen wie die „Dampfkes-
selverordnung“ für den Dampfkesselbau sowie
die „Druckbehälterverordnung“ und das „Geräte-
sicherheitsgesetz“ für den Druckbehälterbau die
beim Bau und Betrieb von Kesselanlagen und
Druckbehältern in allen Fällen zu beachtenden
Vorschriften.
In den Technischen Regelwerken werden
u. a. Vorgaben bezüglich der Werkstoffauswahl,
der Berechnung, der Herstellung und Prüfung
der Druckbehälter gemacht. Durch ausreichende
Prüfung und Überwachung während der Ferti-
gung soll dann ein weitgehend fehlerfreier Zu-
stand erreicht werden, der Grundlage für die Aus-
legung und Berechnung ist. Eine Übersicht über
das deutsche Regelwerk gibt Bild 1.
Für den Druckbehälterbau sind die Einzelvor-
gaben in den TRB geregelt, die auf die bekannten
AD-Merkblätter verweisen, für den Dampfkessel-
bau in den TRD (den Technischen Regeln für
Dampfkessel), die im Grundsatz den AD-Merk-
blättern stark gleichen, sich aber in den Einzel-
heiten unterscheiden. Seit Jahren ist man dabei,
auf europäischer Ebene vergleichbare Regelwerke
aufzubauen, die in einigen Jahren die nationalen
ablösen sollen.
3 Grobbleche im Dampfkesselbau
3.1 Unterscheidung und Entwicklung
unterschiedlicher Dampfkesselarten
In Europa gelten für den Bau von Dampf-
kesseln im wesentlichen folgende Vorschriften:
für Deutschland die Technischen Regeln für
Dampfkessel, für Frankreich die NF E32-100ff
und für Großbritanien die BS 1113. In den USA
gilt der ASME Code Section 1.
Bild 1: Übersicht
über das deut-
sche technische
Regelwerk und
die gesetzlichen
Bestimmungen
im Kessel- und
Druckbehälterbau
53
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 2: Groß- Im Dampfkesselbau unterscheidet man im
wasser- wesentlichen die sogenannten Großwasserraum-
raumkessel kessel und Wasserrrohrkessel.
In den Großwasserraumkesseln, von denen
ein typisches Beispiel in Bild 2 gezeigt wird,
machen Grobbleche einen hohen Anteil der
drucktragenden Umschließung aus. Die Bezeich-
nung Großwasserraumkessel ist darauf zurück-
zuführen, daß diese einen großen Wasserinhalt,
bezogen auf ihre Dampfleistung, aufweisen. In
der Regel handelt es sich dabei um zylindrische
Behälter mit vorgeschweißten Böden. Vom ur-
sprünglichen Walzenkessel führte die Entwick-
lung über die Flammrohrkessel zu den Flamm-
rohr-Rauchrohrkesseln mit einem oder mehreren
Zügen, die den Energieinhalt der Abgase besser
ausnutzen.
Die weitere Entwicklung zu höheren Drücken
und Temperaturen, z. B. in Verbindung mit dem
Betrieb von Dampfturbinen, führte zunächst zu
Bild 3: Wasser-
rohrkessel mit
Dampftrommel
54
den Wasserrohrkesseln mit Naturumlauf, einem
Kleinwasserraumkessel. Die Wärmeübertragung
erfolgte bei diesen Kesseln über wasserführende
Kesselrohre, die die Umschließung des Feuer-
raumes bilden. Diese Strahlungsheizflächen tragen
wesentlich zur Leistungssteigerung bei.
Allen Wasserrohrkesseln, von denen ein
typischer Vertreter in Bild 3 gezeigt wird, ist
gemeinsam, daß sie als wesentliche Komponente
über zwei Dampftrommeln verfügen. Diese Trom-
meln werden aus Grobblech gefertigt. Bei höhe-
ren Drücken wird die Untertrommel durch
Sammler ersetzt. Außer für die druckführenden
Komponenten – dazu zählen neben den oben
genannten Kesseltrommeln auch die Speisewas-
serbehälter – finden Grobbleche im Kraftwerk-
bau auch in den Stahlbaustrukturen Anwendung.
Wegen der Gesetzmäßigkeiten des Sättigungs-
zustandes von Wasserdampf sind den Naturum-
laufkesseln bei rund 180 bar natürliche Grenzen
gesetzt. Der für den Kreislauf erforderliche Auf-
trieb der Dampfblasen ist mit weiter steigendem
Druck nicht mehr gewährleistet. Aus diesem
Grunde ist eine weitere Drucksteigerung nur
noch mit Zwangsumlauf möglich, der durch
Umwälzpumpen sichergestellt wird. Auch diese
Kesselanlagen verfügen in der Regel noch über
Dampftrommeln.
Eine weitere Leistungssteigerung führt zu
den Hochleistungsdampfkesseln. Dies sind
Zwangsdurchlaufkessel, deren bekannteste
Vertreter die Benson- und Sulzerkessel sind. Bei
diesen Bauarten kommen keine Dampftrommeln
mehr zum Einsatz.
Neue Entwicklungen im Kraftwerkbau
führen zu immer höheren Drücken und Tempe-
raturen und damit auch zu neuen Konzepten.
Dabei kommen mitunter sehr große druck-
führende Umschließungen aus Grobblech zum
Einsatz. Zwei Vertreter dieser Kategorie sind das
zur Kraftwärmekopplung entwickelte Kraftwerk
nach dem PFBC-Prinzip (Pressurized Fluidized
Bed Combustion) der druckaufgeladenen Wirbel-
schichtfeuerung und das mit einer Gasturbine
ausgestattete Kombikraftwerk mit integrierter
Hochtemperatur-Winkler-Braunkohlenvergasung
KoBra. In beiden Kraftwerktypen kommen große
Druckbehälter zum Einsatz, die aus Grobblechen
aus niedriglegierten Stählen gefertigt werden.
3.2 Stahlsorten im Dampfkesselbau
Die im Dampfkesselbau eingesetzten ferri-
tischen Stahlsorten sind im wesentlichen in den
Teilen 2 und 3 der DIN EN 10 028 oder in den
entsprechenden nationalen Normen definiert.
 Grobbleche im Kessel- und Druckbehälterbau
Darüber hinaus finden spezielle, in VdTÜV-Werk-
stoffblättern beschriebene Werkstoffe Anwen-
dung. Bei der Verwendung austenitischer Stahl-
sorten kommen vor allem solche nach DIN EN
10028-7 oder DIN 17460 in Frage.
Der Einsatz der verschiedenen Stahlsorten
hängt, wie aus Bild 4 hervorgeht, im wesent-
lichen von Druck und Temperatur der jeweili-
gen Kessel ab. In der Regel werden die Stahl-
sorten bis P355GH nach DIN EN 10 028-2 zum
Bau von Dampftrommeln eingesetzt. Für Drücke
oberhalb 100 bar finden verstärkt auch niedrig-
legierte Stähle, wie vor allem die Stahlsorte
15NiCuMoNb5 nach VdTÜV-Wbl. 377, verein-
zelt auch 20MnMoNi4-5 nach VdTÜV-Wbl. 440
Verwendung. Die nach ASME I ausgelegten
Dampftrommeln werden üblicherweise aus den
Stahlsorten SA299, SA515Gr.70, SA516Gr.70
und seltener SA302Gr.B gefertigt.
Im Vergleich zu Dampftrommeln, die nach
europäischen Regelwerken ausgelegt sind,
besitzen Trommeln nach dem ASME-Code für
gleiche Auslegungsbedingungen deutlich größere
Wanddicken.
4 Grobbleche
im Druckbehälterbau
Wie in Bild 1 dargestellt worden ist, unter-
teilt sich der Druckbehälterbau im deutschen
Regelwerk nach den Technischen Regeln für
brennbare Flüssigkeiten, den Technischen Re-
geln für Druckbehälter und den Technischen
Regeln für Druckgase. Die Technischen Regeln
für Druckbehälter unterscheiden zwischen Druck-
behältern und Druckgasbehältern. Die Trennung
von den Druckgasbehältern der TRB und den
Behältern nach TRG richtet sich nach den dort
beschriebenen Einzelfällen.
Darüber hinaus wird der Bereich der Tech-
nischen Regeln für Druckgase (TRG) durch euro-
päische Abkommen über die Beförderung gefähr-
licher Güter auf der Straße (ADR) und auf der
Schiene (RID) stark beeinflußt. Diese Abkommen
haben ihre gesetzliche Umsetzung in Deutschland
in der Gefahrgutverordnung Straße (GGVS)
und in der Gefahrgutverordnung Eisenbahn
(GGVE) gefunden haben. Eine klare Gliederung
der verschiedenen Bereiche des Druckbehälter-
baus für Transportbehälter ist nicht mehr möglich.
Aufgrund dessen werden im folgenden nur einige
Hauptanwendungsbereiche des Druckbehälter-
baus näher beleuchtet.
4.1 Einfache Druckbehälter Bild 4: Verwen-
dung von Kessel-
Einfache Druckbehälter werden ausschließ- blechen aus un-
lich aus unlegiertem Qualitätsstahl sowie aus terschiedlichen
unlegiertem oder nicht aushärtbarem Aluminium Stahlsorten in
gebaut und dienen nur zur Aufnahme von Luft Abhängigkeit von
oder Stickstoff. Ihr Druckbereich liegt zwischen Betriebstempera-
> 0,5 bar und ≤ 30 bar, und ihr Produkt aus Volu- tur und Betriebs-
men und Druck beträgt maximal 10 000 bar x l. druck der Dampf-
Die Betriebstemperatur für Stahl liegt zwischen trommeln
– 50 °C und 300 °C.
Als Werkstoffe gelangen die Stahlsorten der
DIN EN 10207, wie P235S, P265S und P275SL,
zur Anwendung. Konstruktion und Herstellung
der einfachen Druckbehälter sind in der DIN
EN 286-1 dargestellt.
4.2 Warmgehende Druckbehälter
Ebenso wie in der übrigen Industrie besteht
auch im Druckbehälterbau ein ständiger Kosten-
druck. Dies führt dazu, daß nach einem stets
höheren Ausnutzungs- oder Wirkungsgrad der
Prozesse und der hierfür benötigten Reaktoren
gesucht wird, was meist mit dem Bau größerer
Anlagen verbunden ist, die darüber hinaus bei
höheren Temperaturen und/oder Drücken
betrieben werden. Dies wiederum beeinflußt
die Suche nach verbesserten Werkstoffen, die
möglichst bei gleicher Blechdicke eine höhere
Beanspruchung zulassen.
Die im Druckbehälterbau verwendbaren
Werkstoffe sind in Deutschland in den AD-Merk-
blättern W0 bis W13 sowie in N1, N2 und N4
festgelegt. In Europa sind die üblichen Stahlsorten
in den Teilen 2 bis 7 der DIN EN 10028 genormt,
und im ASME-Code Section VIII sind die nach
ASME erlaubten Werkstoffe aufgelistet.
Bild 5 gibt einen Überblick über die Werte
der Warmstreckgrenze einiger typischer im
55
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 5: Übersicht
über die für
warmgehende
Druckbehälter in
Deutschland ein-
gesetzten Stahl-
sorten (Warm-
streckgrenze für
100 mm Blech-
dicke)

Druckbehälterbau verwendeten Werkstoffe im trotz gleicher oder ähnlicher chemischer Zusam-

Temperaturbereich von 100 °C bis 500 °C.
Höhere Werte der Warmstreckgrenze erlauben
dünnere Wanddicken. Da aber die Kosten für
die verschiedenen Stahlsorten unterschiedlich
und die Stähle durch weitere Bedingungen, wie
z. B. ihre Schweißeignung, charakterisiert sind,
wird es für jeden Anwendungsfall und jede
Betriebstemperatur unterschiedliche Entschei-
dungen geben.
Neben den in Bild 5 dargestellten Stahlsor-
ten, die bis auf die in VdTÜV-Werkstoffblättern
Tafel 1: Maximal definierten Stähle 20MnMoNi4-5, 15NiCuMoNb5
zulässige und 12CrMo9-10 den Stahlsorten nach DIN EN
Spannungen 10028 Teil 2 entsprechen, gibt es zur Zeit noch
nach verschie- in den meisten Ländern Europas nationale Werk-
denen Codes stoffspezifikationen, nach denen sich Stahlsorten
1) Rp0,2,T = Warmstreckgrenze bei der Temperatur T
2) Bei ASME: Rp0,2,T keine Mindestwerte der Warmstreckgrenze,
sondern Mittelwerte aus der Trendkurve der Verhältniszahlen:
Warmstreckgrenze bei der Temperatur T /Streckgrenze bei Raumtemperatur
3) Bei ASME: Rm,T – Definition entsprechend 2)
4) Code Case 2290
mensetzung in ihren Kennwerten für die Streck-
grenze bei Raumtemperatur oder höheren Tem-
peraturen oder durch ihre Kriechkennwerte
unterscheiden.
Abhängig von den nationalen Vorschriften
in dem Land, in dem der Druckbehälter betrie-
ben wird, gibt es neben diesen vielfältigen Mög-
lichkeiten der Werkstoffauswahl zur Zeit auch
noch die Möglichkeit, nach verschiedenen Kon-
struktionscodes, wie AD-Regelwerk, CODAP,
BS 5500 oder ASME zu bauen, demnächst auch
noch nach Europäischen Codes. Die einzelnen
Konstruktionscodes unterscheiden sich u. a.
dadurch, daß die maximal zulässigen Spannungen
durch Faktoren festgelegt sind, mit denen Streck-
grenzen- oder Festigkeitswerte multipliziert
werden müssen. Tafel 1 gibt einen Überblick
über die bekanntesten Konstruktionscodes und
die Faktoren, die zur Ableitung der maximal
zulässigen Spannungen Verwendung finden.
Es ist gut nachvollziehbar, daß ein Konstruk-
teur, sofern er die rechtliche Möglichkeit zur
freien Auswahl des Regelwerks hat, bei denselben
Grundvoraussetzungen für einen Behälter, wie
Durchmesser, Druck und Betriebstemperatur,
beim Vergleich der verschiedenen in Tafel 1
genannten Codes zusammen mit den entspre-
chenden von den Codes zugelassenen Stahlsorten
zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen bei der
Dimensionierung kommen kann. Das bedeutet,
daß er theoretisch für jeden Anwendungsfall
eine kostenoptimale Lösung finden könnte.
An einem Beispiel soll das eben Gesagte
demonstriert werden. So sollen im folgenden
die Wanddicken eines Behälters für verschiedene
Betriebstemperaturen nach den verschiedenen

56
 Grobbleche im Kessel- und Druckbehälterbau
Codes berechnet werden. Der Behälterwerkstoff
soll 10CrMo9-10 sein. Sein äußerer Durchmesser
soll 4 m betragen, und er soll bei einem max.
Betriebsdruck von 150 bar betrieben werden. Bei
der Wanddickenberechnung wurden keinerlei
zusätzliche Randbedingungen, wie z. B. Schweiß-
nahtfaktoren oder Ermüdung berücksichtigt. Das
Ergebnis der Rechnung ist in Bild 6 dargestellt.
Im Rahmen der Harmonisierung sollen die
nationalen Regelwerke durch gesamteuropäische
Regelwerke auf der Basis der Druckgeräterichtli-
nie ersetzt werden, die sich in Zukunft auf außer-
europäischer Ebene gegenüber dem ASME-Code
in ihrer Akzeptanz bewähren müssen.
4.3 Druckwasserstoff-Reaktoren
Eine besonders anspruchsvolle Kategorie
von warmgehenden Druckbehältern sind die
druckwasserstoffbeanspruchten Reaktoren.
Je nach Betriebsdruck, -temperatur und Wasser-
stoffpartialdruck werden u. a. in Raffinerien unle-
gierte oder niedriglegierte Kesselbaustähle schon
seit einigen Jahrzehnten in diesen Behältern ein-
gesetzt. In den Reaktortypen Hydrotreater, Hydro-
desulfuriser und Hydrocracker wurden in den
letzten Jahren international überwiegend Stähle
des Typs 2,25Cr 1Mo verwendet. In der Vergan-
genheit kamen vielfach die klassischen Sorten
dieses Stahltyps – in Deutschland beispielswei-
se der luftvergütete 10CrMo9-10 nach DIN EN
10028 Teil 2– zur Anwendung. Doch bedingt
durch die vergleichsweise niedrigen Mindestwerte
von Streckgrenze und Zugfestigkeit dieser klassi-
schen Sorten wurden in den letzten 15 Jahren
auch zunehmend höherfeste – nach ASME sog.
*) Berechnungsdruck: 200 bar, Innendurchmesser: 4572 mm, Länge des Behälters: 22,86 m
„enhanced“– Stahlsorten mit deutlicher Wand- Bild 6: Wand-
dickenreduktion für diesen Behälter nachgefragt. dicken eines
Der deutsche Vertreter dieser Gruppe ist der Behälters aus
12CrMo9-10 nach VdTÜV-Wbl. 404/1, der in der der Stahlsorte
Regel wasservergütet wird. Aber wegen des 10CrMo9-10,
Trends zu größeren Behältervolumina mit dem berechnet nach
Ziel höherer Wirtschaftlichkeit der Anlagen und verschiedenen
bedingt durch höhere Prozeßtemperaturen sucht Codes; äußerer
man insbesondere für die hochbeanspruchten Durchmesser 4 m,
Reaktortypen nach weiter verbesserten Stahl- größter zulässi-
sorten. Denn Behältergewichte von weit über ger Betriebsdruck
1.000 t stellen die Anlagenbauer vor große Pro- 150 bar
bleme, insbesondere in Gegenden mit gering
entwickelter Verkehrsinfrastruktur. Daher wur-
den in den letzten Jahren vanadiumlegierte Re-
aktorstähle als 2,25Cr 1Mo 0,25V und 3Cr 1Mo
0,25V entwickelt, die in jüngster Zeit u. a. in
Großbehältern eingesetzt werden (Bild 7).
Tafel 2 zeigt beispielhaft die Wanddicken-
und Gewichtsunterschiede eines Behälters in
Abhängigkeit der verwendeten Stahlsorten. Neben
Tafel 2: Gewicht
der Behälter von
Druckwasser-
stoffreaktoren in
Abhängigkeit
von der verwen-
deten Stahlsorte
nach ASTM/ASME
57
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 7: Druck-
wasserstoff-
Reaktor beim
Transport
den Gewichtsvorteilen bieten die vanadiumle-
gierten Stähle eine verbesserte Druckwasser-
stoffbeständigkeit und ein verbessertes Disbon-
dingverhalten beim Abfahren der Anlage. Daher
können sie bis zu Betriebstemperaturen von
482 °C nach dem Nelson-Diagramm eingesetzt
werden, wohingegen der Enhanced Typ ohne
Vanadium nur bis maximal 452 °C betrieben wer-
den darf. Die Entwicklung der vanadiumlegierten
Sorten ist noch nicht beendet, insbesondere das
Langzeitverhalten der Stähle bei Kriechbeanspru-
chung ist Gegenstand aktueller Forschungs- und
Entwicklungsprogramme.
4.4 Transport- und Lagerbehälter
für verflüssigte Gase
Kohlenwasserstoffe haben eine entschei-
dende Bedeutung als Energieträger und als Roh-
stoff für chemische Prozesse erlangt. Bei Raum-
temperatur sind sie gasförmig und haben deshalb
ein großes Volumen. Um zu geringeren Raumin-
halten beim Lagern und vor allem beim Trans-
port zu kommen, verflüssigt man sie. Die Tafel 3
gibt die Siedetemperaturen verschiedener Gase
an sowie die Stahlsorten, die üblicherweise für
die Lagerbehälter verwendet werden.
Die zur Herstellung von Flüssiggas-Transport-
und -Lagerbehältern eingesetzten Stahlsorten
müssen auch noch unterhalb der Siedetempera-
tur der Gase eine ausreichend hohe Duktilität
und ein gutes Rißauffangverhalten aufweisen.
Tafel 3: Siede-
temperaturen
verschiedener 1) Siedetemperatur ist die Temperatur, bei der das Gas vom flüssigen in den gasförmigen Zustand übergeht
Gase 2) Fallweise ≥ 40 J oder ≥ 55 J oder ≥ 100 J
58
Bild 8: Liquid Petrol Gas (LPG)-Kugeltank-Anlage
4.5 LPG-Lagertanks
Zur Lagerung der verflüssigten Raffineriegase,
den sogenannten Liquid Petrol Gases (LPG), wie
z. B. Propan und Butan, verwendet man entweder
drucklose, wärmegedämmte Flachbodentanks
oder nicht wärmeisolierte Druck-Tanks.
LPG-Terminals mit sehr großen Lagerkapazi-
täten werden oft mit Flachbodentanks mit einem
Fassungsvermögen bis zu 100 000 m3 je Tank aus-
gestattet. Hier werden nach den jeweiligen Regel-
werken (EEMUA, API 620, BS 7777, EN ...) drei
Haupt-Konstruktionsprinzipien unterschieden:
– Single Containment (einwandige Behälter),
– Double Containment (doppelwandige
Behälter) und
– Full Containment.
Die Sicherheit bei Leckagen wird bei den
beiden letztgenannten Typen wesentlich erhöht.
Bei kleineren Lagereinheiten werden jedoch
nicht wärmeisolierte Drucktanks in Form von
kugelförmigen Tanks oder zylindrischen Tanks
verwendet. Die bei chemischen oder petroche-
mischen Anlagen von außen gut sichtbaren Kugel-
tanks sind allgemein als „Gaskugeln“ bekannt
(Bild 8) und werden mit Durchmessern bis rund
28 m und einem Speichervolumen bis zu 8.000 m3
hergestellt. Das Speichervolumen der zylindri-
schen Tanks beträgt etwa 200 m3 bis 3.000 m3.
Dabei kann die Zylinderlänge bis zu 80 m und
 Grobbleche im Kessel- und Druckbehälterbau
der Durchmesser bis zu 10 m betragen (Bild 9).
Bei beiden Konstruktionsprinzipien wird ver-
sucht, die kritische Wanddicke, die nach den
anzuwendenden Regelwerken ein Spannungs-
armglühen der Behälter erforderlich machen
würde, nicht zu überschreiten. Dennoch werden
für den Bau von Kugelbehältern Segmente mit
Wanddicken in extremen Fällen über 100 mm
benötigt. Im allgemeinen sind die Kosten für die
Herstellung von Lagerterminals bei beiden Kon-
struktionsprinzipien annähernd identisch.
In den letzten Jahren werden insbesondere
in den Industrieländern zunehmend die zylin-
drischen Lagertanks („Zigarren“) gegenüber den
Kugeln bevorzugt. Die Gründe für diesen Trend
sind insbesondere der geringere Platzbedarf und
die ansprechendere Ästhetik der zylindrischen,
mit Erde bedeckten Lagertanks sowie die deut-
lich höhere Sicherheit und damit erhöhte Akzep-
tanz der dem Lagerterminal benachbarten Bevöl-
kerung. Die Erdbedeckung der Tanks erhöht die
Sicherheit gegenüber Brand- oder Explosions-
einwirkung. Aus diesem Grunde können erdbe-
deckte Zylindertanks mit wesentlich geringeren
Sicherheitsabständen zu benachbarten Anlagen
oder Gebäuden im Vergleich zu den Kugelbe-
hältern gebaut werden. Dies gilt auch für die
Abstände der einzelnen Behälter untereinander.
4.6 LNG-Tanks
Zum Transport und zur Lagerung von ver-
flüssigtem Erdgas, dem sogenannten Liquid
Natural Gas (LNG), verwendet man heute neben
Aluminium und nichtrostenden Stählen vor allem
9 % Ni-Stähle. Diese Stähle, die ursprünglich in
den 50er Jahren ausschließlich zur Lagerung von
Sauerstoff und Stickstoff entwickelt wurden, setzt
man ab 1960 für Tanks für LNG ein. Die Kon-
struktionsprinzipien für LNG-Flachbodentanks
sind denen unter dem Abschnitt LPG beschrie-
benen identisch. Die damalige Konstruktion, bei
der die innere Hülle aus 9 % Ni-Stahl bestand,
während die äußere aus einem einfachen unle-
gierten Stahl bestand, wird auch heute noch
angewendet, nur ist das Fassungsvermögen von
ehedem 500 m3 auf heute 135 000 m3 ange-
wachsen (Bild 10). Aufgrund des mit der Größe
der Behälter gestiegenen Gefahrenpotentials
stiegen auch die Anforderungen an die Zähig-
keit der 9 % Ni-Stähle (bis 100 J bei –196 °C),
und die Behälter werden teilweise oder ganz
mit einer armierten Beton-Hülle umgeben. Für
den Transport der LNG verwendet man Tanker,
auf denen das verflüssigte Gas meist in Kugel-
behältern gelagert wird (Bild 11).
Bild 9: Zylindri-
scher Tank für
Liquid Petrol Gas
(LPG)
Bild 10: Flach-
bodentank-
Anlage für Liquid
Natural Gas (LNG)
Bild 11: Tanker
für Liquid Natural
Gas (LNG)
5 Schlußgedanke
Der Beitrag sollte zeigen, daß die Anwen-
dungsbereiche von Grobblech im Dampfkessel-
und Druckbehälterbau enorm vielseitig sind.
Dabei wurden fast ausschließlich nur Beispiele
von der sogenannten „schwarzen“ Grobblech-
seite angeführt. Das große Feld der ferritischen
und austenitischen nichtrostenden Stähle sowie
der plattierten Bleche, die vor allem in der che-
mischen und petrochemischen Industrie ihren
Einsatz finden, mußte allein schon aus Platzgrün-
den außen vor bleiben.
Allen Blechen und Stahlsorten aber ist
gemeinsam, daß die Anforderungen bezüglich
der Streubandbreiten für die mechanischen und
chemischen Werte, die Zähigkeitskennwerte
sowie den Reinheitsgrad und die Verarbeitbar-
keit sowie die Forderungen nach engeren Tole-
ranzen von Jahr zu Jahr weiter steigen werden.
Parallel hierzu steht die Forderung nach sich
ständig verkürzenden Lieferzeiten. All dies sind
Herausforderungen für unsere Grobblechwalz-
werke für die nächsten 50 Jahre.
59
 Stahl-Informations-Zentrum
Postfach 10 48 42
40039 Düsseldorf
E-Mail: siz@stahl-info.de · Internet: www.stahl-info.de
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Anwendungsbeispiele zur Weiterverarbeitung

von Grobblechen – Induktivgebogene Stahlrohre
Dipl.-Ing. E. Muthmann, Mülheim a. d. Ruhr

Im Rohrbiegewerk der Mannesmannröhren der um seinen Drehpunkt einem einstellbaren

Mülheim GmbH werden mit Hilfe des induktiven
Biegeprozesses maßgebogene Stahlrohre gefertigt,
die vornehmlich in folgenden Bereichen Anwen-
dung finden:
– Fernleitungen (Erdöl, Erdgas),
– Kompressorstationen,
– Offshore-Plattformen (Riser Bends),
– Kraftwerke,
– Turbinenleitungen,
– Chemische und petrochemische Industrie,
– Stahlbau (Brücken, Dachkonstruktionen,
Kunstwerke).
Das Induktivbiegen ist ein bewährtes Ver-
fahren zur wirtschaftlichen und maßgenauen
Umformung von Stahlrohren zu Rohrbögen und
mehrfach gebogenen Rohren. Dabei wird ein
Rohrende fest in einen Biegearm eingespannt,
Bild 1: Nahauf-
nahme der beim
Induktivbiegen
erwärmten Zone
Biegeradius folgt. Der zu biegende Rohrbereich
wird partiell mit Hilfe eines schmalen ringför-
migen Induktors erwärmt (Bild 1).
Die Biegetemperatur, die Abkühlung und
der Vorschub sind abhängig von Werkstoff, Biege-
radius sowie Durchmesser und Wanddicke. Die
computergesteuerte Biegeanlage im Werk Mül-
heim ist eine in dieser Bauweise einmalige Anlage,
die mit zwei Biegearmen ausgerüstet ist (Bild 2).
Bild 3 zeigt den schweren Biegearm beim Biegen
eines 48″-Bogens.
Durch die besondere Auslegung der Biege-
maschine und durch die Erfahrung der Biege-
experten aus Mülheim wird den Kunden ein um-
fassendes Programm an Rohrbögen und geboge-
nen Rohren aller Art angeboten, das sowohl von
seiner Dimensionsbreite als auch von seiner
Vielfalt her unerreicht ist (Bild 4).
Damit wird ein Biegeprogramm für Rohr-
außendurchmesser von 88,9 mm bis 1.800 mm
(3,5″ bis 70″) abgedeckt. Je nach Durchmesser,
Werkstoff und Biegeradius sind Rohrwanddicken
von 3 mm bis 200 mm möglich. Die Biegewinkel
können je nach Abmessung bis zu 180° betra-
gen, und die Biegeradien sind stufenlos wählbar
im Bereich von 200 mm bis 10.000 mm (Bild 5).
Noch größere Radien oder mathematisch
definierte Kurven können nach einem besonde-
ren Biegeverfahren gebogen werden.
Als Einsatzrohre für die Induktivbogenfer-
tigung werden je nach Abmessung und Verwen-
dungszweck nahtlose und längsnahtgeschweißte
Rohre verwendet. Bei den geschweißten Rohren
handelt es sich sowohl um Hochfrequenz-induk-

Bild 2: Aufbau
der Induktiv-
biegeanlage mit
zwei Biege-
armen im Biege-
werk Mülheim
der Mannes-
mannröhren
Mülheim GmbH
(schematische
Darstellung)

60
Anwendungsbeispiele zur Weiterverarbeitung von Grobblechen – Induktivgebogene Stahlrohre

Bild 3: Schwerer Biegearm beim Biegen eines 48″-Bogens

tionsgeschweißte (HFI) Rohre und Unter-Pulver Alle für die Rohrherstellung verwendeten Bild 5: Ferti-
(UP)-spiralnahtgeschweißte Rohre aus Blech- Werkstoffe einschließlich Edelstählen können gungsprogramm
bändern als auch um UP-geschweißte Großrohre auf der Mülheimer Biegeanlage verarbeitet wer- für Induktiv-
aus Grobblech. Bogenvorrohre haben im Ver- den. Das gilt auch für Großrohre, die aus Grob- bögen aus ferri-
gleich zu den anschließenden Leitungsrohren blechen thermomechanisch gewalzter hochfe- tischen Stahl-
eine dickere Einsatzwand, da beim Induktiv- ster Stähle (TM-Stähle) hergestellt werden und rohren
biegen der Rohre an der Bogenaußenseite eine üblicherweise bei Fernleitungen und Offshore-
Wanddickenabnahme auftritt, während es gleich- Rohrverlegungen zum Einsatz kommen. Neben
zeitig zu einer Wanddickenzunahme an der den üblichen thermomechanisch und tempera-
Bogeninnenseite kommt. turgeregelt gewalzten Stahlsorten werden auch
Stahlsorten für spezielle Anwendungen (z. B. für
den Transport von wässrigen, sauergashaltigen
Medien) verarbeitet.
In der Regel werden induktivgebogene
Stahlrohre nach dem Biegen einer Wärmebe-
handlung unterzogen, um ein gleichmäßiges
Gefüge und die Einhaltung der geforderten
mechanisch-technologischen Eigenschaften
sicherstellen zu können. Zur Wärmebehandlung
stehen Öfen mit automatischer Temperatur-
regelung zur Verfügung (Bild 6).
Die Anlagen sind so ausgelegt, daß auch
große und sperrige Werkstücke wärmebehandelt
A Systemmaß
B Systemmaß
Da Außendurchmesser
Bild 4: Prinzipskizze Di Innendurchmesser
eines Induktivbogens s Wanddicke des Rohres Bild 6: Hoch-
sa Wanddicke an der frequenzinduk-
Bogenaußenseite tionsgeschweiß-
si Wanddicke an der
te (HFI) – 10“-
Bogeninnenseite
Rm Mittlerer Biegeradius Rohrbögen aus
a Biegewinkel der Stahlsorte
a Gerader Schenkel X60 nach API 5L
b Gerader Schenkel (L415 nach DIN
ISO 3183-3)

61
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 7: 36“-Groß-
rohrbogen für
eine Erdgaslei-
tung in der Nord-
see unmittelbar
vor dem Ab-
schrecken im
Wasserbad

werden können. Darüber hinaus können Bögen

bis zu den größten transportablen Abmessungen
in einem Wasserbecken abgeschreckt werden
(Bild 7).
Mehrfach in den letzten Jahren fiel dem
Rohrbiegewerk eine Vorreiterrolle zu, wenn es
darum ging, Rohrbögen und maßgebogene
Stahlrohre aus neuen Werkstoffen zu fertigen
und hierfür auch die entsprechenden Verfahrens-
prüfungen durchzuführen.
Bei der Weiterverarbeitung von TM-gewalzten
Grobblechen zu Induktivbögen muß beachtet
werden, daß der beim Walzen gezielt eingestellte
thermomechanische Effekt durch die beim Induk-
tivbiegeprozeß eingebrachte Wärme beeinträch-
tigt wird, was zu einem niedrigeren Streckgren-
zenniveau führt. Das UP-längsnahtgeschweißte
Einsatzrohr aus TM-gewalztem Grobblech wird
beim Induktivbiegen gehärtet (Biegetemperatur
oberhalb des Ac3-Punktes mit direkt folgender
Wasserabschreckung) und anschließend im
Ofen angelassen. Das zeilige ferritisch-perlitische
TM-Gefüge des Grobbleches wird dadurch in
ein feinkörniges Vergütungsgefüge umgewandelt
(Bild 8).
Wenn auch nach dem Induktivbiegen für
den TM-Werkstoff die gleichen Festigkeitseigen-
schaften gefordert werden, die am Einsatzrohr
nachgewiesen wurden, eignen sich herkömm-
lich legierte Leitungsrohre aus TM-gewalzten
Grobblechen höherer Festigkeit in der Regel
nicht zum Induktivbiegen. Sollte eine Optimie-
rung der chemischen Zusammensetzung für die
Bild 9: 48“-Rohrbogen aus der Stahlsorte X65 nach API 5L
(L450 nach DIN ISO 3183-3) bei der Auslieferung
Bogenvorrohre durch gezielt auf die Induktiv-
bogenfertigung abgestimmte Legierungskonzepte
nicht möglich sein, kann der erwartete Festig-
keitsverlust durch eine entsprechend dicker
gewählte Wand des Einsatzrohres kompensiert
werden.
Auch das Schweißgut der UP-Längsnaht der
Einsatzrohre aus Grobblechen muß so ausgewählt
werden, daß nach dem Induktivbiegen die mecha-
nisch-technologischen Eigenschaften der Schweiß-
naht am Bogen die Kundenanforderungen erfül-
len. In Abhängigkeit von den Vorgaben des Kun-
den muß die für den Verwendungszweck opti-
male Draht/Pulver-Kombination zum Schweißen
der Bogenvorrohre festgelegt werden.
Das Biegewerk Mülheim stellt sicher, daß
für den jeweiligen Anwendungsfall das für den
Kunden optimale Einsatzrohr zur Induktivbogen-
fertigung gewählt wird.
Einige Beispiele aus dem Bereich des Stahl-
und Rohrleitungsbaus, bei denen Grobblech als
Einsatzmaterial für Induktivbiegungen aus dem
Rohrbiegewerk Mülheim verwendet wurde,
zeigen die Bilder 9 bis 15.
Bild 10: Feldverlegung einer Großrohr-Fernleitung

Bild 8: Gefüge
des Vorrohres
aus thermo-
mechanisch
gewalztem Grob-
blech (1) und des
daraus herge-
stellten induktiv
gebogenen Rohr-
bogens nach dem
(1) Vergrößerung 200 : 1 (2) Vergrößerung 200 : 1
Vergüten (2)

62
Anwendungsbeispiele zur Weiterverarbeitung von Grobblechen – Induktivgebogene Stahlrohre

Bild 11: Versandfertige 48“-Rohrbögen mit äußerer Kunst-

stoffumhüllung und Epoxidharzauskleidung für eine Erd-
gasleitung im Mittelmeerraum

Bild 14: „Looping“-Großrohrplastik von Ursula Sax, Stand-

ort Berlin; Kunstwerk aus 27 Rohrsegmenten der Abmes-
sung 40“, die im Biegewerk Mülheim a. d. Ruhr mit unter-
schiedlichen Biegeradien gebogen wurden

Bild 12: Stabbogenbrücke über den Elbe-Lübeck-Kanal bei

Lübeck-Genin, hergestellt aus 12 längsnahtgeschweißten
34“-Stahlrohren, die mit unterschiedlichen Biegeradien
induktiv gebogen wurden

Bild 15: „Gartenschlauch“, eine in Freiburg aufgestellte

Bild 13: Doppelbogenbrücke über den Rhein-Herne-Kanal
Großrohrplastik von Claus Oldenburg und Coosje von
Bruggen, hergestellt aus 24 einzelnen Rohrbögen mit
unterschiedlichen Biegeradien; Rohrdurchmesser 20“,
Gesamtrohrlänge rund 130 m
63
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Stahl – ein umweltfreundlicher Werkstoff
Ing. P. Bögh und J. Laurberg-List, Frederiksvaerk, Dänemark
1 Einleitung
Stahlkonstruktionselemente sind ein wichti-
ger Faktor in einer Gesellschaft, die nach den
Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung lebt.
Ein anderer wichtiger Faktor ist die Nutzung
erneuerbarer Energien, wie Windenergie.
Dänemark möchte in den Bereichen nachhal-
tige Stahlerzeugung und Windenergie führend
sein.
2 Umweltfreundlicher Stahl von
Det Danske Stålvalseværk A/S
Det Danske Stålvalseværk A/S liegt in einem
der landschaftlich reizvollsten Gebiete Dänemarks
mit hervorragendem Erholungswert. Außerdem
hat das Unternehmen seinen Standort fast im
Herzen von Frederiksværk – weniger als 50 m
von den nächsten Nachbarn entfernt.
Mit diesem Standort ist es eine große Her-
ausforderung, jährlich fast 800.000 t Rohstahl
und 700.000 t Walzstahlprodukte herzustellen,
ohne dabei die Umwelt z. B. mit Lärm und Staub
wesentlich zu belasten. Das Unternehmen hat
sich dafür entschieden, diese Herausforderung
anzunehmen und der Umgebung zu zeigen, daß
es möglich ist, Schwerindustrie zu betreiben
und dabei die Umwelt zu schonen.
3 Nachhaltigkeit
Eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen,
ist das übergeordnete Ziel der Umweltbemühun-
gen in der modernen Gesellschaft. Dies ist ein
Ziel, das die Menschheit vor die grundlegende
Frage stellt, wie sie den Herausforderungen des
21. Jahrhunderts begegnen will.
Eine nachhaltige Entwicklung läßt sich wie
folgt definieren: „Die Menschheit hat die Mög-
lichkeit, eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen,
die gewährleistet, daß wir die Bedürfnisse der
Gegenwart befriedigen können, ohne dadurch
zu verhindern, daß künftige Generationen die
Möglichkeit erhalten, ihre Bedürfnisse befriedigen
zu können“.
Wenn wir diesen Maßstab auf die Stahl-
branche anlegen wollen, müssen wir folgende
Punkte analysieren:
64
1. Welche Bedürfnisse der Gesellschaft
befriedigt die Stahlbranche?
2. Wie viele Ressourcen der Erde werden dafür
benötigt?
3. Welche Umweltbelastungen sind mit der
Produktion, Verwendung und Entsorgung von
Stahlprodukten verbunden?
Die Stahlbranche versorgt die Gesellschaft
mit wichtigen Grunderzeugnissen, die für die
Herstellung von Wohnungen, Autos, Schiffen,
Brücken, Häfen, Werkzeugen, Fahrrädern, Haus-
haltsgeräten usw. erforderlich sind. Die Stahlin-
dustrie erfüllt somit wesentliche Aufgaben in
der modernen Gesellschaft.
Eisen ist die Grundlage für die Herstellung
von Stahlprodukten. Das chemische Element
Eisen steht mit einer Konzentration von 5 % an
vierter Stelle der Häufigkeit der in der Erdkruste
vorkommenden Elemente. Das bedeutet, daß
genügend Mengen an Eisen zur Verfügung ste-
hen – auch für kommende Generationen.
Stahlprodukte eignen sich besonders gut
zum Recycling, und weltweit wird Stahlschrott
gesammelt, gereinigt und nach genau spezifi-
zierten Qualitäten sortiert, die international
gehandelt werden.
Die Produktion großer Mengen von Stahl
erfordert viel Energie. Die Stahlindustrie achtet
jedoch auf den Energieverbrauch, der im Zuge
der Entwicklung neuer technologischer Mög-
lichkeiten laufend gesenkt wird.
4 Windenergie
Für eine Gesellschaft, die nach den Grund-
sätzen einer nachhaltigen Entwicklung lebt, ist
es eine Selbstverständlichkeit, erneuerbare
Energien miteinzubeziehen. In diesem Zusam-
menhang nimmt die Windenergie eine immer
bedeutendere Rolle ein.
Überall auf der Welt werden seit Jahrtausen-
den Windmühlen betrieben. Wer Glück hat, kann
in Dänemark immer noch eine der rund 8.000
Windmühlen sehen, die Ende des vorigen Jahr-
hunderts die dänische Landschaft prägten und
auf vorzüglichste Weise den Antrieb zum Mahlen
von Getreide u. ä. lieferten.
Ab Mitte der achtziger Jahre setzte die Errich-
tung der sogenannten Windparks in großem Um-
fang ein (Bild 1). Die technologische Entwick-
lung hatte ihren bisherigen Stand erneut über-

boten, und viele neue Projekte wurden aus der
Taufe gehoben. Begriffe wie Qualitätsmanage-
ment und Qualitätskontrolle kamen auf die Tages-
ordnung. Dies war mit einer Kehrtwende in der
Herstellung von Windenergieanlagen verbunden,
und die Grundlage für die Entwicklung der Wind-
energie wurde weiter ausgebaut. Das Ergebnis
ist eine blühende Windenergiebranche, die immer
noch Jahr für Jahr expandiert. Gleichzeitig geht
der Trend in Richtung größere und leistungs-
fähigere Windenergieanlagen. Auf einigen Märk-
ten werden heute WEA zwischen 1.000 und
2.000 kW nachgefragt, und das Wachstum wird
allem Anschein nach anhalten. Heute wird z. B.
von Möglichkeiten im Bereich von 3 MW bis
5 MW Windenergieanlagen (1 MW = 1.000 kW)
gesprochen.
Von Windenergie erzeugter Strom wurde
1993 zu einem Drittel des Preises im Jahre 1980
produziert.
Windenergie ist im Vergleich zu anderen
Energien viel wettbewerbsfähiger geworden,
und das Ergebnis kann sich sehen lassen: In der
Landschaft stehen wieder viele „Windmühlen“,
und es kommen stets mehr hinzu. In Dänemark
allein entfielen zum Jahreswechsel 1997 rund
7 % und 1999 rund 10 % des dänischen Strom-
verbrauchs auf die Windenergie.
Im Jahre 1997 fand die UNO-Klimakonferenz
im japanischen Kyoto statt, und das Ergebnis
dieser Konferenz festigte den Zusammenhalt
der EU und gewährleistete die Realisierung des
gesamten Windenergieplans der EU. Der von den
Industriestaaten unterzeichnete Klimaschutz-
Stahl – ein umweltfreundlicher Werkstoff
Bild 1: Form-
vollendete Wind-
energieanlage,
Masthöhe
zwischen 45
und 97 m, Rotor-
durchmesser
zwischen 50
und 70 m
vertrag sicherte das Ziel der EU, bis zum Jahr
2010 rund 35.000 MW Windenergie zu installie-
ren. Das Ziel ist klar, nämlich eine erhebliche
Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr
2010.
Die Vorteile der Windenergie liegen nahe:
– Umweltschutz,
– leicht zugänglicher kostenloser Treibstoff,
– unerschöpfliche Energiequelle,
– arbeitsplatzschaffendes Wirtschaftswachstum,
– Technologietransfer und Innovation.
Eine Prognose für den Zeitraum 1999 bis
2003 sieht eine Installation von rund 16.000 MW
in Europa vor, wobei Länder wie Dänemark,
Spanien und Deutschland dominieren werden.
5 Stahl für Windkraftanlagen
Det Danske Stålvalseværk A/S liefert seit
Mitte der achtziger Jahre Stahl für Windenergie-
anlagen.
Heute sind die Anforderungen an diese Art
von Blechlieferungen in bezug auf die Blech-
qualität, die Lieferqualität und kurze Lieferzeiten
wesentlich verschärft worden.
Heute werden fertig zugeschnittene Bleche
an die Windenergiebranche geliefert, die zum
Walzen und Schweißen der Sektionen bereit
sind, die später den fertigen WEA-Turm ausma-
chen werden. Dies ist für den Kunden mit großen
Einsparungen bei den Rohstoffkosten verbunden,
und der Verschnitt muß nicht aufbereitet und an
den Stahlproduzenten zurückbefördert werden.
65
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 2:
Numerisch
gesteuerte
Schneid-
maschine für
Grobbleche

Der Bedarf, Bleche mit engen Toleranzen
beim Stahlhersteller fertig zuzuschneiden, wird
über numerisch gesteuerte Schneidmaschinen
erfüllt (Bild 2). Es kann sich dabei um herkömm-
liche Gas- und Sauerstoffbrennschneidmaschi-
nen oder Plasmaschneidmaschinen handeln.
Die Windenergiebranche verlangt spezielle
Kundenkennzeichnungen auf Blechen und Auf-
tragsunterlagen, damit die Bleche in der Produk-
tion einfacher identifiziert werden können.
Hinzu kommt der Wunsch nach „Just-in-time-
Lieferungen“, bei denen die Bleche zusätzlich in
gewünschter Sortierung geliefert werden, um
eine minimale Handhabung zu gewährleisten
sowie Zeitersparnisse und kürzere Durchlauf-
zeiten bei dem einzelnen WEA-Turmhersteller
zu erzielen (Bild 3).
Als weiteres Beispiel für den in Frage kom-
menden Service seien das Strahlputzen und
Grundieren der Bleche erwähnt. Dieser Service
wurde über Jahre u. a. von der Werftindustrie in
Anspruch genommen. Alles trägt dazu bei, Zeit
zu sparen und mehr Effektivität zu erzielen.
Wie bereits erwähnt sehen die Perspektiven
für die Zukunft der Windenergiebranche außer-
ordentlich vielversprechend aus, auch außer-
halb Europas. Weltweit wächst der WEA-Markt
mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit, und
der Bedarf für Stahlbleche und vor allem für
fertig zugeschnittene Bleche steigt. Kurz um:
Die Windenergiebranche blüht und befindet
sich im Aufwind. Det Danske Stålvalseværk A/S
wird nach wie vor ein stabiler Lieferant für dieses
Kundensegment sein.
Da der Werkstoff Stahl insbesondere eine
uneingeschränkte Verwertbarkeit hat, stellt sich
die Stahlindustrie der Verantwortung, eine
moderne Gesellschaft mit Stahl zu versorgen,
und zwar in einer Weise, die den Forderungen
dieser Gesellschaft nach einer nachhaltigen Ent-
wicklung entspricht.

Bild 3: Umwelt-
schonender
Transport von
Grobblechen

66
 Grobbleche aus nichtrostenden Stählen

Grobbleche aus nichtrostenden Stählen

Dr. rer. nat. T. L. Ladwein, Krefeld

1 Einleitung Tafel 1 listet, geordnet nach diesen Gruppen,

einige Qualitäten nichtrostender Stähle auf, die
In 1998 betrug im europäischen Markt der eine besonderer Bedeutung und Marktbreite in
Verbrauch an Quartoblechen und Breitflachpro- der Herstellung als Grobbleche haben.
dukten aus nichtrostenden Stahlsorten 190.000 t, Besondere Bedeutung haben in den letzten
im Vergleich zum Gesamtverbrauch an Quarto- Jahren vor allem die ferritisch-austenitischen
blechen und Breitflachprodukten aus allen Stahl- Duplexstähle gewonnen wegen der guten Rela-
qualitäten von 8,2 Millionen t nur ein Anteil von tion zwischen mechanisch-technologischen Eigen-
rund 2,5 % [1]. Nichtrostende Stähle werden schaften, Korrosionsbeständigkeit und Preis.
immer dann eingesetzt, wenn die besonderen Diese Entwicklung wurde ausgelöst durch
Anforderungen an die chemische Beständigkeit die Erkenntnis des positiven Einflusses des
der Konstruktionswerkstoffe durch sonstige Legierungselementes Stickstoff [3] auf Gebrauchs-
Stähle, auch in Verbindung mit Korrosionsschutz- und Verarbeitungseigenschaften dieser Stähle.
systemen in Form von Überzügen, Beschichtun- Stickstoff hat auch große Bedeutung gewonnen
gen oder Inhibitoren, nicht erfüllt werden kön- als Legierungselement von höchstlegierten aus-
nen. In vielen Fällen können nichtrostende Stähle tenitischen Stählen, da er die Korrosionsbestän-
trotz höherer Einstandskosten bei Betrachtung digkeit verbessert, die Festigkeit erhöht und die
der Lifecycle-Kosten zur Verbesserung der Wirt- Gefahr der Bildung von Ausscheidungen reduziert
schaftlichkeit einer Anlage oder einer Konstruk- [4]. Eine Gruppe von nichtrostenden Stählen, die
tion beitragen. in jüngerer Zeit eine starke Bedeutung als Rohr-
Quartobleche werden eingesetzt, wenn auf- leitungswerkstoff für die Offshore-Industrie
grund der geforderten Abmessungen, sei es in gefunden hat, sind die sogenannten „Super 13 %
Bezug auf die Dicke, die Fertigung als Tafelblech Chrom-Stähle“ mit rund 13 bis 15 % Chrom,
notwendig oder durch die großen darstellbaren 2 bis 6 % Nickel und 0 bis 2 % Molybdän [5].
Längen und Breiten konstruktive oder wirt- Deutsche Werkstoffnummern sind für diese
schaftliche Vorteile gegeben sind. Dabei sind Stähle bislang noch nicht erteilt worden, formal
insbesondere auch maßgeschneiderte Einzel- zählen sie zur Familie der Nickelmartensite.
fertigungen nach speziellen Kundenwünschen
möglich.
3 Herstellung
2 Unterteilung nichtrostender Stähle Die Erschmelzung des Vormaterials erfolgt,
wie bei nichtrostenden Stählen üblich, im Elektro-
Die Eigenschaft „nichtrostend“ wird erreicht, ofen, in den meisten Fällen mit anschließender
indem Stählen mindestens 12 % Chrom zulegiert Raffination im AOD-Konverter. Der Abguß erfolgt
wird [2]. Daneben gibt es noch die Gruppe der in den meisten Fällen als Strangguß. Blockguß
rostträgen Stähle mit Chromgehalten zwischen wird nur noch sehr selten ausgeführt, z. B. bei
rund 9 und 11 %. Durch weitere Legierungs- Qualitäten mit unzureichender Stranggußfähig-
elemente werden zusätzliche Eigenschaften wie keit. Die Brammen oder Blöcke werden gegeben-
Festigkeit, Verarbeitbarkeit, Schweißeignung falls vorgewalzt, in der Brammenzurichtung vor-
usw. der nichtrostenden Stähle eingestellt. bereitet und auf die Einsatzmaße zur Walzung
Durch das gezielte Einstellen eines bestimm- zugeschnitten.
ten Verhältnisses ferritbildender (Cr, Mo, Si, Die walztechnische Herstellung von Grob-
usw.) zu austenitbildenden Elementen (C, N, Ni, blechen aus nichtrostenden Stählen erfolgt in
Mn, usw.) kann die Art des Gefüges bestimmt den meisten Fällen auf Quartogerüsten, die sonst
werden. Grundsätzlich lassen sich die nicht- auch zur Herstellung von Blechen aus niedrig
rostenden Stähle folgendermaßen unterteilen: und unlegierten Stählen benutzt werden. Wegen
• Ferritische Stähle, der Besonderheiten werden üblicherweise Auf-
• Martensitische Stähle, träge aus nichtrostenden Stählen zu Kampagnen
• Weich (Nickel)-martensitische Stähle, zusammengefaßt und dann „en bloc“ gefertigt.
• Austenitische Stähle, Die Endadjustage erfolgt dagegen in spezialisier-
• Ferritisch-austenitische (Duplex) Stähle. ten Betrieben, in denen die notwendigen Wärme-

67
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Tafel 1: Kenn- behandlungen, Entzunderungs-, Beiz-, Richt- und
zeichnende Zuschneidarbeiten durchgeführt werden können.
Werte der che- Wichtig für die Eigenschaften der nicht-
mischen Zusam- rostenden Stählen ist die korrekte Endwärme-
mensetzung und behandlung. Bei ferritischen Stahlsorten erfolgt
der mechani- üblicherweise ein Normalglühen bei Tempera-
schen Eigen- turen zwischen 700° C und 800° C. Martensite
schaften einiger und Weichmartensite werden zunächst bei Tem-
nichtrostender peraturen zwischen 900 °C und 1050 °C gehärtet
Stähle und dann zwischen 450 °C und 650 °C ange-
lassen, um die gewünschte Kombination aus
Festigkeit, Härte und Zähigkeit einzustellen.
Austenite werden je nach Legierungszusam-
mensetzung bei Temperaturen zwischen 1000 °C
und 1200° C geglüht, um etwaige während des
Herstellungsprozesses ausgeschiedene Carbide
oder intermetallische Phasen aufzulösen. Um ein
Wiederausscheiden während des Abkühlens zu
vermeiden, erfolgt in den meisten Fällen ein Ab-
schrecken mit Wasser unmittelbar nach Verlassen
des Ofens. Duplex-Stähle werden bei Tempera-
turen zwischen 1050° C und 1150° C geglüht
und müssen mit Wasser abgeschreckt werden.
Nur in Ausnahmefällen ist bei sehr dünnen Wand-
dicken auch eine Luftabkühlung zulässig. Diese
Glühung dient der Auflösung von intermetalli-
68
schen Phasen, die während des bisherigen Her-
stellprozesses entstanden sein könnten, und der
Einstellung des Phasengleichgewichtes zwischen
Ferrit und Austenit.
4 Anwendungen
Grobbleche aus nichtrostenden Stählen
werden eingesetzt in Bauwesen und Architektur,
im Fahrzeugbau, Maschinenbau, Apparate- und
Behälterbau für die verschiedenen Prozeßindu-
strien, in der Umwelttechnik, in Anlagen zur
Entsalzung von Meerwasser, im Schiffbau, als
Vormaterial für die Fertigung von Rohren und
Rohrleitungszubehör.
4.1 Umwelttechnik, Rauchgasentschwefelung
In den 80er Jahren wurde in Deutschland
die Entschwefelung von Rauchgasen aus fossil
gefeuerten Kraftwerken gesetzlich geregelt.
Ähnliche Regelungen wurden auch in den mei-
sten europäischen Ländern, den USA und einigen
Ländern in Asien erlassen. Zum Erreichen der

maximal zulässigen SO2-Gehalte wurden und
werden den Kraftwerken Rauchgasreinigungs-
anlagen nachgeschaltet, in den meisten Fällen
Gegenstromwäscher, in denen durch Umsatz
der Schwefeloxide aus dem Rauchgas mit Kalk-
milch Gips entsteht. Diese Anlagen sind riesige
Wäschertürme (Bild 1) mit einer Höhe bis zu 40 m
und einem Durchmesser bis zu 30 m. Die in dem
Verfahren auftretenden Bedingungen sind äußerst
korrosiv. Es liegen schweflige Säure, Schwefel-
säure und hohe Chloridgehalte vor, ferner hohe
Gehalte an Feststoffen, die einerseits abrasiv
wirken, andererseits an den Wandungen anbacken
können. Als Konstruktionswerkstoffe kommen
entweder unlegierte Stähle mit Korrosionsschutz-
schichten aus Gummi oder verstärkten Epoxid-
oder Vinylester-Systemen in Frage oder in der
jüngeren Zeit verstärkt ganzmetallische Lösungen.
Hierbei werden zum Erreichen der geforderten
und notwendigen Korrosionsbeständigkeit abge-
stufte Konzepte angewendet, bei denen sich die
Auswahl des jeweiligen Werkstoffes nach der
Korrosivität der jeweiligen Zone richtet. In diesen
abgestuften Konzepten werden nichtrostende
Stähle mittleren und hohen Legierungsgehaltes
und Nickellegierungen, meist in Form von plat-
tierten Blechen, spezifiziert. Aufgrund der Abmes-
sungen der Anlagen werden Grobbleche maxi-
maler Abmessungen auch zur Minimierung des
notwendigen Fertigungsaufwandes auf der Bau-
stelle eingesetzt.
Bild 1: Wäscherturm einer Rauchgasentschwefelungs-
anlage (Werksfoto: Thyssen Krupp, Duisburg)
Grobbleche aus nichtrostenden Stählen
4.2 Chemikalientanker
Der Transport von Massenchemikalien stellt
extreme Anforderungen an die Auswahl der Werk-
stoffe für die Transporttanks. Gefordert werden
neben einer möglichst universellen Korrosions-
beständigkeit gegen eine Vielzahl von chemischen
Substanzen, die zur Aufrechterhaltung einer hin-
reichenden Viskosität häufig auch bei erhöhter
Temperatur befördert werden, Beständigkeit
gegen das zur (Vor-)Reinigung und als Ballast
eingesetzte Seewasser und niedrige Anbackungs-
tendenzen, um eine leichte Reinigung der Tanks
sicherzustellen. Der austenitische nichtrostende
Edelstahl 1.4429 und der Duplex-Stahl 1.4462
[6] spielen gegenwärtig eine dominierende Rolle,
nachdem Betriebserfahrungen über mehr als
30 Jahre für die austenitische Stahlsorte vorlie-
gen. Der Duplex-Stahl erlangt in der jüngeren Zeit
eine immer stärkere Bedeutung wegen der brei-
teren Korrosionsbeständigkeit und der höheren
Festigkeit. Bei nur unwesentlich höheren Kosten
gegenüber dem Austenit bietet der Duplex-
Stahl entweder reduzierte Wanddicke und
damit reduziertes Gesamtgewicht des Schiffes
oder eine zusätzliche Sicherheitsreserve.
Die verbauten Mengen reichen von rund
100 t für kleinere Binnentankschiffe bis zu 3.000 t
für ein Schiff der größten heutzutage gebauten
„42.000 DWT“-Klasse (Dead Weight Tons). Pro-
jekte dieser Art gehören damit zu den größten Bild 2: Abkanten
Projekten, bei denen Bleche aus nichtrostenden von Grobblechen
Stählen benötigt werden. Da die Schiffe in ein- aus X2CrNiMoN22-
zelnen Sektionen (Bilder 2 und 3) gefertigt wer- 5-3 (Nirosta 4462)
den, ist „just-in-time“-Lieferung der zum jewei- zur Herstellung
ligen Zeitpunkt auf der Werft benötigten Bleche von Knickschotten
unbedingt erforderlich. Als zusätzlicher Service für Chemikalien-
kann die Lieferung auch in bereits vorgearbeite- tanker (Werksfoto:
ter Form erfolgen, als sogenannte Knickschotte, Lademetall AS,
an denen auch bereits die notwendigen Schweiß- Trondheim/Nor-
nahtvorbereitungen durchgeführt wurden. wegen)
69
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

4.3 Öl- und Gasförderung, Offshore-Industrie Rohrleitungsfittings werden entweder aus –

Die stark korrosiven Medien, die bei der
Förderung von Erdöl und Erdgas anfallen, erfor-
dern die Auswahl entsprechend beständiger Werk-
stoffe oder anderer Schutzmaßnahmen. Grob-
bleche aus nichtrostenden Stählen werden als
Vormaterial für die Fertigung von Anlagen zur
Förderung und Verarbeitung von Öl und Gas
sowie für Rohrleitungen eingesetzt. Da auf Off-
shore-Plattformen immer die Forderung nach
möglichst niedrigem Gesamtgewicht besteht,
werden bevorzugt Werkstoffe mit hoher Festig-
keit und damit hohen Berechnungskennwerten
spezifiziert. Dies sind insbesondere ferritisch-
austenitische Duplex- und Superduplex-Stähle
und hochfeste, stickstofflegierte austenitische
Stähle. Für Rohrleitungen werden in jüngerer
Zeit „Super 13 % Chrom-Stähle“ in Erwägung ge-
zogen, die extrem hohe Festigkeit, allerdings nur
eingeschränkte Korrosionsbeständigkeit bieten.
meist geschweißten – Rohren als Vormaterial
warm oder kalt geformt oder aus Zuschnitten
geschweißt. Die Endwärmebehandlung findet
dann losweise statt.
5 Schrifttum
[1] Eurofer Report July 1999
[2] Nichtrostende Stähle.
Edelstahl-Vereinigung e.V. mit Verein Deutscher
Eisenhüttenleute (VDEh) (Hrsg.),
Verlag Stahleisen, Düsseldorf 1989
[3] Charles, J.:
Super Duplex Steel: Structure and Properties.
Proc. Conf. Duplex Stainless Steels ‘91,
28.–30.10.1991, Beaune (France); (J. Charles,
S. Bernhardsson, edts.) Vol. 1, S. 3 – 48,
Les éditions de physique, Paris, 1991

4.4 Rohre und Rohrzubehör
Die Hersteller von geschweißten Rohren
(Bild 4) und Rohrleitungsfittings gehören zu
den größten Verbrauchern von Grobblechen aus
nichtrostenden Stählen. Die fertigen Rohre wer-
den dann wiederum in allen Märkten als Vor-
material für die Fertigung von Apparaten und Be-
hältern oder direkt für Rohrleitungen eingesetzt.
Die Grobbleche werden in der Regel auf
Biegepressen zu Rohren eingeformt. Gegebenen-
falls wird eine Schweißkantenvorbereitung an-
gebracht. Mittels verschiedener Schweißverfahren
Bild 3 (links): mit oder ohne Schweißzusatz werden die Längs-
Blick in den im nähte geschlossen. Mitunter werden die Rohre
Bau befindlichen nachgearbeitet, endwärmebehandelt – meist im
Backbord-Bug- Durchlaufofen –, kalibriert und gebeizt.
tank eines Che-
mikalientankers,
Tanks aus X2Cr-
NiMoN22-5-3
(Nirosta 4462)
(Werksfoto:
ThyssenKrupp,
Duisburg)
[4] Gümpel, P.; Ladwein, T.; Michel, E.;
Strom, F. H.:
Entwicklungen bei austenitischen Stählen mit
erhöhten Festigkeitseigenschaften für den che-
mischen Apparatebau. Thyssen Edelstahl Techn.
Ber. 14 (1) (1988), S. 12 – 25.
[5] Dufrane, J.-J.:
Metallurgical basis for the development of
weldable martensitic stainless steels.
Proc. Conf. Supermartensitic Stainless Steels,
Brüssel (Belgien), 27. – 28.05.1999, S. 19 – 24;
The Belgian Welding Institute, Brüssel 1999
[6] Firmenprospekt „Stainless Steels for
Chemical Carriers“ der Firma Krupp Thyssen
Nirosta GmbH

Bild 4 (rechts):
Rohrleitungs-
systeme aus
längsnaht-
geschweißten
Rohren (Werks-
foto: Thyssen
Krupp, Duisburg)

70
 Walzplattierte und massive Bleche für die Umwelttechnik
Walzplattierte und massive Bleche für die Umwelttechnik –
Werkstoffwahl, Verarbeitung, Praxiserfahrungen
Dipl.-Ing. V. Wahl, Altena
1 Einführung
Beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle
entstehen Oxide des Schwefels sowie Fluß- und
Salzsäure, die durch eine chemische Wäsche aus
den Rauchgasen entfernt werden müssen. Das
zur Reduzierung von Schwefeldioxid-Emissionen
aus Kraftwerken und Müllverbrennungsanlagen
(MVA) am häufigsten angewandte Verfahren ist
die Naßwäsche durch Kalksteinsuspension.
Das verunreinigte Rohgas wird in einem
Elektrofilter von Staub befreit, dann wird es,
nach einer eventuell noch zwischengeschalteten
Wärmeauskoppelung im Vorwäscher (Quencher),
mit der Waschsuspension, die eine Temperatur
von rund 60 °C hat, besprüht (Bild 1). Dabei
kühlt das Rohgas ab und sättigt sich mit Wasser-
dampf. Im Absorber reagieren Schwefeldioxid
und Waschsuspension zu Kalziumsulfit, das an-
schließend mit eingebrachter Luft zu Kalzium-
sulfat (Gips) oxidiert wird. Diese Reaktionen
laufen in schwach saurem Medium ab, d.h. bei
pH-Werten zwischen 4,5 und 5. Bei den heute
häufig verwendeten Einkreiswäschern ist der
Quenchvorgang in den unteren Teil des Absorbers
integriert.
Nach den Erfahrungen der chemischen Pro-
zeßindustrie könnten unter solchen Bedingungen
herkömmliche, nichtrostende Stähle zur Anwen-
dung kommen, unlegierter Stahl müßte aber in
jedem Fall durch Oberflächenbeschichtung ge-
schützt werden.
Die Praxis zeigt jedoch, daß sich die Bedin-
gungen durch eingeschleppte Chloride erheb-
lich verschärfen. Sie stammen aus den fossilen
Brennstoffen und konzentrieren sich in der
Waschsuspension auf. Es können Chloridkon-
zentrationen bis 5 %, in Extremfällen bis 10 %
(100.000 mg/l Cl - ) auftreten. Nichtrostende
Stähle üblicher Kategorie fallen daher durch
die Lokalkorrosionsarten Loch-, Spalt- und Span-
nungsrißkorrosion, aber auch durch Flächen-
korrosion schon nach kurzer Betriebsdauer
aus.
Große Probleme bereiten auch massive
Anbackungen, unter denen sich eine sehr korro-
sive, an Chloriden angereicherte Prozeßlösung
bildet, die an unzureichend beständigen Stählen
zu Spaltkorrosion führt. Oft tritt zusätzlich Tau-
punktkorrosion auf. Diese ist auf das neben dem
überwiegend gebildeten Schwefeldioxid in Spu-
ren auftretende Schwefeltrioxid zurückzuführen.
Bild 1: Einsatz-
bereiche der
verschiedenen
Legierungen in
einer typischen
Rauchgasent-
schwefelungs-
anlage mit
Einkreiswäscher
71
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

SO3 reagiert mit Wasserdampf zu gasförmiger
Schwefelsäure, die bei Taupunktunterschreitun-
gen im Temperaturbereich zwischen 100 °C und
150 °C zu hohen Schwefelsäurekonzentrationen
im Kondensat führt.
2 Hochlegierte Edelstähle und Nickel-
legierungen sowie deren Einsatz in
Rauchgasentschwefelungsanlagen
In den 80er Jahren wurden Rauchgasent-
schwefelungsanlagen (REA) vornehmlich in
unlegiertem Stahl gebaut, beschichtet mit orga-
nischen Anstrichen auf Vinylesterbasis oder mit
Glasflocken, Weich- und Hartgummi sowie aus
glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK). Auf-
grund der Nachteile dieser Werkstoffe (u. a.
Alterung und Versprödung, Gasdurchlässigkeit
und Blasenbildung, Quellanfälligkeit und Porig-
keit, geringe mechanische Festigkeit, einge-
schränkte Temperaturbeständigkeit, teilweise
Brennbarkeit, ...) war es Ende der 80er Jahre
vermehrt zu Schäden an solchen Anlagen ge-
kommen. Demgegenüber bieten die hochlegier-
ten metallischen Werkstoffe sehr viele Vorteile.
Sie zeigen die o. g. Nachteile nicht, sind korro-
sionsbeständig auch bei hohen Temperaturen,
gut verarbeitbar durch Schweißen, leicht repa-
rierbar, nicht brennbar und 100 % recyclebar.
Entscheidend ist auch die Unempfindlichkeit
gegen kurzzeitige starke Überschreitungen der
Betriebstemperatur im Falle einer Betriebsstörung
oder bei Schwankungen der Betriebsparameter
während der Anfahrphase einer Neuanlage.
Bei korrekter Werkstoffauswahl ergibt sich
oft schon wegen der höheren Anlagenverfüg-
barkeit und längeren Anlagenlebensdauer eine
wesentlich bessere Gesamtwirtschaftlichkeit
ganzmetallischer Anlagen. Wegen der relativ
hohen Kosten beim Einsatz von hochlegierten
Stählen oder Nickellegierungen werden diese
häufig nicht als Massivbleche, sondern in Form
von 1 mm bis 3 mm dicken Auflagen auf einem
unlegierten Stahl eingesetzt. Die Gesamtrentabi-
lität einer Neuanlage oder Anlageninstandsetzung
läßt sich also durch Absenkung der Erstinvesti-
tionskosten steigern. Dies wird erreicht durch
den Einsatz großformatiger Bleche, durch Aus-
kleidungen (Wallpapering), durch Einsatz der
hochlegierten Werkstoffe als dünne Plattierun-
gen auf dem unlegierten Stahl als Konstruktions-
werkstoff, durch neuartige Klebeverbunde und
nicht zuletzt durch moderne Hochleistungsver-
fahren in der Schweißtechnik [1].
KRUPP VDM begann frühzeitig mit der
Qualifizierung der hochlegierten Stähle und
Nickellegierungen für den Bau von Rauchgas-
entschwefelungsanlagen. Umfassende Labor-
tests, praxisnahe Versuche, Probenauslagerun-
gen, Pilotbestückungen und jahrelange Erfahrun-
gen durch zahlreiche Referenzfälle in REA- und
MVA-Großanlagen lieferten eine Fülle von Daten,
die heute durch individuelle und projektbezo-
gene Auswahl der richtigen Legierung ein ver-
läßliches Werkstoffkonzept für die ganzmetalli-
sche Bauweise ermöglicht.
Je nach Einsatzort und Medienbedingungen
haben sich in den letzten 15 Jahren die in der
Tafel 1 aufgeführten Werkstoffe als technologisch
und wirtschaftlich optimale Lösung bewährt [2].

Name Alloy Werkstoff- Chemische Zusammensetzung

Nr. Massenanteile in %
UNS Ni Cr Mo Fe Sonstige

X1NiCrMoCuN25-20-7 926 1.4529 25 21 6,5 45 0,2 N

Cronifer 1925 hMo N08926 0,9 Cu

X1NiCrMoCu32-28-7 31 1.4562 31 27 6,5 31 0,2 N

Nicrofer 3127 hMo N08031 1,2 Cu

NiCr22Mo9Nb 625 2.4856 62 22 9 3 3,4 Nb

Nicrofer 6020 hMo N06625

NiMo16Cr15W C-276 2.4819 57 16 16 6 3,5 W

Tafel 1: Metalli- Nicrofer 5716 hMoW N10276
sche Werkstoffe
für Rauchgas- NiCr23Mo16Al 59 2.4605 59 23 16
entschwefelungs- Nicrofer 5923 hMo N06059
anlagen (REA)

72
 Walzplattierte und massive Bleche für die Umwelttechnik
Der Einfluß der Legierungselemente auf die
Beständigkeit eines metallischen Werkstoffes in
chloridhaltigen Mineralsäuren läßt sich in grober
Näherung durch die Wirksumme WSN beschreiben:
WSN = % Cr + 3,3 · % Mo + 30 · % N.
Die Elemente Chrom, Molybdän und Stickstoff
erhöhen die Wirksumme und verbessern die
Lokalkorrosionsbeständigkeit in wäßrigen
Medien. Durch Versuche in Eisen(III)Chlorid-
Lösung, ab 80 °C in Grüner Tod-Lösung, zeigt
sich eine deutliche Abhängigkeit der kritischen
Loch- und Spaltkorrosionstemperaturen von der
Wirksumme. Wegen der in Rauchgasentschwefe-
lungsanlagen stets gegebenen hohen Feststoff-
anteile und der damit einhergehenden Gefahr
von Anbackungen ist die kritische Spaltkorro-
sionstemperatur in diesen Anlagen immer das
entscheidende Auslegungskriterium.
Wie umfangreiche Laborprüfungen gezeigt
haben, läßt sich die in REA im Vordergrund
stehende, durch Chloride hervorgerufene Lokal-
korrosion mittels angehobener Chrom- sowie
relativ hoher Molybdängehalte verhindern; die
Säurekorrosion wird durch hohe Nickelgehalte
reduziert.
Der mit rund 6,5 % Mo im Vergleich zu ein-
fachen austenitischen Stählen deutlich höher
legierte Sonderedelstahl X1NiCrMoCuN25-20-7
(Cronifer 1925 hMo, 1.4529) zeigt gemäß Bild 1
gegenüber Loch- und Spaltkorrosion eine wesent-
lich bessere Beständigkeit. Er wird in schwach
bis mittelstark beanspruchten Bereichen von REA-
Absorbern eingesetzt. Bei hohen Beanspruchun-
gen, vor allem bei hohen Chloridkonzentrationen,
Bild 2: Vergleich
der kritischen
Spaltkorrosions-
temperatur (KST)
und kritischen
Lochkorrosions-
temperatur (KLT)
ist der Sonderedelstahl X1NiCrMoCu32-28-7
(alloy 31, Nicrofer 3127 hMo, 1.4562) mit
seinem sehr hohen Chromgehalt bei gleichzeitig
hohem Molybdänanteil zu bevorzugen – einer-
seits wegen herausragender Loch- und Spaltkor-
rosionsbeständigkeit der hohen Wirksumme,
andererseits wegen sehr guter Beständigkeit in
verdünnten Schwefelsäurelösungen. Für Kom-
ponenten, die extremen Bedingungen ausgesetzt
sind, müssen jedoch hochlegierte Nickelwerk-
stoffe zum Einsatz kommen. Neben der altbe-
währten Nickellegierung NiMo16Cr15W (alloy
C-276, Nicrofer 5716 hMoW, 2.4819) hat sich in
den 90er Jahren mehr und mehr NiCr23Mo16Al
(alloy 59, Nicrofer 5923 hMo, 2.4605) durchge-
setzt – eine Neuentwicklung von KRUPP VDM,
die in oxidierenden und reduzierenden sauren
Chloridmedien auch bei hohen Temperaturen
hervorragend beständig ist, die eine außerge-
wöhnliche Gefügestabilität aufweist und des-
halb – anders als die Legierung NiMo16Cr15W
(alloy C-276) – sehr beständig gegen interkristal-
line Korrosion ist, so daß auch das Schweißen
dicker Bauteile keine Probleme bereitet (Bild 2).
2.1 Einsatz massiver Bleche
Massive Bleche aus hochlegierten Werk-
stoffen werden vor allem dort eingesetzt, wo
die Beanspruchung durch Temperatur, Medium
und sonstige Einflüsse für die anderen Lösungen
zu groß wird oder wo konstruktive Gegeben-
heiten die Verwendung als Auflagewerkstoff
73
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

unrentabel machen. Dies gilt in erster Linie für

den Rohgaseintrittsbereich von Braunkohlekraft-
werken und den Quenchbereich in Müllverbren-
nungswäschern. In diesen Bereichen sind die
Beanspruchungen durch das einströmende
heiße Rohgas einerseits und die chloridhaltige
Wäschersuspension andererseits so extrem,
daß nur höchstlegierte Nickelwerkstoffe wie
NiCr23Mo16Al (Nicrofer 5923 hMo) eingesetzt
werden können. Ist dann noch zusätzlich eine
hohe Verfügbarkeit bei langen Revisionsinterval-
len gefordert, werden bevorzugt massive Bleche
aus diesen Legierungen eingesetzt.
Als Schweißzusatz wird bei allen Anwen-
dungen im medienberührten Bereich von Rauch-
gasentschwefelungsanlagen SG-NiCr23Mo16
(Nicrofer S 5923, 2.4607) empfohlen, um eine
ausreichende, das heißt dem Grundwerkstoff ver-
gleichbare Korrosionsbeständigkeit der Schweiß-
nähte sicherzustellen.

2.2 Einsatz plattierter Werkstoffe

Bei der Größe der insbesondere für Braun-

kohlekraftwerke erforderlichen REA-Wäscher
kommt der Einsatz massiven Materials aus Kosten-
gründen nicht in Frage. Wegen ihrer besonders
hohen Korrosionsbeständigkeit können die Nik-
kellegierungen jedoch als dünne Bleche einge-
setzt werden. Die tragenden Elemente der Anlage
bestehen dann aus unlegiertem Stahl. Das Auf-
bringen der Nickellegierung kann entweder als
Hemdauskleidung (Wallpapering) oder durch
eine Spreng- oder Walzplattierung erfolgen [3].
Walzplattierte Bleche können bis 11.000 mm
x 3.000 mm Größe einbaufertig geliefert werden.
Durch diese großen Abmessungen werden Verar-
beitungskosten gespart, weil die Gesamtlänge der
Schweißnähte verringert wird [4].
Großformatige Warmwalzplattierungen mit
hochkorrosionsbeständigen Auflagewerkstoffen
werden zunehmend eingesetzt, wenn Rauchgas-
entschwefelungsanlagen neu gebaut oder ganze
Bereiche saniert werden. Der statisch tragende
Stahlbau und die schützende korrosionsbestän-
dige Auflage bilden hierbei eine unzertrennliche
Einheit. Die Auflagendicke sollte im Regelfall
2 mm nicht unterschreiten.
Für das Schweißen von walzplattiertem Blech
gelten sinngemäß die gleichen Regeln wie für
das Verbindungsschweißen am massiven Werk-
stoff. Aus wirtschaftlicher Sicht ist für die Praxis
das WIG-Heißdraht-Schweißverfahren interessant.
Die Schweißnahtvorbereitung sollte, wenn
möglich, auf mechanischem Weg vorgenommen
werden. Ist dies nicht möglich, kann dies auch mit
Q Nahtvorbereitung
W Schweißen der Wurzelnaht von der Plattier-
seite mittels WIG-Verfahren
E Schweißen des Grundwerkstoffes
(unlegierter Stahl)
R Schweißen von einer Sperrlage und zwei Decklagen
Bild 3: Nahtvorbereitung und Lagenfolge beim beidseitigen
Schweißen plattierter Bleche mit versetzter X-Naht
Hilfe des Plasmaschneidens erfolgen, wobei dann
eine Bearbeitung der Nahtflanken (Schnittflächen)
zwecks Entfernung der unvermeidlichen Oxide
zwingend erforderlich wird. In Bild 3 ist bei-
spielhaft eine typische Nahtvorbereitung dar-
gestellt.
Die Wurzelschweißung kann mit Hilfe des
WIG-Verfahrens beidseitig gleichzeitig durchge-
führt werden. Durch diese Vorgehensweise wird
neben dem Erreichen einer optimalen Wurzel-
schweißung auch das häufig erforderliche Schlei-
fen – insbesondere im Wurzelbereich – völlig
unterbunden. Das auflageseitige Schweißen wird
dann mit Hilfe des WIG-Heißdraht-Verfahrens in
mindestens dreilagiger Ausführung, unabhängig

74
 Walzplattierte und massive Bleche für die Umwelttechnik
von der Position, durchgeführt. Das Hauptpro-
blem beim Schweißen plattierter Werkstoffe
besteht generell darin, die Aufmischung mit dem
Trägerwerkstoff (unlegiertem Stahl) zu mini-
mieren. Der zunächst ermittelte Fe-Gehalt in der
Decklage kann als Indikator für die Korrosions-
beständigkeit der Schweißverbindung angesehen
werden. Die durch eine Vielzahl von Korrosions-
untersuchungen ermittelte Grenze im Fe-Gehalt
liegt bei 3 %, anzustreben sind Ist-Werte von
< 2 % [2].
Gegebenenfalls können die Schweißnähte
besonders gefährdeter oder mechanisch zusätz-
lich beanspruchter Bereiche durch Abdeck-
streifen geschützt werden (Bild 4).
Walzplattierte Bleche aus unlegiertem Stahl
in Dicken von 9 mm bis 16 mm mit 2 mm bis
3 mm Auflagewerkstoff NiCr23Mo16Al (Nicrofer
5923 hMo) wurden z. B. in den vier Wäschern
des Kraftwerkes Boxberg III eingesetzt.
2.3 Einsatz dünner massiver Bleche
als Hemdauskleidung
Neben walzplattierten Blechen wird im
Anlagenbau bei Rauchgasreinigungsanlagen (vor-
zugsweise bei Sanierungen) auch die Hemdaus-
kleidung angewandt. Hierbei werden dünnwan-
dige Auskleidungen aus Blech oder Band in
Dicken von 1,6 mm bis 2,5 mm auf die korro-
sionsgefährdeten Bereiche und Flächen aufge-
bracht.
Für die Durchführung von Auskleidungen
stehen verschiedene erprobte Techniken zur
Verfügung (Bild 5). Das überlappte Schweißen
großformatiger Bleche wird verdrängt durch das
sogenannte Stegschweißen, da sich die Ränder
von 2 mm bis 2,5 mm dicken Blechen an großen
Bild 4: Abdeckstreifen einer Schweißnaht
im Wäschersumpf nach drei Jahren Betriebszeit
Tafeln nur schwer so abkanten lassen, daß kein
Hohlraum entsteht.
Bei der „Stegverarbeitung“ werden die
großen Tafeln nur über umlaufende Kehlnähte
und zusätzlich über 30 mm bis 40 mm große
Löcher in der Mitte der Tafel mit dem Grundwerk-
stoff verschweißt. Die Kehlnähte von benach-
barten Blechen werden mit Blechstreifen über-
deckt und mit Kehlnähten dicht geschweißt.
Über den Löchern werden Deckel dicht ge-
schweißt.
Damit befinden sich im mediumberührten
Teil nur Nähte zwischen Auflagewerkstoffen, die
weitgehend maschinell mit bestmöglichen Ver-
fahrensparametern geschweißt werden können.
Beim Bau großvolumiger Komponenten ist oft
der Einsatz mechanisierbarer Schweißverfahren
erforderlich.
Umfangreiche Versuche und Untersuchungen
sowie die Praxis belegen, daß der Einsatz des
WIG-Heißdraht (WIG-HD)-Verfahrens den Anfor-
derungen in Rauchgasreinigungsanlagen von
Kraftwerken gerecht wird.
Sind im Normalfall beim WIG-Schweißen mit
Kaltdrahtzusatz Schweißgeschwindigkeiten von
rund 20 cm/min zu erreichen, so liegen diese beim
WIG-HD-Verfahren bei rund 80 cm/min. Das WIG-
HD-Verfahren ist zudem in allen anfallenden
Positionen problemlos einsetzbar.
Bild 5: Ver-
schiedene Aus-
führungsformen
der Hemdaus-
kleidung
75
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Durch diese Prozeßtechnik wird das
Schweißergebnis positiv beeinflußt. Im Vergleich
zu anderen Verfahren und Techniken gibt es
weniger Verzug, eine schmale Wärmeeinfluß-
zone (WEZ) und letztlich durch niedrigere Strek-
kenenergie eine äußerst günstige Beeinflussung
des Korrosionsverhaltens.
Beim Einsatz von mechanisierten Schweiß-
verfahren ist den sogenannten vorbereitenden
Arbeiten große Aufmerksamkeit zu schenken.
Im einzelnen bedeutet dies, möglichst spaltfreies
Anpassen der einzelnen Blechtafeln untereinan-
der sowie sorgfältiges Heften in kurzen Abstän-
den. Dabei ist auf anlauffarbenfreie überschweiß-
bare Heftstellen zu achten.
Hemdauskleidungen werden bei der Sanie-
rung vormals beschichteter Anlagen bevorzugt,
vorausgesetzt, die Konstruktion aus unlegiertem
Stahl ist nicht zu stark durch Korrosion geschä-
Bild 6: Mit digt. Die üblichen Blechdicken von 1,6 mm bis
NiCr23Mo16Al 2 mm können in allen Werkstoffvarianten und
(Nicrofer 5923 Größen bis zu 8.000 mm x 2.500 mm geliefert
hMo) Hemdaus- werden. Beispiele für den Einsatz massiver Bleche
kleidung sanier- als Hemdauskleidung finden sich z. B. in den mit
ter Wäscher NiCr23Mo16Al (Nicrofer 5923 hMo) sanierten
eines Müllheiz- Wäschern des Müllheizkraftwerkes Essen-Karnap
kraftwerkes (Bild 6).
76
3 Fazit
Um den technischen Anforderungen der
hochkorrosiven REA-Medien bei hoher Betriebs-
sicherheit, langen Standzeiten und hoher Verfüg-
barkeit einerseits und dem steigenden wirtschaft-
lichen Druck andererseits gerecht zu werden,
bieten metallische Werkstoffe in fast allen Berei-
chen der REA gesamtwirtschaftlich attraktive
Lösungen.
In Bereichen extremer Beanspruchungen
oder bei besonders hohen Anforderungen an die
Verfügbarkeit bieten massive Bleche die beste
Performance.
Bei Neubau von großflächigen Anlagenteilen
können die Kosten durch den Einsatz walzplat-
tierter Grobbleche mit Auflagedicken von 1,8 mm
bis 3 mm soweit optimiert werden, daß die Wirt-
schaftlichkeit gegenüber beschichteten oder aus
GFK hergestellten Komponenten ohne Einbußen
an die technischen Voraussetzungen gegeben ist.
Zur Sanierung bestehender Anlagenteile oder,
wenn der Stahlbau separat ausgeführt werden
soll, bietet die Hemdauskleidung die wirtschaft-
lich und technisch interessanteste Alternative.
Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz
metallischer Werkstoffkonzepte in diesen Anlagen
ist in jedem Fall eine individuelle, projektbezo-
gene Auswahl der richtigen Legierungssysteme
und eine fachgerechte Verarbeitung.
4 Schrifttum
[1] Heubner, U. u. a.:
Nickelwerkstoffe und hochlegierte
Sonderedelstähle.
Kontakt & Studium, Band 153, 2. neu-
bearbeitete und erweiterte Ausgabe 1993
[2] Wahl, V.; Herda, W.; Rockel, M.:
Erfahrungen mit hochlegierten Nickel-
legierungen und Edelstählen in Rauchgas-
reinigungsanlagen.
Focus Rostfrei 14/99 und 15/99
[3] Lettner, J.:
Musterbeispiel nachfrageorientierter
Werkstofforschung.
Technische Rundschau 1993, Heft 9, S. 42 – 46
[4] Hoffmann, T.; Rockel, M.; Herda, W.:
Schweißtechnische Verarbeitung der neuen
hochkorrosionsbeständigen Nickelbasislegierun-
gen Nicrofer 5923 hMo - / Alloy 59 (Werkstoff-
Nr. 2.4605).
Sonderdruck aus DVS-Berichte, Band 155
 Plattiertes Grobblech – ein kostengünstiger Hochleistungswerkstoff
Plattiertes Grobblech –
ein kostengünstiger Hochleistungswerkstoff
Dipl.-Ing. R. Wödlinger und Dipl.-Ing. Dr. techn. J. Lettner, Linz, Österreich
1 Einleitung
Die Anforderungen an die verschiedenen
Werkstoffe nehmen ständig zu. Vielfach ist es so,
daß homogene Werkstoffe alle gestellten Anfor-
derungen nicht mehr gänzlich erfüllen können.
Dies führt zur Verwendung von Verbundwerk-
stoffen, bei denen die Vorteile von mindestens
zwei Werkstoffen genützt werden können. Wir
treffen im Alltag auf viele Anwendungsbeispiele.
Es sind jedem die Kartonverpackungen für Ge-
tränke oder glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK)
bekannt. Oberflächenveredelte Werkstoffe wie
verzinkte Bleche zählen ebenso dazu wie ein
komplex aufgebauter Autoreifen. Weniger be-
kannt sind plattierte Grobbleche, die aus den
Anlagen der chemischen und petrochemischen
Industrie, der Lebensmittelindustrie, der Kraft-
werke und aus den Abgas- und Abwasserreini-
gungsanlagen sowie dem Chemikalientanker-
bau nicht mehr wegzudenken sind. Ferner sind
Verbundbleche von großer Bedeutung in ver-
schleißbeanspruchten Maschinen und Anlagen.
2 Was sind plattierte Bleche?
Plattierte Bleche kommen immer dort zum
Einsatz, wo ein Werkstoff einer hohen mechani-
schen Beanspruchung in korrosivem oder abra-
sivem Milieu ausgesetzt ist. Plattierte Bleche sind
daher aus zwei Schichten aufgebaut, wobei eine
korrosionsbeständig oder verschleißmindernd
ist und die zweite die mechanische Stabilität
sicherstellt. Die Dicke des korrosionsbeanspruch-
ten Teils liegt meistens zwischen 2 mm und 5 mm.
Ist der Auflagewerkstoff hingegen verschleiß-
hemmend, so kann diese Schicht bis 75% der
Blechdicke betragen. Die Dicke des festigkeits-
tragenden Stahls hängt von der Beanspruchung im
Betrieb ab und liegt zwischen 4 mm und 150 mm.
3 Vorteile plattierter Bleche
Die hohen Anforderungen an die Korrosions-
beständigkeit machen oftmals sehr teure Werk-
stoffe notwendig. Wird ein Apparat aus einem
korrosionsbeständigen und damit teuren Voll-
werkstoff gefertigt, führt dies zu sehr hohen
Kosten. Verwendet man hingegen ein plattiertes
Blech, kommt es zu einer erheblichen Einsparung
bei den Werkstoffkosten. Neben diesen wirtschaft-
lichen Gründen kann es auch technische Gründe
für eine Ausführung mit plattierten Blechen geben.
Beispielsweise werden nichtrostende 13 %ige
Chromstähle in plattierten Blechen für die Erdöl-
destillationen sowie bei Kokstrommeln einge-
setzt, da diese Stähle wegen der unzureichenden
Schweißbarkeit als Vollmaterial nur bedingt
eingesetzt werden dürfen.
Die vielfältigen Vorteile dieser Werkstoff-
gruppe zeigt die folgende Aufstellung:
• Die mechanischen Eigenschaften des Grund-
werkstoffes werden mit der Korrosions-
beständigkeit des Auflagewerkstoffes
optimal kombiniert.
• Daraus ergeben sich geringere Wanddicken
und damit eine bedeutende Gewichtsersparnis.
• Das Schweißvolumen ist geringer, weil größere
Formate als bei Vollblechen lieferbar sind.
• Die Kosten für die Schweißzusätze werden
geringer, da die Grundwerkstoffseite nicht
hochlegiert geschweißt wird.
• Die Anwendung bewährter Schweißverfahren
ist möglich.
• Die Wärmeleitung des ferritischen Grundwerk-
stoffes ist gegenüber Vollausteniten besser.
• Der Auflagewerkstoff kann bei verschleißbe-
ständigen Verbundblechen wegen der Zähig-
keit des Grundwerkstoffes auf maximale Härte
eingestellt werden.
Vorteile gegenüber anderen Substitutions-
werkstoffen wie beispielsweise Kunststoffen
oder Gummierungen sind:
• Mind. zwei- bis dreifach längere Lebensdauer.
• Wesentlich geringerer Wartungsaufwand.
• Einfachere Reparaturmöglichkeit, das heißt
kürzere Betriebsstillstände.
• Wiederverwertbar, also umweltfreundlich.
• Keine Entsorgungskosten, da als Schrott
verkäuflich.
• Langjährige Erfahrung.
Neben den oben angeführten technischen
Vorteilen ist ein Preisvorteil allein schon auf
Grund der Einsparung der oft sehr teuren korro-
sionsbeständigen Werkstoffe bei geringen Blech-
dicken gegeben. Bei Nickel und Nickellegierungen
ist die plattierte Ausführung immer günstiger als
der Vollwerkstoff.
77
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
4 Herstellung plattierter Bleche
Der dominierende Anteil der jährlich welt-
weit rund 80.000 t erzeugten plattierten Bleche
wird durch Warmwalzen hergestellt. Nur bei
einem geringen Teil kommen andere Verfahren
wie Schweiß- und Sprengplattieren in Frage.
Letzteres wird nur bei kleinen Blechabmessungen,
großen Blechdicken und exotischen Werkstoffen
eingesetzt.
Beim Warmwalzplattieren wird ein Träger-
werkstoff, auch Grundwerkstoff genannt, mit
einem Auflagewerkstoff durch Walzen untrennbar
verschweißt. Die beiden Werkstoffe werden vor
dem Walzen zu einem Paket zusammengebaut.
Die Größe und die Dicke des Paketes wird aus
der Größe des benötigen Bleches berechnet. Es
hat meistens einen symmetrischen Aufbau, bei
dem die Auflagewerkstoffe innen und die Grund-
werkstoffe außen liegen. Zwischen den beiden
Auflagewerkstoffen befindet sich ein Trennmittel,
das ein Verschweißen während des Walzens ver-
hindert. Das auf diese Weise gebaute Paket wird
gasdicht verschweißt und anschließend evakuiert.
Die Vakuumbauweise verhindert die Bildung von
Oxiden in der Bindezone und garantiert damit
eine optimale Haftung der beiden Schichten. Die
evakuierten Pakete werden in entsprechenden
Öfen auf die für die Werkstoffe optimale Tempe-
ratur gebracht und gewalzt. Das Walzen und die
nachfolgende Wärmebehandlung richten sich
nach den Erfordernissen der Werkstoffkombina-
Bild 1: Schema-
tische Darstel-
lung des Ablaufs
der Herstellung
von plattierten
Blechen
78
tion. Anschließend wird das Paket aufgeschnitten
und den spezifizierten Prüfungen unterzogen.
Das Richten des Bleches, Schleifen des Auflage-
werkstoffes und die Endkontrolle stellen die
letzten Arbeitsschritte vor der Verpackung dar.
Bild 1 zeigt den Ablauf schematisch.
5 Werkstoffe
Je nach Verwendungszweck werden als
Grundwerkstoffe herkömmliche Baustähle, Fein-
kornbaustähle, Druckbehälterstähle, Schiffbau-
stähle und Stähle für den Rohrleitungsbau ein-
gesetzt. Wegen der anspruchsvollen Einsatz-
zwecke müssen diese Stähle oft mit zusätzlichen
Qualitätsanforderungen wie extreme Tieftem-
peraturzähigkeit oder Sauergasanforderungen
geliefert werden.
Die Auflagewerkstoffe reichen von den
13 %-igen Chromstählen über die herkömmlichen
korrosionsbeständigen Austeniten bis zu den
hochlegierten wie beispielsweise den 1.4539
(X1NiCrMoCu25-20-5) oder den 1.4529 (X1NiCr
MoCuN25-20-7). Die Palette wird mit Nickel, den
Nickellegierungen sowie Kupfer und Kupfer-
nickellegierungen und Titan abgerundet. Unter
den Nichteisenlegierungen finden sich viele Auf-
lagewerkstoffe, von denen manche lange Zeit als
unplattierbar galten (Bild 2). Für verschleiß-
beanspruchte Bleche werden hochgekohlte,
gut härtbare Stähle eingesetzt.
 Plattiertes Grobblech – ein kostengünstiger Hochleistungswerkstoff

6 Verarbeitung
Die Verarbeitbarkeit eines Werkstoffes ist eine
unabdingbare Voraussetzung für die Verwendbar-
keit. Plattierte Bleche sind praktisch für alle her-
kömmlichen Verarbeitungsverfahren geeignet.
Es ist allerdings auch hier so, daß die metallurgi-
schen Voraussetzungen und Werkstoffeigen-
schaften beachtet werden müssen.

6.1 Mechanische Bearbeitung

Üblicherweise werden plattierte Bleche
mittels Plasmaschneidanlagen getrennt. Die
Plattierung sollte dabei nach oben gerichtet sein.
Für dünnere Bleche ist auch die Trennung mittels
einer Schere durchaus üblich. Bei Blechen mit
großen Unterschieden in der Härte von Grund-
und Auflagewerkstoff liefert jedoch ein Scheren-
schnitt keine gute Kante. Das Anarbeiten der
Kanten für ein nachfolgendes Schweißen kann
durch Fräsen oder Hobeln erfolgen. Zuerst wird die Grundwerkstoffseite ge- Bild 2: Vergleich
schweißt und anschließend die Auflagenseite. der chemischen
6.2 Umformen Wichtig beim Schweißen ist vor allem, daß im Zusammenset-
Plattierte Bleche können sowohl kalt als auch Schweißbad keine Zusammensetzung entsteht, zung von Werk-
warm umgeformt werden. Die Kaltumformung die während der Abkühlung eine spröde Phase stoffen für plat-
zu Mantelschüssen ist problemlos. Bei der Kalt- bildet und so zu Rissen führt. Es kann daher not- tierte Bleche
umformung – beispielsweise zu Böden (Bild 3) – wendig sein, daß am Übergang zwischen dem
kann bei höheren Umformgraden eine nachfol- Grund- und Auflagewerkstoff eine Pufferlage
gende Wärmebehandlung notwendig werden. geschweißt werden muß. Die chemische Zusam-
Dies ist in den entsprechenden Regelwerken und mensetzung der Pufferlage kann unter Einbezie-
Normen festgelegt. Bei der Warmumformung hung der Regeln für das Schwarz-Weiß-Schweißen
sind einige Punkte zu beachten. In den allermei- errechnet werden.
sten Fällen verlangen der Auflagewerkstoff und
der Grundwerkstoff eine andere Wärmebehand-
lung. Bei der Festlegung der Temperaturen ist
einerseits darauf zu achten, daß dabei die me-
chanisch-technologischen Kennwerte des Grund-
werkstoffes erhalten bleiben. Andererseits dürfen
bei der Wärmeführung im Auflagewerkstoff keine
spröden Phasen gebildet oder die Korrosionsei-
genschaften verschlechtert werden. Vor allem bei
dickeren Preßteilen, bei denen die Umformung
in mehreren Schritten erfolgt und eine lange
Glühdauer notwendig ist, ist dies von Bedeutung.

6.3 Schweißen
Bei der Ausführung von Schweißarbeiten an
plattierten Grobblechen muß sichergestellt sein,
daß die Korrosionsbeständigkeit des Auflagewerk-
stoffes und die mechanischen Eigenschaften der
Schweißverbindung auch nach dem Fügen spe-
zifikationsgerecht sind. In Bild 4 ist die prin-
zipielle Vorgehensweise beim Schweißen zu
sehen. Die Art der Schweißkante richtet sich
nach dem Schweißverfahren, der Zugänglich- Bild 3: Behälter-
keit der Schweißnaht, der Dicke des Auflage- boden, plattiert
werkstoffes und der Gesamtdicke des Bleches. mit CuNi10Fe1Mn

79
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 4: Aufbau
von Schweiß-
nähten an
plattierten
Blechen bei
Anwendung
verschiedener
Schweißver-
fahren
Die hervorragende Qualität der Bindung bei
plattierten Blechen läßt durchaus auch zu, daß
am Auflagewerkstoff Elemente für eine mechani-
sche Befestigung angebracht werden, ohne daß
dabei die Plattierung abgenommen werden muß.
7 Anwendungen
Plattierte Bleche finden in vielen Bereichen
der Technik Anwendung. Dementsprechend ist
die folgende Aufzählung auch nur beispielhaft.
Ein bedeutender Abnehmer ist die chemische
und pharmazeutische Industrie. Hier sind es vor
allem Druckbehälter, die mit plattierten Blechen
ausgerüstet werden. Als Auflagewerkstoffe kom-
men praktisch alle korrosionsbeständigen Werk-
stoffe, beginnend von den Chrom-Nickel-Stählen
bis zu den Nickellegierungen, Reinnickel und
Titan zum Einsatz.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die gesamte
Erdölindustrie. Im Upstream-Bereich sind es Sepa-
ratoren für die Trennung von Gas-Flüssigphasen
sowie Rohrleitungen. Im Downstream-Bereich
ist überwiegend der 13 %-ige Chromstahl als
rostbeständiger Werkstoff in Anwendung. Der
Bedarf auf diesem Gebiet ist enorm groß, denkt
man nur an die Rohöldestillationsanlagen, die
Catcracker und thermischen Cracker.
Aus den Kraftwerken sind plattierte Bleche
ebenfalls nicht mehr wegzudenken. Hier kommen
sie vor allem bei Wärmetauschersystemen und
80
in den Rauchgasentschwefelungsanlagen der
Kohlekraftwerke zum Einsatz. Wegen der bei
Rauchgasentschwefelungsanlagen herrschenden
Konditionen kommen oftmals nur Nickellegie-
rungen wie Alloy C-276 oder Alloy 59 zur
Anwendung.
Die Lebensmittelindustrie zählt ebenso zu
den großen Abnehmern von plattierten Grob-
blechen. Hier reichen die Anwendungen von
Komponenten für Großkücheneinrichtungen
bis zu Sudpfannen für die Bierherstellung.
Im Bereich der Transportwirtschaft sind es
die Chemikalientanker, bei denen große Mengen
von plattierten Blechen mit Chrom-Nickel- und
Chrom-Nickel-Molybdän-Stählen als Auflagewerk-
stoffe verbraucht werden.
Kupfer-Nickel-Legierungen kommen bei der
Aufarbeitung von Sole als Auflagewerkstoff zum
Einsatz. Die Meerwasserentsalzungsanlagen in
den südlichen Ländern sind Großabnehmer.
Plattierte Bleche mit verschleißbeständigen
Schichten haben ein äußerst weit gestreutes
Einsatzgebiet. So finden sie in der Landwirtschaft
bei Bodenbearbeitungsmaschinen wie Pflügen
einen großflächigen Einsatz. Als Rohre verar-
beitet, zeichnen sie sich mit einer sehr langen
Lebensdauer aus. Verschleißplatten, Gleitschie-
nen, Auskleidungen von Mühlen und Förderein-
richtungen sowie Teile in Zerkleinerungsma-
schinen zählen ebenso zu den Anwendungen
dieser Verbundbleche.
 Moderne verschleißfeste Sonderbaustähle – Herstellung, Verarbeitung und Anwendung
Moderne verschleißfeste Sonderbaustähle –
Herstellung, Verarbeitung und Anwendung
Dr. rer. nat. H.-J. Kaiser, Dr.-Ing. habil. A. Kern, Dr.-Ing. U. Schriever und Dipl.-Ing. H. Wegmann, Duisburg
1 Einleitung
In verschleißbeanspruchten Konstruktionen
finden Grobbleche aus normalisierten und
wasservergüteten oder gehärteten Sonderbau-
stählen (XAR) mit hohem Verschleißwider-
stand und Mindestwerten der Härten bis 600 HB
Anwendung. Sie werden zum Beispiel für Lkw-
Mulden, Transport- und Zerkleinerungsanlagen,
Schrottpressen oder Abbau- und Erdbewegungs-
maschinen eingesetzt.
Ziel bei der Entwicklung verschleißfester
Sonderbaustähle war in letzter Zeit vor allem
eine Verbesserung der Zähigkeitseigenschaften
und eine Optimierung des Verarbeitungsverhal-
tens beim Brennschneiden und Schweißen. Einen
Schwerpunkt stellte dabei die Optimierung der
chemischen Zusammensetzung dar, die zu einer
Absenkung des Legierungsaufwandes und des
Kohlenstoffäquivalentes führte. Gleichzeitig
wurde für allerhöchste Ansprüche an den Ver-
schleißwiderstand mit dem XAR 600 ein neuer
verschleißfester Sonderbaustahl bereitgestellt.
Gegenstand weiterer Arbeiten waren die Verein-
fachung der Wärmebehandlung und die Entwick-
lung eines Rechenprogramms zur Vorausberech-
nung der Durchhärtung und des Anlaßverhaltens
dieser Stahlgruppe.
Mit dem neuentwickelten XAR 300 existiert
ein normalisierend umgeformter Verschleißstahl
mit hoher Oberflächenqualität, der für Anwen-
dungsfälle mit niedriger oder mittlerer Verschleiß-
beanspruchung, für die bisher ausschließlich
allgemeine Baustähle vom Typ S355 eingesetzt
wurden, den Übergang zu Verschleißstählen
mit gutem Preis-/Leistungsverhältnis erheblich
erleichtert.
2 Herstellung
Die gegenwärtig übliche Stahlerzeugung er-
folgt unter Verwendung der Konvertermetallurgie.
Die Erschmelzung geschieht dabei nach einem
kombinierten Blasverfahren (Thyssen-Blasmetal-
lurgie TBM), gefolgt von einer pfannenmetallur-
gischen Nachbehandlung. Diese nachgeschaltete
Sekundärmetallurgie ermöglicht die Herstellung
von Stählen mit engen Toleranzen für Legierungs-
und Begleitelemente. Um möglichst isotrope
Eigenschaften der späteren Grobbleche sicher-
zustellen, lassen sich Maßnahmen ergreifen, die
den Gehalt an sulfidischen und oxidischen Ver-
unreinigungen begrenzen. Die vorteilhaften
Erstarrungsbedingungen der nachfolgend im
Strang vergossenen Brammen bewirken eine be-
sonders geringe Streubreite der chemischen Zu-
sammensetzung über den Querschnitt der späte-
ren Erzeugnisse [1].
Neben dem normalisierten XAR 300 erfül-
len insbesondere die wasservergüteten oder
-gehärteten XAR-Stahlsorten XAR 400 bis XAR
600 höchste Anforderungen an Festigkeit und
Zähigkeit gerade auch bei größeren Blech-
dicken. Das Vergüten erfolgt mit Hilfe leistungs-
fähiger Anlagen, beginnend mit dem Härten,
d. h. mit einem durchgreifenden Erwärmen auf
Temperaturen oberhalb Ac3 und nachfolgendem
schnellen Abkühlen mit Druckwasser, wodurch
eine Gefügeumwandlung in der Martensit- oder
Bainitstufe erreicht wird. Bei dickeren Blechen ist
die Verwendung verschiedener Legierungsele-
mente notwendig, um eine entsprechende Ge-
fügeausbildung und damit ausreichende Werk-
stoffeigenschaften auch im Blechkern sicherzu-
stellen. Für den Verschleißwiderstand ist vor
allen Dingen der Kohlenstoffgehalt eines Stahles
bedeutend, da er die sogenannte Ansprunghärte
(Härte nach dem Abschrecken) bei der Wärme-
behandlung maßgeblich beeinflußt (Bild 1). Bild 1: Einfluß
In Abhängigkeit von der Härtestufe besitzen des Kohlenstoff-
XAR-Stähle einen Kohlenstoffgehalt von bis zu gehaltes auf die
0,38 %. Ansprunghärte
81
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 2: Abkühl-
zeit-Temperatur-
Umwandlung-
Schaubild und
Einfluß der Direkt-
härtung mit
Druckwasser auf
das Umwand-
lungsgefüge

Man versucht heute vielfach, den Härtevor-
gang zu vereinfachen und den Werkstoff direkt
aus der Walzhitze abzuschrecken. Man bezeich-
net diese Vorgehensweise als Direkthärten. Bild 2
zeigt, wie sich das Umwandlungsverhalten eines
mit Chrom und Molybdän legierten Stahles beim
Abschrecken unmittelbar aus der Walzhitze ver-
ändert. Bei diesem Prozeß ergibt sich eine Ver-
besserung der Härtbarkeit, die sich zur weiteren
Absenkung der Legierungsgehalte im Sinne einer
Verbesserung der Schweißeignung nutzen läßt [2].
3 Eigenschaftsprofil verschleißfester
Sonderbaustähle
3.1 Stahlsorten in verschiedenen Härtestufen
Kennwerte verschiedener Stahlsorten mit
Härten bis 600 HB sind in Tafel 1 wiedergegeben.
Der normalisierte XAR 300 wird mit Chrom,
Molybdän und Nickel legiert. Er erreicht Härten
um 300 HB bei bis zu 50 mm Blechdicke. Eine
weitere Verbesserung des Verschleißwiderstandes
erreicht man durch Härten oder Wasservergüten.
Um Grobbleche mit einer Härte bis 600 HB bei
gleichzeitig guter Zähigkeit und einwandfreiem
Verarbeitungsverhalten bereitzustellen, werden
die XAR-Stähle mit Chrom, Molybdän, Nickel und
Vanadin legiert. Beim Härten entsteht hierdurch
ein feines bainitisch-martensitisches Gefüge mit
zahlreichen Carbidausscheidungen, welches opti-
male Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften bei
gleichzeitig hohem Verschleißwiderstand besitzt
[3]. Zur Sicherstellung der Durchhärtung großer
Blechdicken bis zu 100 mm können die Stähle da-
rüber hinaus Bor enthalten [4].
Verschleißfeste Sonderbaustähle werden
heute mit möglichst niedrigem Legierungsauf-
wand hergestellt, der ein Optimum zwischen
ausreichender Härtbarkeit und gutem Verarbei-
tungsverhalten darstellt. Die Weiterentwicklung
dieser Stähle wird dabei durch „computer modell-
ing“ unterstützt [5]. Mit Hilfe geeigneter Rechen-

Tafel 1: Ver-
schleißwider-
standsfähige
Sonderbaustähle

82
 Moderne verschleißfeste Sonderbaustähle – Herstellung, Verarbeitung und Anwendung

programme gelingt es beispielsweise, Härtean- – Tribochemische Reaktionen: Entstehung von

nahme und Durchhärtung sowie das resultierende
Anlaßverhalten in Abhängigkeit von der chemi-
schen Zusammensetzung vorherzuberechnen
[6]. Dabei ergibt sich eine gute Übereinstimmung
zwischen den berechneten und gemessenen
Härtewerten für verschiedene Stellen des Blech-
querschnittes.
3.2 Umformbarkeit
Erzeugnisse aus verschleißfesten Sonderbau-
stählen lassen sich unter Berücksichtigung ihrer
hohen Härte bis zum XAR 500 kaltumformen.
Dabei nimmt die Kaltumformbarkeit der Stähle
mit zunehmender Härte ab. Im Vergleich zu Stäh-
len mit niedrigerer Streckgrenze müssen beim
Kaltumformen hochfester Stähle zwei zusätzli-
che Größen berücksichtigt werden: der erhöhte
Kraftaufwand und die verstärkte Rückfederung.
Höhere Kräfte sind erforderlich wegen des höhe-
ren Formänderungswiderstandes. Die Rückfede-
rung ist stärker, da der Anteil der elastischen
Umformung an der Gesamtumformung größer
ist. Es wird vorausgesetzt, daß langsam und ste-
tig umgeformt wird, daß die Schnittkanten ent-
gratet und die Bleche gegebenenfalls zum Um-
formen angewärmt werden. Ein abschließendes
Spannungsarmglühen kommt für diese Stähle
nicht in Betracht [7].
Reaktionsschichten oder Reaktionsprodukten
durch die Wirkung von tribologischer Bean-
spruchung bei chemischer Reaktion von
Grundkörper, Gegenkörper und umgebendem
Medium.
Insbesondere wasservergütete oder -gehär-
tete Stähle leisten hohen Widerstand gegen Ab-
rasivverschleiß und Oberflächenzerrüttung. Die
verschleißfesten Stähle sind in unterschiedlichen
tribologischen Systemen systematisch untersucht
worden. Sie haben sich dabei unter den verschie-
denen Einsatzbedingungen bestens bewährt.
Bild 3a zeigt das Verschleißverhalten aus-
gewählter wasservergüteter XAR-Stähle im Ver-
gleich zum unlegierten Stahl S235. Diese Ergebnis-
se von im Labor durchgeführten Strahlversuchen
(Ermüdungsverschleiß) lassen erkennen, daß auf
höhere Härtestufen vergütete Stähle ein verbes-
sertes Verschleißverhalten zeigen. In Bild 3b
wird deutlich, daß chromlegierte Stähle, bei-
spielsweise 20MnCr4-3 (XAR 400), immer dann
besondere Vorteile bieten, wenn neben einer
abrasiven Verschleißbeanspruchung tribochemi-

3.3 Verschleißwiderstand
Für die Lebensdauer einer Konstruktion ist
das Verhalten bei einer Verschleißbeanspruchung
von ausschlaggebender Bedeutung [8]. Unter
Verschleiß wird in diesem Zusammenhang der
fortschreitende Materialverlust aus der Stahlober-
fläche verstanden, der durch den Kontakt und
die Relativbewegungen mit einem festen, flüssi-
gen oder auch gasförmigen Gegenkörper erfolgt.
Dabei kann der Verschleiß nicht als Werkstoff- Bild 3a: Strahlverschleiß in Abhängigkeit von der Härte
kenngröße aufgefaßt werden [9]. Er ist vielmehr
als Systemeigenschaft anzusehen, die durch das Bild 3b: Abrasivverschleiß unter Naßbedingungen
Zusammenwirken aller am Verschleiß beteiligten
Bauteile und Stoffe unter einem variablen Bean-
spruchungskollektiv zustandekommt. Die Haupt-
verschleißmechanismen sind nach [10]:
– Adhäsion: Ausbildung und Trennung von
Grenzflächen-Haftverbindungen (z. B. Kaltver-
schweißungen, Materialübertrag, „Fressen“).
– Abrasion: Materialabtrag durch ritzende Bean-
spruchung (Mikrospanen, Mikropflügen, Mikro-
brechen, „Kratzer“, „Riefen“, „Mulden“ usw.).
– Oberflächenzerrüttung: Ermüdung und Rißbil-
dung in Oberflächenbereichen durch tribolo-
gische Wechselbeanspruchungen, die zu Ma-
terialtrennungen führen (z. B. „Grübchen“,
„Risse“).

83
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 4: Schneid- sche Reaktionen auftreten. Derartige Beanspru-
geschwindigkeit chungsbedingungen liegen beispielsweise beim
beim thermischen Betrieb von Betonmischertrommeln vor. Entspre-
Trennen ferriti- chende Untersuchungen in einem abrasiv-korro-
scher Stähle siven tribologischen Modellsystem (Rührtopf mit
Rundquarzkies der Körnung 6 mm bis 8 mm als
Gegenmittel) zeigen in diesem Zusammenhang
deutliche Vorteile von Stählen, die chromlegiert
sind. Insbesondere bei schwachsauren Verschleiß-
systemen bieten Stähle mit Chromzusatz einen
merklich erhöhten Verschleißwiderstand.
4 Verarbeitung durch thermisches
Schneiden und Schweißen
Für den Gebrauchswert verschleißfester
Stähle ist ihr Verhalten bei der schweißtechni-
schen Verarbeitung von grundlegender Bedeu-
tung. Sie sind aufgrund ihrer chemischen Zusam-
Bild 5: Mindest-
werte der Vor-
wärmtemperatur
beim autogenen
Brennschneiden
verschleißfester
Stähle
84
mensetzung kaltrißempfindlich. So treten beim
thermischen Trennen und beim Schweißen gele-
gentlich Schwierigkeiten auf. Die in den letzten
Jahren getroffenen Maßnahmen, besonders die
Optimierung der chemischen Zusammensetzung,
haben zu einer wesentlichen Verbesserung bei
der schweißtechnischen Verarbeitung beigetra-
gen. Kaltrißuntersuchungen mittels Tekken- und
CTS-Test (controlled thermal severity test) mach-
ten deutlich, daß moderne verschleißfeste Stähle
ein erheblich günstigeres Kaltrißverhalten auf-
weisen als ihre Vorgänger. Weiterhin zeigte sich,
daß die bei Kaltrißuntersuchungen an hochfesten
Baustählen gewonnenen Erfahrungen, z. B. bei
der Ermittlung der Vorwärmtemperaturen, auch
für die hier betrachteten verschleißfesten Stähle
zutreffen.
4.1 Thermisches Schneiden
Das Aufteilen von Blechen und die Fugenflan-
kenvorbereitung zur Herstellung von Schweiß-
verbindungen erfolgen bei verschleißfesten
Stählen vorzugsweise durch thermisches Schnei-
den. Folgende Verfahren finden im allgemeinen
Anwendung:
– das autogene Brennschneiden,
– das Plasmaschneiden und
– das Laserstrahlschneiden.
Dabei werden für Blechdicken bis 20 mm
bevorzugt das Plasma- und Laserstrahlschneiden
eingesetzt. Der Vorteil gegenüber dem autoge-
nen Brennschneiden ist die höhere Schneidge-
schwindigkeit. Dadurch entsteht ein deutlich
geringerer Verzug sowie eine schmalere Wärme-
einflußzone an den Schnittkanten. Bild 4 macht
die Unterschiede zwischen den einzelnen Verfah-
ren im Hinblick auf die Schneidgeschwindigkeit
deutlich.
 Moderne verschleißfeste Sonderbaustähle – Herstellung, Verarbeitung und Anwendung
Das Plasma- oder Laserstrahlschneiden er-
folgt ohne ein Vorwärmen des Schneidbereiches.
Im Gegensatz dazu hat es sich beim autogenen
Brennschneiden bewährt, je nach Stahlsorte und
abhängig von der Blechdicke bestimmte Vorwärm-
temperaturen einzuhalten. Das führt zu einer
Reduzierung der Härte an der Brennschnittkante
sowie zu einer besseren Schnittqualität. Bild 5
gibt Auskunft über die beim Brennschneiden
verschleißfester Stähle empfohlenen Vorwärm-
temperaturen. Diese lassen sich neben den be-
kannten Vorwärmmaßnahmen ggf. auch durch
die Verwendung geeigneter Vorlaufbrenner ein-
stellen. Eine den Vorwärmtemperaturen äquiva-
lente Wirkung kann ggf. auch durch Nachlauf-
brenner erreicht werden. Vor der weiteren Ver-
arbeitung sollte der Schnittkantenbereich von
Verunreinigungen gesäubert werden. Bei Schnitt-
kanten, die nicht verschweißt werden, kann ein
Überschleifen der Schnittriefen und Kerben im
Hinblick auf die spätere Beanspruchung vorteil-
haft sein.
4.2 Schweißen
Die neu entwickelten verschleißfesten Stähle
lassen sich gut schweißen. Voraussetzung ist je-
doch eine werkstoffgerechte Verarbeitung, wenn
die geschweißten Bauteile ein Betriebsverhalten
aufweisen sollen, das den günstigen Eigenschaften
des Grundwerkstoffes entspricht. Wichtig ist da-
bei, daß die Schweißverbindungen rißfrei sind.
Bei verschleißfesten Stählen kommt dem Kaltriß-
verhalten aufgrund ihrer chemischen Zusammen-
setzung eine besondere Bedeutung zu. Ob ein
Stahl oder ein Schweißgut kaltrißempfindlich
ist, läßt sich anhand der chemischen Zusam-
mensetzung, gekennzeichnet durch das Kohlen-
stoffäquivalent, abschätzen. Das nachfolgende,
heute noch häufig angewendete Kohlenstoff-
äquivalent CE wurde aus Untersuchungen des
Welding Institute (GB) zur Härtbarkeit von
Stählen abgeleitet [11]:
CE (%) =
C + Mn/6 + (Cr+Mo+V)/5 + (Cu+Ni)/ 15 (1)
wobei die Gehalte aller Elemente als Massenan-
teile in Prozent einzusetzen sind.
Damit läßt sich das Kaltrißverhalten jedoch
nicht zuverlässig beschreiben. Als Ergebnis um-
fangreicher Kaltrißuntersuchungen [12, 13]
erwies sich statt dessen das nachfolgend aufge-
führte Kohlenstoffäquivalent CET als besonders
geeignet [14]:
CET (%) =
C + (Mn+Mo)/10 + (Cr+Cu)/20 + Ni/40 (2)
Es zeigte sich, daß das Kaltrißverhalten nicht
nur von der chemischen Zusammensetzung des
Grundwerkstoffes oder des Schweißgutes be-
stimmt wird. Auch die Blechdicke, der Wasser-
stoffgehalt des Schweißgutes, das Wärmeein-
bringen beim Schweißen und die Eigenspan-
nungen sind zu berücksichtigen. Letztere lassen
sich bisher noch nicht ausreichend quantifizieren.
Man geht deshalb im Nahtbereich von Eigenspan-
nungen aus, die der Streckgrenze des Grundwerk-
stoffes oder des Schweißgutes entsprechen. Bei
den Versuchen ließ sich jedoch klären, wie sich
die vier übrigen Einflußgrößen auf das Kaltriß-
verhalten auswirken [15]. Faßt man sie und das
CET in ihrer Wirkung zusammen, so führt dies
zu der folgenden Summenformel:
Tp (°C) = 700 CET + 160 tanh(d/35) +
62 HD0,35 + (53 CET - 32) Q - 330 (3)
wobei Tp der Mindestwert der Vorwärmtempe-
ratur in °C ist, d die Blechdicke in mm, HD der
Wasserstoffgehalt des Schweißgutes in cm3 pro
100 g deponiertes Schweißgut, Q das Wärme-
einbringen in kJ/mm und CET das Kohlenstoff-
äquivalent in Prozent nach Gleichung (2). Diese
Methode zur Berechnung der Mindestvorwärm-
temperatur ist unter dem Begriff „CET-Konzept“
bekannt und wurde in das STAHL-EISEN-Werk-
stoffblatt 088-93 wie auch in die Norm DIN EN
1011 aufgenommen [16].
Die Gefahr, daß Kaltrisse in den Schweiß-
verbindungen auftreten, ist bei Verwendung
austenitischer Schweißzusätze am geringsten.
Auf ein Vorwärmen zum Schweißen kann bei
austenitischem Schweißgut im allgemeinen
verzichtet werden. Wird mit Rücksicht auf die
Kosten der Schweißzusätze ferritisch geschweißt,
sollte das Schutzgasverfahren angewendet wer-
den. Es bietet wegen des vergleichsweise niedri-
gen Wasserstoffgehaltes im Schweißgut im Hin-
blick auf das Kaltrißverhalten beträchtliche Vor-
teile. Dabei sind unlegierte Schweißzusätze zu
bevorzugen, die ein gutes Verformungsvermögen
aufweisen. Bei diesen Schweißzusätzen hat sich
bei Blechdicken über 30 mm ein Vorwärmen auf
100 °C bis 150 °C als zweckmäßig erwiesen. In
einigen verschleißfesten Bauteilen wird im
Schweißnahtbereich eine dem Grundwerkstoff
weitgehend vergleichbare Streckgrenze und Zug-
festigkeit angestrebt. Zur Vermeidung von Kalt-
rissen ist es in diesem Fall erforderlich, die che-
mische Zusammensetzung von Grundwerkstoff
und Schweißgut bei der Festlegung der Vorwärm-
temperatur zu berücksichtigen. Bild 6 macht
am Beispiel des Stahles 20MnCr4-3 (XAR 400)
deutlich, welche Vorwärmtemperaturen beim
Schutzgasschweißen mit einem hochfesten
Schweißzusatz notwendig sind.
Will man im Nahtbereich günstige mechani-
sche Eigenschaften – zum Beispiel eine ausrei-
chende Kerbschlagzähigkeit – einhalten, so ist
85
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 6: Mindestwerte der Vorwärmtemperatur zur Vermeidung von Kaltrissen beim Schweißen von XAR 400
eine Abkühlzeit t8/5 (Dauer der Abkühlung von
800 °C auf 500 °C) zwischen 10 s und 20 s, beim
Schutzgasschweißen schon ab 6 s, zu wählen [17].
5 Beispiele für den Einsatz
verschleißfester Stähle
Kennzeichnende Einsatzgebiete für ver-
schleißfeste Stähle sind Baggerschaufeln und
Lkw-Mulden (Bild 7). Eine Ladeschaufel, wie
sie beispielsweise in Steinbrüchen verwendet
wird, ist in Bild 8 dargestellt. Für die meisten
Teile, z. B. das Bodenblech, die Schale, Seiten-
wände und Lagerbleche, verwendet man wegen
des günstigen Verhaltens beim Schweißen den
hochfesten Verschleißstahl 20MnCr4-3 (XAR
400) oder auch mehr und mehr den noch ver-
Bild 7: LKW-
Lademulde mit
Baggerschaufel
aus XAR-Ver-
schleißblechen
86
schleißfesteren XAR 450. Die wesentlich stärker
beanspruchten Teile wie das Schaufelmesser,
die Seitenschneiden sowie die unter der Schaufel
angebrachten Schleißbleche werden aus dem
noch härteren 28MnCr4-3 (XAR 500) oder sogar
XAR 600 gefertigt. Ein weiterer wichtiger Anwen-
dungsbereich sind Betonsteinformen. Auch für
die Herstellung von Becherwerken und Schnek-
kenförderern in Kiesgruben oder Betonwerken
sowie Zerkleinerungsanlagen in der Schrottwirt-
schaft finden diese Stähle bevorzugt Verwendung.
Dabei bewähren sich die besonderen Eigen-
schaften dieser Stahlgruppe: Härte gegen den
Verschleiß, ausreichende Zähigkeit und der
Verformungswiderstand gegen häufig auftreten-
de Überbeanspruchung. So lassen sich z. B. un-
günstige Verformungen im Bodenblech einer
Mulde oder das Ausbeulen ganzer Bodenfelder
durch den Einsatz verschleißfester Stähle bes-
ser beherrschen. Man kann auf dickere Bleche
verzichten.
6 Ausblick
Durch Fortschritte in der Stahlerzeugung
und den Herstellungsverfahren lassen sich heute
verschleißfeste Stähle mit günstigem Verarbei-
tungsverhalten herstellen. Die Optimierung der
Legierungszusammensetzung wirkt sich beson-
ders günstig auf die schweißtechnische Verarbei-
tung aus. Dadurch werden neben einer wirtschaft-
lichen Verarbeitung auch längere Betriebszeiten
der Anlagen möglich.
 Moderne verschleißfeste Sonderbaustähle – Herstellung, Verarbeitung und Anwendung
Bild 8: Ladeschaufel aus verschleißfesten Stählen.
7 Schrifttum
[1] Degenkolbe, J.; Müsgen, B.:
Stahlbau Handbuch, Band 1 (Teil A).
Stahlbau-Verlagsgesellschaft, Köln (1993),
S. 453 – 483
[2] Degenkolbe, J.; Müsgen, B.; Schriever, U.:
Production, Properties and Application of HSLA
Steels in Crane and Vehicle Construction.
Proc. Int. Conf. “Microalloying ‘88”, Chicago
(1988), S. 365 – 371
[3] Müsgen, B.:
High Strength Quenched and Tempered Steels –
Production, Properties and Application.
Metal Construction 17 (1985), Nr. 8,
S. 495 – 499
[4] Kern, A.; Müsgen, B.; Schriever, U.:
Einsatz von Bor in hochfesten Feinkornbau-
stählen.
Thyssen Technische Berichte (1993),
Heft 1, S. 67 – 75
[5] Kern, A.:
Mathematische Modellierung von Mikrostruk-
tur und Eigenschaften als Werkzeug für Ent-
wicklung und Optimierung warmgewalzter
Flachprodukte.
Habilitationsschrift, genehmigt von der
TU Berlin, Berlin (1997)
[6] Freiburg, A.:
Methode zur Errechnung der Härtbarkeit im
Stirnabschreckversuch aus der chemischen
Zusammensetzung.
Stahl und Eisen 106 (1986), Nr. 23, S. 63 – 68
[7] Verarbeiten von hochverschleißfesten
Thyssen-Sonderbaustählen.
Druckschrift der Thyssen Stahl AG (6934 C0 38),
Ausgabejahr 1993
[8] Pircher, H.; Lendowski, H.; Dißelmeyer, H.:
Reibung und Verschleiß bei metallischen und
nichtmetallischen Werkstoffen.
Proc. DGM-Symposium Bad Nauheim 1986,
S. 147 – 157
[9] Czichos, H.:
Tribology – A systems approach to the
science and technology of friction, lubrication
and wear.
Amsterdam: Elsevier (1978), S. 300 ff
[10] Habig, K.-H.:
Verschleiß und Härte von Werkstoffen.
Carl Hanser Verlag, München (1990)
[11] Technical report 1967,
IIW Doc. IX-535-67
[12] Ito, Y.; Bessyo, K.:
Weldability Formula of High Strength Steels,
Related to Heat-Affected Zone Cracking.
Sumitomo Search 1, May (1969), p. 59 – 70
87
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

[13] Peder, C.; Hart, P. H. M.:

CTS-testing procedures: The Present Position.
The Welding Inst. Res. Bull, Sept. 1975,
p. 264 – 266

[14] Uwer, D.; Höhne, H.:

Charakterisierung des Kaltrißverhaltens von
Stählen beim Schweißen.
Schweißen und Schneiden 43 (1991),
Heft 4, S. 195 – 199

[15] Uwer, D.; Höhne, H.:

Ermittlung angemessener Mindestvorwärm-
temperaturen.
Schweißen und Schneiden 43 (1991),
Heft 5, S. 282 – 287

[16] Stahl-Eisen-Werkstoffblatt 088-93:

Schweißgeeignete Feinkornbaustähle, Richt-
linien für die Verarbeitung, besonders für das
Schmelzschweißen.
Verlag Stahleisen mbH, Düsseldorf

[17] Degenkolbe, J.; Uwer, D.; Wegmann, H.:

Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen
hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die mecha-
nischen Eigenschaften von Schweißverbin-
dungen durch die Abkühlzeit t8/5 und deren
Ermittlung.
Thyssen Technische Berichte (1985), Heft 1,
S. 57 – 73 sowie IIW-Doc. IX-1336-84

88
Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften des verschleißfesten Sonderstahls Brinar 400 Cr

Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften

des verschleißfesten Sonderstahls Brinar 400 Cr
Dipl.-Ing. A. Rost, Ilsenburg

Verschleiß verursacht Kosten. Um dem Bild 1: Kenn-

entgegen zu wirken, steht dem Anwender eine zeichnendes
Reihe von Stahlsorten zur Verfügung, die einen Gefüge der
optimalen Schutz gegen die unterschiedlichsten Stahlsorte Brinar
Verschleißarten bieten. 400 Cr im
Neben den klassischen wasservergüteten Rasterelektro-
Stählen mit Härten um 400 bzw. 500 HB, die nenmikroskop;
ihre Verschleißfestigkeit über eine Erhöhung V = 5000x
der Matrixhärte erlangen, bietet die Salzgitter
AG Stahlsorten an, die eine Sonderstellung unter
den verschleißfesten Stählen einnehmen. Im
Mittelpunkt steht dabei die Stahlsorte Brinar
400 Cr.
Die Verschleißfestigkeit dieses Stahls wird Bild 2: Härtever-
durch ein optimales Legierungskonzept einge- lauf über die
stellt. Zusätzlich zur Ausgangshärte des Stahls Blechdicke eines
trägt eine gegen den Verschleiß wirkende feine 20 mm dicken
Verteilung sehr harter Chrom- und Molybdäncar- Bleches der Stahl-
bide zu einer langen Lebensdauer unter extremen sorte Brinar 400 Cr
Verschleißbedingungen bei. Im Schliffbild bei
starker Vergrößerung (Bild 1) sind die Carbide
als helle Punkte im Gefüge erkennbar.
Ein Grund für die mögliche Standzeitver-
besserung beim Einsatz dieses Sonderstahls ist
die Tatsache, daß bei den wasservergüteten
Stählen die Härte infolge der abnehmenden Ab-
kühlungsgeschwindigkeit zur Blechdickenmitte
hin reduziert wird, während bei der Stahlsorte
Brinar 400 Cr Gefügestruktur und Härte über
die Blechdicke gleichmäßig verlaufen (Bild 2). Bild 3: Versuchs-
Dadurch kann im Einsatz ein gleichmäßiger Ver- aufbau des Reib-
schleiß erfolgen. radverschleißver-
Da die Carbide auch bei höheren Tempera- suchs nach ASTM
turen Bestand haben, ist der Brinar 400 Cr ein G65-81; schemati-
idealer Werkstoff für den Einsatz bei höheren Tem- sche Darstellung
peraturen. In einem modifizierten Verschleißver-
such nach dem Reibradverfahren ASTM G65-81
wurde der Einfluß einer erhöhten Prüftempera-
tur auf das Verschleißverhalten untersucht. Das
Reibradverfahren wird auf Grund seiner hohen
Beanspruchung bei der Prüfung von hochharten
Werkstoffen bzw. hochharten Auftragschweißun-
gen verwendet. Das Abrasivgut (Quarz) wurde
zwischen eine rotierende Stahlscheibe und die ten Probe kein signifikanter Unterschied im
angedrückte Probe gebracht. Mit Hilfe eines Verschleißverhalten ergibt (Bild 4).
Thermoelementes wurde die Temperatur der Die temperaturbeständige Verschleißfestig-
Probe kontrolliert (Bild 3). Die Versuchsergeb- keit des Stahls wirkt sich auch positiv auf wärme-
nisse zeigen, daß sich zwischen der nicht be- beeinflußte Zonen aus, die durch Brennen oder
heizten Probe, die sich infolge des Abriebs auf Schweißen entstanden sind. Die im Vergleich mit
rund 65 °C aufheizt, und der auf 300 °C erwärm- wasservergüteten Stählen ermittelten Bereiche,

89
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 7: Radlader

Bild 4: Vergleich in denen eine Reduzierung der Verschleißfestig-
des Verschleiß- keit festzustellen ist, sind signifikant kleiner. Ins-
verhaltens der besondere beim Stumpfnahtschweißen dünnerer
Stahlsorte Brinar Bleche ist ein weiterer Vorteil im Hinblick auf
400 Cr bei Verschleißbeständigkeit der Schweißnaht/
Raumtemperatur Wärmeeinflußzone aufgrund der Auflegierung
und bei 300° C des Nahtbereiches durch den Grundwerkstoff
festzustellen.
Die Ausgangshärten ermöglichen eine her-
vorragende Verarbeitbarkeit, insbesondere beim
Bohren und Abkanten. Falls auf Grund der Werk-
stückgeometrie eine Kaltformgebung nicht mehr
möglich ist, kann der Stahl ohne Beeinträchtigung
der Verschleißeigenschaften auch warm umge-
formt werden.
Komplizierte Werkstückgeometrien lassen
sich z.B. herstellen, indem die Ausgangshärte
durch ein Weichglühen deutlich reduziert wird.
Nach erfolgter Formgebung oder Bearbeitung
werden die Ausgangseigenschaften durch eine
Wärmebehandlung um 900 °C mit anschließen-
der Abkühlung an ruhender Luft wiederherge-
stellt. Eine nachträgliche Wasservergütung ist
nicht erforderlich (Bild 5).
Kennzeichnende Anwendungsgebiete der
Stahlsorte Brinar 400 Cr sind z. B. Bänder für den
Transport von Materialien bei höheren Tempe-
raturen (Bild 6) oder Verschleißteile in Zement-
werken, die bei Temperaturen bis 600 °C mit dem
Abrasivgut in Berührung kommen.
Darüber hinaus findet die Stahlsorte Brinar
400 Cr in allen Bereichen Verwendung, in denen
auch die klassischen wasservergüteten Stahlsorten
mit Härten um 400 HB eingesetzt werden, z. B.
für Baggerschaufeln von Erdbewegungsmaschinen
oder im Bergbau (Bilder 7 bis 9), Kippermulden,
Steinmühlen, Rüttelsiebe und ähnliches.
Bild 8: Abräumbagger im Tagebau

Bild 5: Warm-
umformung; eine
nachträgliche
Wärmebehand-
lung nach dem
hier dargestellten
Warmbiegen ist
für die Stahlsorte
Brinar 400 Cr
nicht erforderlich

Bild 6: Förder-
band für den
Transport von
Sinter Bild 9: Schaufelbagger

90
 Schweißtechnische Verarbeitung niedriglegierter hochfester Baustähle
Schweißtechnische Verarbeitung
niedriglegierter hochfester Baustähle
Dr.-Ing. D. Uwer und Dipl.-Ing. H. Wegmann, Duisburg
1 Einleitung
In den zurückliegenden Jahrzehnten sind die
Anforderungen an den Werkstoff Stahl ständig ge-
stiegen. Die Stahlindustrie war und ist auch heute
bestrebt, diesen Anforderungen durch Weiterent-
wicklung der metallurgischen und fertigungs-
technischen Möglichkeiten Rechnung zu tragen.
Dabei standen und stehen im wesentlichen zwei
Aufgaben im Vordergrund:
– Verbesserung der mechanischen Eigenschaften,
z. B. der Festigkeit und der Zähigkeit, sowie der
Verarbeitungseigenschaften, hier insbesondere
der Schweißeignung,
– Optimierung der Wirtschaftlichkeit durch
angemessene Schweißbedingungen.
Auf beiden Gebieten konnten durch intensive
Auseinandersetzung mit diesen Schwerpunkten
erhebliche Fortschritte erzielt werden.
2 Stahlentwicklung
Bild 1 gibt einen Überblick über den zeit-
lichen Ablauf der Entwicklung der hochfesten
Baustähle. In einem vergleichsweise kurzen Zeit-
raum gelang es, den Mindestwert der Streck-
grenze von Baustählen auf mehr als 1.000 MPa
zu erhöhen. Der erste Schritt dieser Entwick-
lung bestand darin, daß man den Legierungs-
gehalt anhob. Diesem Vorgehen waren jedoch
Grenzen gesetzt, da dessen Erhöhung zu Lasten
der Kaltrißsicherheit geht. Man beschränkte
sich deshalb bei normalgeglühten Stählen dar-
auf, solche mit einem Mindestwert der Streck-
grenze bis zu 460 MPa herzustellen. Wesentlich
höhere Werte der Streckgrenze bei gleichzeitig
hervorragender Zähigkeit lassen sich durch eine
Wasservergütung erreichen. Wasservergütete Bau-
stähle mit Mindestwerten der Streckgrenze von
690 MPa, 890 MPa und 960 MPa sind seit vielen
Jahren verfügbar. Sie werden in beachtlichem
Umfang z. B. im Druckbehälter-, Kran- und Fahr-
zeugbau sowie für Bergbaugeräte eingesetzt. In
jüngster Zeit ist man dazu übergegangen, auch
solche mit einem Mindestwert der Streckgrenze
von 1.100 MPa im Kranbau zu verwenden. Inter-
essante Alternativen zu den wärmebehandelten
Stählen bieten die durch den Zusatzbuchstaben
M im Kurznamen gekennzeichneten thermome-
chanisch gewalzten Stahlsorten. Sie haben Min-
destwerte der Streckgrenze von 355 MPa bis 700
MPa und kommen inzwischen auch außerhalb der
Großrohrfertigung zunehmend zum Einsatz, z. B.
im Stahl-, Kran- und vor allem im Fahrzeugbau.
Diese Entwicklung wurde durch Fortschritte
bei der Stahlherstellung ermöglicht. So gelang es,
die Streuung der Legierungselemente reprodu-
zierbar in sehr engen Grenzen einzustellen, uner-
wünschte Begleitelemente und nichtmetallische
Einschlüsse auf ein Minimum zu reduzieren und
ihre Form durch pfannenmetallurgische Maß-
nahmen günstig zu beeinflussen. Im Ergebnis
führte dies zu einer deutlich verbesserten Zähig-
keit und hoher Isotropie der Stahleigenschaften.
Walztechnische Verbesserungen erlauben es
heute, Stähle einer bestimmten Festigkeitsklasse
mit deutlich reduziertem Legierungsaufwand oder
bei gleichem Legierungsaufwand mit wesentlich
höherer Streckgrenze und Zugfestigkeit herzu-
stellen. Als Ergebnis dieser mit sehr viel Energie
betriebenen Entwicklungen stehen dem Verar-
beiter heute, wie Bild 1 zu entnehmen ist, ver-
arbeitungsfreundliche, hochfeste Baustähle mit
Mindestwerten der Streckgrenze von 355 MPa
bis 1100 MPa zur Verfügung, die gleichzeitig ein
hervorragendes Zähigkeitsverhalten aufweisen.
3 Optimieren der Schweißbedingungen
3.1 Berücksichtigung anforderungsgerechter
mechanischer Eigenschaften
Genauso wichtig wie die Verbesserungen
bei den Stahleigenschaften waren die schweiß-
technischen Fortschritte, die es ermöglichen,
Festigkeits- und Zähigkeitswerte im Schweißgut
und in der Wärmeeinflußzone (WEZ) von
Schweißverbindungen zu erreichen, die den
ausgezeichneten Eigenschaften des jeweiligen
Grundwerkstoffes vergleichbar sind. So ist es
gelungen, für die schweißtechnische Verarbei-
tung dieser Stähle ein solides, an wissenschaft-
lichen Erkenntnissen orientiertes Fundament zu
schaffen. Man ist heute in der Lage, Baustähle
höchster Festigkeit kaltrißsicher zu verarbeiten.
Auch die gezielte Einstellung anforderungsge-
rechter Eigenschaften in Schweißgut und WEZ
wird beherrscht.
91
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 1: Entwick-
lung hochfester
Baustähle
Die Beanspruchung einer Schweißkonstruk-
tion ist im allgemeinen sehr komplex. Bild 2
enthält einen Überblick über die daraus resul-
tierenden Anforderungen und Einflußgrößen.
Schweißverbindungen müssen bedingungsge-
mäße Festigkeitseigenschaften aufweisen und
frei von Rissen sein. Besondere Bedeutung beim
Schweißen hochfester Baustähle kommt der Härte
und Zähigkeit in der WEZ sowie dem Kaltrißver-
halten zu. Festigkeitseigenschaften, Härte und
Zähigkeit in der WEZ von Schweißverbindungen
sind im wesentlichen von der chemischen Zusam-
mensetzung des Stahls und dem Temperatur-Zeit-
Verlauf beim Schweißen abhängig, genauer der
Abkühlgeschwindigkeit nach dem Lichtbogen-
Bild 2: Ziele durchgang. Diese wird maßgeblich durch die
beim Schweißen Schweißbedingungen beeinflußt. Der Zusammen-
von Baustählen hang zwischen den Schweißbedingungen und
92
der Abkühlgeschwindigkeit läßt sich durch mathe-
matische Beziehungen beschreiben, die aus der
Theorie der Wärmeleitung in festen Körpern abge-
leitet wurden. Zur Kennzeichnung der Abkühlge-
schwindigkeit wählt man ihren reziproken Wert,
nämlich die Zeit, die zum Durchlaufen eines
bestimmten Temperaturintervalls benötigt wird.
Hier hat sich die Abkühlzeit t8/5 als Kenngröße
bewährt [1]. Das ist die Zeit, die während der
Abkühlung einer Schweißraupe zum Durchlaufen
des Temperaturbereichs von 800 °C bis 500 °C
benötigt wird. Bild 3 weist die Gleichungen aus,
die es gestatten, für beliebige Schweißbedingun-
gen die Abkühlzeit t8/5 zu berechnen. Dabei be-
rücksichtigt die Gleichung die den Abkühlprozeß
entscheidenden Einflußgrößen wie die Vorwärm-
temperatur Tp, den thermischen Wirkungsgrad
des jeweiligen Schweißverfahrens, die Lichtbogen-
spannung U, den Schweißstrom I, die Schweiß-
geschwindigkeit v und die Nahtgeometrie in
Form des Nahtfaktors F. Bei der Berechnung von
Abkühlzeiten ist zwischen zwei- und dreidimen-
sionaler Wärmeableitung zu unterscheiden. Ist
die Wärmeableitung dreidimensional, gilt Glei-
chung (1) von Bild 3, ist sie zweidimensional,
gilt Gleichung (2). Bei größeren Blechdicken,
niedriger Vorwärmtemperatur und/oder gerin-
gem Wärmeeinbringen tritt häufig dreidimensio-
nale Wärmeableitung ein. Entsprechend kommt
es bei dünnen Blechen, hoher Vorwärmtempe-
ratur und/oder großem Wärmeeinbringen im
allgemeinen zu zweidimensionaler Wärmeablei-
tung. In letzterem Fall ist die Blechdicke d bei der
Berechnung zu berücksichtigen. Bestehen Zwei-
 Schweißtechnische Verarbeitung niedriglegierter hochfester Baustähle

fel, welche Art der Wärmeableitung in einem

bestimmten Fall vorliegt, so berechnet man die
Abkühlzeit t8/5 zunächst nach beiden Gleichun-
gen. Für die Praxis ist nur der größere der beiden
errechneten Abkühlzeitwerte von Bedeutung.
Weitere Einzelheiten bezüglich der Ableitung
der Gleichungen und der Berechnung der Ab-
kühlzeit t8/5 werden sowohl im Schrifttum [1]
wie auch im Regelwerk ausführlich erläutert [2].
Dank der unter dem Begriff „Abkühlzeit-
konzept“ bekannt gewordenen Methode ist es
heute möglich, den Aufwand bei schweißtechni-
schen Untersuchungen und Schweißverfahrens-
prüfungen erheblich zu reduzieren. Diese Vorge-
hensweise gestattet es außerdem, den komplexen
Zusammenhang zwischen den Schweißbedin-
gungen und den Eigenschaften von Schweiß-
nähten überschaubar darzustellen. Das Abkühl-
zeitkonzept hat inzwischen Eingang in nationale Bild 3: Berechnung der Abkühlzeit t8/5 beim Schweißen
und internationale Empfehlungen zum Schweißen
hochfester Baustähle gefunden [2, 3]. Es hat ent-
scheidend dazu beigetragen, daß man heute in
der Lage ist, selbst anspruchsvolle hochfeste Bau-
stähle problemlos zu schweißen. Um die Berech-
nung für den Anwender zu erleichtern, haben
wir einfach anzuwendende Computerprogramme
entwickelt.
Die Einstellung anforderungsgerechter
mechanischer Eigenschaften mit Hilfe des Abkühl-
zeitkonzepts soll anhand eines Beispiels erläutert
werden. Bild 4 zeigt für die WEZ von Mehrlagen-
verbindungen einer Stahlsorte des Typs S460
die Übergangstemperatur der Kerbschlagarbeit
T27 und den Höchstwert der Härte als Funktion
der Abkühlzeit. Ähnlich wie der in diesem Bild
beschriebene normalgeglühte S460 reagieren
alle Baustähle auf die thermische Beanspruchung Bild 4: Übergangstemperatur T27 und Höchstwert der Härte HV 10 in der WEZ
beim Schweißen. Eine Erhöhung der Vorwärm- der Stahlsorte S460N in Abhängigkeit von der Abkühlzeit
temperatur und des Wärmeeinbringens hat zwar
eine Erniedrigung des Höchstwertes der Härte
zur Folge, beeinträchtigt jedoch gleichzeitig die
Zähigkeit. Um eine ausreichende Zähigkeit in
der WEZ sicherzustellen und dort gleichzeitig
den oftmals vorgeschriebenen Höchstwert der
Härte nicht zu überschreiten, ist es erforderlich,
eine bestimmte Spanne für die Abkühlzeit einzu-
halten. Bei einer Begrenzung der Härte in der
WEZ auf höchstens 350 HV10 und bei einer
Übergangstemperatur von höchstens – 50 °C
muß der Schweißprozeß so gesteuert werden,
daß die Abkühlzeit zwischen 15 s und 25 s liegt.
Dies ist bei allen im schraffierten Bereich des
Bildes 5 liegenden Kombinationen von Vorwärm-
temperatur und Wärmeeinbringen der Fall. Un-
geklärt ist jedoch noch die Frage, ob auch bei Bild 5: Grenzwerte der Abkühlzeit im Hinblick auf den zulässigen Höchstwert
allen Kombinationen kaltrißfreie Schweißver- der Härte HV 10 und der Übergangstemperatur T27 beim Schweißen der Stahl-
bindungen zu erwarten sind. sorte S460N; siehe auch Bild 4

93
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

3.2 Berücksichtigung angemessener

Vorwärmtemperaturen
Die Schweißeignung hochfester Stähle, d. h.
wie wirtschaftlich sie geschweißt werden kön-
nen, wird neben dem Erreichen anforderungs-
gerechter mechanischer Eigenschaften im
Schweißnahtbereich wesentlich durch die Kalt-
rißsicherheit bestimmt. Unter Kaltrissen versteht
man Risse, die in Schweißverbindungen ferri-
tischer Stähle unter Einwirkung von Wasser-
stoff und Spannungen bei Temperaturen unter
300 °C auftreten. Zur Vermeidung von Kaltrissen
hat sich das Vorwärmen des Schweißnahtbe-
Bild 6: Berechnung der Vorwärmtemperatur für kaltrißsicheres Schweißen reichs bewährt. Es verzögert dessen Abkühlung
und begünstigt so die Wasserstoffeffusion.
Bild 6 weist aus, welche Einflußgrößen das
Kaltrißverhalten maßgeblich beeinflussen. Be-
reits bei früheren Arbeiten leitete man aus Unter-
suchungen zur Aufhärtung im Schweißnahtbe-
reich einen erheblichen Einfluß der chemischen
Zusammensetzung, gekennzeichnet durch Koh-
lenstoffäquivalente, auch auf das Kaltrißverhalten
beim Schweißen ab. Es lag daher nahe, den Ein-
fluß der chemischen Zusammensetzung auf das
Kaltrißverhalten durch spezielle Kaltrißunter-
suchungen zu klären [4]. Dabei erwies sich das
in Bild 6 aufgeführte Kohlenstoffäquivalent CET
für zeitgemäße hochfeste Baustähle als besonders
zutreffend. Die Untersuchungen zeigten, daß das
Kaltrißverhalten darüber hinaus von weiteren
Bild 7: Zulässige Werte des Wärmeeinbringens in Abhängigkeit vom Mindest- Einflußgrößen abhängig ist, die in dem Bild eben-
wert der Vorwärmtemperatur zur Vermeidung von Kaltrissen bei Einhaltung der falls ausgewiesen werden. Zu berücksichtigen
geforderten Werte der mechanischen Eigenschaften beim Schweißen der Stahl- sind danach auch die Blechdicke d, der Wasser-
sorte S460N; siehe auch Bilder 4 und 5 stoffgehalt des Schweißgutes HD, das Wärmeein-
bringen Q beim Schweißen und die Eigenspan-
nungen im Schweißnahtbereich. Da sich letztere
bisher nicht ausreichend quantifizieren lassen,
geht man von Eigenspannungen in Höhe der
Streckgrenze des Grundwerkstoffs oder des
Schweißgutes aus. Mit Hilfe weiterer gezielter
Untersuchungen gelang es, die Wirkung der vier
übrigen Einflußgrößen auf das Kaltrißverhalten
zu klären und in der in Bild 6 ausgewiesenen
Summenformel zusammenzufassen [5]. Man ist
damit in der Lage, die beim Schweißen erforder-
liche Vorwärmtemperatur zu berechnen [6].
Dabei handelt es sich um die Temperatur, die min-
destens eingehalten werden sollte, um Kaltrisse
beim Schweißen zu vermeiden. Sie sollte bis zur
Bild 8: TM-gewalztes Band und Quartoblech PAS mit Fertigstellung einer Schweißverbindung nicht
Mindestwerten der Streckgrenze bis 700 MPa unterschritten werden. Obwohl die Untersu-
PAS 500 PAS 700 chungen zeigten, daß beim Kehlnahtschweißen
• Längs- und Querträger • Längs- und Querträger im allgemeinen niedrigere Vorwärmtemperaturen
• Rahmen für Auflieger zur Vermeidung von Kaltrissen ausreichen, wird
• Achskonstruktionen • Ausleger von nicht zwischen Stumpf- und Kehlnähten unter-
Mobil- und Bordkränen schieden. Die unter dem Begriff „CET-Konzept“

94
 Schweißtechnische Verarbeitung niedriglegierter hochfester Baustähle

bekannte Methode hat sich inzwischen bei der

schweißtechnischen Verarbeitung hochfester
Baustähle ausgezeichnet bewährt. Weitere, an
der SLV-Duisburg durchgeführte Untersuchungen
unterstreichen die bisher mit dem CET-Konzept
gemachten Erfahrungen [7]. Das Konzept ist seit
einigen Jahren Bestandteil des Stahl-Eisen-Werk-
stoffblattes 088, das wesentlich zu einer qualifi-
zierten Behandlung hochfester Baustähle beim
Schweißen beigetragen hat. Auch die neue euro-
päische Norm EN 1011 wird diese Methode zur
Ermittlung einer angemessenen Vorwärmtempe-
ratur beim Schweißen hochfester Baustähle ent-
halten.
Wendet man die in Bild 6 ausgewiesene lung von Betonpumpen verwendet man den TM- Bild 9: LKW-
Summenformel auf das S460-Beispiel an, dann gewalzten PAS 700 in großem Umfang (Bild 9). Betonpumpe
ergeben sich die je nach Wärmeeinbringen erfor- Gründe sind das hervorragende Umformver-
derlichen Mindestwerte der Vorwärmtemperatur. halten, die hohe Schweißeignung und der im
Dazu berechnet man für ein kleines und ein Vergleich zu den wasservergüteten Baustählen
großes Wärmeeinbringen die Vorwärmtempe- dieser Streckgrenzenstufe günstigere Preis.
ratur, z. B. für 2 kJ/mm und für 5 kJ/mm. Man Eine dominierende Stellung haben wasserver-
trägt diese Werte in das Bild 5 ein und verbin- gütete Baustähle mit Mindestwerten der Streck-
det die beiden Punkte durch eine Gerade. So er- grenze von 890 MPa oder 960 MPa im Mobilkran-
hält man die in Bild 7 ausgewiesene Grenzlinie bau. Bild 10 zeigt einen achtachsigen Mobilkran
für die in diesem Fall einzuhaltenden Mindest- mit einer Tragfähigkeit von 400 t, dessen Tragkon-
werte der Vorwärmtemperatur. Sie besagt, daß je struktion aus XABO 960 gefertigt wurde. Für die
nach Höhe des Wärmeeinbringens beim Schwei- extrem hoch beanspruchten Abspannstangen
ßen eine Vorwärmtemperatur von 100 °C bis der Kräne setzt man inzwischen zunehmend
130 °C eingehalten werden muß. Man ist damit wasservergütete Baustähle ein, die einen Min-
in der Lage, gezielt bestimmten Anforderungen destwert der Streckgrenze von 1100 MPa haben.
an die mechanischen Eigenschaften einer Auch im Auslegerbereich ist man inzwischen auf
Schweißverbindung entsprechende und gleich- diese Streckgrenzenstufe übergegangen. Leider
zeitig kaltrißsichere Schweißbedingungen zu stehen bisher keine festigkeitsgleichen Schweiß-
ermitteln. güter zur Verfügung. Man behilft sich, indem
man die Schweißverbindungen in weniger hoch
beanspruchte Bereiche der Konstruktion verlegt.
4 Beispiele für geschweißte Konstruk- Auch bei verschleißbeanspruchten Konstruk-
tionen aus hochfesten Baustählen tionen kommen wasservergütete oder wasser-
gehärtete Bleche in großem Umfang zum Einsatz.
Hochfeste Baustähle haben inzwischen in
vielen hochbeanspruchten Konstruktionen Ver-
wendung gefunden. Häufig waren bestimmte Aus-
führungen erst durch den Einsatz dieser Stähle
und ihr günstiges Verarbeitungsverhalten möglich.
Die Wahl weniger fester Stähle hätte unwirtschaft-
liche Lösungen zur Folge gehabt. Die nachfol-
genden Bilder enthalten einige Beispiele für den
erfolgreichen Einsatz hochfester Stähle in unter-
schiedlichen Anwendungsbereichen.
Bild 8 zeigt einen Bordkran, der unter
Verwendung der thermomechanisch gewalz-
ten, perlitarmen Stähle PAS 500 und PAS 700
mit Mindestwerten der Streckgrenze von 500
MPa bzw. 700 MPa gefertigt wurde. Bleche aus Bild 10: Mobilkran mit einer Tragfähigkeit von 400 t;
diesen Stahlsorten können sowohl aus Warm- Verwendung hochfester Stähle:
band geschnitten wie auch über eine Quarto- • XABO 890/960: Drehkränze, Abstützsystem, Unterwagen
walzung gefertigt werden. Auch für die Herstel- • XABO 1100: Teleskopausleger

95
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Bild 11: Moderne Halfpipe-Mulde aus verschleißfestem
Baustahl XAR 400;
Vorteile beim Einsatz verschleißfester Stähle:
• hervorragendes Verarbeitungsverhalten
• Verlängerung der Betriebsdauer
• Verringerung des Eigengewichtes
Die bevorzugten Härtestufen sind dabei 400 HB,
450 HB und 500 HB. Einen LKW mit einer Mulde
aus dem verschleißfesten Stahl XAR 400 zeigt das
Bild 11. Der Stahl hat sich trotz seiner hohen
Härte von 400 HB auch bei kaltumgeformten Bau-
teilen bewährt. Er bietet außerdem den Vorteil,
daß er bei einem C-Gehalt von nur etwa 0,16 %
bis zu relativ großer Blechdicke ohne Vorwär-
mung geschweißt werden kann. Dabei finden
allerdings bevorzugt „weiche“ Schweißgüter
Anwendung. Die verschleißfesten Stähle werden
wie übrigens auch die hochfesten wasserver-
güteten Baustähle bevorzugt nach dem Schutz-
gasverfahren geschweißt. Hauptgründe dafür
sind der niedrige Wasserstoffgehalt des Schweiß-
gutes und die hohe Produktivität dieses Schweiß-
verfahrens.
5 Zusammenfassung
Metallurgische und walztechnische Fort-
schritte haben zu einer wesentlichen Verbesse-
rung der Eigenschaften und des Verarbeitungs-
verhaltens hochfester Baustähle beigetragen. Es
liegen heute in ausreichendem Maße Erfahrun-
gen vor, um auf wirtschaftliche Weise tragfähige
Schweißverbindungen zu erstellen, die außeror-
dentlich hohen Anforderungen genügen. Dank
des vertieften Einblicks in den Zusammenhang
zwischen den Schweißbedingungen und den Tem-
peraturzyklen ist man in der Lage, gezielt den An-
forderungen an die mechanischen Eigenschaften
der Schweißverbindungen entsprechende und
96
gleichzeitig wirtschaftliche Schweißbedingungen
anzuwenden. Auch die seinerzeit so gefürchteten
Kaltrisse beim Schweißen der hochfesten Stähle
lassen sich heute zuverlässig vermeiden.
Wir danken den Firmen Palfinger AG,
Salzburg, Putzmeister AG, Aichtal, Liebherr-Werk
Ehingen GmbH und F. X. Meiller GmbH & Co. KG,
München, für die freundliche Genehmigung zur
Veröffentlichung der Anwendungsbeispiele.
6 Schrifttum
[1] Degenkolbe, J.; Uwer, D.; Wegmann, H.:
Kennzeichnung von Schweißtemperaturzyklen
hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die mechani-
schen Eigenschaften von Schweißverbindungen
durch die Abkühlzeit t8/5 und deren Ermittlung.
Thyssen Technische Berichte (1985) Heft 1,
S. 57 – 73 und IIW-Doc. IX-1336-84
[2] Stahl-Eisen-Werkstoffblatt 088:
Schweißgeeignete Feinkornbaustähle, Richtlinien
für die Verarbeitung, besonders für das Schweißen.
4. Ausgabe, Oktober 1993,
Verlag Stahleisen mbH, Düsseldorf
[3] prEN 1011-2 (1999):
Empfehlungen zum Schweißen metallischer
Werkstoffe – Teil 2: Lichtbogenschweißen
ferritischer Stähle.
[4] Uwer, D.; Höhne, H.:
Charakterisierung des Kaltrißverhaltens von
Stählen beim Schweißen.
Schweißen und Schneiden 43 (1991) Heft 4,
S. 195 – 199 und IIW-DOC IX-1630-91
[5] Uwer, D.; Höhne, H.:
Ermittlung angemessener Mindestvorwärm-
temperaturen.
Schweißen und Schneiden 43 (1991), Heft 5,
S. 282 – 287 und IIW-Doc. IX-1631-91
[6] Uwer, D.; Wegmann, H.:
Anwendung des Kohlenstoffäquivalentes CET zur
Berechnung von Mindestvorwärmtemperaturen
für das kaltrißsichere Schweißen von Baustählen.
Jahrbuch Schweißtechnik ’96, Deutscher Ver-
band für Schweißtechnik e.V., S. 46 – 55
[7] Thier, H.; Eisenbeis, C.; Winkler, R.:
Untersuchungen zur Absicherung der Berech-
nung der Mindestvorwärmtemperatur beim
Mehrlagenschweißen.
Schweißen und Schneiden 49 (1997), Heft 7,
S. 426 – 430
 Erfahrungen mit dem Laserstrahlschneiden von Grobblechen
Erfahrungen mit dem Laserstrahlschneiden
von Grobblechen
Dipl.-Ing. H. Wegmann und Dr. rer. nat. H.-J. Kaiser, Duisburg
1 Einleitung
Das Laserstrahlschneiden ist wie das auto-
gene Brennschneiden oder das Plasmaschneiden
ein thermisches Trennverfahren. Dabei reicht die
im Laserstrahl erzielte Energiedichte aus, um
Metalle zu schmelzen. Ist der Fugenwerkstoff
verflüssigt, wird er mit Hilfe eines Gasstrahls aus
der Fuge ausgetrieben. Im Vergleich zu anderen
thermischen Schneidverfahren erfolgt die Energie-
zufuhr im Brennfleck äußerst rasch und intensiv.
Als Folge der großen Leistungsdichte sind hohe
Schneidgeschwindigkeiten möglich, was zu ver-
gleichsweise geringer Streckenenergie führt. Dar-
aus ergibt sich ein wesentlicher Vorteil des Laser-
strahlschneidens, nämlich verzugsarme oder nahe-
zu verzugsfreie Werkstücke [1]. Das wird beson-
ders beim Schneiden vergleichsweise dünner
Bleche deutlich.
Die industrielle Nutzung des Laserstrahl-
schneidens begann etwa 1972, als ein deutscher
Hersteller von Brennschneidmaschinen die erste
Laser-Brennschneidmaschine auslieferte. Sie wurde
benutzt, um verzinkte und kunststoffbeschichtete
Stahlbleche der Stahlsorte St 37-2 im Dickenbe-
reich von 0,2 bis 0,5 mm zu schneiden [2]. Die
Leistung des damals eingesetzten CO2-Lasers be-
trug 250 W. Bild 1 zeigt eine Übersicht über die
industrielle Nutzung des Lasers im Jahr 1996.
Daraus geht hervor, daß Laser heute vorzugsweise
zum Schneiden unterschiedlicher Werkstoffe, aber
inzwischen auch zum Schweißen, Markieren,
Bild 1: Anwendung des Lasers in der industriellen
Materialbearbeitung (Weltweite Anwendungen, 1996)
Bohren, zum Abtragen oder zur Wärmebehand-
lung von Oberflächen eingesetzt werden [1,3,4].
Die häufigste Anwendung finden Laser jedoch
auch weiterhin beim thermischen Schneiden
von unlegierten und legierten Stählen [5,6].
Wie aus Bild 2 zu entnehmen ist, wird für
das Laserstrahlschneiden unlegierter und niedrig-
legierter Stähle bevorzugt Sauerstoff als Schneid-
gas verwendet; man spricht vom Laserstrahl-
brennschneiden [7,8]. Das Bild gibt weiterhin
Auskunft über die in Abhängigkeit von der Laser-
leistung schneidbaren Blechdicken [9]. Unlegierte
und niedriglegierte Stähle lassen sich danach mit
einem 3 kW Laser unter Sauerstoff als Schneid-
gas bis rund 20 mm Blechdicke bei vertretbarer
Schneidgeschwindigkeit und qualitativ guten
Schnittflächen verarbeiten.
Für den Verarbeiter bietet das Laserstrahl-
brennschneiden im Vergleich zu anderen ther-
mischen Schneidverfahren folgende Vorteile [2,9]:
• eine hohe Schneidgeschwindigkeit, besonders
bei Blechdicken bis rund 8 mm,
• das vergleichsweise niedrige Wärmeeinbringen
führt zu einer nur schmalen, aufgehärteten Zone,
• kaum oder nur minimaler Wärmeverzug,
• eine hohe Maßhaltigkeit der Werkstücke, Bild 2: Industriell
• senkrechte Schnittkante, kleine Schnittfugen, laserstrahl-
• beim Anstechen keine Probleme mit Düsen- schneidbare
standzeiten, Blechdicken mit
• das Entfallen von Nacharbeit, kaum Gratbildung, verschiedenen
• Laserschnittkanten können ohne Nacharbeit Laserleistungen;
konventionell verschweißt werden. nach [9]
97
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Diese Vorteile lassen sich jedoch nur dann
nutzen, wenn auch die Voraussetzungen gegeben
sind. Das gilt zum einen für eine fachkundige
Bedienung der Anlagen, zum anderen bezüglich
der Wahl angemessener Schneidbedingungen.
Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist darüber hin-
aus die Eignung der zu verarbeitenden Bleche
zum Laserstrahlschneiden.
2 Einflußgrößen beim
Laserstrahlbrennschneiden
Um bedingungsgemäße Laserstrahlschnitte
herzustellen, werden neben den sorgfältig auf
die zu schneidende Blechdicke abgestimmten
Schneidbedingungen besondere Anforderungen
an
– die chemische Zusammensetzung,
– den Oberflächenzustand und
– die weitgehende Spannungsarmut
des zu schneidenden Blechs gestellt. Im folgen-
den soll auf die einzelnen Einflußgrößen näher
eingegangen werden.
2.1 Einfluß der chemischen
Zusammensetzung
Kohlenstoff ist das wichtigste Legierungsele-
ment im Stahl. Neben Kohlenstoff enthält jeder
unlegierte und niedriglegierte Stahl Silizium,
Mangan, Phosphor und Schwefel. Durch Zusatz
weiterer Legierungselemente werden besondere
Wirkungen und Eigenschaften erzielt. So lassen
sich z. B. durch Zusatz von Chrom, Nickel und
Molybdän die mechanischen Eigenschaften von
Stählen verbessern. Es stellt sich die Frage, wie
sich einzelne Elemente auf das Schneidverhal-
ten auswirken. Ausgehend von Untersuchungen
und Angaben im Schrifttum [10] ergibt sich fol-
gendes Bild im Hinblick auf den Einfluß einzel-
ner Legierungselemente und Stahlbegleiter beim
Laserstrahlbrennschneiden:
• Kohlenstoff
Unter 1 % Kohlenstoffanteil wird das Schneid-
ergebnis nicht negativ beeinflußt. Bei eigenen
Untersuchungen ließen sich Bleche mit einem
Tafel 1: Spannen
der chemischen Chemische Zusammensetzung (Massenanteile in %)
Zusammen-
C Si Mn P S
setzung der in
eigenen Unter-
0,05 0,33 0,87 0,010
suchungen laser-
bis bis bis bis
strahlgeschnitte-
0,18 0,66 1,79 0,016
nen Stähle
98
Kohlenstoffgehalt bis 0,28 % problemlos mit
dem Laserstrahl schneiden.
• Silizium
Bis vor einiger Zeit bestand die Meinung, daß
höhere Siliziumanteile das Schneidergebnis
negativ beeinflussen. Das ist nach heutigem
Wissenstand überholt [8,11]. Übliche Silizium-
gehalte bis zu 0,35 % führen nicht zu einer
Beeinträchtigung des Schneidverhaltens. Selbst
bei Schneidversuchen an hochfesten Blechen
mit Siliziumgehalten bis zu 0,75 % ergaben
sich bei hoher Schneidgeschwindigkeit ein-
wandfreie Schnittkanten.
• Schwefel
Die bei Baustählen heute üblichen Schwefel-
gehalte von weniger als 0,010 % haben keinen
erkennbaren Einfluß auf das Schneidergebnis.
• Mangan
Bei den üblichen Mangangehalten in Stählen
bis zu 2 % ist keine Beeinträchtigung des
Schneidergebnisses bekannt.
• Chrom/Nickel
Die hochschmelzenden Legierungsbestandteile
können beim Schneiden mit Sauerstoff zu einer
zähflüssigen Oxidschicht auf der Schnittkante
und zur Bildung eines Grates führen. Chrom-
gehalte bis etwa 0,90 % sowie Nickelgehalte
bis 1,75 % haben sich bei bisherigen Unter-
suchungen jedoch nicht störend ausgewirkt.
Im Rahmen einer stichprobenartigen Unter-
suchung wurden Laserstrahlschnitte an unter-
schiedlich legierten thermomechanisch gewalzten
sowie wasservergüteten Stählen mit Mindest-
werten der Streckgrenze von 460 MPa bis 960
MPa und Blechdicken zwischen 5 mm und
10 mm durchgeführt. Die Spanne der einzel-
nen Elemente geht aus Tafel 1 hervor. Die
Oberfläche der Bleche war gestrahlt. Die Ver-
suche wurden mit einem 2 kW-Laser durch-
geführt. Die Laserleistung am Werkstück betrug
je nach Blechdicke 1.200 W bis 1.600 W.
Tafel 2 enthält die Schneidbedingungen so-
wie eine Bewertung der bei diesen Schneidver-
suchen erreichten Schnittgüte. Es wird deutlich,
daß trotz der erheblichen Unterschiede in der
chemischen Zusammensetzung bei nahezu
gleichen Schneidbedingungen eine annähernd
gleiche Schnittflächenqualität erreicht wurde.
Mo Cr V Ti
0,001 0,01 0,03 0,004 0,003
bis bis bis bis bis
0,007 0,45 0,77 0,047 0,098
 Erfahrungen mit dem Laserstrahlschneiden von Grobblechen
Starke Verunreinigungen oder Seigerungen
im Blech können zu einem ungünstigen Schneid-
verhalten beitragen. Größere nichtmetallische
Einschlüsse und ausgeprägte Seigerungen führen
zu erkennbaren Störungen im Schneidablauf [9].
Unberuhigte Stähle sollte man deshalb nicht laser-
strahlschneiden, wenn Qualitätsschnitte gefordert
sind. So wurden z. B. bei Schiffsblechen der Güte
Grad A häufig Mangansulfidzeilen gefunden, die
im Schnittbereich infolge ihres inerten Charak-
ters die Stahlverbrennung empfindlich störten
[12]. Günstiger verhalten sich hier nach moder-
nen Herstellungsverfahren erschmolzene und
gewalzte LaserCut- und Feinkornbaustähle, bei
denen die Legierungselemente und Stahlbegleiter
in engen Spannen gehalten werden. Für den
Verarbeiter ergibt sich dadurch eine nahezu
gleichbleibende chemische Zusammensetzung
mit guter Eignung zum Laserstrahlschneiden.
Bei LaserCut-Blechen wird neben der erwähn-
ten günstigen chemischen Zusammensetzung
besonderer Wert auf eine für das Laserstrahl-
schneiden günstige Blechoberfläche und das
Minimieren von Eigenspannungen in den
Blechen gelegt.
2.2 Einfluß der Blechoberfläche
Geht man davon aus, daß Laser aus wirtschaft-
lichen Gründen vorwiegend im oberen Leistungs-
bereich betrieben werden, so kommt der Ober-
fläche des zu schneidenden Bleches nach bishe-
rigem Kenntnisstand entscheidende Bedeutung
zu. Günstig wirkt sich eine gleichmäßige und fest-
haftende, dünne Zunderschicht auf die Schnitt-
güte aus. Diese ergibt sich bei Warmband und bei
thermomechanisch gewalzten Blechen. Auch nor- Tafel 2: Unter-
malisierend gewalzte Bleche, die nachfolgend suchung zum
nicht mehr wärmebehandelt werden, weisen eine CO2-Laserstrahl-
entsprechend günstige Oberfläche auf. Eine schneiden hoch-
gleichwertige Alternative bieten glatte, leicht fester Baustähle;
kugelgestrahlte und mit einer dünnen Primer- Schneidbedin-
schicht versehene sowie gebeizte und leicht gungen, Stan-
geölte Oberflächen. Oft werden auch Bleche, dardeinstellung
deren Oberfläche zum Entfernen von Rost und bei gestrahlten
Restzunder nur leicht kugelgestrahlt wurde, mit Oberflächen
gutem Erfolg geschnitten.
Ungünstig wirken sich dagegen Oberflächen-
beschädigungen wie Riefen, Eindrücke oder Rost-
narben aus. Auch Sandstrahlen, verschmutzte
Oberflächen oder ungleichmäßiger und loser
Zunder stören den Schneidvorgang. Die Auswir-
kungen einer ungünstigen Blechoberfläche neh-
men mit steigender Blechdicke zu. Um zu einer
bedingungsgemäßen Schnittqualität zu kommen,
muß die Blechoberfläche entsprechend behandelt
werden. Das kann, wie bereits angesprochen,
beispielsweise durch ein ausreichendes, aber
nicht zu starkes Strahlen mit Stahlkies oder
Strahlen und Aufbringen eines dünnen Korro-
sionsschutzes erfolgen. Eine andere Möglichkeit
ist das Anpassen der Schneidbedingungen an den
ungünstigen Oberflächenzustand, was häufig zu
einer deutlichen Verringerung der Schneidge-
schwindigkeit führt.
Schneidversuche an 8 mm dicken Blechen
Um einen Eindruck zu bekommen, welchen
Einfluß die Oberfläche bei vergleichsweise dün-
nem Blech auf die Schnittflächengüte beim Laser-
strahlschneiden hat, wurden stichprobenartig
99
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
Tafel 3: Chemi- Versuche mit einem 2 kW-Laser durchgeführt.
sche Zusammen- In einer ersten Versuchsreihe fand ein der laufen-
setzung und den Produktion entnommenes 8 mm dickes
Oberflächenaus- S235JR-Warmbandblech Verwendung. Tafel 3
führung der gibt Auskunft über die chemische Zusammen-
untersuchten setzung und die Schneidbedingungen beim Laser-
8 mm dicken strahlschneiden. Das Blech besaß eine Oberfläche
Bleche sowie mit einer feinen, festhaftenden Oxidschicht aus
Bedingungen sogenanntem Mikrozunder. Zum Vergleich wur-
beim Laserstrahl- den folgende Oberflächenzustände vorbereitet:
schneiden a) Unbehandelt / Walzzustand,
b) Oberfläche gestrahlt,
c) Oberfläche gestrahlt und beschichtet mit
PVB-Primer, rund 20 µm Schichtdicke,
d) Oberfläche gestrahlt und beschichtet mit
Zinksilikat-Primer ZS 1589, rund 15 µm
Schichtdicke,
e) Oberfläche gestrahlt und beschichtet mit
Zinksilikat-Primer ZS 1589, rund 30 µm
Schichtdicke.
Um den Einfluß der Blechoberfläche deutlich
zu machen, wurden zunächst konstante Schneid-
bedingungen eingestellt. Die beste Schnittflächen-
güte wurde an Blechen mit der gleichmäßigen,
leicht verzunderten Walzoberfläche erreicht.
Das Blech mit der gestrahlten bzw. mit der ge-
strahlten und nachfolgend mit einem dünnen
Primer beschichteten Oberfläche weist eben-
falls zufriedenstellende Schnittkanten auf. Mit
zunehmender Primerschichtdicke werden die
Schneidriefen besonders im unteren Teil der
Schnittfläche rauher. Durch Anpassen der Schneid-
geschwindigkeit und des Schneidgasdrucks läßt
sich jedoch auch hier eine ausreichende Schnitt-
kante darstellen, doch geht das eindeutig zu
100
Lasten der Wirtschaftlichkeit. Im Vergleich dazu
deuten neuere Untersuchungen darauf hin, daß
der Einfluß der Primerschichtdicke mit zuneh-
mender Blechdicke geringer wird.
Schneidversuche an 20 mm dicken Blechen
In einer weiteren Versuchsreihe wurden
20 mm dicke Quartogrobbleche mit unterschied-
licher Oberflächenausführung in Zusammenarbeit
mit der Fa. Trumpf untersucht. Für die Schneid-
versuche stand ein Laser der neuen Generation
mit einer Laserleistung von 3,8 kW zur Verfügung.
Diese Laser sind seit Oktober 1998 auf dem Markt.
Tafel 4 gibt Auskunft über die chemische
Zusammensetzung der bei diesen Versuchen ein-
gesetzten 20 mm dicken Bleche. Im Hinblick auf
die bisher sehr widersprüchlichen Aussagen im
Schrifttum zum Einfluß des Siliziumgehalts auf
das Schneidverhalten wurden sowohl Si-haltige
wie auch Si-freie Bleche gewählt, wobei der
Schwerpunkt auf den Si-haltigen Blechen lag.
In der Tafel wird auf die gezielt eingestellte, unter-
schiedliche Oberflächenausführung ausgewiesen.
Die beschichteten Bleche waren mit dem im all-
gemeinen hellbraunen Zinksilikat-Shopprimer
Hempel ZS 1589 versehen. Zusätzlich wurde erst-
mals stichprobenartig auch ein grauer Farbton
aufgetragen.
Der Zinksilikat-Shopprimer wurde nach einer
Reihe von Untersuchungen gewählt, weil er im
Vergleich mit anderen Beschichtungen zu einer
abriebbeständigeren und kratzfesteren Oberfläche
führt. Infolge seines sehr geringen Anteils an orga-
nischen Bestandteilen kommt es beim thermi-
 Erfahrungen mit dem Laserstrahlschneiden von Grobblechen

schen Schneiden, aber auch beim Überschweißen,

zu deutlich geringerer Gasentwicklung als z. B.
bei PVB-Primern, die einen wesentlich höheren
Anteil organischer Bestandteile aufweisen. Weitere
Vorteile des Zinksilikat-Primers sind seine längere
Schutzwirkung gegen Korrosion und die gerin-
gere Feuchtigkeitsaufnahme. Letzteres macht
sich besonders beim Überschweißen im Hin-
blick auf das Vermeiden wasserstoffinduzierter
Risse positiv bemerkbar.
Zur Ermittlung des Schneidverhaltens wurden
Gerad- und Konturschnitte ausgeführt. Wesentli-
cher Gesichtspunkt war neben einer qualitativ
guten Schnittfläche eine möglichst wirtschaftli-
che, d.h. hohe, Schneidgeschwindigkeit. Hier
machte sich die im Vergleich zu früheren Unter-
suchungen deutlich höhere Laserleistung sehr
positiv bemerkbar. Nach Optimieren der Arbeits-
einstellung erfolgten je Blech und Oberflächen-
ausführung zunächst Geradschnitte unter folgen-
den Bedingungen:
Schneidlaser: Trumpf TLF 3800 turbo
Laserleistung: 3800 W = 100 % einem Si-Gehalt von 0,24 %. Ausgewiesen wird für Tafel 4: Chemi-
Schneidgeschwindigkeit: 900 mm/min. einige Bleche auch die Rauheit Ra der Blechober- sche Zusammen-
Schneidgasdruck : 0,7 bar fläche. Die vereinzelt auftretenden Kolkungen setzung und
Als Bewertungskriterium wurde bei den 600 lassen sich auf Störungen wie Walzhautabplat- Oberflächenaus-
mm langen Geradschnitten neben der visuellen zungen oder Riefen auf der Blechoberfläche zu- führung 20 mm
Beurteilung der Schnittflächen die gemittelte rückführen. Bild 4 enthält die Informationen über dicker Grob-
Rauhtiefe RZ nach DIN 2310-5 bestimmt. Dabei ist die restlichen Schnitte an Blechen mit normalem bleche für die
zu beachten, daß die Rauheitsmessung im Abstand Si-Gehalt im Vergleich zu Blechen mit 0,01 % Si. Untersuchung
2/3 Blechdicke von der Blechoberfläche, d. h. im Dabei wird deutlich, daß der Si-Gehalt der Bleche des Einflusses
bei Laserstrahlschnitten kritischen unteren Bereich keinen Einfluß auf das Schneidverhalten und die des Si-Gehaltes
der Schnittfläche, vorgenommen wird. Schnittflächengüte hat. auf die Rauheit
Das Laserstrahlschneiden 20 mm dicker Auffallend ist die vergleichsweise rauhe von Laserstrahl-
Bleche ist selbst für heute zur Verfügung stehende Oberfläche der gestrahlten, nicht geprimerten schnittflächen
Laser eine anspruchsvolle Aufgabe. Um so beacht- Bleche, besonders ausgeprägt die des handge-
licher sind die Ergebnisse der vorliegenden Unter- strahlten Probeblechs mit entsprechend ungün-
suchung. Bild 3 zeigt die Schnittflächen und die stigem Einfluß auf die Rauheit der Schnittfläche.
Rauheitsprofile nach dem Laserstrahlschneiden Tafel 5 faßt die visuelle Bewertung der Schnitt-
des in unterschiedlicher Oberflächenausführung flächen und eine Einstufung der erreichten Ober-
vorliegenden, handelsüblichen S235JR-Blechs mit flächengüte nach DIN 2310 zusammen. Die Unter-

Tafel 5: Laser-
strahlschneiden
von 20 mm
Grobblech –
Beurteilung der
Schnittflächen

101
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 3: Einfluß unterschiedlicher Oberflächenausführungen eines Bleches S235JR mit 0,24 % Si auf die Rautiefe RZ der Laserstrahlschnittflächen

Bild 4: Vergleich des Einflusses des Si-Gehaltes auf die Qualität der Laserstrahlschnittflächen: S235JR mit 0,24 % Si und S235JR-LC mit 0,01 % Si

102
 Erfahrungen mit dem Laserstrahlschneiden von Grobblechen

suchung bestätigt, daß die Oberflächenbeschaf- Thermische Eigenspannungen ergeben sich durch
fenheit eines Blechs wesentlichen Einfluß auf das unvermeidbare, ungleichmäßige Abkühlvorgänge
Schneidverhalten hat. Eine festhaftende, gleich- während des Fertigungsprozesses, z. B. über die
mäßige Zunderschicht auf der Blechoberseite Blechdicke, die Blechlänge oder im Vergleich
führt zu sehr guten Schnittflächen. Es besteht Rand- zu Mittenbereich. Umformungseigenspan-
jedoch die Gefahr, daß durch abplatzenden Zun- nungen entstehen durch ungleichmäßige Umfor-
der Störungen an der Schnittfläche entstehen mung infolge äußerer Kräfte. Eigenspannungen
können. Der Walzoberfläche absolut vergleichbare können unregelmäßig über das Blech verteilt auf-
Schnittqualität wurde an Blechen erreicht, die mit treten. Es ist bekannt, daß nicht wärmebehandelte
einer Zinksilikat-Primerschicht von 15 µm und Stähle mit höherem Mikrolegierungsgehalt ver-
25 µm versehen waren. Die lediglich gestrahlten stärkt zu Eigenspannungen neigen. Auch nehmen
Bleche weisen zufriedenstellende Schnittflächen die Eigenspannungen mit steigender Festigkeit
auf, doch ist die Rauheit der Schnittkanten im der Stähle zu. Die Beeinflussung des Schneidver-
allgemeinen größer als bei Blechen mit „ideal“ haltens infolge von Eigenspannungen gewinnt
ausgebildeter Walzhaut oder solchen mit gepri- mit abnehmender Blechdicke und zunehmender
merter Oberfläche. Blechbreite an Bedeutung. So können Eigenspan- Bild 5: Laser-
Im Anschluß an die Geradschnitte wurden nungen selbst durch das vergleichsweise geringe strahlschneiden
an allen Blechen sehr viel anspruchsvollere Kon- Wärmeeinbringen beim Laserstrahlschneiden von 20 mm
turschnitte durchgeführt, um die besonderen unkontrolliert frei werden und zu erheblichen dickem Grob-
Anforderungen an das Schneidverhalten von Problemen in Form von Verzug und Verwerfun- blech S235JR,
Stählen beim Ausschneiden von Kleinteilen zu gen führen. Im Einzelfall kann eine plötzlich geprimert,
simulieren. Dabei kommt es auf ein möglichst auftretende Verwerfung des Blechs die Beschä- Schichtdicke
bartfreies Schneiden und eine gute Entfernbarkeit digung der Schneiddüse nach sich ziehen. 15 µm
der Probe aus dem Ausgangsblech an.
Es zeigte sich, daß bei diesen Schnitten die
Geschwindigkeit unabhängig von der Stahlzu-
sammensetzung rund 6 % gesenkt und der Sauer- Schnitt mit 3 kW-Laser
stoffdruck bei ansonsten gleichen Schneidbedin-
gungen von 0,7 bar auf 0,8 bar angehoben wer-
den mußte, um Proben mit sehr guten Schnitt-
kanten herstellen zu können. Ein Unterschied im
Schneidverhalten zwischen den Blechen mit Walz-
oberfläche und denen mit geprimerter Oberfläche
war nicht erkennbar. Bei den hand- bzw. betrieb-
lich gestrahlten Blechen war es außerdem erfor-
derlich, den Düsendurchmesser von 1,7 mm auf Schnitt mit 3,8 kW-Laser
2,3 mm zu vergrößern, um zu vergleichbarer
Schnittflächengüte zu kommen. Im Vergleich zu
früheren Untersuchungen an 20 mm dicken Ble-
chen, bei denen mit geringerer Laserleistung von
2,7 kW geschnitten wurde, wirkte sich die grö-
ßere Leistung des Lasers bei diesen Schnitten
sehr günstig aus. Neben der höheren Schneidge-
schwindigkeit wiesen die Schnittkanten dieser
Versuchsreihe eine erheblich geringere Rauheit
auf. Bild 5 zeigt die Probenabmessungen und
Abmessung der Konturprobe (Angaben in mm)
beispielhaft den Unterschied an Proben aus
dem mit 15 µm Zinksilikat-Primer beschichte-
ten S235JR-Blech der früheren und jetzigen
Versuche.

2.3 Einfluß von Eigenspannungen

Unter Eigenspannungen versteht man allge-

mein die Spannungen in einem Blech, die im Ver-
lauf des Herstellungsprozesses durch thermische
Beanspruchung und Umformung entstanden sind.

103
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
3 Folgerungen für die Blechauswahl
Im Hinblick auf das Schneidverhalten tritt die
chemische Zusammensetzung von Blechen, die
in modernen Stahl- und Walzwerken mit hohem
Reinheitsgrad und engen Spannen hinsichtlich
ihrer chemischen Zusammensetzung hergestellt
werden, in den Hintergrund. Zwischen den Si-
haltigen und den Si-freien Blechen war bei ver-
schiedenen Untersuchungen kein erkennbarer
Unterschied bezüglich des Schneidverhaltens
feststellbar. Der häufig diskutierte ungünstige
Einfluß von Silizium auf das Schneidverhalten,
der mit zunehmender Blechdicke verstärkt auf-
treten soll, war selbst bei Blechdicken von 20 mm
nicht erkennbar.
Im wesentlichen bestätigen Untersuchungen
und die bisherigen Erfahrungen beim Laserstrahl-
brennschneiden die Aussagen, daß für ein opti-
males Schneidverhalten bei ausreichender Laser-
leistung in erster Linie die Oberflächenbeschaf-
fenheit der zu schneidenden Bleche entscheidend
ist. Gute Voraussetzungen für qualitativ hochwer-
tige Laserstrahlschnitte bieten Blechoberflächen
mit gleichmäßigem, unbeschädigtem und fest-
haftendem Walzzunder, wie sie bei Warmband
sowie bei thermomechanisch gewalzten und
normalisierend gewalzten Blechen heute Stan-
dard sind. Auch gebeizte und leicht geölte Blech-
oberflächen führen beim Laserstrahlschneiden
zu sehr guten Schnittkanten. Werden Bleche nach
dem Walzen wärmebehandelt, z. B. normalge-
glüht, angelassen oder wasservergütet, so sind
die dann vorliegenden Blechoberflächen mit
ihrem ungleichmäßigen und unterschiedlich
Bild 6: Einfluß-
größen mit posi-
tiver und nega-
tiver Wirkung
beim Laser-
strahlschneiden
von Blechen
104
festen Glühzunder weniger zum Laserstrahl-
schneiden geeignet. Das gleiche gilt für Ober-
flächenbeschädigungen, die sich beim Handling im
Herstellerwerk, beim Transport oder beim Ver-
arbeiter nicht ausschließen lassen. Hier konnte
durch intensive Untersuchungen eine Lösung
gefunden werden. Bis etwa 12 mm Blechdicke
reicht ein Entfernen des Glühzunders durch an-
gemessenes Kugelstrahlen aus, um qualitativ gute
Laserstrahlschnitte wirtschaftlich durchführen zu
können. Bei größeren Blechdicken erwies sich
das Kugelstrahlen und Beschichten mit einem
abriebbeständigen und kratzfesten Primer als
die sinnvollste Alternative. Bleche, die nach dem
Strahlen mit einer dünnen Zinksilikat-Primer-
schicht versehen wurden, wiesen ein ausge-
zeichnetes Schneidverhalten auf. Die erreich-
bare Schnittflächengüte bei geprimerten Ble-
chen ist der von Blechen mit festhaftender,
gleichmäßiger Walzoberfläche vergleichbar.
Bild 6 gibt nochmals einen Überblick über
wesentliche Aspekte beim Laserstrahlschneiden,
sowohl hinsichtlich der Stahlauswahl wie auch
sonstiger Randbedingungen.
Das Laserstrahlschneiden erfordert möglichst
eigenspannungsarme Bleche. Dem haben die
Thyssen Krupp Stahl AG und andere Stahlher-
steller Rechnung getragen, indem bei bestimmten
Stahlsorten spezielle Bleche mit besonderer Eig-
nung zum Laserstrahlschneiden hergestellt wer-
den, sogenannte LaserCut-Bleche. Hierbei werden
gegenüber der normalen Fertigung zusätzliche
Maßnahmen getroffen, um weitgehend eigen-
spannungsarme Bleche bereitzustellen. Das be-
zieht sich zum einen auf eine besondere Wärme-
 Erfahrungen mit dem Laserstrahlschneiden von Grobblechen
führung bei der Blechherstellung. Weiterhin lassen
sich Eigenspannungen mit Hilfe moderner Kalt-
richtmaschinen in ihrer Stärke und Verteilung
weitgehend abbauen. Bild 7 zeigt den Auszug
eines entsprechenden Werkstoffdatenblattes für
LaserCut-Bleche mit Mindestwerten der Streck-
grenze von 235 N/mm2 bis 420 N/mm2. Richt-
kritische Bleche, das sind im allgemeinen beson-
ders dicke oder besonders breite und dünne Ble-
che, sind jedoch von der LaserCut-Fertigung aus-
genommen.
Daneben gibt es für den Verarbeiter aber
auch Möglichkeiten, eigenspannungsbehaftete
Bleche wirtschaftlich mit dem Laser zu schneiden.
Zum einen kann eine intelligente Schneidfolge
zu einer Minimierung von Verzug oder Verwer-
fungen beitragen. Eine sehr effektive Maßnahme
ist zum anderen das Fixieren der Bleche, z. B.
mit Hilfe mobiler Niederhalter oder Magnete.
4 Zusammenfassung
Das Laserstrahlschneiden ist ein vergleichs-
weise junges thermisches Trennverfahren, das in
der Stahlverarbeitung zunehmend an Bedeutung
gewinnt. Dabei wird bei unlegierten und niedrig-
legierten Stählen bevorzugt das Laserstrahlbrenn-
schneiden unter Verwendung von Sauerstoff als
Schneidgas eingesetzt. Das Verfahren bietet trotz
seiner vergleichsweise hohen Investitionskosten
erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Dazu zählen
zunächst die hohe Schneidgeschwindigkeit sowie
die ausgezeichnete Maßhaltigkeit der geschnit-
tenen Werkstücke. Weiterhin erweist sich das
Verfahren als besonders geeignet für eine rech-
nerunterstützte Automatisierung. Auch der ver-
nachlässigbare Verzug und das Entfallen kosten-
intensiver Nacharbeit tragen erheblich zu den
Vorzügen des Laserstrahlschneidens bei.
Die wirtschaftlichen Vorteile kommen je-
doch nur zur Geltung, wenn die entsprechen-
den Voraussetzungen gegeben sind. Das gilt
zum einen für eine fachkundige Bedienung
der Anlagen sowie für die Wahl angemessener
Schneidbedingungen.
Zum anderen werden auch an die zu schnei-
denden Bleche besondere Anforderungen gestellt.
So hat der Oberflächenzustand der Bleche ent-
scheidenden Einfluß auf das Schneidverhalten
beim Laserstrahlschneiden. Neben einer gleich-
mäßigen und festhaftenden Walzzunderschicht
bieten kugelgestrahlte und mit einem dünnen
Zinksilikat-Primer beschichtete Bleche beste
Voraussetzungen für qualitativ hochwertige Laser-
strahlschnitte. Auch gebeizte und leicht geölte
Blechoberflächen führen zu bedingungsgemäßer
Verarbeitung. Während die chemische Zusammen-
setzung zeitgemäßer Bleche eine eher unterge-
ordnete Rolle spielt, sollten die Bleche möglichst
eigenspannungsarm sein. Letzteres läßt sich durch
gezielte Maßnahmen im Fertigungsablauf der
Bleche sicherstellen. Diese mit zusätzlichem
Aufwand gefertigten Bleche sind als LaserCut-
Güten besonders für das Laserstrahlschneiden
geeignet. Der Einsatz solcher Bleche könnte je-
doch im Zweifelsfall teurer sein als geeignete
Haltevorrichtungen an den Brenntischen oder
Schneidpläne, die möglichen Eigenspannungen
in Blechen Rechnung tragen.
Bild 7: Auszug
aus dem Laser-
Cut-Werkstoff-
datenblatt
105
 Grobblech – Herstellung und Anwendung
5 Schrifttum
[1] Beyer, E.; Herziger, G.; Poprawe, R.:
Stand und Entwicklungstendenzen der
Werkstoffbearbeitung mit Laserstrahlen.
Schweißen und Schneiden 40 (1988), Heft 12,
S. 620 – 622
[2] Aichele, G.:
Plasma- oder Laserschneiden.
Schweißtechnik, Wien 50 (1996) 3, S. 39 – 46
[3] Rofin Sinar- Broschüre:
Einführung in die industrielle Lasermaterial-
bearbeitung. 08/97, S. 7
[4] Amende, W.; Wolf, G.:
Schweißen und Schneiden mit Laserstrahlen.
Der Praktiker 2/88, S. 71 – 78
[5] Bachthahler, M.; Arlt, G.:
Mit neuen Technologien durch die Krise.
Laserpraxis. Supplement zu Hanser Fachzeit-
schriften, Okt. (1994), S. 81 – 84
[6] Petring, D.; Behler, K.; Wissenbach, K.;
Poprawe, R.:
Stahl und Laser – neue Perspektiven für neue
Märkte.
Stahl und Eisen, Sonderdruck Ausgabe 11/96
106
[7] Weick, H.-J.:
Laserschneiden in der neuzeitlichen Fertigung
von Blechteilen.
Der Praktiker 9/86, S. 406 – 412
[8] Weik, J.-M.:
Laserschneiden: Prozeßoptimierung und neue
Perspektiven.
Eurolaser. Zeitschrift für die industrielle Laser-
anwendung 3/97, S. 42 – 51
[9] Mootz, A.; Kappelsberger, E.:
Laserstrahlschneiden – eine Konkurrenz für
konventionelle Schneidverfahren.
Stahl (1995) 3, S. 15 – 19
[10] NN:
Datensammlung TC L 2539 Laserschneiden.
Fa. Trumpf GmbH & Co, D-72254 Ditzingen
[11] NN:
„Laser-Bleche“ leisten mehr / Die Qualität
beim Laserschneiden beginnt mit der Auswahl
des Stahls.
Produktion – Die Wochenzeitschrift für das
technische Management Nr. 9, Febr. 1997
[12] Heidenreich, B.:
Untersuchungen zum Auskolken beim Laser-
strahlbrennschneiden von Schiffsblechen.
Schweißen und Schneiden 48 (1996), Heft 12,
S. 944 – 953
 Anwendung von Grobblechen im Walzwerksmaschinenbau

Anwendung von Grobblechen im Walzwerksmaschinenbau

Dipl.-Ing. H. Thiel, Hilchenbach

In den letzten Jahrzehnten haben geschweißte
Grobblechkonstruktionen die bisher gebräuch-
lichen Stahlgußkomponenten immer mehr aus
dem Walzwerksbau verdrängt. So werden heute
Einzelaggregate in den Walzstraßen zum Teil oder
auch vollständig aus Grobblechen gefertigt.
Die Homogenität der Walzerzeugnisse und
die bei guter Schweißeignung günstigen Herstel-
lungsmöglichkeiten der Maschinenaggregate
bringen gegenüber den Stahlgußausführungen
erhebliche Kostenvorteile.
Vorrangig werden Bleche in Dicken von
20 mm bis 270 mm aus den Stahlsorten S235JR
(St 37-2) und S355J2 (St 52-3) eingesetzt. Die
Verwendung höherfester Stahlsorten steigert
die Wettbewerbsfähigkeit der geschweißten
Konstruktionen nochmals um ein Vielfaches.
Maßhaltigkeit und Oberflächengüte sind weitere
Qualitätsmerkmale, die das Grobblech für die
Verwendung beim Bau der neuen Generation
von Walzwerksanlagen, z. B. den Kompakt-
Kassetten-Gerüsten, besonders empfehlen.

Bild 1: Schemati-
sche Darstellung
einer Warmbreit-
bandstraße mit
Einzelaggrega-
ten, die als ge-
schweißte Grob-
blechkonstruk-
tionen ausgeführt
sind

Maschinenständer Pendelschere

Bauteilabmessungen:
2900x3500x3200

Blechabmessungen:
20x700x2305
130x745x750

Werkstoff:
S355J2 (St52-3)
Bild 2: Maschi-
Pendelschere und Tunnel- nenständer der
ofen als Grobblech- Pendelschere
Schweißkonstruktion und Tunnelofen
als Schweiß-
konstruktionen

107
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 1 gibt schematisch einen Überblick über

den Aufbau einer Warmbreitbandstraße. Die ver-
schiedenen als Schweißkonstruktionen ausge-
führten Einzelaggregate werden in den Bildern
2 bis 6 gezeigt.
Weitere Beispiele für die Verwendung ge-
schweißter Grobblechkonstruktionen im Schwer-
maschinenbau sind in den Bildern 7 bis 10
dargestellt.

Bild 3: Fertig-
staffel einer
Warmbreitband-
straße mit
Schweiß-
konstruktionen
auch in hoch
beanspruchten
Bereichen

Leichter Staucherrahmen Hüttenflur, verfahrbar

Schweißkonstruktion Schweißkonstruktion
Blech 250 mm dick Grobblech

Bild 5 (unten): Stirnrad des Hauptgetriebes zum Antrieb

Getriebegehäuse der Fertiggerüste einer Warmbreitbandanlage, zum Teil
als Schweißkonstruktion ausgeführt
Bauteilabmessungen:
3474x1800x4830
Blechabmessungen:
50x240x3950
Werkstoff:
S355J2 (St52-3)

Bild 4 (oben):
Geschweißtes
Gehäuse des
Hauptgetriebes
zum Antrieb der
Fertiggerüste
der Warmbreit-
bandanlage

Grobblech
Schweißkonstruktion

108
 Anwendung von Grobblechen im Walzwerksmaschinenbau

Bild 6: Haspelan-
lage, dynamisch
Unterflurhaspel hoch beansprucht;
mit Coiltransport Ständer, Grund-
rahmen und Um-
Bauteilabmessungen: lenkschalen sowie
4500x4000x3400 der Coiltransport-
wagen sind als
Blechabmessungen: Schweißkonstruk-
150x4000x7000 tionen ausgeführt
50x1000x2000

Werkstoff:
S235JR (RSt37-2)
S355J2 (St52-3)

Coiltransport komplett aus

Grobblech geschweißt

Bild 7: Schweiß-
konstruktion für
ein Vor- oder
Grobblechgerüst

Säulen zur Aufnahme der

Staucherantriebs-Motoren
und Staucherhauptgetriebe –
komplett in Schweiß-
konstruktion

Getriebegehäuse

Bauteilabmessungen:
1350x2700x12500

Blechabmessungen:
270x13500x6080
50x1000x2000
250 mm
Werkstoff:
S235JR (RSt37-2) Bild 8: Schweres
S355J2 (St52-3) Getriebegehäuse
zum Stauch-
walzenantrieb,
ausgeführt als
Schweiß-
konstruktion

109
 Grobblech – Herstellung und Anwendung

Bild 9: Spezielle
Lastaufnahme-
mittel für die
gesamte Walz-
werksanlage;
hergestellt als
Grobblech-
schweißkon-
struktionen
aus hochfesten
Stählen
Lastaufnahmemittel aus hochfestem
Grobblech (unterliegt ständiger TÜV-
Prüfung)

Bild 10: Zapfen-

buchse in
Zapfen-
Morgoil®-Lagern,
buchse „a“
hergestellt aus
aus hoch-
Grobblech einer
festem
hochfesten Stahl-
Grobblech
sorte

110