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Elektrische Messtechnik PDF
Elektrische Messtechnik PDF
Elektrische
Messtechnik
Analoge, digitale
und computergestützte Verfahren
7. Auflage
Elektrische Messtechnik
Reinhard Lerch
Elektrische Messtechnik
Analoge, digitale und computergestützte
Verfahren
Springer Vieweg
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
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rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann
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Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in
diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch
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Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Springer Vieweg ist Teil von Springer Nature Die eingetragene Gesellschaft ist Springer-Verlag GmbH
Berlin Heidelberg
Vorwort zur siebten Auflage
fasst. Außerdem wurde auf der beiliegenden DVD ein Kapitel zur Messun-
sicherheit aufgenommen, dessen Autor er ist. Auch dafür sei ihm herzlich
gedankt.
Des Weiteren gilt mein spezieller Dank Frau Christine Peter, die für die
technische Erstellung des Manuskriptes verantwortlich zeichnete. Auch Herrn
Michael Günther sei für seine Mitwirkung beim Update technischer Inhalte
gedankt. Die Zusammenarbeit mit dem Springer-Verlag war wie immer aus-
gezeichnet und verlief in sehr freundschaftlicher Atmosphäre.
email: reinhard.lerch@fau.de
Dank der regen Nachfrage kann bereits knapp zwei Jahre nach dem Erschei-
nen der letzten Auflage nunmehr die 6. Auflage dieses Werkes erscheinen.
Neben allfälligen Korrekturen kleiner Fehler und Aktualisierungen auf dem
Gebiet Computerunterstützte Messdatenerfassung wurde bei der Neuaufbe-
reitung ein umfangreicher Abschnitt zum Thema Energiemeter hinzugenom-
men. In diesem Abschnitt (Kap. 11.10) werden die technischen Aspekte der
modernen Leistungs- bzw. Energiemessung ausführlich diskutiert. Einen we-
sentlichen Teil nimmt dabei die Besprechung von integrierten Schaltkreisen
ein, die der Messung elektrischer Leistung und Energie im elektrischen Ener-
gieversorgungsnetz dienen. Diese integrierten Schaltkreise bilden ja auch das
Herzstück von neuartigen Energiemetern, den sog. Smart Metern, also elektro-
nischen Energiezählern, die leicht in moderne IT-Infrastrukturen eingebunden
werden können. Somit sind sie auch im Hinblick auf Energieeinsparung sowie
die Kanalisierung und Steuerung von Energieflüssen im Zuge der dezentra-
len elektrischen Energieversorgung unersetzlich geworden. Die Smart Meters
sind notwendig, um die derzeit in Diskussion bzw. Planung befindliche Smart-
Grid-Technologie des elektrischen Energieversorgungsnetzes zu realisieren.
Darüberhinaus werden auch die Verfahren vorgestellt, mit denen Leistun-
gen bzw. Energien von Mikrowellenkomponenten gemessen werden, wie z. B.
Leistungssensoren für den GHz-Bereich. In diesem Zusammenhang werden
die Hochfrequenz-Leistungsmessungen unter Verwendung von thermoelektri-
schen Umformern und Bolometern besprochen. Des Weiteren werden Lei-
stungsmssköpfe auf der Basis von kaskadierten logarithmischen Verstärkern
behandelt sowie solche, die mit Diodengleichrichtern arbeiten.
Bei all diesen Arbeiten konnte ich wieder auf das bewährte Team mei-
nes Lehrstuhls vertrauen. Mein besonderer Dank gilt Frau Bettina Melberg
und Frau Cornelia Salley-Sippel für ihre Unterstützung bei der Erstellung des
Layouts sowie den Herren Dipl.-Ing. Thorsten Albach, Dipl.-Ing. Dominik Ge-
deon, Dr. techn. Stefan J. Rupitsch, Dr.-Ing. Alexander Sutor und Michael
Günther für Ihre tatkräftige Mithilfe bei der inhaltlichen Gestaltung des Ma-
nuskriptes. Für die Unterstützung bei der technischen Erstellung des Werkes
VIII
email: reinhard.lerch@lse.eei.uni-erlangen.de
Für die 5. Auflage dieses Buches sind wichtige inhaltliche Erweiterungen vor-
genommen worden. So wurde beispielsweise im Kapitel Messverstärker ein
Abschnitt über Operationsverstärker mit differentiellem Ausgang hinzugefügt
und im Kapitel Analoges Messen elektrischer Größen ein Abschnitt über
Strommeßzangen neu aufgenommen. Außerdem wurden dort die Operations-
verstärker-Datentabellen aktualisiert. Da insbesondere die Hard- und Softwa-
re zur Messdatenerfassung und Laborautomation kontinuierlicher Innovation
unterliegen, wurden die entsprechenden Kapitel auf den neuesten Stand der
Technik gebracht, so zum Beispiel auch der Abschnitt über PXI-Systeme, wel-
che in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnen. Auch der Abschnitt
über Analog-Digital-Umsetzer wurde aktualisiert. Das Angebot an Software,
Rechenbeispielen und sonstigen Übungsaufgaben, die sich auf der beiliegen-
den DVD befinden, wurde ergänzt und ebenfalls auf den neuesten Stand ge-
bracht. Weiterhin wurden alle Kapitel im Hinblick auf Inkompabilitäten in
der Schreibweise von Formeln und Formelzeichen überprüft und bestehende
Abweichungen korrigiert.
Bei all diesen Arbeiten konnte ich wieder auf das bewährte Team meines
Lehrstuhls vertrauen. Mein besonderer Dank gilt Frau B. Melberg und Frau
C. Salley-Sippel sowie den Herren Dipl.-Ing. Th. Albach, Dr. techn. S. J.
Rupitsch, Dr.-Ing. A. Sutor und M. Günther für Ihre tatkräftige Mithilfe.
Für die Unterstützung bei der technischen Erstellung des Werkes sowie beim
Marketing gebührt Frau Hestermann-Beyerle und Frau Kollmar-Thoni vom
Springer-Verlag Heidelberg mein Dank.
Abschließend darf ich mich bei allen Lesern bedanken, die dieses Werk
kaufen, und darf Ihnen große Freude beim Lesen wünschen.
email: reinhard.lerch@lse.eei.uni-erlangen.de
Zunächst einmal gilt mein besonders herzlicher Dank all denjenigen Lesern,
die im letzten Jahr dieses Buch käuflich erworben haben. Denn dank ihnen
ist es möglich geworden, schon ein Jahr nach Erscheinen der letzten Aufla-
ge die nunmehr 4. Edition dieses Werkes herauszugeben. Dadurch ist es in
relativ kurzer Frist gelungen, neben anstehenden kleineren Korrekturen we-
sentliche Erweiterungen bzw. Verbesserungen am Text und der beiliegenden
DVD vorzunehmen. Viele der Vorschläge dazu stammen von Fachkollegen an
Universitäten und Fachhochschulen. In diesem Zusammenhang gebührt mei-
nen Kollegen aus dem Kreise des AHMT (Arbeitskreis der Hochschullehrer
Messtechnik; www.ahmt.de) mein besonderer Dank. Denn vor allem von ih-
nen kamen konstruktive Vorschläge, das vorliegende Werk in Richtung Mess-
signalverarbeitung, Korrelationsmesstechnik, Regressions- und Test-Verfahren
auszubauen. Für diese sehr wertvollen Hinweise und Anmerkungen bei der
Evaluierung der letzten Auflage möchte ich an dieser Stelle nochmals meinen
besonderen Dank aussprechen.
Des Weiteren sind die Übungs- und Demonstrationsbeispiele auf beilie-
gender DVD in großem Umfang, insbesondere für die eben genannten Kapi-
tel, ausgebaut worden. Diese basieren im Wesentlichen auf dem Programm
LabVIEW (National Instruments), das auch bei dieser Auflage auf der DVD
in seiner neuesten Version (Studentenversion) vorliegt. Mit Hilfe der auf der
DVD enthaltenen Übungen, Programmier- und Demonstrationsbeispielen ist
es möglich, dass der Leser sein mit dem Studium des Werkes erworbenes
Wissen unmittelbar auf praktische ingenieurmäßige Problemstellungen an-
wendet. Das dieses Lehrbuch begleitende Übungsbuch “Elektrische Messtech-
nik - Übungsbuch” rundet die Übungsmöglichkeiten in den Bereichen ab, für
die Computerübungen weniger geeignet sind als Rechnungen mit Papier und
Bleistift. Für die entsprechende Unterstützung beim Erstellen der DVD und
die gewinnbringende Kooperation mit der Firma National Instruments möchte
ich mich vor allem bei den Herren Marc Backmeyer und Dipl.-Ing. Rahman
Jamal bedanken.
XII
Mein vorrangiger Dank gilt aber vor allem meinem Team des Lehrstuhls für
Sensorik, das durch seinen unermüdlichen Einsatz in der letzen Zeit die schnel-
le Erstellung dieser 4. Auflage ermöglicht hat. Hier sind vor allem zu nennen:
Herr Dipl.-Ing. Thorsten Albach, Frau Bettina Melberg, Frau Cornelia Salley-
Sippel, Herr Dr.-Ing. Alexander Sutor.
Nicht zuletzt darf ich auch die wiederum exzellente Zusammenarbeit mit
dem herausgebenden Verlag und seinen Mitarbeitern, vor allem Frau Eva
Hestermann-Beyerle und Frau Monika Lempe, hervorheben.
email: reinhard.lerch@lse.eei.uni-erlangen.de
Dank der recht großen Beliebtheit dieses Buches ist es möglich, bereits zwei
Jahre nach Erscheinen der letzten Auflage nunmehr die 3. Auflage dieses Wer-
kes vorstellen zu können.
Gegenüber der 2. Auflage wurden vor allem die Kapitel zur Rechner-
gestützten Meßdatenerfassung dem allerneuesten Stand der Technik angepaßt.
So wird der jüngst eingeführte LXI-Standard zur Vernetzung von Meßgeräten
ebenso behandelt wie die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Spei-
cherprogrammierbaren Steuerungen (SPS), der Digitaloszilloskope, der USB-
Meßmodule sowie moderne Source Measuring Units. Damit ist dieser Block
auf nunmehr 200 Seiten bzw. ein Drittel des Gesamtwerkes angewachsen.
Das Kapitel Elektromechanische Meßgeräte“(Kapitel 6.1) wurde beibe-
”
halten trotz der Tatsache, daß es sich dabei um eine in ihrer Bedeutung
zurückgehende Meßgeräteklasse handelt. Dennoch halte ich diesen Abschnitt
für äußerst wertvoll für Studierende des Faches Sensorik bzw. für das ge-
samte Gebiet der Mechatronik, da man anhand der Funktionsprinzipien für
elektromechanische Meßgeräte sehr schön die Interaktionen zwischen mecha-
nischen und elektromagnetischen Feldern lernen kann. Demzufolge sind die
hier behandelten elektromechanischen Grundprinzipien und Gesetzmäßigkei-
ten (z. B. die Lorentzkraft oder die Wirbelstromdämpfung) insbesondere für
das Verständnis von modernen elektromechanischen Sensoren und Aktoren
wichtig.
An dieser Stelle gilt es auch, zunächst einmal all denjenigen herzlich zu
danken, die mich in den beiden letzten Jahren auf Fehler bzw. unklare Dar-
stellungen in der 2. Auflage aufmerksam gemacht haben. Meistens handelte es
sich dabei um Studierende der Technischen Fakultät der Friedrich-Alexander-
Universität Erlangen-Nürnberg oder auch um Studierende anderer Univer-
sitäten und Fachhochschulen, die sich auf Prüfungen in ingenieurwissenschaft-
lichen Fächern vorbereitet haben. Alle berechtigten Einwände und Hinweise
wurden in der vorliegenden Auflage berücksichtigt.
Bei der Erweiterung des Buches haben mich die Mitarbeiter des Lehr-
stuhls für Sensorik der Universität Erlangen-Nürnberg wiederum mit großem
XIV
Einsatz unterstützt. In allererster Linie bin ich unserem akadem. Rat, Herrn
Dr.-Ing. Alexander Sutor, ebenso wie Herrn Dipl.-Ing. Martin Meiler, Herrn
Dipl.-Ing. Erich Leder sowie dem Leiter unserer Elektronikwerkstatt, Herrn
Michael Günther, für ihre Beiträge zu diesem Werk zu großem Dank verpflich-
tet. Für ihren unermüdlichen Einsatz bei der elektronischen Fertigstellung des
kamerafertigen Manuskriptes samt aller darin enthaltenen, teilweise diffizilen
Grafiken gilt mein besonders herzlicher Dank wiederum Frau Cornelia Salley-
Sippel und Frau Bettina Melberg.
Bedanken möchte ich mich auch bei den beiden verantwortlichen Mitar-
beiterinnen des Springer-Verlages, Frau Eva Hestermann-Beyerle und Frau
Monika Lempe, für die hervorragende Unterstützung und exzellente Zusam-
menarbeit.
Diesem Buch liegt eine CD-ROM mit Übungsaufgaben zur
Rechnergestützten Meßdatenerfassung in NI LabVIEW R
sowie
zur Programmierung von Speicherprogrammierbaren Steuerun-
gen (SPS) mit CoDeSys R
bei. Dabei gibt es Programmieraufga-
ben, deren Lösung via Internet auf eine am Lehrstuhl für Sensorik (Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) aufgebaute Speicherprogrammier-
bare Steuerung heruntergeladen werden können. Anhand helligkeitsgesteuer-
ter Lampen und LEDs läßt sich mittels einer WebCam die erfolgreiche Pro-
grammierung dieser SPS beobachten.
Das oben gezeigte Icon weist an entsprechenden Stellen des Buches auf
thematisch passende Übungsaufgaben auf der CD-ROM hin. Weitere Übungs-
beispiele und Hinweise findet man unter
www.lse.e-technik.uni-erlangen.de/elektrische_messtechnik
email: reinhard.lerch@lse.eei.uni-erlangen.de
email: reinhard.lerch@lse.eei.uni-erlangen.de
Elke, möchte ich ebenfalls meinen herzlichen Dank für ihren großen Einsatz
aussprechen.
Mein Dank gilt auch dem Springer-Verlag, insbesondere Herrn Dr. Huber-
tus Riedesel, der die Anregung zur Abfassung des vorliegenden Werkes gab, so-
wie seinen Mitarbeiterinnen Frau Marianne Ozimkowski und Frau Gaby Maas
für ihre Unterstützung bei der Erstellung des kamerafertigen Manuskriptes.
Allen eben genannten Personen möchte ich auch danken für ihr Verständnis
und ihre Geduld bei der mehrmals verzögerten Abgabe des Manuskriptes.
Da es erwartungsgemäß auch bei noch so sorgfältiger Bearbeitung des Tex-
tes nicht möglich sein dürfte, die Erstauflage eines solchen Buches fehlerfrei zu
halten, möchte ich mich schon vorab bei allen Lesern für diese Fehler entschul-
digen und sie ermutigen, von ihnen eventuell entdeckte Fehler an die folgende
Adresse mitzuteilen:
5 Messfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
5.1 Systematische Messfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
5.2 Zufällige Messfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
5.2.1 Normalverteilung, Mittelwert, Standardabweichung . . . 106
Inhaltsverzeichnis XXIII
7 Messverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
7.1 Operationsverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
7.1.1 Idealer Operationsverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
7.1.2 Realer Operationsverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
7.1.3 Definitionen von Operationsverstärker-Kenngrößen . . . 184
7.1.4 Operationsverstärker-Grundschaltungen . . . . . . . . . . . . . 192
7.1.5 Operationsverstärker mit differentiellem Ausgang . . . . . 204
7.2 Spezielle Messverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
7.2.1 Differenzverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
7.2.2 Instrumentenverstärker (Instrumentierungsverstärker) . 211
7.2.3 Zerhacker-Verstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
XXIV Inhaltsverzeichnis
13 Messsignalverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
13.1 Aufgaben und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451
13.2 Signalarten und Analyseformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
13.3 Multiplizieren, Dividieren, Quadrieren, Radizieren . . . . . . . . . . . 454
13.4 Ermittlung des Effektivwertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457
13.4.1 Messung des Effektivwertes für beliebige Signalverläufe 459
13.5 Bestimmung von Mittelungswerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
13.6 Kenngrößen nicht-sinusförmiger periodischer Signale . . . . . . . . . 462
13.7 Messung von Signaleigenschaften mittels Korrelationsfunktion 465
13.8 Äußere Störeinwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476
13.9 Optimalfilter (Wiener-Filter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479
13.9.1 Übertragungsfunktion eines Optimalfilters . . . . . . . . . . . 479
13.9.2 Beispiel für ein Optimalfilter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 715
Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723
1
Umfang und Bedeutung der Elektrischen
Messtechnik
wurde. Der Effekt konnte nur durch Bereitstellung und Nutzung einer sehr
hochwertigen Messtechnik entdeckt werden. Andererseits kann der Quanten-
Halleffekt wiederum zur hochgenauen Definition der Einheit des ohmschen
Widerstandes genutzt werden, womit er zu einer größeren Präzision in der
Elektrischen Messtechnik beiträgt.
In nahezu allen Disziplinen der Technik geht die entsprechende Messtech-
nik zunehmend in eine rein elektrische Messwertverarbeitung über. Der allge-
meine Trend besteht darin, für die verschiedenen Messaufgaben Messwert-
aufnehmer zu entwickeln, welche die unterschiedlichsten nicht-elektrischen
Messgrößen detektieren und in entsprechende elektrische Signale umsetzen.
Die weitere Verarbeitung dieser nunmehr elektrischen Signale (Messwerte) ist
dann weitgehend standardisiert und mittlerweile ein fester Bestandteil der
Elektrischen Messtechnik geworden. Der große Vorzug der Elektrischen Mes-
stechnik liegt dabei vor allem in der großen Präzision, mit der sich elektrische
Signale, etwa im Gegensatz zu mechanischen Größen, bei relativ geringem
Aufwand verarbeiten und speichern lassen.
Auch die Tatsache, dass sich die beiden Größen Frequenz“ und Zeit“
” ”
mit Hilfe der Methoden der Elektrischen Messtechnik mit großer Genauigkeit
bestimmen lassen, bildet eine weitere Basis ihres Erfolges. So beruht beispiels-
weise das Prinzip des heute weltweit angewendeten Navigationssystems GPS
(Global Positioning System) auf einer präzisen Messung von Zeiten, in diesem
Fall von Laufzeiten, die ein elektromagnetisches Signal von einem in bekann-
ter Position befindlichen Satelliten bis zu einem Empfangsort benötigt. An
diesem Empfangsort befindet sich ein portabler Empfänger, dessen geometri-
sche Breiten-, Längen- und Höhenkoordinaten aus diesen Zeitmessungen mit
hoher Genauigkeit bestimmt werden können.
Unter Messen versteht man das quantitative Erfassen einer Größe, der sog.
Messgröße. Präziser formuliert heißt Messen, eine zu messende Größe als Viel-
faches einer allgemein anerkannten Einheitsgröße derselben physikalischen Di-
mension zu bestimmen, und zwar durch experimentellen Vergleich mit einer
Maßverkörperung dieser Einheit. Dabei bedienen wir uns sog. Messgeräte.
Messgeräte können insbesondere auch den Teil der Natur erschließen helfen,
für den unsere Sinne keine Empfindungen haben, wie z.B. der Schall im Ultra-
schallbereich oder alle Arten von ionisierender Strahlung. Zur Durchführung
von Messungen müssen die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sein:
• Existenz eines Zahlensystems
• Definition einer Messgröße
• Festlegung der Einheit.
Die Elektrische Messtechnik behandelt zunächst die Messung rein elektrischer
Größen, wie Spannung, Strom, elektrische Leistung und Impedanz (Wider-
4 1 Umfang und Bedeutung der Elektrischen Messtechnik
Der Messwert ist der gemessene spezielle Wert einer Messgröße, er wird als
Produkt aus Zahlenwert und Einheit angegeben (DIN 1319).
Das Messergebnis ist ein aus mehreren Messwerten einer physikalischen
Größe oder aus Messwerten für verschiedene Größen nach einer festgelegten
Beziehung ermittelter Wert oder Werteverlauf. Ein einzelner Messwert kann
aber auch bereits das Messergebnis darstellen (VDI/VDE 2600).
Messprinzip heißt die charakteristische physikalische Erscheinung, die bei
der Messung benutzt wird (DIN 1319).
Messverfahren nennt man die spezielle Art der Anwendung eines Mess-
prinzips (VDI/VDE 2600). Man unterscheidet dabei im Wesentlichen zwi-
schen dem Ausschlagverfahren, bei dem der Ausschlag oder die Anzeige eines
Messwertes ein Maß für die Messgröße ist (idealerweise proportional), und
dem Nullabgleichverfahren, bei dem die in Kap. 1.5.1 beschriebene Kompen-
sationsmethode eingesetzt wird.
Ein Messgerät liefert oder verkörpert Messwerte, auch die Verknüpfung meh-
rerer voneinander unabhängiger Messwerte, z. B. das Verhältnis von Messwer-
ten (DIN 1319).
Eine Messeinrichtung besteht aus einem Messgerät oder mehreren zusam-
menhängenden Messgeräten mit zusätzlichen Einrichtungen, die ein Ganzes
bilden (DIN 1319).
Als Hilfsgeräte werden die Komponenten bezeichnet, die nicht unmittelbar
der Aufnahme, der Umformung oder der Ausgabe von Messwerten dienen.
Messsignale stellen Messgrößen im Signalflussweg einer Messeinrichtung
durch zugeordnete physikalische Größen gleicher oder anderer Art dar (VDI/
VDE 2600).
Eine komplette Messkette besteht aus den in Abb. 1.1 gezeigten Komponenten.
Grundsätzlich besteht eine Messeinrichtung zur elektrischen Messung elektri-
scher bzw. nicht-elektrischer Größen aus den Messgeräten (Messgliedern), die
im Einzelnen folgende Aufgaben erfüllen:
• Aufnehmen der Messgröße
• Weitergeben, Anpassen und Verarbeiten des Messsignals
• Ausgeben des Messwertes.
Nach dem Geräteplan (Abb. 1.1) sind die hierfür notwendigen Messglieder in
einer Messkette zusammengeschaltet (VDI/VDE 2600, Bl. 3). Der Aufnehmer
wandelt die Messgröße entweder direkt oder über andere physikalische Größen
in ein elektrisches Messsignal y1 um. Die Anpasser enthalten Messgeräte, die
zwischen Aufnehmer und Ausgeber in der Messkette liegen. Dazu gehören vor
allem Messverstärker und elektronische Rechengeräte. Der Ausgeber gibt die
6 1 Umfang und Bedeutung der Elektrischen Messtechnik
Messwerte z analog oder digital entweder direkt (d. h. sofort sichtbar und
verständlich) über eine Anzeige, Schreiber bzw. Zähler oder aber indirekt,
d. h. nicht ohne Spezialvorrichtung lesbar, zur weiteren Informationsverarbei-
tung aus. Die Hauptaufgabe des Hilfsgerätes ist es, die von den Messgeräten
eventuell benötigte Hilfsenergie zu liefern.
Norm Inhalt
VDE 0410 Bestimmungen für elektrische Messgeräte
VDE 0411 Bestimmungen für elektronische Messgeräte und Regler
VDE 0414 Bestimmungen für Messwandler
VDE 0418 Bestimmungen für Elektrizitätszähler
VDE 2600 Metrologie (Messtechnik)
DIN 1301 Einheiten
DIN 1304 Formelzeichen
DIN 1313 Physikalische Größen und Gleichungen
DIN 1319 Grundbegriffe der Messtechnik
DIN 1333 Zahlenangaben
DIN 40108 Gleich- und Wechselstromsysteme
DIN 40110 Wechselstromgrößen
DIN 43710 Thermospannungen und Werkstoffe der Thermopaare
DIN 43780 Genauigkeitsklassen von Messgeräten
DIN 43802 Skalen und Zeiger für elektrische Messinstrumente
DIN 43808 Zungenfrequenzmesser
DIN 43821 Widerstandsferngeber
DIN 43830 Schreibende Messgeräte
DIN 43850 Elektrizitätszähler
DIN 5478 Maßstäbe in graphischen Darstellungen
DIN 5483 Zeitabhängige Größen
Bei der Ausschlagmethode wird die Messgröße direkt oder über Zwischen-
größen in einen möglichst proportionalen Ausschlag umgewandelt, z. B. die
Winkelstellung eines Messgerätezeigers. Als Sonderfall kann dieser Ausschlag
auch in reiner Zahlendarstellung mit theoretisch unendlich vielen Nachkom-
mastellen erfolgen. Ein charakteristisches Kennzeichen dieser Messmethode
ist der Entzug von Energie aus dem Messobjekt, was eine Rückwirkung auf
die zu messende Größe zur Folge hat.
8 1 Umfang und Bedeutung der Elektrischen Messtechnik
Bei der Kompensationsmethode hingegen (Abb. 1.2) wird von der Messgröße
xE bzw. der daraus abgeleiteten Abbildungsgröße xB eine mittels einer Hilfs-
quelle erzeugte gleichartige und gleichgroße Kompensationsgröße xK (Ver-
gleichsgröße) subtrahiert, so dass die Differenz von Messgröße bzw. Abbil-
dungsgröße und Kompensationsgröße gerade Null ergibt. Die Messgröße wird
dabei zunächst mit Hilfe eines Aufnehmers in eine proportionale Abbildungs-
größe xB umgewandelt. Die Kompensationsgröße muß sowohl einstellbar als
auch messbar sein. Da hierbei die zur Messung notwendige Energie aus der
Hilfsquelle und nicht aus dem Messobjekt stammt, ist diese Messmethode
rückwirkungsfrei, d.h. die Messgröße wird nicht durch Energieentzug während
des Messvorganges verändert. Dem Nachteil des größeren gerätetechnischen
Aufwandes stehen bei dieser Methode aber weitere Vorteile gegenüber, wie
z. B. die Reduzierung des Störgrößeneinflusses beim Erzeugen der Kompen-
sationsgröße in einer zweiten gleichartigen Messstrecke oder die leichte Reali-
sierung großer Messbereiche [77].
tinuierlichen Messung ist die Rede, wenn die Messgröße nur zu bestimmten
(diskreten) Zeitpunkten erfasst (abgetastet) wird.
Abb. 1.3. a) Amplitudenmoduliertes Signal (Der Messwert ist proportional zur Mo-
mentanamplitude.), b)Frequenzmoduliertes Signal (Der Messwert ist proportional
zur Momentanfrequenz.)
10 1 Umfang und Bedeutung der Elektrischen Messtechnik
Abb. 1.4. a) Pulsdauermoduliertes Signal (Der Messwert ist proportional zur Puls-
dauer tX .), b) Pulscodemodulation (Der Messwert ist in Form einer Dualzahl co-
diert.)
2
Die Grundlagen des Messens
2.1.1 Maßsysteme
Die Messung einer physikalischen Größe besteht im Vergleich mit einer Maß-
einheit, d. h. die physikalische Größe ergibt sich stets als Produkt aus einem
Zahlenwert und einer Maßeinheit:
Physikalische Größe = Zahlenwert · Einheit
Man ist bestrebt, die Einheiten durch unvergängliche atomare Größen zu de-
finieren, die prinzipiell an jedem Ort und zu jeder Zeit mit hoher Genauigkeit
bestimmt werden können. Die Generalkonferenz für Maße und Gewichte hat
daher im Jahre 1960 das inzwischen weltweit eingeführte Système Interna-
”
tional d’Unités“ (SI-System) vorgeschlagen, dessen Anwendung auch im deut-
schen Sprachraum gesetzlich vorgeschrieben ist. Das System definiert zunächst
die Basisgrößen und die dazugehörigen Basiseinheiten, welche beide in Tabel-
le 2.1 zusammengefasst werden.
2.1.2 Naturkonstanten
2.1.3 Das SI
SI-Basiseinheiten
m, kg, s, A, K, mol, cd (unsicherheitsbehaftet)
Messunsicherheit
(in Pfeilrichtung
ansteigend) Pa, N, Hz, Ω, W, ... μ0, R, γ, ε0, NL, F, ...
abgeleitete Einheiten
(unsicherheitsbehaftet) andere physikalische Konstanten
(unsicherheitsbehaftet)
Die Definition eines neuen SI soll mit Blick auf evtl. gravierende wirtschaft-
liche Auswirkungen keinesfalls zu Skalensprüngen in Bezug auf das derzeiti-
ge SI führen, wie das CIPM ausdrücklich fordert. Daher sind zunächst die
Werte der o. a. Konstanten mit höchster Genauigkeit auf der Grundlage des
derzeitigen SI zu bestimmen und international, möglichst auf experimentell
2.1 Maßsysteme, Einheiten, Naturkonstanten 15
m(28 Si)
ms = h · N . (2.3)
h
2.1 Maßsysteme, Einheiten, Naturkonstanten 17
Durch Multiplikation oder Divison der Basiseinheiten werden die für die ande-
ren physikalischen Größen benötigten Einheiten abgeleitet, d. h. das SI-System
der Einheiten ist ein sog. kohärentes System. Einige wichtige und häufig be-
nutzte abgeleitete Einheiten haben einen eigenständigen Namen (Tab. 2.3),
wie z. B. der Druck p, gemessen in der Einheit Pascal (Pa; 1 Pa = 1 N m−2 ;
1 N = 1 kg m s−2 ) und die (elektrische) Leistung Watt (W; 1 W = 1 J s−1 ; 1 J
= 1 N m). Andere wiederum werden nur in Form ihrer multiplikativ verknüpf-
ten Basiseinheiten ausgedrückt, wie beispielsweise die magnetische Feldstärke
H mit der Einheit Ampere/Meter (A/m). Durch Vorsätze entstehen dezimale
Vielfache oder Teile von Einheiten (Tab. 2.4), z. B. das Megapascal (MPa),
das 106 Pa entspricht, oder das Millimeter (mm), das 10−3 m entspricht.
E = U It . (2.5)
Bei Verwendung kohärenter Einheiten gelten für die Einheiten die gleichen
Formeln. Gleichung (2.5) resultiert also in folgender Einheitengleichung
1 Ws = 1 VAs = 1 Nm . (2.6)
E (kWh) = 0, 278 · 10−6 U (V) I (A) t (s) = 0, 278 · 10−6 E (Ws) . (2.7)
Tabelle 2.4. Vorsätze zur Bezeichnung von dezimalen Vielfachen und Teilen von
Einheiten
3.1 Fourier-Transformation
Wir beginnen mit der Beschreibung periodischer Funktionen mit Hilfe von
Fourier-Reihenentwicklungen und leiten daraus die Beschreibung auch nicht-
periodischer Funktionen mittels der Fourier-Transformation ab.
Die periodische Funktion f (t) = f (t + T ) lässt sich bekanntlich in Form
einer trigonometrischen Reihe angeben [45]
∞
a0
f (t) = + (aν cos(νω0 t) + bν sin(νω0 t)) , (3.1)
2 ν=1
Auf der rechten Seite lassen sich Integral und Summe vertauschen und dν
kann vor das Integral gezogen werden. Für das Integral gilt dann
T
0 für ν = μ 2π
e−j(μ−ν)ω0 t dt = , wenn ω0 = . (3.10)
0 T für ν = μ T
Daraus folgt unmittelbar
T
f (t)e−jμω0 t dt = T dμ . (3.11)
0
Jetzt ersetzen wir noch μ durch ν, so dass sich die Koeffizienten folgenderma-
ßen berechnen lassen
1 T
dν = f (t)e−jνω0 t dt. (3.12)
T 0
Wir betrachten noch einmal die Exponentialentwicklung (Gl. (3.6)) und fügen
einige günstige Erweiterungen ein (s. auch [188], [189])
∞
1 2πdν jνω0 t
f (t) = e ω0 . (3.13)
2π ν=−∞ ω0
werden ersetzt durch die kontinuierliche Frequenz ω und die endlichen Fre-
quenzschritte ω0 durch das Differential dω.
Wenn man in Gl. (3.14) den Ausdruck T = 2π/ω0 auf die linke Seite
bringt, erhält man die Fourier-Transformierte F (jω) der Zeitfunktion f (t)
∞
2πdν
= f (t)e−jωt dt = F (jω). (3.15)
ω0 −∞
Zur Rücktransformation wird in Gl. (3.13) die Summe über die diskreten ν
ersetzt durch ein Integral über ω. Wir setzen dementsprechend die Fourier-
Transformierte F (jω) nach Gl. (3.15) ein und erhalten die Fourier-Rück-
transformation (inverse Fourier-Transformation)
∞
1
f (t) = F (jω)ejωt dω . (3.16)
2π −∞
Die Anwendung des Satzes von L’Hospital liefert an der Stelle ω = 0 den
Grenzwert 2T . Abbildung 3.1 zeigt die Darstellung dieser Funktion im Zeit-
und Frequenzbereich.
Weiterhin sei ein zeitlich unendlich andauerndes Sinus-Signal gegeben
p (t)
T
-T T t
Re {F1(jω)}
Im {F1(jω)} = 0
2T
wobei δ dem Dirac-Stoß (s. Kap. 3.4) entspricht. Das Spektrum dieses Signals
ist in Abb. 3.2 dargestellt. Es enthält nur einen Anteil bei der Frequenz ω0
bzw. −ω0 .
Im {F2 (jω)}
Re {F2 (jω)} = 0
ω0
−ω0 ω
Nun wollen wir durch Multiplikation der beiden Signale einen Teil des Sinus-
signals ausschneiden
f3 (t) = f1 (t) · f2 (t) = pT (t) sin ω0 t. (3.24)
Die Multiplikation im Zeitbereich entspricht einer Faltung im Frequenzbereich
mit dem Vorfaktor 1/2π (s. Kap. 3.5.4), wodurch man leicht die Fourier-
Transformierte F 3 (jω) erhält (∗: Faltungssymbol)
1 2 π
F 3 (jω) = sin T ω ∗ [δ(ω − ω0 ) − δ(ω + ω0 )]
2π ω j
∞
1 sin T Ω
= [δ(ω − Ω − ω0 ) − δ(ω − Ω + ω0 )]dΩ
j −∞ Ω
1 sin T (ω − ω0 ) sin T (ω + ω0 )
= − . (3.25)
j ω − ω0 ω + ω0
In Abb. 3.3 ist der erste Term der Gl. (3.25) dargestellt. Bildlich gesprochen
wird durch das Ausschneiden der unendlich scharfe Dirac-Stoß über einen
Frequenzbereich um ω0 verschmiert“, wobei der Impuls umso unschärfer ist,
”
je kürzer der Ausschnitt ist. Für ein unendlich langes Zeitfenster ergibt sich
wiederum der Dirac-Stoß aus Abb. 3.2.
j . F3(jω)
Re {F3 (jω)} = 0
T
ω0 −π/Τ ω0 +π/Τ
ω0 ω
Wenn wir uns auf ein elektrisches Netzwerk mit konzentrierten linearen und
zeitinvarianten Elementen beschränken, so erfolgt die mathematische Be-
schreibung dieser Ausgleichsvorgänge anhand einer linearen Differential-
gleichung (DGL) mit konstanten Koeffizienten.
Als Beispiel wollen wir den Einschwingvorgang einer RC-Tiefpassschaltung
betrachten, auf deren Eingangsklemmen zum Zeitpunkt t = 0 die Gleichspan-
nung U0 aufgeschaltet wird (Abb. 3.4).
t=0 R du c
i=C
dt
Uo C uc
−U0 + R · i + uc = 0 (3.26)
duc
i=C (3.27)
dt
zu einer Differentialgleichung 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten umge-
formt werden
duc
RC + uc = U0 . (3.28)
dt
Die allgemeine Lösung dieser Gleichung ergibt sich aus der Überlagerung der
Lösung der homogenen Differentialgleichung
duch
RC + uch = 0 (3.29)
dt
und einer partikulären Lösung der inhomogenen Differentialgleichung. Eine
solche spezielle Lösung ucp lässt sich leicht angeben, wenn man bedenkt, dass
für t → ∞ der Ausgleichsvorgang abgeschlossen sein muss. Dann ist der Kon-
densator auf die Spannung U0 aufgeladen und es fließt kein Strom mehr. Somit
ist diese partikuläre Lösung
ucp = U0 . (3.30)
Die allgemeine Lösung der homogenen DGL (Gl. (3.29)) lautet mit der Zeit-
konstanten τ = RC
uch = ke−t/τ , (3.31)
3.2 Ausgleichsvorgänge in linearen Netzwerken 27
wobei k eine noch festzulegende Konstante ist. Die Gesamtlösung lautet also
k = −U0 . (3.33)
uc = U0 (1 − e−t/τ ) . (3.34)
uC(t)
U0
U0 (1-e -t/τ )
τ = RC t
Abb. 3.5. Zeitlicher Verlauf der Ausgangsspannung des RC-Tiefpasses
Auch bei komplizierteren Netzwerken ist die Vorgehensweise analog, d.h. unter
Verwendung der Kirchhoffschen Gesetze und den Strom-Spannungs-Beziehun-
gen von Widerstand, Spule und Kondensator wird ein System von linearen
Differentialgleichungen aufgestellt. Dessen Lösung ergibt sich aus der Über-
lagerung der allgemeinen Lösung des homogenen Systems und einer parti-
kulären Lösung des inhomogenen Systems. Wenn sich in einem Netzwerk nun
n unabhängige Energiespeicher (Kondensatoren und/oder Spulen) befinden,
so enthält die Lösung n Konstanten, die so bestimmt werden müssen, dass
die n Anfangswerte (Spannung bei Kondensatoren und Strom bei Spulen)
der Energiespeicher erfüllt werden, d. h. es muss ein lineares Differentialglei-
chungssystem mit n Unbekannten gelöst werden.
In aller Regel wendet man aber zur Berechnung von Einschwingvorgängen
eine elegantere Methode an, die uns das Auflösen dieses linearen Differential-
gleichungssystems erspart. Diese basiert auf der sog. Laplace-Transformation,
die eine spezielle Spektralzerlegung der Zeitfunktionen durchführt. Dies führt
schließlich zu einem Rechengang, der die bekannten Methoden der komplexen
Wechselstromrechnung [4], [161] benutzt.
28 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
Beim Übergang zur Laplace-Transformation wird nun die in Gl. (3.35) noch
rein imaginäre Frequenz jω durch die komplexe Frequenz
s = σ + jω (3.37)
ersetzt. Aus Gl. (3.35) wird dadurch die Basisgleichung der einseitigen
Laplace-Transformation (Laplace-Transformationsgleichung)
∞
F (σ + jω) = f (t)e−σt e−jωt dt (3.38)
0
bzw. ∞
F (s) = f (t)e−st dt . (3.39)
0
Die hinreichende Bedingung für die Fourier-Transformierbarkeit einer Funk-
tion f (t) (Gl. (3.19))
+∞
|f (t)| dt < ∞ (3.40)
−∞
darstellen.
Das Rücktransformations-Integral nach Gl. (3.46) existiert nur, wenn
F (s) an den Enden des Integrationspfades verschwindet. Der Integrationspfad
verläuft in der komplexen s-Ebene (Abb. 3.6) parallel zur imaginären Achse in
einem Bereich, wo σ > σmin gilt. Für σ > σmin ist F (s) eine holomorphe Funk-
tion. Es sei ergänzt, dass das Integral einer holomorphen Funktion nur von
den Endpunkten des Integrationspfades, nicht aber von dessen Wegführung
selbst, abhängt.
Symbolische Darstellungen
Laplace-Transformation:
F (s) = L{f (t)} . (3.47)
Rücktransformation:
f (t) = L−1 {F (s)} . (3.48)
Die Zuordnung wird auch durch folgendes Symbolzeichen dargestellt
Laplace-Ebene (s-Ebene)
j. ω
harmonische Schwingungen
mit konstanter Amplitude
exponentiell exponentiell
abklingende anwachsende
Schwingungen Schwingungen
σ = Re {s}
U= Û · ejϕ (3.51)
U ∗ = Û · e−jϕ . (3.52)
s∗ = σ − jω. (3.54)
Der Wert von σ stellt dabei das Dämpfungsmaß dar (σ < 0) und ω die Kreis-
frequenz (ω > 0). Es sei noch ergänzt, dass die rein reelle Achse (ω = 0) reine
Exponentialfunktionen mit reellen Exponenten verkörpert.
3.4 Die Laplace-Transformierte elementarer Zeitfunktionen 31
Sprungfunktion
Für Realteile σ > 0 konvergiert das Integral in Gl. (3.56) und man erhält
1
F (s) = . (3.57)
s
Rampenfunktion
Parabelfunktionen
entsprechend zu
n!
F (s) = . (3.62)
sn+1
Exponentialfunktion
ergibt sich zu
∞
∞
(s0 −s)t 1
(s0 −s)t
F (s) = e dt = e . (3.64)
0 s0 − s 0
Hyperbelfunktionen
Der Spezialfall s0 = jω0 liefert mit den Gln. (3.66), (3.67) und
Delta-Impuls δ(t)
δT δ
1 1
T
δ (t)
T t t
a) b)
1 − e−sT
lim FT (s) = Fδ (s) = lim =1. (3.76)
T →0 T →0 sT
3.5.1 Überlagerung
3.5.2 Integration
3.5.3 Differentiation
Unter der Voraussetzung, dass die Funktion f (t) differenzierbar ist und ihre
Laplace-Transformierte F (s) existiert, erhält man nach einmaliger partieller
Integration für die Laplace-Transformierte der Ableitung
∞
df (t) −st
F̃ (s) = e dt (3.82)
0 dt
die Zuordnung
df (t)
◦−−• s F (s) − f (0+ ) . (3.83)
dt
Der rechtsseitige Grenzwert f (0+ ) ist der Funktionswert zum Zeitpunkt t = 0,
wenn man den Funktionsverlauf von f (t) von Zeiten t > 0 kommend bis hin
zum Grenzwert für t → 0 verfolgt. Wenn alle Ableitungen von f (t) bis zur n-
ten sowie die entsprechenden Laplace-Transformierten existieren, kann analog
abgeleitet werden
Die obere Grenze des inneren Integrals darf auf τ = t gesetzt werden, weil
f2 (t − τ ) bei kausalen Netzwerken für negative Zeiten verschwindet.
Das innere Integral ist gemäß der Laplace-Transformationsgleichung die
zu F1 (s) · F2 (s) gehörende Zeitfunktion. Daher ist die Integraloperation
t
f1 (τ )f2 (t − τ )dτ (3.89)
0
f1 ∗ f2 = f2 ∗ f1 . (3.92)
Es sei ergänzt, dass sich die Faltung nach Gl. (3.90) auch ausführen lässt,
wenn f1 (t) und f2 (t) nur in rein graphischer oder numerischer Form gegeben
sind. Abbildung 3.8 soll die Faltungsoperation verdeutlichen.
f1 (t) f2 (t)
f2 (-t) f 2 (t)
t1 t t2 t
f 1, 2 f 1 (t) * f2 (t)
f1 (τ) : f 2 (t - τ) Faltungsergebnis
t=0 t > t2 t > t1 + t 2
-t 2 t1 τ t2 t1 t1+ t2 t
Abb. 3.8. Zur Veranschaulichung des Faltungsintegrals
3.5 Laplace-Transformation einfacher mathematischer Operationen 37
3.5.5 Multiplikationssatz
f (t) f1 (t)
0 t 0 t0 t
f (t − t0 ) für t ≥ t0
f1 (t) = bzw. f1 (t) = ε(t − t0 ) · f (t − t0 ) (3.100)
0 für t < t0
und es folgt ∞
F1 (s) = e−st0 f (τ )e−sτ dτ = e−st0 F (s) . (3.103)
0
Die Verschiebung im Zeitbereich um eine Zeit t0 entspricht also der Multipli-
kation im Frequenzbereich mit e−st0
F1 (s) = F (s + s0 ) (3.105)
vornehmen, folgt ∞
F1 (s) = f (t)e−s0 t e−st dt . (3.106)
0
3.5.9 Anfangswert-Theorem
Mit Hilfe dieses Theorems kann aus einer Laplace-Transformierten F (s) direkt
der Anfangswert f (0+ ) der zugehörigen Zeitfunktion f (t) bestimmt werden,
ohne die Zeitfunktion selbst zu ermitteln [45]
3.5.10 Endwert-Theorem
Mit Hilfe dieses Theorems kann aus einer Laplace-Transformierten F (s) direkt
der Grenzwert f (t → ∞) der zugehörigen Zeitfunktion f (t) ermittelt werden,
ohne diese direkt zu kennen [45]
df (t)
dt
s F (s) − f (0+ ) (Differentiation)
dn f (t)
dtn
sn F (s) − sn−1 f (0+ ) − ...
... − sn−2 dfdt(t) |t=0+ − · · ·
d(n−1) f (t)
··· − dt(n−1)
|t=0+
f1 (t) · f2 (t) 1
F (s)
2πj 1
∗ F2 (s) Produkt im Zeitbereich
dn F
tn · f (t) (−1)n dsn
Multiplikationssatz
1
s
f (ct) c
F c
(c > 0) Dehnung/Stauchung
duc (t)
RC + uc (t) = u(t) . (3.112)
dt
3.7 Die Rücktransformation von Laplace-Transformierten in den Zeitbereich 41
wobei gilt
Uc (s) = L{uc (t)} und U (s) = L{u(t)} . (3.114)
Diese Gleichung kann leicht nach Uc (s) aufgelöst werden
1
Uc (s) = [U (s) + τ uc (0+ )] (3.115)
1 + sτ
bzw.
1 1 +
Uc (s) = 1 U (s) + uc (0 ) . (3.116)
s+ τ
τ
Wenn wir voraussetzen, dass der Kondensator zu Beginn des Einschaltvor-
ganges ungeladen ist
uc (0+ ) = 0 (3.117)
und zum Zeitnullpunkt eine Gleichspannung U0 eingeschaltet wird, erhalten
wir mit der Laplace-Transformierten der Sprungfunktion
1
ε(t) ◦−−• (3.118)
s
U0
U (s) = (3.119)
s
und Gleichung (3.115)
U0
Uc (s) = . (3.120)
s(1 + sτ )
Abschließend erfolgt nun die Rücktransformation von Gl. (3.120) in den Zeit-
bereich, was im folgenden Kapitel behandelt wird.
f (t) F (s)
δ(t) 1
ε(t) 1/s
ε(t) · tn /n! (n = 0, 1, · · ·) 1/(sn+1 )
ε(t) · tn e−αt /n! (n = 0, 1, · · ·) 1/(s + α)n+1
ε(t) · cos βt s/(s2 + β 2 )
ε(t) · sin βt β/(s2 + β 2 )
ε(t) · sin(βt + ϕ) (s · sin ϕ + β · cos ϕ)/(s2 + β 2 )
ε(t) · cos(βt + ϕ) (s · cos ϕ − β sin ϕ)/(s2 + β 2 )
ε(t) · e−αt sin(βt + ϕ) [(s + α) sin ϕ + β · cos ϕ]/[(s + α)2 + β 2 ]
ε(t) · e−αt cos(βt + ϕ) [(s + α) cos ϕ − β · sin ϕ]/[(s + α)2 + β 2 ]
ε(t) · e−αt cos βt (s + α)/ (s + α)2 + β 2
ε(t) · e−αt sin βt β/ (s + α)2 + β 2
ε(t) · t cos βt (s2 − β 2 )/(s2 + β 2 )2
ε(t) · t sin βt 2βs/(s2 + β 2 )2
ε(t) · t2 sin βt 2β(3s2 − β 2 )/(s2 + β 2 )3
ε(t) · t2 cos βt 2(s3 − 3β 2 s)/(s2 + β 2 )3
ε(t) · cos2 βt (s2 + 2β 2 )/ s(s2 + 4β 2 )
ε(t) · sin2 βt 2β 2 / s(s2 + 4β 2 )
ε(t) · cosh βt s/(s2 − β 2 )
ε(t) · sinh βt β/(s2 − β 2 )
t
ε(t) · 2β
sinh(βt) s/(s2 − β 2 )2
sin βt
ε(t) · t
arctan βs
√ √
ε(t) · 1/ πt 1/ s
√
ε(t) · 2 t/π 1/(s s)
3.8 Lösung von linearen Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten 43
bzw.
f (t) ◦−−•F (s) . (3.123)
Genauso wie bei der Fourier-Transformation ist die Zuordnung zwischen f (t)
und F (s) für alle im Bereich t > 0 stetigen Funktionen umkehrbar eindeu-
tig. Dies bedeutet, dass das Symbol ◦−−• in beiden Richtungen gelesen werden
kann. Diese Tatsache gibt Anlass zu folgender Strategie für die Rücktransfor-
mation:
Man zerlegt die rückzutransformierende Laplace-Funktion F (s) in eine Sum-
me von Teilfunktionen
Diese algebraische Gleichung lässt sich leicht nach der gesuchten Größe Uc (s)
auflösen (vgl. Gl. (3.116))
1 1 +
Uc (s) = U (s) + u c (0 ) . (3.128)
s + τ1 τ
44 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
U0
Uc (s) = . (3.130)
τ s(s + τ1 )
Wenn die RC-Tiefpassschaltung gemäß Abb. 3.4 nun mit einer bei t = 0
eingeschalteten harmonischen Wechselspannung beaufschlagt wird, so lässt
sich das Ergebnis analog ermitteln. Dazu wird zunächst die Eingangsspannung
u(t)
u(t) = ε(t) · U0 sin ω0 t (3.135)
gemäß der Tab. 3.2 in den Laplace-Bereich transformiert
ω0
U (s) = U0 . (3.136)
s2 + ω02
uC(t)
U0 1/τ
sin(ω0 t-ϕ)
(1/τ)2+ω02
ϕ
t= ω t
0
lineare Differential-
gleichungen +
Anfangsbedingungen
Laplace-
Transformation
Kirchhoff-
Gleichungen
Abb. 3.11. Prinzipielles Vorgehen bei der Berechnung von linearen Netzwerken mit
Hilfe der Laplace-Transformation
3.9 Einschwingvorgänge in Netzwerken mit linearen Bauelementen 47
Wenden wir uns zunächst den Kirchhoffschen Gleichungen zu. Da die Laplace-
Transformation eine lineare Operation ist, gelten die Kirchhoffschen Gleichun-
gen für die Spannungen und Ströme in derselben Form wie im Zeitbereich
Uν (s) = 0 (Maschengleichung)
und (3.147)
Iν (s) = 0 (Knotengleichung) .
1. Widerstandsgleichung
Da ein idealer ohmscher Widerstand keinerlei Zeitverhalten zeigt, bleibt
die Widerstandsgleichung bei der Laplace-Transformation unverändert
(Abb. 3.12)
UR (s) = RIR (s) . (3.148)
iR(t) I R(s)
R u R(t) R UR(s)
2. Kondensatorgleichung
Bei der Transformation der Kondensatorgleichung müssen die Anfangs-
werte der Kondensatorspannung berücksichtigt werden. Dazu betrachten
wir den allgemeinen Fall, dass ein ursprünglich auf eine Spannung uC (0− )
aufgeladener Kondensator zum Zeitpunkt t = 0 mit einer idealen (Innen-
widerstand Ri = 0) Spannungsquelle verbunden wird (Abb. 3.13).
Dabei springt die Kondensatorspannung2 von uC (0− ) auf uC (0+ ) = U0 .
i (t)
t=0
U0 uc (0-)
Abb. 3.13. Kondensator, der zum Zeitpunkt t = 0 mit einer idealen Spannungs-
quelle verbunden wird.
Ein Kondensator im Zeitbereich lässt sich also gemäß Abb. 3.14 in den
Laplace-Bereich transformieren. Die Spannungsquelle im Ersatzschaltbild
repräsentiert die Kondensatorspannung zum Zeitnullpunkt. Es handelt
sich dabei um die Kondensatorspannung unmittelbar vor einem eventuell
zum Zeitnullpunkt stattfindenden Spannungssprung.
I C (s)
iC (t) uc (0-)
s
C u C (t) UC (s)
sC
3. Spulengleichung
Die Strom-Spannungs-Beziehung einer Induktivität
diL
uL = L (3.153)
dt
besagt, dass die Spannung uL einen δ-Impuls erfährt, wenn der Spulen-
strom iL und damit der magnetische Fluss in der Spule springt.
Wenn man nun zulässt, dass der Strom zum Zeitnullpunkt t = 0 von
iL (0− ) auf iL (0+ ) springt, so ergibt sich die Spannungs-Strom-Beziehung
in folgender ausführlicher Form [25]
diL
uL = L + [iL (0+ ) − iL (0− )]δ(t) . (3.154)
dt
iL (t) I L(s)
i L(0-)
s UL(s)
L u L(t) sL
U (s)
Z(s) = (3.157)
I(s)
gilt
– ohmscher Widerstand
ZR (s) = R (3.158)
– Induktivität
ZL (s) = sL (3.159)
– Kapazität
1
ZC (s) = . (3.160)
sC
• Die Anfangswerte der Kondensatorspannungen und Spulenströme (Werte
zum Zeitpunkt t = 0− , also unmittelbar vor dem Schalt-Zeitpunkt t = 0)
werden durch zusätzliche Quellen (in Serienschaltung beim Kondensator
bzw. in Parallelschaltung bei der Spule) mit der Quellspannung uC (0− )/s
bzw. dem Quellstrom iL (0− )/s erfasst.
• Die Spannungen und Ströme lassen sich mit den Methoden der Wechsel-
stromrechnung und der linearen Netzwerkanalyse berechnen:
– beim Übergang zur Laplace-Transformation wird der Frequenzterm jω
durch die komplexe Frequenz s ersetzt
3.9 Einschwingvorgänge in Netzwerken mit linearen Bauelementen 51
R L C
i(t)
u(t)
Abb. 3.16. Serienschwingkreis im Zeitbereich
Diese Gleichung wird schließlich nach der gesuchten Größe I(s) aufgelöst
Wir gehen davon aus, dass die beiden Energiespeicher zum Zeitnullpunkt leer
sind und zu diesem Zeitpunkt eine Gleichspannung mit dem Wert U0 aufge-
schaltet wird
u(t) = ε(t) · U0 (3.163)
iL (0− ) = 0 und uc (0− ) = 0 . (3.164)
Daraus folgt
U0
I(s) = 1 (3.165)
s(R + sL + sC )
52 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
sL
R sC
I(s) uC(0-)
i L (0-) s
s
U(s)
bzw.
1 U0
I(s) = · . (3.166)
L s2 + s R
L +
1
LC
Die Aufgabe, den Strom I(s) nach Gl. (3.166) in den Zeitbereich zurückzu-
transformieren, soll möglichst allgemein formuliert werden. Deshalb wird die
Rücktransformierte folgender rationaler Funktion 2. Grades gesucht
A s+B
F (s) = . (3.167)
s2 + 2 d s + ω02
Für ω02 ≤ d2 liegen die Pole bei reellen und für ω02 > d2 bei komplexwertigen
Frequenzen.
Das mit einer Partialbruchzerlegung eventuell einhergehende Rechnen mit
komplexwertigen Größen lässt sich umgehen, indem man den Nenner von
Gl. (3.166) in eine Summe von Quadraten zerlegt
Mit der Hilfsgröße ωd (sie entspricht der Kreisfrequenz, die sich im gedämpften
Schwingkreis einstellt)
ωd2 = ω02 − d2 (3.171)
lässt sich F (s) wie folgt angeben
A(s + d) + B − Ad
F (s) = . (3.172)
(s + d)2 + ωd2
3.9 Einschwingvorgänge in Netzwerken mit linearen Bauelementen 53
liefert für ωd2 > 0, also für komplexwertige Pole, die Laplace-Zuordnungen
s+d
•−◦ ε(t) · e−dt cos ωd t
− (3.175)
(s + d)2 + ωd2
ωd
•−◦ ε(t) · e−dt sin ωd t .
− (3.176)
(s + d)2 + ωd2
Die Lösungen für komplexwertige Pole (Gl. (3.177)) und für reellwertige Pole
(Gl. (3.181)) lassen sich mit der Beziehung
bzw.
ωd = ±jωr (3.183)
ineinander überführen.
54 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
Es ist noch der sog. aperiodische Grenzfall zu behandeln, bei dem die
beiden Polstellen zusammenfallen, d. h. es gilt
s1 = s2 (3.184)
ω02 = d2 (3.185)
und
ωd = ωr = 0 . (3.186)
Die physikalische Deutung von Gl. (3.186) besagt, dass sich in der Sprung-
antwort gerade keine Schwingung mehr einstellt. Zur Berechnung der ent-
sprechenden Zeitfunktion f (t) ist ein Grenzübergang von Gl. (3.177) bzw.
Gl. (3.181) notwendig. Gleichung (3.177) beispielsweise führt mit
sin ωd t
lim =t (3.187)
ωd →0 ωd
zu
f (t) = ε(t) · e−dt [A + (B − Ad)t] . (3.188)
Wenn man nun die eben abgeleiteten Transformationen auf die Laplace-
Gleichung anwendet, die den Strom im Serienschwingkreis beschreibt (Gl.
(3.166)), so folgt mit
R
d= (3.189)
2L
1
ω02 = (3.190)
LC
A=0 (3.191)
2dU0 U0
B= = (3.192)
R L
und
1 R2 C
ωd2 = −ωr2 = 1− (3.193)
LC 4L
U0 −dt 2d
i(t) = ε(t) · e sinh ωr t
R ωr
U0 d −dt ωr t
= ε(t) · e (e − e−ωr t )
R ωr
U0
−t/τ1
= ε(t) · e − e−t/τ2
2ωr L
U0
−(d−ωr )t
= ε(t) · e − e−(d+ωr )t (3.195)
2ωr L
für reellwertige Pole, d. h. wenn
i(t)
Hüllkurve
U0 U0 - d t ω0
ωd L
e d=
ωd L 4
ω0
d=
2
aperiodischer Grenzfall (d = ω0 )
U0
-
ωd L
beschrieben wird, ergibt sich ein Zeitverlauf gemäß Abb. 3.19. Der zeitliche
Funktionsverlauf errechnet sich aus der Differenz zweier Exponentialfunktio-
nen mit negativen Exponenten. Der aperiodische Grenzfall ω02 = d2 führt zu
U0 Uo −dt
i(t) = ε(t) · 2 d t e−dt = ε(t) · te . (3.198)
R L
In den Abbildungen 3.18 und 3.19 ist dieser Stromverlauf zum Vergleich eben-
falls eingezeichnet.
i(t)
U0 . - t / τ
U0 e 1
2ωr L 3
2ωr L d= ω
2 0
aperiodischer Grenzfall (d = ω0 )
1
τ2 = d+
ωr
1
τ1 = d-ω t
r
U0 . - t / τ
- e 2
2ωr L
U0
-
2ωr L
Abb. 3.19. Vergleich des Stromverlaufs im aperiodischen Grenzfall mit dem Strom-
verlauf bei stärkerer Dämpfung. Die Pole liegen im Reellen. Es bilden sich keine
harmonischen Schwingungen mehr aus.
n
Z(sν ) sν t
n
f (t) = (s )
e = rν esν t . (3.201)
ν=1
N ν ν=1
Dabei stellt N (sν ) die Ableitung von N (s) nach s an der Stelle sν dar. Für
den Fall, dass N (s) Mehrfachpolstellen enthält, ist die Auswertung nach der
Residuenmethode etwas aufwendiger. Daher soll an dieser Stelle nur auf die
entsprechende Literatur verwiesen werden [25], [45].
|U 2 (jω)|
|GAP (jω)| = =1. (3.203)
|U 1 (jω)|
Nur die Phase bzw. die Laufzeit der Signale wird durch den Allpass beein-
flusst. Dies kann auch anhand der vollkommen symmetrischen Anordnung
der Pole und Nullstellen eines Allpasses in der s-Ebene veranschaulicht wer-
den (Abb. 3.21). Die eingerahmten Pole bzw. Nullstellen entsprechen dem Fall
d2 > ω02 ; die konjugiert-komplexen Paare dem Fall d2 < ω02 . GAP (s) besitzt
Pole bei
s1,2 = −d± d2 − ω02 . (3.204)
Es sind wiederum die drei Standardfälle
j. ω
j . √ω02 - d 2
s1 q1
-d +d
σ = Re {s}
s2 q2
- j . √ω 2 - d 2
0
und
d2 = ω02 (3.207)
zu unterscheiden.
Die zu GAP (s) gehörende Zeitfunktion gAP (t) wird als Impulsantwort des
Vierpols bezeichnet (s. auch Kap. 3.11). Sie lässt sich nach der Residuen-
methode erst berechnen, wenn wir eine Polynomdivision vornehmen. Damit
wird sichergestellt, dass der Grad des Zählerpolynoms kleiner ist als der des
Nennerpolynoms
Wir wollen nun GAP (s) mit Hilfe der Residuenmethode zurück in den Zeitbe-
reich transformieren
∗
gAP (t) = δ(t) + gAP (t) = δ(t) + r1 · es1 t + r2 · es2 t . (3.210)
Z(s1 ) −2ds1
r1 = = (3.211)
N (s1 ) s1 + d
und
Z(s2 ) −2ds2
r2 = = . (3.212)
N (s2 ) s2 + d
3.10 Heavisidescher Entwicklungssatz 59
2. d2 < ω02 :
Es ergeben sich konjugiert-komplexe Werte r1 und r2 sowie ein rein ima-
ginärer Wert ωr . Mit der Beziehung ωd2 = −ωr2 (Gl. (3.182)) folgt
−2d(−d ± jωd ) d
r 1,2 = = −2d 1 ± j (3.218)
±jωd ωd
∗
gAP (t) = r1 es1 t + r2 es2 t
d d
= −2d e−dt 1 + j ejωd t + 1 − j e−jωd t
ωd ωd
d jωd t
= −2d e−dt ejωd t + e−jωd t + j e − e−jωd t
ωd
d
gAP (t) = δ(t) − 4de−dt cos ωd t − sin ωd t . (3.219)
ωd
Abbildung 3.22 zeigt die Impulsantworten des betrachteten Allpasses für ver-
schiedene Werte von d bezüglich ω0 .
60 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
2
g (t) 2 2 d = ω2
d <ω 0
AP 0
1
2
d > ω2
0
-4d
Abb. 3.23. Ein Vierpol kann durch seine Impulsantwort g(t) charakterisiert werden
3.11 Vierpol-Übertragungsfunktion im Zeit- und Frequenzbereich 61
t=0 t t
Abb. 3.24. Anregung eines linearen Systems durch einen Dirac-Stoß
Es kann gezeigt werden, dass G(s) für ein lineares passives Netzwerk aus
konzentrierten Elementen als Quotient zweier Polynome darstellbar ist
Z(s)
G(s) = . (3.225)
N (s)
Y (s)
G(s) = , (3.226)
X(s)
sind die Koeffizienten der Polynome Z(s) und N (s) reell und identisch mit
den Koeffizienten der Differentialgleichung (Gl. (5.69)), die den Zusammen-
hang zwischen y(t) und x(t) für t > 0 beschreibt. Aus diesem Grund liegen die
Nullstellen der Polynome Z(s) und N (s) bei reellen, bei paarweise entgegen-
gesetzt gleichen imaginären oder bei paarweise konjugiert komplexen Werten.
Die Pole sν von G(s), d. h. also die Nullstellen des Nennerpolynoms N (s),
werden auch als Eigenwerte des Netzwerkes bezeichnet. Liegen diese Pole
in der linken Laplace-Halbebene (σν < 0), dann gilt das Netzwerk als stabil,
weil keine aufklingenden Schwingungen auftreten können. Dies liegt daran,
dass die Pole bzw. Eigenwerte sν die Exponenten der in der Impulsantwort
62 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
j. ω
s1
s3 q1 q2
σ = Re {s}
s2
Ŷ (ω) Ŷ (ω)
G(jω) = = ej(ϕy −ϕx ) = |G(jω)|ejϕ(ω) . (3.230)
X̂(ω) X̂(ω)
j. ω
s1 jω − s 1
ϕP1 frei variierbares ω
jω − s 3 s = jω
jω − q = √ω 2 + q 2
jω − q1 2 2
ϕP3 ϕN1
ϕN2
s3 q1 q2 σ = Re {s}
jω − s2
= √s 2+ (s + ω 2 ϕ
P2
2R 2I
s2
Abb. 3.26. Bestimmung von Betrag und Phase einer Übertragungsfunktion anhand
der Einzelbeiträge aller Nullstellen und Pole
64 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
Sprunganregung Sprungantwort
x(t) x(t) y(t) y(t) h(t)
Lineares
Netzwerk
t=0 t t
Abb. 3.27. Anregung eines linearen Netzwerkes durch einen Sprung
3.13 Bode-Diagramme 65
3.13 Bode-Diagramme
G(jω)
1 10
G (s) =
s + 10
ω
100 200 300
10
Abb. 3.28. Amplitudengang der Übertragungsfunktion G(s) = s+10
in linearer
Darstellung
G(jω)
0
dB 10
G (s) =
-10 s + 10
-20
-30
arg{G(jω)}
0°
10
G (s) =
s + 10
-45°
-90°
0,1 1 10 100 1000 ω
10
Abb. 3.30. Phasengang von G(s) = s+10
3.13 Bode-Diagramme 67
10
Tabelle 3.3. Analyse der Übertragungsfunktion G(s) = s+10
ω=0 1 0 dB 0o
ω < 0, 1|s1 | 1 0 dB ≈ 0o
ω < |s1 | ≈1 0 dB
ω = |s1 | 10
js1 +10
- 3 dB −45o
ω > |s1 | ≈ 10
jω
- 20 dB/Dekade
ω > 10|s1 | ≈ 10
jω
- 20 dB/Dekade ≈ −90o
G(jω) approximierter
0 exakter Verlauf
-3
-10
10
dB G (s) =
s + 10
-20
-30
arg{G(jω)}
0°
-6°
exakter Verlauf
10
-45° G (s) =
s + 10
-84°
-90°
10
Abb. 3.32. Mit Hilfslinien angenäherter Phasengang von G(s) = s+10
Hat die Übertragungsfunktion statt des Pols eine entsprechende Nullstelle bei
s = q1 , kehrt sich das Diagramm um (Abbn. 3.33 und 3.34).
G(jω)
50
dB
40
G (s) = s + 10
30
exakter Verlauf
23
20
arg{G(jω)}
+90°
+84°
G (s) = s + 10
+45°
Abb. 3.34. Vergleich des exakt berechneten sowie des mit Hilfslinien angenäherten
Phasenganges der Übertragungsfunktion G(s) = s + 10
Für den Fall, dass die Übertragungsfunktion mehrere reelle Pole und Null-
stellen enthält, geht man folgendermaßen vor: Man zerlegt die Übertra-
gungsfunktion multiplikativ in Systeme 1. Ordnung und addiert dann den
logarithmisch dargestellten Amplitudengang sowie die linear dargestellte Pha-
se. Unter der Bedingung, dass sich alle Pole und Nullstellen auf der negativen
reellen Achse des Pol-Nullstellen-Diagramms befinden und der gegenseitige
Abstand genügend groß ist, lassen sich Regeln definieren, die das Abschätzen
der Amplituden- und Phasenverläufe erleichtern [66], [151]:
Amplitudengang
Phasengang
Es befinden sich weder Pole noch Nullstellen bei s = 0, daher ergibt sich
bei ω → 0 für den Amplitudengang |G(jω)| = 20 dB und eine Steigung von
0 dB sowie für den Phasengang arg{G(jω)} = 0. Bei s = −10 befindet sich ein
doppelter Pol, daher fällt der Amplitudengang ab ω = 10 mit −40 dB/Dekade
ab und die Phase verringert sich auf −180◦ über einen Bereich von ω = 1 bis
ω = 100 verteilt. Die Nullstelle bei s = −1000 führt dazu, dass die Steigung
des Amplitudenganges sich ab ω = 1000 auf −20 dB/Dekade erhöht und die
Phase auf −90◦ ansteigt. Die Abbildung 3.35 zeigt die approximierten sowie
die exakten Verläufe.
3.13 Bode-Diagramme 71
G(jω)
20
17 s + 1000
14 G (s) = 2
10 (s + 10)
dB
-20
-40
exakter Verlauf
-60
arg{G(jω)}
0°
0,1 1 10 100 1000 10000 ω
-135°
-180°
Abb. 3.35. Approximierter und exakt berechneter Amplituden- und Phasengang
72 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
j. ω
schwach gedämpft
σ = Re {s}
stark gedämpft
Ob eine schwache oder eine starke Dämpfung vorliegt, lässt sich an der Lage
der Doppelpolstelle ablesen. Gilt für den Betrag des Imaginärteils |Im(si )|
|Re(si )|, so herrscht schwache Dämpfung vor, was dazu führt, dass es im Am-
plitudengang zu einer deutlichen Resonanzüberhöhung kommt.
Für Frequenzen weit oberhalb der Eckfrequenz fällt der Amplituden-
gang mit 40 dB/Dekade aufgrund des doppelten Pols. Ferner findet die Reso-
nanzüberhöhung bei ω ≈ |Im (si )| statt, d.h. in der Nähe des Imaginärteils des
Pols. Diese ist umso ausgeprägter, je näher der Pol an der imaginären Achse
liegt. Näher“ heißt, dass der Winkel zwischen der Verbindungsgeraden (Pol
”
- Nullpunkt) und der imaginären Achse kleiner ist. Die Phase fällt an dieser
Stelle wegen des doppelten Pols nahezu sprunghaft um 180◦ ab. Die Nähe der
Pole zur imaginären Achse ist ein Maß für die Steilheit dieses Phasensprungs.
3.13 Bode-Diagramme 73
Bei stark gedämpften Systemen ist der Realteil der konjugiert-komplexen Pol-
stelle wesentlich größer als der Imaginärteil. Es gilt |Im(si )|
|Re(si )|. Auch
hier fällt der Amplitudengang mit 40 dB/Dekade für Frequenzen oberhalb der
Eckfrequenz ab. Die Überhöhung im Amplitudengang infolge Resonanz geht
allerdings immer mehr zurück und verschwindet für den Grenzfall, dass die
konjugiert-komplexe Polstelle in einen Doppelpol übergeht. In diesem Grenz-
fall zeigt der Amplitudengang den bereits oben diskutierten 6 dB-Abfall bei
der Eckfrequenz ω ≈ |Re(si )|.
Für Fälle, die zwischen den o. g. Extrema (|Im(si )| |Re(si )| und |Im(si )|
|Re(si )|) liegen, gelten folgende Regeln:
1. Ein Überschwingen tritt auf, sobald der Imaginärteil der Polstelle größer
wird als der Realteil, d. h. für |Re(si )| < |Im(si )|.
2. Die Eckfrequenz ω ergibt sich aus dem Betrag der Polstelle
ω = Re(si )2 + Im(si )2 . (3.242)
Sie besitzt lediglich ein komplexes Polpaar bei s1,2 = −0, 2 ± j. Daraus
folgt, dass für kleine ω die Phase gleich Null ist. Außerdem erhält man für
ω → 0 einen waagrechten Amplitudenverlauf mit |G(jω)| ≈ 0 dB. Das Pol-
paar führt zu einer deutlichen Resonanzüberhöhung an der Stelle ω ≈ 1; für
höhere Frequenzen lässt sich der Amplitudenverlauf durch eine Gerade mit
−40 dB/Dekade Steigung annähern. Die Phase fällt bei ω ≈ 1 um −180◦ ab
(Abb. 3.37). Um den Einfluss der Pol-Nullstellenkonfiguration auf das Über-
tragungsverhalten eines Netzwerkes zu verdeutlichen, betrachten wir die Über-
tragungsfunktion
G(jω)
20
17
10
dB
0,01 0,1 1 10 100 1000 ω
-20
1
G (s) =
s2 + 0,4s + 1,04
-40
-60
arg{G(jω)}
0°
0,01 0,1 1 10 100 1000 ω
-45°
1
G (s) =
s2 + 0,4s + 1,04
-90°
-135°
-180°
Abb. 3.37. Amplituden- und Phasengang mit einer Resonanzüberhöhung bei ω ≈ 1
3.13 Bode-Diagramme 75
j. ω
s5
s2
s1
s7 s4 σ = Re {s}
s3
s6
Diese Darstellung lässt die Lage der Pole und Nullstellen sofort erkennen
(Abb. 3.38). Die Nullstelle bei s1 = 0 führt dazu, dass die Amplitude für kleine
ω mit 20 dB/Dekade ansteigt (Abb. 3.39). Die erste Resonanzüberhöhung wird
durch das komplexe Polpaar s2,3 = −0, 2 ± j verursacht und befindet sich bei
ω ≈ 1. Hier ändert sich die Steigung um −40 dB/Dekade auf −20 dB/Dekade.
Als nächstes folgt eine doppelte Nullstelle auf der reellen Achse bei s4 =
−100. Daher ändert sich die Steigung bei ω = 100 um +40 dB/Dekade auf
+20 dB/Dekade. Wegen des komplexen Polpaares s5,6 = −20±1000j kommt es
bei ω ≈ 1000 abermals zu einer Resonanzüberhöhung. Die Steigung des Am-
plitudenganges ändert sich um −40 dB/Dekade auf −20 dB/Dekade. Schließ-
lich gilt es noch die Nullstelle s7 = −104 zu beachten, welche dazu führt, dass
sich die Steigung bei ω = 104 um +20 dB/Dekade auf 0 dB/Dekade erhöht.
Beim Vergleich des approximierten Amplitudenganges (Abb. 3.39) mit der
exakten Lösung fällt auf, dass die zweite Resonanz wesentlich stärker ausge-
prägt ist als die erste. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Polpaar s5,6
näher an der imaginären Achse liegt als das Polpaar s2,3 . Näher“ heißt, dass
”
der Winkel der Pole mit der imaginären Achse kleiner ist. Abschließend muss
noch die vertikale Achse beschriftet werden. Hierzu benutzt man die Tatsache,
dass der Amplitudenverlauf für ω → ∞ waagrecht ist und dass die Amplitude
dort 0 dB beträgt (limω→∞ |G(jω)| = 1). Für die Phase bei kleinen Frequen-
zen erhält man wegen der Nullstelle bei s1 = 0 den Wert +90◦. Beim ersten
komplexen Polpaar ändert sich die Phase um −180◦ auf −90◦ . Die doppel-
te Nullstelle bei s4 = −100 führt zu einem Anstieg um 180◦ auf (ungefähr)
zwei Dekaden verteilt. Das zweite komplexe Polpaar verursacht wiederum eine
Phasenänderung um −180◦. Schließlich bleibt noch die Nullstelle s7 = −104
76 3 Ausgleichsvorgänge, Frequenz-Transformation und Übertragungsverhalten
40
20 exakter
Verlauf
approximierter
0
0,1 1 10 100 1000 10000 ω
4
arg{G(jω)} s (s + 100)2 (s + 10 )
G (s) =
(s + 0,2 + j) (s + 0,2 - j) (s + 20 + 1000j) (s + 20 - 1000j)
+90°
exakter
Verlauf
+45° approximierter
0°
0,1 1 10 100 1000 10000 ω
-45°
-90°
Abb. 3.39. Amplituden- und Phasengang mit zwei Resonanzüberhöhungen bei
ω ≈ 1 und ω ≈ 1000
wodurch die Phase auf 0◦ zurückgeht. Betrachtet man den exakten Phasenver-
lauf in Abb. 3.39, so erkennt man, dass sich hier die stärkere zweite Resonanz
in einem deutlich steileren Phasenübergang auswirkt.
4
Nichtlineare elektrische Bauelemente,
Schaltungen und Systeme
Û Iˆ
Ueff = √ und Ieff = √ (4.3)
2 2
in eine Kennlinie zur Beschreibung der Effektivwerte umgewandelt werden,
wobei Û und Iˆ die Scheitelwerte von Spannung bzw. Strom bezeichnen.
Bei Bauelementen mit nichtlinearer Kennlinie besteht natürlich keine li-
neare Beziehung mehr zwischen Strom und Spannung. Bei Anlegen einer si-
nusförmigen Wechselspannung an ein nichtlineares Element ist der Strom nicht
mehr sinusförmig. Er enthält neben der Grundfrequenz noch höhere Harmo-
nische. Der Effektivwert bestimmt sich dann zu
1 T 2
Ieff = i (t) dt . (4.4)
T 0
Das Schaltsymbol für einen nichtlinearen Widerstand ist in Abb. 4.1 gezeigt.
Man unterscheidet zwischen stromgesteuerten Widerständen, die in
der Form
u = R(i) i (4.5)
und spannungsgesteuerten Widerständen, die in der Form
i = G(u) u (4.6)
u
Abb. 4.1. Schaltsymbol für nichtlinearen Widerstand
R s (i 0) R(i 0)
u
u0
a)
i0 i
R s (i)
R(i)
b)
i
Abb. 4.2. a) Strom-Spannungs-Kennlinie eines nichtlinearen ohmschen Widerstan-
des mit Ursprungsgerade und Tangente im Arbeitspunkt (u0 , i0 ), b) statischer RS
und differentieller Widerstand R
u0
Rs (i0 ) = (4.7)
i0
bezeichnet (Abb. 4.2). Er ist eine Funktion des Arbeitspunktes. Die Steigung
der Tangente an die Kurve im Arbeitspunkt (i0 ) hingegen entspricht dem
differentiellen Widerstand
du
R(i0 ) = . (4.8)
di i=i0
1. Die Periodendauer der anregenden Größe ist sehr groß im Vergleich zur
Zeitkonstanten des nichtlinearen Bauelementes (T τ ):
Hier verhält sich das Bauelement trägheitslos. Ein nichtlinearer Wider-
stand verhält sich hier wie sein differentieller Widerstand im jeweiligen
Arbeitspunkt.
2. Die Periodendauer der anregenden Größe ist sehr klein im Vergleich zur
Zeitkonstanten des nichtlinearen Bauelementes (T τ ):
Das Bauelement ist träge, d. h. es ändert seinen Widerstandswert fast
nicht. Somit verhält es sich bei dieser Anregung wie ein lineares Bauele-
ment mit konstantem Widerstandswert, der seinem statischen Widerstand
entspricht. Die Kennlinie geht über in eine Ursprungsgerade mit dem An-
stieg des statischen Widerstandes.
3. Die Periodendauer der anregenden Größe liegt in der Größenordnung der
Zeitkonstanten des nichtlinearen Bauelementes (T ≈ τ ):
Der Widerstandswert ändert sich verzögert, d. h. die Kennlinie erhält die
Form einer geschlossenen Kurve, die den Arbeitspunkt umfasst. Es tritt
also eine Hysterese auf und Strom sowie Spannung am Widerstand werden
gegeneinander in der Phase verschoben, so dass zusätzlich zum ohmschen
Widerstand kapazitive und induktive Anteile hinzutreten.
IS u
Eine besondere Eigenschaft weisen die sog. Tunneldioden auf; sie zeigen
nämlich in ihrer i − u−Kennlinie Bereiche mit negativer Steigung (Abb. 4.5).
Dies bedeutet, dass sich die Tunneldiode dort wie ein negativer differentiel-
ler Widerstand verhält. Bezüglich eines vorgegebenen Stromwertes i kann es
i
di
<0
du
u
Strom iD
10
mA
8 u-i Diagramm der Oszillation
6
B C
4
2
D
0 A
-2
Diodenkennlinie
-4
-6
-8
-10
-0.1 0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6
V
Spannung uD
Abb. 4.7. Gemessene Kennlinie der Tunneldiode und XY-Auftragung der Messda-
ten aus Abb 4.8.
Strom iD Spannung uD
6 0.6
mA
uD V
iD C
5 0.5
4 0.4
D
3 0.3
2 0.2
1 0.1
0 B 0
A
-1 -0.1
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4
ms
Zeit t
Abb. 4.8. Strom und Spannungsverläufe der Oszillatorschaltug mit Tunneldiode.
Dadurch wird der ursprünglich hohe spezifische Widerstand der reinen Oxide
stark vermindert. Dieser Effekt ist, wie die Kennlinie aus Abb. 4.9 belegt, stark
temperaturabhängig. Im Bereich der Raumtemperatur betragen die Tempe-
raturkoeffizienten ca. −3 bis −6%/K. Heißleiter werden bis zu Temperaturen
von mehreren Hundert Grad Celsius eingesetzt.
R
R0
3
Heißleiter Kaltleiter
i
iE
uE u max uD
u
Abb. 4.10. Strom-Spannungs-Kennlinie eines typischen Kaltleiters [185, 153]
ter eines nahezu linearen ohmschen Widerstandes. Wird die Spannung weiter
gesteigert, so steigt mit der zunehmend verbrauchten Leistung infolge Eigen-
erwärmung die Temperatur des Bauelementes an, bis zur sog. Einsetztempera-
tur, bei der sich der Widerstand nahezu sprunghaft ändert, so dass der Strom
abnimmt (Werte uE , iE ). Der Kaltleiter könnte zwar prinzipiell bis zur Durch-
bruchspannung uD (Abb. 4.10) betrieben werden; aus Sicherheitsgründen be-
schränkt man sich aber auf Betriebsspannungen u ≤ umax . Außerdem muss
die Betriebsspannung auf umax begrenzt werden, um die ansonsten zu groß
werdende Eigenerwärmung zu vermeiden.
Induktivitäten weisen häufig nichtlineare Eigenschaften auf, die auf die Ma-
gnetisierungseigenschaften der verwendeten permeablen Kernmaterialien zu-
rückzuführen sind. Auch können sie, insbesondere in elektrischen Maschinen,
ein zeitabhängiges Verhalten zeigen. Das Schaltsymbol für eine nichtlinea-
re Induktivität ist in Abb. 4.11 dargestellt. Eine allgemeine, zeitvariante,
nichtlineare Induktivität kann durch eine Funktion
Φ = fL (i(t), t) (4.12)
beschrieben werden. Dabei bedeutet Φ den magnetischen Fluss durch die In-
duktivität, welcher bei Betrachtung einer realen Spule dem mit der Windungs-
86 4 Nichtlineare elektrische Bauelemente, Schaltungen und Systeme
u
Abb. 4.11. Schaltsymbol für nichtlineare Induktivität
dΦ(i, t)
u(i, t) = . (4.13)
dt
Unter Berücksichtigung der Zeitabhängigkeit des Stromes ergibt sich
∂Φ(i, t) di ∂Φ(i, t)
u(i, t) = + . (4.14)
∂i dt ∂t
4.1 Nichtlineare konzentrierte Bauelemente (R, L, C) 87
Unter Verwendung von Gl. (4.14) bis Gl. (4.16) findet sich schließlich als
Linearisierung um den Arbeits (i0 )- bzw. Zeitpunkt t0
di dL(i, t)
u(i, t) = L(i, t) +i . (4.17)
dt t=t0 dt i=i0
Es sind nun verschiedene Fälle zu unterscheiden, bei denen sich die allgemei-
nen Gleichungen vereinfachen:
1. zeitvariante, nichtlineare Induktivität:
Dies ist der allgemeine Fall und wird durch Gl. (4.15) und Gl. (4.17) be-
schrieben.
di dΦ(i)
u(i) = L(i) und L(i) = (4.18)
dt di
88 4 Nichtlineare elektrische Bauelemente, Schaltungen und Systeme
di dL(t) Φ(t)
u(t) = L(t) +i und L(t) = (4.19)
dt dt i
Hysteresekurven
Wenn ein typisch ferromagnetisches Material, wie z. B. Eisen, aus einem völlig
unmagnetisierten Zustand heraus erregt wird, startet die Magnetisierungskur-
ve im Ursprung, d. h. für i = 0 und damit H = 0 ist auch der Wert der
4.1 Nichtlineare konzentrierte Bauelemente (R, L, C) 89
μr
5000
4000
3000
2000
1000
0 1 2 3 4 A 5 H
cm
Abb. 4.14. Relative Permeabilität von Elektroblech als Funktion der magnetischen
Feldstärke
2,0
T
1,5 Br : weichmagnetisch
1,0
: hartmagnetisch
0,5
0 : Neukurve
-0,5 -Hc Hc Hc : Koerzitivfeldstärke
-1,0
-Br Br : Remanenzinduktion
-1,5
-2,0
-100 -60 -20 0 20 60 A 100 H
cm
Abb. 4.15. Hystereseschleifen einer magnetisch harten und einer magnetisch wei-
chen Eisensorte
Wenn dann ab einem bestimmten erreichten Wert für H bzw. B die magneti-
sche Erregung wieder verringert wird, nimmt die magnetische Flussdichte we-
niger ab, d. h. sie bleibt auf höheren Werten, als dies der Neukurve entspricht.
1
Bei den in diesem Kapitel folgenden Betrachtungen können wir uns auf die Be-
träge der magnetischen Flussdichte B
und der magnetischen Feldstärke H
be-
schränken, die vereinfacht mit B bzw. H bezeichnet werden.
90 4 Nichtlineare elektrische Bauelemente, Schaltungen und Systeme
B(H) = μH (4.23)
Br
Hc H
a)
Magnetische Probe
R
Oszilloskop
u uc C
u0
I R shunt
uR
b)
I∼H. (4.24)
uc ∼ B . (4.27)
Sie wird zur Darstellung der Hysteresekurve auf den Vertikalkanal gelegt.
u
Abb. 4.18. Schaltsymbol für eine nichtlineare Kapazität
eine Funktion
q = fC (u(t), t) (4.28)
beschrieben werden. Dann heißt die Kapazität spannungsgesteuer t. Durch q
wird die im Kondensator gespeicherte elektrische Ladung beschrieben. Im
Weiteren wird für die Spannung u(t) aus Gründen der Übersicht nur u ge-
schrieben. Die Kennlinie beschreibt die von der Kapazität gespeicherte Ladung
q als Funktion der angelegten Spannung (Abb. 4.19). Man spricht von einer
Ladungs-Spannungs-Kennlinie. Auch hier kann eine zusätzliche Zeitabhängig-
keit durch eine Kennlinienschar mit dem Scharparameter t ausgedrückt wer-
den.
Für den allgemeinen Fall einer nichtlinearen und zeitvarianten Kapazität gilt
folgende Strom-Spannungs-Beziehung
dq(u, t) ∂q(u, t) du ∂q(u, t)
i(u, t) = = + . (4.29)
dt ∂u dt ∂t
Dabei wird der Term
∂q(u, t)
C(u0 , t) := (4.30)
∂u u=u0
und unter Verwendung von Gl. (4.29) bis Gl. (4.31) folgt als Linearisierung
um den Arbeits- (i0 ) bzw. Zeitpunkt (t0 )
du dC(u, t)
i(u, t) = C(u, t) +u . (4.32)
dt t=t0 dt u=u0
du dq(u)
i(u) = C(u) und C(u) = (4.33)
dt du
94 4 Nichtlineare elektrische Bauelemente, Schaltungen und Systeme
du dC(t) q(t)
i(t) = C(t) +u und C(t) = (4.34)
dt dt u
Varaktordiode
Das klassische Beispiel für eine nichtlineare Kapazität ist die sog. Varaktordi-
ode. Diese stellt eine im Sperrbereich betriebene Halbleiterdiode dar, welche
die Spannungsabhängigkeit der Kapazität von Halbleiterdioden nutzt. Die
klassischen Sperrschicht-Varaktoren mit ihrer veränderlichen Sperrschichtka-
pazität werden oft zur Abstimmung von Schwingkreisen eingesetzt. Mit der
folgenden Gleichung kann in vielen Fällen die Abhängigkeit der Kapazität C
von der Spannung u über dem pn-Übergang beschrieben werden
C = γ(UD + u)− k ,
1
(4.37)
60
pF
40
20
-6 -4 -2 0 u
V
a) b)
wird k = 3, wobei sich der Wert von γ gegenüber dem vorgenannten Fall
entsprechend ändert. Durch spezielle Dotierungsverläufe können auch andere
k- und γ-Werte eingestellt werden.
uA
Stg. V
uE uE . V uA
uE
Strom. So wird beispielsweise ein, abgesehen vom nicht unendlich hohen Ver-
stärkungsgrad, idealer Operationsverstärker durch die in Abb. 4.22 gezeigte
gesteuerte Quelle beschrieben. Wird zusätzlich die Begrenzung der Ausgangs-
spannung infolge Sättigung berücksichtigt, so ändert sich die approximierte
Kennlinie gemäß Abbildung 4.23.
uA
+UB
-UB/V
+UB/V uE
-UB
Abb. 4.23. Kennlinie eines Verstärkers (Verstärkungsgrad V), bei dem die Sätti-
gungserscheinungen berücksichtigt sind (approximierter Verlauf)
Die Spannung der Quelle lässt sich nun wie folgt angeben:
⎧
⎨ uE V für − UVB ≤ uE ≤ UVB
uA = +UB für uE > UVB . (4.39)
⎩
−UB für uE < − UVB
Kollektor
Basis iC
iB u CE
uBE
Emitter
Auch Transistoren lassen sich in Form von gesteuerten Quellen darstellen. Bei
Bipolartransistoren (Abb. 4.24) ist der Basisstrom iB die steuernde Größe und
der Kollektorstrom die gesteuerte Größe (Abb. 4.25).
iB
iC
u CE
iB
u BE u CE
a) b)
Netzwerken ist die graphische Bestimmung der (des) Arbeitspunkte(s) oft eine
Alternative mit Anschauungscharakter. Wir beginnen daher mit der graphi-
Ri
Uo u RL
Arbeitspunkt
u = RL i
U0
u u = U0 - R i i
AP
i U0 i
AP
Ri
u = U0 − Ri i (4.42)
charakterisiert.
Wenn sich der Lastwiderstand RL durch eine analytische Funktion der
Form
FRL (i, u) = 0 (4.43)
darstellen lässt, so führt die Tatsache, dass der Strom durch die Quelle mit
dem durch den Lastwiderstand in Betrag und Richtung identisch ist, zu der
Gleichung
FRL (i, U0 − Ri i) = 0 . (4.44)
U0
Kennlinie der Quelle
Kennlinie des
nichtlinearen
Lastwiderstandes
Dies ist im allgemeinen Fall eine nichtlineare transzendente Gleichung, die mit
Hilfe eines geeigneten numerischen Verfahrens, z.B. mit der Newton-Raphson-
Methode, gelöst werden kann.
Prinzipiell ist also eine Gleichung der Form
f (x) = 0 (4.45)
iAP i
kann vom Startpunkt x(0) abhängen. Die Lösung erhält man durch fortlau-
fende Iterationen über n
f (x(n) )
x(n+1) = x(n) − . (4.46)
f (x(n) )
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Verfahrens ist die stetige Differen-
zierbarkeit der Funktion f (x).
Es soll die in Abb. 4.30 gezeigte Schaltung analysiert werden. Die Diode lässt
sich durch u
i = Is (e UT − 1) (4.47)
beschreiben. Im konkreten Fall betragen die Werte für den Sättigungssperr-
strom der verwendeten Siliziumdiode
IS = 10 pA (4.48)
100 4 Nichtlineare elektrische Bauelemente, Schaltungen und Systeme
UT = 26 mV . (4.49)
Für die Leerlaufspannung der Quelle gilt U0 = 3 V und für ihren Innenwider-
stand Ri = 1 kΩ. Da in diesem Fall zu erwarten ist, dass i IS ist, vereinfacht
sich die Diodengleichung zu u
i = IS e UT . (4.50)
Ri
i
Uo u
u = U0 − Ri i (4.51)
Tabelle 4.1. Iterative Lösung von Gl. (4.52) für verschiedene Startwerte u(0)
Messungen sind in der Regel fehlerbehaftet, auch wenn sie noch so präzi-
se durchgeführt werden. Die Ermittlung und Angabe der entsprechenden
Messfehler sollte zu jeder zuverlässigen Messung gehören, damit die aus dem
Messergebnis abgeleiteten Schlüsse bzw. Entscheidungen auf einer sicheren
Grundlage basieren. So besteht bei vielen Arten von Messungen die Gefahr,
dass sich die zu messenden Größen durch das Einbringen der Messgeräte
verändern. Beispielsweise kann ein Spannungsmesser die zu messende Span-
nung verändern, weil er infolge seiner nicht idealen (d. h. nicht unendlich
hohen) Innenimpedanz die Spannungsquelle belastet. Generell ist darauf zu
achten, dass solche Rückwirkungen der Messeinrichtung auf die Quelle, der die
Messgröße entstammt, so gering wie möglich gehalten werden. Eine weitere
typische Fehlerquelle besteht in der unsachgemäßen Anwendung der Geräte,
wie z. B. dem Betrieb in einem nicht spezifizierten Frequenz- oder Tempe-
raturbereich. Aber selbst bei bestimmungsgerechter und rückwirkungsfreier
Anwendung von Messgeräten gibt es Messfehler, die zufälliger Natur sind, wie
z. B. die Ablesefehler.
Die Charakterisierung eines Messfehlers erfolgt durch Angabe des absolu-
ten oder des relativen Messfehlers. Der absolute Messfehler F ist definiert als
Differenz aus dem Messwert A (Anzeigewert) und dem wahren Wert W
F = A−W . (5.1)
Der relative Fehler f entspricht dem absoluten Fehler, bezogen auf den wahren
Wert
F
f= 100% . (5.2)
W
Bei nicht bekanntem wahren Wert W und kleinem Messfehler (|F/A|
1)
darf folgende Näherung angewendet werden
F
f≈ 100% . (5.3)
A
ermittelt werden. Mit dem wahren Wert yw ergibt sich schließlich der absolute
Messfehler Δy zu
5.1 Systematische Messfehler 105
Δy = y − yw
= f (x1 + Δx1 , ..., xn + Δxn ) − f (x1 , ..., xn ) . (5.6)
Wenn der absolute Einzelmessfehler Δxi klein ist gegenüber der entsprechen-
den Einzelmessgröße xi (|Δxi |
|xi |), lässt sich Δy aus den partiellen Ablei-
tungen und den kleinen Änderungen Δxi auf der Basis der nach den linearen
Gliedern abgebrochenen Taylorreihe der Funktion y entwickeln
n
∂y
Δy = Δxi . (5.7)
i=1
∂xi
Aus Gl. (5.7) lassen sich die folgenden Regeln für die Fortpflanzung systema-
tischer Fehler herleiten:
• Bei der Addition von Messgrößen werden die absoluten Fehler addiert.
• Bei der Subtraktion von Messgrößen werden die absoluten Fehler subtra-
hiert.
• Bei der Multiplikation von Messgrößen werden die relativen Fehler addiert.
• Bei der Division von Messgrößen werden die relativen Fehler subtrahiert.
Besteht das Aufgabengesetz beispielsweise aus einer Multiplikation von Mess-
größen mit gleichzeitiger Potenzierung
so ergibt sich der absolute Fehler Δy durch Auswertung von Gl. (5.7)
n
Δxi
Δy = y ri . (5.9)
i=1
xi
Daraus kann der gesamte relative Fehler Δy/y als Summe der mit den Expo-
nenten ri gewichteten relativen Einzelfehler fi errechnet werden
Δy Δxi
n n
= ri = ri fi . (5.10)
y i=1
xi i=1
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die oben beschriebene vorzei-
chenbehaftete Behandlung von Fehlern nur Sinn macht, wenn man die Vorzei-
chen der Fehler explizit kennt. In vielen Fällen allerdings sind die Richtungsab-
weichungen der Fehler und damit ihre Vorzeichen unbekannt. Deshalb macht
man von Gl. (5.7) in abgewandelter Form Gebrauch
n
∂y
Δy =
∂xi Δxi , (5.11)
i=1
d. h. man geht vom “worst case” aus, dass alle Fehler in die selbe Richtung
weisen. Die Abweichung Δy entspricht also dann dem maximalen (Absolut-)
Fehler, der auftreten kann.
106 5 Messfehler
1
N
xw = μ = lim xi . (5.13)
N →∞ N
i=1
Ein Maß für die Abweichung der Einzelwerte vom Mittelwert μ ist die mitt-
lere quadratische Abweichung, die man als Standardabweichung σ und deren
Quadrat als Varianz σ 2 bezeichnet
1
N
σ = ! lim (xi − μ)2 . (5.14)
N →∞ N
i=1
errechnet sich die statistische Sicherheit P für das Auftreten eines Messwertes
xi im Bereich −δ ≤ x − μ ≤ δ zu
δ
P (δ) = erf √ . (5.20)
σ 2
In Tab. 5.1 sind charakteristische Werte von P (δ) notiert (s. auch Abb. 5.1).
Wenn im Rahmen einer Messreihe die Standardabweichung σ ermittelt wur-
de, lässt sich mit Hilfe von Tab. 5.1 der zu einer bestimmten statistischen
Sicherheit P gehörende Vertrauensfaktor t bestimmen
108 5 Messfehler
δ = tσ . (5.21)
Der zufällige Fehler Fxi eines Einzelmesswertes xi liegt dann mit einer stati-
stischen Sicherheit (Wahrscheinlichkeit) von P innerhalb des Intervalls ±tσ
Bei der hier zunächst angenommenen unendlich hohen Anzahl von Messungen
hängt der Vertrauensfaktor t in der nach Tab. 5.1 bezifferten Weise nur von
der frei gewählten statistischen Sicherheit P (Wahrscheinlichkeit) ab. Wenn
beispielsweise eine statistische Sicherheit von 95 % gefordert wird, beträgt der
Vertrauensfaktor t nach Tab. 5.1 t = 1,96. Dies bedeutet, dass die Abweichung
des Einzelmesswertes vom wahren Wert μ = xw bei einer Wahrscheinlichkeit
von 95 % nicht größer ist als ± 1,96 σ.
Wird die Messung einer Messgröße mit denselben Mitteln und unter glei-
chen Bedingungen N-mal wiederholt, bezeichnet man dies als Stichprobe aus
der Grundgesamtheit der theoretisch unendlich vielen Messungen. Für den
praktischen Fall einer nur endlichen Anzahl von Messungen (N < ∞) kann
aus den einzelnen Messwerten xi (i = 1...N ) der Mittelwert μ (wahrer Wert
xw ) nicht mehr nach Gl. (5.13) gebildet werden, sondern nur noch ein Schätz-
wert x̃ angegeben werden
1
N
x̃ = xi . (5.23)
N i=1
Für eine endliche Anzahl N von Messwerten definiert man anstelle der Stan-
dardabweichung σ die Schwankung s (empirische Standardabweichung) bzw.
die Streuung s2
1
N
s=! (xi − x̃)2 . (5.24)
N − 1 i=1
Der Wert von s wird auch als mittlerer quadratischer Fehler (vom Schätzwert)
der Messwerte xi bezeichnet.
Tip:
Diese Thematik kann man anhand der LabVIEW Übungs-
aufgabe 2.2a auf der CD-ROM vertiefen.
5.2 Zufällige Messfehler 109
Grundgesamtheit
s: Standardabweichung
N, ~
x, s der Grundgesamtheit
2
∂x̃
sx̃ = ! σ2 . (5.25)
i=1
∂xi
Mit " #
1
N
∂x̃ ∂ 1
= xi = (5.26)
∂xi ∂xi N i=1 N
folgt aus dem Gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz (Gl. (5.25))
N
1 2 1 1
sx̃ = ! σ = N σ2 = √ σ . (5.27)
N 2 N 2
i=1
N
Die Schwankung der √ Verteilung der Schätzwerte x̃ ist also gemäß Gl. (5.27)
um den Faktor 1/ N kleiner als die der Einzelwerte xi (s. auch Gl. (5.24)).
In der Praxis kann man den exakten Wert von σ nicht ermitteln, da unend-
lich viele Messungen vorausgesetzt werden. Daher wird man anstatt σ die
Schwankung s aus der aktuellen Stichprobenverteilung (Abb. 5.2) verwenden.
Die vollständige Angabe eines Messergebnisses x erfolgt durch Bezifferung
des Schätzwertes x̃ und seiner Vertrauensgrenzen V in der Form
ts
x = x̃ ± V = x̃ ± √ . (5.28)
N
Der zufällige Fehler Fx̃ des Schätzwertes beträgt demnach
ts
Fx̃ = ± √ . (5.29)
N
Der Vertrauensfaktor t ist bei einer endlichen Anzahl von Messwerten neben
der gewählten statistischen Sicherheit P auch von der Anzahl N der Einzel-
messungen abhängig. Die Funktion der entsprechenden Fehlerverteilung ist die
sog. Student-Verteilung (Abb. 5.3), die auch als t-Verteilung bezeichnet
wird. Die Student-Verteilung ist also die Verteilung der Stichprobe (N < ∞),
welche verständlicherweise breiter ist als die Normalverteilung, weil die Ver-
trauensgrenzen bei gleicher statistischer Sicherheit P aufgrund der Tatsache,
dass man über weniger Messwerte mittelt, größer sind als bei der für N → ∞
geltenden Normalverteilung (Tab. 5.2). Mit einer für die Praxis ausreichen-
den Genauigkeit gehen Student- und Normalverteilung ab N > 200 ineinander
über.
Tip:
Auf der CDROM befindet sich das LabVIEW-Programm
student_density.vi, mit dem die Studentverteilung gra-
phisch dargestellt werden kann. Der Wertebereich kann frei
gewählt und Werte für N können definiert werden.
5.2 Zufällige Messfehler 111
p(x)
pN
pt
μ−σ μ μ+σ x
Abb. 5.3. Vergleich von Normalverteilung pN und Student-Verteilung (t-Verteilung)
pt für N = 5
Tabelle 5.2. Abhängigkeit des Vertrauensfaktors t von der Anzahl der Messungen
N bei verschiedener statistischer Sicherheit P
P = 68, 3% =
ˆ 1, 0σ P = 95% =
ˆ 1, 96σ P = 99% =
ˆ 2, 58σ P = 99, 73% =
ˆ 3, 0σ
√ √ √ √
N t t/ N t t/ N t t/ N t t/ N
2 1,84 1,30 12,7 8,98 63,7 45,0 236 167
3 1,32 0,76 4,30 2,48 9,92 5,73 19,2 11,1
4 1,20 0,60 3,18 1,59 5,84 2,92 9,22 4,61
6 1,11 0,45 2,57 1,05 4,03 1,65 5,51 2,25
10 1,06 0,34 2,26 0,72 3,25 1,03 4,09 1,29
20 1,03 0,23 2,09 0,47 2,86 0,64 3,45 0,77
50 1,01 0,14 2,01 0,28 2,68 0,38 3,16 0,45
100 1,01 0,10 1,98 0,20 2,63 0,26 3,08 0,31
200 1,00 0,07 1,97 0,14 2,60 0,18 3,04 0,22
> 200 1,00 1,00
√
N
≈0 1,96 1,96
√
N
≈0 2,58 2,58
√
N
≈0 3,0 3,00
√
N
≈0
112 5 Messfehler
Tip:
Mit dem LabVIEW-Programm student_table.vi kann die
Tab. 5.2 berechnet werden. Die Wahrscheinlichkeiten sowie
die Werte für N können eingestellt werden.
1
10
x̃ = xi = 85, 16 . (5.31)
10 i=1
Der zufällige Fehler Fxi der Einzelmessung beziffert sich bei einer (frei gewähl-
ten) statistischen Sicherheit von 95 % nach Tab. 5.2 auf
Der zufällige Fehler des Schätzwertes Fx̃ ergibt sich bei derselben statistischen
Sicherheit von 95 % zu
ts
Fx̃ (95 %) = ± √ = ±0, 272 . (5.34)
N
Damit kann die vollständige Angabe des Messergebnisses in folgender Form
geschehen
x = 85, 16 ± 0, 272 , (5.35)
wobei sich die Angabe der absoluten Toleranzgrenzen von ±0, 272 auf eine
gewählte statistische Sicherheit von 95 % bezieht.
5.2 Zufällige Messfehler 113
Tip:
Eine LabVIEW-Aufgabe zum Thema “Schwankung des
Schätzwertes in Abhängigkeit von der Probenlänge” findet
sich auf der CD-ROM (Aufgabe 2.2b).
Wenn die gesuchte Messgröße y eine Funktion mehrerer mit voneinander un-
abhängigen zufälligen Fehlern behafteter Einzelmessgrößen xi (i = 1, . . . , n)
ist
y = Fkt.(x1 , . . . , xn ) , (5.36)
lässt sich der Mittelwert μy , der dem wahren Wert yw entspricht, wie folgt
berechnen
yw = μy = Fkt.(μ1 , . . . , μn ) , (5.37)
wobei μi die Mittelwerte der Einzelmessgrößen xi bezeichnen (Anzahl der
jeweils aufgenommenen Messwerte N → ∞). Unter der Voraussetzung klei-
ner Einzelstandardabweichungen σi lässt sich die Standardabweichung σy des
Mittelwertes μy nach dem Gaußschen Fehlerfortpflanzungsgesetz (Gl. (5.38))
ermitteln
n
2
∂y
σy = ! σi2 . (5.38)
∂xi
i=1 (μ1 ,μ2 ,...,μn )
Für eine beliebige Anregungsfunktion x(t) ergibt sich das Ausgangssignal y(t)
durch Faltung mit der Impulsantwort (Kap. 3.11)
+∞ +∞
y(t) = x(τ )g(t − τ ) dτ = x(t − τ )g(τ )dτ = x(t) g(t) . (5.45)
−∞ −∞
Der Wert, der sich nach einer Sprunganregung als stabiler Wert einstellt, wird
als Beharrungswert bezeichnet.
Aus der linearen Systemtheorie weiß man (Kap. 3.11), dass harmonische An-
regungen der Form
Ŷ (ω) Ŷ (ω)
G(ω) = = ej(ϕy −ϕx ) = |G(ω)|ejϕ(ω) . (5.51)
X̂(ω) X̂(ω)
Fourier-Transformation Fourier-Rücktransformation
F{x(t)} = X(ω) x(t) = F −1 {X (ω)}
+∞ +∞
= −∞ x(t)e−jωt dt 1
= 2π −∞
X(ω)ejωt dω
Laplace-Transformation Laplace-Rücktransformation
L{x(t)} = X(s) x(t) = L−1 {X (s)}
∞ σ+j∞
= 0 x(t)e−st dt 1
= 2πj σ−j∞
X(s)est ds
Mit diesen Zusammenhängen und der Eigenschaft, dass eine Faltung zweier
Signale im Zeitbereich einer Multiplikation der Fourier-Transformierten im
Frequenzbereich entspricht, erhält man aus Gl. (5.45)
Beschränkt man sich auf kausale Zeitsignale (x(t) = 0 für t < 0), so ist es
zweckmäßig, anstatt der Fourier-Transformation die Laplace-Transformation
(Tab. 5.3) zu verwenden. Die Laplace-Übertragungsfunktion G(s) eines linea-
ren Systems ist folgendermaßen definiert
L{y(t)} Y (s)
G(s) = = . (5.57)
L{x(t)} X(s)
Dabei sind L{x(t)} und L{y(t)} die Laplace-Transformierten (Tab. 5.3) der
Zeitfunktionen x(t) und y(t), wobei s = σ + jω die Laplace-Variable darstellt.
Die Faltungsoperation (Gl. (5.46)) vereinfacht sich für kausale Zeitsignale und
Systeme im Laplace-Bereich ebenfalls zu einer Multiplikation der entsprechen-
den Laplace-Transformierten (Kap. 3.5.4)
wobei
L{f (t)} = F (s) , (5.61)
folgt aus Gl. (5.48) der Zusammenhang zwischen der Übertragungsfunktion
G(s) und der Sprungantwort h(t)
$
G(s)
h(t) = L−1 . (5.62)
s
Zusammengesetzte Systeme
Y (s)
G(s) = = G1 (s)G2 (s) (5.63)
X(s)
Y (s)
G(s) = = G1 (s) + G2 (s) (5.64)
X(s)
Y (s) G1 (s)
G(s) = = . (5.65)
X(s) 1 + G1 (s)G2 (s)
wobei f (n) die n-te Ableitung der Funktion f nach der Zeit t ist, kann
Gl. (5.66) für den vereinfachten Fall, dass alle Anfangswerte f (t = 0) bis
f (t)(n−1) |t=0 Null sind, folgendermaßen im Laplace-Bereich dargestellt wer-
den
Wenn der Messgrößenverlauf periodisch ist, darf die Integrationszeit T auf die
2
Periodendauer begrenzt werden. Da Fdyn einen absoluten Fehler beziffert, ist
es zweckmäßig, diesen auf den quadratischen Mittelwert x2 des Messsignals
zu normieren (Kap. 6.3.1)
T
1
x2 = x2 (t) dt . (5.73)
T 0
Im Folgenden wird angenommen, dass der dynamische Fehler durch das (nicht-
ideale) Übertragungsverhalten des Messsystems, das sich durch die Übertra-
gungsfunktion G(s) beschreiben lässt (Abb. 5.7), verursacht wird. Bei deter-
ministischen Anregungssignalen lässt sich der dynamische Messfehler mit der
bekannten Übertragungsfunktion des Messsystems G(s) ermitteln
Für den Fall, dass das Eingangssignal (wahrer Wert) des Messsystems be-
kannt ist (Vorwärtsanalyse), erhält man den Momentanverlauf des absolu-
ten Messfehlers Fdyn (t) durch folgende Laplace-Rücktransformation
In aller Regel zeigen Messsysteme ein mehr oder weniger ausgeprägtes Tief-
passverhalten. Im Folgenden soll daher zunächst der aus einem Tiefpass 1.
Ordnung resultierende dynamische Fehler berechnet werden (Abb. 5.8), wenn
der wahre Wert zum Zeitpunkt t = 0 auf den Wert X0 springt.
1
xw (t) Xw (s) GM(s) = X (s) x (t)
1+sτ
M
Vorwärtsanalyse
Wenn der wahre Wert bekannt ist, lässt sich gemäß Gl. (5.76) der absolute
dynamische Messfehler wie folgt berechnen
Fdyn (t) = L−1 {Xw (s)[GM (s) − 1]} = L−1 {F (s)} . (5.78)
Mit
X0
Xw (s) = (5.79)
s
folgt
X0 1 X0 τM
F (s) = −1 =− . (5.80)
s 1 + sτM 1 + sτM
122 5 Messfehler
Rückwärtsanalyse
Hier ist nur der gemessene Wert bekannt. Aus Gl. (5.77) folgt der dynamische
Fehler $
−1 1
Fdyn (t) = L X(s) 1 − . (5.83)
GM (s)
Die Auswertung führt zum selben Ergebnis wie die Vorwärtsanalyse
$
−1 −X0 τM
Fdyn (t) = L = −X0 · e−t/τM . (5.84)
1 + sτM
Der vom Messsystem herrührende dynamische Fehler kann durch ein nach-
geschaltetes Korrekturnetzwerk zum Teil kompensiert werden. Dies soll an-
hand eines Beispiels demonstriert werden. Das Ausgangssignal des Messsy-
stems (Tiefpass 1. Ordnung) wird aus diesem Grund mittels eines Oszilloskop-
Tastkopfes abgegriffen (s. auch Kap. 10.2). Die gesamte Messkette wird in
Abb. 5.9 gezeigt.
Mit
RT
VR = . (5.85)
RE
lautet die Übertragungsfunktion der gesamten Messkette (Messsystem und
Tastkopf)
XT (s) 1 1 + sτT
Gges (s) = = · . (5.86)
XW (s) 1 + sτM 1 + sτT + VR (1 + sτE )
Dabei wird vorausgesetzt, dass die Ein- bzw. Ausgangsimpedanzen vom
Messsystem und dem Tastkopf so gewählt wurden, dass die beiden Netzwerke
auch nach der Zusammenschaltung ihr ursprüngliches Übertragungsverhalten
beibehalten.
5.4 Dynamische Messfehler 123
Mit
τT + VR τE
τ∗ = (5.88)
1 + VR
erhält man
1 + VR 1 1 1 + sτT
XT · = · · . (5.89)
X0 s 1 + sτM 1 + sτ ∗
Eine Partialbruchzerlegung
1 + VR A B C
XT · = + + (5.90)
X0 s 1 + sτM 1 + sτ ∗
liefert
A=1 (5.91)
τM (τT − τM )
B = τB = (5.92)
τM − τ ∗
τ ∗ (τT − τ ∗ )
C = −τC = − . (5.93)
τM − τ ∗
Mit
X0 1 τB 1 τC 1
XT (s) = + · − ∗ · (5.94)
1 + VR s τM s + 1/τM τ s + 1/τ ∗
ergibt sich die entsprechende Zeitfunktion zu
X0 τB −t/τM τC −t/τ ∗
x(t) = ε(t) + ·e − ∗ ·e . (5.95)
1 + VR τM τ
124 5 Messfehler
x (t)
T τ T = 1,17 τ
M
1V
τ = 1,00 τ
T M
0,5V
τ T = 0,81 τ
M
τ =0
T
einen Zeiger übertragen, der durch eine im Allgemeinen von einer Feder er-
zeugten Gegenkraft in einer Stellung verharrt, so dass der Zeigerausschlag ein
Maß für die Messgröße darstellt, wenn möglich ihr proportional ist.
6.1.1 Drehspulmesswerk
Einer der im Bereich der Elektromechanik vielfach genutzten Effekte ist die
Kraftwirkung auf einen stromdurchflossenen Leiter im Magnetfeld. Wenn sich
ein gerader linienförmiger Leiter der Länge l, der einen Strom I führt, in
einem homogenen Magnetfeld mit der magnetischen Induktion B befindet
(Abb. 6.2), wirkt auf ihn die mechanische Kraft F [25]
F = I(l × B)
. (6.1)
Das Drehspulmesswerk ist ein Standardmesswerk, bei dem der eben beschrie-
bene physikalische Effekt genutzt wird, gemäß dem auf einen stromdurch-
flossenen Leiter in einem Magnetfeld eine mechanische Kraft ausgeübt wird.
Das Drehspulmesswerk besteht aus einem mit Polschuhen versehenen, festste-
henden Dauermagneten, der in Verbindung mit einem zylindrischen Weich-
eisenkern in einem begrenzten Winkelabschnitt des Luftspaltes ein radial-
homogenes B-Feld erzeugt (Abb. 6.3). Der Weicheisenkern wird von einer
drehbar gelagerten Spule mit rechteckigem Spulenrahmen und Windungszahl
N umschlossen. Die Höhe des Spulenrahmens beträgt l, seine Breite 2r. Wird
die Spule von einem Strom I durchflossen, ergibt sich die Kraftwirkung auf
einen einzelnen Leiter nach Gl. (6.1). Das auf die aus N Leiterwindungen
bestehende Spule wirkende Drehmoment M el berechnet sich somit zu
6.1 Elektromechanische Messgeräte 127
el = 2Nr × F
M
= 2Nr × [I(l × B)]
= 2N rIlBea , (6.2)
wobei der Einheitsvektor ea in Richtung der Drehachse zeigt. Durch eine an
der Spule angebrachte Spiralfeder (Federkonstante D) wird das Rückstellmo-
ment M mech erzeugt
mech = −Dαea .
M (6.3)
Aus der Gleichgewichtsbedingung M mech = 0 folgt der Winkel α, bei
el + M
dem sich Gleichgewicht einstellt bzw. bei dem der Zeiger verharrt
2N lBr
α= I = Si I . (6.4)
D
Dabei bezeichnet Si die Stromempfindlichkeit des Drehspulmesswerkes. In
technischen Ausführungen wird anstatt der Spiralfeder oft ein Spannband
benutzt, das neben der Erzeugung des Rückstellmomentes sowohl der Strom-
zuführung als auch der reibungsarmen Lagerung der Drehspule dient.
wobei ein Punkt über dem Formelzeichen die zeitliche Ableitung der entspre-
chenden Formelgröße nach der Zeit und zwei Punkte die zweifache zeitliche
Ableitung bedeuten. Mit den Substitutionen für die Eigenkreisfrequenz ω0 des
ungedämpften Systems
128 6 Analoges Messen elektrischer Größen
D
ω0 = (6.6)
Θ
und mit dem normierten Dämpfungskoeffizient η̃
η
η̃ = √ (6.7)
2 ΘD
ergibt sich die folgende Differentialgleichung
1 2η̃ 1
2 α̈ + α̇ + α = Mel (t) . (6.8)
ω0 ω0 D
und " #
η̃
ϕ = arctan (6.12)
1 − η̃ 2
• aperiodischer Grenzfall (η̃ = 1)
α
= 1 − e−ω0 t (1 + ω0 t) (6.13)
α0
• aperiodische (kriechende) Einstellung (η̃ > 1)
α 1 1 1
=1+ √ − e−t/τ1 + e−t/τ2 (6.14)
α0 2ω0 η̃ − 1 τ2 τ1
mit
1
τ1 = (6.15)
ω0 (η̃ − η̃ 2 − 1)
und
1
τ2 = . (6.16)
ω0 (η̃ + η̃ 2 − 1)
Wenn die induzierte Spannung uind den Strom iind in einem Kreis mit Wider-
stand RK hervorruft, ergibt sich das Dämpfungsmoment
130 6 Analoges Messen elektrischer Größen
1 dα
Md = (2N rlB)2 . (6.20)
RK dt
Mit
Md = η α̇ (6.21)
folgt für den (nicht-normierten) Dämpfungskoeffizienten η aus Gl. (6.5)
(2N rlB)2
η= . (6.22)
RK
Dabei setzt sich der Gesamtwiderstand des Messkreises RK , der sog. Schlie-
ßungswiderstand, aus dem Widerstand der Messspule RSP , einem eventuell
vorhandenen Abgleichwiderstand RT und dem Widerstand des äußeren Krei-
ses RA zusammen
RK = RSP + RT + RA . (6.23)
Wenn ein Abgleichwiderstand RT vorhanden ist, kann dieser bei konstan-
tem RA genutzt werden, um beispielsweise eine aperiodische Dämpfung zu
erzielen. Die kürzeste Einstellzeit wird allerdings für einen Dämpfungsgrad
η̃ < 1, also nach leichtem Überschwingen erreicht. Abbildung 6.5 zeigt die auf
die Periodendauer T0 der Grundschwingung bezogene Einstellzeit TE , die das
Messwerk nach einer Sprunganregung benötigt, um innerhalb einer Schwan-
kungsbreite von ± 1,5 % des Endausschlages zu bleiben. Die für den Wert
± 1,5 % ermittelte Zeit wird auch als Beruhigungszeit bezeichnet. Nachtei-
lig an dem eben beschriebenen Dämpfungsmechanismus ist allerdings, dass
die Größe der Dämpfung über den Schließungswiderstand RK vom jeweiligen
Widerstand RA des äußeren Kreises abhängt.
Abb. 6.5. Bezogene Einstellzeit TE /T0 als Funktion des normierten Dämpfungsko-
effizienten η̃ bei einem zulässigen Toleranzbereich von ± 1,5 % um den Endausschlag
6.1 Elektromechanische Messgeräte 131
6.1.2 Galvanometer
2
RKaper = √ (N rlB)2 . (6.24)
ΘD
Durch eine geeignete Wahl des Abgleichwiderstandes RT kann nach Gl. (6.23)
das Galvanometer so eingestellt werden, dass sein Zeiger entweder schwingend
(RK > RKaper ) oder kriechend (RK < RKaper ) seine Endstellung erreicht. Die
Einstellung der Dämpfung von Galvanometern lässt sich gemäß Gl. (6.22) bei
entsprechenden Bauformen auch durch Verändern der magnetischen Induktion
in Form eines veränderlichen magnetischen Nebenschlusses erreichen. Es ist
B
allerdings zu beachten, dass durch diese Maßnahmen auch die Empfindlichkeit
des Galvanometers verändert wird.
Kriechgalvanometer
Ballistisches Galvanometer
Das ballistische Galvanometer dient dem Zweck, die von einem Stromstoß ge-
lieferte Ladungsmenge zu messen. Dies wird dadurch erreicht, dass beim bal-
listischen Galvanometer ein im Vergleich zur Periodendauer der Messwerk-
grundschwingung zeitlich sehr kurzer Stromstoß einen Drehimpuls erzeugt.
Mit Hilfe von Gl. (6.2) lässt sich der Drehimpuls M (t) dt, welcher der Dreh-
spule durch den Stromstoß verliehen wird, wie folgt angeben
T T
M (t) dt = 2N rlB i(t) dt = 2N rlBQ0 . (6.30)
0 0
Θα̈ + η α̇ + Dα = 0 . (6.31)
α(0) = 0 (6.32)
und
1 T
α̇(0) = ω(0) ≈ ω(T ) = M (t)dt
Θ 0
1 Si DQ0
= 2N rlBQ0 = = Si ω02 Q0 (6.33)
Θ Θ
folgt als Lösung der Differentialgleichung für den aperiodischen Grenzfall
Daraus folgt, dass sich der als ballistische Ausschlag bezeichnete Maximalaus-
schlag αmax zu einem Zeitpunkt t = 1/ω0 einstellt. Der dazugehörige Winkel
αball ergibt sich zu
ω(0) Si ω 0
αball = αmax = = Q0 . (6.37)
eω0 e
Der ballistische Ausschlag ist somit proportional zur zugeführten Ladungs-
menge Q0 . Die Proportionalitätskonstante zwischen dem ballistischen Aus-
schlag αball und der Ladungsmenge Q0 wird als sog. ballistische Konstante
cball bezeichnet
e eT0
cball = = , (6.38)
Si ω 0 2πSi
wobei cball folgendermaßen definiert ist
T
Q0 = i(t)dt = cball αball . (6.39)
0
In Gl. (6.38) bezeichnen e die Eulersche Zahl (e = 2, 71828) und T0 die Peri-
odendauer der ungedämpften Messwerkgrundschwingung.
folgt
2bL · H
L + lFe · H
Fe = N1 I1 , (6.41)
6.1 Elektromechanische Messgeräte 135
I1
N1
N2 b)
B feststehende
Spule
bL
I2
hochpermeabler
a) Weicheisenkern Drehspule Weicheisenkern c)
μ0 rlN1 N2
= 2N2 rI2 lBLea = I1 I2ea . (6.43)
bL
Analog zum Drehspulmesswerk resultiert daraus für das mit einer Rückstell-
feder der Federkonstanten D ausgestattete elektrodynamische Messwerk ein
Zeigerausschlag um den Winkel α
μ0 rlN1 N2
α= I1 I2 = kI1 I2 . (6.44)
bL D
Das elektrodynamische Messwerk ist also ein multiplizierendes Instrument,
welches das Produkt zweier Ströme anzeigt. Wenn man das elektrodynamische
Messwerk mit sinusförmigen Strömen i1 (t) und i2 (t) (Kap. 6.3) derselben
Frequenz speist
136 6 Analoges Messen elektrischer Größen
dann ist die Anzeige zu dem Produkt der Effektivwerte und dem Cosinus des
Phasenwinkels ϕ zwischen den Strömen proportional
T
1
α = ki1 (t)i2 (t) = k i1 (t)i2 (t) dt
T 0
T
1
=k Iˆ1 Iˆ2 sin ωt sin(ωt + ϕ) dt
T 0
T
k Iˆ1 Iˆ2
= Iˆ1 Iˆ2 [cos ϕ − cos(2ωt + ϕ)] dt = k cos ϕ
2T 0 2
= kI1eff I2eff cos ϕ . (6.47)
Bei der Auswertung von Gl. (6.47) wurde angenommen, dass die Trägheit des
Instrumentes so groß ist, dass es in Bezug auf die Wechselgrößen eine zeitliche
T
Mittelung vornimmt, d. h. der Term 0 cos(2ωt + ϕ) leistet keinen Beitrag
zum Zeigerausschlag α.
Das Haupteinsatzgebiet von elektrodynamischen Messwerken liegt dem-
zufolge auf dem Gebiet der Leistungsmessung. Man unterscheidet beim elek-
trodynamischen Messwerk zwei Bauformen: Das eisengeschlossene elektrody-
namische Messwerk besitzt einen hochpermeablen Eisenkern, der oft aus ge-
schichteten und isolierten Blechen aufgebaut ist, um die Wirbelstromverluste
gering zu halten. Dabei wird auch auf geringe Hystereseverluste geachtet. Die
eisengeschlossene Form ermöglicht geometrisch kleine Bauausführungen, bei
der die magnetische Induktion B L innerhalb des Luftspaltes stets in radialer
Richtung verläuft, so dass der Übergang vom Vektorprodukt zum Skalarpro-
dukt in Gl. (6.43) analog zum Drehspulmesswerk erlaubt ist. Außerdem bleibt
der Fremdfeldeinfluss bei dieser Bauform gering.
Beim eisenlosen elektrodynamischen Messwerk nach Abb. 6.8 lässt sich
6.1.4 Dreheisenmesswerk
mech = −Dαea
M (6.50)
1 dL 2
α= I = k(α)I 2 . (6.51)
2D dα
Durch entsprechende geometrische Formgebung der Plättchen, d. h. eine
Beeinflussung des Terms dL/dα bzw. k(α), kann eine annähernd lineare
Abhängigkeit des Ausschlags α vom Strom I erreicht werden. Bei Wechsel-
strom schwankt das Drehmoment infolge der quadratischen Abhängigkeit vom
Strom mit der doppelten Frequenz. Infolge der mechanischen Trägheit des
Messwerkes wird damit der quadratische Mittelwert, also der Effektivwert,
angezeigt. Dies kann analog zum elektrodynamischen Messwerk abgeleitet
werden (Gl. (6.47)).
Der Energieverbrauch des Dreheiseninstrumentes und damit auch seine
Rückwirkung auf den Messvorgang sind größer als beim Drehspulinstrument.
Es wird als robustes und preiswertes Betriebsinstrument vorwiegend in der
elektrischen Energietechnik eingesetzt. Bei höheren Frequenzen wird der Feh-
ler vor allem von Wirbelstromverlusten in den Blechteilen des Messwerkes
bestimmt.
Kreuzspule
F1 F2
I1 I2 Permanentmagnet
N α S
B
β=90°
F2 F1 r
a) b)
F1 = N1 I1 (l × B)
(6.52)
F1 = N1 I1 lB (6.53)
F2 = N2 I2 (l × B)
(6.54)
F2 = N2 I2 lB . (6.55)
Wenn ea den in Richtung der Drehachse der Spule zeigenden Einheitsvektor
und r den Radius der Spulenrahmen bezeichnen, folgen mit M = 2r × F die
Einzeldrehmomente M1 und M2
M 2 = 0 .
1 +M (6.58)
Daraus folgt der Zusammenhang zwischen den Strömen I1 und I2 sowie dem
Winkel α des Zeigerausschlages
F2 N2 I2
tan α = = (6.59)
F1 N1 I1
bzw.
I2
α = arctan k . (6.60)
I1
140 6 Analoges Messen elektrischer Größen
α = arctan . (6.61)
sin β
6.1.6 Drehmagnetmesswerk
Das Drehmagnetmesswerk besteht aus einer feststehenden, vom Messstrom I
durchflossenen Feldspule der Länge l und Windungszahl N (Abb. 6.11). Bei
Vernachlässigung der Streuverluste erzeugt der Strom in ihrem Inneren ein
Magnetfeld der magnetischen Feldstärke H I , die sich aus dem Durchflutungs-
gesetz berechnet
&
s = NI
Hd (6.62)
N
HI = I. (6.63)
l
HI N
tan α = = I. (6.64)
HR lHR
Mit der Stromrichtung ändert sich also auch das Vorzeichen des Drehwinkels,
der infolge der mechanischen Trägheit des Messwerkes letztlich ein Maß für
den zeitlichen Mittelwert (Gleichstromwert) des Spulenstromes ist.
Die Vorzüge des Drehmagnetmesswerkes liegen in seiner einfachen Kon-
struktion; so ist beispielsweise keine Stromzuführung zu den beweglichen Tei-
len notwendig, wie dies beim Drehspulmesswerk der Fall ist. Nachteilig wirkt
sich jedoch der hohe Eigenverbrauch und seine im Vergleich zum Drehspul-
messwerk geringere Empfindlichkeit aus.
bewegliche Platte
α U
Δx
Die elektrische Energie Eel entspricht der Energie, die im Kondensator gespei-
chert ist, während sich die mechanische aus dem Produkt von Drehmoment
M el und Drehwinkel α errechnet. Mit Gl. (6.65) folgt
1 2
Mel dα = u dC , (6.66)
2
wobei u die am Messwerk anliegende Spannung und C die Kapazität zwischen
den Elektroden bezeichnen. Infolge des mit Federkraft erzeugten Rückstellmo-
mentes
Mmech = Dα (6.67)
ergibt sich der Ausschlagwinkel α aus der Gleichgewichtsbedingung (Mmech +
Mel = 0)
1 dC 2
α= u = k(α)u2 . (6.68)
2D dα
Bei angelegter Wechselspannung zeigt das Gerät den quadrierten Effektiv-
wert der Spannung an, falls das Messwerk als mechanisch träge gegenüber
der Wechselspannungsfrequenz bezeichnet werden kann. Diese Tatsache kann
wiederum analog zu Gl. (6.47) abgeleitet werden. Durch spezielle Plattengeo-
metrien kann der Zusammenhang zwischen dem Ausschlagwinkel α und der
angelegten Spannung u linearisiert werden. Absolute elektrostatische Hoch-
spannungsmesser beruhen auf der Messung der Anziehungskraft zwischen par-
allelen Kondensatorplatten. Dabei werden Messgenauigkeiten im Bereich von
0,01 % erreicht [162].
Der ohmsche Innenwiderstand elektrostatischer Messwerke liegt in der
Größenordnung 1012 bis 1014 Ω. Die Hochfrequenztauglichkeit wird allerdings
durch den mit der Frequenz zunehmenden Blindstrom sowie den ebenfalls
Abb. 6.14. Aufbau eines elektrostatischen Messwerkes, das auf der Influenz von
Ladungen basiert.
6.1 Elektromechanische Messgeräte 143
In Tabelle 6.1 sind die für den Bereich der elektromechanischen Messgeräte
wichtigsten Schaltzeichen und Symbole zusammengefasst.
Tabelle 6.1. Symbole für Messgeräte nach VDE 0410 und DIN 43802
144 6 Analoges Messen elektrischer Größen
Die Messung des Gleichstromes in einem Zweig eines beliebigen, aus ohmschen
Widerständen, Gleichspannungs- und Gleichstromquellen zusammengesetzten
linearen Netzwerkes kann nach dem in Abb. 6.15 gezeigten Prinzip der Er-
satzspannungsquelle ohne Einschränkung der Allgemeinheit auf das in Abb.
6.16 dargestellte Problem reduziert werden. Wenn der Messzweig aus dem Wi-
derstand RL besteht und das restliche Netzwerk durch die Spannungsquelle
(mit Leerlaufspannung UQ und Innenwiderstand RQ ) ersetzt wird, lässt sich
der zu messende Strom IL mit einem idealen, d. h. widerstandslosen (RM = 0)
Strommesser exakt bestimmen
UQ
IL = . (6.69)
RQ + RL
Abb. 6.15. Äquivalenz von einem Tor eines linearen Netzwerkes und einer Ersatz-
spannungsquelle bzw. einer Ersatzstromquelle
6.2 Messung von Gleichstrom und Gleichspannung 145
UQ
IL = . (6.70)
RQ + RL + RM
UQ
IL = (6.71)
RQ
UQ
IL = . (6.72)
RQ + RM
IL − IL −1
fI = = RQ
. (6.73)
IL 1 + RM
Bei unbekanntem Innenwiderstand der Quelle RQ , muss dieser vor einer Feh-
lerermittlung bzw. -korrektur nach Gl. (6.73) ebenfalls gemessen werden. Dies
kann im (theoretisch vereinfachten) Fall durch Messung von Leerlaufspannung
UQ und Kurzschlussstrom IK der Ersatzspannungsquelle geschehen. Der In-
nenwiderstand RQ ergibt sich bei Messungen von UQ und IK mit idealen
Messwerken zu
UQ
RQ = . (6.74)
IK
Für den allgemeinen Fall RL = 0 ist RQ durch (RQ + RL ) zu ersetzen. Das
negative Vorzeichen in Gl. (6.73) bedeutet, dass infolge des systematischen
Fehlers bei der Strommessung stets ein zu niedriger Wert gemessen wird. Man
kann aus Gl. (6.73) bzw. der entsprechenden graphischen Darstellung (Abb.
6.17) als Regel ableiten, dass bei der Strommessung der Innenwiderstand
146 6 Analoges Messen elektrischer Größen
Abb. 6.17. Betrag des relativen Fehlers fI bei der Strommessung als Funktion
von RQ /RM . RM : Messgeräteinnenwiderstand, RQ : Innenwiderstand der Ersatzspan-
nungsquelle
Zur Messung von Strömen, welche den Messbereich des unbeschalteten Messwer-
kes übersteigen, sind entsprechende Maßnahmen zur Messbereichserweiterung
zu treffen. Drehspulmesswerke beispielsweise haben, je nach Auslegung, End-
bereichswerte von nur IMend = 10 μA...100 mA bei einem Spannungsabfall von
UMend = 2 mV...200 mV. Praktische Messgeräte hingegen weisen mehrere um-
schaltbare Messbereiche auf, so dass auch wesentlich höhere Ströme mit ein-
und demselben Instrument gemessen werden können. Um einen Strommesser
für einen höheren Messbereich vorzubereiten, wird dem Messwerk ein Wider-
stand RP , ein sogenannter Shunt, parallel geschaltet (Abb. 6.18). Wegen der
Parallelschaltung der Widerstände RM und RP gilt
RM IM = RP IP = RP (I − IM ) . (6.76)
6.2 Messung von Gleichstrom und Gleichspannung 147
RM
IM
IP
I RP
Abb. 6.19. Vielfachmessgerät zur Strommessung (IMend =0,1 mA; Iend = 1 mA bis
0,1 A)
Messwerke, die der Strommessung dienen, können prinzipiell auch zur Span-
nungsmessung eingesetzt werden, indem der bei Anlegen einer Spannung U
an das Messwerk fließende Strom mit dem Innenwiderstand RM multipliziert
und als Spannung ausgegeben wird. Abbildung 6.20 zeigt die entsprechen-
de Messschaltung. Für eine nicht vorhandene Last (RL → ∞) kann folgende
Maschengleichung angegeben werden
IM RQ + IM RM − UQ = 0 . (6.78)
Daraus folgt
148 6 Analoges Messen elektrischer Größen
IM RM = UM = UQ − IM RQ . (6.79)
Der relative Messfehler fU (Belastungsfehler) beträgt somit
UM − UQ −1
fU = = . (6.80)
UQ 1+ R
RQ
M
Für den Fall eines endlichen Lastwiderstandes RL verringert sich der relati-
ve Messfehler fU , da anstatt RQ in Gl. (6.80) jetzt der geringere Wert der
Parallelschaltung von RQ und RL einzusetzen ist
−1 −1
fU = RM RM
= RQ +RL
. (6.81)
1+ RQ + RL 1 + RM RQ RL
Abbildung 6.21 zeigt den Betrag des relativen Messfehlers bei der Spannungs-
messung. Aus den Gln. (6.80) und (6.81) und der entsprechenden graphischen
Darstellung kann die Regel abgeleitet werden, dass bei der Spannungsmessung
der Innenwiderstand des Messgerätes möglichst groß sein sollte.
Abb. 6.21. Betrag des relativen Fehlers fU bei der Spannungsmessung als Funktion
von RM /RQ . RM Messgeräteinnenwiderstand; RQ Innenwiderstand der Quelle, deren
Leerlaufspannung gemessen wird.
6.2 Messung von Gleichstrom und Gleichspannung 149
Bei der gleichzeitigen Messung von Strom und Spannung ergeben sich zusätz-
liche Fehler. Es gibt zwei Möglichkeiten der Schaltungsanordnung. Bei der
Variante nach Abb. 6.24a wird die Generatorspannung UM sowie der Last-
strom IL pseudokorrekt angezeigt, bei der Variante nach Abb. 6.24b hingegen
wird die Lastspannung UL sowie der Generatorstrom IQ pseudorichtig gemes-
sen. Der Begriff pseudokorrekt“ bzw. pseudorichtig“ soll aussagen, dass
” ”
die entsprechenden Messwerke zwar die aktuelle Messgröße richtig messen,
dass jedoch durch das Vorhandensein eines realen (nicht-idealen) Messwerkes
die ursprüngliche Messgröße infolge des oben besprochenen Belastungsfehlers
verfälscht wird.
Abb. 6.24. Gleichzeitige Messung von Strom und Spannung: a) Messung pseudo-
korrekt für Generatorspannung UM und Laststrom IL , b) Messung pseudokorrekt
für Lastspannung UL und Generatorstrom IQ
Bei den nicht pseudokorrekt“ gemessenen Größen hingegen wird noch nicht
”
einmal die aktuelle Größe richtig angezeigt. So wird beispielsweise bei der
Schaltungsvariante nach Abb. 6.24a die aktuelle Lastspannung UL vom Span-
nungsmesser nicht erfasst. Für die Schaltungsvariante nach Abb. 6.24a ergibt
sich folgender relativer Messfehler fIL bei der Bestimmung des Laststromes
IL
RQ RL + RMI (RMU + RQ )
fIL = − . (6.84)
RMU RQ + (RMI + RL )(RMU + RQ )
Für die Schaltungsvariante nach Abb. 6.24b hingegen errechnet sich der rela-
tive Fehler bei der Strommessung zu
RQ RL + RMI (RMU + RL )
fIL = − . (6.85)
RMU RL + (RMI + RQ )(RMU + RL )
Bei den relativen Messfehlern nach den Gln. (6.84) und (6.85) ist als wahrer
Wert stets derjenige Laststrom angenommen, welcher bei nicht vorhandenen
bzw. idealen Messgeräten fließen würde.
6.3 Messung von Wechselstrom und Wechselspannung 151
( sin(ωt + ϕ) .
u(t) = U (6.86)
• Gleichrichtwert T
1
|u| = |u(t)| dt (6.88)
T 0
Scheitelwert (
U
Scheitelfaktor (crest factor) = C = = (6.90)
Effektivwert Ueff
• Formfaktor
Effektivwert Ueff
Formfaktor = F = = . (6.91)
Gleichrichtwert |u|
152 6 Analoges Messen elektrischer Größen
√
Für rein sinusförmige √
Größen beträgt der Scheitelfaktor C = 2 und der
Formfaktor F = π/(2 2) = 1, 11. Setzt sich eine Spannung uges (t) aus ei-
ner Überlagerung von n Teilspannungen ui (t) (Gleichspannungen oder Wech-
selspannungen mit sinusförmigem Zeitverlauf und Frequenzen, die in einem
ganzzahligen Verhältnis stehen) zusammen
n
uges (t) = ui (t) , (6.92)
i=1
Dies gilt insbesondere für eine aus einem Gleich- (u ) und einem (reinen)
Wechselanteil (u∼ ) zusammengesetzte Mischgröße der Form
u(t) = u + u∼ (t) . (6.94)
Der Effektivwert des Wechselanteils U∼eff ergibt sich gemäß Definitionsglei-
chung (6.89) zu
1 T 2
U∼eff = u (t) dt . (6.95)
T 0 ∼
Der Effektivwert der Mischspannung Ugeseff lässt sich schließlich anhand von
Gl. (6.93) berechnen
Ueffges = u 2 + U∼eff2 . (6.96)
In diesem Zusammenhang sollen auch die folgenden Größen definiert werden:
• Schwingungsgehalt s
U∼eff
s= (6.97)
Ueffges
• Welligkeit w
U∼eff
w= . (6.98)
u
Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass alle obigen Definitionen in analoger
Weise für einen Wechselstrom i(t) gelten.
6.3.2 Gleichrichtung
Zur Messung von Wechselgrößen mit Hilfe der in der elektrischen Messtechnik
vorzugsweise eingesetzten Messwerke benötigt man Schaltungen zur Gleich-
richtung des Messstromes bzw. der Messspannung. In diesen Schaltungen ver-
wendet man heute im Allgemeinen Halbleiterdioden, die der Einweg- bzw. der
Zweiweg-Gleichrichtung der elektrischen Wechselgrößen dienen.
6.3 Messung von Wechselstrom und Wechselspannung 153
Einweg-Gleichrichtung
Abb. 6.25. Messung des halben Gleichrichtwertes einer Wechselspannung mit Hilfe
eines Drehspulmessgerätes
iD iD
uD 0,7 V uD
1
Die Schwellenspannung wird auch als Durchlassspannung, Schleusenspannung
oder Kniespannung bezeichnet.
154 6 Analoges Messen elektrischer Größen
0,7 V
iD
Cg uD
Zweiweg-Gleichrichtung (Vollweg-Gleichrichtung)
Abb. 6.28. a) Graetz-Schaltung zur Erfassung beider Halbwellen bei der Gleich-
richtung, b) Spannungsverlauf
Der Scheitelwert US (Spitzenwert, Peak Value) ist der innerhalb eines definier-
ten Zeitraumes betragsmäßig größte Wert des Signals. Bei unsymmetrischem
Kurvenverlauf gilt
US = Û = max{Û+ , Û− } , (6.99)
wobei Û+ und Û− die im positiven bzw. negativen Amplitudenbereich liegen-
den Spitzenwerte sind (Û+ ≥ 0 und Û− ≥ 0). Zur Messung des positiven
Spannungs-Scheitelwertes (Û+ ) dient die Schaltung nach Abb. 6.29. Es wird
hierbei der Ladekondensator auf den Spitzenwert der angelegten Spannung
6.3 Messung von Wechselstrom und Wechselspannung 155
aufgeladen und vom Messgerät gemessen. Zur Messung des negativen Spit-
zenwertes Û− muss lediglich die Diode in der Messschaltung (Abb. 6.29) um-
gepolt werden. Die durch das Messgerät verursachten Ladungsverluste werden
durch kurzzeitige Ladeströme, die je Periode einmal auftreten, ausgeglichen
(Abb. 6.30). Zur exakten Messung des Spitzenwertes werden daher vorwie-
gend Geräte mit elektronischem Eingangsverstärker eingesetzt, welche sehr
hohe Eingangsimpedanzen aufweisen.
Die Schaltung funktioniert so, dass während der negativen Halbwelle nur
die Diode D1 leitet und den Kondensator C1 auf den negativen Spitzenwert
auflädt
156 6 Analoges Messen elektrischer Größen
RM ü:1 RM
iM iM
u u
Z primär
Z sekundär
a) b)
α = ki2 . (6.103)
Somit entsteht eine Anzeige, die dem quadratischen Mittelwert des Stromes
und damit dem Quadrat des Effektivwertes proportional ist. Dabei ist aller-
dings darauf zu achten, dass die Innenwiderstände beider Pfade (feststehende
Spule und Drehspule) klein gegenüber dem Widerstand des Messkreises sein
6.3 Messung von Wechselstrom und Wechselspannung 159
Tabelle 6.2. Das Verhalten von Standard-Zeigermessgeräten bei der Messung von
Wechselgrößen
6.3.6 Messwandler
R1 = R2 = 0 (6.104)
X1σ = X2σ = 0 (6.105)
X1h → ∞ (6.106)
R1E → ∞ . (6.107)
Das Ersatzschaltbild beschränkt sich damit auf den idealen Übertrager mit
dem Übersetzungsverhältnis ü. Die sekundärseitig angeschlossene Lastimpe-
danz (RL , XL ) wird Bürde genannt. In Abb. 6.37 wird ein zu dem Ersatzschalt-
bild von Abb. 6.36 äquivalentes Netzwerk gezeigt. Es wurden hier jedoch alle
sekundärseitig auftretenden Größen (Ströme und Spannungen) und Elemente
auf die Primärseite umgerechnet; außerdem wurde die infolge des Übertragers
stets vorhandene Potentialtrennung zwischen Primär- und Sekundärseite nicht
berücksichtigt. Prinzipiell wäre auch ein weiteres Ersatzschaltbild denkbar, bei
dem alle primärseitigen Größen und Netzwerkelemente auf die Sekundärseite
transformiert werden.
Stromwandler
Beim Stromwandler wird der zu messende (Wechsel-) Strom durch die Primär-
wicklung des Transformators geschickt, während die Sekundärwicklung im
Idealfall von einem Strommesswerk kurzgeschlossen wird (Abb. 6.38). Für
einen idealen Stromwandler (Übertrager) ergibt sich das Verhältnis von Primär-
zu Sekundärstrom aus dem Übersetzungsverhältnis ü, dessen Kehrwert im
Zusammenhang mit Messwandlern meistens mit ki bezeichnet wird
I1eff N2 1
= = = ki . (6.108)
I2eff N1 ü
Der Stromwandler ist also ein sekundärseitig kurzgeschlossener bzw. nieder-
ohmig abgeschlossener Transformator, der nur aus wenigen Primärwindungen
besteht. Der Transformator ist i. Allg. so ausgelegt, dass bei primärem Nenn-
strom I1 = INenn der Sekundärstrom I2 = 5 A bzw. I2 = 1 A beträgt. Bei
hohen Primärströmen I1 > 500 A genügt primärseitig meist eine Windung.
Der Kern eines Stromwandlers ist lediglich für den relativ geringen Dif-
ferenzfluss bemessen, da der vom Primärstrom erzeugte magnetische Fluss
im Falle des niederohmigen sekundärseitigen Abschlusses bzw. Kurzschlus-
ses von dem vom Sekundärstrom herrührenden Gegenfluss kompensiert wird.
Eine Auftrennung des Sekundärkreises hätte zur Folge, dass der gesamte
Primärfluss plötzlich vom Kern aufgenommen werden müsste, was leicht zu
thermischer Überlastung führen kann. Gleichzeitig würde eine sich aus dem
Übersetzungsverhältnis ergebende hohe Spannung an den Sekundärklemmen
anliegen.
Der Fehler des Stromwandlers ist bei gegebenem Primärstrom I1 die Abwei-
chung des mit der Nennübersetzung kNi multiplizierten Sekundärstromes I2
vom Primärstrom. Der relative Fehler beträgt
I2ist − I2soll I2eff kNi − I1eff
fi = 100% = 100% . (6.109)
I2soll I1eff
Neben diesem in Gl. (6.109) angegebenen Betragsfehler gibt es noch einen
Winkelfehler. Der entsprechende Fehlwinkel δi ist die Voreilung des Sekundär-
stromes gegenüber dem Primärstrom. Beide Fehler (Betragsfehler und Win-
kelfehler) lassen sich dem Zeigerdiagramm entnehmen, welches in Abb. 6.40
6.3 Messung von Wechselstrom und Wechselspannung 163
I1R1
j . I1X1σ
U1
U1h
ü. j.I2 X2 σ
ü.I2R2
I2
ü .U2 ü
δi Iμ
Iμ I1
I1h
I1E
gezeigt ist. Man kann diesem Diagramm auch entnehmen, dass der Fehler des
Stromwandlers mit dem magnetischen Fluss bzw. dem Magnetisierungsstrom
I μ zunimmt.
Der Magnetisierungsstrom I μ ergibt sich als vektorielle Überlagerung aus
dem eigentlichen Magnetisierungsstrom I 1h und dem entsprechenden Verlust-
strom I 1E (Abb. 6.36 und 6.37). Durch geeignete Dimensionierung und Ma-
terialauswahl wird daher versucht, den Magnetisierungsstrom klein zu halten.
Die für Stromwandler standardisierten Fehlerklassen sind in Tab. 6.3 notiert.
Die jeweilige Fehlerklasse beziffert den maximalen relativen Betragsfehler nach
Gl. (6.109) in Prozent, während der zulässige Winkelfehler von der aktuellen
Belastung durch die Bürde abhängt. Mit Hilfe der Operationsverstärkerschal-
tung nach Abb. 6.41 kann der mit dem Magnetisierungsstrom gekoppelte Fluss
annähernd zu Null abgeglichen werden, so dass die Stromwandlerfehler sehr
klein werden, wenn es gelingt, die Streuverluste sowie die Windungsverluste
Tabelle 6.3. Fehlerklassen und Winkelfehler für Messwandler bei 25 bis 100 %
Nennbürde
ebenfalls klein zu halten [174]. Der in der Schaltung verwendete ohmsche Wi-
derstand sollte eine möglichst geringe parasitäre Kapazität bzw. Induktivität
aufweisen, weil eventuelle Blindanteile einen entsprechenden Winkelfehler ver-
ursachen.
Spannungswandler
Sowohl dieser Betragsfehler als auch der ihm zugeordnete Winkelfehler (Win-
kel zwischen dem Spannungszeiger U 1 (Primärspannung) und dem Span-
nungszeiger U 2 (Sekundärspannung)) sind dem Zeigerdiagramm des Span-
nungswandlers (Abb. 6.43) zu entnehmen. Aus dem Zeigerdiagramm ist er-
sichtlich, dass der Fehler des Spannungswandlers sowohl vom Wandler selbst
als auch von der Bürde abhängt. Denn mit Verändern der Bürde ändert sich
der Stromzeiger I 2 und somit das Teilzeigerdiagramm, bestehend aus den
Zeigern üU 2 , üI 2 R2 , jüI 2 X2σ und U 1h , und damit letztlich auch der Fehler.
Die Genauigkeitsklassen beziffern wiederum den zulässigen relativen Span-
nungsfehler fu nach Gl. (6.111) in Prozent. Der entsprechende Spannunsfehl-
winkel δu ist in Tab. 6.3 notiert.
Für Messspannungen oberhalb 200 kV verwendet man kapazitive Span-
nungsteiler, welche die Hochspannung auf etwa 10 % ihres ursprünglichen Wer-
tes herabsetzen (Abb. 6.44). Die nachgeschaltete Drossel wird so bemessen,
Spannungswandler
C1
Drossel
U1
C2 U2
I mess
Kern
Sondenwicklung
I mess
a) ZL
I mess
rm
Kernquer-
schnittsfläche A K
b)
1 L1 - M L2 - M 2
I1 I2
U1 M U2
1' 2'
Abb. 6.47. Ersatzschaltbild eines Transformators. L1 und L2 sind die Eigen-
Induktivitäten von Primär- bzw. Sekundärwicklungen. M bezeichnet die Koppel-
induktivität zwischen Primär- und Sekundärseite.
I
|H(r)| = . (6.114)
2πr
Aufgrund seiner hohen Permeabilität konzentriert sich das Magnetfeld auf
den Kern der Sondenwicklung. In dieser wird nach dem Induktionsgesetz eine
Spannung induziert, die dem Messstrom proportional ist. Wenn die Sonden-
I mess
L1 - M L2 - M
ZE M UL ZL
Messleiter
I mess
Z i = jωL 2
U0 = − A
jωN μ0 μrK Hd ≈ −jωN μ0 μrK H AK = −jωM I
m mess . (6.117)
AK
Dabei approximiert man das Integral in Gl. (6.117) durch die mittlere Induk-
tion B m bzw. die mittlere magnetische Feldstärke H m (s. auch Abb. 6.46b)
μ0 μrK
B m = μ0 μrK H m = I . (6.118)
2πrm mess
Die Koppelinduktivität M ergibt sich demnach wie folgt
μ0 μrK AK
M =N . (6.119)
2πrm
Die Messspannung U L lässt sich anhand von Abbildung 6.49 angeben. Sie
beträgt
ZL
UL = jωM I mess . (6.120)
Z L + jωL2
170 6 Analoges Messen elektrischer Größen
I mess 1 2
ZE UL ZL
I mess
1' 2'
Abb. 6.50. Transformatoren-Ersatzschaltbild einer Strommesszange. Z E bezeichnet
die Lastimpedanz der Strommesszange am Messort.
• 2. niederohmige Last Z L :
Die Transferimpedanz ist frequenzunabhängig (ebener Verlauf ohne Stei-
gung im Bodediagramm)
6.3 Messung von Wechselstrom und Wechselspannung 171
M
|Z L |
ωL2 → Z Tr = Z . (6.125)
L2 L
Insgesamt ergibt sich der typische Hochpasscharakter (Abb. 6.51) mit einer
3 dB-Eckfrequenz fg von
1 |Z L |
fg = , (6.126)
2π L2
d. h., wenn |Z L | kleiner wird, verringert sich auch fg .
Dies bedeutet, dass bei höherer Belastung (d. h. Z L wird kleiner) die Eck-
frequenz sinkt. Der von Stromzangen prinzipiell nutzbare Frequenzbereich
geht von der Rauschgrenze, die stets im differenzierenden Bereich liegt, bis
zu dem Resonanzbereich, der an den konstanten Frequenzgang oberhalb der
Eckfrequenz anschließt. Diese Resonanzen lassen sich nicht mehr anhand des
Ersatzschaltbildes (Abb. 6.48) beschreiben. Zur Erklärung dieses Phänomens
sei auf weiterführende Literatur verwiesen [119]. Abbildung 6.51 zeigt die
Transferimpedanz einer typischen Strommesszange. Im Allgemeinen wird man
bestrebt sein, den frequenzunabhängigen mittleren Teil oberhalb der Grenz-
frequenz fg für die Strommessung zu nutzen.
Z Tr
1000
Ω
100
10
0,1
1 10 100 1000
MHz
Frequenz
Die Strommesszange hat infolge der induktiven Kopplung zwischen ihrer Son-
denspule und dem Messleiter eine Rückwirkung auf die Strombelegung des
Leiters. Die Stärke dieser Rückwirkung lässt sich an der Größe der sog.
Einfügeimpedanz ablesen. Die Einfügeimpedanz Z ins der Strommesszange
entspricht der Impedanz Z E der Zange am Messort minus der Eigenimpedanz
des Messleiters Z 10 = jωL10
172 6 Analoges Messen elektrischer Größen
ω2M 2
Z ins = Z E − Z 10 = jωL1 + − jωL10 (6.127)
Z L + jωL2
Z ins
10
Ω
1
0,1
0,01
0,001
100 1k 10 k 100 k 1 M 10 M Hz 1G
Frequenz
Diese Kraft bewirkt eine Ablenkung der Ladungsträger und führt in einem
Hallelement (Abb. 6.53) zu einer Ansammlung von Ladungsträgern bzw. einer
Aufladung der Hilfselektroden, was wiederum ein elektrisches Feld E H normal
zum Geschwindigkeitsvektor v zur Folge hat. Dieses elektrische Feld übt nun
seinerseits wiederum die Kraft
Fel = q E
H (6.130)
6.3 Messung von Wechselstrom und Wechselspannung 173
äußeres Magnetfeld b
B d
J EH _
+
Sensorelektrode
UH ez
ey
I ex
ein.
Mit dem in Abb. 6.53 eingeführten Koordinatensystem und der Festlegung
von Elektronen als Ladungsträger (q = −e0 ; mit der Elementarladung e0 ) gilt
H + e0 vBex
0 = −e0 E (6.134)
H
berechnet sich das im Hallelement einstellende maximale elektrische Feld E
zu
H = vBex .
E (6.135)
Nun kennt man noch den Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit v der
Ladungsträger und der elektrischen Stromdichte J
= I
|J| , (6.137)
bd
so erhält man unter Berücksichtigung von Gl. (6.135) den folgenden Ausdruck
H
für die elektrische Feldstärke E
H = 1 I Bex .
E (6.138)
ne0 bd
174 6 Analoges Messen elektrischer Größen
2
UH = H ds = 1 1 IB = RH 1 IB .
E (6.139)
ne0 d d
1
Ua
UH
Äquipotentialflächen
ohne / mit Magnetfeld
1 ΘH
Elektrode
+ + + + + + + + + +
E ax
Fläche A jn
I
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _
Elektrode 2 EH
ΘH E
Potentialdifferenz der
Äquipotentiallinien = Hallspannung Beispiel:
n-Halbleiter
x
B
Abb. 6.54. Verlauf der Äquipotentiallinien mit und ohne äußeres Magnetfeld. ΘH
ist der Hallwinkel.
=E
E ax + E
H = E
ax − v n · B
z , (6.142)
dr
n
wobei vdr die Driftgeschwindigkeit der (negativen) Ladungsträger darstellt.
Der sog. Hallwinkel ΘH ist der Winkel zwischen dem resultierenden elektri-
schen Feld E und dem von außen angelegten Feld E ax .
Eine typische Anwendung von Hallelementen ist die Messung von Gleich-
strömen mit Hilfe von Strommesszangen.
176 6 Analoges Messen elektrischer Größen
Feldlinien der
magnetischen
Induktion B IS
Wicklungen zur Hallelement
Erzeugung des
Kompensationsflusses
I mess IH
stromführender Leiter
RM
UM
IS
RH RH μ0 I mess
UH = IH B m = IH . (6.144)
d d 2πrm
Damit ist die Hallspannung proportional zum Messstrom. Bei der Messung
können aber verschiedene Fehler auftreten. Neben dem Erdmagnetfeld, das
die Genauigkeit im Allgemeinen negativ beeinflussen wird, verfälscht auch die
Temperaturempfindlichkeit des Hallelementes die Messung. Eine Möglichkeit,
die Messgenauigkeit zu erhöhen, besteht in der Anwendung des Kompensati-
onsprinzips (s. auch Kap. 9.2). Dazu wird im Sondenkern ein dem Magnetfeld
des Messstromes entgegengesetztes Magnetfeld erzeugt. Die Stärke des Gegen-
feldes entspricht genau der des primären Feldes, so dass das Magnetfeld im
Sondenkern zu Null abgeglichen wird. Da somit die Hallspannung stets Null
ist, geht beispielsweise auch der (temperaturempfindliche) Hallwiderstand RH
nicht mehr in die Messgenauigkeit ein. Um das Gegenfeld im Sondenkern zu er-
zeugen, wird eine Kompensationsspule auf den Kern gewickelt (s. Abb. 6.55),
die von einem geregelten Strom beschickt wird. Die Kompensationsschaltung
besteht aus dem Hallelement, dessen Hallspannung auf Null abgeglichen wird,
und einem Operationsverstärker, dessen Differenzeingangsspannung im einge-
regelten Zustand ebenfalls Null ist. Der Ausgangsstrom IS des Operations-
verstärkers wird durch die Kompensationswicklung geschickt und erzeugt das
Gegenfeld. Dieser Strom ist proportional zum Messstrom. Er wird mit Hil-
fe des Shunt-Widerstandes in eine Messspannung UM umgesetzt. Diese ist
die Ausgangsgröße der Gesamtanordnung und ein originalgetreues Abbild der
Messgröße, d. h. UM ∼ Imess .
7
Messverstärker
uE uA uE uA uE uA
b)
7.1 Operationsverstärker
N iN
iA
uD
uN u DV0
P iP
uA
uP
+UB
iN
u gl Vgl
u DV0 rA iA
u'D UD0 rE uD
iP
uN
uA
uP r gl r gl -UB
I N0 I P0
UD0 uD
u Amin
-UB
uA = V0 uD = V0 (uE − uA Vg ) . (7.5)
Die Gegenkopplungsschaltung aus Abb. 7.5 lässt sich für den Fall einer
sehr hohen Verstärkung (V0 → ∞) (Gl. (7.7)) durch einen invertierenden
V0
uD
uE uA
Vg
Rückkoppel-Netzwerk
Verstärker nach Abb. 7.6 realisieren, wenn die Leerlaufverstärkung des dort
verwendeten Operationsverstärkers ebenfalls gegen einen unendlich hohen
Wert strebt. Da bei einem Operationsverstärker die Eingangsströme idealer-
weise verschwinden (iP = iN = 0), ergibt sich aus der Schaltung nach Abb. 7.6
i1 + i2 = 0 . (7.8)
uE = R1 i1 − uD (7.9)
uA = R2 i2 − uD = V0 uD . (7.10)
R2 i2
i1 R1 iN
uD V0
uE uA
uA −R R2
1
V = = R2
. (7.11)
uE 1 + V10 (1 + R1 )
- ideal: V0 → ∞
- real: 104 ≤ V0 ≤ 107
• Leerlaufspannungsverstärkungsmaß V0 [dB]
∂uA
V0 [dB] = 20 lg V0 = 20 lg (7.17)
∂uD
- ideal: V0 → ∞
- real: 80 dB ≤ V0 ≤ 140 dB
• Gleichtaktspannung (common mode voltage) ugl
Die Gleichtaktspannung entspricht dem arithmetischen Mittel der beiden
Eingangsspannungen uN und uP
uP + uN
ugl = . (7.18)
2
7.1 Operationsverstärker 185
∂uA
Vgl = . (7.19)
∂ugl
- ideal: Vgl = 0
- real: Vgl ≈ 1
• Gleichtaktunterdrückung (common mode rejection ratio) CMRR
V0
CMRR [dB] = 20 lg (7.20)
Vgl
- ideal: CMRR → ∞
- real: CMRR ≈ 100 dB
∂uA
V = (7.21)
∂uE
- ideal (V0 → ∞):
1
V = (7.22)
Vg
- real (Gl. (7.6)):
V0
V = (7.23)
1 + Vg V0
• Übertragungsfunktion (frequency response) G(ω)
Die komplexe Übertragungsfunktion G(ω) von Operationsverstärkerschal-
tungen, die auch als Übertragungsfaktor bezeichnet wird, entspricht der
komplexen Verstärkung, d. h. dem Verhältnis der in Zeigerform darge-
stellten Ausgangsspannung U A zur Differenzeingangsspannung U D . Die-
se Übertragungsfunktion lässt sich für reale Operationsverstärker nach
Gl. (7.24) approximieren
U A (ω) V
G(ω) = =
0
. (7.24)
U D (ω) ω
1 + j ω1 1 + j ωω2
120 0
80 -45
-90
40
-135
0
-20 -180
100 102 104 106 f (Hz) 100 102 104 106 f (Hz)
a) b)
Abb. 7.7. Frequenzgang der Leerlaufspannungsverstärkung des Operations-
verstärkers μA 741 (UB = ±15 V) bei einer Temperatur von 25◦ C: a) Betrag,
b) Phase
∂ugl
rgl = 1 (7.25)
2 ∂(iP+ iN )
- ideal: rgl = ∞
- real: rgl = 1 GΩ . . . 100 TΩ
• Differenzeingangswiderstand (differential input resistance) rE
Da im Allgemeinen der Gleichtaktwiderstand rgl groß ist gegenüber dem
Differenzeingangswiderstand rE (rgl rE ), gilt folgende Definitionsglei-
chung für den Differenzeingangswiderstand
∂uD
rE = (7.26)
1
2 ∂(iP− iN )
- ideal: rE = ∞
- real: rE = 1 MΩ . . . 1 TΩ
• Ausgangswiderstand (output resistance) rA
7.1 Operationsverstärker 187
∂uA
rA = − (7.27)
∂iA uD =const.
- ideal: rA = 0
- real: rA = 2 Ω . . . 100 Ω
• Eingangsfehlspannung (input offset voltage), Offsetspannung UD0
Durch nicht-identische Eingangstransistoren des bei Operationsverstärkern
stets vorhandenen Differenzeingangsverstärkers [182] wird auch für uN =
uP = 0 beim realen Operationsverstärker eine Ausgangsspannung uA = 0
erzeugt. Jene Spannungsdifferenz UD0 , welche am Eingang angelegt wer-
den muss, um die Ausgangspannung auf Null abzugleichen, wird als Ein-
gangsfehlspannung oder als Eingangs-Offsetspannung UD0 bezeichnet. Sie
erscheint im Schaltbild des realen Operationsverstärkers als Spannungs-
quelle am Eingang (Abb. 7.3).
- ideal: UD0 = 0
- real: UD0 = 0, 5 μV . . . 5 mV
• Gesamtausgangsspannung (output voltage) uA
Die Gesamtausgangsspannung uA ergibt sich als Überlagerung aus der ver-
stärkten Leerlauf-Differenzeingangsspannung uD , die um die Offsetspan-
nung UD0 vermindert wird, und der mit der Gleichtaktverstärkung multi-
plizierten Gleichtaktspannung
uD = uP − uN (7.28)
uA = V0 uD + Vgl ugl = V0 (uD − UD0 ) + Vgl ugl (7.29)
= V0 (uP − uN − UD0 ) + Vgl ugl (7.30)
• Versorgungsspannungsunterdrückung (power supply rejection
ratio) PSRR
Die Versorgungsspannungsunterdrückung ist ein Maß dafür, welchen Ein-
fluss eine Spannungsschwankung der Versorgung auf die Ausgangsspan-
nung hat
∂uA
PSRR [dB] = −20 lg (7.31)
∂uB
- ideal: PSRR → ∞
- real: PSRR ≈ 100 dB
• Grenzfrequenz (cutoff frequency) fg , Bandbreite (bandwidth)
Die 3-dB-Grenzfrequenz fg ist jene Frequenz, bei der die Verstärkung ge-
genüber√ ihrem Gleichspannungswert um 3 dB (entspricht einem Faktor
von 1/ 2) gesunken ist. Diese obere Grenzfrequenz, die im Allgemeinen der
Bandbreite des Verstärkers entspricht, ist von der äußeren Beschaltung des
Operationsverstärkers abhängig. Für unbeschaltete Operationsverstärker
liegt sie bei einigen Hertz (Abb. 7.7).
• Anstiegsgeschwindigkeit (slew rate) SR
Die Anstiegsgeschwindigkeit (Einheit V/μs) entspricht der zeitlichen Ablei-
tung der Ausgangsspannung im Großsignalbetrieb bei Anlegen eines Span-
nungssprunges am Eingang
188 7 Messverstärker
∂uA
SR = (7.32)
∂t max
- ideal: SR → ∞
V V
- real: SR = 0, 5 μs . . . 10.000 μs
• Eingangsruhestrom (input bias current) IB
Die Eingangstransistoren eines Operationsverstärkers weisen grundsätzlich
Basis- bzw. Gateströme auf. Selbst bei Operationsverstärkerschaltungen
mit einer sog. inneren Bias-Stromversorgung sind die Ströme IN und IP
noch ungleich Null und müssen durch die äußere Beschaltung aufgebracht
werden. Trotz des möglichst symmetrischen Aufbaus der meisten Diffe-
renzeingangsstufen ist darüber hinaus IN = IP . In Datenblättern sind
stets die Mittelwerte von IN und IP sowie der Betrag ihrer Abweichungen
voneinander angegeben. Für den mittleren Eingangsruhestrom (Biasstrom,
Input Bias Current) IB gilt dabei folgende Definition
IN0 + IP0
IB = (7.33)
2
- ideal: IB = 0
- real: IB = 3 fA(FET) . . . 1 μA (bipolar, in Sonderfällen bis 25 μA)
• Eingangsfehlstrom (input offset current), Offsetstrom ID0
Der Offsetstrom ID0 eines Operationsverstärkers entspricht der Differenz
der Eingangsruheströme IN0 und IP0
- ideal: ID0 = 0
- real: ID0 = 1 fA ... 20 nA
• Offsetspannungsdrift (offset voltage drift)
Die Offsetspannungsdrift beschreibt die Abhängigkeit der Offsetspannung
UD0 von der Temperatur ϑ
∂UD0
(7.35)
∂ϑ
- ideal: 0
- real: 0, 01 μV/◦C . . . 15 μV/◦ C
• Eingangsstromdrift
Die Eingangsstromdrift beschreibt die Temperaturabhängigkeit des Ein-
gangsstromes
∂(iP , iN )
(7.36)
∂ϑ uN =const.,uP =const.
- ideal: 0
- real: 10 fA/◦ C . . . 1 μA/◦ C
• Verstärkungs-Bandbreite-Produkt (gain bandwidth product) V fg
Wichtiger noch als der reine Verstärkungsfaktor ist das sogenannte Ver-
stärkungs-Bandbreite-Produkt fg0 V0 , welches bei Universaltypen bei etwa
7.1 Operationsverstärker 189
V0 fg0 = 106 Hz liegt und bei auf hohe Bandbreite ausgerichteten Operati-
onsverstärkern bis zu 3 · 109 Hz reicht. Durch eine Gegenkopplungsschal-
tung gemäß Abb. 7.5 wird der effektive Verstärkungsfaktor V und die effek-
tive Grenzfrequenz fg der Messschaltung eingestellt. Das Produkt aus Ver-
stärkungsfaktor V und Bandbreite bzw. Grenzfrequenz fg ist für Grenz-
V
V0
1
0,1
0,01 f g0 fg
0,01 0,1 1 10 100 f
f g0
frequenzen oberhalb von fg0 (fg > fg0 ) bei einem bestimmten Operations-
verstärkertyp stets ein konstanter Wert (Abb. 7.8)
V fg = V0 fg0 . (7.37)
7.1.4 Operationsverstärker-Grundschaltungen
Invertierender Verstärker
uA R2
=− . (7.38)
uE R1
Invertierer
Der reine Invertierer (Abb. 7.9) hat die Aufgabe, die Polarität der Eingangs-
spannung am Ausgang umzukehren
uA = −uE , (7.39)
was dadurch erreicht wird, dass beim invertierenden Verstärker (Abb. 7.6) die
Widerstände R1 und R2 identisch gewählt werden.
Nicht-invertierender Spannungsverstärker
Addierender Verstärker
Subtrahierender Verstärker
Für den Fall R1 /R3 = R2 /R4 ergibt sich die gewünschte Subtraktion der
Eingangsspannungen mit zusätzlicher Verstärkung um den Faktor R3 /R1
R3
uA = (u2 − u1 ) . (7.44)
R1
Für den reinen Subtrahierer wählt man R1 = R2 = R3 = R4 , so dass unge-
wichtet subtrahiert wird
uA = u2 − u1 . (7.45)
Impedanzwandler
Mit Hilfe des Impedanzwandlers (Abb. 7.13), der auch als Spannungsfolger
bezeichnet wird, werden Quellen mit hohem Innenwiderstand an Schaltungen
mit niedrigem Widerstand angepasst. So kann beispielsweise an hochohmigen
Schaltungen mit weniger hochohmigen Messwerken rückwirkungsfrei gemessen
werden. Die Eingangsspannung erscheint dabei unverändert am Ausgang
uA = uE . (7.46)
7.1 Operationsverstärker 195
Integrierender Verstärker
Der differenzierende Verstärker (Abb. 7.15) hat die Aufgabe, die Eingangs-
spannung uE zeitlich zu differenzieren
duE
uA = iG R = −iE R = −RC . (7.48)
dt
Die Schwingneigung der Prinzipschaltung nach Abb. 7.15 kann vermieden wer-
den, wenn die modifizierte Differenzierer-Schaltung nach Abb. 7.16 verwendet
wird. Die reine Differenzierung der Eingangsspannung erreicht man durch die
Wahl entsprechender Zeitkonstanten R1 C1 und R2 C2 . Denn wählt man diese
so klein, dass die höchste in der Eingangsspannung enthaltene Signalfrequenz
ω klein ist gegenüber den Kehrwerten der beiden Zeitkonstanten
1
ω
(7.49)
R1 C1
1
ω
, (7.50)
R2 C2
folgt wiederum
duE
uA = −R2 C1 . (7.51)
dt
Eine modifizierte Operationsverstärkerschaltung eines Differenzierers wird in
[102] behandelt.
Bei einem Komparator mit Hysterese, der auch als invertierender Schmitt-
Trigger bezeichnet wird, gibt es im Gegensatz zu einem Komparator ohne
Hysterese zwei Schaltschwellen, die im Folgenden mit uEauf und uEab bezeich-
net werden. Dieses Schaltverhalten wird über eine Mitkopplung des Kompa-
rators erreicht (Abb. 7.21a), d. h. ein Teil der Ausgangsspannung uA wird
mit Hilfe des aus R1 und R2 bestehenden Spannungsteilers auf den nicht-
invertierenden Eingang des Operationsverstärkers zurückgekoppelt. Bei ver-
nachlässigbarer Differenzeingangsspannung liegt die Eingangsspannung uE am
Widerstand R1 des Spannungsteilers an, so dass unter Berücksichtigung der
Tatsache, dass die Ausgangsspannung infolge der Mitkopplung nur die Werte
+uAmax bzw. −uAmax annehmen kann, die Schaltschwellen uEauf bzw. uEab
(Abb. 7.21b) wie folgt hergeleitet werden können
R1
uEauf = −uAmax , (7.60)
R1 + R2
R1
uEab = +uAmax . (7.61)
R1 + R2
Es sei darauf hingewiesen, dass der einzige Unterschied zwischen der Schal-
tung eines Schmitt-Triggers (Abb. 7.21) und einem nicht-invertierenden Span-
nungsverstärker (Abb. 7.10) die Form der Rückkopplung ist. Während der
nicht-invertierende Spannungsverstärker gegengekoppelt ist (Rückkopplung
des Spannungsteilers auf den invertierenden Eingang des Operationsverstär-
kers) und damit absolut stabil arbeitet, ist die Rückkopplung beim Schmitt-
Trigger eine Mitkopplung (Rückkopplung auf den nicht-invertierenden Ein-
gang des Operationsverstärkers), so dass sich das gezeigte bistabile Verhalten
einstellt, d. h. die Ausgangsspannung läuft entweder auf ihren positiven oder
ihren negativen Endwert.
Multivibrator
Voltmeterschaltung
Stromgesteuerte Spannungsquelle
Abbildung 7.24 zeigt die Schaltung einer mit Hilfe eines Operationsverstärkers
realisierten stromgesteuerten Spannungsquelle. Bei einer stromgesteuerten
Spannungsquelle ist die Ausgangsspannung uA proportional dem Eingangs-
strom iE . Wenn man den Operationsverstärkereingangsstrom iN vernachlässigt,
folgt unmittelbar der Zusammenhang zwischen Eingangsstrom iE und der
Ausgangsspannung uA
uA = −iE R . (7.68)
Prinzipiell könnte diese Schaltung auch der Strommessung mit niedrigem In-
nenwiderstand dienen. Der Nachteil, dass eine Eingangsklemme auf Massepo-
tential liegt, wird allerdings erst durch die folgende Amperemeterschaltung
vermieden.
Amperemeterschaltung
uE = 0 . (7.69)
Die Differenzbildung (u2 − u1 ) der beiden Teilspannungen wird von dem nach-
folgenden subtrahierenden Verstärker vorgenommen (siehe auch Abb. 7.12
bzw. Gl. (7.45)), so dass, wie bei der Strommessung gefordert, die Ausgangs-
spannung uA proportional dem Eingangsstrom iE ist
R1
iE
iM
iE + iM
R2 u
Stromverstärker
Beim Stromverstärker (Abb. 7.26) ist der Strom iM , welcher durch das am
Ausgang des Operationsverstärkers liegende Messwerk fließt, proportional
zum Eingangsstrom iE . Wenn man wiederum die Differenzeingangsspannung
des Operationsverstärkers vernachlässigt, fällt an den Widerständen R1 und
R2 dieselbe Spannung u ab
iE R1 = −u (7.74)
(iE + iM )R2 = u . (7.75)
iM ∼ iE . (7.77)
Aktiver Vollweg-Gleichrichter
Mit Hilfe von Operationsverstärkern lassen sich auch mit realen Dioden na-
hezu ideale Gleichrichter in Form sog. aktiver Gleichrichterschaltungen rea-
lisieren. Der Hauptnachteil von nicht-aktiven Gleichrichterschaltungen, also
Schaltungen, die nur auf Dioden basieren, beruht auf der endlichen Dioden-
schwellenspannung (0,7 V bei Siliziumdioden (Kap. 6.3.2)). Abbildung 7.27
zeigt eine aktive Vollweg-Gleichrichterschaltung, deren Ausgangsspannung uA
dem Betrag der Eingangsspannung uE entspricht
uA = |uE | . (7.78)
Für positive Eingangsspannungen uE folgt aus der für den Addierer geltenden
Beziehung zwischen Ausgangsspannung und Eingangsspannung (Gl. (7.41))
" #
uE −uE
uA = − + R R = uE für uE > 0 . (7.82)
R 2
• Gleichtakt-Ausgangsspannung uglA
−
u+
a + uA
uglA = (7.84)
2
• (Gesamt-)Spannungsverstärkung VDA
−
A − uA
u+ uDA
VDA = = = 2 V0 (7.85)
uP − uN uD
Abbildung 7.29 zeigt eine Verstärkerstufe mit differentiellem Ausgang. Es gibt
nunnmehr zwei Rückkopplungsschleifen, welche identische Rückkopplungswi-
derstände (R1 ) enthalten. Die (differentielle) Spannungsverstärkung ergibt
sich wie im Fall des Operationsverstärkers mit nicht-differentiellem Ausgang
zu
u+ − u− R1
V = A A
− = , (7.86)
uE − uE
+
R2
d. h. wie gewohnt aus dem Verhältnis der Widerstände von Rückkopplungs-
und Eingangszweig. Es sei nochmals betont, dass im Gegensatz zum klas-
sischen Operationsverstärker hier beide Rückkopplungsschleifen geschlossen
werden müssen, um ein einwandfreies Arbeiten der Schaltung zu gewähr-
leisten. Im Falle von nicht identischen Rückkopplungszweigen kommt es zu
Gleichtaktfehlern im Ausgangssignal. So führt beispielsweise eine Abweichung
von 0,1 % in den Widerständen zu einem CMRR (s. Gl. (7.20)) von 60 dB.
In der Praxis ist oft die Konvertierung eines massebezogenen Signals in
ein nicht-massebezogenes differentielles Signal gefragt. Abbildung 7.30 zeigt
die beiden Schaltungsvarianten, die diese Aufgabe erfüllen. Sie arbeiten beide
gleichermaßen, auch wenn einmal das Eingangssignal auf den invertierenden
und das andere Mal auf den nicht-invertierenden Eingang gelegt wird.
Die Verstärkung V ergibt sich in beiden Fällen wiederum aus dem Verhältnis
der Widerstände von Rückkopplungs- und Eingangszweig
R1
_ R2 +
uE uA
+ _
uE uA
R2
R1
−
A − uA
u+ R1
V = = . (7.87)
uE R2
Hierbei ist zu beachten, dass der Innenwiderstand RiQ der am Eingang ange-
schlossenen Quelle (z. B. RiQ = 50 Ω) in die Berechnung von R2 eingeht. R2
ist also um diesen Wert (50 Ω) zu vergrößern.
Eine der Hauptanwendungen von differentiellen Operationsverstärkern
ist die Ansteuerung von Analog-Digital-Umsetzern (s. Kap. 11.6). Moderne
Analog-Digital-Umsetzer (ADU bzw. ADC) besitzen in der Regel einen diffe-
−
rentiellen Eingang mit zwei Eingangssignalen u+IN und uIN (s. Abb. 7.31). Das
C1
R3
R1 + UB C2
_ R2
uE
u Esignal u+IN
_ ADU
+ R3 u IN
uE C2
R2 u glA u refADU
R1 _U
B
C1
sie liegt meist bei wenigen Volt (3 V - 5 V). Die Bezugspotentiale des differenti-
ellen Eingangs entsprechen dabei einerseits dem Massepotential der Schaltung
208 7 Messverstärker
Ein Differenzverstärker ist notwendig, um die Signale von Quellen mit floaten-
dem Eingang (nicht massebezogenem Eingang) zu verstärken. Dabei handelt
210 7 Messverstärker
2R1
V →V = . (7.90)
2R2 + Ri
ser Anforderungen scheiden somit alle Verstärkertypen aus, bei denen ei-
ner der Eingänge auf Bezugspotential liegt. Mit dem in Abb. 7.34 gezeig-
ten Instrumentenverstärker, der von einem Subtrahierverstärker mit zwei
vorgeschalteten Elektrometerverstärkern gebildet wird, werden die gestell-
ten Anforderungen erfüllt. Neben der hohen Gleichtaktunterdrückung zeich-
net sich der Instrumentenverstärker vor allem durch gute Linearitätseigen-
schaften, hohen Eingangswiderstand sowie eine geringe Beeinflussung durch
Eingangsstörgrößen aus. Die beiden Operationsverstärker 1 und 2 liefern die
Spannung u1
uE1 − uE2 R1 R1
u1 = uE1 + R1 = 1+ uE1 − uE2 (7.91)
R R R
Für eine reine Gleichtakteingangsspannung uE1 = uE2 = ugl ergibt sich dem-
nach für beide Stufen (1 und 2) eine Gleichtaktverstärkung vom Wert 1
u1 u2
= =1. (7.93)
ugl ugl
212 7 Messverstärker
7.2.3 Zerhacker-Verstärker
Mit Hilfe von Zerhacker-Verstärkern, die auch unter dem Begriff Chopper-
Verstärker bekannt sind, werden Gleichspannungen verstärkt, ohne dass größe-
re Fehler durch Offsetspannungen auftreten. Sie stellen hochwertige Gleich-
spannungsverstärker mit geringen Spannungsdriften (5. . . 25 nV/K) dar, al-
lerdings weisen sie höhere Rauschpegel als Verstärker ohne Chopper auf.
Das Prinzip des Zerhacker-Verstärkers beruht auf der Umwandlung (Zer-
hacken) einer Gleichspannung in eine Wechselspannung, der Verstärkung die-
ser Wechselspannung mit einem Wechselspannungsverstärker und einer an-
schließenden Synchron-Gleichrichtung. Abbildung 7.35 zeigt das Prinzip ei-
nes Eintakt-Zerhacker-Verstärkers. Der RC-Tiefpass am Eingang stellt sicher,
dass eventuell im Eingangssignal uE enthaltene höher frequente Spektralantei-
le weggefiltert werden; denn zum einwandfreien Funktionieren des Zerhacker-
Verstärkers ist es notwendig, dass die Zerhackerfrequenz wesentlich größer
ist als die höchste zu verstärkende Signalfrequenz. Die Hochpassfilternetzwer-
ke C2 R2 und C3 R3 befreien Verstärkereingangs- und -ausgangssignal jeweils
vom Gleichspannungsanteil. Für den Fall eines idealen Wechselspannungs-
verstärkers (frequenzunabhängige Verstärkung und keine Frequenzabhängig-
keit der Phasenverschiebung) sorgt das synchrone Umschalten der beiden
7.2 Spezielle Messverstärker 213
7.2.4 Ladungsverstärker
Die elektrische Ladung kann mit Hilfe eines ballistischen Galvanometers ge-
messen werden. Das ballistische Galvanometer ist eine spezielle Ausführungs-
form des Drehspulmessgerätes, dessen Wirkung darauf beruht, dass der balli-
stische Zeigerausschlag des Instrumentes unter bestimmten Bedingungen der
ihm zugeführten elektrischen Ladung proportional ist (siehe Kap. 6.1.2). Mit
ballistischen Galvanometern sind Ladungsmessungen ab Q = 1 nC möglich,
wenn die Integrationszeit (jene Zeit, in der dem Drehspulmesswerk die Ladung
durch einen Strom zugeführt wird) nicht größer ist als 10 % der Periodendau-
er der mechanischen Eigenschwingung des Galvanometers. In der modernen
(elektronischen) Messtechnik bedient man sich bei der Ladungsmessung elek-
tronischer Verstärkerschaltungen, die als Ladungsverstärker bezeichnet wer-
den. Mit Hilfe von Ladungsverstärkern lassen sich auch Ladungsmengen mes-
sen, die wesentlich kleiner sind als die oben angegebene Grenze von Q = 1 nC.
Beim Ladungsverstärker (Abb. 7.36) wird eine verlustarme Kapazität C ver-
wendet, um die von einem Strom i(t) in einem definierten Zeitintervall [0,t]
gelieferte Ladung zu integrieren. Es gilt
t
q(t) = i(t ) dt = Cu(t) . (7.100)
0
zur Kapazität dafür gesorgt werden, dass die durch Nullpunktfehler bedingte
langsame Aufladung der Kapazität durch einen ebenso großen Entladestrom
kompensiert wird.
1/f - Rauschen
(Funkelrauschen)
Thermisches Rauschen,
Schrotrauschen
f
Abb. 7.37. Spektrale Zuordnung verschiedener Rauscharten
2 1
Ireff = i2r (t) = 4kT B. (7.103)
R
216 7 Messverstärker
R
R bzw. G = 1R
ur ir
a) b) c)
I I
rauschend rauschfrei
i rschrot
• 1/f-Rauschen (Funkelrauschen)
Das 1/f-Rauschen, das auch als Funkelrauschen (Flicker Noise) bezeichnet
7.3 Rauschen von Messverstärkern 217
wird, erzeugt ein Rauschsignal mit einer Spektralverteilung, die mit 1/f zu
höheren Frequenzen hin abfällt. Bei Halbleiterbauelementen werden Ober-
flächeneigenschaften dafür verantwortlich gemacht, genau genommen han-
delt es sich dabei um fluktuierende Umladungen von Oberflächenzuständen
[20]. Das Funkelrauschen ist von seiner spektralen Verteilung her gesehen
ein Rosa Rauschen, d. h. ein Rauschen, dessen charakteristisches Merkmal
eine konstante Rauschleistung pro Frequenzdekade ist.
• Rekombinationsrauschen (r-g-noise) (Quantenrauschen)
Das Rekombinationsrauschen ist auf das willkürliche Einfangen (Trapping)
und Freigeben von Ladungsträgern in Halbleitern zurückzuführen, d. h. es
wird durch die zufällige Generation bzw. Rekombination von Ladungs-
trägern hervorgerufen.
• Popcorn-Rauschen
Das Popcorn-Rauschen, das auch als Burst-Rauschen bezeichnet wird, ist
auf metallische Verunreinigungen im Halbleiter zurückzuführen und äußert
sich in Form zufällig auftretender Änderungen der Gleichstrom-Parameter.
Es erscheint in der spektralen Rauschleistungsverteilung in Form eines
diracförmigen Gleichanteils bei der Frequenz f = 0 (Abb. 7.37) [64].
Rausch- Rausch-
spannungsquelle stromquelle
ur
ir
uE uA uE uA
RE RE
Vierpol mit
rauschender Verstärker Rauschquellen rauschfreier Verstärker
Infolge der ohmschen Spannungsteilung (Abb. 7.41) ergibt sich die quadrati-
sche Überlagerung der Effektivwerte zu
2
2
2 RE 2 RE RQ
UrEges = Ureff + Ireff . (7.107)
RE + RQ RE + RQ
Rausch-Ersatz-
Spannungsquelle
RQ ir
uE ur uA
U0Signal RE
Rausch-Ersatz-
Stromquelle
Die Spannung UrEges ist der Effektivwert der auf den Verstärkereingang bezo-
genen Rauschspannung, welche das gesamte Verstärkerrauschen im Frequenz-
intervall [fmin , fmax ] repräsentiert, d. h. der in Abb. 7.41 gezeigte eigentliche
Verstärker ist frei von Rauschquellen. In obiger Ableitung wurde die Korrela-
tion zwischen den beiden Rauschquellen vernachlässigt, was in vielen prakti-
schen Fällen in erster Näherung erlaubt ist. Für den Fall nicht vernachlässig-
barer Korrelation findet sich die entsprechende Herleitung in der Literatur,
z. B. in [111].
ur
uD uA uD uA
i r,1 i r,2
Signal/Rausch-Verhältnis
Bei obiger Berechnung wurde die Signalquelle (Abb. 7.41) zunächst als rausch-
frei angenommen. Soll das Rauschen des Innenwiderstandes RQ der Signal-
quelle berücksichtigt werden, muss UrEges in Gl. (7.110) durch UrEges ersetzt
werden
2
RE
UrEges 2
= UrEges + 4kT RQ(fmax − fmin ) , (7.111)
RQ + RE
wobei UrEges die bereits in Gl. (7.107) berechnete, von den internen Rausch-
quellen des Verstärkers hervorgerufene Rauschspannung bezeichnet.
Rauschzahl
PsA
Vp = (7.114)
PsE
erhält man
PrA
F = . (7.115)
Vp PrE
Wenn man voraussetzt, dass der Verstärker für das Signal und das Rauschen
dieselbe Leistungsverstärkung aufweist, folgt für die Rauschleistung PrA am
Ausgang
wenn PrEamp die auf den Verstärkereingang bezogene und PrAamp die auf
den Ausgang bezogene Rauschleistung des Verstärkers darstellen. Aus den
Gln. (7.115) und (7.116) folgt für die Rauschzahl F
PrEtot PrAamp PrEamp
F = =1+ =1+ = 1 + Fz . (7.117)
PrE PrE Vp PrE
7.3 Rauschen von Messverstärkern 221
Der Term Fz bezeichnet die sog. Zusatzrauschzahl, welche im Falle eines nicht-
rauschenden Verstärkers identisch Null ist, d. h. F = 1. Da die Leistungen
PrEtot und PrE am selben Widerstand, nämlich dem Eingangswiderstand RE
des Verstärkers, wirken, folgt mit den oben gewählten Bezeichnungen und der
Rauschspannung UrEges aus Gl. (7.107)
2
UrEges
F =1+ 2 = 1 + Fz . (7.118)
UrQuelle
In Gl. (7.118) bezeichnet UrQuelle die effektive Rauschspannung der Quelle,
die mit dem Teilerverhältnis des Eingangsspannungsteilers gewichtet am Ver-
stärkereingang wirksam wird
RE
UrQuelle = UrQuelle . (7.119)
RE + RQ
Wenn das Rauschen der Quelle durch das thermische Rauschen des Innenwi-
derstandes RQ der Quelle beschrieben werden kann, folgt für die entsprechen-
de Rauschspannung UrQuelle
2
UrQuelle = 4kT RQ(fmax − fmin ) . (7.120)
log F
F min
R Q opt log R Q
Rr
RQopt = . (7.125)
Gr
Damit lässt sich auch die bestenfalls erreichbare minimale Rauschzahl Fmin
angeben
Ureff Ireff
Fmin = 1 + 2 Rr Gr = 1 + . (7.126)
2kT (fmax − fmin )
wobei UrEgesi die Ersatzrauschspannung des i-ten Vierpols und Vui die Span-
nungsverstärkung des i-ten Vierpols bezeichnen.
Friis hat in einer grundlegenden Arbeit [60] die Gesamtrauschzahl Fges einer
Vierpol-Kettenschaltung abgeleitet (siehe auch [20])
F2 − 1 F3 − 1 Fn − 1
Fges = F1 + + + ...+ . (7.128)
Vp1 Vp1 Vp2 Vp1 Vp2 . . . Vp(n−1)
In Gl. (7.128) bezeichnen Fi die Rauschzahl des i-ten Vierpoles und Vpi seine
Leistungsverstärkung. Für mehrstufige Verstärkerschaltungen kann bei genü-
7.3 Rauschen von Messverstärkern 223
Ein ohmscher Widerstand gibt bei der absoluten Temperatur T gemäß den
Gln. (7.102) und (7.103) im Frequenzintervall B = fmax − fmin bei Leistungs-
anpassung die Rauschleistung PrR ab
PrR = kT B , (7.130)
wird der Rauschleistung PrE mit Hilfe von Gl. (7.130) die Temperatur T0 und
der Rauschleistung PrEamp die Temperatur TR zugeordnet (s. auch Abb. 7.45).
Abb. 7.45. Prinzipschaltung zur Messung der Rauschzahl eines Verstärkers (=DUT
(Device Under Test)). Der Widerstand R gibt im Frequenzintervall B die tempe-
raturabhängige Rauschleistung PrE = PrR = kT B ab. Es wird Leistungsanpassung
zwischen dem als Rauschgenerator dienenden ohmschen Widerstand R und dem
Verstärkereingang vorausgesetzt.
T0 − 1
T1
F = (7.135)
PrA0 − 1
PrA1
bzw.
ΔT PrA1
F̃ (dB) = 10 lg − 10 lg −1 , (7.136)
T0 PrA0
wobei ΔT = T1 − T0 die Rauschtemperaturdifferenz beschreibt. In der Praxis
werden keine rauschenden Widerstände sondern Rauschgeneratoren verwen-
det, die in der Lage sind, definiert einstellbare Rauschleistungen abzugeben.
7.3 Rauschen von Messverstärkern 225
PrA
PrA1
kTBVP
PrA0 = kT 0 BVP F
Pramp
Pramp
-T R = - 0 T0 T1 T
kBVP
a) b)
Abb. 7.47. Standard-Rauschquellen: a) Rauschgenerator 346B; b) Rauschgenera-
tor 4001A
28 VDC
Spektrumanalysator FSPx
elektromagnetisch
geschirmte
Messbox
Device
Vorver- under Test
stärker
Akku DUT
optionale
Anschlussleitungen
für DUT Rausch-
Filter
generator
P = UI . (8.1)
Die von der Quelle gelieferte Leistung PQ teilt sich in die vom Verbraucher
umgesetzte Leistung PV und die vom Messgerät benötigte Leistung PM
PQ = PV + PM . (8.3)
Wie anhand von Abb. 8.2 deutlich wird, kann ein elektrodynamisches Mess-
werk stromrichtig oder spannungsrichtig angeschlossen werden. Die Begriffe
strom- und spannungsrichtig beziehen sich dabei entweder auf die Quellensei-
te (Quellentor) oder die Verbraucherseite (Verbrauchertor) des Messgerätes.
Spannungsrichtig in Bezug auf die Verbraucherseite heißt, dass die am Ver-
braucherwiderstand RV anliegende Spannung UV gemessen wird, während der
Strom, der durch die Stromspule des Messgerätes fließt, dem Quellstrom, d. h.
also der Summe aus Verbraucherstrom IV und Drehspulenstrom I2 , entspricht
(Abb. 8.2a). Bei der in Bezug auf die Verbraucherseite stromrichtigen Messung
ist es umgekehrt, hier wird der richtige Wert des Verbraucherstroms gemessen,
während am Spannungseingang die Summe aus Verbraucherspannung und
Feldspulenspannung anliegt. Eine korrekte Messung der Verbraucherleistung
PV bzw. der Quelleistung PQ ist erst möglich, wenn das elektrodynamische
Messwerk um eine Korrekturspule erweitert wird, welche dieselbe Windungs-
zahl aufweist wie die Stromspule (Abb. 8.3). Durch diese Korrekturspule fließt
der Strom, den auch die Drehspule führt (I2 ). Bei der Stromrichtung nach
Abb. 8.3a addiert sich die Wirkung dieses Korrekturspulenstroms zu der des
Feldspulenstroms I1 , so dass die Leistung quellrichtig gemessen wird. Bei Stro-
mumkehr nach Abb. 8.3b kann die Leistung verbraucherrichtig gemessen wer-
den. Es sollte jedoch erwähnt werden, dass generell bei allen Messungen durch
das Einbringen des elektrodynamischen Messwerkes systematische Messfehler
Nachdem sich mit Hilfe der Fourieranalyse jeder beliebige periodische Zeit-
verlauf einer Spannung bzw. eines Stromes in seine rein sinusförmigen Spek-
tralkomponenten zerlegen und in Form einer Fourierreihe darstellen lässt,
können wir uns im Folgenden ohne Einschränkung der Allgemeinheit auf rein
sinusförmige Zeitverläufe beschränken
Û
Ueff = √ (8.6)
2
Iˆ
Ieff = √ . (8.7)
2
Die Wechselgrößen aus Gln. (8.4) und (8.5) lassen sich alternativ in komplexer
Schreibweise als Zeigergrößen
Komplexe Leistung P
Wirkleistung PW
Die Wirkleistung PW ist der Teil der komplexen elektrischen Leistung, der
in der Impedanz Z in eine andere (nicht-elektrische) Energieform, wie z. B.
in mechanische Energie oder in Wärmeenergie umgesetzt wird. Sie entspricht
dem Produkt von Spannungs- und Stromeffektivwert, multipliziert mit dem
Cosinus der Phasenwinkeldifferenz zwischen Strom und Spannung (Einheit
Watt (W))
PW = Re(P ) = Ueff Ieff cos ϕui . (8.14)
Die Messung der Wirkleistung kann direkt mit Hilfe eines elektrodynami-
schen Messwerkes erfolgen, da bei diesem der Zeigerausschlag dem Produkt
I1eff I2eff cos ϕ proportional ist (Gl. (6.47)). Es gelten ansonsten die bereits für
den Gleichstromkreis aufgestellten Regeln (Kap. 8.1).
Blindleistung PB
Abb. 8.4. Messung der Blindleistung in einem Wechselstromkreis mit Hilfe eines
elektrodynamischen Messwerkes und einem 90◦ -Phasenschieber.
8.2 Leistungsmessung im Wechselstromkreis 233
α = k̃I1eff I2eff cos ϕ ≈ kIVeff UVeff cos(ϕ − 90◦ ) = kIVeff UVeff sin ϕ . (8.16)
Scheinleistung PS
Z 2 und Z 3 können in Form einer Sternschaltung (Abb. 8.5a) oder einer Drei-
eckschaltung (Abb. 8.5b) zusammengeschaltet werden. Beim 4-Leiter-System
hat man zwischen den Leiterspannungen (verkettete Spannung) U 12 , U 23 und
U 31 (Spannungen zwischen zwei Außenleitern) und den Sternspannungen U 1N ,
U 2N und U 3N (Spannungen zwischen Außenleiter und Neutralleiter) zu unter-
scheiden (Abb. 8.5). Der Neutralleiter wird auch als Sternpunkt bezeichnet.
Im Falle eines 3-Leiter-Systems kann man sich zu messtechnischen Zwecken
(Abb. 8.9) einen künstlichen Sternpunkt N schaffen, indem man die drei Lei-
ter L1 , L2 und L3 jeweils mit einem hochohmigen Widerstand R zu dem
künstlichen Sternpunkt N verbindet.
Im Folgenden wollen wir zunächst eine symmetrische Belastung voraus-
setzen, d. h. die drei Lastimpedanzen sind identisch Z 1 = Z 2 = Z 3 . Im Zei-
gerdiagramm (Abb. 8.6) erkennt man, dass sowohl die Leiterspannungen als
auch die Sternspannungen um jeweils 120◦ gegeneinander phasenverschoben
sind. In Drehstromnetzen gilt generell
U 12 = U 1N − U 2N (8.18)
U 23 = U 2N − U 3N (8.19)
U 31 = U 3N − U 1N . (8.20)
U 1N = U (8.21)
−j120◦
U 2N = U e (8.22)
+j120◦
U 3N = U e (8.23)
und
√
|U 31 | = |U 1N |2 + |U 3N |2 − 2|U 1N ||U 3N | cos 120◦ = |U 1N | 3 . (8.24)
U 12 + U 23 + U 31 = 0 . (8.26)
I1 + I2 + I3 = IN . (8.27)
I1 = I (8.28)
−j120◦
I2 = I e (8.29)
+j120◦
I3 = I e . (8.30)
Aus Abb. 8.7 folgt der Zusammenhang zwischen Leiterströmen und Strang-
strömen bei einer Dreieckschaltung
1
|I 12 | = |I 23 | = |I 31 | = √ |I| . (8.31)
3
Im 3-Leiter-System ist die Summe der drei Leiterströme infolge des nicht
vorhandenen Neutralleiters stets Null
I1 + I2 + I3 = 0 . (8.32)
4-Leiter-System
Dabei bezeichnet ϕi den Phasenwinkel zwischen dem Strom Ii und der Span-
nung UiN .
3-Leiter-System
P = U 1N I ∗1 + U 2N I ∗2 + U 3N I ∗3 . (8.35)
Im Falle eines 3-Leiter-Systems stellen die Werte von UiN die Spannungen dar,
die zwischen dem jeweiligen Leiter Li und dem künstlichen Sternpunkt liegen.
Aus dem Spannungszeigerdiagramm (Abb. 8.6) lassen sich die folgenden Zu-
sammenhänge ablesen
U 1N = U 13 + U 3N (8.36)
U 2N = U 23 + U 3N . (8.37)
0 = I1 + I2 + I3 , (8.38)
P = U 13 I ∗1 + U 23 I ∗2 + U 3N (I ∗1 + I ∗2 + I ∗3 ) (8.39)
P = U 13 I ∗1 + U 23 I ∗2 . (8.40)
Die Identität mit Gl. (8.34) beweist, dass sich diese Gesamtwirkleistung auch
als Summe von PW1 und PW2 ergibt, jenen Leistungen also, die mit den beiden
Leistungsmessern der Aaronschaltung (Abb. 8.10) gemessen werden.
4-Leiter-System
Analog zu Gl. (8.43) gilt für die Anzeigen PB2 und PB3
Beim Anschließen der Leistungsmesser ist auf die richtige Polarität zu ach-
ten, welche durch die Punkte in Abb. 8.12 angezeigt wird. Wenn die Vorwi-
derstände RV so gewählt werden,
√ dass an den Spannungspfaden der Mess-
geräte eine um den Faktor 3 kleinere Spannung wirksam wird, ergibt sich
die Gesamtblindleistung als Summe der drei Anzeigewerte, was durch einen
Vergleich der Gln. (8.42 - 8.45) leicht verifiziert werden kann.
3-Leiter-System
Unter Zuhilfenahme der Abb. 8.13 kann Gl. (8.46) folgendermaßen dargestellt
werden
1
PBges = √ Re((U 13 + U 12 )I ∗3 + (U 23 + U 13 )I ∗1 ) . (8.47)
3
Indem man Gl. (8.47) wie folgt erweitert
1
PBges = √ Re ((U 13 + U 12 )I ∗3 + (U 23 + U 13 )I ∗1 + U 31 I ∗2 − U 31 I ∗2 )
3
1
= √ Re (U 23 I ∗1 + U 31 I ∗2 + U 12 I ∗3 + U 13 (I ∗1 + I ∗2 + I ∗3 )) (8.48)
3
und die Tatsache berücksichtigt, dass die Summe der Leiterströme im 3-Leiter-
System verschwindet
I 1 + I 2 + I 3 = I ∗1 + I ∗2 + I ∗3 = 0 , (8.49)
Abb. 8.14. Messung der Blindleistung im 3-Leiter-System. Der Punkt gibt die
Polarität des Spannungspfades an. Der Widerstand RWV entspricht dem Innenwi-
derstand des Spannungspfades der (identischen) Leistungsmesser.
Die elektrische Arbeit (Energie) ergibt sich aus der zeitlichen Integration der
elektrischen Wirkleistung PW (t)
t
E= PW (t) dt . (8.51)
0
N1 i(t) N1 ˆ
φ1 ∼ B1 ≈ μ0 = μ0 I sin(ωt + ϕ) (8.53)
2δ 2δ
bzw. den Wirbelstrom iw ableiten
dφ1
iw ∼ uind ∼ ∼ ω Iˆ cos(ωt + ϕ) . (8.54)
dt
Dabei bezeichnen B1 den Betrag der magnetischen Induktion im Stromeisen,
φ1 den magnetischen Fluss im Stromeisen, N1 die Windungszahl des Stromei-
sens, δ den Luftspalt in Strom- und Spannungseisen (die Aluminiumscheibe
zählt in diesem Fall wegen μr = 1 zum Luftspalt) und ϕ den Phasenwinkel
zwischen Spannung u und Strom i. Legt man die Spannung u(t) des Leistungs-
kreises an die Spule 2 des Spannungseisens, welches die Aluminiumscheibe
U-förmig umschließt, entsteht im Luftspalt die magnetische Induktion B2 ,
welche sich wie folgt aus der angelegten Spannung u(t) über den durch die
Spule fließenden Strom i2 (t) berechnen lässt
2 − 1 H 2 gradμ ,
fr = Jw × B (8.58)
2
Das auf die Aluminiumscheibe wirkende mittlere Moment Mel erhält man,
wenn man über die Periodendauer T integriert
1 T
Mel ∼ F (t) dt (8.60)
T 0
Û Iˆ T 1 Û Iˆ
∼ (cos ϕ + cos(2ωt + ϕ)) dt = cos ϕ .
T 0 2 2
Gleichung (8.60) sagt aus, dass das Antriebsmoment Mel proportional der
Wirkleistung PW des Leistungskreises ist
In der Praxis entsteht aufgrund des relativ großen Luftspaltes sowie der Eisen-
und Kupferverluste keine exakte 90◦ -Verschiebung zwischen dem Strom i2
in der Spule 2 und der Spannung u des Leistungskreises. Die exakte 90◦ -
Phasenverschiebung erreicht man erst durch den in Abb. 8.16 gezeigten ma-
gnetischen Nebenschluss des Spannungseisens (Grobabgleich der 90◦ -Phasen-
verschiebung durch Veränderung von δN ) und eine Hilfswicklung am Stromei-
sen, die über den regelbaren Widerstand R kurzgeschlossen ist (Feinabgleich
der 90◦ -Phasenverschiebung durch Veränderung des Widerstandes R).
Der als Wirbelstrombremse wirkende Permanentmagnet (Abb. 8.16), der
auch als Bremsmagnet bezeichnet wird, erzeugt ein Bremsmoment mit dem
244 8 Messung der elektrischen Leistung
Betrag Mbrems
Mbrems = k2 n , (8.62)
wobei n die Drehzahl der Aluminiumscheibe bezeichnet. Die Drehzahl n der
Scheibe lässt sich nun aus der Gleichgewichtsbedingung Mbrems = Mel ermit-
teln
k1
n = Ueff Ieff cos ϕ = kPW . (8.63)
k2
Nachdem die Drehzahl n der Scheibe proportional zur Wirkleistung PW ist,
erhält man die elektrische Energie durch Aufsummieren (zeitliche Integration)
der Umdrehungen der Aluminiumscheibe. Dies geschieht in einfacher Weise
mit Hilfe eines mechanischen Zählwerkes.
Hinweis:
Die Leistungsmessung in Energieversorgungsnetzen und insbesondere beim
Endverbraucher hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Denn der
erste Schritt zu einer Energieverbrauchsreduzierung ist die komfortable und
effiziente elektronische Messung von Wirk- und Scheinleistung sowie die des
Energieverbrauches. Dabei wird gefordert, dass die elektronischen Leistungs-
messer in moderne Informationsarchitekturen, wie z. B. das Internet, einbind-
bar sind. Das Herzstück eines solchen elektronischen Energiemeters ist ein in-
tegrierter Schaltkreis, der mit zwei Eingangssignalen, welche dem Laststrom
bzw. der Lastspannung proportional sind, gespeist werden und der an seinem
Ausgang ein Signal liefert, das der verbrauchten Wirkleistung oder alternativ
der verbrauchten Energiemenge entspricht. Diese elektronischen Energiemeter
werden in Kap. 11.10 behandelt.
9
Messung von elektrischen Impedanzen
u(t)
R= , (9.1)
i(t)
Die Bestimmung des ohmschen Widerstandes kann durch eine Strom- und
eine Spannungsmessung erfolgen. Der Widerstandswert R wird dann nach
dem Ohmschen Gesetz (Gl. (9.1)) berechnet. Da hierbei stets zwei getrennte
Messungen erforderlich sind, tragen sowohl der Fehler der Strommessung als
auch der Fehler der Spannungsmessung zum Fehler des Messwertes R bei. Es
kommen die beiden in den Abb. 9.1a und 9.1b gezeigten Schaltungsvarianten
in Frage. Die jeweiligen systematischen Fehler können korrigiert werden, wenn
die Innenwiderstände des Spannungs- und des Strommessgerätes bekannt sind.
In der stromrichtigen Schaltung (Abb. 9.1a) ist die Spannungsmessung feh-
lerhaft und der Spannungsabfall RMI I am Strommesser ist zwecks Korrektur
des systematischen Messfehlers von der gemessenen Spannung abzuziehen
U − RMI I U
RX = = − RMI . (9.2)
I I
Abb. 9.1. Bestimmung des ohmschen Widerstandes RX durch separate Strom- und
Spannungsmessung: a) Stromrichtige Schaltung, b) Spannungsrichtige Schaltung
Spannungsvergleich
(Rref RMU )
URref = U0 (9.4)
(Rref RMU ) + RX
(RX RMU )
URX = U0 . (9.5)
(RX RMU ) + Rref
9.1 Messung von ohmschen Widerständen 247
Abb. 9.2. Messung eines ohmschen Widerstandes mit Hilfe eines Referenzwider-
standes Rref und einer Konstantspannungsquelle
Wenn man jedoch die beiden Messwerte URref und URX ins Verhältnis setzt,
kürzt sich der Innenwiderstand RMU heraus, so dass das Spannungsverhältnis
URX RX URX
= = (9.6)
URref Rref URref
frei von systematischen Fehlern bleibt
URX
RX = Rref . (9.7)
URref
Stromvergleich
Alternativ kann ein Stromvergleich nach Abb. 9.3 genutzt werden, um den
ohmschen Widerstand RX zu bestimmen. Auch hier heben sich die systema-
tischen Messfehler bei der Messung der Einzelströme IRX und IRref auf und
gehen somit nicht in die Bestimmung von RX ein. Die infolge des Innenwi-
derstandes RMI des Strommessgerätes mit systematischen Fehlern behafteten
Teilströme IRref und IRX ergeben sich entsprechend der Stromteilerregel bei
parallelgeschalteten Widerständen zu
Abb. 9.3. Messung eines ohmschen Widerstandes mit Hilfe eines Referenzwider-
standes Rref und einer Konstantstromquelle
248 9 Messung von elektrischen Impedanzen
RX
IRref = I0 (9.8)
RRref + RMI + RX
RRref
IRX = I0 . (9.9)
RRref + RMI + RX
Das Verhältnis dieser Teilströme ist wiederum frei von Belastungsfehlern
IRref RX IRref
= = (9.10)
IRX Rref IRX
bzw.
IRref
RX = Rref . (9.11)
IRX
Während der beiden Strommessungen muss der in die Parallelschaltung ein-
gespeiste Strom I0 sowie der Innenwiderstand RMI des Messgerätes konstant
gehalten werden.
Eine direkte und kontinuierliche Anzeige des Widerstandswertes ist mit Hilfe
einer Konstantstromquelle möglich (Abb. 9.4).
Abb. 9.4. Messung eines ohmschen Widerstandes unter Verwendung einer Kon-
stantstromquelle
Abb. 9.5. Messung eines ohmschen Widerstandes mit Hilfe einer Konstantstrom-
quelle. Bei der Verwendung in Digital-Multimetern werden die Spannungen an den
Abgriffpunkten (1) und (2) dem Analog-Digital-Umsetzer zugeführt.
Zur Messung kleiner Widerstände wird die Schaltungsvariante nach Abb. 9.6b
eingesetzt. Unter der Voraussetzung (R1 + R1 ) RX und (R2 + R2 ) R3
gilt näherungsweise
9.2 Kompensationsschaltungen
Mit Hilfe sog. Kompensationsschaltungen kann die Beeinflussung des Messvor-
ganges durch das Messgerät infolge seiner nicht-idealen Innenimpedanz elimi-
niert werden. Ströme und Spannungen werden dabei leistungslos gemessen,
d. h. Ströme ohne Spannungsabfall über den Messkontakten und Spannun-
gen ohne (Parallel)-Ströme durch ein angeschlossenes Spannungsmessgerät.
Die von klassischen Messgeräten jedoch stets benötigte Energie wird dabei
einer Hilfsquelle und nicht, wie bei Standardmessungen üblich, der zu mes-
senden Schaltung entnommen. Der Hauptvorzug der Kompensatoren besteht
also darin, dass bei der Messung keine Belastung des Messkreises erfolgt. In-
folge der rückwirkungsfreien Messung wird eine sehr hohe Messgenauigkeit
erreicht. Als eigentliches Messinstrument ist dazu lediglich ein Galvanometer
zum Nullabgleich erforderlich. Da die Kompensationsschaltungen eine Vor-
stufe der Brückenschaltungen darstellen, die zur Messung von ohmschen Wi-
derständen bzw. komplexen Impedanzen eingesetzt werden, sollen sie an dieser
Stelle besprochen werden.
9.2.1 Gleichspannungskompensation
R
UX = UR = U0 . (9.17)
R0
Bei bekannten Größen U0 , R0 , R kann UX ohne einen durch den Leistungsver-
brauch eines Messgerätes hervorgerufenen Fehler bestimmt werden.
9.2.2 Gleichstromkompensation
Mit der Kompensationsschaltung nach Abb. 9.8 kann ein unbekannter Strom
IX kompensiert werden, indem Spannungsgleichheit an dem von dem Diffe-
renzstrom (I0 − IX ) durchflossenen Widerstand R und an dem vom Strom IX
durchflossenen Widerstand R1 erreicht wird
(I0 − IX )R = IX R1 . (9.18)
Aus den Gln. (9.18) und (9.19) kann unmittelbar der zu messende Strom IX
bestimmt werden
R
IX = U0 . (9.20)
R0 (R1 + R) − R2
Da über den Messkontakten keine Spannung abfällt, wird leistungslos, d. h.
ohne Belastung des Messkreises, gemessen. Als Nulldetektoren verwendet man
9.3 Gleichstrom-Messbrücken
Die genaue Bestimmung von ohmschen Widerständen erfolgt in der Praxis oft
mit Hilfe von sog. Brückenschaltungen. Die dazu von Wheatstone vorgeschla-
gene Messbrücke (Wheatstonesche Messbrücke) besteht aus zwei parallelge-
schalteten Spannungsteilern (Abb. 9.10), die mit der Spannung UE gespeist
werden. Beim Betrieb unterscheidet man zwischen dem Ausschlagverfahren
(Gleichstrom-Ausschlagbrücke), bei dem die Diagonalspannung UD mit ei-
nem hochohmigen Instrument gemessen wird, und dem Abgleich- oder Null-
verfahren (Gleichstrom-Abgleichbrücke), bei dem die Diagonalspannung zu
Null abgeglichen wird.
9.3.1 Gleichstrom-Ausschlagbrücken
Im nicht-abgeglichenen Zustand resultiert aus der Speisespannung UE eine
Diagonalspannung UD
R2 R4 R2 R3 − R1 R4
UD = UE − = UE . (9.21)
R1 + R2 R3 + R4 (R1 + R2 )(R3 + R4 )
Durch Messung der Spannungen UD und UE kann bei drei bekannten Wi-
derständen auf den vierten unbekannten Widerstand geschlossen werden. Die
Genauigkeit des Verfahrens hängt neben der Toleranz der Brückenwiderstände
von der Genauigkeit der Messgeräte zur Bestimmung von UD und UE ab. Bei
der Messung der Spannung UD ist zu berücksichtigen, dass der Innenwider-
stand RM des Messgerätes zu einem Fehler führt.
Die unter Berücksichtigung der Innenwiderstände der Quelle RI und des Mess-
gerätes RM geltende Ersatzschaltung wird in Abb. 9.11a gezeigt. Die im Falle
offener Klemmen (RM → ∞) effektiv wirksame Brückenspeisespannung UE
kann aus der Leerlaufspannung UE0 der Speisequelle mit
RB = (R1 + R2 ) (R3 + R4 ) (9.22)
wie folgt errechnet werden
RB
UE = UE0 . (9.23)
RI + RB
Damit lässt sich auch die Leerlaufspannung UQ der Ersatzspannungsquelle
aus Abb. 9.11b angeben
R2 R3 − R1 R4
UQ = UD |RM→∞ = UE (9.24)
(R1 + R2 )(R3 + R4 )
1 R2 R3 − R1 R4
UQ = UD |RM→∞ = UE0 RI (R1 +R2 +R3 +R4 )
1+ (R1 + R2 )(R3 + R4 )
(R1 +R2 )(R3 +R4 )
R2 R3 − R1 R4
= UE0 . (9.25)
(R1 + R2 )(R3 + R4 ) + RI (R1 + R2 + R3 + R4 )
254 9 Messung von elektrischen Impedanzen
9.3.2 Gleichstrom-Abgleichbrücken
Der Scheinwiderstand |Z| kann nach separaten Messungen von Spannung und
Strom berechnet werden
Ueff
|Z| = . (9.39)
Ieff
Nachdem die komplexe Impedanz zwei skalare Unbekannte aufweist (Betrag
und Phase bzw. Real- und Imaginärteil), müssen zu ihrer vollständigen Be-
stimmung immer zwei getrennte Größen gemessen werden, wie z.B. der Schein-
widerstand und der Phasenwinkel oder der Scheinwiderstand und der Wirk-
widerstand.
Bei einer Spule beispielsweise können Schein- und Wirkwiderstand auf die
im folgenden beschriebene Art gemessen werden. Bei Anlegen einer Gleich-
spannung u− ergibt sich wegen X = 0 (Gl. (9.31)) der Wirkwiderstand R aus
einer Gleichstrommessung
u−
R= . (9.40)
i−
Bei Anlegen einer Wechselspannung u∼ lässt sich gemäß Gl. (9.39) der Schein-
widerstand |Z| aus der Messung der Effektivwerte von Spannung Ueff und
Strom Ieff ermitteln
Ueff u∼
|Z| = = . (9.41)
Ieff i∼
Anhand der Gln. (9.38), (9.40) und (9.41) kann schließlich auch der Blindwi-
derstand X berechnet werden
X = ωL = |Z|2 − R2 . (9.42)
258 9 Messung von elektrischen Impedanzen
|U X | |U |
RX = cos ϕ = RN X cos ϕ , (9.44)
|I| |U N |
|U X | |U |
XX = sin ϕ = RN X sin ϕ . (9.45)
|I| |U N |
Abb. 9.16. Bestimmung des Wirk- und Blindanteils verlustbehafteter passiver Bau-
elemente mit Hilfe der 3-Spannungsmesser-Methode. ϕ: Phasenwinkel von Z X
9.5 Wechselstrom-Messbrücken 259
9.5 Wechselstrom-Messbrücken
9.5.1 Wechselstrom-Abgleichbrücken
Z 2Z 3 = Z 1Z 4 . (9.46)
Gleichung (9.46) lässt sich in eine Betrags- und eine Winkelgleichung zerlegen
Aus der Tatsache, dass Gl. (9.46) jeweils für Real- und Imaginärteil erfüllt
sein muss, ergeben sich mit
Z i = Ri + jXi (9.49)
R2 R3 − X2 X3 = R1 R4 − X1 X4 (9.50)
X2 R3 + R2 X3 = X1 R4 + R1 X4 . (9.51)
Wien-Brücke
Schering-Messbrücke
Wien-Robinson-Brücke
Maxwell-Wien-Brücke
LX = C4 R2 R3 (9.61)
R3
RX = R2 . (9.62)
R4
Die Einflüsse von Erd- und Streukapazitäten kommen beim technischen Auf-
bau einer Wechselstrom-Messbrücke schnell zum Tragen. Abbildung 9.22 zeigt
sämtliche Erd- und Streukapazitäten, welche beim Aufbau einer Messbrücke
auftreten können. Durch die Einführung definierter Erdungs- und Schirm-
verhältnisse gilt es, die Einflüsse der parasitären Kapazitäten zu eliminieren
oder diese zumindest vernachlässigbar klein zu machen.
9.5 Wechselstrom-Messbrücken 263
Wagnerscher Hilfszweig
F
C D
CAB CCD
CCE CDE
E
Z2 Z4 Z6
CBE CBC CBD
B
Abb. 9.22. Potentielle parasitäre Erd- und Streukapazitäten bei Wechselstrom-
brücken
Da gemäß den Gln. (9.47) und (9.48) bzw. den Gln. (9.50) und (9.51) bei
Wechselstrom-Messbrücken stets zwei Abgleichbedingungen gleichzeitig zu
erfüllen sind, müssen in der Brücke mindestens zwei voneinander unabhängig
264 9 Messung von elektrischen Impedanzen
verstimmbare Bauelemente enthalten sein, welche den Betrags- und den Pha-
senabgleich (bzw. den Real- und den Imaginärteilabgleich) ermöglichen. Da
sich diese beiden Abgleichvorgänge in der Regel gegenseitig beeinflussen, ist
ein stetiger Wechsel zwischen den beiden erforderlich. Dies bedeutet konkret,
dass man zunächst mit Hilfe eines Abgleichelementes die Diagonalspannung
in ein lokales Minimum bringt. Dann setzt man den Abgleich mit dem zweiten
Abgleichelement fort, bis wiederum ein neues lokales Minimum erreicht wird.
Dieses schrittweise und wechselseitige Abgleichen wird solange fortgesetzt, bis
die Diagonalspannung ein globales Minimum bzw. im Idealfall den Wert Null
erreicht hat. Die Geschwindigkeit, mit der dieses globale Minimum eingestellt
werden kann, also die Schnelligkeit des Abgleichvorganges, ist ein wesentliches
Gütekriterium einer Wechselstrom-Messbrücke. Die dabei erzielbare Konver-
genz hängt von der Brückenstruktur, der Wahl der Abgleichelemente und der
Empfindlichkeit des Nullindikators ab. Es sei abschließend darauf hingewiesen,
dass auch bei prinzipiell abgleichbaren Brücken die Konvergenz des Abgleich-
vorganges nicht allgemein sichergestellt ist und von Fall zu Fall überprüft
werden muss. Dazu bedient man sich meist graphischer Methoden, bei denen
die Diagonalspannung U D in Form von Ortskurven in der komplexen Ebene
aufgetragen wird [73]. Eine solche Ortskurve beschreibt den Real- und Ima-
ginärteil von U D in Form einer graphischen Kurve, wobei das Abgleichelement,
z. B. ein einstellbarer Widerstand, innerhalb eines bestimmten Wertebereiches
variiert wird. Jedem Punkt dieser Ortskurve kann dann ein bestimmter Wert
des Abgleichelements zugeordnet werden.
Phasenempfindlicher Gleichrichter
Da beim halb- und vollautomatischen Abgleich von Wechselstrom-Messbrücken
sehr oft phasenempfindliche Gleichrichter (Synchrongleichrichter) benötigt
werden, soll deren Funktionsweise zunächst erläutert werden. Bei einem pha-
senempfindlichen Gleichrichter wird die Gleichrichterwirkung nicht, wie beim
normalen Gleichrichter üblich, von der Polarität der Eingangsspannung uE
gesteuert, sondern von der Phasenlage bzw. Polarität einer separaten Steuer-
spannung bestimmt (Abb. 9.23). Die Ausgangsspannung ūA ergibt sich auf-
grund der Tiefpassfilterung als zeitlicher Mittelwert des Produktes aus uE (t)
und einem Schaltersignal s(t)
ūA = uE (t)s(t) , (9.63)
wobei das Schaltersignal s(t) von der Polarität der Steuerspannung bestimmt
wird, d. h. ⎧
⎨ +1 f ür ust > 0
s(t) = sign(ust ) = . (9.64)
⎩
−1 f ür ust < 0
Für den Fall, dass die Steuerspannung einen sinusförmigen Zeitverlauf mit
derselben Frequenz wie die Eingangsspannung uE aufweist, jedoch zu dieser
phasenverschoben ist, ergibt sich
9.5 Wechselstrom-Messbrücken 265
bzw.
uA (t) = ÛE sin(ωt + ϕ) sign(Ûst sin ωt) . (9.66)
Daraus kann der zeitliche Mittelwert ūA durch Integration über die Perioden-
dauer errechnet werden
1 T
ūA = ÛE sin(ωt + ϕ) sign(Ûst sin ωt) dt . (9.67)
T 0
Die Auswertung der beiden Teilintegrale liefert schließlich das Ergebnis, dass
die Ausgangsspannung ūA dem Gleichrichtwert der Eingangsspannung, die
mit dem Cosinus der Phasenwinkeldifferenz ϕ zwischen der Eingangs- und
Steuerspannung multipliziert wurde, entspricht
Da U R4 rein reell ist (U R4 = UR4 ), kann die Aufspaltung von Gl. (9.70) in
Real- und Imaginärteil in einfacher Weise erfolgen
Phaseninformation
Nullabgleich 90° -
durch R 4 Phasen-
schieber
CX RX R3
U st
Verstärker
U E0 UD
UD V U DV
ϕ
C2 R 2 U R2 R 4 U R4
Regler Im ( U D )
R 2 : spannungssteuerbarer
Widerstand
Abb. 9.24. Halbautomatisch abgleichbare Wien-Brücke
9.5 Wechselstrom-Messbrücken 267
9.5.4 Wechselstrom-Ausschlagbrücken
j(X2 − X1 ) R0 U (X2 − X1 )
UD = UE = E . (9.75)
j(X2 + X1 ) 2R0 2 (X2 + X1 )
Viertelbrücke
Halbbrücke
X1 = X0 − ΔX (9.77)
und
X2 = X0 + ΔX . (9.78)
Die Diagonalspannung U D ist damit exakt proportional zu ΔX
U E ΔX
UD = . (9.79)
2 X0
Auch hier ist ΔX ein Maß für die Messgröße; nach Möglichkeit sollte ΔX pro-
portional der vom Sensor zu detektierenden Messgröße sein. Die in Gln. (9.77)
und (9.78) vorkommenden entgegengesetzten Änderungen ±ΔX der Sensor-
reaktanz ergeben sich bei sog. Differentialsensoren [184].
Eine Spule mit verschiebbarem ferromagnetischem Kern (Abb. 9.26) kann als
einfacher Wegaufnehmer verwendet werden, da die Induktivität in eindeutiger
Weise von der Position des Kerns abhängt. Nachteilig an diesem als Tauchan-
kersystem bezeichneten Wegsensor ist allerdings die nichtlineare Abhängigkeit
von (Verschiebungs-)Weg und Induktivität.
Die Anwendung des Differenzprinzips führt in Erweiterung zu einem
Doppelspulen-Tauchankersystem nach Abb. 9.27. Dieser Differentialsensor
weist eine wesentlich bessere Kennlinien-Linearität als das einfache Tauch-
ankersystem auf. Außerdem lässt sich das Differenzprinzip zur Temperatur-
kompensation nutzen, wenn der Differential-Tauchankergeber, wie in Abb.
9.27 dargestellt, in Halbbrücken-Schaltung verwendet wird. Bei der Halb-
brücke werden nämlich gleichsinnige Änderungen bezüglich der Induktivität
der beiden Sensorspulen (Gleichtaktstörungen, wie Temperatureinfluss, etc.)
eliminiert und gegensinnige Änderungen (der eigentliche Messeffekt) addiert.
9.5 Wechselstrom-Messbrücken 269
verschiebbarer
Kern
a)
x0 Δx
Spule
L, L d
Ld
L0
-3 -2 -1 0 1 2 3 Δx
b) 0 1 2 3 4 x0 6 7 8 x
-x x=0 +x
verschiebbarer
Kern
Spule 2 Spule 1
UD
R0 R0
UE
nung UD über eine weite Wegstrecke linear von der Wegverschiebung (des
Kerns) abhängt.
Vollbrücke
Bei den Vollbrücken (Abb. 9.28) ändern sich alle vier Brückenreaktanzen um
den Betrag ΔX. Die Änderungen erfolgen in den Brückenzweigen 1 und 4
sowie den Brückenzweigen 2 und 3 jeweils gleichsinnig gemäß
X1 = X4 = X0 − ΔX (9.80)
und
X2 = X3 = X0 + ΔX . (9.81)
Analog zu Gl. (9.21) kann die Diagonalspannung U D abgeleitet werden
X2 X3 − X1 X4
UD = UE . (9.82)
(X1 + X2 )(X3 + X4 )
Die Auswertung von Gl. (9.82) ergibt, dass die Diagonalspannung U D der
doppelten der Halbbrücke entspricht
ΔX
U D = UE . (9.83)
X0
Zur Messung von mechanischen Kräften oder auch Drücken werden des öfteren
Dehnungsmessstreifen in Verbindung mit Federkörpern eingesetzt. Sie wan-
deln die kraft- bzw. druck-proportionale Längendehnung des Federkörpers in
9.5 Wechselstrom-Messbrücken 271
ein entsprechendes elektrisches Signal um, wenn sie mit einer Hilfsquelle ge-
speist werden. Dehnungsmessstreifen (DMS) ändern ihren relativen ohmschen
Widerstand in Abhängigkeit einer mechanischen Längendehnung in linearer
Weise
ΔR Δl
=k . (9.84)
R l
Standardmäßig werden trotz ihres geringen k-Faktors (k ≈ 2) metallische
DMS eingesetzt. Dehnungsmessstreifen aus monokristallinem Silizium hinge-
gen zeigen sehr große k-Faktoren (typische k-Faktoren im Bereich k = 100),
so dass gegenüber den Metall-DMS eine wesentliche Erhöhung der Empfind-
lichkeit erreicht werden kann. Auf diesem Sachverhalt basiert die Technologie
der Silizium-Drucksensoren. Die Fertigung der Federkörper erfolgt in Form
dünner Kreis- oder Rechteckmembranen. Da die Herstellung monokristalli-
ner Dünnfilme technologisch nur mit hohem Aufwand zu realisieren ist, wird
die gesamte Druckmembran aus monokristallinem Silizium hergestellt und die
Dehnungsmessstreifen in Form piezoresistiver Zonen (Widerstände) in diese
hineindiffundiert (Abb. 9.29). Die Diffusion erfolgt mit typischen Fremdato-
men, wie etwa Bor. Die mechanische Bearbeitung des Siliziums geschieht mit
Methoden der sog. Silizium-Mikromechanik [80]. Dabei werden kleinste me-
chanische Strukturen aus Silizumwafern mit Hilfe von Fotolithographie und
anisotropen Ätzverfahren gefertigt. Dazu kommen noch Dünnschichtprozesse,
Kontaktierung
(Leiterbahn)
Membranzone
Druck p
DMS Kontaktierung
1 2 (piezoresistive (Leiterbahn)
Widerstände)
R1 Si 3N 4 SiO 2
R2 R3
R4
2' 1'
DMS
(piezoresistive Silizium- Glasträger Silizium-
Widerstände R 1 Substrat Epitaxie-
bis R 4 ) schicht
a) b)
mit denen dünne Schichten aus Siliziumoxid (SiO2 ) und Siliziumnitrid (Si3 N4 )
auf dem Siliziummaterial aufgebracht werden.
Silizium zeigt ausgezeichnete elastische Eigenschaften: Es ist mit konstan-
tem Elastizitätsmodul dehnbar bis zu einer Bruchdehnung von ca. 0,5 %, wobei
die Reproduzierbarkeit der Dehnung und die Hysterese nicht schlechter sind
als bei anderen guten Federwerkstoffen.
Die Verschaltung der 4 DMS (piezoresistive Widerstände) erfolgt vorteil-
hafterweise in Voll-Brückenschaltung. Dies ist möglich, da die Widerstande R1
und R4 , die nahe dem Zentrum der Membran angeordnet sind, eine im Ver-
gleich zu den im Außenbereich der Membran angeordeneten Widerständen R2
und R3 entgegengesetzte Dehnung erfahren. Dies liegt daran, dass in der Zone
zwischen diesen beiden Widerstandspaaren, also bei einem mittleren Radius,
die spannungsneutrale Faser liegt. In Zonen mit größeren (von der neutra-
len Faser aus gesehen) Radien wird die Membran gedehnt, während sie bei
kleineren Radien gestaucht wird. Dies führt zu einer Vergrößerung der Wi-
derstandswerte bei R2 und R3 und zu einer Verringerung bei R1 und R4 .
Bei Umkehr des Druckes (Überdruck → Unterdruck) kehren sich auch bei
den Widerstandswerten die Verhältnisse um. Somit können die Widerstände
idealerweise zu einer Vollbrücke verschaltet werden. Dies führt, wie schon bei
dem Anwendungsbeispiel zur Halbbrückenschaltung, einerseits zu einer Linea-
risierung sowie andererseits zu einer Erhöhung der Empfindlichkeit gegenüber
Viertel- bzw. Halbbrückenschaltungen. Man erreicht dadurch schließlich über
weite Druckbereiche eine lineare Abhängigkeit der Brückendiagonalspannung
vom angelegten mechanischen Druck.
Bei Absolutdrucksensoren ist die untere Seite des Sensors gasdicht ge-
schlossen, so dass im Sensor ein vorgegebener permanenter Druck eingestellt
werden kann. Bei Differenzdrucksensoren hingegen ist die untere Seite
durchbohrt, so dass von unten ein Referenzdruck wirkt. Die Abb. 9.29b zeigt
den Aufbau eines monokristallinen (monolithischen) Silizium-Drucksensors.
Die Herstellung von Silizium-Drucksensoren mit niedrigen Temperaturkoeffizi-
enten erfordert einigen Aufwand, insbesondere wegen der vergleichsweise star-
ken Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands und des k-Faktors
von Silizium. Eine Reduktion der Temperaturabhängigkeit kann u. a. durch
eine Konstantstromspeisung der Brücke erreicht werden, da der Widerstand
des Siliziums mit der Temperatur ansteigt, während der k-Faktor hingegen
mit der Temperatur abnimmt.
10
Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer
Signale (Oszilloskope)
trischen Signals auf eine Leuchtschicht schreibt. Abbildung 10.1 zeigt den Auf-
bau einer solchen Elektronenstrahl-Röhre. Die Röhre besteht aus einem eva-
kuierten Glaskolben, der die zur Erzeugung, Fokussierung und Ablenkung des
Elektronenstrahls erforderlichen Einheiten enthält. Dabei werden die von einer
Glüh-Kathode emittierten Elektronen infolge der zwischen Kathode und An-
ode anliegenden elektrischen Spannung zunächst in Richtung des Leuchtschir-
mes beschleunigt. Auf diesem Wege wird der Elektronenstrahl durch weitere
elektrische Felder fokussiert, welche durch Anlegen von geeigneten elektrischen
Spannungen an den Wehnelt-Zylinder, die Anoden 1 und 2 sowie die beiden
Hilfsgitter erzeugt werden. Danach durchlaufen die Elektronen das Vertikal-
(y-Platten) sowie das Horizontal-Ablenksystem (x-Platten) und treffen schließ-
lich auf der Leuchtschicht der Röhrenvorderseite auf. Abbildung 10.2 ver-
deutlicht die Geometrie der vertikalen Strahlablenkung, die im Folgenden in
Abhängigkeit der Ablenkspannung sowie der Geometrie des Ablenksystems
berechnet wird. Durch das Anlegen einer Spannung uz zwischen Kathode
und Anode entsteht ein elektrisches Feld Ez , welches die emittierten Elek-
tronen (Masse m0 = 9, 1 · 10−31 kg; Ladung e0 = 1, 6 · 10−19 As) auf eine
Horizontalgeschwindigkeit vz beschleunigt. Aus Energieerhaltungsgründen ist
die kinetische Energie Wkin des Elektrons gleich der beim Durchlaufen des
elektrostatischen Feldes aufgenommenen elektrischen Energie Wel , sodass die
Horizontalgeschwindigkeit vz des Elektrons aus der Anodenspannung uz wie
folgt ermittelt werden kann
Fy = m0 ay = e0 Ey . (10.5)
Abb. 10.3. Erzeugung eines Oszillogramms (Schirmbildes) mit Hilfe der Spannung
uy (t) und der Sägezahnspannung ux (t)
Abb. 10.5. Prinzip der Triggerung: a) Generieren der Sägezahnspannung ux (t) bei
positiver und negativer Triggerflanke, b) Schirmbilder bei positiver und negativer
Triggerflanke
Mit Hilfe einer sog. verzögerten Zeitbasis gelingt es, einen beliebigen zeitli-
chen Ausschnitt eines dargestellten Oszilloskopbildes auf die gesamte Breite
des Schirmes zu expandieren. Diese Lupenwirkung lässt sich unter Verwen-
dung von zwei unabhängigen Zeitbasen, der sog. Hauptzeitbasis (Main Time
Base MTB) und der verzögerten Zeitbasis (Delayed Time Base DTB), errei-
chen. Abbildung 10.6 erläutert die prinzipielle Arbeitsweise einer verzögerten
Zeitbasis. Sie enthält am Eingang eine der Abb. 10.4 entsprechende Trigger-
einheit, welche die Hauptzeitbasis und damit die gewöhnliche Schirmbilddar-
stellung startet. Die dazu notwendige Sägezahnspannung der Hauptzeitbasis
wird gleichzeitig mit Hilfe des gezeigten Komparators mit einem voreinge-
stellten Spannungswert verglichen, der einem Wert tV auf der Zeitachse des
Schirmbildes entspricht. Bei Erreichen dieses Schwellwertes bzw. der Zeit-
marke tV wird die verzögerte Zeitbasis gestartet, deren Sägezahnanstiegsge-
schwindigkeit i. Allg. um ein Mehrfaches höher liegt als die der Hauptzeit-
basis. Wenn für das dargestellte Schirmbild die Sägezahnspannung uXV der
verzögerten Zeitbasis verwendet wird, erscheint auf dem Schirmbild der mit
tV bezeichnete Ausschnitt des ursprünglichen Bildes (Ablenkspannung uXH )
auf der ganzen Breite des Schirmes. Im ursprünglichen Schirmbild wird dieser
280 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
Im Falle von Oszilloskopen wird vom Hersteller anstatt der oberen Grenzfre-
quenz oft die Anstiegszeit tr (Risetime) angegeben. Sie ist die Zeit, die der
Strahl bei einem Spannungssprung am Eingang zum Schreiben des zwischen
10 und 90 % des Endwertes liegenden Signalverlaufes benötigt (Abb. 10.8).
Die obere Grenzfrequenz fg lässt sich aus der Anstiegszeit tr anhand der
Näherungsformel
fg tr ≈ 0, 35 (10.14)
bestimmen, welche in Kap. 10.3.3 hergeleitet wird. Die Verzögerungsleitung
im y-Kanal hat die Aufgabe, die y-Spannung zeitlich verzögert auf die Ab-
lenkplatten zu geben. Damit wird sichergestellt, dass bei Sprungsignalen auch
die ansteigende bzw. abfallende Flanke noch deutlich auf dem Schirm sicht-
bar ist. Ohne eine solche Verzögerungsleitung bestünde bei sehr schnellen
Signalen die Gefahr, dass die Flanke schon anliegt, bevor die Zeitbasis die
Strahlablenkung starten konnte. Zur gleichzeitigen Darstellung mehrerer, im
Allgemeinen zweier, Signale verwendet man in der Regel ebenfalls einstrahli-
ge Elektronenstrahl-Röhren, deren Vertikalablenksystem im Wechsel von ver-
schiedenen y-Kanälen über einen elektronischen Umschalter angesteuert wer-
den. Dieser in Abb. 10.7 mit ALT/CHOP“ bezeichnete Schalter wird übli-
”
cherweise in Form eines schnellen Analog-Multiplexers [182] realisiert. Die
Ansteuerung der y-Platten geschieht dabei entweder im Alternierenden-Mode
oder im Chopper-Mode (Abb. 10.9):
• Alternierender-Mode
Während einer vollständigen x-Ablenkperiode wird immer nur das Signal
eines Kanals, z.B. das Signal y1 (t), an die y-Platten gelegt, während in der
darauffolgenden Periode der x-Ablenkung das Signal y2 (t) des 2. Kanals
geschrieben wird. Für Phasenvergleiche zwischen den Signalen y1 (t) und
10.1 Analoges Elektronenstrahl-Oszilloskop 283
y2 (t) ist darauf zu achten, dass die Triggerung immer vom selben Kanal,
entweder Kanal 1 oder Kanal 2, ausgelöst wird.
• Chopper-Mode
Im Gegensatz zum alternierenden Mode wird in dieser Betriebsart während
einer einzigen x-Ablenkperiode in zeitlich sehr kurzen Abständen zwi-
schen den Kanälen 1 und 2 umgeschaltet, so dass die Darstellung der
Signale y1 (t) und y2 (t) quasi zeitgleich, d. h. in einem, verglichen zur x-
Ablenkperiode und damit auch zum alternierenden Betrieb, kurzzeitigen
Wechsel erfolgt.
10.1.4 Sampling-Oszilloskop
Ta = Ts + ΔT , (10.16)
284 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
Dadurch erreicht man pro Abtastperiode eine auf die Äquivalenzzeit, d. h. auf
den einmaligen Puls, bezogene zeitliche Verschiebung des aktuellen Abtast-
zeitpunktes gegenüber dem vorhergehenden um ΔT . Mit fa = 1/Ta , fs = 1/Ts
und für k = 1 lässt sich diese zeitliche Verschiebung ΔT der Abtastzeitpunkte
aus den Gln. (10.16) bzw. (10.17) wie folgt ableiten
1 1
ΔT = − . (10.18)
fa fs
Nach N Abtastungen ist eine Periode des Messsignals vollständig abgetastet
(Rundungsfehler außer acht gelassen)
Ts fa
N= = . (10.19)
ΔT fs − fa
Bei dieser Form der Signalerfassung muss der eigentliche Abtastvorgang der
einzelnen Signalwerte allerdings auch in Realzeit erfolgen, d. h. die Abtastung
muss so schnell erfolgen, dass das Signal während dieser Zeit als konstant
angesehen werden kann, wohingegen die restliche Verarbeitung des Abtast-
wertes in einem gegenüber der Realzeit gedehnten Maßstab erfolgen darf. Die
10.1 Analoges Elektronenstrahl-Oszilloskop 285
Damit ergibt sich der Spektrallinienabstand f0 für das abgetastete Spektrum
1 1 fs
f0 = = = . (10.22)
Tend N Ta dvt
Die zweite Endzeit Tend ist die, die auf den komprimierten Zeitmaßstab (Äqui-
valenzzeit) bezogen wird (Abb. 10.10b)
Tend
Tend = = N ΔT = Ts . (10.23)
dvt
Diese Endzeit Tend ist hier vereinbarungsgemäß (Gl. (10.19)) mit der Peri-
odendauer Ts des Signals identisch. Der Frequenzabstand f0 zwischen den
einzelnen Linien im Spektrum des Originalsignals (in Abb. 10.11 mit Origi-
”
nalspektrum“ bezeichnet) entspricht damit der Wiederholfrequenz fs in der
Signalfunktion
1
f0 = = f0 dvt = fs . (10.24)
Tend
Unter Berücksichtigung der oben abgeleiteten Zusammenhänge lässt sich das
Originalspektrum gemäß dem in Abb. 10.11 gezeigten Schema aus dem real
erhaltenen abgetasteten Spektrum rekonstruieren. Denn aus den Gln. (10.20),
(10.22) und (10.24) folgt die Beziehung
bzw.
fs
nfs = nfa + n n = 1, 2, . . . , N , (10.26)
dvt
welche besagt, dass die n-te Spektrallinie des Originalspektrums identisch ist
mit der n-ten Spektrallinie des abgetasteten Spektrums, das bei der n-fachen
Abtastfrequenz entsteht.
τT = RT CT = RE CE = τE , (10.28)
ergibt sich das frequenzunabhängige Teilerverhältnis VTR
RT
V T = VTR = 1 + . (10.29)
τ1 =τ2 RE
Die Eingangsimpedanz Z Eges des Teilers ist aber auch in diesem Fall sehr wohl
frequenzabhängig. Sie beträgt bei Frequenzkompensation, d. h. für den Fall
τT = τE = τ ,
RT + RE RT + RE
Z Eges = = . (10.30)
1 + jωRE CE 1 + jωτ
Die entsprechende Eingangsadmittanz Y Eges ergibt sich dementsprechend zu
1
Y Eges = + jωCEges , (10.31)
REges
wobei sich REges und CEges mit dem reellen Teilerverhältnis VTR aus Gl. (10.29)
wie folgt berechnen
Die einzelnen in Serie geschalteten Messglieder des x- und des y-Kanals sind
mit Empfindlichkeitsfehlern behaftet, die sich infolge der Multiplikation der
Empfindlichkeiten der einzelnen Stufen im jeweiligen Kanal zum Gesamt-
empfindlichkeitsfehler summieren. Typische Werte der Fehlergrenzen von Ab-
lenkkoeffizienten liegen sowohl für die Vertikal- als auch für die Horizontal-
Ablenkung bei etwa 1 - 3 %. Die Fehlerangaben können mit der absoluten
Größe des Ablenkkoeffizienten variieren, wobei i. Allg. die kleineren Ablenk-
koeffizienten größere Fehler aufweisen. Bei diesen Fehlern handelt es sich vor-
wiegend um systematische Fehler, die über den gesamten Anzeigebereich kon-
stant bleiben. Sie lassen sich also quantitativ ermitteln und korrigieren.
wobei ΔUMess /ΔtMess die mit dem Oszilloskop gemessene und ΔUw /Δtw die
wahre Anstiegsgeschwindigkeit ist. Aus Gl. (10.34) folgt mit den Definitions-
gleichungen für die relativen Fehler fy und fx von Vertikal- und Horizontal-
Ablenkeinheit
ΔUMess
= 1 ± fy (10.35)
ΔUw
und
ΔtMess
= 1 ± fx (10.36)
Δtw
der relative Gesamtfehler fan
ΔUMess Δtw 1 ± fy
fan = −1= −1. (10.37)
ΔUw ΔtMess 1 ± fx
10.3 Fehler bei der analogen Elektronenstrahl-Oszilloskopie 289
10.3.2 Linearitätsfehler
K y2 − K y1
fNLy = . (10.41)
K y1
Abb. 10.14. Beispiel eines Linearitätsfehlers bei der Vertikalablenkung. Die Soll-
Kennlinie ist eine Gerade.
290 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
K x2 − K x1
fNLx = . (10.42)
K x1
Typische Werte für die Linearitätsfehler liegen bei 2 - 5 %.
|U E | − |U Q | 1
f|U| = =
2 −1. (10.43)
|U Q | RQ 2
1+ RE + (ωRQ CE )
Dieser Betragsfehler ist in Abb. 10.16 als Funktion der Frequenz für verschie-
dene Widerstandswerte der Signalquelle aufgetragen. Für RE und CE werden
dabei die Standardwerte RE = 1 MΩ und CE = 20 pF verwendet. Bei Anre-
gung durch einen Spannungssprung kommt es aufgrund des (verlangsamten)
Anstiegs gemäß einer Exponentialfunktion zu Verzerrungen. Die Aufladung
des Eingangskondensators erfolgt dabei mit der Zeitkonstante
RE RQ
τ = CE . (10.44)
RE + RQ
RE
uE (t) = U0 1 − e−t/τ . (10.45)
RE + RQ
Verstärker-Grenzfrequenzen
UA V
G(ω) = = , (10.46)
UE 1 + jωRC
wobei R und C die Werte des Tiefpasses aus Abb. 10.18 bezeichnen und
V eine in erster Näherung frequenzunabhängige Verstärkung ist. Die obere
Grenzfrequenz fg des Verstärkers ist erreicht, wenn die Ausgangsspannung
auf -3 dB ihres Gleichspannungswertes (ω = 0) abgesunken ist. Dies entspricht
einem Verhältnis von
UA 1
= √ ≈ 0, 707 . (10.47)
V U 2
E f =fg
Mit Gl. (10.46) ergibt sich daraus die obere Kreisgrenzfrequenz ωg bzw. die
obere Grenzfrequenz fg des Verstärkers zu
ωg RC = 1 (10.48)
bzw.
1
fg = . (10.49)
2πRC
Der Betragsfehler f|U| infolge dieser Bandbegrenzung beträgt
UA
f|U| = −1 (10.50)
V UE
1 1
f|U| = −1=
2 − 1 . (10.51)
1 + (ωRC)2
1 + ffg
wobei die Zeitkonstante τ die des Eingangstiefpasses aus Abb. 10.18 ist. Die
Zeitkonstante τ ist demnach der Kehrwert der Kreisgrenzfrequenz ωg
1 1
ωg = = . (10.55)
τ RC
Somit lassen sich auch die Anstiegszeit tr und die Grenzfrequenz fg des Ver-
stärkers ineinander umrechnen. Die Anstiegszeit tr der Sprungantwort beträgt
mit Gl. (10.54) und unter Berücksichtigung der Anstiegszeitdefinition (tr ist
die Zeit, die die Sprungantwort zwischen 10 und 90 % ihres Endwertes ver-
weilt)
tr = t2 − t1 = τ (− ln(0, 1) + ln(0, 9)) = 2, 197τ . (10.56)
Mit der Beziehung (Gl. (10.49))
1 1
fg = = (10.57)
2πRC 2πτ
erhält man schließlich
2, 197 0, 35
tr = = . (10.58)
2πfg fg
Die Angabe der Anstiegszeit von Oszilloskopen ist von unmittelbarer prak-
tischer Bedeutung (Kap. 10.1.3), weil ihr Zahlenwert deutlich macht, welche
zeitliche Spannungsänderung noch korrekt darstellbar ist. Bei der Darstellung
einer Rechteckspannung werden beispielsweise die Flanken als zeitlich expo-
nentiell ansteigend bzw. abfallend mit einer Zeitkonstanten auf dem Schirm-
bild erscheinen, die nach den Gln. (10.55), (10.57) bzw. (10.58) aus der An-
stiegszeit oder auch der oberen Grenzfrequenz des Oszilloskops ermittelt wer-
den können.
294 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
Selbst wenn die Anstiegszeit des y-Verstärkers beliebig klein bzw. seine Grenz-
frequenz beliebig groß wäre, gäbe es ein weiteres Phänomen, das die Gesamt-
anstiegszeit des Horizontal-Ablenksystems nach unten begrenzt. Dies ist auf
die endliche Laufzeit der Elektronen zwischen den Platten des Ablenksystems
zurückzuführen. Wenn man sich den das Schirmbild schreibenden Elektro-
nenstrahl als eine Aneinanderreihung von gleich schnell fliegenden Elektronen
vorstellt, so dürfte klar werden, dass bei Anlegen eines Spannungssprunges
an den y-Ablenkplatten die Elektronen, die sich gerade am Eingang der y-
Ablenkeinheit befinden, zeitlich viel länger der in y-Richtung beschleunigen-
den Kraft ausgesetzt sind als die Elektronen, die bereits gerade die y-Platten
wieder verlassen. Diese endliche Verweilzeit zwischen den y-Platten führt im
Schirmbild bei Anlegen eines idealen Spannungssprunges zu einer mit der Zeit
linear ansteigenden Rampe (Abb. 10.19). Die Anstiegszeit dieser Rampe kann
anhand von Gl. (10.10) ermittelt werden, welche die Strahlablenkung yL auf
dem Schirm beschreibt, wenn dort anstatt der Plattenlänge sz die aktuelle
Lauflänge vz tz des Elektrons nach erfolgtem Sprung, also das Produkt aus
Horizontalgeschwindigkeit vz und der aktuellen Verweildauer des Elektrons
im y-Plattenpaar eingesetzt wird
uy vz tz lz
yL = . (10.59)
uz 2dy
In Gl. (10.59) wurden die bereits in den Kap. 10.1.1 (Abb. 10.2) eingeführten
Bezeichnungen verwendet. Mit Gl. (10.3) ergibt sich
lz 2e0 1
yL = u y tz . (10.60)
2dy m0 uz
die gesamte Länge sz durchlaufen hat, erhält man den Endwert yLend der
entsprechenden Strahlablenkung
u y sz l z
yLend = . (10.61)
uz 2dy
Nach Normierung der zeitabhängigen Ablenkung yL aus Gl. (10.60) auf den
stationären Endwert yLend ergibt sich schließlich
yL 2uz e0 tz
= . (10.62)
yLend m0 s z
Aus Gl. (10.62) folgt unmittelbar die Anstiegszeit tr (Zeit zwischen
yL = 0, 1yLend und yL = 0, 9yLend)
1 m0
tr = 0, 8sz . (10.63)
2uz e0
Für eine Plattenlänge sz = 5 cm und eine Anodenspannung uz = 1 kV ergibt
sich bereits eine Anstiegszeit von tr = 2,1 ns.
Das diesem Laufzeitfehler entsprechende Frequenzverhalten lässt sich aus
dem Zeitverhalten der Ablenkkraft ermitteln. Die vertikale Ablenkkraft Fy
beträgt
e0 uy (t)
Fy (t) = m0 ay (t) = e0 Ey (t) = . (10.64)
dy
Mit bekannter Kraft Fy kann unmittelbar die y-Komponente der Elektronen-
geschwindigkeit vy durch zeitliche Integration errechnet werden
Fy (t) e0 1
vy = ay (t) dt = dt = uy (t) dt . (10.65)
m0 m0 dy
Im Hinblick auf eine spektrale Bewertung des Laufzeitverhaltens wollen wir
eine harmonische Ablenkspannung uy (t) = Û0 cos ωt voraussetzen. Es soll also
zum Zeitpunkt t = 0 die Amplitude der Sinusschwingung dargestellt werden.
Die Geschwindigkeit vyp in y-Richtung, welche die Elektronen beim Verlassen
des y-Plattenpaares haben, lässt sich demnach wie folgt berechnen
+
ty sz
+ 2v
e0 1 2 e0 1 z
vyp = Û0 cos ωt dt = Û0 cos ωt dt
m0 dy ty
− 2 m 0 dy sz
− 2v z
+ 2vsz
e0 1 1 z
= Û0 sin ωt
m0 dy ω sz
− 2v
z
e0 2 1 ωsz
= Û0 sin . (10.66)
m0 dy ω 2vz
Unter Zuhilfenahme von Gl. (10.7) und Vernachlässigung von yp kann die
Strahlablenkung yL wie folgt angegeben werden
296 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
lz lz lz e 0 1 1 ωsz
yL = vymax = vyp = 2Û0 sin . (10.67)
vz vz vz m0 dy ω 2vz
Bezieht man diese Ablenkung auf ihren wahren Wert (Gl. (10.10))
l z sz
yLw = Û0 , (10.68)
uz 2dy
wobei
2vz
ω0 = . (10.71)
sz
Dabei bezeichnet sinc(x) = sin(x)/x die Spaltfunktion. Die 3-dB-Grenzfre-
quenz dieses Amplitudenganges berechnet sich wiederum aus der Bedingung
yL 1
= √ ≈ 0, 707 (10.72)
yLw f =fg 2
zu
1, 39 1, 39 2vz 0, 44 2e0 uz
fg = 1, 39f0 = ω0 = = . (10.73)
2π 2π sz sz m0
So ergibt beispielsweise eine Plattenlänge von sz = 5 cm und eine Anoden-
spannung von uz = 1 kV eine obere Grenzfrequenz der y-Ablenkeinheit von
fg = 165 MHz. Mit dem Ergebnis für die Anstiegszeit tr (Gl. (10.63)) lässt
sich wiederum der Zusammenhang zwischen der Anstiegszeit tr und der oberen
Grenzfrequenz ableiten (Gl. (10.58))
0, 44 2e0 uz 1 1
fg = = 0, 44 · 0, 8 = 0, 35 . (10.74)
sz m0 tr tr
Abbildung 10.20 zeigt den Amplitudengang der Ablenkempfindlichkeit. Zwei
naheliegende Maßnahmen zur Erhöhung dieser Grenzfrequenz bzw. zur Ver-
ringerung der Anstiegszeit sind die Erhöhung der Beschleunigungsspannung
sowie die Verkürzung der Ablenkplattenlänge. Diese Maßnahmen stehen je-
doch insbesondere der Forderung nach hoher Ablenkempfindlichkeit entge-
gen (Kap. 10.1.1). In Oszilloskopen mit Grenzfrequenzen oberhalb 200 MHz
finden daher besondere Formen von Ablenkplatten, die sog. Wanderfeld-
Ablenkplatten, Einsatz [113].
10.4 Digital-Speicheroszilloskop 297
10.4 Digital-Speicheroszilloskop
Im Gegensatz zum analogen Elektronenstrahl-Oszilloskop werden die Messsi-
gnale in Digital-Speicheroszilloskopen (DSO) intern in Form zeitlich diskre-
ter Binärzahlen verarbeitet. Dadurch ermöglichen diese Geräte vor allem den
kompatiblen Anschluss an die digitale Welt der rechnergesteuerten Messdaten-
erfassung sowie die der gesamten digitalen Signalverarbeitung. Andererseits
kann man sie auch wie konventionelle Analog-Oszilloskope betreiben.
Die Mitte der siebziger Jahre begonnene Entwicklung der Transientenrekor-
der zur digitalen Aufzeichnung von elektrischen Einzelvorgängen führte im
Laufe der letzten beiden Jahrzehnte im Zuge ihrer konsequenten Weiterent-
wicklung zum Digital-Speicheroszilloskop. Diese Entwicklung stützt sich im
wesentlichen auf die schnell voranschreitende Technologie der Analog-Digital-
Umsetzer, welche das Herzstück eines jeden Digital-Speicheroszilloskops sind.
Die Vorzüge des Digital-Speicheroszilloskops beruhen auf der leichten Speicher-
barkeit von digitalen Messwerten, ihrer einfachen rechnergestützten Weiter-
verarbeitung sowie der gleichzeitig vorhandenen Möglichkeit einer komforta-
blen Bildschirmdarstellung. Die Grenzen der digitalen Speicherung und Ver-
arbeitung liegen in den Nachteilen der notwendigen zeitlichen und amplitu-
denmäßigen Diskretisierung der ursprünglich analogen Messwerte.
Die Wiedergabe des aufgezeichneten Bildes kann entweder, wie in Abb. 10.7
angedeutet, mit Hilfe einer konventionellen analogen Elektronenstrahl-Röhre
oder mit Hilfe eines mit magnetischer Ablenkung arbeitenden Rasterbildschir-
mes erfolgen. Bei neueren Geräten setzt sich allerdings die Verwendung von
TFT-LCD-Bildschirmen, die auch mehrfarbig ausgeführt sein können, immer
mehr durch (Abb. 10.22). Bei der letztgenannten Methode werden die digita-
len Amplitudenwerte (y-Werte) mit korrespondierenden x-Werten, welche den
zeitlichen Abtastpunkten entsprechen, verknüpft und als (x, y)-Bildpunkte auf
300 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
Vorverstärker
Datenspeicher LCD-
ADC μP Bildspeicher
Display
wobei ta (i) der Abtastzeitpunkt des i-ten Abtastwertes x(i) und Ta die Dau-
er der Abtastperiode bezeichnen. Ein entsprechend dem Nyquist-Kriterium
abgetastetes, aus diskreten Abtastwerten bestehendes Signal kann nämlich
wieder zu dem ursprünglichen (zeitlich kontinuierlichen) Signal verzerrungs-
frei rekonstruiert werden, wenn man die Abtastwerte in zeitlicher Folge auf
einen idealen Tiefpass mit der Grenzfrequenz
1
fg = (10.76)
2Ta
gibt [135]. Dieser Tiefpass hat aber bezüglich der einzelnen Abtastwerte ge-
nau die Impulsantwort, die durch Gl. (10.75) beschrieben wird. Um auch im
Zuge der in der Praxis unvermeidbaren zeitlichen Begrenzung bei der Realisie-
rung der sin t/t-Funktion noch eine gute Rekonstruktion des Originalsignals
aus den Abtastwerten zu erhalten, ist es in der Praxis notwendig, mit min-
destens 2,5 Abtastwerten pro Periode der höchsten im abzutastenden Signal
vorkommenden Frequenzkomponente zu arbeiten. Um auf der sicheren Seite
zu sein, wird in der Regel eine Abtastung von 10 Abtastwerten pro Periode
veranschlagt, wenn es die hardwaremäßigen Voraussetzungen zulassen.
Recurrent-Mode (Refresh-Mode)
Single Shot
Nach Eintreten des Triggerereignisses wird nur eine Aufnahme gemacht, auch
wenn danach die Triggerbedingungen erfüllt sein sollten. Diese Einzelauf-
nahme kann im Gegensatz zum analogen Oszilloskop beliebig lange auf dem
Schirm dargestellt werden.
302 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
Roll-Mode
len Signalen verwendet, die in Echtzeit betrachtet werden und deren Inten-
sitätsänderung bzw. Signalstreuung durch die helligkeitsmodulierte Darstel-
lung sichtbar werden sollen. Analoge Oszilloskope eigenen sich daher in be-
sonderem Maße für periodische Signale.
Digitale Oszilloskope dagegen bieten den Vorteil, einmal aufgezeichnete
Signale langfristig und ohne Informationsverlust speichern zu können. Wei-
terhin erlauben sie einfache Analysefunktionalitäten, wie beispielsweise eine
10.6 Digital-Phosphor-Oszilloskop 303
10.6 Digital-Phosphor-Oszilloskop
Die Vorteile des Analog- sowie des Digital-Oszilloskops werden in einer neuar-
tigen Oszilloskopart, dem sogenannten Digital-Phosphor-Oszilloskop (DPO),
vereint. Dieses ermöglicht die Darstellung von schnellen Signalen in Echtzeit
und kann ebenfalls die Signalintensität bzw. Signalstreuung darstellen. Da-
durch ist es möglich, selten auftretende Signalstörungen zu erkennen, was
insbesondere bei der Fehlersuche von Vorteil ist [178].
Das Digital-Phosphor-Oszilloskop kann die Vorteile von analogem und di-
gitalem Oszilloskop nur deshalb vereinbaren, weil leistungsfähige Signalpro-
zessoren die Signalabbildung übernehmen. Dabei werden die Signaldaten in
Echtzeit von einem Erfassungs-Prozessor verarbeitet und in geeigneter Wei-
se gespeichert, während ein spezieller Signalabbildungsprozessor parallel dazu
die Signaldarstellung erledigt. Der Aufbau eines solchen Oszilloskops ist sche-
matisch in Abb. 10.24 dargestellt. Im Gegensatz zu einem digitalen Speicher-
Oszilloskop, welches keinen Mikroprozessor zur Aufbereitung der darzustellen-
den Daten besitzt (siehe Abb. 10.22), können Digital-Phosphor-Oszilloskope
die aufgezeichneten Daten schneller darstellen. Hierfür ist der spezielle Si-
gnalabbildungsprozessor verantwortlich, der die darzustellenden Werte ent-
sprechend aufbereitet.
Digital
Vorverstärker Phosphor Erfassungs-Prozessor
μP
gestellt. Wird nun dasselbe Sinussignal mit Rauschen überlagert, so ist die
Sinuswelle mit gleicher Intensität dargestellt. Die durch das Rauschen verur-
sachte Varianz des Sinussignals erscheint mit einer geringeren Intensität auf
dem Display.
Digital-Phosphor-Oszilloskope können die Signale im Gegensatz zu Ana-
log-Oszilloskopen farbig darstellen, wodurch sich die Signalverläufe vom Be-
obachter leichter erkennen lassen. Abbildung 10.25 zeigt ein Digital-Phosphor-
Oszilloskop moderner Bauart.
Bei der digitalen Signalanalyse erlaubt ein sogenannter Serial Pattern Trigger
die Erkennung definierter Bitfolgen. Auf diese Art lassen sich spezielle Proto-
kollsequenzen, wie der Header eines Telegrammrahmens, erkennen.
306 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
10.8 Mixed-Signal-Oszilloskope
Zur Analyse von digitalen Logikschaltungen hat man in früheren Zeiten zwei
separate Messgeräte eingesetzt:
- Oszilloskope und
- Logikanalysatoren.
Diese sind mittlerweile in Form von sogenannten Mixed-Signal-Oszilloskopen
in einem einzigen Gerät vereint. Solche Oszilloskope lassen sich vor allem für
die messtechnische Analyse von sogenannten Mixed-Signal-Schaltungen einset-
zen. Bei diesen kommen in einer Schaltung sowohl analoge Signale (meistens
handelt es sich dabei um Hochfrequenz-Signale) und digitale Signale (im Sinne
von Logik-Signalen) vor.
Dazu weisen diese Oszilloskope neben 2 bzw. 4 Analogeingängen 16 bzw.
32 Digitaleingänge auf. Die anschließende Analyse der digitalen Eingangs-
signale ist neben allgemeinen Logikanalysemöglichkeiten auf die Analyse
von Standard-Bus-Systemen abgestellt, z. B. USB, I2 C, PCI, CAN, FlexRay,
RS 232, RS 485, SPI.
Als wesentliche Leistungsmerkmale sind zu nennen:
• Anzahl der Kanäle (analog und digital)
• Abtastrate bzw. Bandbreite der erfassbaren Signale
• Anzahl der aufgezeichneten Punkte (=Aufzeichnungslänge) und
• Zeitauflösung der digitalen Eingangskanäle.
Ist zusätzlich noch ein analoger Spektrumsanalysator in das Gerät integriert,
wie das zum Beispiel bei den von Tektronix vertriebenen Mixed-Domain-
Oszilloskopen der Fall ist, so ist als weiteres Leistungsmerkmal die
• Bandbreite des HF-Bereiches
mit anzuführen, die bei hochwertigen Geräten im einstelligen GHz liegt.
Mit Hilfe solcher Mixed-Domain-Oszilloskope ist nun erstmals die zeit-
gleiche bzw. zeitkorellierte Erfassung bzw. Darstellung von analogen, digi-
talen und HF-Signalen in einem einzigen Messgerät möglich. Dabei ist es
möglich, gleichzeitig das Zeitsignal und das mit Hilfe des (analogen) Spektral-
analysators ermittelte Spektrum des Signals auf dem Bildschirm darzustellen.
Gewöhnliche Digitaloszilloskope (DSOs) hingegen liefern als Ergebnis einer
Frequenzanalyse nur das per FFT (Fast Fourier Transformation) errechnete
Spektrum und das meist auch nur in sequentieller Reihenfolge mit der Si-
gnaldarstellung.
Mit Hilfe der Mixed-Signal-Oszilloskope ist vor allem auch ein Triggern
auf bestimmte Sequenzen, z. B. bestimmte Adressen, von Logiksignalen bis
hin zur automatischen Dekodierung verschiedener Datenformate möglich. Für
das genaue Messen des Timing-Verhaltens von Logik-Schaltungen ist eine hohe
zeitliche Auflösung notwendig, die bei Geräten der Oberklasse im Bereich von
ca. 60 ps liegt, was einer Abtastrate von etwa 16 Gsamples/s entspricht.
10.8 Mixed-Signal-Oszilloskope 307
Als Beispiel für eine typische Anwendung sei hier auf eine von der Firma
Tektronix vorgestellte Messung an einem seriellen USB-Interface verwiesen.
Bei seriellen Bus-Systemen enthält ein einziges Signal alle wesentlichen In-
formationen, wie Adresse, Kontroll-Bits, Daten und Takt(Clock). Die Fea-
tures automatischer Trigger, Dekodierung, Suche nach Bus-Ereignissen und
-Konditionen ermöglichen die effiziente und sichere Analyse von eventuellen
Problemen. Abbildung 10.27 zeigt die mit einem Tektronix Mixed-Signal Os-
zilloskop der Serie MSO 4000 aufgenommenen und analysierten USB-Signale.
Abb. 10.27. Signale, die an einem USB-Interface mit Triggerung auf ein OUT-
Zeichen aufgenommen wurden: oben: (D+)-Signal; unten: (D-)-Signal. Darunter ist
der dekodierte Inhalt des USB-Signals zu erkennen mit den Paketen: START, SYNC,
PID, Adresse, Ende-Zeichen, CRC, Daten und STOP.
308 10 Darstellung des Zeitverlaufes elektrischer Signale
Einen Überblick über den derzeitigen Stand der Technik bieten die Tabel-
len 10.2 und 10.3, in denen die Oszilloskope von führenden Herstellern her-
ausgegriffen wurden.
Der in Tab. 10.2 angegebene theoretische Gewinn an Auflösung infolge Over-
sampling bzw. Mittelung kann anhand der Zusammenhänge (Gl. 11.85)
S
[dB] = (6N + 1, 76) (10.77)
N
bzw. (Gl. 11.43)
ΔS/N [dB] = 10 lg m (10.78)
ermittelt werden. Dabei bezeichnen N die Auflösung in Bit und m den Faktor
der Überabtastung.
Der Zugewinn ΔN [Bit] bezüglich der Auflösung lässt sich durch Gleichsetzen
obiger Gleichungen erreichen. Dies führt zu
10 lg m − 1, 76
ΔN [Bit] = . (10.79)
6
Die in Tab. 10.2 in der Spalte Theoretische Auflösungszunahme angegebenen
Werte lassen sich direkt aus Gl. 10.79 ermitteln. Die leichten Abweichungen
ergeben sich aufgrund der Tatsache, dass vom Hersteller anstatt Gl. 11.85
bzw. Gl. 10.77 die Überschlagsformel S/N = 6N verwendet wurde.
10.9 Stand der Technik bei Digital-Oszilloskopen 309
Average: Das Signal muss periodisch sein und es wird ein und derselbe
(zeitliche) Signalabschnitt mehrmals aufgenommen und gemittelt.
High Resolution: Das Signal muss nicht periodisch sein. Es erfolgt eine
um den Faktor m höhere zeitliche Abtastung als in der Darstellung. Da-
bei werden m Samplewerte zu einem Darstellungswert gemittelt.
11.1.1 Dualzahlendarstellung
werden. Wenn wir uns zunächst auf ganze Zahlen beschränken, lässt sich die
Dezimalzahl Zdez mit Hilfe einer Zweierpotenzzerlegung in eine entsprechende
Dualzahlendarstellung konvertieren
Zdez = zN 2N + zN−1 2N −1 + . . . + z1 21 + z0 20 . (11.1)
Die entsprechende Dualzahl Zdual besteht dann aus den 0 - oder 1 -wertigen
Binärstellen zi , die mit den Koeffizienten der Zweierpotenzen identisch sind
Zdual = zN zN−1 . . . z1 z0 . (11.2)
So entspricht beispielsweise die Dezimalzahl 68 der Dualzahl 1000100. Die
0 - oder 1 -wertige digitale Informationseinheit wird dabei als 1 Bit und die
zu 8 Bit zusammengefasste Datenmenge als 1 Byte bezeichnet.
der vierten Spalte von Tab. 11.1 enthaltene Gray-Code zeichnet sich dadurch
aus, dass beim Übergang von einer Zahl zur nächsthöheren nur ein einziges
Bit seine Wertigkeit ändert, was oft zum Umgehen von Timing-Problemen in
Digitalschaltungen genutzt wird. Tabelle 11.1 zeigt die Darstellung der Dezi-
malzahlen 0 bis 15 mittels der oben besprochenen Codes.
Die Verfälschung eines einzelnen oder auch einer ungeradzahligen Anzahl von
Bits im BCD-Code beispielsweise ist erkennbar, wenn pro 4-Bit-Wort ein 5.
Bit, ein sog. Prüfbit, angehängt wird. Dabei wird auf gerade oder ungerade
Parität geprüft. Man spricht dann von einem fehlererkennenden Code [163].
Wenn neben dieser Erkennung eines Fehlers eine lokale Ortung des fehlerhaf-
ten Bits durchgeführt werden soll, werden pro Dezimalstelle 8 Bit statt der
vier des BCD-Codes benötigt. Man bezeichnet diesen Code dann als einen
fehlerkorrigierenden Code.
Die Grundlage der Mathematik von logischen Variablen bildet die Boolesche
Algebra [196]. Die drei grundlegenden Verknüpfungen zwischen zwei logischen
Variablen (x1 und x2 ) zu einem Ergebnis y sind die Negation, die Konjunktion
und die Disjunktion:
Negation (NICHT-Verknüpfung)
y = x̄ (11.3)
Konjunktion (UND-Verknüpfung)
y = x1 ∧ x2 = x1 · x2 = x1 x2 (11.4)
314 11 Digitale Messtechnik
Disjunktion (ODER-Verknüpfung)
y = x1 ∨ x2 = x1 + x2 . (11.5)
Negationsgesetz xx̄ = 0 x + x̄ = 1
Tautologie x+x=x xx = x
Absorptionsgesetz x1 (x1 + x2 ) = x1 x1 + x1 x2 = x1
NICHT-Gatter (NOT-Gatter)
y = x̄
xy
0 1
1 0
11.2 Binäre Signale und ihre Verknüpfung 315
UND-Gatter (AND-Gatter)
x1 x2 y
0 0 0
0 1 0
1 0 0
1 1 1
NAND-Gatter
x1 x2 y
0 0 1
0 1 1
1 0 1
1 1 0
ODER-Gatter (OR-Gatter)
Mit dem ODER-Gatter wird die Disjunktion realisiert, d. h. sein Ausgang ist
dann 1 , wenn mindestens eine der Eingangsvariablen den Wert 1 aufweist
(Abb. 11.4).
y = x1 + x2
x1 x2 y
0 0 0
0 1 1
1 0 1
1 1 1
NOR-Gatter
y = x1 + x2
x1 x2 y
0 0
0 1 0
1 0 0
1 1 0
y = x̄1 x2 + x1 x̄2
x1 x2 y
0 0 0
0 1 1
1 0 1
1 1 0
Äquivalenz-Gatter
Der Ausgang des Äquivalenz-Gatters wird auf 1 gesetzt, wenn die Eingangs-
signale dieselbe binäre Wertigkeit haben. Die Äquivalenz entspricht also der
negierten Antivalenz (Abb. 11.7).
y = x̄1 x̄2 + x1 x2
x1 x2 y
0 0 1
0 1 0
1 0 0
1 1 1
Halbaddierer
x + y = Summe s Übertrag c
0 0 0 0
0 1 1 0
1 0 1 0
1 1 0 1
xi yi ci si ci+1
0 0 0 0 0
0 0 1 1 0
0 1 0 1 0
0 1 1 0 1
1 0 0 1 0
1 0 1 0 1
1 1 0 0 1
1 1 1 1 1
11.3 Bistabile Kippschaltungen 319
Volladdierer
11.3.1 RS-Flip-Flop
Q = S+Q=1+Q=0 (11.6)
Q = R+Q=0+0=1. (11.7)
Tabelle 11.4. Wahrheitstabelle eines auf der Basis von NOR-Gattern realisierten
RS-Flip-Flops; (* je nach Innenschaltung des RS-Flip-Flops)
SRQ Q
0 0 Qn−1 Qn−1 speichern
1 0 1 0 setzen
0 1 0 1 rücksetzen
1 1 * * nicht erlaubt
11.3 Bistabile Kippschaltungen 321
der Schaltungen folgt auch aus dem Morganschen Gesetz, das zwei logische
Variablen x1 und x2 nach den Regeln eines NOR- bzw. NAND-Gatters ver-
knüpft
x1 + x2 = x̄1 x̄2 . (11.8)
Die oben beschriebenen Kippschaltungen gehören zu der Klasse der trans-
parenten Flip-Flops, zu denen auch die im Folgenden beschriebenen taktzu-
standgesteuerten und taktflankengesteuerten RS-Flip-Flops zählen.
Tabelle 11.5. Wahrheitstabelle eines auf der Basis von NAND-Gattern realisierten
RS-Flip-Flops (* je nach Innenschaltung des RS-Flip-Flops)
SRQ Q
1 1 Qn−1 Q̄n−1
0 1 1 0 setzen
1 0 0 1 rücksetzen
0 0 * * nicht erlaubt
Das taktzustandgesteuerte D-Flip-Flop ist in der Lage, den Wert einer logi-
schen Eingangsvariablen D zu speichern. Die entsprechende Schaltung wird
mit Hilfe eines taktzustandgesteuerten RS-Flip-Flops realisiert, bei dem eine
Verdrahtung gemäß S = D und R = D̄ vorgenommen wird. Zusätzlich zu dem
11.3 Bistabile Kippschaltungen 323
RS-Flip-Flop wird noch ein Inverter benötigt (Abb. 11.15 ). Wenn die stati-
sche Taktvariable C = 1 gesetzt wird, erscheint der Wert von D am Ausgang
Q. Man spricht daher auch von einem transparenten D-Flip-Flop.
C D Qn
0 0 Qn−1
0 1 Qn−1
1 0 0
1 1 1
Für C = 0 hingegen wird der Wert des Ausgangs Q gespeichert (Qn = Qn−1 )
(Tab. 11.6). Die so aufgebaute Schaltung wird auch als Data-Latch bezeichnet.
Abbildung 11.16 zeigt eine aus nur vier Gattern bestehende schaltungstech-
nische Realisierung des taktzustandgesteuerten D-Flip-Flops.
Qn = Dn−1 . (11.9)
Flip-Flop lässt sich auch in Form einer Hintereinanderschaltung von zwei mit
komplementären Taktsignalen belegten taktzustandgesteuerten D-Flip-Flops
implementieren (Abb. 11.18). Das in der Reihenfolge erste Flip-Flop wird als
Master-, das zweite als Slave-Flip-Flop bezeichnet. Während einer negativen
Taktflanke (Übergang des Taktsignals C von 1 auf 0 ) wird der Zustand von
D auf den Ausgang Q1 geschaltet, d. h. das Master-Flip-Flop übernimmt den
Zustand von D. Mit der darauffolgenden positiven Taktflanke (Übergang des
Taktsignals C von 0 auf 1 ) wird der Ausgang Q1 (nun gleicher Zustand wie
Eingang D) des Master-Flip-Flops über das Slave-Flip-Flop auf den Ausgang
Q geschaltet, der damit denselben Zustand wie der Eingang D2 des Slave-
Flip-Flops erhält (Q = D2 ). Damit ist der Zustand des Ausgangs Q nach dem
Taktflankenanstieg mit dem Zustand des Eingangs D davor identisch, was
schließlich Gl. (11.9) entspricht.
11.3 Bistabile Kippschaltungen 325
J K Qn
0 0 Qn−1 speichern
1 0 1 setzen
0 1 0 rücksetzen
1 1 Qn−1 invertieren
T Qn
0 Qn−1 speichern
1 Qn−1 invertieren
Eine monostabile Kippstufe, die auch als Monoflop oder Univibrator bezeich-
net wird, kennt im Unterschied zu den im Kap. 11.3 behandelten bistabilen
Kippstufen nur einen einzigen stabilen Ausgangszustand. Monostabile Kipp-
stufen haben die Aufgabe, bei einer ansteigenden oder abfallenden Taktflanke
in ihrem Eingangssignal einen Rechteckpuls mit einer definierten Amplitude
U0 sowie einer definierten zeitlichen Länge T0 als Ausgangssignal zu liefern.
Eine Realisierungsmöglichkeit von Monoflop-Schaltungen basiert auf der
in Abb. 11.21 gezeigten rückgekoppelten Gatterschaltung. Wenn die Eingangs-
spannung zunächst als Null angenommen wird (uE = 0), kann der sich daraus
ergebende stabile Zustand nur in einer Ausgangsspannung uA = 0 resultie-
ren, da nach einer bestimmten Zeit kein Kondensatorladestrom mehr durch
den Widerstand fließt. Die Spannung u2 ist dann identisch +U0 , was definiti-
onsgemäß dem 1 -Pegel entspricht. Somit liegt der Ausgang des Invertierers
und damit auch der zweite Eingang des NOR-Gatters auf 0 -Pegel. Im Falle
eines am Eingang eintreffenden positiven Pulses schaltet das Eingangsgatter
entsprechend seiner NOR-Funktion auf 0 -Pegel am Ausgang. Da die am Kon-
densator anliegende Spannung (u2 − u1 ) nur mit der Zeitkonstanten τ = RC
ansteigt (die Umladung des Kondensators erfolgt über den Widerstand R),
wird erst nach einer Zeit T0 der stabile Grundzustand wieder erreicht. Solange
aber die Umladung des Kondensators erfolgt, liegt u2 unterhalb der Schalt-
schwelle des Invertierers und die Ausgangsspannung uA auf hohem Potential
( 1 -Pegel). Die Zeit T0 wird von der Zeitkonstanten τ in Verbindung mit der
Schaltschwelle des Invertierers festgelegt.
Mit Hilfe der in Abb. 11.22 gezeigten Monoflop-Realisierung auf der Ba-
sis von D-Flip-Flops ist es möglich, einen taktsynchronen Ausgangspuls zu
generieren. Die Dauer des Ausgangspulses entspricht dabei genau der Dauer
einer Periode des Referenztaktes. Das erste D-Flip-Flop schaltet nämlich sei-
nen Ausgang auf Q1 = 1, wenn bei einer positiven Flanke im Taktsignal uE
auf 1 -Pegel liegt. Gleichzeitig wird über Q1 das zweite D-Flip-Flop aktiviert,
sodass mit der nächsten positiven Taktflanke sein invertierter Ausgang auf
Q2 = 0 schaltet. Daraufhin sperrt“ das UND-Gatter und die Ausgangsspan-
”
nung uA fällt wieder auf uA = 0 ab. Die Schaltung reagiert erst wieder auf
einen positiven Impuls am Eingang, wenn die Eingangsspannung uE vorher
mindestens für die Zeit einer Taktperiode gleich Null war. Bei dieser Rea-
lisierungsvariante ist allerdings zu beachten, dass kurze Triggerpulse in uE ,
die nicht von einer positiven Taktflanke erfasst werden, keine Auslösung des
Monoflops bewirken.
Abb. 11.22. Realisierung einer monostabilen Kippstufe auf der Basis von taktflan-
kengesteuerten D-Flip-Flops
11.5 Zähler-Schaltungen
Jede Zählung bedeutet eine Summation, wobei bei Eintreten eines zu zählen-
den Ereignisses der Zählerstand jeweils um den Betrag 1 in positiver (Vorwärts-
zählung) bzw. in negativer Richtung (Rückwärtszählung) verändert wird. Ein
11.5 Zähler-Schaltungen 329
Zähler ist demnach ein Speicher, dessen Speicherplätze entsprechend dem vor-
gesehenen Zahlencode, z. B. dem Dualzahlencode oder dem BCD-Code, be-
setzt werden. Diese Speicherelemente müssen definierte stabile Zustände ha-
ben. Die wesentliche Eigenschaft einer Zählerschaltung besteht darin, dass ihre
in einem vereinbarten Zahlencode vorliegende Ausgangsgröße der Anzahl der
am Eingang eingetroffenen Zählerereignisse entspricht. Diese Einzelereignisse
müssen in eindeutig trennbarer Form vorliegen. Es sind dies i.Allg. ansteigende
bzw. abfallende Flanken von elektrischen Pulsen oder auch das Über- oder Un-
terschreiten von Signalschwellwerten, insbesondere die Nulldurchgänge von Si-
gnalspannungen. Die Schaltsymbole für Vorwärts-, Rückwärts- und den kom-
binierten Vorwärts-Rückwärtszähler werden in Abb. 11.23 gezeigt.
11.5.1 Dualzähler
Asynchroner Dualzähler
Synchroner Dualzähler
Während beim asynchronen Dualzähler nur das erste Flip-Flop vom Takt ge-
steuert wird und dadurch die eben beschriebenen Verzögerungen auftreten, ist
beim synchronen Dualzähler ein gleichzeitiges und damit schnelleres Schalten
der Flip-Flops durch einen gemeinsamen Takt gewährleistet (Abb. 11.25).
Die Bedingung, dass ein in einem Dualzähler enthaltenes Flip-Flop nur
kippen darf, wenn alle niederwertigen Flip-Flops auf 1 gesetzt sind, wird
mit Hilfe der UND-Gatter erreicht. Diese werten die niederwertigen Ausgänge
Q0 . . . QN−1 aus und geben des Ergebnis auf den T-Eingang der n-ten Stufe,
welche dann wiederum bei der nächsten Taktflanke den Zustand wechselt. Es
ist zu erwähnen, dass die bei realen Flip-Flops auftretenden Verzögerungs-
zeiten zwischen Eintreffen der Taktflanke und dem Einstellen des entspre-
chenden Ergebniswertes am Ausgang dafür sorgen, dass keine undefinierten
Schaltzustände auftreten.
11.5.2 BCD-Zähler
Asynchroner BCD-Zähler
Takt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1011
Q0 t
Q1 t
Q2 t
Q3 t
0 123 456 7 89 0 1 t
Synchroner BCD-Zähler
11.6 Digital-Analog-Umsetzung
11.6.1 Grundlagen und Kenngrößen
0 ≤ Z ≤ Zmax = 2N − 1 (11.10)
Z = zN−1 2N −1 + . . . + z2 22 + z1 21 + z0 20 . (11.11)
K = 2N . (11.13)
Analogspannung u A
7 U Amax
8
U Amax
2
U Amax
4
U Amax
8
2N − 1
0 ≤ uA ≤ ULSB (2N − 1) = UAmax = UAmax (1 − 2−N ) . (11.14)
2N
Weitere wichtige Kenngrößen eines Digital-Analog-Umsetzers sind die Kon-
versionsrate (wird teilweise auch als Umsetz- bzw. Wandlungsrate bezeichnet)
und Konversionszeit (Umsetzzeit bzw. Wandlungszeit). Die Konversionsrate
gibt an, wieviele Digitalwerte pro Zeiteinheit in analoge Werte umgesetzt wer-
den können. Die Konversionszeit entspricht im Normalfall dem Reziprokwert
der Konversionsrate.
−1 N −1
Uref
N
uA = Iref Si Ri = Si Ri , (11.15)
i=0
Rref i=0
11.6 Digital-Analog-Umsetzung 335
Ri = 2i R i = 0, 1, ..., N − 1 . (11.16)
Kollektorstrom, der vom Widerstand R/2i bestimmt wird, über den Sum-
”
mationswiderstand“ Rref fließt. Damit ist eine Summation gemäß Gl. (11.17)
gegeben. Die an den Widerständen R/2i anliegende Spannung beträgt Uref ,
da die Diodenschwellenspannung UD ungefähr der negativen Basis-Emitter-
Spannung UBE entspricht (UD ≈ −UBE ). Uref wird z. B. mit Hilfe einer Zener-
diode konstant gehalten.
Im Worst-Case sind alle Si offen (Si = 1), so dass folgende Bedingung einge-
halten werden muss
N −1
1
|ΔRi | < R . (11.23)
i=0
2
Wenn wir gleiche relative Fehler für die einzelnen binär gewichteten Wider-
stände Ri annehmen, folgt aus Gl. (11.16)
Setzt man nun diesen Zusammenhang in Gl. (11.23) ein, erhält man schließ-
lich den aus der Forderung |ΔuA | ≤ ULSB /2 resultierenden maximal zulässi-
gen relativen Fehler, den die Einzelwiderstände Ri aus der Schaltung nach
Abb. 11.31 haben dürfen
N −1
1
|ΔR| 2i < R (11.25)
i=0
2
bzw.
|ΔR| 1
< . (11.26)
R 2(2N − 1)
Diese Bedingung muss insbesondere bei dem Widerstand RN−1 , der für das
höchstwertige Bit, das sog. Most Significant Bit (MSB), zuständig ist, beachtet
werden. Dieser Widerstand ist bezüglich der Fehlertoleranzen der kritischste,
weil er gemäß Gl. (11.23) den größten absoluten Fehler verursachen kann. Für
einen 12-Bit-Umsetzer bedeutet dies, dass der Widerstand R11 mindestens
folgende Genauigkeitsforderung erfüllen muss
|ΔR11 | 1
= = 0, 00012 =
ˆ 0, 012% . (11.27)
R11 2(212 − 1)
Leiternetzwerk
Der oben geschilderte Nachteil, dass Widerstände, die in ihren Werten zum
Teil um Größenordnungen auseinanderliegen, mit sehr geringen Toleranzen
gefertigt werden müssen, lässt sich mit einem DAC auf der Basis eines R-
2R-Widerstandsnetzwerkes umgehen. Bei diesem meist verwendeten DAC-
Typ wird die Gewichtung der Stufen durch Anwendung einer fortgesetzten
Spannungs- bzw. Stromteilung mit Hilfe eines Leiternetzwerkes realisiert. Die
entsprechende Schaltung, welche nur Widerstände mit den Werten R und 2R
338 11 Digitale Messtechnik
benötigt, wird in Abb. 11.33 gezeigt. Der Ersatzschaltung (Abb. 11.33b), wel-
che die Verhältnisse zwischen zwei beliebigen Knoten i und i + 1 beschreibt,
kann man entnehmen (Stromteilerregel) [102], dass das Gewichtungsverhältnis
11.6 Digital-Analog-Umsetzung 339
N −1
2
uA = Uref Si 2i−N +1 . (11.32)
3 i=0
Statische Fehler
Die statischen Fehler sollen anhand der Kennlinie uA (Z) eines 3-Bit-Digital-
Analog-Umsetzers (Abb. 11.34) dargestellt werden. In Abb. 11.34 sind neben
den Kennlinienpunkten des idealen 3-Bit-Digital-Analog-Converters die des
realen eingezeichnet. Durch die Punkte des realen DACs wird eine als Best-
”
Straight-Line“ bezeichnete Bezugsgerade Ubest (Z) gelegt, welche garantiert,
dass die maximale Abweichung zwischen der Punktfolge und der Geraden mi-
nimal wird. Diese Bezugsgerade weist gegenüber der Sollkennlinie Uideal(Z)
normalerweise einen Nullpunktfehler (Offset) sowie einen Steigungsfehler auf.
Da sich diese beiden Fehler im Allgemeinen durch entsprechende Abgleich-
maßnahmen auf relativ einfache Weise eliminieren lassen, sollen sie hier keine
weitere Berücksichtigung finden. Die verbleibenden Fehler sind die Abweichun-
gen der Kennlinienpunkte von der Bezugsgeraden. Der entsprechende absolute
Fehler
340 11 Digitale Messtechnik
Dynamische Fehler
t zEingang zwirksam
t0 1000 1000
t1 0100 0000
t1 + td 0100 0100
t2 0010 0110
t2 + td 0010 0010
t3 0010 0010
t4 0101 0111
t4 + td 0101 0101
t5 0111 0000
t5 + td 0111 0111
t6 0111 0111
• Tiefpassverhalten
Ein realer Umsetzer weist in seinem Übertragungsverhalten Tiefpassver-
halten auf (Abb. 11.35c), das auf (parasitäre) RC-Glieder sowie die Band-
begrenzung der verwendeten Verstärker zurückzuführen ist. Dieses Tief-
passverhalten führt nach jedem Codewechsel zu dem in Abb. 11.35c ge-
zeigten typischen Einschwingverhalten in der Ausgangsspannung in Form
von exponentiell ansteigenden oder abfallenden Flanken.
Die Zeitdifferenz zwischen dem Anlegen des maximal darstellbaren
Digitalwertes Zmax (Full Scale Sprung) und dem Zeitpunkt, ab dem die
Ausgangsspannung des Digital-Analog Umsetzers ein Toleranzband von
±ULSB /2 nicht mehr verlässt, wird als Einschwingzeit (Settling time) be-
zeichnet. Die Summenwirkung aller oben beschriebenen dynamischen Feh-
ler wird in Abb. 11.35d gezeigt.
11.7 Analog-Digital-Umsetzung
• keine Ablesefehler
• unempfindlicher gegen äußere Störeinflüsse, wie z.B. mechanische Erschütte-
rungen oder Temperatureinflüsse
• Möglichkeit der direkten computergestützten Weiterverarbeitung der Messda-
ten
• direkte Übernahme der Messwerte in digitale Signalverarbeitungssysteme
• einfache und langzeitsichere Speicherung.
Der erste Schritt bei einer Analog-Digital-Umsetzung besteht aus der zeit-
lichen Abtastung (Sampling) des ursprünglich zeit- und wertkontinuierli-
chen Eingangssignals. Diese Abtastung wird mittels einer sog. Abtast-Halte-
Schaltung (Sample & Hold-Schaltung) vorgenommen. Durch diesen Abtast-
vorgang entsteht ein zeitdiskretes aber noch amplituden-kontinuierliches Si-
gnal (Abb. 11.36). In einem weiteren Schritt wandelt der eigentliche Analog-
Digital-Umsetzer die zeitdiskreten wertkontinuierlichen Abtastwerte in zeit-
und wertdiskrete Signale, die schließlich in Form von Binärzahlen dargestellt
werden.
Es stellt sich zunächst die Frage, wie die Abtastfrequenz gewählt wer-
den muss, wenn die zeitdiskreten Abtastwerte das ursprüngliche Signal ohne
Informationsverlust repräsentieren sollen, insbesondere im Hinblick auf eine
Anhand des Spektrums Y ∗ (f ) erkennt man (Abb. 11.37c), dass das Original-
signal aus dem abgetasteten Signal zurückgewonnen werden kann, wenn das
Originalspektrum oberhalb der Frequenz fa /2 keine Anteile mehr enthält.
Denn dann kann ein Tiefpassfilter (Rekonstruktionsfilter) mit hoher Flanken-
steilheit und der Eckfrequenz fa /2 (Abb. 11.37c) aus dem Spektrum Y ∗ (f )
das Originalspektrum Y (f ) herausfiltern. Aus diesem lässt sich im Zeitbe-
reich wieder das unverfälschte Originalsignal y(t) gewinnen. Wenn jedoch die
Abb. 11.37. Abtastung von Analogsignalen und die daraus resultierende Spek-
tralverteilung: a) Ursprüngliches Analogsignal mit dem höchsten Spektralanteil bei
f = fsmax , b) Abtastfunktion. (Die Abtastfrequenz fa entspricht dem Kehrwert der
zeitlichen Distanz Ta der Abtastwerte fa = 1/Ta .), c) abgetastetes Signal
11.7 Analog-Digital-Umsetzung 345
Abb. 11.38. Verletzung des Abtasttheorems (fsmax > fa /2): a) Spektrum des
Originalsignals y(t), b) Spektrum des abgetasteten Signals y (t)
Abb. 11.42. Kenngrößen von Sample & Hold-Schaltungen (s. auch Tab. 11.10)
Dieser Methode liegt das Balkenwaageprinzip zugrunde. Ein nach dem Prin-
zip der sukzessiven Approximation arbeitender Umsetzer, der auch als Stu-
fenumsetzer bezeichnet wird, enthält neben einem Modul zur Ablaufsteue-
rung und einem Speicherregister als zentrales Element einen Komparator und
einen Digital-Analog-Umsetzer (Abb. 11.45). In sukzessiven Schritten wird
mit Hilfe des Komparators geprüft, ob die zu wandelnde Spannung größer
oder kleiner ist als die vom DAC erzeugte Spannung u(Z). Zunächst wird das
höchstwertige Bit (MSB) gesetzt, das vom DAC in eine entsprechende Ana-
logspannung u(Z) umgesetzt und mit der Eingangsspannung uE verglichen
wird. Je nachdem, ob das Ergebnis u(Z) kleiner oder größer ist als uE wird
die Referenzspannung zum Ergebnis addiert oder subtrahiert und die entspre-
chende Stelle der resultierenden Ausgangsbinärzahl auf 0 oder 1 gesetzt. In
jedem der darauffolgenden Zeitzyklen wird der eben beschriebene Vergleichs-
vorgang für die jeweils nächst niedrigere Binärstelle entsprechend wiederholt.
Für einen N -Bit-Umsetzer sind somit N Vergleichsschritte notwendig, die se-
quentiell abgearbeitet werden müssen.
350 11 Digitale Messtechnik
Steuerung
und
Umsetzlogik
4-Bit-
S&H - V
Flash-ADC
uE V = 1, 8, 64, 512
u(Z) 12-Bit-
DAC
a)
u u u u
Uref Uref Uref
Uref u1+ u 2+ u 3+
8 64 512
Uref Uref Uref Uref
ULSB0 = { ULSB1= { ULSB2= { ULSB3 = {
16 128 1024 8192
(k+1)·ULSB0
uE
k·ULSB0 8ULSB1
uE
8ULSB2 uE
8ULSB3
uE
0 u1 u2 u3
Verstärkung: V = 1 V=8 V = 64 V = 512
Konversions-
zyklus Nr.: 1 2 3 4
2ULSB0
u 1 = k·ULSB0 - i ·
b) 16
Pipeline-Umsetzer
Takt
ADC DAC
V=2 N
N+1 N+1
uE zur nächsten
CSamp
Stufe der
Pipeline
N+1 Bit
Abb. 11.50. Einzelne Stufe eines Pipeline-Analog-Digital-Umsetzers
11.7 Analog-Digital-Umsetzung 355
Nachlaufumsetzer (Zählverfahren)
Ausgangssignalfolge
übertragenes Signal (rekonstruiertes Ein-
Eingangs- u E (n Ta ) − u E ((n-1) Ta ) gangssignal)
signalfolge + +
u E(n Ta ) u*(n
E Ta )
− +
Abtastwert- Abtastwert-
Speicher Speicher
u*E ((n-1)Ta ) u E((n-1) Ta)
Abb. 11.53. Codierung und Decodierung eines Signals in Form von Differenzwerten
zum vorhergehenden Abtastwert. Die Abtastwertspeicher beinhalten stets den vor
dem aktuellen Abtastwert uE (nTa ) angestandenen Abtastwert uE ((n − 1)Ta ).
zeigten Wert entfernt hat. Damit dürfte auch verständlich werden, dass dieses
Verfahren mit hohem Oversampling (1/Ta 2fsmax (fsmax : höchste im Ein-
gangssignal enthaltene Frequenzkomponente)) arbeiten muss [173].
Der Delta-Sigma-Modulator ist ein modifizierter Delta-Modulator, bei dem
sich ein weiterer Integrierer im Vorwärtszweig befindet. Dies setzt voraus,
dass die Eingangsspannung uE (t) keinen Gleichanteil enthält. Dadurch kann
aus der digitalen Ausgangsimpulsfolge durch Mittelwertbildung direkt auf
das analoge Eingangssignal geschlossen werden, d. h. das Eingangssignal kann
durch einfache Tiefpassfilterung des seriellen Bitstromes Q am Ausgang des
Delta-Modulators wieder rekonstruiert werden. Die dabei ablaufenden Signal-
verarbeitungsoperationen bestehen aus Integrieren, Differenzieren und Tief-
passfiltern mit Abtastratenreduzierung, der sog. Dezimation (Abb. 11.55)
[133].
Um zu einer realisierbaren Struktur des Umsetzers aus Abb. 11.55 zu
gelangen, ersetzen wir zunächst den Komparator des Delta-Modulators in
Abb. 11.54 durch einen Differenzverstärker, was an der Funktion nichts ändert.
In Abb. 11.56 sind die Funktionsgruppen des Delta-Sigma-Umsetzers aus
g (t) D Q Q (t)
u E(t) dt
Takt
dt
Σ Δ
u E(t) dt D
Q Q (t)
r (t)
Takt
Abb. 11.55 in einem Blockschaltbild dargestellt. Man erkennt, dass sich die
Eingangsspannung des Schmitt-Triggers g(t) folgendermaßen berechnet
g(t) = uE (t)dt − Q(t)dt . (11.39)
C
invertierender
u E(t) R Komparator
K D Q (t)
R Q
r (t)
Takt
inv. summierender
Integrierer
Uref
1-Bit-DAC mit
Invertierer
Uref
+
uE _ u E (t)dt Dezimator UQ
digitales
Mittelungsfilter
1-Bit-DAC
a)
+
uE _ u E (t)dt ADC Dezimator UQ
digitales
Mittelungsfilter
DAC
b)
S 5DXVFKOHLVWXQJVGLFKWH
S 41
34
3 42
S 42
I
IE IV
Abb. 11.60. Spektrale Verteilung des Quantisierungsrauschens PQ
fs > 2fb ab, so wird das Quantisierungsrauschen auf einen größeren Frequenz-
bereich verteilt (Abb. 11.60) und man erhält für die Rauschleistungsdichte bei
dieser Überabtastung
2PQ
pQ,O = . (11.41)
fs
Wendet man eine ideale Tiefpassfilterung mit der Grenzfrequenz fb an, so
reduziert sich das Rauschen im Signalband PQ,O zu
2PQ fb
PQ,O = pQ,O · fb = , (11.42)
fs
und man erhält für den Gewinn ΔS/N durch die Überabtastung (siehe
Gl. 7.109)
PQ PQ fs
ΔS/N [dB] = 20 lg = 10 lg = 10 lg = 10 lg m , (11.43)
PQ,O PQ,O 2fb
wobei m der Faktor der Überabtastung ist. Durch eine Vergrößerung der Über-
abtastung um den Faktor 4 erhält man also eine eine Verbesserung des S/N
um 6,02 dB. Dieser Zusammenhang ist in Abb. 11.61 dargestellt.
Der S/N-Gewinn durch die Überabtastung wird bei einem Delta-Sigma-
Modulator durch die Methode des Noise-Shapings noch wesentlich verbes-
sert [31]. Betrachten wir dazu das linearisierte Modell des Delta-Sigma-
Umsetzers im Laplace-Bereich (Abb. 11.62). Der Integrierer im Zeitbereich
wird durch eine Multiplikation mit k/s modelliert (s. Gl. (3.81)), wobei die
Verstärkung k noch nicht näher bestimmt ist. Der Komparator wird im
Laplace-Bereich durch Addition des Quantisierungsrauschens N (s) beschrie-
ben. Um die Übertragungsfunktion GUE für die Eingangsspannung zu erhal-
362 11 Digitale Messtechnik
Δ S/N
18
dB
12
0
1 2 3 4 5 10 15 20
Faktor der Überabtastung m
Abb. 11.61. Gewinn an Signal/Rausch-Verhältnis nach [180, 199]
1V
8V
(
N 4V
V
G UE GN
0 dB
P Q,mod
f
fb fp
Der erste Term sagt aus, dass mit jeder Verdopplung der Überabtastrate das
Signal/Rausch-Verhältnis um 9,03 dB zunimmt, was eine erhebliche Steige-
rung gegenüber der gewöhnlichen Überabtastung bedeutet. Der zweite Term
364 11 Digitale Messtechnik
in Gl. 11.52 sollte möglichst klein sein, d. h. der Pol sollte betragsmäßig
möglichst groß sein. Dies erfordert allerdings eine größere Verstärkung k. Da
die Übertragungsfunktion der offenen Schleife einem reinen Integrierer ent-
spricht, sind dem in der Praxis stabilitätsbedingte Grenzen gesetzt.
Um das Signal/Rausch-Verhältnis weiter zu steigern, können auch Delta-
Sigma-Umsetzer höherer Ordnung aufgebaut werden [128]. Abbildung 11.64
zeigt einen Umsetzer zweiter Ordnung, mit dem ein ΔS/N von 15,1 dB/Oktave
erreicht wird. Die Herleitung dieses Zusammenhangs soll dem ambitionierten
Leser als Übung dienen [102].
N(s)
UE(s) k1 k2 Q(s)
s s
ku2 = t1 − t2 (11.54)
11.7 Analog-Digital-Umsetzung 365
Abb. 11.66. Elektronischer Leistungsmesser bzw. Energiezähler auf der Basis eines
Time-Division-Multiplizierers. Es wird vorausgesetzt, dass infolge zeitlicher Mitte-
lung am Ausgang des Time-Division-Multiplizierers bereits der der Wirkleistung
entsprechende Anteil der Momentanleistung vorliegt.
Single-Slope-Umsetzer (u/t-Umsetzer)
u
K1 uE
uE
y uS
ZE NX 0
& tX t
K2 Takt f ref y
uS t
ZE
Start Rücksetzen
Steuerung
a) b) t
Mit Hilfe der Taktfrequenz fref kann der Zählerstand NX berechnet werden
NX
tX − t2 = . (11.60)
fref
Nachdem die Spannung uA zum Zeitpunkt tX wieder den Wert Null hat, kann
man die in den Zeitintervallen (t2 − t1 ) und (tX − t2 ) integrierten Ausgangs-
spannungsänderungen gleichsetzen. Es gilt demnach
t2 tX
1 1
uE (t) dt = Uref dt . (11.61)
RC t1 RC t2
Mit t2
1
uE = uE (t) dt (11.62)
t 2 − t1 t1
11.7 Analog-Digital-Umsetzung 369
Spannungs-Frequenz-Umsetzer (u/f-Umsetzer)
obere Schwelle (+Uref ) erreicht ist. Im stetigen Wechsel zwischen diesen zwei
Zuständen entsteht am Ausgang des Integrierers eine Schwingung mit einem
Zeitverlauf, der einem gleichschenkeligen Dreieck entspricht. Der Q-Ausgang
des RS-Flip-Flops liefert daraufhin eine unipolare Rechteckspannung mit der-
selben Frequenz. Anhand von Abb. 11.70b lassen sich die folgenden Zusam-
menhänge ableiten
1
uA (t) = − u1 (t) dt (11.65)
RC
1
uAmax = +Uref = −Uref + uE (tmax − tmin ) (11.66)
RC
1
uAmin = −Uref = Uref − uE (TX + tmin − tmax ) . (11.67)
RC
Die Subtraktion der Gln. (11.67) und (11.66) liefert
1
4Uref = uE TX . (11.68)
RC
Daraus lässt sich schließlich der gesuchte Zusammenhang zwischen der Fre-
quenz fX des Rechtecksignals am Ausgang des RS-Flip-Flops und der Ein-
gangsspannung uE ableiten
1 1
fX = = uE = const. · uE . (11.69)
TX 4Uref RC
Die Frequenz des Rechtecksignals am Ausgang ist also gemäß Gl. (11.69)
proportional zur Eingangsspannung uE . Sie lässt sich aus dem Zählerstand
bei vorgegebener Torzeit leicht ermitteln.
T0 +t
1
uA (t) = uAmax − uE (t ) dt . (11.71)
RC T0
Nach einer Zeit Tload wird (vom Abtrennen der Stromquelle an gerechnet)
wiederum der Schwellwert USW erreicht. Es gelten folgende Zusammenhänge
1
ΔuA = + uE Tload (Ladevorgang) (11.72)
RC
1
uE
ΔuA = Iref − T0 (Entladevorgang) . (11.73)
C R
Aus den Gln. (11.72) und (11.73) kann bereits die Frequenz fX der Recht-
eckfolge angegeben werden, welche schließlich mit Hilfe des Zählers und einer
Torzeitvorgabe bestimmt werden kann
1 1
fX = = uE . (11.74)
Tload + T0 RIref T0
Gleichung (11.74) lässt erkennen, dass die Frequenz fX nicht mehr vom Ka-
pazitätswert des Ladekondensators C abhängt, was bedeutet, dass dieser nur
noch kurzzeitstabil sein muss.
Wenn man das in bezug auf Genauigkeit kritischste Bauelement, die Mono-
flopstufe, durch ein D-Flip-Flop ersetzt, das von einem hochgenauen Taktge-
nerator angesteuert wird, gelangt man zum getakteten Ladungskompen-
sations-Konverter (Abb. 11.72) [136]. Dieses Schaltungsprinzip weist den
11.7 Analog-Digital-Umsetzung 373
großen Vorzug auf, dass die Dauer und damit auch die Größe der Ladungspulse
durch die Periodendauer derselben Frequenz (Taktfrequenz) bestimmt wird,
die auch die Torzeit des Zählers festlegt. Damit wird vermieden, dass dieser
Frequenzwert die Messgenauigkeit beeinträchtigt. Die Aufladung durch die
Eingangsspannung uE erfolgt kontinuierlich durch den dabei fließenden Ein-
gangsstrom iE
uE
iE = . (11.75)
R
Zur Entladung wird wiederum eine Stromquelle verwendet, die von einem
D-Flip-Flop geschaltet wird, dessen Steuertakt mit dem Referenztakt fref
identisch ist. Der mittlere Entladestrom īentl ergibt sich demnach zu
f¯S
īentl = Iref , (11.76)
fref
wobei f¯S die mittlere Frequenz der Steuerimpulse für den Stromschalter ist.
Infolge der durch die Schaltersteuerung entstehenden Rückkopplung wird sich
die mittlere Schaltersteuerfrequenz so einstellen, dass der zeitlich gemittelte
Entladestrom īentl gleich dem Ladestrom iE ist. Mit
iE = īentl (11.77)
liefern die Gln. (11.75) und (11.76) den Zusammenhang zwischen der mittleren
Schaltfrequenz f¯S und der Eingangsspannung uE
fref
f¯S = uE . (11.78)
R Iref
Dieser Frequenzwert ist also wiederum der Eingangsspannung proportional.
374 11 Digitale Messtechnik
Delta-Sigma- 14 ≤ N ≤ 24
Verfahren < 2 MSamples/s
Parallel- 1 2N − 1 N < 10
Verfahren (word at > 10 MSamples/s
(Flash) a time)
Wäge- N N 8 ≤ N ≤ 18
Verfahren (Bit at 10 kSamples/s − 2 MSamples/s
(SAR) time)
Zähl- 2N (max.) 1 8 ≤ N ≤ 20
Verfahren (level at < 1 kSamples/s
a time)
Kaskaden- n (bei 2N − 1 8 ≤ N ≤ 16
Verfahren einer Auf- 1 MSamples/s − 100 MSamples/s
(Kombiniertes lösung von
Parallel- n · N Bit)
Wäge-Verfahren)
Statische Fehler
wobei Useff und Ureff die jeweiligen Effektivwerte der Signalspannung (Nutz-
spannung) bzw. der Störspannung (Rauschspannung) bezeichnen. Zur Ermitt-
lung des Signal/Rausch-Verhältnisses eines N -Bit-Umsetzers nimmt man eine
Vollaussteuerung des ADC mit einem Sinussignal us (t) an
ten realen Kennlinie (Abb. 11.74) zu denen der realen Kennlinie ohne Linea-
ritätsfehler bilden den sog. integralen (totalen) Nichtlinearitätsfehler FNLint
bzw. fNLint
FNLint (i) = ui − iULSB (11.86)
bzw.
ui − iULSB
fNLint (i) = . (11.87)
ULSB
Die Abweichungen von der idealen Stufenbreite ULSB werden als differentielle
Nichtlinearität FNLdiff bzw. fNLdiff bezeichnet
bzw.
(ui+1 − ui ) − ULSB
fNLdiff (i) = . (11.89)
ULSB
Dynamische Fehler
Die Dauer eines Umsetzungsvorgangs ergibt sich aus der als Acquisition -
Time bezeichneten Summe von Aperture Time und Settling Time des Sample
& Hold-Gliedes (Tab. 11.10) sowie der Konversionszeit (Conversion Time)
des eigentlichen Analog-Digital-Umsetzers. Diese Zeiten begrenzen daher die
maximale Abtastfrequenz, d. h. ihre Summe muss kleiner sein als der Rezi-
prokwert der doppelten Signalgrenzfrequenz fsmax , um das Shannonsche Ab-
tasttheorem zu erfüllen (Nyquist-Kriterium)
Die maximal mögliche Abtastfrequenz famax errechnet sich dabei als Rezi-
prokwert der Summe aller am Umsetzungsprozess beteiligten Zeiten
1 1
famax = = .
Tamin ApertureTime + SettlingTime + ConversionTime
(11.91)
Schwankungen der Aperture Time, die auch als Apertur Jitter bzw. Apertur-
Unsicherheit bezeichnet werden, bedeuten Schwankungen der Abtastzeitpunk-
te, was zu einem dynamischen Fehler führt. Dieser Fehler ist um so größer,
je größer die zeitliche Änderung der Eingangsspannung (duE /dt) ist. Die-
se zeitlichen Schwankungen der Abtastzeitpunkte machen sich in Form von
Amplitudenunsicherheiten bemerkbar, welche um so größer werden, je steiler
der zeitliche Anstieg der Eingangsspannung ist. Im Allgemeinen fordert man,
dass der daraus resultierende Betrag des absoluten Fehlers |ΔU | kleiner als
1
/2 ULSB bleiben soll, da ansonsten das niedrigstwertige Bit (Least Significant
Bit (LSB)) wertlos wäre
1
|ΔU | ≤ ULSB . (11.92)
2
11.8 Digital-Multimeter (DMM) 379
folgt aus den Gln. (11.92) und (11.93) die entsprechende Forderung bezüglich
des zeitlichen Jitters ΔTjitter
1 ULSB
ΔTjitter ≤ . (11.95)
2 Û ω
Bei Vollaussteuerung des ADC (2Û = UAmax ) lässt sich daraus die Grenze für
den absoluten Jitterfehler angeben
ULSB 1 1
ΔTjitter ≤ = N ≈ N . (11.96)
UAmax ω (2 − 1)ω 2 ω
Soll beispielsweise mit Hilfe eines 8-Bit ADC ein 50-MHz-Signal umgesetzt
werden, leitet sich daraus die Forderung ab, dass die zeitliche Apertur-
Unsicherheit ΔTjitter ≤ 12, 5 ps sein muss.
Es ist eine gewisse Diskrepanz zwischen der Auflösung und der Genauig-
keit festzustellen. Der grundsätzliche Fehler von Digital-Multimetern beträgt
±1 Digit, wobei 1 Digit der letzten angezeigten Nachkommastelle entspricht.
Ein typisches Gerätebeispiel soll dies verdeutlichen.
So beträgt die (relative) Auflösung eines 3 1/2 -stelligen DMM 1/(2000) =
0, 0005. Die Genauigkeit wird jedoch mit 0, 25% angegeben, was 5 Digits ent-
spricht (5/2000 = 0, 25%). Da sich die Verhältnisse bei Digital-Multimetern
mit noch mehr Stellen eher verschlechtern, muss in der Praxis meist die letzte
angezeigte Stelle wegen ihrer großen Unsicherheit bei den Genauigkeitsbe-
trachtungen gestrichen werden.
folgt
2 V = (2N − 1) · 10−4 V
2N − 1 = 2 · 104
11.8 Digital-Multimeter (DMM) 381
2N ≈ 2 · 104
lg(2 · 104 )
N=
lg(2)
lg(2 · 104 )
= 14, 3 → N = 15 . (11.98)
lg(2)
bestimmt.
Bei der Messung des DC-Anteils sollte über mindestens 10 Perioden der
Energieversorgungsnetzfrequenz (50 Hz in Europa bzw. 60 Hz in USA) gemit-
telt werden. Intelligente Multimeter, wie z.B. das Agilent 34411A (Abb. 11.77)
messen unmittelbar nach ihrer Inbetriebnahme die Netzfrequenz und stellen
die Integrationszeit des verwendeten Dual-Slope-ADC (Kap. 11.7.6) auf opti-
male Mittelung ein. So garantiert dieses Gerät im langsamen Messmodus für
6 1/2 Stellen (Digits) eine Unterdrückung des Netzsignals um 70 dB.
Bei Überlegungen zur Messgenauigkeit von Digital-Multimetern bei AC-
Messungen muss des Weiteren der Scheitelfaktor (Crest Factor) (s. Gl. (6.90))
ins Kalkül gezogen werden. Denn je größer der Scheitelfaktor, um so größer
sind die Signalanteile bei (im Vergleich zur Grundwelle) höheren Frequenzen
(höheren Harmonischen), so dass mit zunehmendem Scheitelfaktor auch die
Messfehler bei der echten Effektivwertmessung steigen (s. Kap. 11.8.4).
Als Beispiel wird hier eine Abschätzung der Fa. Agilent übernommen, die für
das 6 1/2 stellige DMM Modell 34411A (Abb. 11.77) gilt. Der Gesamtfehler
infolge Crest Factor (Scheitelfaktor) setzt sich wie folgt zusammen
(C.F.)2 · F
Fehler (Bandbreite) = , (11.101)
4π · BW
11.9 Strom-/Spannungsquellen mit Rückmessfunktion (Source Measure Units) 383
Abb. 11.77. 6 1/2 stelliges Digital-Multimeter, Typ 34411A, der Fa. Agilent [2]
wobei C.F. der Crest Factor, F die Grundfrequenz des Messsignals und BW
die - 3 dB -Bandbreite (Bandwidth) des Messgerätes ist (hier 1000 kHz). Für
einen beispielhaften C.F. = 3 und eine Fundamentalfrequenz F = 20 kHz
ergibt sich ein Fehler (Bandbreite) von 1, 4 %. Mit den Fehlerspezifikationen
für das o. g. Gerät summiert sich der Gesamtfehler zu
GPIB
Beladeroboter
2602 Test-Leitungen
SourceMeter
TSP-Link
Series 2600
SourceMeter Test-Leitungen
Abb. 11.79. Source Measuring Unit (Typ 6430) der Fa. Keithley für Messungen
im Sub-Femtoampere-Bereich. Spezifikationen: Rauschgrenze: 0, 4 fA (peak-to-peak)
(= 4 · 10−16 A); 6 1/2 stelliges Digital-Multimeter; 2000 Messungen pro Sekunde [91].
Das Gerät arbeitet mit einem Remote-Vorverstärker, der über ein 2 m lan-
ges Kabel an die eigentliche SMU angeschlossen ist. Dieser hochwertige
Messverstärker ist mit einem extrem hohen Eingangswiderstand ausgestat-
tet und mit einer sog. schwimmenden Masse (Guard) versehen. Er wird über
ein Triax-Kabel angeschlossen. Bei den Triax-Kabeln befindet sich zwischen
386 11 Digitale Messtechnik
uD ≈ 0
Ri RL
Spannungs-
messer
äußerer Leiter
Abb. 11.81. Prinzip der Triax-Kabel-Verbindung einer Spannungsquelle mit einem
hochohmigen Voltmeter
11.10 Elektronische Leistungsmesser 387
Das in Kap. 6.3.8 behandelte Hallelement kann in idealer Weise zur Messung
der in einem Gleichstromkreis verbrauchten elektrischen Leistung eingesetzt
werden. Dazu muss der Strom IL dieses Kreises mit Hilfe eines als Spulenwick-
lung ausgeführten Shunts (Strommesswiderstand) in ein magnetisches Feld
umgesetzt werden (Abb. 11.82), dessen magnetische Induktion B dem Strom
IL proportional ist. Dieses B-Feld durchsetzt das Hallplättchen in Dicken-
Richtung (s. Abb. 6.53). Die Hallspannung UH ist daher gemäß Gl. (6.139)
und damit auch proportional IL
proportional |B|
UH ∼ IL . (11.103)
Hallelement
I H UL
UH UL. I L = P
Last-
UL
impedanz B
IL
B Φ IL
als Wicklung
ausgeführter Shunt
IH ∼ UL . (11.104)
P = UL · IL ∼ UH . (11.105)
Somit liefert die Hallspannung UH ein lineares Maß für die verbrauchte elek-
trische Leistung P .
Das Hallelement übernimmt dabei die Aufgabe des (Analog-)Multiplizie-
rers, der Strom und Spannung multipliziert. Es wird daher oft auch als Hall-
”
Multiplizierer“ bezeichnet.
Für eine genaue Leistungsbestimmung muss darauf geachtet werden, dass
das Hallelement im linearen Bereich betrieben wird. Für typische Hallelemente
sollte die magnetische Induktion betragsmäßig unter 100 mT bleiben, da für
größere Induktionswerte starke Nichtlinearitäten infolge Sättigung auftreten.
Ein weiterer Punkt, den es zu beachten gilt, ist die Temperaturempfindlich-
keit von Halbleiter-Hallelementen, die in aller Regel eine Temperaturkompen-
sation erforderlich macht. Dies kann eleganterweise durch eine Anordnung in
Form einer Halbbrückenschaltung (s. Kap. 9.5.4) oder auch einer Vollbrücken-
schaltung geschehen.
Die Messung der elektrischen Momentanleistung P (t) besteht stets aus der
Produktbildung der durch Einzelmessung gewonnenen Größen Strom iL (t)
und Spannung uL (t)
P (t) = uL (t) · iL (t) . (11.106)
Werden Spannung und Strom zunächst ohne Beachtung ihres Phasenbezugs zu
Effektivwerten verarbeitet und dann multipliziert, so erhält man die Schein-
leistung. Wenn die Spannung und der Strom in Phase sind, ergibt sich daraus
unmittelbar die Wirkleistung; sind sie hingegen um 90◦ phasenverschoben,
handelt es sich dabei um eine Blindleistung. Diese Zusammenhänge werden
in Kap. 8 dieses Buches ausführlich beschrieben. Bei den in diesem Abschnitt
behandelten elektronischen Leistungsmessern handelt es sich in allererster Li-
nie um Wirkleistungsmesser, da für die finanzielle Abrechnung der Lieferung
elektrischer Energie durch einen Energieversorger die Wirkleistung bzw. Wirk-
energie herangezogen wird.
Ein integrierter Schaltkreis zur Ermittlung der elektrischen Leistung be-
steht eingangsseitig aus zwei Kanälen, einem Strom- und einem Spannungs-
messkanal. Die Spannung wird dabei entweder über einen transformatorischen
11.10 Elektronische Leistungsmesser 389
Φ: magnetischer Fluss) eine Spannung in der Spule induziert wird. Gemäß dem
Induktionsgesetz ist diese Spannung der zeitlichen Ableitung des Laststromes
proportional
di(t)
u∼ . (11.107)
dt
stromführender
i (t) Leiter
di(t)
u(t)
dt
u(t)
Abb. 11.83. Prinzip einer Rogowski-Spule. Die in der Spule induzierte Spannung
u(t) ist gemäß dem Induktionsgesetz proportional dΦ(t)
dt
∼ u(t) bzw. di(t)
dt
∼ u(t).
Abb. 11.84. Vereinfachtes Blockschaltbild eines typischen ICs zur Leistungs- bzw.
Energiemessung mit digitaler Signalverarbeitung
11.10 Elektronische Leistungsmesser 391
spektrale
Leistung
u L. i L u L. i L
cos ϕ Übertragungsfunktion 2
2
des Tiefpassfilters
1. Oberwelle
8Hz . 2π ω 2ω
Kreisfrequenz
Abb. 11.85. Funktion des Tiefpassfilters aus Abb. 11.84 zur Abtrennung des Wirk-
leistungsanteils. Die Eckfrequenz des Tiefpassfilters liegt typischerweise bei fg =
8 Hz. Der Wert von 2ω entspricht 100 Hz · 2π.
392 11 Digitale Messtechnik
T : Periodendauer.
Mit längerer Integrationsdauer erzielt man zwar höhere Genauigkeiten,
integriert aber auch unter Umständen über zu messende Fluktuationen der
Wirkleistung hinweg. Die Integration wird mit Hilfe des in Abb. 11.84 ge-
zeigten Tiefpassfilters vorgenommen. Dessen Laplace-Übertragungsfunktion
(s. Kap. 3.13) lautet
1 1
GTP (s) = = , (11.113)
1 + nT s 1 + ωsgr
wobei ωgr die Eckfrequenz des Tiefpassfilters ist (s. auch Abb. 11.85). Um
den in Abb. 11.85 angegebenen Wert von ωgr = 8 Hz ·2π zu erreichen, müsste
über eine Periode (n = 1) gemittelt werden. Für eine größere Anzahl n von
1
Mittelungsperioden ergäben sich geringere Eckfrequenzen ωgr = n·T .
Im Anschluss an das digitale Tiefpassfilter folgt ein Digital-zu-Frequenz-
Konverter, der die Wirkleistung P (t) in eine Pulsfolge umwandelt. Die Puls-
folgefrequenz ist dabei proportional der Wirkleistung P (t). Dieses Pulsfol-
gesignal wird zum einen direkt ausgegeben. Es handelt sich dabei um ein
frequenzcodiertes Signal (s. Kap. 1.6), dessen aktuelle Pulsfolgefrequenz dem
momentanen Wert der verbrauchten Wirkleistung Pwirk = P (t) entspricht.
Zum anderen werden die Pulse mit Hilfe eines Zählers akkumuliert, was ei-
ner zeitlichen Integration der Wirkleistung entspricht. Dies liefert als zweites
Ausgangssignal die verbrauchte (Wirk-)Energie
T
Ewirk = Pwirk dt . (11.114)
0
Diese kann in Werten mit der üblichen Einheit kWh ausgegeben werden.
u1 ∼ iL (11.115)
u2 ∼ uL . (11.116)
Danach folgen noch ein Summierer zur Offset-Korrektur sowie ein Multipli-
zierer, der mittels eines Kalibrierfaktors die genaue (im Sinne von kalibriert)
Wirkleistung Pwirk liefert. Danach durchläuft das Signal auch hier einen DCF
(Digital-zu-Frequenz-Konverter) und einen Zähler, so dass am Ausgang wie-
derum ein Pulssignal zur Verfügung steht, dessen Pulsfolgefrequenz propor-
tional der Wirkleistung ist. Der Zähler liefert schließlich die verbrauchte Wir-
kenergie in der Einheit kWh.
Die beiden in Abb. 11.86 gezeigten Betragsquadrat-Bausteine mit nach-
geschalteten Tiefpässen bzw. Radizierern dienen der Bestimmung der jeweili-
gen Effektivwerte uLeff bzw. iLeff . Diese werden nach entsprechenden Offset-
Korrekturen, die durch Summationsbausteine erfolgen, in einem Multiplizierer
zur Scheinleistung
Pschein = uLeff · iLeff = Peff (11.118)
multipliziert. Nach Kalibrierung mit Hilfe eines weiteren Multiplizierers steht
diese am Ausgang in Form eines Digitalwertes zur Verfügung. Sowohl Pwirk als
auch Pschein = Peff lassen sich über ein Register des Bus-Interfaces auslesen.
394 11 Digitale Messtechnik
3-Phasen-Energiemeter-IC
Je nach Wert des Signals am ABS-Eingang (ABS steht für Absolutwert bzw.
Betragsbildung) wird der Wert von PLi entweder vorzeichenbehaftet oder be-
tragsmäßig einem Summierer zugeführt
3
Pwirk = Pwirk Li für ABS = 1 (11.120)
i=1
bzw.
3
Pwirk = |Pwirk Li | für ABS = 0 . (11.121)
i=1
Die Option, die Summe der Beträge zu bilden (ABS = 0 ), bietet die Möglich-
keit, auch dann einen korrekten Wert für die Gesamtwirkleistung am Ausgang
zu erhalten, wenn das Energiemeter falsch an das Energienetz angeschlossen
ist, z. B. wenn die Anschlüsse des Stromwandlers verpolt wurden.
396 11 Digitale Messtechnik
i L(t)
500 mV
Eingangsver-
stärker des ICs
Stromwandler
Tiefpässe
a)
L1
(Ueff = 230 V)
500 mV
Eingangsver-
stärker des ICs
Spannungs-
Tiefpässe
wandler
b1)
L1
(Ueff = 230 V)
500 mV
Eingangsver-
stärker des ICs
b2)
1
Die Einheit dBm bezieht sich auf den logarithmischen Leistungspegel
P
Lp = 10 lg dBm .
1 mW
400 11 Digitale Messtechnik
Variable Gain
Amplifier Wide-Band-
Quadrierer
VSIG VATG
Messsignal-
Eingang VGA X2 Σ X2 VTGT
VIN
I SIG I TGT
Ausgangs-Verstärker
und Tiefpass-Filter
Ausgangs-
CF
Referenz- signal
signal VOUT
I diff
VSET
= I SIG - I TGT
Spannungsteiler
CFext zur Einstellung
evtl. der Verstärkung
zusätzliche (V=5)
externe
Kapazität
a)
INHI
X2 CLPF
INLO
Σ VOUT
VTGT X2
ACOM
VSET
b)
Die Differenz der Ausgangsströme ISIG und ITGT der beiden Quadrierer wird
mit Hilfe des integrierenden Ausgangsverstärkers und der äußeren Rückkopp-
lung des Schaltkreises im zeitlichen Mittel zu Null geregelt, so dass gilt
d. h.
VSIGeff = rms{VSIG } = VATGeff = rms{VATG } . (11.124)
Dies wird durch Einstellen eines entsprechenden Verstärkungsgrades des VGA
(Variable Gain Amplifier = Verstärker mit spannungsgesteuertem Verstär-
kungsgrad) erreicht. Dieser Verstärkungsgrad GSET ergibt sich aus der kon-
stanten Grundverstärkung G0 und dem Quotienten2 VSET /VGNS wie folgt
bzw.
rms{G0 · VIN /VATG } = eVSET /VGNS (11.128)
und
VSET = VGNS · ln(rms{VIN }/VZ ) , (11.129)
wobei VZ folgendermaßen definiert ist
VATG
VZ = . (11.130)
G0
Die Spannung VATG ergibt sich aus der am VTGT-Eingang angelegten Gleich-
spannung und dem konstanten Verstärkungsgrad des entsprechenden Eingangs-
Verstärkers. Sie bestimmt letztlich die Empfindlichkeit. Im Leistungsmesser-
Mode (s. o.) gilt infolge der direkten Rückkopplung (s. o.)
Daraus folgt
VOUT = VSLP · lg(rms{VIN }/VZ ) , (11.132)
wobei VSLP die sog. Slope-Spannung VSLP mit der Einheit mV/dB ist
VSLP = VGNS · ln(10) = 2, 303 · VGNS . (11.133)
Im IC wird mit Hilfe von Laser-Trimmung die Slope-Spannung auf den Wert
von 50 mV/dB abgeglichen. Abschließend soll noch einmal erwähnt werden,
dass die Leistungsmessung hier auf eine Spannungsmessung reduziert wird. Es
wird nämlich die Leistung unter der Annahme ermittelt, dass die Eingangs-
spannung, deren Effektivwert-Quadrat gemessen wird, an einer 50 Ω Impedanz
anliegt, d. h. der leistungsmäßige Bezugswert ist die 50 Ω Impedanz.
HF-Signal
Eingang
+14,3 dB
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Summationsnetzwerk
DC-Signal-Ausgang
(25 mV/dB)
abhängt. Dadurch ist eine (lineare) Anzeige in dB-Werten möglich. Der Dyna-
mikbereich umfasst – 75 dBm bis + 17 dBm, hat also einen Umfang von 92 dB
(50 Ω-Quelle vorausgesetzt). Der Frequenzbereich reicht von DC bis 500 MHz.
Die Empfindlichkeit beträgt 25 mV/dB.
Bei sehr hohen Frequenzen im Bereich oberhalb von 10 GHz sind Spannungs-
bzw. Strommessung kaum mehr möglich. Hier tritt die reine Leistungsmessung
an ihre Stelle. Diese wird dann im Allgemeinem mit Hilfe von thermischen
Leistungsmessern durchgeführt. Dabei wird die zu messende HF-Leistung in
einem geeigneten Widerstand in Folge des von ihr erzeugten Wärmestro-
mes in eine proportionale Temperatur umgesetzt. Die Temperatur wieder-
um wird mittels eines thermoelektrischen Wandlers, eines sog. Thermoele-
ments (s. Kap. 11.10.7), in ein proportionales elektrisches Signal umgewan-
delt (Abb. 11.91). Die neuesten Leistungssensoren der Fa. Rohde & Schwarz
beispielsweise erlauben auf diesem Weg hochgenaue Leistungsmessungen im
Mikrowellenbereich (bis f = 67 GHz) [157]. Die thermischen Leistungssen-
soren sind ab einer Leistung von 1 μW einsetzbar. Unter Zuhilfenahme von
kalibrierten Dämpfungsgliedern oder Richtkopplern kann der erfassbare Lei-
stungsbereich bis in den Megawatt-Bereich erweitert werden.
Die Vorzüge der thermischen Leistungsmessung beruhen vor allem auf hoher
Messgenauigkeit. So werden HF-Signale ohne systematische Bewertungsfehler
in Wärme umgewandelt, unabhängig von der Kurvenform des Messsignals.
Bei modulierten Signalen gibt es keine prinzipiellen Linearitätsabweichungen.
Die Messdynamik liegt typischerweise zwischen 30 und 50 dB. Sie wird nach
unten durch die Empfindlichkeit des thermischen Sensors einerseits und die
Wärmeisolierung (gegenüber der Umgebung) andererseits begrenzt. Die maxi-
mal messbare Leistung hängt von der Temperaturbeständigkeit der Werkstoffe
sowie der Linearität des Sensors ab.
404 11 Digitale Messtechnik
Abb. 11.92. Leistungsmesskopf NRP-Z51 der Fa. Rohde & Schwarz (Maße:
L×B×H, 17 cm×4,8 cm×3,1 cm). Der Messkopf enthält einen thermoelektrischen
Umformer, der die in einer definierten Impedanz umgesetzte HF-Leistung in Wärme
und anschließend in eine äquivalente Signalspannung umsetzt (Foto: Rohde &
Schwarz GmbH & Co KG, München) [154].
(b) Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme
kT nA
U= ln = kAB T , (11.134)
e0 nB
mit
k nA
kAB = · ln (11.135)
e0 nB
wobei k = 1, 381 · 10−23 Ws/K die Boltzmann-Konstante, T die absolute Tem-
peratur der Kontaktstelle, e0 = 1, 6 · 10−19 As die Elementarladung, nA und
nB die Anzahl der freien Elektronen pro Volumeneinheit der Metalle A und
B und kAB der für die Materialkombination A/B entsprechende Thermoko-
effizient sind. Um die einzelnen Koeffizienten kAB nicht für alle möglichen
Werkstoffkombinationen bestimmen zu müssen, wurde die Thermoelektrische
Spannungsreihe zusammengestellt. Diese beinhaltet die einzelnen Thermoko-
effizienten der verschiedenen Materialien bezogen auf Platin. Tabelle 11.15
enthält die Werte der Thermokoeffizienten für wichtige Werkstoffe.
und
kAB = −kBA . (11.137)
Damit lassen sich die Thermospannungen ui in Abb. 11.94 gemäß Gl. (11.134)
berechnen
u1 = kCu−Fe Tr (11.138)
u2 = kFe−CuNi Tm (11.139)
u3 = kCuNi−Fe Tr (11.140)
u4 = kFe−Cu Tr . (11.141)
Die gesamte Thermospannung uth , die an den äußeren Klemmen (Abb. 11.94)
abgenommen werden kann, ergibt sich durch Überlagerung der vier Kontakt-
spannungen
uth = u1 + u2 + u3 + u4 (11.142)
uth = (kCu−Pt − kFe−Pt)Tr + (kFe−Pt − kCuNi−Pt )Tm
+(kCuNi−Pt − kFe−Pt )Tr + (kFe−Pt − kCu−Pt )Tr
= −kCuNi−Pt (Tm − Tr ) + kFe−Pt(Tm − Tr )
= (kFe−Pt − kCuNi−Pt )[Tm − Tr ] = kFe−CuNi [Tm − Tr ] . (11.143)
Die Thermospannung nach Gl. (11.143) ist also direkt proportional zur Tem-
peraturdifferenz (Tm −Tr ) zwischen Mess- und Referenzelement. Die Spannung
bei einer Temperaturdifferenz von Tm − Tr =1 K bezeichnet man als Thermo-
elektrische Kraft.
Mit dem Peltier-Effekt steht auch ein reziproker Effekt zum Seebeck-
Effekt zur Verfügung. Fließt durch eine Kontaktstelle verschiedener Metalle
elektrischer Strom, so wird eine Erwärmung bzw. eine Kühlung, je nach Strom-
richtung, festgestellt. Dieser Effekt wird in Peltier-Elementen zur Kühlung von
elektronischen Bauteilen oder für Kleinkühlschränke genutzt [190].
11.10.8 Bolometer
den Thermistor, der mit Hilfe einer Wheatstoneschen Messbrücke (s. Kap. 9.3)
ausgewertet wird. Dabei wird der in einem Brückenzweig befindliche Thermi-
stor mit der zu messenden HF-Leistung gespeist. Andererseits wird in einem
Regelkreis genau soviel Gleichstromleistung zugeführt, dass die Messbrücke
abgeglichen ist. Die Messbereichsdynamik von Bolometern (30 dB) ist aller-
dings deutlich geringer als die von den anderen thermischen Leistungsmessern.
Wenn eine sehr hohe zeitliche Auflösung gefordert wird, sind thermische Lei-
stungsmesser zu träge. Es kommen dann im Allgemeinen Leistungsmessköpfe
mit Diodengleichrichtern zum Einsatz. Diese erlauben obere Grenzfrequen-
zen von über 100 GHz. Hierbei richtet eine Halbleiterdiode (s. Kap. 4.1.2)
die an einem 50 Ω-Abschlusswiderstand anliegende HF-Spannung gleich (Abb.
11.95). Die Dioden des Doppelweg-Gleichrichters speisen dabei je einen Lade-
kondensator, der dadurch aufgeladen wird. Je nach Zeitkonstante, also Pro-
dukt aus Kapazitätswert des Ladekondensators und vorgeschalteten ohmschen
Widerstand (Diodengleichstromwiderstand in Verbindung mit externen Wi-
derständen) kann somit entweder die Hüllkurvenleistung oder die Spitzenlei-
stung PEP (Peak Envelope Power) gemessen werden.
Als Dioden kommen vor allem sog. Zero-Bias-Schottky-Dioden zur An-
wendung, welche im Gegensatz zu gewöhnlichen Schottky-Dioden keine DC-
Vorspannung brauchen [29]. Ansonsten zeichnen sich diese Dioden durch eine
geringe Sperrschichtkapazität und geringes Eigenrauschen aus. Die mit solchen
Dioden ausgestatteten Leistungsmessköpfe erschließen den Leistungsbereich
zwischen 100 pW und 100 mW. Gegenüber thermischen Leistungsmessern wei-
sen sie im oberen Leistungsbereich höhere Messunsicherheiten auf, sind dafür
aber schneller (höhere Messgeschwindigkeit) bzw. erlauben höhere Frequen-
zen (über 100 GHz). Der Leistungsbereich ist nach unten (ca. 100 pW) durch
Rauschen und Nullpunktdrift begrenzt. Im unteren Leistungsbereich arbeiten
sie im quadratischen Bereich der Diodenkennlinie, d. h. ihr Ausgangssignal
entspricht dem echten Effektivwert und Oberwellen werden leistungskorrekt
Messsignal-
Eingang RTP
Ua
50 Ω
Abschluss-
Widerstand CL CL C
1 2 TP
Schottky-Diode
In der modernen Messtechnik werden in zunehmendem Maße die Zeit und Fre-
quenz als informationstragende Parameter genutzt. Einer der Hauptvorzüge
dieser Codierungsart liegt in der sehr hohen Genauigkeit, mit der Zeitinter-
valle und Frequenzen gemessen werden können. Ein weiterer Vorteil besteht
darin, dass sich die im Allgemeinen in analoger Form vorliegenden Messsi-
gnale auf einfache Weise mit Hilfe von Zählerschaltungen digitalisieren lassen.
Zeit- und Frequenzmessungen sind eng miteinander verknüpft, da beide mit
Hilfe von Zählern durchgeführt werden. Man kann erreichen, dass der Messfeh-
ler bei der Zeit- bzw. Frequenzmessung im Wesentlichen auf die Ungenauig-
keit der eingesetzten Zeitbasis beschränkt bleibt, deren Genauigkeit wieder-
um von dem dort verwendeten frequenzbestimmenden Element definiert wird.
Dieses Frequenznormal basiert standardmäßig auf einem Schwingquarz, der
zur Erhöhung der Genauigkeit temperaturstabilisiert betrieben werden kann.
Selbst mit einfachen nicht temperaturstabilisierten Uhrenquarzen sind relative
Frequenzfehler von weniger als 10−5 möglich. Durch geeignete Temperaturre-
gelungen lassen sich die relativen Fehler bezüglich der Temperaturdrift sogar
noch um drei bis vier Größenordnungen reduzieren. Präzisionsfrequenzzähler
hingegen enthalten Rubidium-Elemente, die Genauigkeiten im Bereich 10−10
bis 10−11 ermöglichen. In speziell eingerichteten Laboratorien, wie z. B. der
Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, werden bei
der Zeitmessung sogar Genauigkeiten von 5 · 10−15 erzielt [17].
Wenn zeitlich äquidistante Impulse (Pulsfolgefrequenz f ) eines Signals in
einem Zähler während eines Zeitintervalls T summiert werden (Abb. 12.1),
ergibt sich der Zählerstand NX aus dem Produkt dieser beiden Größen
NX = f T . (12.1)
Bei der Zeitmessung wird die Anzahl NX der Impulse eines frequenzstabilen
Referenzsignals mit der Taktfrequenz fref mit Hilfe eines Zählers während der
zu messenden Zeit TX gezählt. Damit berechnet sich die Zeit TX zu
NX
TX = . (12.2)
fref
Bei der Frequenzmessung hingegen werden die während der Referenzzeit Tref
(Torzeit) einlaufenden Impulse des Messsignals gezählt. Aus dem Zählerstand
NX und der mit hoher Genauigkeit vorgegebenen Torzeit Tref kann die Fre-
quenz fX bestimmt werden
NX
fX = . (12.3)
Tref
f1 N1
= NX . (12.5)
f2 N2
Bei der digitalen Zeitintervallmessung werden die von einem Taktsignal mit
bekannter Referenzfrequenz während der zu messenden Zeit TX in einen Zähler
einlaufenden Impulse gezählt (Abb. 12.5). Der konstante Referenztakt wird
von einem Rechteckoszillator geliefert, der sich durch hohe Frequenzstabi-
lität auszeichnet. Seine Pulse werden gezählt, solange der zweite Eingang des
UND-Gatters auf 1 liegt. Dieses zweite Eingangssignal entspricht dem Aus-
gangssignal eines RS-Flip-Flops, dessen Setzen und Rücksetzen mit der jeweils
ansteigenden Flanke des Start- bzw. Stopsignals erfolgt. Wird das RS-Flip-
Flop zurückgesetzt, sperrt das Gatter und der Zähler wird gestoppt. Aus dem
Zählerstand NX und der bekannten Referenzfrequenz fref kann das Zeitinter-
vall TX gemäß
1
TX = NX (12.6)
fref
ermittelt werden.
Für den Fall, dass Start- und Stop-Signal auf ein und derselben Leitung
einander folgen, wird anstatt des RS-Flip-Flops ein T-Flip-Flop eingesetzt
(Abb. 12.6). Infolge eines anfänglichen Resetsignals erscheint am Eingang des
ersten T-Flip-Flops ein 1 -Signal. Daraufhin wird mit der nächsten anstei-
genden Flanke des Messsignals (Start-Marke) der Ausgang des ersten T-Flip-
Flops auf 1 gesetzt und bewirkt damit über das UND-Gatter das Durchschal-
ten des Referenztaktsignals auf den Zähler. Die nächste ansteigende Flanke
des Messsignals (Stop-Marke) stoppt den Zählvorgang durch Rücksetzen des
ersten T-Flip-Flops und das damit einhergehende Sperren des UND-Gatters.
12.3 Digitale Zeitmessung 415
Gleichung (12.7) sagt aus, dass der Fehler umso kleiner wird, je höher die
Taktfrequenz fref und je länger das Zeitintervall TX ist.
Bei der Messung kleinerer Zeitintervalle werden daher oft sog. Zeitexpan-
der eingesetzt. Ein Zeitexpander führt analog zu einem Frequenzteiler eine
Zeittransformation durch, d. h. ein kurzes Zeitintervall wird in ein länge-
res überführt. Beim Schwebungsfrequenz-Zeitexpander werden zwei phasen-
starr verbundene Rechteckoszillatoren G1 und G2 mit den Pulsfolgefrequenzen
f1 = 1/T1 und f2 = 1/T2 vom Start- bzw. vom Stop-Signal des zu messenden
Zeitintervalls TX gestartet (Abb. 12.7). Dabei wird vorausgesetzt, dass das
Zeitintervall TX kürzer ist als die Periodendauer T1 . Da die Pulsfolgefrequenz
f2 geringfügig größer ist als f1 , wird nach einer Zeit TKoinzidenz erstmalig die
Phasenkoinzidenz der beiden Oszillatoren erreicht sein. Wenn man von Run-
dungsfehlern absieht, kann die Koinzidenzzeit TKoinzidenz wie folgt berechnet
werden
TKoinzidenz = TX + NX T2 = NX T1 . (12.8)
TX = NX (T1 − T2 ) (12.9)
TKoinzidenz T1
dt = = . (12.10)
TX T1 − T2
Abbildung 12.8 zeigt eine entsprechende Schaltung mit den dazugehörigen
12.3 Digitale Zeitmessung 417
ist der Zähler, der die G1 -Pulse zählt, zu stoppen und der Zählerstand zur
Auswertung nach Gl. (12.9) heranzuziehen. Schaltungstechnisch wird dies
durch die Rückkopplung der Q3 - und Q4 -Ausgänge erreicht. Dadurch kann
das T4 -Flip-Flop erstmals kippen (dazu muss T4 = 1 sein und gleichzeitig
eine positive Taktflanke am Takteingang anliegen), wenn die ansteigende G2 -
Taktflanke früher eintrifft als die korrespondierende des G1 -Signals. Dies wird
möglich, da diese (korrespondierende) G1 -Taktflanke jedesmal das T3 -Flip-
Flop auf Q3 = 1 bzw. Q3 = 0 schaltet, sodass das T4 -Flip-Flop wegen T4 = 0
gegen ein Umschalten verriegelt wird. Erst bei einem früheren Eintreffen fin-
det die ansteigende G2 -Flanke ein mit T4 = 1 umschaltbares T4 -Flip-Flop vor.
Durch diesen Schaltvorgang wird der Zähler über das UND-Gatter an seinem
Eingang gestoppt. Gleichzeitig kann anhand des Q4 -Signals erkannt werden,
wann die Messung zu Ende ist.
12.3.2 Periodendauermessung
Bei der Periodendauermessung wird das Messsignal uE (t) von einem Schmitt-
Trigger zunächst in ein Rechtecksignal mit derselben Periodendauer umge-
formt. Die beiden T-Flip-Flops der in Abb. 12.9 gezeigten Schaltung bewir-
ken, dass bei einer ansteigenden Flanke der Signalspannung uSt das Q1 -Signal
auf 1 geht, wenn vorher beide Flip-Flops zurückgesetzt waren. Über das am
UND-Gatter anliegende Q1 -Signal (Q1 = 1) wird der Zähler dadurch für ge-
nau eine Periode der Dauer TX geöffnet (Abb. 12.9b). Aus dem während dieser
12.8 Oszillatoren
12.8.1 Grundlagen
Unter dem Begriff Oszillator versteht man in der Elektrotechnik eine Schal-
tung, die der Erzeugung ungedämpfter Schwingungen mit definierter Frequenz
und konstanter Amplitude dient. Der Schwingungserzeuger (Oszillator) er-
scheint dabei in einem elektrischen Netzwerk als ein aus aktiven und passi-
ven Bauelementen bestehender Zwei- oder Vierpol. Der Begriff Oszillator ist
aber nicht auf das Gebiet der Elektrotechnik beschränkt. So bezeichnet ein
Oszillator allgemein ein schwingendes Gebilde, wie z. B. das einfache Masse-
Feder-System, welches einen typischen mechanischen Oszillator repräsentiert.
Man unterscheidet zwischen harmonischen Oszillatoren und Relaxationsoszil-
latoren. Harmonische Oszillatoren erzeugen Schwingungen mit harmonischem
12.8 Oszillatoren 423
d2 x
m + cx = 0 . (12.20)
dt2
Dabei bezeichnen m die Masse des Schwingers und t die Zeitvariable. Die
Lösung von Gl. (12.20) liefert die harmonische Schwingung in Form einer
zeitlich sinusförmigen Auslenkung
d2 u 1
C + u=0. (12.23)
dt2 L
In Gl. (12.23) bezeichnen C die Kapazität, L die Induktivität und u die Span-
nung an den beiden (parallelgeschalteten) Elementen. Die Lösung ergibt sich
analog zu Gl. (12.21)
u(t) = Û sin(ω0 t + ϕu ) (12.24)
mit
1
ω0 = √ . (12.25)
LC
Harmonische Oszillatoren werden oft auch direkt als Sinusgeneratoren be-
zeichnet.
Im Gegensatz zu den harmonischen Oszillatoren dienen die Relaxations-
oszillatoren der Erzeugung periodischer Signale mit nicht-sinusförmigem Ver-
lauf, insbesondere werden sie zum Generieren von periodischen Rechteck- und
Dreiecksignalen herangezogen. Die Schaltungen von Relaxationsoszillatoren
424 12 Die Messung von Frequenz und Zeit
Die Schwingbedingung ist erfüllt, wenn sich für ein verschwindendes Eingangs-
signal (U E → 0) eine harmonische Ausgangsspannung U A mit konstanter
Amplitude einstellt. Die Schwingbedingung ergibt sich aus der Polstelle der
Gesamtübertragungsfunktion nach Gl. (12.26)
V ·K =1. (12.27)
Wenn man Gl. (12.27) nach Betrag und Phase aufspaltet, ergeben sich zwei
Bedingungen, nämlich die Amplitudenbedingung
| V |= | K |−1 (12.28)
12.8.3 LC-Oszillator
1
= R1 (1−ω 2 LC)
. (12.32)
1+ jωL
Gleichung (12.33) ist erfüllt, wenn der Realteil des Ausdruckes auf der linken
Seite gleich Eins wird und der Imaginärteil verschwindet.
426 12 Die Messung von Frequenz und Zeit
Daraus folgt
R2 + R3
=V =1 (12.34)
R3
und die Resonanzkreisfrequenz ω0 des Oszillators
1
ω0 = √ . (12.35)
LC
Wenn also der Widerstand R2 zur Erfüllung von Gl. (12.34) R2 = 0 gewählt
wird, stellt sich eine stabile harmonische Schwingung mit konstanter Ampli-
tude ein. Die Frequenz f0 (Resonanzfrequenz) dieser Spannung beträgt gemäß
Gl. (12.35)
1 1 1
f0 = ω0 = √ . (12.36)
2π 2π LC
Die diese Schwingung beschreibende allgemeine (d. h. die Schwingbedingung
muss nicht erfüllt sein) Differentialgleichung erhält man, wenn man die Kno-
tengleichung am nicht-invertierenden Eingang des Operationsverstärkers auf-
stellt, d. h. es müssen die drei in den Knoten einfließenden Teilströme von
Kondensator C, Spule L und Widerstand R1 in Summe Null ergeben. Damit
erhält man die folgende Differentialgleichung
t
uA (t) − uC (t) duC (t) 1
−C − uC (t ) dt − iL (t0 ) = 0 . (12.37)
R1 dt L t0
d2 uC 1 − V duC 1
+ · + · uC = 0 . (12.39)
dt2 R1 C dt LC
Der für den Oszillatorbetrieb relevante Fall α2 < ω02 führt zu folgender Lösung
der Differentialgleichung
uC (t) = Û e−αt sin ω02 − α2 · t + ϕuC , (12.40)
wobei gilt
1−V
α= . (12.41)
2R1 C
Demnach hat man die folgenden drei Fälle zu unterscheiden:
1. V < 1, d. h. α > 0
Die Amplitude der Ausgangsspannung nimmt exponentiell mit der Zeit
ab, d. h. die Schwingung ist gedämpft.
12.8 Oszillatoren 427
2. V = 1, d. h. α = 0
Dies ist der bereits oben behandelte Fall einer Sinusschwingung mit kon-
stanter Amplitude und der Frequenz f0 . Mit diesem Wert für α bzw. V
ist die Schwingbedingung exakt erfüllt.
3. V > 1, d. h. α < 0
Bei Verstärkungsgraden V > 1 steigt die Amplitude der Ausgangsspan-
nung exponentiell an. Dieser Zustand ist lediglich in der Einschaltpha-
se (Anschwingphase) erwünscht. Der exponentielle Anstieg wird automa-
tisch durch die daraus resultierende Übersteuerung des Verstärkers be-
endet, woraufhin sich stets automatisch der gewünschte stabile Zustand
(Verstärkungsgrad V = 1) einstellt.
12.8.4 Relaxationsoszillatoren
uC = UK2 und die Ausgangsspannung uA = +UB sind, lädt sich der Kon-
densator C über den Widerstand R auf. Zum Zeitpunkt t = T /2 wird die
Umschaltschwelle UK1 erreicht
R2
UK1 = UB . (12.44)
R1 + R2
Dabei kippt der Operationsverstärkerausgang infolge der Mitkopplung auf
uA = −UB , woraufhin der Kondensator entladen wird. Zum Zeitpunkt t = T
wird die negative Schwellenspannung UK2 = −UK1 erreicht und die Kompara-
torausgangsspannung springt wieder auf uA = +UB . Auf diese Weise entsteht
ein Rechtecksignal mit den Amplituden ±UB . Die Periodendauer T dieser
Rechteckspannung lässt sich anhand des Zeitverlaufes der Kondensatorspan-
nung uC (t) errechnen, welche sich für den Aufladevorgang wie folgt ergibt
(Abb. 12.17)
R1 + 2R2 − t
uC (t) = UB 1 − e RC . (12.45)
R1 + R2
Weiterhin gilt
T
uC = UK1 (12.46)
2
T R1 + 2R2 −T /2RC R2
uC = UB 1 − e = UB . (12.47)
2 R1 + R2 R1 + R2
u1
3
2 U0
U0
USW = 2
u2
1 1 uA - U0 t
2
R C u2
u1
t
uA
Τ/2 Τ/2
t
a) b)
logisch negierten Wert von u2 entspricht (Abb. 12.18b). Demzufolge wird der
Kondensator über den Widerstand abwechselnd geladen und entladen. Wenn
die Schaltschwelle USW des Komparators genau in der Mitte zwischen den
beiden Ausgangspegeln liegt, ergibt sich die Schwingungsdauer wiederum zu
12.8.5 Quarzoszillator
Die Genauigkeit bei der digitalen Zeit- bzw. Frequenzmessung hängt neben
dem Quantisierungsfehler im Wesentlichen von der Genauigkeit der verwende-
ten Referenzfrequenz bzw. Referenzzeit ab. Der bei einer Messung erhaltene
Zählerstand N = f T ist sowohl proportional der Messzeit T als auch pro-
portional der Messfrequenz f . Bei der digitalen Zeitmessung muss also die
Referenzfrequenz fref und bei der digitalen Frequenzmessung die Referenz-
zeit Tref konstant gehalten werden. Im Rahmen praktischer Schaltungen wird
dies in beiden Fällen im allgemeinen durch einen Quarzoszillator gewähr-
leistet, an dessen Frequenzkonstanz demzufolge hohe Anforderungen gestellt
werden. Dafür geeignete piezoelektrische Resonatoren bestehen üblicherweise
aus natürlichen Quarzkristallen (SiO2 ) mit bestimmter Kristallorientierungs-
richtung und definierten geometrischen Abmessungen.
z
(optische Achse)
z Q
AT Q
BT y
j (mechanische
Achse)
y x
(elektrische Achse)
x
= >
Abb. 12.19. Quarzkristallschnitte: a) Quarzkristall (SiO2 ) mit seinen Achsen und
Darstellung der Orientierung des AT- sowie des BT-Schnittes, b) Schnittwinkel θ
und ϕ zwischen Schwingquarz und optischer (z) Achse bzw. elektrischer (x) Achse
12.8 Oszillatoren 431
gegeben ist. Dabei bezeichnen d die Dicke des Quarzplättchens, seine Dich-
te, cD
66 den maßgebenden elastischen Schermodul und c die Ausbreitungs-
geschwindigkeit der Scherwelle und n die Ordnung der Harmonischen. Das
(1)
Produkt aus Grundwellenresonanzfrequenz fp und Schwingerdicke d ist eine
Konstante, die sog. Frequenzkonstante N , deren Wert sich aus den Material-
daten des verwendeten Schwingquarzes ergibt
⎧
⎨ 1, 67 MHz mm für AT-Schnitt
fp(1) d = N = . (12.52)
⎩
2, 50 MHz mm für BT-Schnitt
(12.54)
j ω 2 L1 C1 − 1
Z Q ≈ jX = . (12.55)
ω C0 + C1 − ω 2 L1 C1 C0
Bei der Parallelresonanzfrequenz fp des Quarzes strebt der Reaktanzanteil
der Eingangsimpedanz gegen unendlich (X → ∞). Damit lässt sich fp aus
der Polstelle der Funktion Z Q (Gl. (12.55)) ermitteln
1 C1
fp = √ 1+ . (12.56)
2π L1 C1 C0
1 1
fs = √ . (12.57)
2π L1 C1
Abbildung 12.22 zeigt die Schaltung eines Quarzoszillators, bei welcher der
Quarz im Mitkopplungszweig eines Operationsverstärkers liegt. Nur bei der
Serienresonanzfrequenz des Schwingquarzes ist die Schwingbedingung erfüllt
434 12 Die Messung von Frequenz und Zeit
und die Impedanz Z Q des Quarzzweipols betragsmäßig so gering, dass bei die-
ser Frequenz eine ungedämpfte harmonische Schwingung zustandekommt. Für
alle anderen Frequenzen stellt der Quarz aufgrund seiner hohen Impedanzwer-
te ein Sperrfilter dar. Der LC-Schwingkreis am Eingang dient dabei lediglich
dem sicheren Anschwingen der Oszillatorschaltung auf der Grundwelle bzw.
auf der gewünschten Oberwelle.
a (K-1)
10-4
1 HT
0 DT BT AT CT
2
-4
-10
-90° -60° -30° 0° 30° 60° 90° Schnittwinkel Q
a)
Df
f
2·10-5
J0
0
-2·10-5
-20 0 20 40 60 80 100 J (°C)
b)
Der absolute Fehler ΔTX bei der Messung eines Zeitintervalls TX ergibt sich
aus der Anwendung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes auf Gl. (12.2) zu
∂TX ∂TX
ΔTX = Δfref + ΔNX . (12.61)
∂fref ∂NX
Daraus lässt sich leicht der entsprechende maximale relative Fehler ableiten
ΔTX Δfref ΔNX
= +
TX fref NX . (12.62)
In Gl. (12.62) beziffert der Term ΔNX /NX den bereits in Kap. 12.3.1 ange-
sprochenen Quantisierungsfehler (Zählfehler), der sich wie folgt angeben lässt
ΔNX ±1 1 1
=
NX NX = NX = fref TX . (12.63)
Der Term Δfref /fref in Gl. (12.62) hingegen beschreibt den Fehler der Zeitba-
sis, d. h. die relative Frequenzabweichung des Quarzoszillators. Dieser Fehler
12.9 Fehler bei der digitalen Zeitintervall- bzw. Frequenzmessung 437
liegt bei praktischen Zählern in der Größenordnung 10−7 ≤ Δfref /fref ≤ 10−5 .
Abbildung 12.24 (TX -Achse) zeigt den gesamten relativen Fehler bei der Zeit-
messung für den beispielhaften Fall, dass die Frequenz des Referenzsignals fref
= 1 MHz und der relative Fehler der Zeitbasis 10−6 betragen.
Der maximale relative Fehler bei der Frequenzmessung ergibt sich analog zu
Gl. (12.61)
ΔfX ΔTref ΔNX ΔTref
= + = + 1 = ΔTref + 1
fX Tref NX Tref NX Tref Tref fX . (12.64)
Der Ausdruck ΔTref /Tref entspricht dabei wiederum dem relativen Fehler der
Zeitbasis. Damit ergibt sich im Prinzip wieder derselbe relative Messfehler wie
bei der Zeitintervallmessung Gl. (12.62). Er kann aus Abb. 12.24 abgelesen
werden, wenn die fX -Achse verwendet wird. Für die Berechnung des relativen
Fehlers bei der Frequenzmessung wurden eine Torzeit von Tref = 1 s sowie ein
Zeitbasisfehler von ΔTref /Tref = 10−6 angenommen.
Die großen Messfehler bei der Messung tiefer Frequenzen (Abb. 12.24) lassen
sich umgehen, wenn man eine Reziprokmessung durchführt, d. h. anstatt der
Frequenz die Periodendauer misst und den Kehrwert bildet.
Wenn man den Fehler der Zeitbasis zunächst vernachlässigt, ergibt sich
durch Anwendung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes auf Gl. (12.11) der relative
Messfehler bei der Periodendauermessung zu
ΔTX 1 1 fX
= = = . (12.65)
TX NX fref TX fref
Der relative Fehler hängt also lediglich vom Verhältnis Messfrequenz fX zu
Referenzfrequenz fref ab.
Wenn man beispielsweise fref = 1 MHz annimmt, so wird der Fehler einer
Standardquarzzeitbasis von 10−6 erst bei einer Frequenz von 1 Hz erreicht.
Für höhere Frequenzen dominiert der Quantisierungsfehler. Von praktischer
Bedeutung ist noch die Messfrequenz fXeq , bei der die Periodendauermes-
sung (Reziprokmessung) und die direkte Frequenzmessung auf den gleichen
relativen Fehler führen. Das Gleichsetzen der relativen Fehler führt unter Ver-
nachlässigung der Zeitbasisfehler zu
2 fref
fXeq = , (12.66)
Tref
wobei fref die Taktfrequenz bei der Periodendauermessung und Tref die Torzeit
bei der Frequenzmessung bedeuten. Wenn beispielsweise diese Taktfrequenz
zu fref = 1 MHz und die Torzeit zu Tref = 1 s gewählt werden, ergibt sich für
beide Messprinzipien der gleiche Fehler bei fXeq = 1 kHz. Unterhalb dieser
Frequenz führt die Periodendauermessung (reziproke Frequenzmessung) zu
geringeren Messfehlern, während sich im Frequenzbereich oberhalb fXeq die
direkte Frequenzmessung als günstiger erweist (Abb. 12.25).
Abb. 12.25. Relativer Messfehler bei der digitalen Frequenzmessung (direkte Mes-
sung und Reziprokmessung). Es wurde eine Taktfrequenz fref = 1 MHz für die Peri-
odendauermessung sowie eine Torzeit Tref = 1 s für die Frequenzmessung angenom-
men. Der relative Fehler der Zeitbasis liegt bei 10−6 .
12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 439
Eine Atomuhr ist eine Uhr, deren Zeittakt aus atomaren Schwingungszuständen
abgeleitet wird. Für die genauesten Uhren verwendet man das nicht-radioaktive
Isotop 133 des Elements Cäsium. Die Resonanzfrequenz beim Übergang (sog.
Hyperfeinstruktur-Übergang) zwischen zwei ausgewählten Energiezuständen
dieses Cäsium-Atoms ist temperaturunabhängig, sehr langzeitstabil und be-
trägt 9 192 631 770 Hz. Im Jahre 1967 wurde die SI-Einheit ’Sekunde’ über
diesen Wert festgelegt (sog. SI-Sekunde).
Um die Resonanzfrequenz des Hyperfeinstruktur-Übergangs messen zu
können, muss zunächst einer der beiden besagten Energiezustände selektiert
werden, was entweder durch optisches Pumpen mit Laserlicht bewerkstelligt
werden kann oder indem man den Atomstrahl durch ein starkes inhomoge-
nes Magnetfeld schickt. Die Hyperfeinstruktur-Übergänge und die Messung
der o. g. Resonanzfrequenz finden schließlich in einem speziellen Mikrowel-
lenresonator statt. Näheres zu dieser Technik findet der interessierte Leser
beispielsweise in folgenden Referenzen: [137], [126]. Auf dieser Basis arbeiten
derzeit die vier Cäsium-Atomuhren CS1 bis CS4 bei der PTB. Es handelt
sich hierbei um Zeitnormale, die weltweit zu den genauesten Uhren zählen.
So weicht die von der in Braunschweig installierten Atomuhr CS2 bestimmte
Sekunde mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% um nicht mehr als ±1, 2 ·10−14
von der idealen SI-Sekunde ab. Dies entspricht einer Abweichung von einer
Sekunde in 2,5 Millionen Jahren.
Als 5. Zeitnormal betreibt die PTB eine noch genauere Uhr, eine sog.
Cäsium-Fontäne. Bei ihr werden die Cäsium-Atome auf eine Temperatur sehr
nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Dadurch werden die Atome in ih-
rer Fortbewegungsgeschwindigkeit sehr stark verlangsamt, was im Weiteren
zu einer längeren Beobachtungszeit (ca. 1 Sekunde) bei der Frequenzmessung
genutzt werden kann. Somit sind exaktere Messungen der o. g. Resonanzfre-
quenz möglich. Die Gangunsicherheit der Cäsium-Fontäne ist um den Faktor
10 geringer als der einer (Standard-)Cäsium-Uhr.
Auch das amerikanische Pendant zur Physikalisch-Technischen Bundesan-
stalt, das National Institute of Standards (NIST) in Boulder, Colorado, ent-
wickelt und betreibt Atomuhren mit hoher Ganggenauigkeit. So wurde auch
dort eine Cäsium-Fontäne mit dem Namen NIST-F1 entwickelt. Sie arbeitet
mit 6 Infrarot-Lasern, welche die Cäsium-Atome in Form eines kleinen lo-
kalen Clusters (Ball) zusammendrängen, was zu der bereits oben erwähnten
Abkühlung in den Bereich des absoluten Nullpunktes und infolgedessen zu ei-
ner Verlangsamung der Atombewegungen führt. Infolge kontinuierlicher tech-
nischer Verbesserungen konnte die Ungenauigkeit der NIST-F1 im Sommer
2005 auf ±5 · 10−16 abgesenkt werden, was einer Abweichung von 1 Sekunde
in 60 Millionen Jahren gleichkommt.
Weitere Einzelheiten und neuere Entwicklungen findet der interessierte
Leser auf der Homepage der PTB [137] unter der Rubrik Zeitnormale - Ar-
beitsgruppe 4.41 sowie auf der Homepage des National Institute of Standards
[126]. Von der letztgenannten Homepage aus lässt sich auch eine Videoanima-
tion zur Arbeitsweise einer Cäsium-Fontäne starten.
12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 441
Der Nachteil der oben beschrieben Cäsium-Atomuhren ist, dass sie technisch
sehr aufwendig sind und daher nur in einem speziellen Labor installiert wer-
den können. So sind sie nicht geeignet, in einem Satelliten betrieben zu wer-
den. Hierfür verwendet man aber ebenfalls Atomuhren. Anstatt des Elemen-
tes Cäsium nutzt man Resonanzen von Rubidium. Diese Rubidium-Uhren
sind wesentlich kleiner, leichter und preiswerter als Cäsium-Uhren. Moderne
Rubidium-Uhren erreichen bei einem Volumen von 40 cm3 und einem Lei-
stungsbedarf von 1 Watt eine Gangunsicherheit von nur ±3 · 10−12 , was einer
Abweichung von 1 Sekunde in 10.000 Jahren entspricht. Damit sind sie immer
noch um den Faktor 105 genauer als herkömmliche Quarzuhren. Aufgrund die-
ser Eigenschaften eignen sie sich in hervorragender Weise für den Einsatz in
mobilen Systemen, wie beispielsweise Satelliten.
Abb. 12.26. Modulation einer log. 0 bzw. einer log. 1 beim Zeitzeichensender
DCF-77
442 12 Die Messung von Frequenz und Zeit
Mit Hilfe beider Modulationsformen werden einmal pro Minute die Zahlen
übertragen, welche die aktuellen Werte für Minute, Stunde, Tag, Wochen-
tag, Monat und Jahr repräsentieren, und zwar bei der Amplitudenmodulation
durch Impulsdauermodulation der Sekundenmarken und bei der BPSK durch
Invertieren einer Pseudozufallsfolge. Abbildung 12.27 zeigt das Kodiersche-
ma und die Zuordnung zwischen übertragener Information und den einzelnen
Sekundenmarken. Die Sekunden innerhalb einer Minute sind über diese Am-
plitudenänderungen inkremental zu zählen. Das Fehlen der 59. Sekunde weist
auf den Beginn der folgenden Minute hin. Dabei werden Prüfbits zur Störer-
kennung verwendet [81].
12.10.3 NAVSTAR/GPS-Satellitennavigation
Bereits in den sechziger Jahren war erkennbar, dass die herkömmliche Funkna-
vigation den künftigen Anforderungen nicht mehr genügen würde. Zu diesen
Anforderungen gehört die weltweite dreidimensionale und hochpräzise Positi-
onsbestimmung in Echtzeit, wobei das System wetterunabhängig 24 Stunden
am Tag zur Verfügung stehen muss. Darüber hinaus sollen die Empfänger
leicht zu handhaben sein. Unter Federführung der US Air Force entwickelten
die amerikanischen Streitkräfte ab 1973 das NAVigation Satellite Timing
”
And Ranging/Global Positioning System (NAVSTAR/GPS)“, welches auch
für die zivile Nutzung freigegeben ist.
Systemaufbau
Das Gesamtsystem besteht aus drei Segmenten: 24 von der Firma Rockwell
entwickelte Satelliten, welche verteilt auf sechs Kreisbahnen in circa 20 000 Ki-
12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 443
lometern Höhe die Erde in ungefähr 12 Stunden je einmal umlaufen, bilden das
Raumsegment. Auf der Erdoberfläche befindet sich das Kontrollsegment,
bestehend aus fünf weltweit verteilten Monitorstationen zur Satellitenbeob-
achtung und einer Master Control Station, um die Bahndaten der Satelliten
vorauszuberechnen und das Verhalten der Satellitenuhren zu extrapolieren,
sowie Bodenantennen, um die ermittelten Werte an die Satelliten zu senden.
Das Benutzersegment wird von allen militärisch und zivil genutzten GPS-
Empfängern gebildet (Abb. 12.28). Jeder Satellit strahlt permanent ein kodier-
tes Signal ab (Frequenzen 1575,42 bzw. 1227,60 MHz), welches unter anderem
die genaue interne Satellitenzeit und die aktuellen Bahndaten des Satelliten,
insbesondere seine aktuelle Position, enthält. Zu diesem Zweck sind die Sa-
telliten mit jeweils vier hochgenauen Atomuhren ausgestattet. Die absolute
Genauigkeit der in den GPS-Satelliten im Einsatz befindlichen Rubidium-
Uhren wird mit 3 · 10−9 Sekunden angegeben. Ein Benutzer empfängt die
Signale und misst die Laufzeit zwischen dem Zeitpunkt des Sendens am Satel-
liten und dem Empfangszeitpunkt. Wird nun die gemessene Laufzeit mit der
Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen multipliziert, so
erhält man die Entfernung zwischen dem Empfänger und dem Satelliten, des-
sen Signal empfangen wurde. Im Idealfall lässt sich mit einer Messung eine
Kugelstandfläche ermitteln, das heißt, der Empfänger befindet sich auf einer
Kugeloberfläche mit dem angepeilten Satelliten im Mittelpunkt. Aus diesem
Grund werden die genauen Positionsdaten des Satelliten mitgesendet. Misst
man gleichzeitig die Signale zweier Satelliten, so befindet man sich auf der
Schnittlinie der beiden zugehörigen Kugelstandflächen, also einer Kreisstand-
linie. Bei einer dritten Messung erhält man den genau definierten Standort
des Empfängers. Da jedoch die Empfänger aus Kostengründen anstatt mit
Beschränkung betrug die Genauigkeit lediglich ± 100 Meter. Es ist dem Ver-
teidigungsministerium der Vereinigten Staaten jedoch weiterhin möglich, die
für zivile Nutzer zugänglichen Daten und Signale beispielsweise in Kriegsge-
bieten gezielt zu verfälschen bzw. abzuschalten, was dann mit dem Begriff
Selective Deniability bezeichnet wird.
12.10.4 Galileo-Satellitennavigation
Systemaufbau
Dienstleistungen
Das von der EU geplante Navigationssystem soll vor allem der zivilen Nutzung
zu Gute kommen. Es sind fünf Ortungs-Dienstleistungen geplant:
• Open Service: frei verfügbar
Zielapplikation: Konsumergeräte
• Safety of Life“ Service: sehr genaue Ortsauflösung, hohe Datenper-
”
formance, hohe Sicherheit
Zielapplikation: Navigation für Flugzeuge, Schiffe und Züge
• Commercial Service: gebührenpflichtig, Ortsauflösung lokal angeblich
bis zu 10 cm [49], verschlüsselter Datentransfer
Zielapplikation: Daten-, Zeit- und Hochpräzisionsdienstleistungen
• Public Regulated Service: garantierte Verfügbarkeit unter schwersten
Bedingungen; verschlüsselter Datentransfer
Zielapplikation: Dienste für öffentliche Organe, beispielsweise Polizei
• Search and Rescue Service: Echtzeitübertragung von Notsignalen, ge-
naue Ortsauflösung von wenigen Metern
Zielapplikation: humanitäre Hilfs- und Rettungsdienstleistungen interna-
tionaler Vereinigungen.
Kompatibilität zu GPS
In einem Vertrag zwischen der EU und USA wurde im Jahre 2004 verein-
bart, dass Galileo zu GPS kompatibel sein wird. Die Frequenzbänder L1 bei
1575, 42 MHz und L5 bei 1176, 45 MHz werden von beiden Systemen gemein-
sam benutzt. Das L2-Band (1227, 6 MHz) ist für GPS reserviert, während
Galileo das Band E6 (1278, 75 MHz) allein nutzt. Wenn das Galileo-System
vollständig ausgebaut ist, werden sich also 60 zur Navigation nutzbare Sa-
telliten im All befinden. Die im Durchschnitt erreichbare Genauigkeit der
Ortsbestimmung lässt sich mit einer solche hohen Anzahl an Satelliten prin-
zipiell erhöhen, da im Mittel mehr Satellitensignale an einem Ort gleichzeitig
empfangen werden können.
• Kennlinien-Korrektur
• Filterung
• Mittelwertbildung
• Korrelationsbildung
• Bildung von Verteilungsfunktionen
• Ermittlung von speziellen Kenngrößen, wie z. B. dem Klirrfaktor
• Ausführen mathematischer Operationen, wie z. B. Multiplizieren, Dividie-
ren, Quadrieren, Radizieren, etc.
• Effektivwertermittlung.
Grundsätzlich ist zwischen analoger und digitaler Messsignalverarbeitung zu
unterscheiden. Als Vorteile der Analogtechnik sind unter anderem das hohe
Auflösungsvermögen und die hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit zu nennen.
Außerdem entfallen die bei digitalen Systemen stets benötigten Module zur
Abtastung und Analog-Digital-Umsetzung.
Im Zuge der in den letzten Jahrzehnten zu beobachtenden Qualitätsver-
besserungen elektronischer Digital-Bausteine (insbesondere in bezug auf Ge-
schwindigkeit und Auflösung) bei gleichzeitig stark reduziertem finanziellen
Aufwand werden die Systeme zur analogen Signalverarbeitung zunehmend
von digitalen abgelöst. So lassen sich mit Hilfe universeller digitaler Systeme,
wie z. B. digitaler Signalprozessoren (DSP), komplexe Aufgaben wie Funktio-
naltransformationen relativ leicht in Form von Computerprogrammen imple-
mentieren, die bei Analoglösungen einen entsprechenden Aufwand an Hard-
ware notwendig machen. Der Beitrag der analogen Messsignalverarbeitung
hingegen wird sich künftig vor allem auf Spezialprobleme bzw. Aufgaben mit
höchsten Geschwindigkeitsanforderungen konzentrieren. Mit den Möglichkei-
ten der modernen digitalen Signalverarbeitung lassen sich nun auch anspruchs-
volle messtechnische Aufgabenstellungen bewältigen, die in der Vergangenheit
oft aus Mangel an geeigneter Hardware oder auch aus Kostengründen nicht
angegangen wurden. Die Möglichkeit, komplexe Signalverarbeitungsaufgaben
auf dem PC bzw. auf einem daran angeschlossenen digitalen Signalprozessor
zu bearbeiten, erlaubt auch dem Messtechniker, auf preiswertem Wege die
Methoden der modernen digitalen Signalverarbeitung zu nutzen.
Während die analoge Technik meist teure (Spezial-) Hardware in Form von
Einzweckgeräten voraussetzt, lässt sich die digitale Signalverarbeitung - von
Problemen mit sehr hohen Geschwindigkeitsanforderungen einmal abgesehen
- auf einem General-Purpose-Rechner, wie z. B. einem PC oder einer Work-
station, bzw. auf einem universellen digitalen Signalprozessor relativ einfach
softwaremäßig implementieren. Einzige Voraussetzung ist die korrekte zeitli-
che Abtastung des Signals sowie die anschließende Analog-Digital-Umsetzung
(Kap. 11.6) der in der Regel in analoger Form vorliegenden Messsignale. Der
große Vorteil des digitalen Konzeptes besteht in der hohen Flexibilität der
entsprechenden softwaretechnischen Implementierungen.
13.2 Signalarten und Analyseformen 453
nicht-stationäre
Signale
kein konstanter
nicht- Mittelwert
deterministische
Signale
Rauschen stationäre
Signale
konstanter
Mittelwert
transiente
Signale
analoge
Pulse
Signale
nicht-periodische
Signale
quasi-periodische
Signale
deterministische
Signale
vorhersagbar
allg. periodische
Signale
periodische
Signale
harmonische
Signale
Sinus
Dividierer
Ein Analog-Dividierer lässt sich mit der in Abb. 13.4 gezeigten Operations-
verstärkerschaltung realisieren. Wenn man die Eingangsdifferenzspannung uD
idealerweise zu Null annimmt, kann man aus Gleichung
uE1 uA
uD = uE2 − =0 (13.1)
E
ableiten, dass sich die Ausgangsspannung uA durch Division der beiden Ein-
gangsspannungen ergibt
uE2
uA = E . (13.2)
uE1
Radizierer
Wenn man hingegen beide Eingänge des Multiplizierers mit dem Operations-
verstärkerausgang verbindet (Abb. 13.5), entsteht aufgrund der Beziehung
u2A
uD = uE1 − =0 (13.3)
E
ein Radizierer, solange die Eingangsspannung positiv bleibt (uE1 ≥ 0). Daraus
folgt
uA = EuE1 . (13.4)
456 13 Messsignalverarbeitung
Frequenzverdoppler
Mit Hilfe des in Abb. 13.6 gezeigten Quadriererbausteins und dem nachge-
schalteten Hochpassfilter lässt sich ein Frequenzverdoppler realisieren. Wenn
man nämlich die Sinusspannung
uE = Û sin ωt (13.5)
1 Û 2
uA = cos 2ωt . (13.7)
2 E
Das heißt, man erhält am Ausgang ein Signal mit sinusförmigem Zeitverlauf,
das in bezug auf das Eingangssignal die doppelte Frequenz und eine mit dem
Faktor Û /(2E) multiplizierte Amplitude aufweist.
Dabei wurde angenommen, dass sich das stationäre Zeitsignal x(t) aus einem
Gleich- μx und einem Wechselanteil Δx(t) zusammensetzt
Ein nicht unwesentlicher Nachteil der in Abb. 13.7 gezeigten Schaltung besteht
in der Einschränkung ihres Dynamikbereiches, was letztlich auf die Quadrie-
rung des Eingangssignals zurückzuführen ist. Wenn die Schaltung aufgrund
ihrer hohen Bandbreite dennoch eingesetzt wird, muss im Allgemeinen die
Eingangsdynamik auf etwa 20 dB, d. h. also ein Verhältnis von 1:10 zwischen
kleinster und größter Eingangsspannung, begrenzt werden, um den Gesamt-
fehler gering (typischerweise ca. 0,1 %) zu halten.
Die Schaltungsvariante nach Abb. 13.8 hingegen deckt einen wesentlich
größeren Dynamikbereich ab, da die Quadrierung am Eingang mit einer gleich-
zeitigen Division verbunden ist. Diese Division ersetzt die ansonsten notwen-
dige Radizierung am Ausgang. Infolge dieser Schaltungstechnik variiert die
Signalamplitude innerhalb der gesamten Schaltung nur linear mit der Ein-
gangsamplitude, womit eine entsprechende Dynamikerweiterung verbunden
ist. Die Ausgangsspannung des kombinierten Quadrierer-Dividierer-Bausteins
beträgt
u2
u1 = E . (13.12)
uA
Der nachgeschaltete Tiefpass führt die zeitliche Mittelwertbildung durch
T
u2E 1 u2E (t)
u1 = = dt . (13.13)
uA T 0 uA (t)
Der Effektivwert wurde anhand von Gl. (6.89) für einen periodischen Span-
nungsverlauf definiert. Dabei wird über eine Zeitdauer T integriert, die der
Periodendauer entspricht. Es stellt sich nun aber noch die Frage, wie der
Effektivwert für nicht-periodische Signalverläufe ermittelt werden kann. Wir
wollen dazu von einem allgemeinen Zeitsignal ausgehen, dessen Effektivwert
auch keineswegs zeitlich konstant sein muss, d. h. es existiert ein Effektivwert
ueff (t), der zeitlich variieren kann.
Dieser allgemeine Fall einer zeitlich beliebig verlaufenden Spannung u(t)
wird von den Effektivwert-Messschaltungen nach Abb. 13.7 und 13.8 ebenfalls
abgedeckt. Man erhält am Ausgang eine Spannung uA , die dem Kurzzeitef-
fektivwert uT eff entspricht
uA = uT
eff (τ ) . (13.18)
460 13 Messsignalverarbeitung
Dabei hängt der von der Schaltung ausgegebene Wert von der Integrations-
dauer T ab, die hier im Gegensatz zu periodischen Signalen nicht mehr der
Periodendauer, sondern einer frei wählbaren Integrationszeit entspricht
T 1 τ
ueff (τ ) = u2 (t) dt . (13.19)
T τ −T E
Man erhält so einen zeitlich sich verändernden Effektivwert, welcher der Ener-
gie des Signales im Integrationszeitraum entspricht. In der Praxis muss sich
diese Integrationsdauer T an der Geschwindigkeit orientieren, mit der sich
der Effektivwert ändert bzw. auch daran, welche Information man dem Effek-
tivwert gerade entnehmen möchte. So kann man bei der Effektivwertmessung
von Audiosignalen mit den typischerweise verwendeten Schallpegelmessern bei
der Intgerationszeit zwischen Impulsauswertung, schnell und langsam wählen,
je nachdem, mit welcher Geschwindigkeit man das Signal gerade verfolgen
möchte.
Tip:
Auf der DVD-ROM befindet sich das LabVIEW-Programm
kurzzeiteffektivwert.vi, welches die Ermittelung des
Kurzzeiteffektivwertes demonstriert. Der Anwender kann
dort auf dem Frontpanel eine einzulesende wav-Datei auswählen und
die Integrationsdauer T für die Effektivwertberechnung einstellen. Nach
dem Start des Programms wird im Signalverlaufsgraph das Zeitsignal
sowie der Verlauf des Kurzzeiteffektivwertes dargestellt.
Arithmetischer Mittelwert
1
+N
μx = lim x(tn ) (13.20)
N →∞ 2N + 1
n=−N
bzw.
13.5 Bestimmung von Mittelungswerten 461
+T
1
μx = lim x(t) dt . (13.21)
T →∞ 2T −T
Da die Mittelungen aus gerätetechnischen Gründen nur über endliche Zeitin-
tervalle durchgeführt werden können, beschränkt man sich auf sog. Kurzzeit-
mittelwerte, welche lediglich Schätzwerte der obigen theoretischen Mittelwerte
sind. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Signalverlauf x(t) stationär ist, damit
der Mittelwert in der endlichen Beobachtungsdauer T repräsentativ für den
ganzen Signalverlauf ist. Diese Voraussetzung ist bei periodischen Signalen
exakt erfüllt, wenn die Beobachtungsdauer T gerade gleich einem ganzzahli-
gen Vielfachen der Periodendauer gewählt wird. Für periodische Signale mit
der Periodendauer N bzw. T vereinfachen sich die Gln. (13.20) und (13.21)
daher zu
1
N
μx = x(tn ) (13.22)
N n=1
bzw.
1 T
μx = x(t) dt . (13.23)
T 0
Der arithmetische Mittelwert entspricht bei stationären Signalen dem Gleich-
anteil eines Signals. Er wird auch als Moment 1. Ordnung bezeichnet. Bei der
zeitlichen Mittelung wird also der Gleichanteil xDC eines Signals von seinem
Wechselanteil xAC getrennt
Laufende Mittelung
Wenn man die Entstehung des Mittelwertes ab dem Vorliegen der ersten (bei-
den) Messwerte beobachten möchte, bietet sich die sog. laufende Mittelung
an, die wie folgt anhand des aktuellen Abtastwertes xn und des nach (n − 1)
Schritten berechneten Mittelwertes μn−1 durchgeführt werden kann
xn − μn−1
μn = μn−1 + . (13.25)
n
Die Richtigkeit dieser Formel lässt sich durch folgende Umformung beweisen
nμn−1 − μn−1 + xn
μn =
n
(n − 1)μn−1 + xn
=
n
n−1
(n − 1) (n−1)
1
xi + xn
i=1
=
n
1
n
= xi . (13.26)
n i=1
462 13 Messsignalverarbeitung
Ein Sonderfall der laufenden Mittelung ist die exponentielle Mittelung, bei
der ältere Messwerte stets geringer gewichtet werden als neuere. Diese Art
der Mittelung lässt sich durch ein Tiefpassfilter 1. Ordnung realisieren, wo-
bei bezüglich der Grenzfrequenz dieses Tiefpasses ein Kompromiss zwischen
schnellem Einschwingen des Mittelwertes (hohe Grenzfrequenz wünschens-
wert) und dem Eliminieren des von sehr tiefen Frequenzanteilen hervorgeru-
fenen stationären Fehlers (tiefe Grenzfrequenz günstig) geschlossen werden
muss.
Gleitende Mittelung
Bei der gleitenden Mittelung (moving averaging) wird ein arithmetischer Mit-
telwert über die letzten N Messwerte wie folgt gebildet
xn − xn−N
μn = μn−1 + . (13.27)
N
Für den Fall, dass die letzten N Samplewerte nicht mehr verfügbar sind, lässt
sich Gl. (13.27) durch folgendes Bildungsgesetz approximieren
xn − μn−N
μn ≈ μn−1 + . (13.28)
N
Dabei wurde der Samplewert xn−N durch den Mittelwert μn−N ersetzt.
Klirrfaktor
Durch Nichtlinearitäten in elektrischen (oder mechanischen) Schaltkreisen
entstehen Oberschwingungen mit den Amplituden û2 , û3 , ... eines ursprünglich
sinusförmigen Signals mit der (Grundwellen-)Amplitude û1 . Als Maß für diese
Oberschwingungen wird der Klirrfaktor k angegeben, welcher das Verhältnis
des Effektivwertes aller Oberwellen zum Effektivwert des Gesamtsignals an-
gibt
2 + U 2 + U 2 + ...
U2eff 3eff 4eff
k= 2 2 + U 2 + U 2 + ... 100%
U1eff + U2eff 3eff 4eff
û22 + û23 + û24 + ...
k= 100% . (13.29)
û21 + û22 + û23 + û24 + ...
464 13 Messsignalverarbeitung
Dabei bezeichnen
û1 : Amplitude der Grundwelle
U1eff : Effektivwert der Grundwelle
û2 , û3 , ...: Amplituden der Oberwellen
U2eff , U3eff , ... : Effektivwerte der Oberwellen.
Spektralanalyse
Die spektrale Zusammensetzung eines periodischen Signals lässt sich mit Hil-
fe eines abstimmbaren steilflankigen Bandpassfilters und eines Effektivwert-
oder Amplitudenmessgerätes auf analoger Basis messen. Dazu wird das Filter,
das durch seine Mittenfrequenz fm und seine Bandbreite Δf gekennzeichnet
ist, nacheinander auf die einzelnen Spektrallinien des periodischen Signals x(t)
abgestimmt. Die jeweiligen Ausgangsspannungen des Filters werden mit Hilfe
eines Effektivwertspannungsmessers ermittelt. Bei einer automatischen Mes-
sung wird die Mittenfrequenz des Bandpassfilters zwischen einer unteren fu
und einer oberen Grenzfrequenz f0 variiert und die jeweils gemessene Aus-
gangsspannung über der Frequenz aufgetragen.
Wenn ein reines Linienspektrum (d. h. man hat ein periodisches Eingangs-
signal) gemessen wird, entsteht aufgrund der Faltung der einzelnen Spektralli-
nien mit der Übertragungsfunktion des Bandpasses ein resultierendes Spek-
trum, das an den Stellen der Spektrallinien das Spektrum des Bandpas-
ses zeigt. Aus diesen Gründen ist es einleuchtend, dass die Bandpassüber-
tragungsfunktion so schmalbandig wie möglich sein sollte. Dies geht allerdings
zu Lasten der Einschwingzeit, die proportional mit 1/Δf ansteigt.
wobei x(t) und y(t) beliebige zeitkontinuierliche Funktionen sind. Die Kor-
relationsfunktionen bilden die Grundlage der Korrelationsmesstechnik, in der
die Ähnlichkeit von Signalverläufen ermittelt wird.
In der praktischen Messtechnik allerdings muss man bei der Anwendung der
obigen Definitionsgleichungen (Gln. (13.30) und (13.31)) vorsichtig sein, da
sich der Grenzübergang für T → ∞ in der Regel nicht mehr sinnvoll gestalten
lässt.
1. Energiesignale
Ein Signal x(t) wird als Energiesignal bezeichnet, wenn folgende Relation
erfüllt ist +∞ +∞
x(t) · x(t + τ )dt = |x(t)|2 dt < ∞ . (13.32)
−∞ −∞
2. Leistungssignale
Wenn das Integral nach Gl. (13.32) divergiert, aber der Grenzwert
+T +T
1 1
lim x(t) · x(t + τ )dt = lim |x(t)|2 dt < ∞ (13.33)
T →∞ τ →0 2T −T T →∞ 2T −T
3. Stationäre Signale
Ein stochastisches Signal (in diesem Zusammenhang oft auch als Prozess be-
zeichnet) wird als stationär bezeichnet, wenn seine statistischen Eigenschaften
zeitinvariant sind. So ist beispielsweise für stationäre Signale neben der Exi-
stenz von Mittelwerten auch deren zeitliche Konstanz gewährleistet.
4. Ergodische Signale
Aufgrund der Definition ergodischer Signale (siehe oben) ist die Ermittlung
von deren Autokorrelierten möglich, indem über ein beliebiges (endliches)
Zeitintervall gemittelt wird.
Energiesignale
Man darf allerdings nicht übersehen, dass die Korrelationsfunktionen mit ih-
ren entsprechenden Impulskorrelationsfunktionen bezüglich der Einheit nicht
mehr übereinstimmen. Bei Spannungssignalen beispielsweise ergeben sich die
Einheiten wie folgt
Rxx (τ ) [V 2 ] (13.35)
E 2
Rxx (τ ) [V s] . (13.36)
Dies bedeutet insbesondere auch, dass sich der Effektivwert (bzw. dessen Qua-
E
drat) nicht mehr aus Rxx (τ = 0) ergibt.
Wer diese Nachteile umgehen möchte, dem bleibt der Weg, stattdessen
Kurzzeitkorrelationsfunktionen zu ermitteln. Diese entsprechen den De-
finitionsgleichungen (Gln. (13.30) und (13.31)) mit dem Unterschied, dass
nicht der Grenzwert T → ∞ gebildet wird, sondern sich die zeitliche Mit-
telung auf ein endliches Zeitintervall T bezieht. Das heißt, dass anstatt der
13.7 Messung von Signaleigenschaften mittels Korrelationsfunktion 469
Wenn man eine Sprungfunktion ε(t) auf einen RC-Hochpass mit der Zeitkon-
stanten 1/α = RC gibt, so erhält man die (Sprung-)Antwort
A · e−αt für t ≥ 0
h(t) = . (13.39)
0 für t < 0
A2 −ατ A2 −ατ
T
R̂hh (τ ) = ·e (1 − e−6 ) ≈ ·e . (13.44)
6 6
Das Quadrat des entsprechenden Effektivwertes lässt sich gemäß
470 13 Messsignalverarbeitung
T A2
R̂hh (τ = 0) = h2 (t) = h2eff = (13.45)
6
bestimmen.
Die für die Mittelungsdauer T ermittelte Kurzzeitkorrelationsfunktion ent-
spricht im Übrigen der exakten Autokorrelationsfunktion Rxx (τ ) für eine sich
periodisch wiederholende Pulsfunktion h(t) mit der Periodendauer T .
Tip:
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das auf
beiliegender CD verwendete Programm LabVIEW in vie-
len Fällen ebenfalls diese Kurzzeitkorrelationsfunktionen be-
rechnet bzw. (gleichbedeutend) die exakte Korrelationsfunk-
tion der entsprechenden mit T periodischen Funktion. Durch
Festlegen der Abtastrate bzw. der Abtastdauer (Dauer zwischen zwei
Abtastzeitpunkten t) und der Anzahl N an Abtastungen wird auto-
matisch die Zeit T = N · t festgelegt. Man kann sie als Mittelungs-
dauer T bei der Berechnung des Kurzzeitkorrelationswertes interpretie-
ren oder alternativ als Periodendauer T , nach der sich das abgetastete
bzw. eingegebene Signal wiederholt. Betrachten Sie dazu das Programm
demo_kurzzeitkorrelationsfunktion.vi auf der CDROM.
Die sog. bezogenen Korrelationsfunktionen rxx bzw. rxy liefern aufgrund der
in den Gln. (13.51) und (13.52) beschriebenen Normierungen nur Werte im
Zahlen-Intervall [−1, +1]
Rxx (τ )
rxx = (13.51)
Rxx (0)
Rxy (τ )
rxy = . (13.52)
Rxx (0)Ryy (0)
Die Art und Weise, wie die Autokorrelationsfunktion vom Wert Rxx als Funk-
tion der Verschiebungszeitspanne τ abfällt, ist für die Erhaltungstendenz (in-
nere Kohärenz) des Signals x(t) charakteristisch. Diese innere Kohärenz eines
Signals lässt sich aus der sog. Kohärenzzeit τ0 ablesen, welche aus der Sub-
tangente der Autokorrelationsfunktion Rxx (τ ) an der Stelle τ = 0 wie folgt
ermittelt werden kann
−Rxx (0) Rxx (0)
τ0 = d
= d
. (13.53)
dτ Rxx (τ )|τ =0+ dτ Rxx (τ )|τ =0−
Aus der Größe des Produktmittelwertes bzw. dem Verlauf der Korrelations-
funktion kann man beispielsweise feststellen, ob ein unregelmäßiges Signal
eine verdeckte Periodizität besitzt. Außerdem lässt sich aus ihrem Verlauf
gegebenenfalls die Periodendauer dieser Periodizität ablesen (Abb. 13.16).
472 13 Messsignalverarbeitung
und
uM (t) = ûM sin(ωt + ϕM ) (13.56)
beispielsweise ergibt sich nach Auswertung von Gl. (13.30) zu
ûûM
RuuM (τ ) = cos(ωτ + ϕM − ϕ) . (13.57)
2
Sie verläuft also ebenfalls sinusförmig mit der Variablen τ und der Kreisfre-
quenz ω.
In Abbildung 13.17 werden die Autokorrelationsfunktionen von normal-
verteiltem und bandbegrenztem Rauschen verglichen.
Tip:
Diese Methode der Distanzmessung kann man anhand der
LabVIEW-Übungsaufgabe 2.4 auf der CD-ROM in einem
simulierten Experiment testen.
In der Akustik regt man dazu einen Lautsprecher mit einem (bandbegrenzten)
Rauschsignal an (Abb. 13.18), das im Folgenden als Sendesignal x(t) (Abb.
13.19a) bezeichnet wird. Um die Strecke Lx zwischen dem Lautsprecher und
einem Mikrophon zu messen, genügt es, das vom Mikrophon gelieferte Emp-
Abb. 13.18. Prinzip der Distanzmessung mit Hilfe akustischer Rauschsignale und
der Korrelationstechnik
474 13 Messsignalverarbeitung
Lx = cτ1 . (13.58)
Spektrale Leistungsdichte
+∞
Sxx (ω) = Rxx (τ )e−jωτ dτ
−∞
+∞
=2 Rxx (τ ) cos(ωτ ) dτ . (13.59)
0
Parcevalsches Theorem
Der Autokorrelationskoeffizient Rxx (0) gibt also die in dem Signal enthaltene
mittlere Gesamtleistung an und Sxx (ω) beschreibt die spektrale Leistungsver-
teilung des Signals. Dies bedeutet aber auch, dass sich das Leistungsdichte-
spektrum eines Signals und insbesondere auch das eines stochastischen (sta-
tionären) Signals durch Bandpassfilterung messtechnisch ermitteln lässt. Ein
steilflankiges Bandpassfilter mit der Mittenfrequenz f0 und der Bandbreite
Δf liefert das Zeitsignal x (t) und damit die Leistungsdichte bei der Frequenz
f0
1 2
Sxx (f0 ) = x , (13.62)
Δf
wobei die Bandbreite Δf klein werden muss, um die Mittelungsfehler gering
zu halten.
Abb. 13.23. Übertragung von deterministischen Signalen über ein lineares Netz-
werk, das durch die Übertragungsfunktion G(jω) beschrieben wird
Dabei geht allerdings die Phaseninformation des Signals verloren. Es gilt nach
[135]
S yy (ω) = S xy (ω) G(jω) , (13.64)
wobei S xy (ω) die spektrale Kreuzleistungsdichtefunktion zwischen den
Signalen x(t) (Eingangssignal) und y(t) (Ausgangssignal) ist (Rxy (τ ) ist die
entsprechende Kreuzkorrelierte)
∞
S xy (ω) = Rxy (τ )e−jωτ dτ . (13.65)
−∞
Der Inhalt von Gl. (13.67) wird in Abb. 13.25 graphisch dargestellt.
Bezogen auf Abb. 13.22 bedeutet dies, dass anstelle von Gl. (13.63) der
folgende Zusammenhang verwendet wird, der die spektralen Leistungsdichte-
funktionen S dd (ω) und S d̃d̃ (ω) der Signale d und d˜ nutzt
Dabei berechnet sich S dd nach Gl. (13.59) aus der entsprechenden Autokor-
relationsfunktion Rdd
+∞
S dd (ω) = Rdd (τ )e−jωτ dτ , (13.69)
−∞
Nach dem Parcevalschen Theorem (Gl. (13.61)) kann der häufig interessieren-
de quadratische Mittelwert d˜2 des Störsignals aus der spektralen Leistungs-
dichtefunktion des Störsignals und der Übertragungsfunktion des Messsystems
wie folgt berechnet werden
1 ∞ 1 ∞
d˜2 = S d̃d̃ (ω) dω = S dd (ω)|G2 (jω)|2 dω . (13.72)
π 0 π 0
Eine besondere Form der Störungsunterdrückung lässt sich durch ein sog.
Optimalfilter erreichen, das nach seinem Erfinder, Prof. Norbert Wiener, auch
als Wiener-Filter [195] bezeichnet wird. Bei diesem Filtertyp handelt es sich
480 13 Messsignalverarbeitung
um ein sog. Schätzfilter gemäß Abb. 13.28. Während man beim klassischen
Filterentwurf davon ausgeht, dass sich Nutz- und Störsignal frequenzmäßig
trennen lassen (siehe Abb. 13.26), da sie unterschiedliche Frequenzbereiche
dominieren, wird dies bei der Optimalfiltertechnik nicht vorausgesetzt, d. h.
Nutz- und Störsignal dürfen im selben Frequenzbereich liegen. Damit lässt
sich keine frequenzmäßige Trennung durch Unterteilung in Durchlass- und
Sperrbereich durchführen. Das Unterscheidungskriterium, welches hier genutzt
wird, basiert vielmehr auf den unterschiedlichen statistischen Eigenschaften
von Nutz- und Störsignal.
Das von Wiener vorgeschlagene Optimalfilter gestattet es also, das Nutzsi-
gnal anhand statistischer Eigenschaften von additiven Störungen zu trennen.
Ziel der Optimalfiltertechnik ist die bestmögliche Annäherung des Ausgangs-
signals x̂(t) an das ursprüngliche Messsignal x(t), d. h. das in Abb. 13.28
gezeigte Schätzfilter hat die Aufgabe, die bestmögliche Approximation des
Messsignals am Ausgang in Form von x̂(t) zu bewirken. Als Optimierungskri-
terium wird wiederum (s. Kap. 14.1) die mittlere quadratische Abweichung
zwischen Messsignal x(t) und Schätzsignal x̂(t) verwendet
e2 = [x̂(t) − x(t)]2 =
!
min. . (13.73)
Infolge des stochastischen Charakters des Störsignals n(t) handelt es sich auch
bei dem Differenzsignal e(t) zwangsläufig um ein Zufallssignal (Zufallsgröße,
Zufallsprozess) im mathematischen Sinne.
Wenn wir auf Gl. (13.73) das Parcevalsche Theorem (Gl. (13.61)) anwen-
den, erhalten wir
+∞
2
1
e = Ree (0) = See (ω) dω . (13.74)
2π −∞
13.9 Optimalfilter (Wiener-Filter) 481
^
x(t)
e(t)
- x(t)
Abb. 13.29. Das Fehlersignal e(t) entsteht aus der additiven Überlagerung des
Zufallssignales x̂(t) mit dem Messsignal x(t)
Dies bedeutet, dass die mittlere Leistung des Fehlersignals e2 = E{e2 (t)} 1
mit Hilfe des Leistungsdichtespektrums See (ω) ermittelt werden kann. Dieses
Leistungsdichtespektrum entsteht durch die additive Überlagerung der bei-
den Signale (Zufallsgrößen) x̂(t) und x(t) (Abb. 13.29). Das entsprechende
Leistungsdichtespektrum ergibt sich wie folgt [92]
See (ω) = Sx̂x̂ (ω) − Sx̂x (ω) − Sxx̂ (ω) + Sxx (ω) . (13.75)
Gemäß den Gleichungen (13.64), (13.66) und (13.67) lässt sich See (ω) auch
als Funktion der Übertragungsfunktion H(ω) des Schätzfilters ausdrücken
See (ω) = Szz (ω)|H(ω)|2 − Szx (ω) H(ω) − Sxz (ω) H ∗ (ω) + Sxx (ω) . (13.76)
Im Folgenden wollen wir voraussetzen, dass das Messgerät aus Abb. 13.28
durch ein lineares zeitinvariantes System beschrieben werden kann und das
Rauschsignal n(t) nicht mit der Messgröße x(t) korreliert ist (d. h. Sxn = 0
und Snx = 0 bzw. Syn = 0 und Sny = 0). Demzufolge lassen sich die spektralen
Leistungsdichten Szz und Sxz (ω) in Abhängigkeit der Übertragungsfunktion
G(ω) bzw. G∗ (ω), die das Messgerät beschreibt, ausdrücken
Szz (ω) = Syy (ω) + Snn (ω) = Sxx (ω)|G(ω)|2 + Snn (ω) (13.78)
bzw.
Sxz (ω) = Sxx (ω) · G∗ (ω) + Sxn (ω) , (13.79)
1
Aufgrund des stochastischen Signalcharakters spricht man hier von einem sog.
Erwartungswert E des Signals (siehe auch Kap. 14.1.2, Definition: Erwartungs-
wert).
482 13 Messsignalverarbeitung
Gleichung (13.82) sagt aus, dass wir vor das ursprüngliche Optimalfilter (Gl.
(13.81)) einen Allpass in Serie schalten. Solche Allpässe (Kap. 3.10) stellen
Zweitore dar, die zu keinerlei Amplitudendeformationen führen, sondern ein
beliebiges Eingangssignal am Ausgang nur zeitverzögert ausgeben. Gemäß Gl.
(13.82) beträgt diese Zeitverzögerung hier T0 .
Um Kausalität zu erreichen, muss T0 positiv sein und so groß gewählt
werden, dass die Impulsantwort oder zumindest der wesentliche, d. h. der
energiemäßig relevante, Teil im positiven Zeitbereich zu liegen kommt. Ist T0
dagegen negativ, so wird vom Filter eine Prädiktion gefordert, d. h. es bleibt
damit nicht-kausal (Abb. 13.31).
Das Messsignal x(t) sei die Impulsantwort eines Tiefpassfilters, die sich mit
der Periodendauer T periodisch wiederholt
√
2T S1 − t
x(t) = ε(t) e τ ∗ δ(t − i · T ) mit i ∈ Z . (13.83)
τ
Dieses sei von weißem Rauschen n(t) (Kap. 7.3) additiv überlagert (Abb.
13.32). Die beiden Signale sind unkorreliert und ihre spektralen Leistungs-
dichten sind
S1
Sxx (ω) = (13.84)
1 + τ 2 ω2
484 13 Messsignalverarbeitung
bzw.
Snn (ω) = S0 . (13.85)
Daraus lässt sich unter Zuhilfenahme von Gl. (13.82) die Übertragungsfunk-
tion des Optimalfilters wie folgt errechnen
S1
Hopt (ω) = · e−jωT0 . (13.86)
S1 + S0 + τ 2 S0 ω 2
Abbildung 13.33 zeigt die Leistungsdichtespektren von Messsignal und Störung
sowie den Betrag der Übertragungsfunktion des Optimalfilters. Abbildung
13.34 vergleicht die entsprechenden Spektren am Ausgang des Filters mit dem
ungestörten Signal. Um die Impulsantwort hopt (ω) des Filters zu berechnen,
zerlegt man die Übertragungsfunktion des Optimalfilters Hopt (ω) wie folgt
[72]
2αβ −jωT0 α α
Hopt (ω) = 2 · e = + e−jωT0 (13.87)
β + ω2 β − jω β + jω
mit
1 S1 S1
α= · (13.88)
2τ S0 S0 + S1
und
1 S1
β= 1+ . (13.89)
τ S0
Mittels einer Fourier-Rücktransformation erhält man schließlich die gesuchte
Impulsantwort hopt (t) des Optimalfilters
13.9 Optimalfilter (Wiener-Filter) 485
α · eβt t < 0
hopt (t + T0 ) = . (13.90)
α · e−βt t ≥ 0
Abb. 13.34. Vergleich des gefilterten und des ungefilterten Spektrums mit dem
ungestörten Spektrum
verschwindet (S0 = 0), erhält man als Impulsantwort des Optimalfilters tri-
vialerweise den Dirac-Puls an der Stelle t = T0
Abb. 13.35. Impulsantwort des Optimalfilters für eine zeitliche Verzögerung von
T0 = 1s bei der Filterung für verschiedene starke Störer S0i
13.9 Optimalfilter (Wiener-Filter) 487
Nach Hänsler [72] kann dieser für das obige Beispiel folgendermaßen ermittelt
werden
2 S1 S0
emin = . (13.94)
2τ S0 + S1
Damit kann man auch den auf die Signalleistung normierten minimalen qua-
dratischen Fehler angeben
e2min S0
= . (13.95)
Sxx (0) S0 + S1
Kausales Optimalfilter
Ein kausales Optimalfilter bringt den Vorteil, dass es in Echtzeit das Messsi-
gnal filtern kann, d.h. es wird keine Zeitverzögerung T0 im Sinne einer vorheri-
gen Speicherung mehr benötigt, um das Filter praktisch einsetzen zu können.
Die Übertragungsfunktion des kausalen Optimalfilters lässt sich aus den Er-
gebnissen des obigen Beispiels ableiten. Dazu setzt man in der Impulsantwort
hopt (t) des nicht-kausalen Optimalfilters die Zeit T0 = 0 und blendet den im
negativen Zeitbereich liegenden Teil der Impulsantwort aus (Abb. 13.36). Man
erhält somit
α · e−βt t ≥ 0
hopt kaus (t) = . (13.96)
0 t<0
Tip:
Der hier analytisch hergeleitete Entwurf eines Optimalfil-
ters kann mit dem LabVIEW-Programm optimalfilter.vi
auf der CDROM numerisch überprüft werden. Dabei lassen
sich viele Parameter variieren. Im Einzelnen bietet das Pro-
gramm folgende Möglichkeiten:
• Simulation des Messsignals
• Simulation eines Rauschsignals mit einstellbarem Frequenzgang
• Entwurf des Optimalfilters
• Darstellung der Impulsantworten des kausalen und des nicht-kausalen
Filters
• Überlagerung und Filterung der Signale gemäß Abb. 13.30
13.9 Optimalfilter (Wiener-Filter) 489
Abb. 13.38. Vergleich von kausalem und nicht-kausalem Optimalfilter anhand der
gefilterten Messsignale
14
Regression, lineare Korrelation und
Hypothesen-Testverfahren
14.1 Regressionsverfahren
In der Messtechnik kommt es häufig vor, dass eine Schar von aufgenomme-
nen Messpunkten durch eine geeignete analytische Funktion in Form einer
Anpasskurve beschrieben werden soll.
Im Folgenden gehen wir davon aus, dass n Messungen durchgeführt wer-
den, welche die Wertepaare {xi , yi }(i = 1, 2, . . . , n) liefern. Anschließend wird
an diese Messwerte eine Kurve ỹ(x) angepasst. Daraus ergeben sich die Ab-
weichungen Δi zwischen den einzelnen Messpunkten und der Anpasskurve im
jeweiligen Messpunkt xi zu
Δi = ỹ(xi ) − yi . (14.1)
n
n
Δ= Δ2i = [ỹ(xi ) − yi ]2 =
!
min. . (14.2)
i=1 i=1
In Gleichung (14.2) ist als unbekannte Funktion die Anpasskurve ỹ(x) enthal-
ten. Die beschriebene Fehlerquadratsumme Δ hängt nun von der Wahl dieser
Anpasskurve ab. Die Festlegung der diese Anpasskurve beschreibenden analy-
tischen Funktion und die anschließende Berechnung ihrer Koeffizienten (s. u.)
wird als Regressionsverfahren bezeichnet. Falls Proportionalität zwischen der
abhängigen und unabhängigen Variablen herrscht, lässt sich in diesem Fall die
Schar von Messwerten durch eine Gerade beschreiben. Man spricht dann von
einer Ausgleichsgeraden, die durch sog. lineare Regression bestimmt wird.
Die lineare Regression ist die für die ingenieurmäßige Praxis wichtigste Form
der Regressionsanalyse. Sie hat das Ziel, durch eine Schar von (in aller Re-
gel) experimentell bestimmten Wertepaaren {xi , yi } eine Ausgleichsgerade zu
legen. Dabei wird x als unabhägige und y als abhängige Variable betrachtet.
Die Ausgleichsgerade bestimmt letztlich die nach dem Gaußschen Minimal-
prinzip beste lineare Approximation der Funktion y(x), die hier von diskreten
Wertetupeln repräsentiert wird.
Im Folgenden gehen wir davon aus, dass n Messwerte {xi , yi }(i = 1, 2, . . . , n)
vorliegen. An diese Messwerte soll eine Gerade der Form ỹ(x) = mx + b an-
gepasst werden (Abb. 14.1). Die Abweichung der i-ten Einzelmessung lautet
Bei dem in Gl. (14.4) geforderten Minimum müssen die partiellen Ableitungen
nach den unbekannten Koeffizienten m und b gleich Null sein. Das führt zu der
im Folgenden beschriebenen Ermittlung von Steigung und Achsenabschnitt
der Ausgleichsgeraden.
y(x)
y4
Δ4
y3
Δ3
Δ2
y2
Δ1
y1
x1 x2 x3 x4 x
n
2 [mxi + b − yi ]xi = 0 . (14.5)
i=1
n
2 [mxi + b − yi ] = 0 . (14.6)
i=1
Die Gleichungen (14.5) und (14.6) können wie folgt umgeformt werden
n
n
n
m x2i + b xi = yi xi (14.7)
i=1 i=1 i=1
bzw.
n
n
m xi + nb = yi . (14.8)
i=1 i=1
Löst man dieses Gleichungssystem (Gl. (14.7) und (14.8)) nach den gesuchten
Werten m bzw. b auf, so erhält man die Geradensteigung m
n
n
n
xi yi − n xi yi
i=1 i=1 i=1
m=
2 (14.9)
n
n
xi −n x2i
i=1 i=1
n
n
n
xi yi − 1
n xi yi
i=1 i=1 i=1
=
2
n
n
x2i − 1
n xi
i=1 i=1
Die Koeffizienten m und b lassen sich nach dem in Abb. 14.2 gezeigten Sche-
ma berechnen. Nachdem die Koeffizienten der Ausgleichsgeraden bestimmt
wurden, stellt sich im Allgemeinen die Frage nach der Qualität dieser linearen
Approximation, d. h. nach der Güte bei der linearen Regression. Um letzt-
lich die Vertrauensbereiche für die Parameter der Ausgleichsgeraden angeben
zu können, sind noch einige mathematische Definitionen notwendig, die im
folgenden Abschnitt (Kap. 14.1.2) behandelt werden.
494 14 Regression, lineare Korrelation und Hypothesen-Testverfahren
n
μx = x = xi
n i=1
n
μy = y = yi
n i=1
n
1
n
Qx = s2x (n − 1) = (xi − x) =
2
x2i − xi
i=1 i=1
n i=1
n
1
n
Qy = s2y (n − 1) = (yi − y) =
2
yi2 − yi
i=1 i=1
n i=1
n
Qxy = sxy (n − 1) = (xi − x) (yi − y)
i=1
n
1
n n
= x i yi − xi yi
i=1
n i=1 i=1
n
Achsenabschnitt b = y − mx = yi − m xi
n i=1 i=1
1
Qx , Qy werden auch als Summe der quadratischen Abweichungen bezeichnet (ab-
gekürzt: S.d.q.A.). sx und sy bezeichnen die Varianz von x bzw. y und sxy die
Kovarianz zwischen x und y (siehe folgenden Abschnitt).
2
Die Steigung m wird auch als Regressionskoeffizient bezeichnet.
14.1 Regressionsverfahren 495
Definition: Wahrscheinlichkeitsdichte
(Wahrscheinlichkeitsverteilung)
Im Folgenden bezeichnet p(x) die Wahrscheinlichkeitsdichte (Wahrscheinlich-
keitsverteilung) für eine Zufallsgröße x mit den Eigenschaften
+∞
p(x) dx = 1 (14.11)
−∞
p(x) ≥ 0 . (14.12)
Die Wahrscheinlichkeit P (a), dass ein Funktionswert x kleiner oder höchstens
gleich a ist, ergibt sich aus dem Integral p(x)
a
P (a) = p(x) dx. (14.13)
−∞
Definition: Erwartungswert
Der Erwartungswert-Operator lässt sich auch auf das Produkt mehrerer Zu-
fallssignale bzw. deren Potenzen anwenden [92]. Das sog. Gemeinsame Mo-
ment zweier Zufallssignale ist definiert als
+∞ +∞
μxy,kn = E{x y } =
k n
xk y n pxy (x, y)dxdy . (14.19)
−∞ −∞
Definition: Varianz
1 1
n n
s2x = (xi − x)2 = (xi − μx )2 . (14.23)
n − 1 i=1 n − 1 i=1
3
Um kompatibel zu der übrigen Messtechnik-Literatur zu bleiben, wird im Folgen-
den nicht mehr zwischen Varianz (Gesamtheit des Loses (N → ∞)) und Schwan-
kung (=empirische Standardabweichung (N < ∞)) unterschieden.
14.1 Regressionsverfahren 497
bzw.
" n #
1 2
n
n 1
s2x = xi − μ2x = x2i − n μ2x . (14.25)
n − 1 i=1 n−1 n−1 i=1
Aus der Varianz lässt sich leicht die ebenfalls oft verwendete Summe der
quadratischen Abweichung Qx (S.d.q.A.) (s. auch Abb. 14.2) errechnen
Qx = (n − 1) s2x . (14.26)
Definition: Kovarianz
Im Zuge der Regressionsanalyse ist die Frage zu klären, inwieweit zwei Zu-
fallsvariable x und y voneinander abhängig sind. Dies wird durch die sog.
Kovarianz festgelegt
Cov(x, y) = sxy = E{(x − μx )(y − μy )} = E{x, y} − μx μy . (14.27)
Dabei sind μx und μy die Mittelwerte der Zufallsvariablen x und y (siehe
Abb. 14.2) und E entspricht dem Erwartungswert.
Die Kovarianz, die auch als erstes gemeinsames Moment bezeichnet
wird, lässt sich auch mit Hilfe der gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsdichte pxy
ausdrücken
+∞ +∞
Cov(x, y) = (x − μx )(y − μy )pxy (x, y)dxdy . (14.28)
−∞ −∞
Qxy
sxy = . (14.30)
n−1
498 14 Regression, lineare Korrelation und Hypothesen-Testverfahren
Definition: Restvarianz
Definition: Korrelationskoeffizient
s2r 2
n
m ± t(n − 2, P )! x (14.34)
n Qx i=1 i
s2r
b ± t(n − 2, P ) (14.35)
Qx
14.1 Regressionsverfahren 499
(x − x)2 n(s2x − m2 s2x ) + s2x
y ± t(n − 2, P ) . (14.36)
n (n − 2) s2x
Der Vertrauensfaktor t ergibt sich nach Vorgabe der gewünschten statistischen
Sicherheit P [%] aus der Student-Verteilung (s. Tab. 5.2) für die Ereignisanzahl
(n − 2). Die Anzahl der betrachteten Messpunkte beträgt n.
Tip:
Diese Berechnungen können mit dem Programm
berechne_regressionsgerade.vi auf der CDROM
nachvollzogen werden. Es können simulierte Messwer-
te eingelesen, die statistischen Größen berechnet und
Regressionsgeraden ermittelt werden.
14.1.3 Ausgleichspolynome
Die Erweiterung der linearen Regression (Kap. 14.1.1) führt zur polynomia-
len Regression, bei der die Anpasskure ỹ durch ein Polynom p-ten Grades
beschrieben wird
ỹ = a0 + a1 x + a2 x2 + . . . ap xp . (14.37)
Die Vorgehensweise soll zunächst anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht
werden. Die Anpasskurve wird hier in Form eines Polynoms dritten Grades
beschrieben
ỹ(x) = a0 + a1 x + a2 x2 + a3 x3 . (14.38)
Das bereits oben angewandte Gaußsche Prinzip der kleinsten Quadrate (Gauß-
sches Minimalprinzip) soll auch hier Anwendung finden
n
n
Δ= Δ2i = [ỹ(xi ) − yi ]2 =
!
min. . (14.39)
i=1 i=1
Die mehrfache lineare Regression (auch als multiple lineare Regression be-
zeichnet) ist eine Erweiterung der einfachen linearen Regression. Dabei hängt
ein Messergebnis y linear von nunmehr mehreren Variablen x1 , x2 , . . . xp (man
spricht in diesem Zusammenhang auch von Covariablen) ab
y = a0 + a1 x1 + a2 x2 + . . . + ap xp + E , (14.42)
ŷ = b0 + b1 x1 + b2 x2 + . . . + bp xp . (14.43)
Das daraus resultierende Gleichungssystem lässt sich mit Hilfe der folgenden
[n × (p + 1)]-Matrix [X]
⎛ ⎞
1 x11 x12 . . . x1j . . . x1p
⎜ ⎟
⎜1 x x ... x2j . . . x2p ⎟
⎜ 21 22 ⎟
⎜ ⎟
⎜ ⎟
⎜ .. .. .. ⎟
⎜. . . ⎟
⎜ ⎟
[X] = ⎜ ⎟ (14.45)
⎜1 x x ... xij . . . xip ⎟
⎜ i1 i2 ⎟
⎜ ⎟
⎜ ⎟
⎜ .. .. .. ⎟
⎜. . . ⎟
⎝ ⎠
1 xn1 xn2 . . . xnj . . . xnp
14.1 Regressionsverfahren 501
Dabei bezeichnet [X]T die Transponierte der Matrix [X]. Dieser Schätzer
ist der sog. beste lineare unverzerrte Schätzer (Best Linear Unbiased
Estimator = BLUE). Mit Hilfe dieses Schätzers (Minimum-Quadrat-Schätzer)
ergibt sich folgendes Gleichungssystem
wobei [ŷ] die Schätzwerte von [y] enthält und [e] den Vektor der Residuen
repräsentiert. Der Vektor der Schätzwerte berechnet sich also aus
wobei die [n×n]-Matrix [H] als sog. Hat-Matrix (Hut-Matrix) bezeichnet wird.
Die Residuen ergeben sich demnach wie folgt
Im Allgemeinen interessiert man sich für die sog. Prognose ŷ0 von [y] für
ein gegebenes Wertetupel [x0 ] (= Messstelle [x01 , x02 , . . . , x0p ]). Sie berechnet
sich zu
ỹ = m1 x + b1 (14.54)
bzw.
x̃ = m2 y + b2 . (14.55)
Daraus resultieren zwei Möglichkeiten, die Fehlerquadratminimierung durch-
zuführen
(ỹ − yi )2 =
!
min. (14.56)
bzw.
(x̃ − xi )2 =
!
min. . (14.57)
14.2 Lineare Korrelation 503
y
x
Abb. 14.3. Messwertepaare {xi , yi }, die durch zwei Ausgleichsgeraden gemäß
Gl. (14.54) bzw. Gl. (14.55) approximiert werden.
y
m 2= 0
m 1= 0
x
Abb. 14.4. Fall der vollständigen linearen Unabhängigkeit (m1 = m2 = 0)
504 14 Regression, lineare Korrelation und Hypothesen-Testverfahren
y
1
m 1= m
2
x
Abb. 14.5. Fall des funktionalen Zusammenhangs: Die beiden Ausgleichsgeraden
fallen zusammen.
Abhängigkeit erst nach einer Normierung beurteilen. Dies führt zu einer nor-
mierten Steigung r, die dem Korrelationskoeffzient entspricht (siehe auch
Gl. (14.32) und Gl. (14.33)).
Im Gegensatz zur Kovarianz ist der Korrelationskoeffizient eine reine Maß-
zahl ohne Einheit. Der Korrelationskoeffizient nimmt Werte zwischen −1 und
+1 an (−1 ≤ r ≤ +1).
Ein Korrelationskoeffizient r = 0 bedeutet, dass keine lineare Abhängig-
keit besteht. Bei vollkommener linearer Abhängigkeit nimmt r den Wert +1
bzw. −1 an. Das Vorzeichen beschreibt dabei die Steigungsrichtung der ge-
meinsamen Geraden (Abb. 14.5).
Der Korrelationskoeffizient lässt sich wie folgt angeben
n
n
n
xi yi − 1
n xi yi
Qxy
r= = % i=1 i=1 i=1
. (14.58)
Qx Qy
2 ' %
2 '
! y2 −
n n n n
i
1
n yi x2i − 1
n xi
i=1 i=1 i=1 i=1
r1 ≤ ρ ≤ r 2 .
P(c)
100
50
p(x)
-c μ c x
10
0
0 1. σ 2. σ 3. σ c
Abb. 14.7. Statische Sicherheit (Wahrscheinlichkeit) P (c) als Funktion der Vielfa-
chen der Standardabweichung σ. P (c) gibt an, mit welcher statistischer Sicherheit
ein Wert einer Normalverteilung x im Intervall ±c um den Mittelwert μ liegt, d. h.
|x − μ| ≤ c [149].
Zweck dieser Tests ist es nun, auf der Basis eines Stichprobenergebnisses eine
Entscheidung darüber zu treffen, ob die Nullhypothese oder die Alternativhy-
pothese gilt. Die konkrete Stichprobe wird dabei als Prüfgröße bezeichnet.
Der Wertebereich der Prüfgröße wird in einen kritischen und einen nicht-
kritischen Bereich (Akzeptieren der Nullhypothese) unterteilt.
Dabei muss bedacht werden, dass es bei der Durchführung von Tests zu
Fehlern im Sinne einer falschen Entscheidung kommen kann. Man spricht von
Fehler 1. Art, wenn für H1 entschieden wird, obgleich H0 richtig ist, und
im umgekehrten Fall von Fehler 2. Art (s. Tab. 14.1).
Als Signifikanzniveau α wird die dem Test eigene Wahrscheinlichkeit be-
zeichnet, die zum Verwerfen der Nullhypothese führt, obwohl sie gilt ( =Fehler
1. Art). In den meisten praktischen Fällen wird das Signifikanzniveau vorgege-
ben. Übliche Werte sind α = 0, 01 bzw. α = 0, 05. Beim Test besteht nun die
Aufgabe darin, nach Vorgabe des Stichprobenumfanges den kritischen Bereich
so festzulegen, dass das vorgewählte Signifikanzniveau eingehalten wird und
gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für den Fehler 2. Art so gering wie möglich
bleibt.
In den meisten Fällen lassen sich die zugelassenen Wahrscheinlichkeits-
verteilungen durch einen Parameter ϑ in eindeutiger Weise beschreiben. Als
508 14 Regression, lineare Korrelation und Hypothesen-Testverfahren
Dies bedeutet, dass G(ϑ) die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Fehlers
1. Art beziffert, während L(ϑ) den entsprechenden Wert für den Fehler 2. Art
darstellt.
Für viele Standardtests sind in der Literatur [68] zu vorgegebenen Si-
gnifikanzniveaus α und festgelegten Stichprobenumfängen die Operations-
Charakteristiken L(ϑ) graphisch dargestellt.
In dem in Abb. 14.8 gezeigten Schema wird das prinzipielle Vorgehen bei
Tests nochmals zusammengefasst.
Realität
Test H0 trifft zu H1 trifft zu
√
H0 angenommen Fehler 2. Art
√
H1 angenommen Fehler 1. Art
14.3 Testverfahren (Hypothesen-Testverfahren) 509
Tip:
Zu dieser Thematik befinden sich mehrere LabVIEW-
Programme auf der CDROM. Die Dichtefunktion der χ2 -
Verteilung kann mit chi_square_density.vi als Kurven-
schar mit dem Parameter nf als Freiheitsgrad gezeichnet
werden. Ein Beispiel für einen χ2 -Test, wie er auf der fol-
genden Seite beschrieben wird, ist in chi_square_test_example.vi zu
finden. Dort werden die Fehler, mit denen eine Messung behaftet ist,
daraufhin überprüft, ob sie normalverteilt sind. Die Grafik in Abb. 14.10
kann mit dem Programm chi_square_chart.vi erzeugt werden, wobei
die Wahrscheinlichkeitsgrenzen eingestellt werden können.
5
Beim Summenhäufigkeitspapier ist die Abszisse gemäß einer Gaußschen Normal-
verteilung verzerrt, so dass diese wie eine Gerade auf dem Summenhäufigkeitspa-
pier erscheint.
510 14 Regression, lineare Korrelation und Hypothesen-Testverfahren
n
x= xi
n i=1
n n 2
n
1
(xi − x)2 =
1 1
s= x −
2
xi .
n−1 i=1
n − 1 i=1 i n i=1
noi = n Pi ,
K
(nei − noi ) 2
χ2 =
i=1
noi
entscheidet man über die Annahme bzw. das Verwerfen der Hypothese, ob
die Stichprobe zu einer Normalverteilung gehört oder nicht.
6. Vorgabe des Signifikanzniveaus α, typischerweise 1 % bzw. 5 %.
7. Lösen der Gleichung
P (χ2 ≥ c) = 1 − α
anhand einer Graphik bzw. einer Tabelle, welche die χ2 -Verteilung beschrei-
ben. Dabei wird die Anzahl nf der Freiheitsgrade durch
nf = K − 1
Abb. 14.9. Schema zur Durchführung des χ2 -Tests (Prüfung, ob eine Normalver-
teilung vorliegt)
14.3 Testverfahren (Hypothesen-Testverfahren) 511
χ2
50
p(χ 2 )
40 Hypothese
verwerfen
c1 c2 χ2
30
c2 = 5 %
men
c2 = 1 % a n neh
ese
oth
20 Hyp
c1 = 5 %
10 Hypothese
verwerfen
5 c1 = 1 %
0
2 4 10 20 26 nf = K - 1
Abb. 14.10. χ2 -Verteilung für die Signifikanzniveaus 1 % und 5 % als Funktion des
Freiheitsgrades nf = K − 1 (s. auch Schema in Abb. 14.9) [149].
χ2 -Verteilung
Gamma-Funktion
P = P (c, n − 2) .
3. Entscheidung:
Für kleine Werte von P , z. B. P ≤ 1 %, wird die Hypothese, dass m = 0 sei,
verworfen. Damit ist statistisch gesichert, dass lineare Abhängigkeit vorliegt.
Student t-Verteilung
Die Studentsche t-Verteilung6 bildet die Grundlage wichtiger statistischer
Tests.
Es sind zwei unabhängige Zufallsvariable x und y gegeben. Dabei besitzt
x im Intervall [0,1] eine Normalverteilung und y eine χ2 -Verteilung mit n
Freiheitsgraden (s. vorhergehenden Abschnitt). Die Zufallsvariable
x
t= (14.63)
y/n
hat dann die Wahrscheinlichkeitsdichte
Γ n+1 1
ft (t) = √ 2 n · . (14.64)
nπ 2 t2 (n+1)/2
1+ n
Die Verteilung ft (t) wird als Student t-Verteilung mit n Freiheitsgraden be-
zeichnet [92, 95]. Mit wachsendem n strebt die Verteilungsfunktion der t-
Verteilung gegen die Verteilungsfunktion der Normalverteilung mit dem Mit-
telwert 0 und der Varianz 1.
6
Sie wurde von W.S. Gosset eingeführt und unter dem Namen “Student” veröffent-
licht.
14.3 Testverfahren (Hypothesen-Testverfahren) 513
10
8 p(x)
%
6 P/2 P/2
5
4 -c 0 c t
3
1.0
0.8
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 20 30 40 50 60 100 c
nf = 1 nf = 5
nf = 2 n f = 10
nf = 3 nf =
8
Tip:
Mit dem Programm teste_lin_abh.vi kann zusätzlich zur
Berechnung von Regressionsgeraden auch noch der hier be-
schriebene Test auf lineare Abhängigkeit durchgeführt wer-
den. Die Darstellung der Student-Verteilung nach Abb. 14.12
kann mit dem Programm students-t-verteilung.vi
nachvollzogen werden.
514 14 Regression, lineare Korrelation und Hypothesen-Testverfahren
In Kap. 14.2 wurde der Korrelationskoeffizient r für die Verteilung zweier un-
abhängiger Variablen xi und yi ermittelt. Dieser Korrelationskoeffizient r der
Stichprobe ist nur ein Schätzwert des Korrelationskoeffizienten ρ der Grund-
gesamtheit und damit fehlerbehaftet. Es soll die Hypothese ρ = 0 gegen eine
Alternativhypothese ρ > 0 getestet werden.
Dazu geht man nach dem in Abb. 14.13 gezeigten Schema vor [95].
P (c, (n − 2)) = 1 − α .
t0 ≤ c
d. h.
P (|t0 | ≤ t) = 1 − α
Erfassen
Auswerten
(inkl. Fehlerkorrektur)
Visualisieren Archivieren
u u
+ Flanke - Flanke
T+ T- T
Pegel- (Flanken-) Triggerung t sequentielle Triggerung t
u u
T T T'
t t
Fenster-Triggerung Alarm-Triggerung
Analog-
S&H
Multiplexer
(MUX)
Analog- Digital-
S&H ADC
eingänge ausgang
S&H
Triggerpuls
Analog-
Multiplexer
(MUX)
Analog- S&H Digital-
ADC
eingänge ausgang
Triggerimpuls
Tapped Trigger-
Delay Line leitungen
ΔT S&H Analog-
Multiplexer
(MUX)
..........
S&H zum ADC
...
S&H
Startpuls u E (t)
uE uE
Spannungswerte einzelner
Sample & Hold-Glieder
t
ΔT
Abb. 15.8. Schaltung zur zeitlichen Abtastung schneller“ , transienter Signale mit
”
langsamen “ A/D-Umsetzern
”
• Analog-Digital-Umsetzung
Das Herzstück eines jeden rechnergestützten Datenerfassungssystems ist
der A/D-Umsetzer, der das analoge Signal in eine entsprechende Dualzahl
konvertiert. Dabei finden die in Kap. 11.7 beschriebenen Umsetzungsprin-
zipien Anwendung.
• Datenübernahme
Die vom A/D-Umsetzer ausgegebenen Digitalwerte werden in einem Bus-
register gespeichert. Da meist mehrere Datenerfassungskomponenten auf
den Rechnerbus geschaltet sind, werden die Ausgänge des Registers als
Tristate-Ausgänge [182] implementiert.
Neben den eigentlichen Datenerfassungssystemen sind auf den einschlägigen
PC-Einsteckkarten zur Messdatenerfassung in der Regel auch Datenausgabe-
systeme enthalten, deren Aufgabe es ist, in binärer Form vorliegende Signale
in analoger Form auszugeben. Diese Analogsignale werden nach entsprechen-
der Verstärkung im Allgemeinen zur Ansteuerung von Aktoren verwendet.
Die Hauptfunktionen eines Datenausgabesystems bestehen darin, das zu
wandelnde Digitalwort in ein Busregister zu schreiben (Datenübergabe), die-
ses Digitalwort anschließend mit Hilfe eines Digital-Analog-Umsetzers in ei-
522 15 Grundlagen der Rechnergestützten Messdatenerfassung
Datenbus
DAC S&H u1
S&H u2
Steuerbus
Ablauf- . .
Steuerung . . .
. . .
.
S&H uk
15.2.1 Multifunktions-Einsteckkarten
Adress- / Steuerbus
1 1
Analog- 2 2 Multiplexer
Eingänge (MUX) S&H ADC
...
16 16
1 DAC
2
Analog-
Ausgänge 2 DAC
Busregister
1
Datenbus
Abb. 15.13. Beispiel für erweitertes Multiplexing mit 256 Analogeingängen auf eine
Messdatenerfassungskarte. Es ist eine Erweiterung auf ein 8192-zu-32-Multiplexing
möglich [110].
15.2.2 Multiplexer
Abb. 15.14. Relais dienen der vollständigen galvanischen Trennung von Sensor und
Messschaltung. Im Falle der 3-poligen Relais kann der Schirm für jeden Messkanal
getrennt werden, so dass nur der Schirm des aktuellen Messkanals durchgeschaltet
wird.
15.2 Basis-Hardware zur Messdatenerfassung 529
• galvanische Kopplung
Der Strom IPE1−2 im Schutzleiter führt zu einer Spannung zwischen den
Punkten 1 und 2 und wegen der Impedanzen Z Q und Z E zu unterschiedli-
chen Störströmen in den beiden Leitern. Dies hat eine Störspannung UESt
im Signalkreis zur Folge.
• induktive Kopplung
Infolge magnetisch-induktiver Kopplung kann es zur Induktion von weite-
ren Störspannungen (Abb. 15.15) kommen.
Leitungswiderstände und
Leitungsinduktivitäten der
Quelle Zweidrahtleitung Empfänger
1' ISt 2 2'
dΦ2 UESt
ZQ dt ZE
1 ISt 1 2
Schutzerdung Erdschleife
der Quelle dΦ1
dt
I PE1-2 . Z kopp
PE1 PE2
I PE1-2
RSL L SL
UStind
= Z kopp Schutzerdung
des Empfängers
Koppel-Impedanz
der Schutzerdung
15.2.5 Parallelbussysteme
Ein Bussystem ist ein aus parallelen Leitungen bestehender elektrischer Ver-
bindungsweg für digitale bzw. auch analoge Daten mit fest vereinbarten
Hardware-Komponenten, Signalpegeln und Übertragungsprotokollen. Im Ver-
gleich zu seriellen Schnittstellen sind Parallelbussysteme aufgrund der paral-
lelen Datenübertragung wesentlich leistungsfähiger, speziell in bezug auf die
Datentransferrate. Sie erfordern jedoch den Einbau einer dedizierten Schnitt-
stellenkarte, auf der ein entsprechender Schnittstellen-Controller arbeitet. Der
IEC-Bus ist ein solches Bussystem, das mittlerweile auf dem Gebiet der
rechnergesteuerten Messdatenerfassung zum Industriestandard avanciert ist.
Nachdem inzwischen auch viele autonom arbeitende Messgeräte, wie z. B.
Digital-Multimeter und Spektrumanalysatoren, mit diesem Standard-Inter-
face ausgestattet werden, lassen sich solche Geräte mittels eines Rechners auf
elegante Weise steuern bzw. zu kompletten Messsystemen zusammenschalten.
Dabei kann die gesamte Bedienung der Messgeräte vom Rechner aus erfolgen
(s. Kap. 16.7).
15.2.6 Datenlogger
Eine weitere Möglichkeit der Anbindung von Prozessen an Rechner sind sog.
Datenlogger. Diese nehmen vor Ort Prozessdaten auf und speichern diese, um
sie nach anschließendem Transport des Gerätes via serieller oder paralleler
Schnittstelle (z.B. IEC-Bus) offline dem Rechner zu übergeben. Dieser Daten-
transport kann auch mit Hilfe eines Modems über das öffentliche Telefonnetz
oder via Internet geschehen.
532 15 Grundlagen der Rechnergestützten Messdatenerfassung
2. Interrupt-Methode
Der Rechner arbeitet nach dem Starten des Peripheriegerätes im gerade
aktuellen Programm weiter, bis das Gerät als Fertigmeldung ein Interrupt-
Signal liefert. Das Interrupt-Signal bewirkt die von der Interrupt-Service-
Routine gesteuerte Datenübernahme. Danach erfolgt ein Rücksprung an
das unterbrochene Programm. Üblicherweise werden für verschiedene In-
terrupts gestufte Prioritätsebenen festgelegt.
IEC-Bus (auch IEEE488, HP-IB bzw. GPIB) Bussystem mit einem Con-
troller (im Normalfall der Steuerrechner), Talkern und Listenern,
max. 15 Geräte anschließbar (29 bei Verwendung eines Bus-
Expanders), Übertragungsdistanzen: von Gerät zu Gerät max.
2 m, total max. 20 m, Datenübertragungsrate: typ. 500 kByte/s,
max. 1 MByte/s.
VME-Bus (VERSA Module Europe) Mikrorechner-Bus für Datenwortbrei-
ten bis zu 32 Bit, der auf üblichen Europakarten-Steckverbindern
basiert, Datenübertragungsrate: max. 24 MByte/s.
VXI-Bus (VME Bus Extensions for Instrumentation) Um den Steckverbin-
der P3 erweiterter VME-Bus mit Versorgungsleitungen, Taktlei-
tungen (bis 100 MHz), Trigger-Leitungen und Leitungen für lokale
Teilbusse. Die Steuerungs- und Kommandostruktur orientiert sich
am IEC-Bus-Standard, d. h. eine Mischung von VME-, VXI- und
IEC-Bus-Modulen in einem Messsystem ist möglich, Datenüber-
tragungsrate: max. 40 MByte/s.
PXI-Bus (PCI Extension for Instrumentation) auf dem PCI-Bus
(PCI=Peripheral Component Interconnect) basierendes Bussy-
stem mit bis zu 64 Bit Datenbreite, Datentransferrate bis zu
528 MByte/s, max. 31 Geräte anschließbar, Triggerleitungen und
Leitungen für lokalen Bus analog zum VXI-Bus vorhanden.
CAMAC Computer Application for Measurement and Control (Eura-
tom 1969). Ein Bussystem, welches zunächst für die Belange der
europäischen Kernforschungseinrichtungen entwickelt wurde, je-
doch auch für andere Prozessautomatisierungsaufgaben eingesetzt
wird.
Fire Wire Standard-PC-Schnittstelle; Übertragungsraten bis zu 400 MBit/s;
(i.Link, max. 63 Teilnehmer; bidirektionaler Datenfluss; max. Entfernung
IEEE 1394) zwischen 2 Teilnehmern: 4, 5 m; max. Gesamtlänge: 72 m; paket-
orientierte Datenübertragung; flexibles 6-adriges Kabel, davon 4
Datenleitungen und 2 für Stromversorgung. Der neue Standard
IEEE 1394b wird Übertragungsraten von bis zu 3, 2 GBit/s er-
lauben.
16.1.1 Übertragungsmedien
a)
Sendeschrittakt zur 13
DÜE 24
Rufanzeige, 22
Ring Indicator (RI)
DEE betriebsbereit, 20 8
7
Empfangssignalpegel, Data Carrier Detect (DCD)
Betriebserde, Signal-GND (SG)
Data Terminal Ready 6 Betriebsbereitschaft, Data Set Ready (DSR)
(DTR) 17 5
4
Sendebereitschaft, Clear To Send (CTS)
Sendeteil einschalten, Request To Send (RTS)
Empfangsschrittakt
von DÜE 15 3
2
Empfangsdaten, Received Data (RxD)
Sendedaten, Transmitted Data (TxD)
Sendeschrittakt 1 Schutzerde, Protective Ground (PG)
von DÜE
b)
• Datenleitungen
– TxD (Transmit Data) Sendedaten (Stift 2):
Über diese Leitung werden der Empfangsstation die zu übertragenden
digitalen Daten als serieller Bitstrom zugeführt. Die Datenübertragung
ist aber nur dann möglich, wenn sich die Steuerleitungen RTS und DTR
(Stifte 4 und 20) sowie die beiden Meldeleitungen CTS und DSR (Stifte
538 16 Messdatenerfassung im Labor
Ist die Spannung eines Signals auf einer Datenleitung (RxD, TxD) gegenüber
der Signalerde (SG) betragsmäßig größer als 3 V und
• negativ, so herrscht der Signalzustand log. 1 , auch als MARK (marking
condition) oder Ruhezustand (idle state) bezeichnet.
• positiv, so herrscht der Signalzustand log. 0 , auch als SPACE (spacing
condition) bezeichnet (Abb. 16.2).
+u
+ 15V
log. '0' (SPACE)
Potential von SG
EIN-Zustand
+ 3V
Übergangsbereich
0
(undefiniert)
- 3V t
log. '1' (MARK)
AUS-Zustand
Ruhezustand = idle state
- 15V
-u
Ist die Spannung eines Signals auf einer Steuer- bzw. Meldeleitung gegenüber
der Signalerde (SG) im Betrag größer als 3 V und
• negativ, so herrscht der AUS-Zustand.
• positiv, so herrscht der EIN-Zustand.
16.1.6 Synchronisierung
Die Synchronisierung zwischen Sender und Empfänger sorgt bei der seriellen
Datenübertragung dafür, dass die Taktgeschwindigkeiten auf der Sende- und
Empfangsseite übereinstimmen und auch der Anfang und das Ende des in
Form eines seriellen Bitstromes übertragenen Datenwortes vom Empfänger
richtig erkannt werden. Dabei unterscheidet man zwischen synchroner und
asynchroner Übertragung:
Synchrone Übertragung
Bei der synchronen Datenübertragung werden mehrere Datenwörter zu einem
Datenblock zusammengefasst und flankiert von Synchronzeichen übertragen
(Abb. 16.4). Dabei wird in der Regel das Zeichen SYN = 16 H (synchronous
idle) zweimal zu Beginn eines jeden Blockes gesendet, während das Zeichen
ETB = 17 H (end of transmission block) das Ende eines Blockes markiert.
Am Ende einer Sendung steht das Zeichen EOT = 4 H (end of transmission).
Zur Taktsynchronisierung wird das Taktsignal des Senders (Pin 24) genutzt.
16.1.8 Software-Handshaking
XON/XOFF-Protokoll
Zu Beginn der Empfangsbereitschaft sendet der Empfänger ein XON-Zeichen
(i. Allg. DC1 = 11 H). Daraufhin übermittelt der Sender Daten, bis er vom
Empfänger durch ein XOFF-Zeichen (i.Allg. DC3 = 13 H) aufgefordert wird,
den Datenstrom anzuhalten. Danach wartet der Sender auf das nächste XON-
Zeichen des Empfängers, bevor er wieder Daten sendet. Die entsprechende
Verdrahtung der Leitungen, die in Abb. 16.5 gezeigt wird, ist bezüglich der
benötigten Leitungen minimal (es werden nur drei Leitungen benötigt).
542 16 Messdatenerfassung im Labor
DTE DTE
TxD 2 2 TxD
RxD 3 3 RxD
RTS 4 4 RTS
CTS 5 5 CTS
DSR 6 6 DSR
DTR 20 20 DTR
DCD 8 8 DCD
SG 7 7 SG
ETX/ACK-Protokoll
Bei diesem Protokoll werden Datenpakete definierter Länge übertragen, wobei
ein Überlauf des Empfängerspeichers prinzipiell vermieden werden muss. Bei
Empfangsbereitschaft wird die DTR-Leitung vom Empfänger auf log. 1 -Pegel
gesetzt. Gleichzeitig wird vom Empfänger das Steuerzeichen ACK = 06 H
gesendet, woraufhin der Sender das Datenpaket an den Empfänger schickt und
mit ETX = 03 H abschließt. Nachdem der Empfänger die Daten verarbeitet
hat, zeigt er seine erneute Empfangsbereitschaft mit ACK = 06 H an. Die
Leitungskonfiguration, die diesem Protokoll zugrunde liegt, wird in Abb. 16.6
gezeigt.
DTE DTE
TxD 2 2 TxD
RxD 3 3 RxD
RTS 4 4 RTS
CTS 5 5 CTS
DSR 6 6 DSR
DTR 20 20 DTR
DCD 8 8 DCD
SG 7 7 SG
16.1.9 Hardware-Handshaking
Beim Hardware-Handshaking wird die Kontrolle der Datenübertragung von
der Schnittstellenhardware übernommen, die dafür das Leitungspaar RTS/CTS
zur Verfügung stellt. Beim Mehrdraht-Handshake mit RTS/CTS-Protokoll
(Abb. 16.7) zeigt der empfangsbereite Partner seine Empfangsbereitschaft
an, indem er seine RTS-Leitung in den EIN-Zustand versetzt. Die Leitung
wird wieder in den AUS-Zustand zurückversetzt, wenn er keine Daten mehr
aufnehmen kann, etwa weil der Empfangspuffer überzulaufen droht. Der je-
weilige Sender erkennt dies anhand des Zustandes (EIN/AUS) seiner CTS-
Leitung. Man beachte die gekreuzten Leitungspaare des in Abb. 16.7 verwen-
deten Nullmodemkabels.
16.1 Die serielle RS232C-Schnittstelle (V.24-Schnittstelle) 543
DTE DTE
TxD 2 2 TxD
RxD 3 3 RxD
4 4
RTS RTS
5 5
CTS CTS
DSR 6 6 DSR
DTR 20 20 DTR
DCD 8 8 DCD
SG 7 7 SG
Serieller Aus-
Daten Transmitter
gang (TxD)
Serieller Ein-
gang (RxD)
Receiver
Empfangstakt
gemeinsame
Taktleitung
Steuerung kontrolle
Taktsignal Taktgenerierung
Synchronisierung
Datenbus- Sende-
D7 ... D0 puffer TxD
puffer
CS
DSR
DTR Modem- Empfangs-
puffer RxD
CTS steuerung
RTS
RxRDY
Empfangs-
interner RxC
steuerung
Datenbus Syndet
a)
D2 1 28 D1
D3 2 27 D0
RxD 3 26 Vcc
Gnd 4 25 RxC
D4 5 24 DTR
D5 6 23 RTS
D6 7 8251 22 DSR
D7 8 21 Reset
TxC 9 20 CLK
WR 10 19 TxD
CS 11 18 TxEmpty
C/D 12 17 CTS
RD 13 16 Syndet
RxRDY 14 15 TxRDY
b)
• Asynchronbetrieb:
5 bis 8 Bit Wortlänge, Baudratenfaktor (1, 16, 64), programmierbar 1, 1.5
oder 2 Stop-Bits. Die Synchronisierung erfolgt durch die fallende Flanke
des Startbits.
• Synchronbetrieb:
5 bis 8 Bit Wortlänge, interne oder externe Zeichensynchronisierung, au-
tomatisches Einfügen von SYN-Zeichen zur Markierung des Datenstrom-
beginns
• Baudrate bis 9,6 kBit/s
• Fehlererkennung durch Paritäts- und Überlaufprüfung.
In Tab. 16.4 ist die Bedeutung der im Blockschaltbild (Abb. 16.9a) bzw. bei
der Pinbelegung (Abb. 16.9b) gezeigten Leitungen stichwortartig erläutert.
Weitere Details zur Hardware sowie zur Programmierung dieses Bausteins
finden sich in der weiterführenden Literatur, z. B. in [146].
mit
lg n
ld n = . (16.4)
lg 2
Dabei bezeichnet n den Kennzustand.
Der Wirkungsgrad nÜ (Datendurchsatz) ist für die asynchrone Da-
tenübertragung wie folgt definiert
Datenbits
nÜ = . (16.5)
Startbit + Datenbits + Paritätsbit + Stopbits
Tabelle 16.6. Vergleich der seriellen Schnittstellen RS232C und RS422A (RS485)
Sender Empfänger
log. 0 +1, 5 V ≤ U < +5 V U > + 0,2 V
log. 1 −5 V ≤ U < −1, 5 V U < -0,2 V
R t = 120 Ω R t = 120 Ω
.....
Datenraten von 12 MBit/s bei Distanzen von ca. 20 m. Die maximale Distanz
innerhalb eines Segments beträgt 1,2 km bei Datenraten von etwa 100 kBit/s.
Neueste Chiptechnologien erlauben mittlerweile 25 MBit/s. Abbildung 16.11
zeigt die in der Praxis eingesetzte Schaltung, die mit unipolarer Spannungs-
versorgung (+5 V) auskommt.
5V
R1 = 390 Ω
Rx
R2 = 220 Ω
Tx
R3 = 390 Ω
log. 0 0 mA ≤ I ≤ 3 mA
log. 1 14 mA ≤ I ≤ 20 mA
VDD
Pull-up
Data Widerstände
Clock
Master Slave
Clock IN Data IN Clock IN Data IN
Datenübertragung: Die Taktrate wird vom Master vorgegeben. Ist sie je-
doch für einen Teilnehmer zu hoch, so kann der entsprechende Slave zwi-
schen der Übertragung einzelner Bits die Taktleitung auf dem Low-Pegel
halten (Clock-Stretching) und damit den Master bremsen. Der Master gibt
demnach die maximal mögliche Taktrate vor, die tatsächliche Frequenz
orientiert sich allerdings am langsamsten Busteilnehmer. Prinzipiell gibt es
keine minimale Taktrate, allerdings kann es durchaus sein, dass bestimm-
te Busteilnehmer eine minimale Taktfrequenz benötigen. Als High-Pegel
wird ein Spannungswert von mindestens 0,7 VDD , als Low-Pegel ein Span-
nungswert von maximal 0,3 VDD interpretiert. Einzelbits werden als gültig
akzeptiert, wenn sich der logische Pegel während einer Clock-High-Phase
nicht ändert. Ausnahmen davon sind die sog. Steuerbits (z.B. Startbit,
16.6 Die USB-Schnittstelle 551
Stopbit). Eine fallende Flanke auf der Datenleitung während einer Clock-
High-Phase wird als Startbit, eine steigende Flanke auf der Datenleitung
während einer Clock-High-Phase als Stopbit interpretiert. Ein Datenpa-
ket besteht aus acht Datenbits sowie einem Acknowledgement-Bit, welches
vom Slave während der neunten Clock-High-Phase durch einen Low-Pegel
auf der Datenleitung gesendet wird. Der Slave muss den Low-Pegel an der
Datenleitung anlegen, bevor das Clock Signal auf High ist, um zu vermei-
den, dass die restlichen Busteilnehmer ein Startbit erkennen.
Kommunikationsprotokoll: Zu Beginn der Kommunikation sendet der
Master ein Byte, wobei die ersten sieben Bits der Adressierung des ange-
sprochenen Slaves dienen. Das achte Bit ist ein Read/Write-Bit und si-
gnalisiert dem angesprochenen Slave, ob er Daten empfangen (Low-Pegel)
oder Daten senden (High-Pegel) soll. Die 7-Bit-Adressierung erlaubt ma-
ximal 128 Adressen. 16 Adressen sind allerdings für Sonderzwecke reser-
viert, was die maximale Teilnehmerzahl auf 112 reduziert. Jeder I2 C-fähi-
ge Chip besitzt eine vom Hersteller vorgegebene Adresse, wobei einige
Adressbits über Steuerpins vorgegeben werden können, sodass auch gleich-
artige Chips an einem I2 C Bus betrieben werden können. In der aktuellen
Version wurde der Adressraum auf 10 Bit erweitert, was eine höhere An-
zahl an Busteilnehmern erlaubt. Abbildung 16.13 zeigt die Kommunikati-
on auf dem I2 C Bus, wobei der Master Daten von einem der Slaves abruft.
Der I2 C Bus zeichnet sich vor allem durch seinen einfachen Aufbau aus.
Taktleitung
Datenleitung
R/W Bit
Bedeutung
Startbit
ACK
Abb. 16.13. Beispielhafte Kommunikation zwischen Master und Slave gemäß dem
I2 C Protokoll
12 mm 6,8 mm 6,85 mm
in [130]. Beim USB 3.1 Standard nutzt man eine 128b-130b Codierung,
womit der Overhead deutlich reduziert wird.
Buskommunikation: Der Host-Controller vergibt an alle angeschlossenen
Geräte eine 7 Bit lange Adresse, was maximal 127 angeschlossene Geräte
erlaubt. Ein USB-Gerät kann wiederum Unteradressen, sog. Endpunkte,
besitzen. Über diese Unteradressen können verschiedene Funktionen des
USB-Geräts angesprochen werden. Die Kommunikation mit den Endpunk-
ten eines Geräts geschieht mit einer Ausnahme unidirektional, weshalb zur
bidirektionalen Kommunikation zwei Endpunkte benötigt werden. In je-
dem Gerät muss der Endpunkt 0 vorhanden sein, über den die Erkennung
und Konfiguration geschieht. Ein Gerät kann maximal 31 Endpunkte be-
sitzen (0, 15 Input, 15 Output). Wird an einem USB-Port ein neues Gerät
detektiert, so sendet der Host-Controller zunächst ein Reset-Signal, indem
er beide Signalleitungen für mindestens 10 ms gegen Masse schaltet. An-
schließend vergibt der Host eine neue Adresse. Adresskonflikte sind ausge-
schlossen, da der Host alle Ports zeitlich nacheinander bearbeitet. Danach
wird der sog. Device-Descriptor (Beschreibung des Geräts) des Slaves ab-
gefragt. Damit nicht für jedes Gerät ein eigener Treiber notwendig ist,
hat man sich auf unterschiedliche Geräteklassen geeinigt, für die jeweils
generische Treiber entwickelt wurden. Für jede Geräteklasse stehen damit
gewisse Grundfunktionen zur Verfügung. Ein Scanner, Drucker oder eine
Tastatur kann dann auch ohne speziellen Treiber an einem PC verwendet
werden. Jedoch stehen dann herstellerspezifische Sonderfunktionen nicht
zur Verfügung. Tabelle 16.10 gibt einen Überblick über einige wichtige
Geräteklassen.
Verfügung stehen (z.B. Maus, Tastatur). Bei Full Speed Geräten beträgt
das kleinstmögliche Abfrageintervall bspw. 1 ms. Bei größeren Datenmen-
gen, die als nicht zeitkritisch eingestuft werden (z.B. Schreiben/Lesen auf
USB-Festplatte) findet der Bulk-Transfer Anwendung. Je nachdem, ob
noch eine ausreichende Datenrate zur Verfügung steht oder nicht, wird
im isochronen Transfer Modus oder im Interrupt Transfer Modus gear-
beitet. Bei Low-Speed-Geräten gibt es diesen Modus allerdings nicht. Der
sog. Control-Transfer ist die einzige Endpunkt Endpunkt Übertragung,
die bidirektional ablaufen kann. Ein Transfer kann somit vom Empfänger
bestätigt werden. Der Endpunkt 0, welcher für die Erkennung und Kon-
figuration benutzt wird, arbeitet in diesem Modus.
Im Laufe der Zeit haben sich in der Praxis mehrere Bezeichnungen für den
IEC-Bus eingebürgert, die aber alle den ursprünglich von Hewlett Packard
entwickelten Bus bezeichnen. Unterschiede gibt es allenfalls in der Form der
verwendeten Anschlussstecker:
• HP-IB (Hewlett-Packard-Interface-Bus)
556 16 Messdatenerfassung im Labor
• GPIB (General-Purpose-Interface-Bus)
• IEC625 (DIN IEC625) [44]
• IEEE488 [11]
• ANSI MC1.1 [11].
16.7.3 IEC-Bus-Komponenten
16.7.4 Gerätegrundfunktionen
• Controller:
Der Controller (Steuergerät) steuert und überwacht alle Vorgänge auf dem
Bus. In einem Messsystem darf stets nur ein Gerät als Controller arbeiten,
das jederzeit eingeschaltet sein muss. Der Controller muss auch in der La-
ge sein, Talker- und Listener-Funktion zu übernehmen. Üblicherweise wird
die Controller-Funktion von dem (zentralen) Steuerrechner ausgeübt. Die
Kommandos (Busbefehle), die ein Controller sendet, heißen Schnittstellen-
nachrichten.
• Talker:
Der Talker (Sender) kann nach Aktivierung durch den Controller, welche
mit der Adressierung durch eine Interface-Message erfolgt, Daten auf den
Bus geben, welche von anderen Geräten aufgenommen werden können.
Es darf stets nur ein Talker aktiv sein, um Konflikte auf dem Bus zu
vermeiden.
• Listener:
Der Listener (Empfänger) kann nach Aktivierung durch den Controller
(erfolgt ebenfalls mit der Adressierung durch eine Interface-Message) auf
dem Bus befindliche Daten aufnehmen (hören). Es dürfen mehrere Listener
gleichzeitig aktiv sein. Die vom Talker stammenden Nachrichten heißen
Gerätenachrichten. Abbildung 16.16 zeigt beispielhaft einen über den IEC-
Bus zusammengeschalteten Messplatz, bestehend aus einem Steuerrechner,
der Controller-, Talker- und Listener-Funktionen übernehmen kann, einem
Digitalvoltmeter, das als Talker und Listener arbeiten kann, und einem
Signalgenerator, welcher nur als Listener fungiert.
Analogeingang Analogausgang
16.7.5 IEC-Bus-Leitungen
• Datenbus:
Die acht Datenleitungen des Datenbusses (Data Bus) werden mit DIO1
... DIO8 (DIO = Data Input/Output) bezeichnet (Abb. 16.15). Sie die-
nen der bidirektionalen Übertragung von Daten, Adressen und Befehlen.
Der Datentransfer erfolgt so, dass das LSB eines Bytes der DIO1-Leitung
558 16 Messdatenerfassung im Labor
16.7.6 Bus-Logik
+5V (TTL-Pegel)
+5V
RP
....
Q
Abb. 16.17. Parallelgeschaltete Open-Kollektor-Ausgangsstufen (npn-Transistor
mit Emitter an Masse)
560 16 Messdatenerfassung im Labor
DIO 1-8 H
data input output L 1 Datenbyte 8
Talker
DAV H false
data valid 3 gültig 7
L true
NRFD H false
not ready for data L 2 alle 4 keiner
Listener bereit true
bereit
NDAC H 1. bereit 2. bereit false
not data accepted L 5 6 9
true
Zeichenübernahmephase alle haben übernommen
Abb. 16.18. Zeitdiagramm zur Übertragung eines Datenbytes auf dem IEC-Bus
(Dreidraht-Handshake)
durch ein langsames Gerät dann werden, wenn mit dem Bussystem besonders
zeitkritische Operationen durchgeführt werden müssen.
Über den IEC-Bus werden nicht nur Daten, sondern alle Arten von Mehr-
drahtnachrichten, wie z. B. Steuerkommandos, Adressen oder Statusinforma-
tionen mit Hilfe des Dreidraht-Handshakes übertragen. In diesem Zusammen-
hang spricht man nicht mehr von Talker und Listener, sondern man un-
terscheidet ganz allgemein zwischen Source (Sender, Quelle) und Acceptor
(Empfänger, Senke).
Gerätefunktionen
Die Gerätefunktionen beschreiben die von dem jeweiligen Gerät ausgeführten
spezifischen Aufgaben, wie z. B. das Messen einer elektrischen Spannung bei
einem Voltmeter.
Schnittstellenfunktionen
Die IEC-Norm definiert 10 Schnittstellenfunktionen (Tab. 16.13), die den rei-
bungslosen Arbeitsablauf von IEC-Bus-Messgeräten gewährleisten. Die IEC-
Bus-Schnittstelle eines Gerätes kann in Abhängigkeit von den jeweiligen
Möglichkeiten des Gerätes auch auf eine Teilausrüstung dieser Schnittstel-
lenfunktionen beschränkt sein.
16.7.8 Nachrichtenarten
Man unterscheidet zwischen externen Nachrichten, die wirklich auf den IEC-
Bus gelangen, und internen Nachrichten, welche nur zwischen dem Gerät
(Gerätefunktion) und der eigentlichen Schnittstelle übermittelt werden (Abb.
16.20). Die IEC-Norm definiert 19 interne Nachrichten (Tab. 16.14).
16.7 Der IEC-Bus 563
Nachrichtenarten
Schnittstellen- Geräte-
Nachrichten Nachrichten
Befehlsmode Datenmode
(ATN = aktiv) (ATN = nicht-aktiv)
Ein- oder Mehrdraht- stets Mehrdraht-
Nachrichten Nachrichten
Tabelle 16.15. Codierung der Busbefehle und Adressen auf dem IEC-Bus (Codie-
rungsübersicht gemäß ISO-7-Bit-Code) (ATN = aktiv)
Adressierte Befehle
Die Gruppe der adressierten Befehle (ACG = Addressed Command Group)
wirkt auf alle am Bus angeschlossenen Geräte, die sich im Fernsteuerungszu-
stand befinden. Diese Geräte müssen jedoch entweder als Sprecher oder als
Hörer adressiert sein (Tab. 16.16).
• GET (Group Execute Trigger, Gerätegruppe auslösen)
Dieser Befehl löst in allen als Hörer eingestellten Geräten einen Triggerim-
16.7 Der IEC-Bus 565
puls aus, was vor allem der Möglichkeit dient, dass verschiedene Messgeräte
gleichzeitig mit einer Messung beginnen können.
• PPC (Parallel Poll Configure, zur Parallelabfrage einstellen)
Alle als Hörer eingestellten Geräte werden für die Parallelabfrage vorbe-
reitet.
• TCT (Take Control, Steuerung übernehmen)
Der zur Zeit aktive Controller veranlasst ein als Sprecher eingestelltes
Gerät, die Steuerung zu übernehmen, falls es als Controller zu arbeiten
in der Lage ist.
• GTL (Go To Local, auf Eigensteuerung schalten)
Alle als Hörer eingestellten Geräte werden auf manuelle Bedienung umge-
schaltet.
• SDC (Selected Device Clear, adressiertes Gerät zurücksetzen)
Ein oder mehrere als Hörer adressierte Geräte werden zurückgesetzt.
Universal-Befehle
Die Universal-Befehle (UCG = Universal Command Group) wirken ebenfalls
auf alle am Bus angeschlossenen Geräte, die sich im Fernsteuerungszustand
befinden. Es ist dabei nicht entscheidend, ob sie sich im adressierten Zustand
befinden oder nicht (Tab. 16.16).
Neben den beiden Befehlen SPD und SPE, die das Schnittstellensystem für
eine Serienabfrage einstellen bzw. sperren, gehören zu dieser Gruppe folgende
wichtige Befehle:
• DCL (Device Clear, Gerät rücksetzen)
Sämtliche Gerätefunktionen (außer den Schnittstellenfunktionen) aller am
Bus betriebenen Geräte werden in ihren Grundzustand zurückgesetzt.
• LLO (Local Lock Out, Steuerung verriegeln)
Die manuelle Bedienung der Geräte wird gesperrt.
• PPU (Parallel Poll Unconfigure, Parallelabfrage zurücknehmen)
Die Bereitschaft für eine Parallelabfrage wird bei allen Geräten aufgeho-
ben.
Hörer- und Sprecher-Adressen
Mit Hilfe dieser Nachrichten (Tab. 16.17) werden die am Bus angeschlosse-
nen Geräte als Hörer oder als Sprecher eingestellt. Die Hörer-Adressen wer-
den mit LAG (Listener Address Group) und die Sprecher-Adressen mit TAG
(Talker Address Group) bezeichnet. Nachdem nun ein Gerät über die Da-
tenleitungen DIO1 bis DIO5 eine Hörer-Adresse (LAG) empfangen hat, wird
anschließend diese Adresse mit der am Gerät voreingestellten verglichen. Bei
Übereinstimmung wird LAG als richtige Adresse MLA (My Listener Address)
interpretiert, woraufhin das Gerät die Hörer-Funktion übernimmt. Stimmt
die empfangene Adresse nicht mit der voreingestellten überein, wird LAG
als falsche Adresse OLA (Other Listener Address) gedeutet und das Gerät
verbleibt in seinem Zustand. In engem Zusammenhang mit den Hörer- und
Sprecher-Adressen stehen die beiden folgenden Entadressierbefehle:
566 16 Messdatenerfassung im Labor
• UNL (Unlisten)
Alle als Hörer eingestellten Geräte werden entadressiert.
• UNT (Untalk)
Dieser Befehl führt zur Entadressierung des als Sprecher eingestellten Ge-
rätes. Für den Fall, dass ein als Sprecher eingestelltes Gerät die eige-
ne Hörer-Adresse MLA oder eine fremde Sprecher-Adresse OTA erkennt,
muss es sich selbständig entadressieren. Damit vermeidet man Konflikt-
situationen, bei denen mehr als ein Sprecher gleichzeitig am Bus aktiv
ist.
Sekundär-Befehle und Unteradressen
Die mit der erweiterten Hörer-Funktion LE oder mit der erweiterten Sprecher-
Funktion TE ausgestatteten Geräte werden mit einer 2-Byte-Adresse ange-
sprochen. Soll ein solches Gerät als Hörer adressiert werden, empfängt es
zunächst die Nachricht MLA und wartet anschließend auf den Befehl SCG (Se-
16.7 Der IEC-Bus 567
condary Command Group). Erst wenn diese Nachricht mit der am Gerät ein-
gestellten Sekundär-Adresse übereinstimmt, übernimmt das Gerät die Hörer-
Funktion. Die Sprecheradressierung erfolgt in analoger Weise.
• SCG (Secondary Command Group)
Den Geräten mit 2-Byte-Adressierung wird mit diesem Befehl nach Emp-
fang einer MLA- oder MTA-Nachricht eine Sekundär-Adresse mitgeteilt.
16.7.9 Schlusszeichen
16.7.10 Statusabfrage
Der Controller kann jederzeit eine Statusabfrage an die an den IEC-Bus ange-
schlossenen Geräte senden, die daraufhin ein Statusbyte zurücksenden. Neben
dieser programmierten Abfrage ist auch die Möglichkeit vorgesehen, dass die
Aufforderung zur Statusabfrage direkt von den einzelnen Geräten per Inter-
rupt an den Controller ergeht. Die Statusabfrage kann auf zwei Arten erfolgen:
• serielle Abfrage (Serial Poll)
• parallele Abfrage (Parallel Poll).
568 16 Messdatenerfassung im Labor
+
+
+
+
a) IEEE488 b) IEC625
Für den Serial Poll wird von allen angeschlossenen Geräten dieselbe Bus-
Leitung verwendet. Der Controller muss also, nachdem er den Service-Request
empfangen hat, das entsprechende Gerät heraussuchen, indem er die in Frage
kommenden Geräte der Reihe nach adressiert, bis er vom rufenden Gerät eine
Bestätigung erhält. Mit der Bestätigung sendet das rufende Gerät auch noch
weitere Informationen, welche die Art der Bedienung präzisieren. Bei dieser
Rückantwort handelt es sich um das sog. Status-Byte.
Beim Parallel Poll wird jedem dafür vorgesehenen Gerät vom Control-
ler eine der Datenleitungen für die Rückantwort zugewiesen. Während des
Betriebes kann nun der Controller periodisch abfragen und Geräte, die eine
Bedienung wünschen, melden dies über die ihnen zugewiesene Datenleitung.
Dabei wird aber kein Statuswort gesendet. Man sollte also den Parallel Poll
nur dann verwenden, wenn man weiß, welche Art der Bedienung vom betref-
fenden Gerät gewünscht wird.
16.7.11 IEC-Bus-Hardware
Historisch bedingt gibt es zwei verschiedene Steckverbindungen für den IEC-
Bus, die beide in Abb. 16.21 gezeigt werden. Die entsprechenden Pinbele-
gungen sind in Tab. 16.18 zusammengefasst, während Tab. 16.19 Aufschluss
über die maximalen Übertragungsgeschwindigkeiten bzw. maximalen Entfer-
nungen in Abhängigkeit der verwendeten Treiberschaltungen gibt. Mit Hilfe
von IEC-Bus-Expandern ist es möglich, bis zu 29 Geräte gleichzeitig an den
IEC-Bus anzuschließen. Das Prinzip der Verkabelung von IEC-Bus-Geräten
wird in Abb. 16.22 gezeigt.
16.7 Der IEC-Bus 569
DMA und
Interrupt
Controller
IEEE 488.2
Address Turbo 488 Interface IEEE 488.1
Decoder Transceivers
PC AT-Bus
Controller
IEC-Bus
Data GPIB IEEE 488.1
Transceivers Monitor Transceivers
PC AT-Bus
Interface
Logic
16.8.1 VXI-Bus
Beim VXI-Bus handelt es sich um eine speziell auf die Belange der Messtechnik
zugeschnittene Erweiterung des VME-Busses. Im IEEE-Normvorschlag P1155
werden dazu weitere Pin-Belegungen von P2 sowie ein zusätzlicher dritter
572 16 Messdatenerfassung im Labor
P1 100 x 160 mm
VME-Bus
P1
233,35 x 160 mm
P2
P1
233,35 x 340 mm
P2
VXI-Bus
P1
P2 366,70 x 340 mm
P3
Modul muss unter anderem die Takt- und Triggerinformationen für die rest-
lichen Einsteckkarten in den Steckplätzen 1 bis 12 zur Verfügung stellen. Die
wesentlichen Merkmalerweiterungen zum VME-Bus sind:
• höhere Datentransferrate: max. 40 MByte/s
• durch einen Triggerbus können verschiedene Messungen zeitgleich gestar-
tet und miteinander synchronisiert werden
• es ist eine dem IEC-Bus ähnliche Kommunikation möglich
• es ist eine Schnittstelle zum IEC-Bus definiert.
Die Zielsetzung der VXI-Bus-Entwicklung war es, die Vorzüge des IEC-Busses
(Standard der Messtechnik) mit denen des VME-Busses (Leistungsfähigkeit)
zu vereinigen. Dies bedeutet aber auch, dass der VXI-Bus eine Konkurrenz
zu einem IEC-Bus nur dort sein kann, wo es auf höhere Leistungsfähigkeit,
insbesondere höhere Geschwindigkeiten, ankommt.
Die VXI-Bus-Geräte sind in Form von Einsteckkarten-Modulen ausgeführt
und beinhalten im Allgemeinen keine Anzeigen oder Bedienelemente. Von
diesen Einsteckmodulen lassen sich in der Regel 13 Stück in einem Mainframe
unterbringen. Sie arbeiten entweder als Resource Manager, Commander oder
Servants.
16.8 VXI-Bus, PXI-Bus und MXI-Bus 573
16.8.3 Commander
16.8.4 Servant
Der Servant ist ein Modul, welches unter der Kontrolle eines Commanders ar-
beitet. Ein Servant kann gegenüber Servants einer untergeordneten Hierarchie-
ebene wiederum Commanderfunktion (Masterfunktion) besitzen, so dass er
in der Gesamthierarchie andere Servants kontrollieren kann. Servants können
sowohl nachrichtenorientiert als auch registerorientiert arbeiten (registerori-
entiertes Modul, register based module). Registerorientierte Module verfügen
über keine lokale Intelligenz, d. h. dass sie nicht in der Lage sind, Befehle in
Form von ASCII-Zeichen zu empfangen. Diese Einschränkung führt allerdings
auch zu der angenehmen Eigenschaft, dass sie direkt und damit sehr schnell
ansprechbar sind. Daneben gibt es noch Speichermodule (memory devices)
vom Typ RAM oder ROM.
16.8.5 Busgliederung/Teilbusse
Ein großer Vorteil des VXI-Systems beruht auf der Tatsache, dass seine
Steuerungs- und Kommandostruktur in Anlehnung an die IEC-Bus-Norm
festgelegt wurde. Auf diese Weise können in einem einzigen System VME-
Bus-, VXI-Bus- und IEC-Bus-Module gleichzeitig verwendet werden. So ist
beispielsweise die Steuerung von VXI-Modulen von einem IEC-Bus-Controller
aus möglich. Der Slot 0 kann für diesen Fall eine VXI-Bus/IEC-Bus-Schnitt-
stelle enthalten, die mit einem Rechner kommuniziert, der ebenfalls eine IEC-
Bus-Schnittstelle enthält (Abb. 16.25). Das VXI-Bus-System erscheint dem
Anwender in diesem Fall als eines von eventuell mehreren angeschlossenen
IEC-Bus-Geräten.
16.8.7 PXI-Bus
ausgelegt. Im Jahre 1996 wurde durch die PICMG (PCI Industrial Computer
Manufacturers Group) der CompactPCI-Standard definiert, der Datenraten
bis zu 264 MByte/s zulässt. Hard- und softwarebedingt konnten allerdings
keine definierten Interruptverzögerungen eingehalten werden und Anwendun-
gen, die ein exaktes Timing erfordern, können daher nicht auf diesen Standard
zurückgreifen.
Der CompactPCI-Standard wurde 1997 von National Instruments [122]
konsequent weiterentwickelt und 1998 als PXI-BUS eingeführt. Heute zählt
das Firmenkonsortium PXI System Alliance (PXISA), das die Entwicklung
des PXI-Bus und der darauf basierenden Standards vorrantreibt, mehr als 60
Mitglieder. Dazu zählen viele namhafte Industrieunternehmen der Automati-
sierungstechnik.
Der PXI-Bus (PCI eXtension for Instrumentation) stellt einen offenen
Standard dar und verbindet wirkungsvoll bereits existierende Technologien,
um Messdatenerfassungssysteme mit hoher Performance zu schaffen. Der PXI-
Bus adaptiert den PCI-Bus, der derzeit vor allem im Desktopcomputerbereich
verwendet wird, für messtechnische Aufgaben und erweitert ihn um Robust-
heit in Bezug auf elektromagnetische Verträglichkeit, Temperatur- und Feuch-
tebedingungen im industriellen Messumfeld. Anders als beim Compact-PCI
Standard wurden Softwaretreiber sowie Anforderungen an die Kühleigenschaf-
ten und die elektromagnetische Verträglichkeit mit in den Standard einbezo-
gen.
Analog zu VXI-Bus-Systemen werden auch PXI-Systeme in Form eines
Mainframe aufgebaut (Abb. 16.26). In dieses Mainframe-Gehäuse (enthält
auch die Spannungsversorgung) werden zwischen vier und 18 Europakarten
(ANSI 310-C, IEC 297 und IEEE 1101.1) verschiedener Größen (3 oder 6
Größeneinheiten) eingeschoben. Im Steckplatz 1 (slot 1) befindet sich der Sy-
stemcontroller, der entweder eine Fernsteuerung des Systems mittels eines
Desktop-PCs ermöglicht, oder aber einen Embedded Controller mit einem
eigenständigen Betriebssystem. Module zur Erweiterung des Messdatenerfas-
sungssystems, wie Signalgeneratoren, Signalanalysegeräte oder Messgeräte,
können in die verbleibenden Steckplätze eingebracht werden (Abb. 16.27).
Außerdem existiert die Möglichkeit, das System mit einem Stern-Trigger-
Controller zu erweitern, um ähnlich den VXI-Systemen weitergehende Syn-
chronisations- und Timingmöglichkeiten zu verwirklichen.
576 16 Messdatenerfassung im Labor
System-Controller-Modul
Controller leerer Slot
Erweiterung-Slots periphere Module
Back-
plane
P2
P1
Chassis
1 2 3 4 5 6 7 8
Einen großen Vorteil von PXI-Systemen stellt die Möglichkeit dar, Compact-
PCI-Module zu integrieren. Diese können zu einem günstigen Preis die gewün-
schte Funktionalität, wie sie beispielsweise eine Netzwerkkarte bietet, in ein
bestehendes System einbinden, wobei dann auf die erweiterten PXI-Signale
verzichtet werden muss. Die Verwendung eines PCs als Controller und die
Anbindung an ein PXI-Gehäuse mittels einer PCI-PCI-Brücke stellt einen
häufigen Anwendungsfall von PXI-Systemen dar. Hierbei wird sowohl auf alle
preisgünstigen Ressourcen eines PCs zurückgegriffen als auch die schnellen
Timing- und Synchronisierungsfähigkeiten des PXI-Busses genutzt.
Durch die Verwendung von PCI-PCI-Brücken kann ein PXI-System auf bis
zu 31 Einsteckkarten erweitert werden. Es ist möglich, auch größere Systeme
zu erstellen; durch den aktuellen PXI-Standard (PXI Hardware Revision 2.2)
wird diese Grenze jedoch vorgegeben.
16.8.8 PCI-Express
16.8.10 MXI-Bus
Back-
plane
Chassis
H H
1 2 3 4 5 6 7 8
VXI-Bus-System I
Host-
Rechner Resource Manager
Commanders
und Servants
MXI-Bus-
VXI-Bus-System II
Interface
Resource Manager
Commanders
und Servants
Die dritte Generation des MXI Standards (MXI-3) basiert, unter Berück-
sichtigung des Compact-PCI- und PXI-Standards, auf der PCI-Technologie.
Im Prinzip verhält sich eine MXI-3-Verbindung wie eine PCI-PCI-Brücke,
welche aus einem primären (PCI-MXI-3-Board) und einem sekundären (Com-
pactPCI/PXI-MXI-3-Modul) Interface besteht, die mit einem Kupfer- oder
Lichtwellenleiterkabel miteinander verbunden sind und somit eine transparen-
te Ankopplung von Compact-PCI/PXI-Systemen an Standard-PCs erlaubt.
Die Leitungslänge darf bei Verwendung von Kupferkabeln 10 m und bei Licht-
wellenleitern 200 m nicht überschreiten. Müssen größere Distanzen überwun-
den werden, so kann dies durch Repeater, die nach der jeweils maximalen Ka-
bellänge eingesetzt werden, realisiert werden. Der theoretisch maximale Da-
tendurchsatz von MXI-3 beträgt 100 MByte/s, wobei praktisch ca. 90 MByte/s
erreicht werden.
PXImc Device
Primary System Host PXI Peripheral Module Form Factor
Abschließend sind die Zeitpunkte der Einführung aller bisher diskutierten Bus-
Standards angeführt:
17.1.2 Programmstruktur
Steuerprogramme bestehen aus Aufrufen von Bausteinen (Programm-Module),
die unabhängig voneinander programmiert werden. Dadurch können im Laufe
Prozessabbild
Eingänge
Steuerungs- Prozess
Programm
Prozessabbild
Ausgänge
Ereignis Reaktion
Reaktionszeit
Abb. 17.2. Reaktionszeit einer speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS)
586 17 Messdatenerfassung im Feld
Durch Verwendung spezieller Befehle besteht die Möglichkeit, den Wert eines
Eingangs direkt einzulesen bzw. einen Ausgangswert direkt zu setzen. Dies ist
für Fälle notwendig, bei denen z. B. unmittelbar auf eine Änderung ein Aus-
gang gesetzt werden muss. Bei der Verwendung solcher Befehle kann zwar,
bezogen auf diesen Ausgang, Zeit eingespart werden, auf mehrere Ein- bzw.
Ausgänge angewandt, wird die Zyklusdauer jedoch erheblich verlängert. Da-
her ist es in den meisten Fällen sinnvoll, wie oben geschildert, nur auf die
Prozessabbilder zuzugreifen.
Textorientierte Programmiersprachen
AWL: wie der Name schon sagt, besteht diese Programmiersprache aus einer
Liste von Anweisungen, wobei jede Anweisung in einer neuen Zeile beginnt
und einen Operator sowie, je nach Operatortyp, einen oder mehrere durch
Komma getrennte Operanden beinhaltet. Es finden auch Identifikator-
Marken Verwendung, die als Sprungpunkte dienen.
ST: ist an Hochsprachen wie Basic, C oder Pascal angelehnt, eignet sich vor
allem für häufig benutzte Konstrukte und dient der Übersichtlichkeit des
Programmes. So können Schleifen einfach implementiert werden. Struktu-
rierter Text ist außerdem eine leicht lesbare Programmiersprache, die bei
stark verschachtelten Anweisungen Vorzüge bietet.
Graphische Programmiersprachen
KOP: ist an das Prinzip von elektrischen Schaltungen angelehnt. Die Spra-
che eignet sich zur Konstruktion logischer Schaltwerke, zur Steuerung von
Funktionsbausteinaufrufen oder aber zum Erstellen von Netzwerken. Auf
der linken und rechten Seite des Netzwerks wird selbiges von einer Strom-
leitung begrenzt, wobei mittels dazwischen angeordneter Kontakte, Spu-
len und Verbindungslinien ein Kontakt zwischen den Stromleitungen her-
gestellt werden kann. Kontakte sind dabei Datenquellen, wie z. B. boole-
sche Variablen oder Eingangssignale, und Spulen stellen Datensinken dar,
z. B. boolesche Variablen oder Ausgangssignale.
FBS: FBS-Programme können sehr abstrakt und kompakt sein und zu-
dem elegant und auch zügig erstellt werden. Wesentliche Sprachelemen-
te sind Funktionen, Funktionsblöcke, Funktionsbausteine, Variablen so-
wie horizontale und vertikale Linien. Daten fließen von links nach rechts
und werden an beiden Seiten durch Variablen begrenzt. Die Verwendung
von Sprungmarken und Sprüngen ist vorgesehen, allerdings sollten diese
nur begrenzt verwendet werden, um die Lesbarkeit des Programmes zu
gewährleisten.
588 17 Messdatenerfassung im Feld
Ablaufsprache
AS: ist sowohl eine textbasierte als auch eine graphische Programmierspra-
che. Wesentliche Bestandteile der Programmiersprache stellen Schritte,
Transitionen (Übergangsbedingungen) und Verbindungen dar. Bei jedem
Schritt wird eine bestimmte Menge von Aktionen für diesen Schritt durch-
geführt, diese Aktionen werden solange ausgeführt, bis die Übergangs-
bedingung zum nächsten Schritt erfüllt ist. Jedes Programm bzw. jeder
Funktionsbaustein kann als AS-Programm betrachtet werden, selbst wenn
dafür andere Sprachen zur Verwendung gekommen sind, da dann ein AS-
Programm aus nur einem Schritt besteht.
AWL-Beispiel:
Die Überwachung eines Rührkessels soll als Beispiel für ein AWL-Programm
dienen. Abbildung 17.3 zeigt ein solches Programm, im oberen Teil die Varia-
blendeklarationen und im unteren Teil die Implementierung des Programmes.
Steigt die Kesseltemperatur über eine bestimmte Maximaltemperatur oder
sinkt die Kesseltemperatur unter einen Minimalwert, so wird die Variable
NotAUS“ gesetzt und weitere Aktionen würden folgen. In diesem Beispiel-
”
programm wurden folgende Befehle verwendet:
17.1 Die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) 589
ST-Beispiel:
Abbildung 17.4 zeigt ein kurzes ST-Programm, welches mehrere Male den-
selben Funktionsblock zur Raumtemperaturregelung aufruft. Im oberen Teil
der Abbildung sind die Deklarationen zu erkennen, im unteren Teil die Im-
plementierung des Programmes. Die Benutzung von Schleifen erlaubt es, den
Programmcode im Gegensatz zu den anderen Sprachen sehr kompakt zu for-
mulieren.
Die Sprache ST ähnelt der Hochsprache Pascal. Der im Deklarationsteil des
Programmes erwähnte Funktionsblock T2PmitHysterese ist als ST-Funktions-
block in Abb. 17.5 zu sehen. Der Funktionsblock überprüft, ob die Raumtem-
peratur geringer ist als der vorgegebene Sollwert, abzüglich eines Hystere-
sewertes. Der jeweils gültige Sollwert kann dabei entweder durch ein Tag-
bzw. Nachtprogramm oder ansonsten durch einen Sollwertsteller vorgegeben
werden. Die gleiche Funktionalität besitzt auch der in Abb. 17.7 gezeigte FBS-
Funktionsblock, wobei die Übersichtlichkeit und Anschaulichkeit der Funktion
durch die Sprache FBS eher gegeben ist als bei Verwendung von ST.
590 17 Messdatenerfassung im Feld
KOP-Beispiel:
Das KOP-Beispiel (Abb. 17.6) zeigt die einfache Verknüpfung mehrerer Bedin-
gungsvariablen. Die Variablen F1 , F2 und F3 stellen den Zustand von Fenstern
dar. Wenn nur eines dieser Fenster geöffnet ist, dann soll die Variable Q ge-
setzt (= WAHR) werden. Sind weniger oder mehr als ein Fenster offen, so
wird die Variable nicht gesetzt (= FALSCH). Es wurden die Elemente Kon-
takt und Spule verwendet, wobei die Möglichkeit der Negierung jeweils auf
zwei der Lüftervariablen in einem Parallelzweig angewendet wurde.
Die dabei realisierte Funktion lautet
Für diesen Funktionsblock müssen die Variablen deklariert sein, dieser Dekla-
rationsblock könnte folgendermaßen aussehen:
FBS-Beispiel:
AS-Beispiel:
Tip:
Auf der CD-ROM befindet sich eine Demoversion des Pro-
gramms CoDeSys zur Programmierung von Speicherpro-
grammierbaren Steuerungen. Das book.pdf-File enthält ei-
ne Einführung in die wichtigsten, hier verwendeten Elemente der SPS-
Programmierung sowie einige Aufgabenstellungen, die einen Einblick in
die unterschiedlichen Programmiersprachen geben. Dabei können SPS-
Programme erstellt und auf dem PC simuliert werden. Via Internet
können auch Programme auf eine am Lehrstuhl für Sensorik (Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) aufgebaute SPS geladen und
ausgeführt werden. Die erfolgreiche Programmierung dieser SPS kann
anhand von helligkeitsgesteuerten Lampen und LEDs mittels einer Web-
Cam beobachtet werden. Die Beispielprogramme befinden sich im Ver-
zeichnis \SPS_Codesys\Aufgaben.
Abb. 17.9. Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) der Fa. WAGO [193]. Der
SPS-Controller enthält einen integrierten Webserver.
17.2 Neue Entwicklungen bei Speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) 595
gen Netzbetreibers. Controller und SMSC können sowohl über GSM als
auch über das Festnetz (ISDN oder analog) kommunizieren.
Der SMS-Versand über ein GSM-Modem, gegebenenfalls ein Han-
dy mit Datenkabel, bietet besonders für an abgelegenen Standorten ar-
beitende Controller vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Für den Anschluss
des GSM-Modems wird eine entsprechende Busklemme mit einer seriellen
Schnittstelle in den Klemmenverband integriert.
Ein mit einem GSM-Modem verbundener Controller kann auch SMS-
Nachrichten empfangen und auswerten. Entsprechend programmiert, kann
der Controller in dieser Konfiguration den Empfang und die korrekte
Ausführung eines Befehls sogar bestätigen. Die Kommandos werden in
Form von benutzerdefinierten Funktionen zusammengefasst. Damit steht
eine weitere Variante der Fernbedienung zur Verfügung, die z. B. für die
gebäudetechnische (Fern-)Steuerung eines Einfamilienhauses interessant
ist.
Abb. 17.10. Webseite, mit der sich der SPS-Controller bei Aufruf seiner IP-Adresse
meldet. Die Seite zeigt wichtige Informationen, wie z. B. die Seriennummer des Con-
trollers, die Versionsnummer seiner Firmware und seine Gateway-Adresse. Unter der
IP-Adresse 131.188.140.217 kann der Leser die interne Webseite einer am Lehrstuhl
für Sensorik [103] befindlichen SPS aufrufen.
rem Postfach ab. Gesteuert wird der Mail-Client über den Aufruf von
Funktionsbausteinen in einem IEC 61131-Programm (s. Kap. 17.1.6).
Mit den oben besprochenen Vernetzungsarten einer SPS bieten sich auch neue
Möglichkeiten der Visualisierung, die im folgenden Abschnitt behandelt wer-
den.
Die Möglichkeiten, die eine moderne SPS in Verbindung mit geeigneter Soft-
ware heute bietet, sollen wiederum an einem konkreten Produkt aufgezeigt
werden. Es werden hier im Speziellen die Visualisierungsmöglichkeiten der
CoDeSys-Programmierumgebung [36] in Verbindung mit dem WAGO-IO-
System aufgezeigt. Es sei an dieser Stelle aber betont, dass sehr wohl auch
alle anderen namhaften Hersteller von Speicherprogrammierbaren Steuerun-
gen bzw. entsprechender Software vergleichbare Produkte in ihrem Portfolio
haben. Von einer über Herstellergrenzen hinweg durchgängigen Kompatibi-
lität bezüglich der hier diskutierten Visualisierungsmöglichkeiten ist allerdings
beim derzeitiger Stand noch nicht auszugehen.
598 17 Messdatenerfassung im Feld
Zur Visualisierung kann ein Panel (= Bildschirm, der optional mit Bedienele-
menten ausgestattet ist) über RS 232- bzw. RS 485-IO-Module oder auch über
die Feldbusschnittstelle angeschlossen werden (Abb. 17.11).
Protokolle, mit denen Panels beispielsweise an das WAGO-IO-System an-
geschlossen werden können, sind MODBUS, CAN-open und SIEMENS 3964
R/RK512. Die Erstellung der auf dem Panel erscheinenden Bilder hat mit
einer geeigneten Software des Panelherstellers zu erfolgen.
Die Technik der Panels hat sich in den letzten Jahren rasant weiterent-
wickelt. So werden heute des öfteren hochauflösende Touch-Panels verwendet,
die eine einfache Bedienung per Fingerdruck auf graphisch dargestellte But-
tons zulassen. Die Rückmeldungen des Systems sind audiovisuell. Jüngst ist ei-
ne Touch-Panel-Technologie hinzugekommen, die dem Benutzer eine haptische
Rückmeldung geben [172], d. h. der Prozessstatus und weitere Informationen
a) Feldbus
b) Serviceschnittstelle
c) RS232- oder RS485-IO-Modul
Abb. 17.11. SPS-Prozess-Visualisierung mittels Panel. Die unter a), b) und c)
angeführten Schnittstellen sind alternativ verwendbar.
17.2 Neue Entwicklungen bei Speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) 599
können auf dem Touch-Panel per Tastsinn der Finger gefühlt werden. Dazu
wird die Oberfläche des Panels gezielt mit mechanischen Wellen, insbeson-
dere in Form von kurzen Stößen, angeregt [160]. Diese Körperschallanregung
erfolgt mit Hilfe von piezoelektrischen Wandlern.
Visualisierung mittels PC
Zur Visualisierung des SPS-Prozesses auf einem separaten PC muss ein spezi-
elles Programm implementiert werden, welches die Prozessdaten von der SPS
holt und die graphische Aufbereitung vornimmt. Solche Programme kennen
u. a. einen Entwicklungsmodus zur Erstellung der Bilder und einen Runtime-
modus zur Darstellung derselben während des Betriebes. Dabei hängt der
Aufwand für die Erstellung der Bilder sehr wohl vom verwendeten Produkt
ab.
Vorteilhafterweise wird hier eine Software eingesetzt, bei welcher der o. g.
Entwicklungsmodus bereits Bestandteil des SPS-Programmiersystems ist, wie
z. B. beim CoDeSys SPS-Programmiersystem [36]. Für den Runtimemodus
ist allerdings ein separates, unter dem Produktnamen CoDeSys-HMI vertrie-
benes, Programmpaket notwendig. Die Anbindung der SPS erfolgt über die
Standardschnittstellen, wie z. B. Ethernet oder einen Feldbus.
Target-Visualisierung
Web-Visualisierung
Digital Visual
Interface (DVI)
Abb. 17.13. Visualisierung mit Webbrowser auf PDA oder PC; Webserver in SPS-
Controller integriert
Visualisierung mit Hilfe von separaten PCs bzw. PDAs (PDA = Personal
Digital Assistant).
Der Aufwand zur graphischen Darstellung hängt auch hier in hohem Maße
von der verwendeten Entwicklungsumgebung ab. So erlaubt beispielsweise
die SPS-Programmierumgebung CoDeSys mit ihrem neuesten Release die
Verwendung eines integrierten Visualisierungseditors in Verbindung mit
dem o. g. WAGO-Controller.
3. Webserver auf PC
Die Webserver-Software kann auch auf einem separaten PC ablaufen. Da-
zu ist die Kommunikation zwischen der SPS und diesem PC über ei-
ne Standardschnittstelle, wie z. B. einem Feldbus, sicherzustellen. Dabei
sammmelt der PC die Daten der SPS, erzeugt die Graphiken und stellt
diese als HTML-Seiten im Netz zur Verfügung.
Hinweis
Lesern, die sich über aktuelle Entwicklungen auf dem SPS-Sektor informieren
möchten, sei die Zeitschrift SPS Magazin, Zeitschrift für Automatisie-
rungstechnik (www.sps-magazin.de) empfohlen.
602 17 Messdatenerfassung im Feld
Sie basiert auf der Cortex A8-Prozessorarchitektur und ist kompatibel zu al-
len bisherigen Steuerungen und Modulen des WAGO-SPS-Systems 750. An
diesen Controllern können alle bisherigen SPS-Klemmen der Standard-SPS-
Serie 750 angesteckt und betrieben werden. Mit Hilfe der Codesys-Version
3.x lassen sich Automatisierungsprojekte auf der Basis der Standard-SPS-
Programmiersprachen gemäß IEC 61131-3 durchführen. Gegenüber der klassi-
schen SPS-Linien der Controller 750-840...880 resultieren aus der PFC100/200-
Serie verschiedene Vorzüge.
Die Standard-SPS-Software-Module gemäß IEC 61131-3 lassen sich mit
Hilfe des Linux-Betriebssystems ohne größeren Aufwand in eine komplexe
Softwareumgebung einbetten. Zum Beispiel lassen sich unter Linux ablauffähi-
ge Graphik- und Visualisierungstools verwenden, um moderne MMIs (Man
Machine Interface) zu realisieren. Die in Linux leicht zu handhabende Ver-
schlüsselungstechnologie TSL 1.2 (Transport Layer Security) kann dazu ver-
wendet werden, IPsec oder Open-VPN-Verbindungen zu implementieren. Eine
standardmäßige integrierte Firewall bietet Schutz vor unerlaubten Zugriffen.
Desweiteren gestattet die Linux-Umgebung das komfortable Einbinden von
Modulen, die in nicht SPS-Programmiersprachen programmiert wurden, wie
C oder C++.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass mit den neuen SPS-
Controllern, die mit dem Linux-Betriebssystem betrieben werden, der vollin-
17.2 Neue Entwicklungen bei Speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) 603
17.2.4 SPS-Spezialklemmen
Bremse Motor
Stromwandler
SPS
Netzteil
SPS SPS
Controller Leistungsmesskarte
Mit Hilfe der o. g. SPS-Klemmen lassen sich in Verbindung mit den von
den Herstellern bereitgestellten Programmbausteinen kleinere Energieversor-
gungsnetze bzw. auch einzelne Verbraucher, wie elektrische Maschinen, sehr
gut überwachen und die genauen Daten protokollieren und auswerten.
17.2 Neue Entwicklungen bei Speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) 605
17.2.5 EnOcean-Funkempfänger-Busklemmen
Mit Hilfe der von der Fa. EnOcean entwickelten Funktechnologie lassen sich Si-
gnale von energieautark arbeitenden (ohne Batterie) Sensoren, Schaltern und
Tastern Signale empfangen bzw. Befehle und Signale an Aktoren übertragen
[48]. Dies erlaubt die Anbindung von Sensoren und Aktoren ohne aufwändi-
ge Verdrahtung. Um eine Einbindung von speicherprogrammierbaren Steue-
rungen zu ermöglichen, haben SPS-Hersteller wie Beckhoff und WAGO die
Klemmen KL658x (Beckhoff) und 750-642 (WAGO) entwickelt. Mit Hilfe die-
ser Hardware-Klemmen und geeigneter Software-Funktionsbausteine lassen
sich selbst komplexe Sensor-Aktornetzwerke auf einfache Weise schnell im-
plementieren. Die eindeutige Kennung der einzelnen Funk-Sensoren und -Ak-
toren erfolgt durch eine fixe, einmalig bei der Fertigung vergebene Adres-
se (der Adressbereich umfasst 4 ·109 Adressen). Die Funkfrequenz beträgt
868,3 MHz. Die typ. erzielbare Reichweite wird innerhalb von Gebäuden mit
ca. 30 m angegeben. Eigene praktische Tests haben jedoch ergeben, dass es
sich dabei im Allgemeinen um einen in positiver Weise abgeschätzten Wert
handelt.
Die EnOcean-Funktechnologie wird heute vor allem im häuslichen Be-
reich für Smart-Home-Lösungen eingesetzt, da man sich gerade im Bestand
nachträgliche Aufbrüche für die Sensor-Aktor-Zuleitungen ersparen möchte.
Es muss allerdings in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass das
EnOcean-Funkprotokoll keine Verschlüsselung vorsieht, so dass es nicht den
höchsten Sicherheitsstandards genügt.
17.3 Einplatinen-Computer
In den letzten Jahren haben sogenannte Einplatinen-Computer ein nennens-
wertes Marktsegment der IT-Branche eingenommen. Es handelt sich dabei
um komplett eigenständig lauffähige Mini-Computer, bei denen alle Kompo-
nenten, die zum Computerbetrieb erforderlich sind, auf einer kleinen Print-
platine untergebracht sind. Die Fläche dieser Platine ist in aller Regel klei-
ner als 1 Quadratdezimeter. Die durchschnittlichen Kosten für einen solchen
Einplatinen-Computer liegen im Bereich 30,- bis 50,- EUR. Um das System zu
komplettieren, ist noch ein Netzteil, eine SD-Speicherkarte sowie, je nach Art
der Verwendung, ein externes Display und eventuell eine Tastatur bzw. eine
Maus notwendig. Da für reine Steuerungsaufgaben die letztgenannten Kom-
ponenten entfallen können, handelt es sich bei diesen Einplatinen-Computern
um einen sehr kostengünstigen Controller, der in der Mess- und Automati-
sierungstechnik als Embedded Computer äußerst vielfältig eingesetzt werden
kann.
Derzeit beliebte Einplatinen-Computer sind:
• Raspberry Pi
• Orange Pi
• Banana Pi
• Arduino
• Cabieboard
• BeagleBone Black
• Odroid C1
Als Betriebssysteme sind vor allem Linux- und Windows-Derivate im Ge-
brauch:
• Ubuntu
• Debian
• Raspbian
17.3 Einplatinen-Computer 607
• Win 10 IoT
• OpenELEC
Auf der Platine sind auch die zur Kommunikation mit der Außenwelt notwen-
digen Schnittstellen vorhanden. In Abhängigkeit des jeweiligen Einplatinen-
Computers sind dies folgende Schnittstellen:
• USB
• Ethernet (u. U. WLAN)
• SATA
• General Purpose I/O (GPIO) (s. u.)
• SPI, CSI DSI, RS232, RS485
• I2 C
• HDMI
• Bluetooth
Welche der o. g. Schnittstellen konkret auf der Platine vorhanden sind, muss
den jeweiligen Produktbeschreibungen entnommen werden. Beim Raspber-
ry Pi beispielsweise sind dies: USB, Ethernet (100 MBit/s), Bluetooth, HDMI,
Audio-Ausgang, CSI (Camera Serial Interface) und DSI (Display Serial Inter-
face) und ein 26-poliges Interface für GPIO. Der Raspberry Pi3 basiert auf
einem leistungsfähigem ARMv8 64-Bit-Prozessor, der standardmäßig mit ei-
ner Taktrate von 1,2 GHz arbeitet.
Wird nur der Raspberry Pi allein eingesetzt, ist man auf die auf der Platine
bereits vorhandenen Hardware-Schnittstellen angewiesen. Für Kommunika-
tionsaufgaben können dabei vor allem das Ethernet-LAN mit seiner maxima-
len Datenrate von 100 MBit/s und das USB-Interface verwendet werden. Noch
608 17 Messdatenerfassung im Feld
wichtiger aber ist das auf der Platine ebenfalls vorhandene 26-polige Stecker-
interface für den sog. General Purpose Input/Output (GPIO). Über dieses
Interface können mittelbar Steuersignale von außen aufgenommen bzw. auch
dorthin abgegeben werden.
Die 26 I/O-Leitungen lassen sich in vier Gruppen einteilen:
1. Betriebsspannungen +3,3 V und 5,0 V sowie Masse (insgesamt 9 Leitun-
gen)
2. Serielle Busse (mit insgesamt 9 Leitungen):
SPI (5 Leitungen)
I2 C (2 Leitungen) (MOSI, MISO, SCLK, CS0 und CS1)
UART (2 Leitungen) (TxD und RxD)
3. PWM-Ausgang (PWM=Puls-Weiten-Modulation)
Es kann ein pulsweitenmoduliertes Digital-Signal zur Steuerung von Hard-
ware-Komponenten ausgegeben werden. Als zeitliche Unsicherheit (Time-
jitter) kann unter praktischen Umständen ca. 1 μs erreicht werden.
4. Allgemeine I/Os:
Die restlichen 7 Pins können sowohl als Eingang als auch als Ausgang
benutzt werden. Es dürfen Spannungen zwischen 0 V und +3,3 V angelegt
werden bzw. werden im Falle von Ausgängen seitens des Raspberry Pi
geliefert. Die Eingänge müssen gegen Überspannungen (> 3,3 V) geschützt
werden.
%HWULHEVHEHQH :$1
%UREXV
/HLWHEHQH )DEULNEXV
6WHXHUXQJVHEHQH /$1
)HOGHEHQH )HOGEXV
)$1
6HQVRU$NWRU(EHQH
geht mit der Höhe der Hierarchieebene zurück, d. h. auch die Echtzeitan-
forderung nimmt ab. Die Datenmenge pro Übertragung bzw. die Größe der
Datenpakete nimmt jedoch zu.
Die Netze der höchsten Ebene sind meist als Weitbereichsnetze (Wide Area
Network, WAN) ausgebaut. Sie dienen der Überbrückung großer Entfernun-
gen, wie z. B. bei der Vernetzung mehrerer regional getrennter Unternehmens-
bereiche oder Fabriken. Hierzu zählen insbesondere Hochgeschwindigkeits-
Glasfasernetze, deren typischer Teilnehmerabstand in der Größenordnung von
100 km und mehr liegt.
Die Netze der Leit- und Steuerungsebenen werden als lokale Netze betrie-
ben (Local Area Network, LAN). In weiten Bereichen wird hier das Ether-
net mit dem TCP/IP-Protokoll eingesetzt. Dabei wird zwischen Büro- und
Fabrik-Netz unterschieden, da das Ethernet für die industrielle Kommunika-
tion in elektromagnetisch gestörten Umgebungen speziell ausgelegt sein muss.
In diesem Zusammenhang spricht man auch vom Industrie-Ethernet.
In den unteren Automatisierungsebenen, der Feldebene und der Sensor-
Aktor-Ebene, werden gänzlich andere Anforderungen an die Bussysteme
bezüglich Kosten, Verkabelungsaufwand, Leistungsfähigkeit der Teilnehmer,
Datenrate, Datenmenge und nicht zuletzt Zuverlässigkeit gestellt. In diesem
Bereich kommen sog. Feldbusse (Field Area Network, FAN) zum Einsatz.
Da die einzelnen Sensoren und Aktoren immer günstiger werden, muss auch
der Verkabelungsaufwand minimiert werden. Daher arbeiten diese Bussyste-
me seriell. Die Daten müssen in Echtzeit abrufbar sein, allerdings meist nur
in geringen Datenmengen. Die Protokolle sind einfach aufgebaut, um die ein-
zelnen Teilnehmer nicht mit viel Intelligenz ausstatten zu müssen. Unter den
Feldbussen sind sowohl sternförmige, linienförmige als auch ringförmige Topo-
logien anzutreffen, wobei die letzten beiden aus Gründen der Zuverlässigkeit
oft doppelt oder dreifach ausgeführt sind. Im Folgenden soll es hauptsächlich
um dieses große Gebiet der Nahbereichskommunikation mittels Feldbussen
gehen.
den Vorteil, dass die Kommunikation auch noch gewährleistet ist, wenn ein-
zelne Schichten von unterschiedlichen Herstellern realisiert werden. In diesem
Sinne wird die Kommunikation von offenen Systemen definiert: Open Systems
Interconnection (OSI).
In Abb. 17.19 ist der Aufbau dieses Referenzmodells für ein konkretes Bei-
spiel dargestellt. Es soll eine Kommunikation zwischen einem Leitrechner (PC)
und einem Messgerät aufgebaut werden, wobei der Befehl, einen Messwert auf-
zunehmen, übermittelt werden soll. Der Befehl wird an die Schicht 7 überge-
ben, wo er um bestimmte Steuerinformationen (z. B. Adresse) erweitert wird.
Das entstehende Telegramm wird dann von Schicht zu Schicht weitergereicht
und jeweils um die entsprechenden Informationen erweitert, bis in Schicht 1,
dem Physical Layer, die eigentliche Übertragung stattfindet. Beim Empfänger
durchläuft das Telegramm die Schichten in umgekehrter Reihenfolge, bis dem
Messgerät die Information Messwert aufnehmen“ zur Verfügung steht.
”
Im Einzelnen fallen den Schichten folgende Aufgaben zu:
Schicht 1: Physikalische Schicht, Übertragung der einzelnen Bits (Bit-Über-
tragungsschicht). Hier werden physikalische Parameter wie Übertragungs-
medium, Steckerbelegung, Pegel, Modulationsart und Übertragungsrate
festgelegt. Beispiele für Geräte, die auf der Schicht 1 arbeiten, sind Re-
17.6 Netzwerktopologien
Die geometrische Struktur der Datenleitungen, welche die einzelnen Netzwerk-
teilnehmer verbinden, wird als Netzwerktopologie bezeichnet. Im Feldbusbe-
reich sind alle gängigen Netzwerktopologien anzutreffen (Abb. 17.20). Dabei
sind die Linienstruktur und die Sternstruktur von besonderer Bedeutung für
die Anbindung von Sensoren und Aktoren. Beim Linienbus ist der Verdrah-
tungsaufwand am geringsten. Beim Ring (Abb. 17.20) führt der Ausfall eines
Knotens zum Systemausfall, wenn nicht eine aufwendige Mehrfachverkabe-
lung (gestrichelte Linien) vorgesehen wurde. Bei der ringförmigen Struktur
ist die Nachrichtenübermittlung oft so gestaltet, dass ein Knoten eine Nach-
richt vom nächsten mit ihm verbundenen Nachbarn empfängt. Je nach Ergeb-
nis der Prüfung, ob der gerade empfangende Knoten der Adressat ist, wird
die Nachricht an den folgenden Nachbarn weitergeleitet oder nicht. Die Ma-
schentopologie kennt keine starren Regeln der Vernetzung. Nachteil ist die
hohe Komplexität bezüglich der Verdrahtung und Verwaltung. Es sei noch
erwähnt, dass Baumstrukturen entstehen, wenn sternförmige Netze hierar-
chisch verknüpft werden.
17.7 Bus-Zugriffsverfahren 615
Stern Ring
Linie Maschen
Abb. 17.20. Verschiedene Formen von Netzwerktopologien
17.7 Bus-Zugriffsverfahren
Es gibt verschiedene Methoden der Bus-Zugriffskontrolle, die bei Feldbussen
anzutreffen sind:
Beim Master/Slave-Verfahren gibt es im Netz zu einem bestimmten
Zeitpunkt genau einen Masterknoten, der die Vorgänge auf dem Bus bezüglich
Steuerung, Überwachung, Fehlern und Ausfällen koordiniert. Dieser Leitkno-
ten kann einem der restlichen Knoten, die als Slaves bezeichnet werden, die
Sendeberechtigung erteilen.
Beim Token Passing wird die Berechtigung, Nachrichten auf den Bus zu
geben, von Knoten zu Knoten weitergeleitet. Der Teilnehmer, der den soge-
nannten Token gerade inne hat, darf senden. Die Reihenfolge der Weitergabe
wird bei der Netzinitialisierung in Form eines logischen Ringes festgelegt. Da-
bei entspricht die Wartezeit bis zur nächsten Zuteilung der maximalen Nach-
richtendauer, woraus sich die Eignung für den Echtzeitbetrieb ableitet.
Bei den CSMA-Verfahren (Carrier Sense Multiple Access) sind alle
Busteilnehmer bezüglich des Senderechtes gleichberechtigt. Ein sendewilliger
Netzwerkknoten prüft, ob auf dem Bus gerade gesendet wird oder nicht. Bei
freiem Bus darf er schließlich senden, ansonsten nicht. Dabei kann es zu Kol-
lisionen kommen, wenn mehrere Teilnehmer gleichzeitig senden wollen. Daher
wird der reine CSMA-Betrieb im Allgemeinen durch einen der beiden folgen-
den Betriebsmodi ergänzt:
CSMA/CD (Carrier Sense Multiple Access/Collision Detection)
Bei diesem Verfahren, das auch beim Ethernet Anwendung findet, kontrol-
liert der Sender seine Nachricht auf dem Bus hinsichtlich Störungen durch
616 17 Messdatenerfassung im Feld
weitere Sender. Gegebenenfalls wird die Sendung abgebrochen und auf einen
späteren, zufällig gewählten Zeitpunkt verschoben. Da die Wartezeiten bis zur
vollständigen korrekten Übertragung lastabhängig sind, besitzt diese Methode
keine Echtzeitfähigkeit.
Beim CSMA/CA (Carrier Sense Multiple Access / Collision
Avoidance) beginnt jede Datenübertragung mit einem Identifizierungsco-
de. Durch die senderseitige Busanschaltung nach dem WIRED-AND-Prinzip
(s. Kap. 16.7) ist sichergestellt, dass sich der Buspegel 0 gegenüber dem Pe-
gelwert 1 eines weiteren sendenden Teilnehmers dominant verhält. Dadurch
kann jeder sendende Busteilnehmer feststellen, ob seine Bits durch einen wei-
teren gerade aktiven Sender verfälscht werden. Die Entscheidung, ob ein Bit
verfälscht wurde, geschieht in der sog. Arbitrierungsphase. Bei ausgedehn-
ten Netzwerken ist die Bitzeit genügend groß gegenüber der Signallaufzeit im
Netzwerk zu wählen, da das Abbruchkriterium während der Bitzeit überprüft
werden muss.
Beim Summen(rahmen)telegramm, wie es beispielsweise beim Inter-
bus-S verwendet wird, sind alle Teilnehmer an ein Schieberegister angeschlos-
sen. In Verbindung mit der verwendeten Ringtopologie werden die Daten
durch das Schieberegister geschoben. Die für den Master bestimmten Daten
der jeweiligen Teilnehmer werden an der entsprechenden Stelle durch den Sla-
ve in das Telegramm eingefügt. Die Adressierung der einzelnen Slaves entfällt,
weil deren Adresse sich aus der Position im Ringsystem bzw. im Schieberegi-
ster ergibt.
Wenn bei einem Bussystem nur eine einzige Zweidrahtleitung verwendet wird,
d.h., wenn gleichzeitig Energieversorgung und Nachrichten über diese Leitung
übertragen werden sollen, muss das Nachrichtensignal gleichstromfrei sein. Die
sog. alternierende Puls Modulation (APM) erfüllt diese Anforderung neben
anderen, wie z. B. Schmalbandigkeit. Es handelt sich dabei um eine serielle
Übertragung im Basisband.
17.8 Modulationsverfahren und Bitcodierung 617
Das Modulationsprinzip soll anhand von Abb. 17.21 erklärt werden. Es wird
zunächst die zu sendende Bitfolge manchestercodiert, d. h. man geht von einer
Pulsfolge aus, die bei jedem Bit alterniert. Wenn jedoch in der ursprünglichen
Sendefolge ein Bitwechsel stattfindet, wird der Zustand konstant gehalten,
d. h. der ansonsten anstehende Wechsel des Signals wird dann aufgehoben.
Daraus wird gemäß Abb. 17.21 der Sendestrom abgeleitet, aus dem durch
Differenzieren das Spannungssignal der Busleitung entsteht. Letztlich wird da-
bei jede positive Flanke des Sendestromes in einen negativen Spannungspuls
umgewandelt und umgekehrt. Mit diesen Spannungspulsen kann durch De-
”
modulation“ nach dem Manchesterverfahren wieder leicht die ursprüngliche
Sendebitfolge rekonstruiert werden. Als Spannungspulse verwendet man vor-
zugsweise sin2 -Pulse, um die Bandbreite sowie die Störstrahlung niedrig zu
halten.
Sendefolge Pause
0 0 0 1 1 0
manchester-
codierte
Sendefolge
Sendestrom
Spannungspulse
(negativer
differenzierter
Sendestrom)
im
Empfänger
rekonstruierte 0 0 0 1 1 0 Pause
Folge
e = dmin − 1 . (17.2)
Bei der Codesicherung durch ein Paritätsbit kann ein Fehler sicher erkannt
werden, d. h. die minimale Hamming-Distanz beträgt in diesem Fall dmin = 2.
Die minimale Hamming-Distanz gibt also die Anzahl von Bits an, die in einem
übertragenen Datenblock verfälscht sein müssen, bis der Fehler nicht mehr
erkannt werden kann. Die Anzahl t der korrigierbaren Fehler beträgt
Der Wert dmin = 4 bedeutet, dass 3 fehlerhafte Bits gerade noch erkannt
werden können und maximal 1 fehlerhaftes Bit korrigiert werden kann.
Im allgemeinen Sprachgebauch verwendet man allerdings den Begriff Ham-
ming Distanz (d) für den eigentlich korrekten Ausdruck Minimale Hamming-
Distanz (dmin ).
Bei professionell eingesetzten Bussystemen erwartet man Hamming-Di-
stanzen (eigentlich ist damit wiederum die minimale Hamming-Distanz dmin
gemeint) von d = 4 bzw. d = 6. Solche Werte werden in aller Regel durch
einen CRC-Test (Cyclic Redundancy Check) erreicht. Hierbei wird der zu
übertragende Datenblock als Binärzahl B betrachtet, die senderseitig durch
ein Prüfpolynom P dividiert wird
B R
=Q+ bzw. B =Q·P +R . (17.4)
P P
Der Rest R wird an die Nachricht angehängt, d. h. man überträgt letztlich
nicht B sondern B + R. Empfängerseitig subtrahiert man 2 R
1
Die Hamming-Distanz ist die Anzahl der unterschiedlichen Bits von zwei gleich
langen Codewörtern. Dies wird auch als Abstand der Codewörter bezeichnet.
17.8 Modulationsverfahren und Bitcodierung 619
(B + R) − 2 R = B − R = Q · P . (17.5)
Nach der Division durch das Polynom P muss sich also wieder Q ergeben,
ohne jeglichen Rest. Die an die Nachricht anzuhängenden Prüfzeichen sind
meist 1 Byte (8 Bit) lang, so dass sich CRC-Tests nur für Übertragungen mit
längeren Datenblöcken lohnen, z. B. beim PROFIBUS; d. h. sie sind weniger
für reine Sensor-Aktor-Busse geeignet.
17.8.3 Bitcodierung
Aus Aufwandsgründen werden die zu übertragenden Bits häufig so auf die
Leitung gegeben, wie sie im UART-Baustein (s. Kap. 16.1) generiert werden.
Dies wird als NRZ-Code (Non Return to Zero) (Abb. 17.22) bezeichnet. Dabei
wird der Spannungspegel, je nach Wertigkeit des Bits, während der Bitzeit auf
einem von Null verschiedenen konstanten Spannungspegel gehalten.
Takt
zu
codierende 0 0 1 1 0 0 1 0 0
Bitfolge
NRZ
Non Return 1 1 1 0V
to Zero
NRZI
Non Return
0V
to Zero
Inverted
RTZ
Return
to Zero
Daneben gibt es noch den invertierten NRZ-Code, der als Non Return to Zero
Inverted (NRZI) bezeichnet wird. Beim Return to Zero Code (RTZ) hinge-
gen erkennt man die 1-wertigen Bits an einer fallenden Flanke in Bitmitte,
so dass die Bitbreite bei der Übertragung halbiert wird. Dies entspricht der
Durchschaltung des Taktsignals für die Zeit der 1-wertigen Bits.
Das NRZ-Verfahren hat zwar den Vorteil geringer Bandbreite, es kann
aber dafür auch keine Taktsynchronisation aus einem Bit abgeleitet werden.
Dies wird erst durch das sog. Bitstuffing erreicht. Dabei wird spätestens nach
5 Bitzeiten ein Flankenwechsel erzwungen, notfalls durch Hinzufügen (stopfen
= to stuff) eines weiteren Bits, was invers ist zu den vorhergehenden.
620 17 Messdatenerfassung im Feld
17.9 Schnittstellenkonverter
Konverter
RS485
RS232C
RS485
Konverter
RS485
RS232C
Konverter Konverter
RS232C RS485
RS485 RS232C
RS232C Konverter
RS485
RS232C
RS485
Konverter
RS485
RS232C
..............
max. 31 Teilnehmer
Abb. 17.23. Aufbau eines Rechnernetzes zur Messdatenerfassung unter Verwen-
dung von RS232C- zu RS485-Konvertern
17.10 Der Feldbus (FAN) 621
gesteuert und Daten über große Entfernung übertragen werden. Dabei erhält
der Konverter eine eindeutige IP-Adresse. Weitere Konverter für die Messda-
tenerfassung sind:
• USB (Universal Serial Bus) ⇐⇒ IEC-Bus
• Fire Wire (IEEE1394) ⇐⇒ IEC-Bus
• USB (Universal Serial Bus) ⇐⇒ RS485.
MAP
EIB
Kosten/Knoten
Profibus
Komplexität
Bitbus
CAN
Interbus-S
ASI
Funktionalität
17.10.1 ASI-Bus
ST SB A4 A3 A2 A1 A0 I4 I3 I2 I1 I0 PB EB ST I3 I2 I1 I0 PB EB
Masteraufruf Slaveantwort
Masterpause Slavepause
ST Startbit SB Steuerbit
PB Paritätsbit EB Endbit
Abb. 17.27. Telegrammstruktur beim ASI-Bus
17.10.2 CAN
Der CAN-Bus (Controller Area Network Bus) wurde ursprünglich für die
Automobiltechnik von der Robert Bosch GmbH entwickelt. Mittlerweile sind
seine Spezifikationen in einer ISO-Norm festgehalten und sein Einsatzgebiet
geht weit über die Automobiltechnik hinaus (ISO 11 898). CAN wird heute
sehr vielfältig eingesetzt, u. a. in mobilen Systemen, in der Fertigungsautoma-
tisierung sowie in der Gebäudeautomatisierung.
Eine detaillierte Beschreibung zum CAN-Bus findet sich in [99], [96].
Allgemeine technische Daten: Der CAN-Bus basiert entweder auf ver-
drillten Zweitdrahtleitungen (Twisted Pair) oder einem Lichtwellenleiter
(LWL). Der maximal zulässige Übertragungsweg hängt von der Über-
tragungsrate ab, bei 1 MBit/s beträgt er 40 m und bei 50 kBit/s bereits
1000 m. Die maximale Teilnehmeranzahl bestimmt sich allein aus der Lei-
stungsfähigkeit der verwendeten Treiberstufenelektronik. Es sind verschie-
dene Mikrocontroller für das CAN-Bus-Protokoll kommerziell erhältlich.
Topologie und Datenübertragung: Die CAN-Bus-Topologie weist Lini-
enstruktur auf. Es sind beidseitig Abschlusswiderstände vorgesehen. Das
Bus-Zugriffsverfahren basiert auf CSMA/CA mit bitweiser Arbitrierung.
In der Arbitrierungsphase überschreiben Teilnehmer mit dem logischen
Zustand 0 den logischen Zustand 1 der anderen gleichzeitig sendenden
Teilnehmer. Man spricht in diesem Zusammenhang von dominantem (lo-
gisch 0) und rezessivem (logisch 1) Zustand. Die Teilnehmer mit rezessivem
Zustand stellen ihren Sendevorgang ein und starten einen neuen Sende-
versuch erst, nachdem wieder Busruhe“ detektiert wurde. Das Prinzip
”
der bitweisen Arbitrierung wird in Abb. 17.28 gezeigt.
626 17 Messdatenerfassung im Feld
Vcc
Rpullup Busleitung
T1 T2 T3
T
Bit
T1
T2 Sender
T3 Empfänger
Es bleibt als einziger Sender schließlich nur der Teilnehmer mit der
höchsten Priorität übrig. Somit kann trotz des stochastischen Bus-Zugriffs-
verfahrens Echtzeitverhalten garantiert werden.
ACK
Daten-
Arbitrierungsfeld Steuerfeld Datenfeld sicherungsfeld EOF IFS
IDE
RTR
DLC
r0
ACK
Daten-
Arbitrierungsfeld Steuerfeld Datenfeld sicherungsfeld EOF IFS
IDE
RTR
DLC
r1
r0
SRR
BRS
r0
EDL
SRR
IDE
ESI
Übertragungsrate
Zyklus 1 Zyklus 2
minisl. m
minisl. 1
minisl. 2
minisl. 3
minisl. 4
slot 1
slot 2
slot 3
slot 4
slot n
17.10.4 PROFIBUS-DP
Der PROFIBUS ist ein universell einsetzbarer Bus und wurde originär für
die Bereiche Fertigungsautomatisierung und Verfahrenstechnik entwickelt.
Mittlerweile gibt es die Varianten PROFIBUS-FMS, PROFIBUS-DP und
PROFIBUS-PA. Dabei stehen die Begriffe PROFIBUS für PROcess FIeld
BUS, DP für Decentral Periphery bzw. Dezentrale Peripherie, FMS für Field-
bus Message Specification und PA für Process Automation bzw. Prozessauto-
matisierung.
Hier soll nur auf den PROFIBUS-DP eingegangen werden. Es handelt
sich dabei um ein offenes System, das nach DIN 19 245 bzw. IEC 61 158
17.10 Der Feldbus (FAN) 631
logischer Tokenring
SPS/PC
DP-Master DP-Master
Klasse 1 Klasse 2
R termin. R
termin.
R termin.
Segment x
Repeater 1 Repeater 2 Repeater 3
Bus
Abb. 17.33. Segmentierung des PROFIBUS-DP mittels Repeater (k, m, n, q < 32;
x < 5) [96]
17.10.5 FIP-Bus
17.10.6 INTERBUS-S
Der Interbus-S ist ein speziell für den echtzeitkritischen Bereich von der Fa.
Phoenix Contact entwickeltes Bussystem. Es wird vorwiegend in der Ferti-
gungsautomatisierung als objektnaher Feldbus zum Anschluss von Sensoren
und Aktoren bzw. SPS-Komponenten eingesetzt. Auch beim Interbus-S han-
delt es sich um einen offengelegten Standard. Beim Interbus-S ist prinzipiell
zwischen dem Lokalbus (= Sensorloop) und dem Fernbus zu unterscheiden.
Detaillierte Informationen zum Interbus findet man in [27], [16].
Fernbus
Sensorloop (Lokalbus)
i < 40 mA
Slave 2 < 10 m
Slave n
n < 32
Sensor-Loop-Busklemme
(enthält Stromversorgung
für Slaves)
mern und zurück zum Hauptbus geführt (Abb. 17.35). Dieser Lokalbus
17.10 Der Feldbus (FAN) 635
Busmaster
Slave
Slave
17.10.7 BITBUS
Der BITBUS, der im Jahre 1984 von der Fa. Intel definiert wurde, ist für
Anwendungen in der Steuerungsebene (Abb. 17.18) sehr geeignet; er findet
aufgrund seines langsamen Zeitverhaltens wenig Anwendung in den untersten
Ebenen von Automatisierungssystemen.
Detaillierte Informationen zum Bitbus findet man in [62], [96].
Master
1. Bus-Ebene
R termin. R termin.
Stichleitungen
2. Bus-Ebene
R termin. Repeater R termin.
Flag Marke
Adr Adresse
Control Steuerfeld
Header Bitbus-Meldungs-Header
Nutzdaten Bitbusdaten
CRC Prüfsumme
Abb. 17.38. BITBUS-Telegramm [96]
17.10.8 KNX
Bereichslinie
Bereich 15
BK 15
Bereich 3
Bereich 2
Bereich 1 LK 15
Hauptlinie
NT BK 1 1
63
LK 1 LK 15
1 1 LV 1
NT NT 65
63 63
127
LV 1 LV 1
65 65 LV 2
NT NT 129
127 127
191
LV 2 LV 2
129 129 LV 3
NT NT 193
191 191
255
LV 3 LV 3
193 193
NT NT
255 255
NT Netzteil
LV Linienverstärker
LK Linienkoppler
BK Bereichskoppler
Abb. 17.39. Struktur des KNX-Bussystems
leitungen wird auch als KNX TP (KNX Twisted Pair) bezeichnet und
arbeitet mit einer Datenrate von 9,6 kbit/s. Die Power-Line Variante,
auch als KNX PL bezeichnet, kommt auf lediglich 1,2 kbit/s. Mit sog.
IP-KNX-Kopplern kann ein IP-Netzwerk durch ein KNX-Netzwerk erwei-
tert werden. Dies ist insofern interessant, als dass dadurch die höheren
Datenübertragungsraten des IP-Netzwerks genutzt werden können.
Bei der Datenübetragung über Twisted-Pair Kabel wird das KNX-Tele-
gramm auf einen 29 V Gleichspannungspegel aufmoduliert. Jeder sen-
dende Busteilnehmer muss dabei gleichzeitig den Datenverkehr auf dem
Bus mithören. Damit können Buskonflikte im Sinne einer bitweisen Ar-
bitrierung aufgelöst werden. Bei der Power-Line Variante werden auf die
Netzspannung hochfrequente Spannungssignale aufmoduliert. Dabei ent-
spricht eine Frequenz von 105,0 kHz einer logischen 0, 115,2 kHz einer
logischen 1. Die Mittenfrequenz dieser beiden Schwingungen beträgt etwa
110 kHz, weshalb das KNX PL System auch als PL110 bezeichnet wird.
Abbildung 17.40 zeigt die Codierungen des KNX TP sowie des KNX PL
Systems.
KNX TP KNX PL
Code 1 0 1 0 0 1 1 1 0 1 0 0 1 1
DC AC
(29 V) (320 V)
Abb. 17.40. Codierung der KNX-Daten
Das Local Operating Network ist von der Fa. Echelon als Feldbussystem für
nicht-zeitkritische Anwendungen, wie z. B. die Gebäudeautomatisierung, ent-
wickelt worden. Eine internationale Norm existiert nicht, wohl aber LON-
Nutzerorganisationen, welche die Entwicklung von LON-Komponenten un-
terstützen. Die Ankopplung der Teilnehmer an den LON-Bus erfolgt über sog.
Neuron-Chips, die von den Firmen Motorola und Toshiba geliefert werden. In
diesen Chips ist das Protokoll aller 7 Schichten des OSI-Schichtenmodells in
Form von Firmware enthalten.
Detaillierte Informationen zu LON findet man in [42].
Fenster-
Klimalüftung steuerung
verdrillte Zweidrahtleitung
Neuron
Router Beleuchtung Schalter
Wechselstromleitung
LWL LWL
Neuron Neuron Neuron Neuron
Router Router
Funk
Neuron Neuron
17.10.10 DIN-Messbus
Prä Präambel
Data Datenpaket
CRC Prüfsumme (Cyclic Redundancy Check)
CV Code Violation (Manchester-Code-Verletzung)
Beta1 Beta1-Zeit (Kanalfreihaltezeit)
Beta2 Beta2-Zeit (Prioritätsvergabe)
RS Randomizing Slots (zufällige Zeitscheiben)
Übertragungsblock
Application 7
Presentation 6 Application
Session 5
Transport 4 Transport Control Protocol (TCP)
Network 3 Internet Protocol (IP)
Data Link 2 Packet-Driver
Physical Link 1 Ethernet-Controller/physik. Leitungen
Abb. 18.1. Abbildung des ISO-Schichtenmodells auf das mit TCP/IP betriebene
Ethernet
18.1 IP-Adressen
Jeder Teilnehmer eines LAN erhält eine ihm zugeordnete Adresse, die sog.
IP-Adresse. Jede IP-Adresse ist 32 Bit lang und untergliedert sich in 4 Fel-
der à 8 Bit, die als Oktette bezeichnet werden. Ein Oktett repräsentiert eine
Dezimalzahl zwischen 0 und 255. Die einzelnen Oktette sind durch Punkte
voneinander getrennt (Abb. 18.2).
IPv6-Adressen
Die bisher behandelten IP-Adressen basieren auf dem Protokoll IPv4 (IP Ver-
sion 4), welches bis zu 232 verschiedene Adressen vorgibt. Die Internet Engi-
neering Task Force (IETF) warnte schon in den 90er Jahren, dass die An-
zahl freier IP-Adressen rapide abnimmt. Daher wurde das Protokoll IPv6 (IP
Version 6) entwickelt, welches 128 Bit lange Adressen definiert und 2128 ver-
schiedene Adressen erlaubt. Die Einführung des neuen Standards ist derzeit
noch ungewiss. Eine IPv6-Adresse setzt sich aus acht 16 Bit-Werten zusam-
men, wobei jeder der 16 Bit-Wert aus 4 hexadezimalen Werten besteht. Ein
Beispiel für eine IPv6-Adresse:
ADCF:BA43:0000:0000:0000:0000:0800:CAFE
oder vereinfacht
ADCF:BA43::800:CAFE
18.2 Subnetzmasken 647
Netzwerkklasse
Netz-ID Host-ID
A 7 . . . . . . 07 . . . . . . 07 . . . . . . 07 . . . . . . 0
Netz-ID Host-ID
B 7 . . . . . . 07 . . . . . . 07 . . . . . . 07 . . . . . . 0
Netz-ID Host-ID
C 7 . . . . . . 07 . . . . . . 07 . . . . . . 07 . . . . . . 0
r s t u
1 Byte 1 Byte 1 Byte 1 Byte
Netzwerk-
IP-Adresse Netz-ID Host-ID
klasse
A r. s. t. u r s. t. u
B r. s. t. u r. s t. u
C r. s. t. u r. s. t u
18.2 Subnetzmasken
Subnetzmasken werden verwendet, um die Netz-ID von der Host-ID (Abb.
18.2) in einer IP-Marke zu trennen. Dies hat zur Folge, dass die Subnetzmas-
ken von der Klasse des Netzes abhängen.
Netz-Klasse Standard-Subnetzmaske
in Dezimalnotation
A 255.0.0.0
B 255.255.0.0
C 255.255.255.0
648 18 Vernetzung von Messdatenrechnern (Industrie-LAN, WAN)
Mit bitweiser Verundung von IP-Adresse und Subnetzmaske kann so leicht die
Netz-ID herausgefiltert werden. Für den Fall, dass das (physikalische) Netz auf
mehrere Subnetze aufgeteilt wird, muss eine spezielle Subnetzmaske definiert
werden.
die Responsezeiten auch bei den relativ großen Datenmengen der Leit- und
Führungsebenen klein genug sind (0,1 bis 10 Sekunden, je nach Anwendung),
um für die meisten Anwendungen von einer Echtzeitfähigkeit ausgehen zu
dürfen.
Die entscheidenden Parameter zur Einstellung der Lastbegrenzung sind
die Anzahl der pro Sekunde gesendeten Nachrichten (Nachrichtenrate), ihre
maximale durchschnittliche Dauer sowie der minimale Zeitabstand zwischen
den Nachrichten. Eine weitere Möglichkeit zur Verkürzung der Antwortzeiten
besteht in einer Unterteilung des Netzes in ein übergeordnetes Hauptnetz
und darunterliegende Subnetze. Man spricht in diesem Zusammenhang von
Switching-Technologie. Meistens sind die beiden Netzebenen über optische
Switch Module verbunden, deren wesentliche Aufgabe in der Kanalisierung des
Datentransports besteht.
....
Hub / Switch
Ethernet
....
Abb. 18.3. Ethernet-Topologie mit Hubs und Switches
Teilnehmer weiter, für die sie gedacht ist. Dies ermöglicht die (nahezu) gleich-
zeitige Übertragung von Nachrichten mit verschiedenen Zieladressen über den
Switch (Abb. 18.3). Ein Switch ist auch in der Lage, Nachrichten zwischen-
zuspeichern. Wenn die Verbindungen zum Switch 4-adrig ausgeführt sind,
können über den Switch verbundene Teilnehmer in beiden Richtungen simul-
tan, d. h. im Vollduplex-Betrieb, miteinander kommunizieren. Wenn zwei an
einem Busstrang angeschlossene Switches diesen gleichzeitig benutzen wollen,
kommt es jedoch zu Kollisionen.
18.8 Ethernet-Telegrammstruktur
Es gibt zwei gängige Telegrammstrukturen, nämlich die nach dem Standard
V.2 und die nach IEEE 802.3, welche aufgrund ihrer Unterschiede nicht kom-
patibel sind (Abb. 18.4).
kann, auf welchem Wege er die betreffende Nachricht in das in Frage kom-
mende LAN schicken kann. Für den Fall, dass dieses LAN nicht unmittelbar
erreichbar ist, werden Wege über andere Router gesucht. Für das effiziente
Routing in komplexen Netzen stehen heute intelligente Routing-Algorithmen
zur Verfügung. Router sind also kleine Rechner, die Netze auf der Ebene der
3. Schicht des ISO-Schichtenmodells verbinden, d. h. sie beinhalten bereits
Realisierungen der Schichten 1 bis 3.
652 18 Vernetzung von Messdatenrechnern (Industrie-LAN, WAN)
LAN 2
LAN 1
Router 1
Router 2
LAN 3
Router 3
Router 4
LAN 5
LAN 4
Für die Verbindung lokaler Netze, die sich an unterschiedlichen Standorten auf
der Welt befinden, benötigt man zunächst geeignete physikalische Fernüber-
tragungsmedien. Dazu zählen Standard-Telefonkabel, Koaxialkabel, Lichtwel-
lenleiter, Richtfunkstrecken, Satellitenverbindungen und Mobilfunknetze.
Das weltweit am weitesten verbreitete öffentliche Standard-Daten-Über-
tragungssystem ist das ISDN (Integrated Services Digital Network). Bei der
Nutzung eines Kanals können Daten mit 64 kBit/s übertragen werden. Die Da-
tenübertragungsrate verdoppelt sich, wenn beide Standard-Kanäle verwendet
werden. Durch neue Übertragungstechniken, wie High Bit Rate Digital
Subscriber Line (HDSL) oder Asymmetric Digital Subscriber Line
(ADSL) sind Datenübertragungsraten von ca. 3 MBit/s bis zum Endteil-
nehmer möglich. Zur Bereitstellung höherer Bandbreite kann auch ein sog.
Primärmultiplexanschluss genutzt werden, der durch Bündelung von 30 ISDN
B-Kanälen eine Übertragungsrate von 1,92 MBit/s erreicht.
Im Aufbau befindet sich ein sog. Breitband-ISDN-Netz (B-ISDN),
welches Übertragungsraten von derzeit 155 MBit/s zulässt. Es sind Daten-
raten von bis zu 2,5 GBit/s realisierbar. Der Zugang zum B-ISDN ist an
die Verfügbarkeit eines Koaxialkabels bzw. eines Lichtwellenleiters (LWL)
zwischen Vermittlungsstelle und Endteilnehmer gebunden. Dies führt oft
zum sog. Problem der letzten Meile, bei dem zwar prinzipiell Hochleistungs-
Telekommunikationsnetze regional zur Verfügung stehen, aber der Anschluss
18.10 Standortübergreifende Vernetzung 653
18.10.2 Datex-P
18.10.3 GSM
UMTS
18.10.5 Satellitenkommunikation
Satelliten-Zentrale
Standort
A
Standort
B
Zentrale öffentliches Telefonnetz
(ISDN bzw. B-ISDN) Standort
C
Glasfasernetze können die Grundlage eines MAN bzw. eines WAN bilden. Ein
Standard ist dabei das sog. Fibre Distributed Data Interface (FDDI) [86]. Diese
FDDIs sind oft in Ringstruktur aufgebaut. Dabei wird aus Gründen höherer
Zuverlässigkeit ein Glasfaser-Doppelring verwendet, an den die Teilnehmer
über sog. Dual Attachment Stations (DAS) angeschlossen sind (Abb. 18.8).
DAS
Primärring
SAS
SAC SAS
SAC
Sekundärring
SAS
SAS
DAC DAC
SAS
DAS
Abb. 18.8. Implementierung eines FDDI-Glasfasernetzes (Siemens AG); A: Attach-
ment, C: Concentrator, D: Dual, Sxx: Single, xxS: Station
Das Ethernet ist in der Netzwerkwelt derzeit der Standard für das Über-
tragungsmedium und als Kommunikationsprotokoll dominiert das TCP/IP-
Protokoll als einheitliche Sprache. Es ist verständlich, auch für die Vernetzung
von Messdatenerfassungssystemen das Ethernet zu nutzen. In logischer Folge
wird auch das Internet zunehmend für solche Aufgaben herangezogen. Das In-
ternet mit seiner mittlerweile sehr hohen Verfügbarkeit stellt, vor allem was die
Kosten betrifft, eine sehr gute Alternative zu mehr oder weniger proprietären
Lösungen dar. Sobald ein Gateway zum Internet vorhanden ist, lassen sich
bequem Messdaten von einem lokalen Rechner über das Internet übertragen.
Dabei können natürlich auch die gesicherten Datenübertragungsmechanismen
von VPNs (Virtual Private Networks) genutzt werden, die im nächsten
Abschnitt behandelt werden. Gerade bei der Ferndiagnose von Maschinen las-
sen sich durch die Nutzung des Internets Kosten einsparen.
Da aber das Ethernet nicht deterministisch arbeitet, können die Antwort-
zeiten und damit die Echtzeitfähigkeit nicht garantiert werden. In der Pra-
xis jedoch reichen in vielen Fällen die Übertragungsraten und Antwortzeiten
des Ethernets bzw. des Internets vollkommen aus. Es ist auch ins Feld zu
führen, dass die Übertragungsraten des Ethernet oft weit über denen von
Feldbussystemen liegen. So hat man festgestellt, dass Ethernetübertragungen
in vielen praktischen Anwendungsfällen einer Feldbuslösung durchaus überle-
gen sind. Die einfachste Anbindung des Messgerätes an das Ethernet besteht
in der Verwendung seiner Standard-RS232C-Schnittstelle und eines RS232-
Ethernet-Konverters (Abb. 18.9).
Eine elegantere Lösung bieten Messdatenerfassungssysteme, die unmittel-
bar, d. h. ohne Zuhilfenahme eines Schnittstellenkonverters, an das Ethernet
angeschlossen werden können und die TCP/IP-Protokolle verwenden. Abbil-
dung 18.10 zeigt ein solches von der Fa. GBM vertriebenes System. Es handelt
sich dabei um einen Datenlogger, der nach Zuteilung einer IP-Adresse vom
18.11 Rechnernetze zur Messdatenübertragung 659
PC 1 PC n
.......
Ethernet mit
TCP/IP
18.12.1 Funktionsprinzip
DAC
virtuelles Messinstrument
USB
Controller 2.0
Analog- mit
Multi- USB-
plexer Interface
ADC
optionales
Netzteil
Abb. 18.13. Virtuelle Instrumentierung auf der Basis von Messmodulen mit USB-
Schnittstelle
Zukunft zeichnet sich allerdings auch hier der Trend ab, dass die Messmodule
mit Treiberroutinen ausgestattet werden, die eine Software-Schnittstelle zu
einem Standard-Datenerfassungsprogramm, wie z. B. LabVIEW, bilden. Da-
mit lassen sich auf komfortable Art virtuelle Instrumente konfigurieren und
18.12 Virtuelle Instrumentierung auf der Basis von USB-Messmodulen 663
Kanäle 2 4 2 2 4 4
Preis 50 EUR 473 EUR 1.556 EUR 1.928 EUR 2.701 EUR 7.182 EUR
Geräte-Rückseite
4x Tastkopf
Abb. 18.14. Anschlüsse des 4-Kanal-Scopes PS3423 der Fa. Meilhaus [110]. Die
Geräterückseite enthält die Buchse der USB-Schnittstelle.
Die Fa. DataTranslation [38] bietet ein USB-Messmodul an, das mit 16 bzw.
24 analogen Eingängen ausgestattet ist, die je 12 Bit Auflösung aufweisen. Die
Summenabtastrate (s. auch Kap. 15.2.1) liegt bei 50 ksample/s. Der Eingangs-
spannungsbereich beträgt ±10 V.
Die Fa. Pico Technolgy [141] bietet einen 16-kanaligen USB-Datenlogger
mit 24 Bit Auflösung an. Mit Hilfe einer speziellen Software lassen sich
bis zu 1 Million Messwerte mit vorwählbaren Abtastraten einlesen und in
Echtzeit anzeigen bzw. zwecks späterer Messsignalanalyse auf einer Festplat-
te speichern. Für den mobilen Einsatz, insbesondere in der Automobilelek-
tronik, wurde von der Fa. Labortechnik Tasler [177] ein 16-kanaliger Tran-
sientenrekorder konzipiert. Er ist sogar mit einer Crashtest-tauglichen 40-
GByte-Festplatte ausgestattet. Die 16 Kanäle mit differentiellem Eingang las-
sen sich individuell mit Auflösungen bis zu 16 Bit und Abtastraten zwischen
41 ksample/s und 20 Msample/s konfigurieren. Die Kanäle können unabhängig
voneinander von extern getriggert werden. Die Anbindung an einen PC ist
über die USB- oder die FireWire-Schnittstelle (s. Tab. 16.1) möglich.
Erwähnenswert sind auch kompakte Datenlogger für die Temperatur- und
Klimaüberwachung in Form eines USB-Memorysticks. Diese lassen sich so-
wohl in der Gebäudetechnik als auch bedingt im Außenbereich verwenden. Sie
sind für den Batteriebetrieb ausgelegt und für eine elektronische Aufzeichnung
von Temperatur und Luftfeuchte einsetzbar, d. h. sie enthalten die komplette
Messelektronik mit Sensoren, Vorverstärker, ADCs und Speicher. Die Abta-
straten variieren von 1 sample/s bis 1 sample/24h. Das Auslesen der Daten
erfolgt bequem wie von einem USB-Memorystick. Abbildung 18.17 zeigt als
18.12 Virtuelle Instrumentierung auf der Basis von USB-Messmodulen 665
Abb. 18.16. Bedienoberfläche eines USB-Scopes der Fa. TiePie [181] in Verwendung
als Digital-Multimeter
Beispiel einen Datenlogger der Fa. Meilhaus [110]. Es lassen sich bis zu 32.000
Messwerte speichern. Die Batterielebensdauer beträgt mehrere Jahre.
Abb. 18.17. Datenlogger in Form eines USB-Memorysticks der Fa. Meilhaus [110]
zur Klimaüberwachung
• Physikalische Anbindung
LXI empfiehlt aus Konsistenzgünden Standard-Gehäusedimensionen und
Standard-Steckverbindungen gemäß IEC-Empfehlungen und -Normen.
• Ethernet
LXI basiert auf dem IEEE-Standard 802.3 (s. Kap. 18.1 - Kap. 18.9), der
alle notwendigen Spezifikationen des Ethernet enthält.
• Software-Interface
Alle zu LXI kompatiblen Instrumente müssen mit einem sog. Interchan-
geable Virtual Interface (IVI) ausgestattet sein. Es handelt sich dabei
um eine Treiberroutine, die von allen gängigen Programmiersprachen aus
angesprochen werden kann.
668 18 Vernetzung von Messdatenrechnern (Industrie-LAN, WAN)
• Synchronisierung
Die Trigger- und Synchronisierungsfunktionen basieren auf dem Precisi-
on Timing Protocol (PTP) des IEEE-Standards IEEE-1588, der dem
Synchronisieren von Uhren in LAN-Knoten dient [85], [84]. Daneben ist
noch ein separater 8-kanaliger Hardware-Trigger-Bus vorgesehen, die sog.
LVDS-Schnittstelle.
GPIB-
VXI- PXI- (IEC-Bus-)
LAN Interface RS232 Interface Interface
Ethernet
Router oder
Switch
Klasse-B-Geräte
In Geräten der Klasse-B müssen darüberhinaus die Synchronisationsmecha-
nismen gemäß IEEE-1588-Standard implementiert sein. Damit ist es möglich,
die mit Standard-LAN-Techniken verbundenen Latenzzeiten zu umgehen und
ein Timing im Bereich von ca. 10 ns Genauigkeit (Voraussetzung: 100Base-T
Ethernet2 ) zu ermöglichen.
Klasse-A-Geräte
Die Klasse-A-Geräte sind zusätzlich zu den unter B und C beschriebenen
Funktionen mit einem 8-kanaligen Trigger-Bus-Interface (LVDS-Schnittstelle)
ausgestattet, das im LXI-Standard [104] detailliert beschrieben ist. Die LXI-
Geräte können über ein spezielles Trigger-Kabel, bestehend aus 8 Twisted-
Pair-Leitungen, gemäß den drei in Abb. 18.19 gezeigten Konfigurationen zu-
sammengeschaltet werden. Es sind Längen des Trigger-Kabels von bis zu 20 m
erlaubt. Die 8 Triggerkanäle sind separat als Eingangs- oder Ausgangskanäle
bzw. mit WIRED-OR-Funktion (s. auch Kap. 16.7.6) konfigurierbar.
Zudem besteht die Möglichkeit, über das LAN via TCP/IP Software-
Trigger zu generieren. Dabei können beliebige LXI-Geräte, auch ohne Mit-
wirkung eines als Controller definierten Gerätes, über eine sog. Peer-to-Peer-
Verbindung Triggersignale austauschen. Dies ist die einfachste Art der Trigge-
rung; sie hat allerdings den entscheidenden Nachteil nicht exakt kalkulierbarer
Latenzzeiten im jeweiligen LAN.
a) Daisy-Chain-Konfiguration b) Stern-Konfiguration
(Kettenschaltung)
Hub (Stern)
Trigger-Bus-Abschlusswiderstände
Trigger-Bus-Abschlusswiderstände
c) Hybride Stern/Daisy-Chain-Konfiguration
Hub (Stern) mit integ-
riertem Abschlusswiderstand Trigger GPIB, PXI,
Adapter VXI
*
Abschlusswiderstand
Eine absolut zuverlässige Triggerung in Echtzeit ist nur mit Hilfe der erst-
genannten Hardware-Triggerung möglich. Dies hat zur Folge, dass zusätzlich
zu den standardmäßig vorhandenen Ethernet-Interfaces eine spezielle Schnitt-
stelle für den Trigger-Bus vorzusehen ist. Außerdem sei nochmals auf die Be-
schränkung der lokalen Entfernung von maximal 20 m hingewiesen.
keine Sicherungsmaßnahmen bei der Datenübertragung gibt, die sicherstellen,
dass ein gesendetes Datenpaket ankommt bzw. die richtige Reihenfolge von Da-
tenpaketen eingehalten wird. Eine Beschreibung zu UDP findet man in [187].
18.13 Ethernet-Nutzung zur Messdatenerfassung 671
Sync-Signal
t1
Zeiten der
Slave Clock
t 2m t2 t2
Follow_Up-Signal
enthält Wert von t 1
t1 , t 2
t 3m t3 t1 , t 2, t 3
Delay_Req-Signal
t4
Delay_Resp-Signal
enthält Wert von t 4
t1 , t 2, t 3 , t 4
Zeit
die LXI Device Synchronisation and Events“ . Das heißt, die Kernspezifi-
”
kationen für LXI-Geräte werden auf ein notwendiges Maß reduziert. Dafür
werden die Extended Functions um diese technischen Spezifikationen ergänzt.
Die Extended Functions werden aus folgenden Punkten bestehen:
Anwendersoftware
IVI-Treiber
Socket
Client
VISA
VISA Side API
Socket
VXI-11
HiSLIP
ONC/RPC
TCP / IP
LAN
18.14 EtherCAT
EtherCAT beschreibt ein auf Ethernet basierendes Bus- bzw. Kommunika-
tionssysem, das speziell auf die Belange der Automatisierungstechnik zuge-
schnitten ist. EtherCAT steht für Ethernet for Control Automation Technolo-
gy und wurde von der Firma Beckhoff Automation vorgeschlagen. Heute wird
18.14 EtherCAT 675
EtherCAT seitens der EtherCAT Technology Group [52], die mittlerweile meh-
rere Tausend Mitgliedsunternehmen zählt, gepflegt. Seit dem Jahre 2005 ist
EtherCAT Bestandteil von IEC-Normen, z. B. dem Standard IEC 61 158 (In-
dustrial Comunication Networks - Field Bus Specifications).
Die Grundidee von EtherCAT ist die Etablierung eines mit dem Ethernet-
Bussystem kompatiblen Kommunikationssystem, das folgenden prinzipiellen
Anforderungen genügt:
• Hohe zeitliche Performance (deutlich besser als Standard-Ethernet) und
Echtzeitfähigkeit mit garantierten Antwortzeiten
• Flexible Topologie (Linie, Abzweig, Baum, Stern) mit bis zu 65 535 Teil-
nehmern
• Hohe Effizienz mit wenig Protokolloverhead und bis zu 90% Nutzdatenrate
• Master-Slave-, Master-Master- und Slave-Slave-Kommunikation
• Einzeladressierung von Slaves oder mehrerer Slaves durch Multi-Adressie-
rung (sog. implizierte Adressierung)
• Einbindung unterlagerter Feldbusse, z. B. CAN
• Einfache Adressvergabe
• Kein spezielles Routing erforderlich
• Kostengünstig
EtherCAT basiert auf dem Standard-Ethernet-Telegramm-Rahmen gemäß
IEEE-Standard 802.3 (siehe Bild 18.4). Dieses Telegramm wird vom EtherCAT-
Master ausgesandt und durchläuft alle angeschlossenen Teilnehmer, ohne dass
dazu ein spezielles Routing notwendig wird.
Das Telegramm durchläuft also die angeschlossenen Teilnehmer in sequenti-
eller Reihenfolge und der in einem Segment letzte Teilnehmer schickt das Te-
legramm wieder zum Master zurück. Da nur der EtherCAT-Master sendebe-
rechtigt ist, kann eine harte“ Echtzeitfähigkeit garantiert werden. Dazu nutzt
”
der Master standardmäßig einen Ethernet-Medium-Access-Controller (MAC).
Er kann auf jeder Plattform, die einen Ethernet-Port zur Verfügung stellt, in-
stalliert werden. Die EtherCAT-Slaves benötigen für die Verarbeitung der Te-
legramme einen EtherCAT-Slave-Controller. EtherCAT verwendet Standard-
Ethernet-Telegramm-Rahmen, in die die EtherCAT-Nutzdaten eingebettet
sind (s. Abb. 18.22).
Ethertype 0x88A4
sen, wie z. B. PROFIBUS oder CAN(open), ist mit Hilfe von Gateways
möglich.
Der Ether-Type 0x88A4 signalisiert, dass es sich um EtherCAT-Telegramm-
rahmen handelt.
Software wird auf Client- und Serverseite installiert und ermöglicht eine Ver-
bindung von einzelnen Clients oder ganzen Subnetzen.
VPN-Lösungen werden vor allem aus Kostenersparnisgründen verwendet.
Es fallen nur die Kosten für eine Verbindung zu einem lokalen Internet-Service-
Provider (ISP) an und nicht, wie früher üblich, Kosten für eine Verbindung
von einem Unternehmensstandort zum anderen. Außerdem ist es durch VPN
leicht möglich, einen Unternehmenszweig, einzelne Außendienstmitarbeiter
oder aber auch Messstellen außerhalb des Unternehmensnetzes mit in das
Firmennetz einzubinden.
19
Programmierung von
Messdatenerfassungssystemen
Mnemonic Bezeichnung
*CLS Clear Status Command
*ESE Standard Event Status Enable Command
*ESE? Standard Event Status Enable Query
*ESR? Standard Event Status Register Query
*IDN? Identification Query
*OPC Operation Complete Command
*OPC? Operation Complete Query
*RST Reset Command
*SRE Service Request Enable Command
*SRE? Service Request Enable Query
*STB? Read Status Byte Query
*TST? Self-Test Query
*WAI Wait-to-Continue Command
684 19 Programmierung von Messdatenerfassungssystemen
SCPI-Standard findet neben dem IEC-Bus auch bei anderen in der Messda-
tenerfassung gebräuchlichen Schnittstellen Verwendung, so z. B. bei VXI-
Systemen oder auch bei der Messgerätesteuerung über eine RS232C-Schnitt-
stelle. Der SCPI-Standard wird von einem SCPI-Konsortium gepflegt und
erweitert. Der jeweils aktuelle SCPI-Standard wird in mehreren Bänden ei-
nes jährlich erscheinenden Werkes Standard Commands for Programmable
”
Instruments“ festgehalten [167]. Auch im Internet sind die aktuellen Infor-
mationen rund um die SCPI-Sprache veröffentlicht [168].
6(16H
&855HQW 92/7DJH
:SENSe:VOLTage:RANGe:AUTO (19.1)
definiert. Diese Sequenz stellt das Multimeter auf Spannungsmessung und der
Messbereich wird automatisch gewählt. Die Doppelpunkte dienen als Trenn-
zeichen.1 Ein weiterer Pfad wäre
:SENSe:CURRent:RANGe:UPPer . (19.2)
Command Parameters
[:SENSe]
:CURRent
:RANGe
:AUTO Boolean
[:UPPer] numeric
:RESolution numeric
:AUTO Boolean
:VOLTage
:RANGe
:AUTO Boolean
[:UPPer] numeric
:RESolution numeric
:AUTO Boolean
19.2.2 SCPI-Datenformate
100
100.
-1.23
4.5e3
-7.89E-01
.5
Zusätzlich zu den Zahlenwerten werden auch die Ausdrücke MAXimum und
MINimum von allen Instrumenten verstanden, die repräsentierten Werte sind
allerdings vom Instrument abhängig. Einige Instrumente verwenden zudem
die Ausdrücke UP, INFinity und DEFault.
Werte für Boolesche Parameter können in den drei folgenden Varianten
angegeben werden:
ON
OFF
TRUE
FALSE
1
0
String-Parameter werden als ASCII-Zeichenketten geschickt, die durch einfa-
che oder doppelte Hochkommata abgetrennt sein müssen. Sollen Hochkom-
mata selbst im String vorkommen, so müssen diese durch eckige Klammern
abgetrennt sein:
’this is a STRING’
"this is also a string"
"one double quote inside brackets: [""]"
’one single quote inside brackets: [’’]’
Für die Antworten der Instrumente (response data) sind strengere Regeln ge-
setzt (precise talking). Real-Daten werden in wissenschaftlicher Notation aus-
gegeben, wobei ein großgeschriebenes E“ den Exponenten kennzeichnet. Inte-
”
gerzahlen werden mit führendem Vorzeichen gesendet. Werden Schlüsselwörter
abgefragt, so wird nur der obligatorische Teil in Großbuchstaben ausgegeben
(z. B. auf :RESistance:MODE? wird mit MAN statt MANual geantwortet). Für
die Booleschen Variablen ist nur 0 und 1 als Antwort zulässig. Bei den Strings
ist zu beachten, dass sie immer in doppelten Hochkommata stehen.
688 19 Programmierung von Messdatenerfassungssystemen
Unter Komplettlösungen versteht man fertig konfigurierte und auf eine be-
stimmte Prozessperipherie (Schnittstellen und Messgeräte) sowie Betriebssy-
steme abgestimmte Programme. Dieser Typ von Software erlaubt i. Allg. die
Einstellung der notwendigen Parameter, das Starten der Messung sowie die
Auswertung der Messdaten mit Hilfe einer Eingabe über maskenorientierte
Fenster bzw. mittels Maus über Pull-Down- oder Pop-Up-Menüs. Teilweise
verfügen diese Programme über Makrogeneratoren, mit deren Hilfe sich im-
mer wiederkehrende Befehlsfolgen zum erneuten Ablauf speichern lassen. Ein
auf diese Art aufgezeichneter Messvorgang kann dann durch einfachen Tasten-
druck beliebig oft wiederholt werden.
19.4 Kategorien von Softwarelösungen 689
19.4.2 Modul-Bibliotheken
Eigenentwicklungen
forderungen nicht erfüllen. Eine Eigenentwicklung kann aber auch aus Ko-
stengründen erwogen werden, wenn es sich um kleinere Messdatenerfassungs-
projekte handelt. Bei der Eigenentwicklung von Messdatenerfassungssoftware
können, je nach Sachlage, Toolboxen genutzt werden, die geeignete Hilfsrou-
tinen bereitstellen [164].
19.5 LabVIEW
rufen. Andererseits wird mit dem SubVI Tone Measurement“ die enhalte-
”
ne Grundfrequenz ermittelt. Die Ergebnisse werden in Signalverlaufsgraphen
ausgegeben.
Mit der Einführung der Version 8 von LabVIEW im Jahre 2005 wurde
nun auch die Möglichkeit geschaffen, lokal verteilte Messdatenerfassungssyste-
me zu konfigurieren. Zu den mittlerweile fast 4000 in LabVIEW verfügbaren
Gerätetreiberroutinen zählen knapp 100 Geräte mit USB-Schnittstelle und
nahezu 300 Ethernet-Geräte. Mit LabVIEW 8 ist nunmehr auch eine hetero-
gene Vernetzung in dem Sinne möglich, dass die eingebundenen Messgeräte
über unterschiedliche Schnittstellen angesprochen werden können (Abb. 19.6).
Es werden alle gängigen Schnittstellen, wie IEC-Bus, RS232, RS485, USB,
LAN/Ethernet, PCI, PCI-Express, PXI oder VXI unterstützt. Zudem bietet
LabVIEW auch eine komfortable Schnittstelle für die Datenübertragung zwi-
694 19 Programmierung von Messdatenerfassungssystemen
Abb. 19.6. Mit LabVIEW 8 lassen sich lokal verteilte Knoten eines Messsystems
vernetzen, wenn diese über eine der Standardschnittstellen angesprochen werden
können [87]. Die Netzarchitektur darf dabei heterogen sein, d. h. es werden gleich-
zeitig unterschiedliche Bus-Systeme verwendet.
19.6 LabWindows 695
Die Synchronisierung lokal verteilter Systeme wird durch die neue PCI-
Einsteckkarte NI PCI-1588 erleichtert, welche über das Ethernet vernetzte
Geräte gemäß dem IEEE-Standard IEEE-1588 zu synchronisieren gestattet
(siehe dazu auch Kap. 18.13.5). Das Modul kann dabei sowohl als Master
Clock als auch als Slave Clock arbeiten. Die zeitliche Unsicherheit (Jitter)
hängt vom aktuell verwendeten Netzwerk ab. Sie liegt aber stets unterhalb
einer Mikrosekunde.
Zur Auswertung von umfangreichen Messdaten, insbesondere zur Erstel-
lung von Berichten, in welchen Messreihen graphisch dargestellt werden sol-
len, steht eine Datenschnittstelle zu NI DIAdem zur Verfügung. DIAdem ist
eine Standardsoftware zur Datenanalyse, Datenverwaltung und Berichterstat-
tung. Dazu bietet DIAdem eine entsprechende graphische Oberfläche (Abb.
19.7). Die in DIAdem enthaltene Entwicklungsumgebung erlaubt in Verbin-
dung mit einem Dialogeditor darüberhinaus die Erstellung von anwendungs-
spezifischen Bedienoberflächen auf der Grundlage von Visual Basic Script
(VBS). LabVIEW kann DIAdem-TDM-Dateien importieren und exportieren
(TDM=Technical Data Management). Das TDM-Format erlaubt die effizien-
te Speicherung von Daten in Binärform. Daneben gibt es die Möglichkeit,
in einem sog. XML-Header2 die Struktur der Datei zu dokumentieren sowie
weitere Informationen zu den gespeicherten Daten abzulegen.
Tip:
Ein Großteil der Aufgaben auf der DVD-ROM beschäftigt
sich mit der Programmierung messtechnischer Aufgaben in
LabVIEW. Die Datei book.pdf enthält eine Einführung
in die wichtigsten, hier verwendeten Elemente der LabVIEW-
Programmierung sowie einige Aufgabenstellungen. Musterlösungen, d.h.
die entsprechenden Beispielprogramme (*.vi-Files), befinden sich im Ver-
zeichnis \LabVIEW\Aufgaben.
19.6 LabWindows
Als Beispiel für ein textbasiertes Programmierwerkzeug zur Messdatenerfas-
sung sei an dieser Stelle NI LabWindows/CVI vorgestellt. Es handelt sich
dabei um einen 32-bit-ANSI-C-Compiler. Dieser wurde um Messtechnikfunk-
tionen in Form von Bibliotheken erweitert und enthält komfortable Werkzeuge
zur Gestaltung graphischer Benutzeroberflächen (Graphical User Interfaces,
2
XML steht für Extensible Markup Language (=erweiterbare Auszeichnungsspra-
che). XML definiert einen Standard zur Erstellung von Rechnerdokumenten, d. h.
es legt die Regeln für die Struktur dieser Dokumente fest. Ein wesentlicher Grund-
gedanke von XML besteht darin, Daten und ihre Repräsentation zu trennen. So
können beispielsweise Messdaten effizient in einer Datenbasis gespeichert werden,
um als Tabelle sowie als Graphik dargestellt werden zu können.
696 19 Programmierung von Messdatenerfassungssystemen
GUI), die ähnlich den LabVIEW-Oberflächen gestaltet sind. Hinter dem Front
Panel verbirgt sich aber kein Blockdiagramm wie bei LabVIEW, sondern ein
Steuerprogramm in ANSI C, das die Funktionalität des Virtuellen Instrumen-
tes repräsentiert.
Somit unterscheiden sich LabVIEW und LabWindows/CVI hauptsächlich in
der Programmierphilosophie, also einerseits graphisch, andererseits textba-
siert. Welche Programmierphilosophie zum Einsatz kommt, muss aufgrund
der gestellten Aufgabe entschieden werden.
• Die ereignisgesteuerte, C-basierte Programmierung von LabWindows ist
vielen Programmierern und Systementwicklern geläufig. Sie wird bevor-
zugt eingesetzt, wenn es um hardwarenahes Programmieren, das Anspre-
chen physikalischer Speicher und das Interrupt-Handling geht.
• Die Entwicklungszeit von Programmen kann andererseits mit der graphi-
schen Programmierung deutlich verkürzt werden. Mit LabVIEW lassen
sich schnell Prototypen realisieren und Änderungen vornehmen. Diese Vor-
teile kommen vor allem Anwendern zugute, die erst wenig Erfahrung mit
der konventionellen Programmierung gesammelt haben.
19.7 MATLAB
Im Gegensatz zu LabVIEW, das ursprünglich für die Messdatenerfassung ent-
wickelt und später mit vielseitigen Mathematik-Werkzeugen ausgerüstet wur-
19.7 MATLAB 697
Die Data Acquisition Toolbox unterstützt den Zugriff auf eingebaute Da-
tenerfassungskarten. Man kreiert Objekte, die von MATLAB mit analogen
Eingängen, Ausgängen und digitalen I/Os auf der Karte assoziiert werden.
698 19 Programmierung von Messdatenerfassungssystemen
Wie bei MATLAB-Objekten üblich, können dann mit den Befehlen GET und
SET Eigenschaften der Karte abgefragt und eingestellt werden.
Die Instrument Control Toolbox dient der Kommunikation mit exter-
nen Geräten über IEC-Bus (GPIB) und den seriellen Schnittstellen RS232,
RS422 und RS485. Leider ist die Toolbox bis dato noch nicht völlig platt-
formunabhängig, und die volle Funktionalität steht nur unter den Windows-
Betriebssystemen zur Verfügung. Auch diese Toolbox arbeitet mit der MAT-
LAB Objekt-Technologie und ordnet einzelnen Instrumenten Objekte zu.
Das Programmierbeispiel in Tab. 19.4 soll die Kommunikation mit einem
Instrument über den IEC-Bus (GPIB-Bus) näher verdeutlichen. Es beschreibt
die Kennlinienaufnahme eines Zweipols mit einem sogenannten Source-Meter.
In diesem Fall wurde ein Keithley 2400 Digital Source-Meter verwendet.
Zunächst wird in den Zeilen 1 bis 7 das Spannungsintervall, die Anzahl der
Schritte und die Schrittweite bestimmt sowie die Vektoren für das Ergebnis in-
itialisiert. In Zeile 9 wird das Objekt g erzeugt, welches das Instrument Nr. 12
am GPIB-Bus 0 repräsentiert. Es sei angemerkt, dass ein Rechner über mehre-
re GPIB-Karten verfügen kann, weshalb eine genaue Identifizierung der Karte
notwendig ist. In Zeile 10 wird das Objekt geöffnet, ähnlich wie auch Dateien
geöffnet werden müssen, um Lese- oder Schreiboperationen auszuführen. Mit
dem fprintf-Befehl werden danach einige Kommandostrings an das Gerät
geschickt. Das ist zunächst das Reset Command *RST und das Clear Status
Command *CLS, um das Gerät in einen definierten Zustand zu versetzen. In
den Zeilen 12 und 13 wird das Gerät als Spannungsquelle konfiguriert und
für die Strommessung eine Strombegrenzung von 0,1 A eingestellt. Danach
startet die Schleife für den punktweisen Durchlauf der Kennlinie. In Zeile 16
wird der aktuelle Spannungswert berechnet und übertragen. Der Befehl in Zei-
le 18 definiert die Ausgabeinformation; so könnte beispielsweise außer Strom
und Spannung auch der Widerstand ausgelesen werden. Schließlich wird die
Spannung an den Ausgangskontakten des Geräts eingeschaltet und mit dem
Befehl fetch? werden die Ergebnisse abgeholt. Mit dem MATLAB-Befehl
fscanf werden die Daten aus dem Objekt g in die Variable mess gespeichert
und schließlich an die richtige Stelle in den Ergebnisvektoren plaziert. Nach
dem Ende der Messungen wird die Verbindung geschlossen und die Kennlinie
logarithmisch ausgegeben. Das Resultat ist in Abb. 19.8 zu sehen. Es wurde
als Beispiel die Kennlinie einer Diode sowohl in Durchlassrichtung als auch in
Sperrichtung aufgezeichnet.
19.7 MATLAB 699
I (mA)
10
1
forward
10 backward
0
10
−1
10
−2
10
−3
10
−4
10
−5
10
−6
10
−7
10
−8
10
0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7
U (V)
d
Computer mit
Internetanschluß
Überwachung
Diagnose
World Steuerung
Überwachung
Diagnose Wide
Steuerung Web
Web
Computer Server
Sensor 1 LAN
Controller
Gateway Point-to-Point
Aktor 1 Verbindung
Überwachung
Diagnose
Steuerung
Gateway
Sensor 2 Aktor2 Sensor 3 Computer
• SPS als zentraler Controller, der die Kommunikation über das Ethernet
unterstützt
• verschiedene Sensoren, welche frequenzcodierte Signale mittels einer Zwei-
drahtleitung an die SPS senden
• verschiedene Aktoren, die direkt oder mittels pulsweitenmodulierter Si-
gnale an die SPS angeschlossen sind
• Interaktionsmöglichkeit des Benutzers über Bedienoberfläche oder physi-
kalische Schaltelemente
• Möglichkeiten der Fernwartung unter Verwendung eines Routers oder eines
Web-Servers.
Abbildung 20.2 zeigt eine im Smart-Home-Bereich eingesetzte Speicherpro-
grammierbare Steuerung der Fa. Beckhoff [19]. Am linken Rand ist der Con-
troller mit dem Ethernet-Adapter zu erkennen. Zur Rechten folgen digitale
Eingangsklemmen mit jeweils 4 Eingangskanälen. Es schließen sich 230 V-
Eingangskanäle an. Den Abschluss bilden die 230 V-Ausgangsklemmen, wel-
che direkt oder über ein Schutzrelais die Leistungskreise schalten.
20.2 Datenerfassung mit frequenzanaloger Schnittstelle 703
Abb. 20.3. Analoges Sensormodul zur Messung der Raumtemperatur und Einstel-
lung des Temperatur-Sollwertes
704 20 Gebäudeautomatisierung (Smart Home)
Die Topologie der Sensor- und Aktoranschlüsse ist sternförmig, was zwar mehr
Verkabelungsaufwand erfordert, aber zu Gunsten der hohen Ausfallsicherheit
gegenüber einem ringförmigen Bus in Kauf genommen wird.
Die Frequenzen der Rechtecksignale (Sensorsignale) werden durch eine
Mehrperiodenfrequenzmessung bestimmt, die ca. 3 Sekunden dauert und so
eine Genauigkeit von 0,1 Hz im spezifizierten Frequenzbereich erreicht. Um
die Frequenzmessung nicht zu verfälschen, dürfen maximal sechs Frequenzen
zum gleichen Zeitpunkt gemessen werden, daher sind in der Regel mehrere
Frequenzbestimmungsblöcke im jeweiligen SPS-Applikationsprogramm nötig.
Die hieraus resultierende Struktur des SPS-Programmes entspricht einer Ab-
laufsteuerung (s. Kap. 17). Dies bedeutet, dass bevor das SPS-Programm einen
weiteren Schritt ausführen kann, erst eine Transitionsbedingung erfüllt werden
muss. Im Fall der Frequenzmessung muss gewartet werden, bis alle Frequenzen
bestimmt sind, bevor der nächste Programmschritt ausgeführt werden kann.
Da die Frequenz-Temperatur-Kurve der Temperaturmodule bekannt ist,
können die Temperaturen der einzelnen Sensoren aus den jeweiligen Frequenz-
werten bestimmt werden. Sind alle Frequenzen bzw. Sensorwerte gemessen
worden, so wird das nächste Programm der Ablaufsteuerung ausgeführt, wel-
ches in diesem Beispiel den Algorithmus für die Raumtemperaturregelung
enthält. Dieser Regelalgorithmus implementiert einen Zweipunktregler, der
einen Radiator ein- bzw. ausschaltet, wenn die Raumtemperatur bestimmte
vorgegebene Schwellwerte unter- bzw. überschreitet.
Der Temperatur-Sollwert soll dabei nicht nur durch den Sollwertsteller
sondern auch durch ein programmierbares Tag-/Nachtprogramm oder einen
vom Benutzer via Applikationsprogramm vorgegebenen Wert einstellbar sein.
Abgesehen vom Temperatursollwert des Sollwertstellers können diese unter
Verwendung des später vorgestellten Benutzerinterfaces parametriert werden.
20.3 Datenerfassung mit digitaler Schnittstelle 705
5V
Temperatur-
Diode Referenz- sensor
Strom-
Quelle
Strom-
Mikrocontroller
+24V
Controller Brücken- begrenzer Display
24
Eingangs- DI Gleich- max. 10 mA
Klemme richter
0V
verpolsichere Schalter
Sollwert-
Zweidrahtleitung taster
Das Sensormodul, das wiederum über eine einfache und verpolsichere Zwei-
drahtleitung an die digitale Eingangsklemme jeder handelsüblichen SPS an-
geschlossen werden kann, gliedert sich in zwei Teilschaltungen (Abb. 20.5).
Die Eingangsschaltung (Stromversorgungseinheit) gleicht der der analogen
Sensorschnittstelle. Sie ist unabhängig von dem Interface, das die Sensorsigna-
le digitalisiert und diese digital codierten Abtastwerte in Form eines seriellen
digitalen Wortes auf die Zweidrahtleitung gibt. In Abb. 20.6 werden die Si-
gnale von analogen und digitalen Sensorinterfaces miteinander verglichen.
Abschließend sei erwähnt, dass die mittlerweile in umfangreicher Wei-
se durchgeführten Praxistests die hohe Genauigkeit des Sensorinterfaces so-
wie die große Zuverlässigkeit der Gesamtschaltung unter Beweis gestellt ha-
ben. Abbildung 20.7 zeigt den entsprechenden digitalen Temperatur-Feuchte-
Sensor. Die Einstellung des Temperatur-Sollwertes erfolgt durch Tasten-
druck in 0, 5 ◦C-Schritten. Er lässt sich in die handelsüblichen Unterputz-
Installationsdosen einbauen.
Abb. 20.7. Digitales Sensormodul zur Messung von Luftfeuchte, Helligkeit sowie
der Raumtemperatur. Die Einstellung des Temperatur-Sollwertes erfolgt per Ta-
stendruck in 0, 5 ◦ C-Schritten. Das Modul ist für den Einbau in die handelsüblichen
Unterputz-Installationsdosen vorgesehen.
Basis
RS422/RS485
bidirektionales
Funkmodul
Energie-
speicher Sensor-module User interface
Benutzer-
Sensormodul
oberfläche
Energiequelle
Sensoren
Autarke Messeinheit
Abbildung 20.8 zeigt die prinzipielle Struktur des Sensorinterfaces. Die An-
bindung der Basisstation an einen PC bzw. eine SPS erfolgt über eine han-
delsübliche RS422/RS485-Schnittstelle (Abb. 20.9). Die Messdaten können
mit Hilfe des Programms LabVIEW (s. Kap. 19.5) aufgezeichnet und darge-
stellt werden.
Bei den Solarzellen handelt es sich um Solarzellen für Innenräume. Für
eine typische Beleuchtungsstärke zwischen 200 und 1000 lx wurden 8 Zellen
in Serie geschaltet, so dass die abgegebene Spannung im optimalen Betriebs-
punkt (Maximum Power Point) zwischen 3,4 und 3, 8 V liegt. Mit Hilfe einer
Regelschaltung, die aus einem sog. Synchron-Buck-Konverter und einer Rück-
708 20 Gebäudeautomatisierung (Smart Home)
SPS 1
Schnittstellenwandler
Basis RS422/RS485 SPS 2
nach digital
weitere RS422/RS485-Busteilnehmer
24V-Netzteil
Der Aspekt der Vernetzung betrifft an dieser Stelle nicht das Messsystem an
sich, da die Sensoren und Aktoren direkt an den Controller angeschlossen
sind. Es wäre allerdings eine Lösung denkbar, bei der mehrere Controller die
Sensorwerte aufnehmen und diese sich dann untereinander abstimmen bzw.
synchronisieren.
Im Folgenden wird vielmehr auf die Vernetzung des Controllers mit Com-
putern an unterschiedlichen Standorten eingegangen.
Ein Gateway (i.d.R. ein Router) dient als Schnittstelle des Hausautomati-
sierungssystems bzw. des lokalen Netzes (LAN) zur Außenwelt. Es erlaubt,
eingehende Verbindungen oder abgehende Verbindungen aufzubauen. Im Fall
der standortübergreifenden Vernetzung wird angenommen, dass ein Benutzer
von einem beliebigen Punkt der Erde aus eine Point-to-Point-Verbindung zu
dem Gateway des Hauses aufbaut. Dies geschieht mit einem Modem, wobei auf
Seiten des Benutzers in diesem Fall eine Routerfunktionalität nicht zwingend
benötigt wird. Der Bezug dieser Vernetzungsart zum ISO-Schichtmodell ist in
Abb. 20.13 dargestellt. Es werden auf Seiten des Computers und des Control-
lers die Schichten 1 bis 4 und 7 verwendet, die Router verwenden dagegen nur
die Schichten 1 bis 3.
Diese Möglichkeit der Parametrierung des Hausautomatisierungssystems
setzt analog zum vorherigen Fall eine Software voraus, welche eine Kommu-
nikation mit dem Controller ermöglicht.
20.6 Software 711
7 Anwendung Anwendung
4 TCP TCP
3 IP IP IP IP
2 Ethernet Eth. ISDN ISDN Eth. Ethernet
1 physikal. phys. phys. phys. phys. physikal.
OSI
Schicht LAN Point-to-Point LAN
In Abb. 20.1 ist die Verwendung eines Web-Servers skizziert, der bei Bedarf
eine Point-to-Point-Verbindung zu dem betrachteten Haus aufbaut. Hiermit
kann eine weltweit verfügbare Parametriermöglichkeit des Hausautomatisie-
rungssystems geschaffen werden. Der Benutzer muss sich, um Zugriff auf die
Daten seines Hauses zu erlangen, an einem Server anmelden. Auf diesem wird
eine Applikation ausgeführt, welche die Authentifizierung des Benutzers sowie
den Datentransfer vom Controller zum Server bzw. vom Server zu demjenigen
Computer durchführt, an welchem der Anwender sich gerade befindet.
20.6 Software
Einige Parameter des Hausautomatisierungsmoduls können von einem Sy-
stemadministrator verändert werden. Dazu wird mit dem Controller unter
Verwendung einer geeigneten Anwendung kommuniziert, und die Werte der
Parameter werden aus der SPS ausgelesen bzw. die neu gesetzten Werte in
die SPS geschrieben. Eine Programmoberfläche, die der geschilderten Parame-
trierung dient, ist in Abb. 20.12 zu sehen, wobei hier die Einstellung diverser
Temperatursollwerte einer Raumtemperaturregelung dargestellt ist. Die Kom-
munikation erfolgt mittels MODBUS/TCP-Protokoll [118], da dieses von
der hier verwendeten SPS unterstützt wird.
Eine weitere elegante Möglichkeit der Parametrierung stellt die Web-
Applikation in Abb. 20.14 dar. Der Web-Server dient dabei als Informations-
zentrale, die die Parameter aus der SPS ausliest, speichert und dem Benutzer
zur Bearbeitung übergibt. Änderungen, die der Benutzer durchführt, werden
in einem Abbild der Parameter, welches der Web-Server verwaltet, gespei-
chert. Sind alle Änderungen durchgeführt, werden die Parameter wieder in
die SPS transferiert, und dem Benutzer werden die veränderten Parameter
angezeigt.
Es ist auch denkbar, diese Anwendung auf einem Web-Server zu implemen-
tieren, der in dem betreffenden Haus installiert ist. Diese Lösung ist jedoch
712 20 Gebäudeautomatisierung (Smart Home)
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722 Literaturverzeichnis
linear, 25 Einheit, 3
Netzwerktopologien, 614 Ohmsches Gesetz, 245
Netzwerkubertragungsfunktion, 61 Open-Kollektor-Ausgangsstufe, 559
Neutralleiter, 233, 234 Operations-Charakteristik, 508
nichtlineare Bauelemente, 77 ff Operationsverstarker, 179 ff
bilaterale Kennlinie, 77 Ansteuerung eines ADCs, 207
differentielle Induktivitat, 87 differentieller, 205
differentielle Kapazitat, 93 differentieller Ausgang, 204 ff
differentieller Widerstand, 79 Grundschaltungen, 192 ff
Hysterese, 88 idealer, 180 ff
Induktivitat, 85 Kenngroßen, 184 ff
Kapazitat, 92 Leistungsdaten, 209
negativer differentieller Widerstand, Rauschen, 218 ff
81 realer, 181 ff
statische Kennlinie, 77 Transitfrequenz, 189
statischer Widerstand, 78 Optimalfilter, 479
Widerstand, 78 kausales, 487
nichtlineare Schaltungen, 77 nicht-kausales, 482
Analyse, 96 Ubertragungsfunktion, 479
nichtlinearer Widerstand, 78 Ortskurve, 264
Nichtlinearitat, 157, 289, 377, 463 Oszillator, 200, 422
differentielle, 340, 378 harmonischer, 422
integrale, 340 Operationsverstarkerschaltung, 434
Nichtlinearitatsfehler Relaxationsoszillator, 423
differentieller, 378 Oszillogramm, 278
integraler, 378 Oszillograph, 273
Noise Figure Analyzer (NFA), 226 Oszilloskop, 273 ff
Normalverteilung, 106, 110 alternierender Betrieb, 283
Test, 509 Digitalspeicher, 297 ff
Normbildende Institutionen, 6 dynamischer Fehler, 290 ff
Normen, 6 ff Grenzfrequenz, 292 ff
Notchfilter, 464 komplexe Eingangsimpedanz, 290
NTC-Widerstande, 83 Sampling, 283
Nullabgleich, 5, 250, 259 Spannungsteiler, 286 ff
Nulldetektor, 251 statischer Fehler, 288
Nullhypothese, 505 Verstarker, 292
Nullpunktfehler, 215, 339
Nullverfahren, 252 Parallel-Seriell-Schnittstellenwandler,
Nullverstarker, 252 545
Nyquist-Formel, 215 Parallel-Umsetzer, 348 ff
Nyquist-Kriterium, 345 Parallel-Verfahren, 374
Parallel-Wage-Verfahren
Oberwelle, 463 kombiniertes, 350 ff, 374
Oberwellen-Schwingquarz, 432 Parallelbus, 531, 533
Offset, 347 Parallelresonanz eines Schwingquarzes,
Offsetspannung, 182, 187, 204 431 ff
Offsetspannungsdrift, 188 Parameter
Offsetstrom, 188 informationstragender, 9
ohmscher Widerstand, 245 ff Parcevalsches Theorem, 475, 479
Index 737