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Dialekte, die wir heute, Jahrhunderte nach Beendigung dieser Entwicklung, im deutschen Sprachgebiet
finden, existieren auf der Grundlage der Zweiten Lautverschiebung. Neben diesem Haupteinflussfaktor
lassen sich weitere Entwicklungen nennen, die ebenfalls Einfluss auf das Werden der deutschen Sprache
nahmen. Darunter fallen Siedlungsgeschichtliches (v. a. im Raum Sachsen und Thüringen), der Kontakt zu
anderen Sprachen sowie gesellschaftspolitische Aspekte wie der Untergang der deutschen Hanse als Anlass
für die sinkende Bedeutung der niederdeutschen Mundart oder die sozialen, politischen und kulturellen
Veränderungsprozesse seit der industriellen Revolution.
In wie viele Dialekte genau sich die großen Dialektgruppen Nieder-, Mittel- und
Oberdeutsch aufgliedern, ist schwer zu sagen. Zu den linguistischen Kriterien
kommen politische: Neben Deutschland und angrenzenden Gebieten gibt es
deutsche Sprachinseln in Polen, Slowenien oder der Ukraine, um nur einige zu
nennen. Wie gehen wir mit der luxemburgischen Sprache um – betrachten wir
sie als Dialekt des Deutschen oder als eigenständige Sprache? Was ist mit
Plautdietsch in Mittel- und Südamerika, mit Pennsylvania Dutch oder
Texasdeutsch in Nordamerika? Sind diese Varianten schon eigenständige
Sprachen oder Dialekte? Während Fragen dieser Art die Sache kompliziert
machen, heben sie auch ein Merkmal von Sprache hervor:
Sprache lebt, verändert sich und atmet. Es gibt sie in vielen Farben und Facetten – und
genau das macht es so interessant, Sprachen zu lernen.
Im Brandenburgischen Umland gilt Berlinisch seit dem 20. Jahrhundert als selbstverständlicher,
umgangssprachlicher Standard. Doch in der Stadt selbst, vor allem in West-
Berlin, entstanden durch Zuzug und bildungsbürgerliche Dialektflucht Entwicklungstendenzen des
Berlinischen zu einem Soziolekt.
im 18. Jahrhundert war das Berlinische im Grunde schon so da, wie man es heute kennt.“
Ursprung im Sächsischen
Mit der mündlichen Sprache passierte in jener Zeit etwas, was viele Berliner nicht erfreuen wird. Berlin liege
zwar nördlich der sogenannten Ick/Ich-Grenze und gehöre auf gewisse Weise zur niederdeutschen
Dialektlandschaft, sagt Solf. Aber das Obersächsische – die einst verbreitete Sprache der Oberschicht – hätte
großen Einfluss auf das Berlinische gehabt. „Es teilt mit dem Niederdeutschen viele Eigenheiten, aber die
Parallelen zum Obersächsischen sind in der gesprochenen Sprache viel augenfälliger“, lautet die These, die
Solf vertritt. Die Sprachforscherin Agathe Lasch hat es einst noch radikaler formuliert: Berlinisch sei
Sächsisch mit niederdeutscher Aussprache.
Als Beispiel dient Solf unter anderem die Verschiebung des Lautes „au“ zu „o“. Berliner sagten „ooch“,
„glooben“, „Boom“, ähnlich wie die Sachsen. Niederdeutsches Platt dagegen findet sich in Worten wie „ick“,
„kieken“, „det“ und „bissken“.