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Phonetik und Phonologie

der deutschen Gegenwartssprache

Prosodie, Metrik und


Wortakzent im Deutschen

Prosodie

Prosodie (griechischer Ursprung)


pros+Ode
Ode an die Freude (Schiller,
Beethoven)
= das Dazugesungene
• Wortakzent
• Satzakzent, Satzintonation
• Sprechrhythmus

Sprechrhythmus
• zeitlicher Verlauf der gesprochenen Sprache
• zeitlich regelmäßige Aktivität von
Artikulatoren
2 Möglichkeiten der rhythmischen Organisation
einer Sprache:
Akzentzählende Sprachen (Deutsch)
T A K T zeitliche
Akzentzählende Sprachen sind vor allem... Abstände
Akzentzählende Sprachen sind üblicherweise...
Silbenzählende Sprachen (Französisch, aber
auch Althochdeutsch!)
Elle promène ses deux chiens dans les bois...

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Satzintonation

hängt von der kommunikativen Absicht (oder


der Syntax) ab:
• Terminale oder fallende
Satzintonation/Satzmelodie
– Es regnet. – Liebe Gäste! – Wer war das?
• Progrediente oder weiterführende
Satzmelodie
– Als ich hinauskam... (, war niemand da.)
• Interrogative oder fragende Satzintonation
– Kommst du mit? – Wer war das?

Wortakzent

• Früher brachte man den Wortakzent meistens


mit den Eigenschaften der Vokale in
Zusammenhang
• heute – der Akzent beeinflusst die Aussprache
aller Segmente in einer Silbe
• daher – Akzent = suprasegmentale
Eigenschaft der Silbe (des Wortes) – “über”
Segmenten (Phonemen)

Wortakzent

In einem Wort werden alle Silben nicht gleich


ausgesprochen
Luftdruck, Akzent, Frequenz, Dauer
- einige sind prominenter als andere
- um überhaupt sagen zu können, dass etwas
“prominenter” ist als etwas anderes, müssen
wenigstens zwei Elemente gegenüber gestellt
werden
- Die “Prominenz” ergibt sich aus dem Vergleich
(“Akzent”, “Nebenakzent”...)

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Wortakzent

Prominenz der Silbe innerhalb des Wortes ergibt


sich aus einer Kombination aus
unterschiedlichen akustischen und
artikulatorischen Parametern:
• erhöhter subglottaler Luftdruck
• Veränderung der Grundfrequenz (Erhöhung
des Tons)
• längere Dauer der prominenten Silbe
• erhöhte Intensität (Lautstärke)
• Artikulationsgenauigkeit bei der Aussprache
der Segmente

Subglottaler Luftdruck

• erhöhter subglottaler Luftdruck


– artikulatorische Eigenschaft
– jene Silben, die wir mit einem erhöhten
subglottalen Luftdruck aussprechen, werden als
prominenter empfunden
– mehr Energie wird investiert

Lautstärke

erhöhte Intensität (Lautstärke) – lauter


ausgesprochene Silben werden als
prominenter empfunden
= dynamischer (expiratorischer) Akzent
• überwiegend dynamischer Akzent: Deutsch,
Englisch...

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Grundfrequenz
• Veränderung der Grundfrequenz (Erhöhung
des Tons)
– jene Silben, die wir mit einer höheren
Grundfrequenz aussprechen, werden als
prominenter empfunden
– Veränderung akustischer Natur
• Für Sprachen, in denen die Prominenz von
Silben überwiegend durch eine Erhöhung der
Grundfrequenz erreicht wird, sagt man, dass
sie einen musikalischen (melodischen)
Akzent haben.
• überwiegend musikalischer Akzent:
Französisch, Kroatisch,...
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Dauer der prominenten Silbe

• längere Dauer der prominenten Silbe


• für Silben, die mit langen Vokalen
ausgesprochen werden, haben wir den
Eindruck, dass sie prominenter sind als
andere

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Artikulationsgenauigkeit

• Artikulationsgenauigkeit bei der Aussprache


der Segmente
– jene Silben, die mit vollen Vokalen ausgesprochen
werden, werden im Unterschied z.B. zu den Silben
mit Schwa-Vokalen als prominenter empfunden –
(das Schwa ist eigentlich reduzierte (kann als
“ungenau” verstanden werden) Artikulation eines
(üblicherweise vollen) Vokals)
benennen [bə'nεnən]
Waage ['va:gə]

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Wortakzent - Darstellung

s w w s s w
Rot wein nach Rom Bau amt

s = strong, w= weak

unmöglich:
s w s s w w

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Wortakzent - Komposita

s w w s

s w s w
Rot wein punsch Stadt bau amt
Generell: Komposita – erste Konstituente –
Hauptakzent (Rotwein, Bauamt)
Aber: zweite Konstituente kann stark sein,
wenn sie verzweigt!

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Wortakzent - Komposita

Aufgabe: bestimmen Sie die Baumstruktur für folgende


Komposita!

Atomwaffensperrvertrag
Bahnhofsvorplatz
Bundesgartenschau Fussball, Bahnhof –
Fussballfeld keine Komposita
Straßenbahndepot mehr! =
Weltspartag phonologische
innerorganisationsrechtlich Wörter
Landesversicherungsanstalt

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Metrik

Metrik - die Verslehre oder Metrik (griechisch


μετρική, griechisch-lateinisch metrica) ist die
Lehre vom Versmaß oder Metrum (griechisch-
lateinisch) in der Literatur. (Wikipedia.de)
– Wortakzent??
Die meisten Wörter bestehen aus mehr als
einer Silbe – akzentuierte Silben werden
mit nicht-akzentuierten kombiniert

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Metrik

Metrischer Fuß (Yu, 1992): Sequenz von Silben,


von denen eine metrisch stärker ist als
andere.
- unterschiedliche Kombinationen,
unterschiedliche metrische Füße!
Die wichtigsten:
• Trochäus, Iambus (zweisilbig)
• Daktylus, Anapäst, Amphybrach (dreisilbig)

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Metrik
Trochäus – der häufigste metrische Fuß im dt.
- betonte + unbetonte Silbe

s w
Was ser
Iambus - die erste Silbe unbetont, zweite bet. –
häufiger in Gedichten (beginnen oft unbetont)
egal, Verbot, Skandal, Kanal, Kamel, Musik –
Lehnwörter oder präfigierte Wörter

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Metrik
Aufgabe - Trochäus oder Iambus?

Scanner
Kaffee
Café
Bildschirm
Access
Feuer
Paris (Frankreich)
Paris (griechischer Held)

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Metrik
Anapäst – unbetont + unbetont + betont
Paradies, Testament, Monopol, Industrie,
Kandidat, ZDF, ARD, USB
Daktylus – betont + unbetont + unbetont
(Walzer)
Dominik, Sonnenschein, Rotweinpunsch,
Daktylus, Barbara, Julia...
Amphibrachys – unbetont + betont + unbetont
erneuert, harmonisch, Susanne, verborgen,
Maschine...

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Metrik
Versfuß?

Friseur, Kamera, Container, USB, Lothar,


Photo, President – Präsident, Verlust,
Telephon, Messias, Regal, Wörterbuch,
erlauben, Harmonie, Stativ, Gitarre

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Metrik
Wozu die Versfüße?

- für phonetische Prozesse wichtig –

- z.B. Einfügung des Glottisschlags –


[ʔa:təm], [ʔo:dɐ], [ʔu:ɐ] – betonter Vokal im Anlaut –
Glottisschlag obligatorisch
The[ʔ]ater, cha[ʔ]otisch, Schi[ʔ]iten – auch im Wortinneren

*Cha[ʔ]os, *Muse[ʔ]um, *Ri[ʔ]o – NICHT vor unbetonten


Silben!

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Metrisches Gitter

• zur Darstellung der rhythmischen Struktur


von Äußerungen
• vom musikalischen Begriff des Takts
inspiriert
• Silben bekommen “Schläge” (“beats”) –
Zeichen für die Stärke der Betonung; dadurch
sieht man, wie betont die Silben sind im
Vergleich zu benachbarten Silben

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Metrisches Gitter

Komposita x
Teilkomposita x x
Teilwörter x x x x
Basisschlag x x x x
Halbschlag x x x x x
Rot wein punsch trin ker

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Metrisches Gitter

Jede Silbe erhält einen "Halbschlag" auf der


untersten Gitterebene.
Jede schwere Silbe, die (CVV oder CVC)
enthält, erhält einen Basisschlag auf der
zweiten Gitterebene.
Die erste Silbe der Wortwurzel erhält
einen Basisschlag.
Die Hauptakzentsilbe erhält mehr Schläge als
alle anderen. (Ramers, 2001)

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Metrisches Gitter

Komposita Komposita

Teilkomposit Teilkomposit
a a

Teilwörter x Teilwörter x
Basisschlag x x Basisschlag x x
Halbschlag x x x Halbschlag x x x
ba na ne e le fant

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Metrisches Gitter

Komposita

Teilkomposit x
a
phonolog. (x x )
Phrase
phonolog. (x x) (x x x)
Wort
Fuß (x x) (x x) x
bun des gar ten schau

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Wortakzent - Komposita

Aufgabe: bestimmen Sie die Gitterstruktur für folgende


Komposita!

Atomwaffensperrvertrag
Bahnhofsvorplatz
Bundesgartenschau Fussball, Bahnhof –
Fussballfeld keine Komposita
Straßenbahndepot mehr! =
Weltspartag phonologische
innerorganisationsrechtlich Wörter
Landesversicherungsanstalt

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https://www.youtube.com/watch?v=XrZYjHIkHvI

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Zum Nachdenken

1. Beschreiben Sie die wichtigsten


prosodischen Merkmale des Deutschen
(Wort, Satz)!
2. Beschreiben Sie die zwei
Darstellungsmodelle für Wortakzente – den
metrischen Baum und das metrische Gitter!
3. Welche Eigenschaften tragen zur Prominenz
der Silbe bei?

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Weiterführende Literatur (& mehr)

Ramers, K.-H. (2001): Einführung in die


Phonologie, 2. Auflage. München: Fink Verlag.
(Kapitel 5: Metrische Phonologie) – vor allem!

http://yeda.podspot.de/post/linguistik-podcast-
13-prosodie-1-metrik/

http://www.ilg.uni-
stuttgart.de/Mehlhorn/Handout_Wortakz.pdf

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