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Therapeutische

© 2004 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Band 61, 2004 Umschau
DOI 10.1024/0040-5930.61.11.655 Heft 11
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Klinik und Poliklinik für Nephrologie und Hypertonie, Inselspital,


Universitätsspital, Bern

Ödeme und das


nephrotische Syndrom

Beim Auftreten von generalisierten Ödemen muss


M. Klein, J. Henschkowski, Z. Yu, B. Vogt
differentialdiagnostisch immer auch an eine Nieren-
erkrankung, das sogenannte nephrotische Syndrom
(NS), gedacht werden. Dieser Begriff des nephroti-
schen Syndroms wurde ursprünglich geprägt zur
Beschreibung von generalisierten Ödemen mit Pro-
teinurie von über 3 g in 24 Stunden mit Hypoalbu-
minämie, Hypercholesterinämie und Hypertriglyzer-
Zusammenfassung
inämie. Bei jeder Glomerulonephritis kann ein
Das nephrotische Syndrom ist eine Erkrankung der nephrotisches Syndrom entstehen [1]. Es ist definiert
Nieren, die sich mit schwerer Proteinurie, Hypoalbu- durch eine Hypoalbuminämie (≤ 30 g/l), welche ent-
minämie und generalisierten Ödemen manifestiert. Es standen ist und unterhalten wird durch einen ausge-
ist definiert durch eine Hypoalbuminämie (30 g/l), prägten Eiweißverlust durch die Nieren (Proteinurie
welche entstanden ist und unterhalten wird durch ei- i.R. > 3.5g/24 h oder bei Kindern > 0,05-0,06 g/kg
nen ausgeprägten Eiweißverlust durch die Nieren KG/24 h) (Tab. 1). Eine Proteinurie über 3–3,5 g/24
(Proteinurie i.R. > 3.5g/24 h). Die Ursache für die- Std. deutet immer auf einen glomerulären Schaden
sen schweren renalen Eiweißverlust ist in einer Nie- hin. Unter 3 g/24 Std. kann es sich um einen glome-
renerkrankung, einer sogenannten Glomerulonephri- rulären oder interstitiellen Prozess handeln. Die Aus-
tis, zu finden. Für die Ödembildung ist eine zu starke nahme dieser Regel ist die schwere Nierenarterien-
Natriumretention durch die Nieren verantwortlich. stenose, bei welcher es wegen wahrscheinlich extrem
Zwei Mechanismen spielen dabei eine wichtige Rol- hohen Angiotensin-II-Spiegeln ebenfalls zu einer
le. Durch den Eiweißverlust sinkt der onkotische Proteinurie von über 3 g/ 24 Std. kommen kann. Per-
Druck im Plasma, was wiederum ein Transsudat ins sistiert diese schwere Proteinurie lange genug, ent-
Interstitium und somit die Ödembildung fördert. An- steht eine Folge von Komplikationen, welche histo-
dererseits besteht eine Störung der Nieren selbst, was risch von Bradley und Tyson 1948 als nephrotisches
zu einer renalen Natriumretention mit Ödembildung Syndrom bezeichnet wurde [2]. Klinisch imponieren
führt. Zur Diagnosesicherung der zugrunde liegenden vor allem die ausgeprägten Ödeme und erst in zwei-
Nierenerkrankung ist in der Regel eine Nierenbiopsie ter Linie weitere charakteristische Symptome wie
notwendig. Die Therapie richtet sich einerseits spezi- Hypercholesterinämie, Gerinnungsstörungen, Lipi-
fisch gegen die zugrunde liegende Glomerulonephri-
tis und andererseits rein symptomatisch gegen die kli- Tabelle 1 Das Nephrotische Syndrom: Definition
nischen Manifestationen, z.B. Diuretikatherapie für
generalisierte Ödeme, Antikoagulation zur Präven- Proteinurie: ≥ 3.5g/24 h
(Kinder > 0,05–0,06 g/kg KG/24 h)
tion thromboembolischer Komplikationen, Vermeiden
von möglichen auslösenden Noxen wie z.B. Medika- Hypoalbuminämie: ≤ 30g/l
mente oder Behandlung von Infektionen. 655
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Abbildung 1 Ödem des linken Unterschen-


kels bei einer Patientin mit neu aufgetrete-
nem nephrotischem Syndrom.

durie und Infektanfälligkeit. Das nephrotische Syn- der GBM handelt es sich um Genmutationen, welche
drom tritt in der Regel ohne, kann aber auch zusam- die Funktion eines der wichtigen Strukturproteine der
men mit einer Niereninsuffizienz auftreten [1]. GBM beeinträchtigt. Diese Erkrankungen kommen
Die Ödeme entstehen positionsbedingt in abhängi- beim Neugeborenen vor und manifestieren sich mit
gen Körperpartien und in Geweben mit niedrigem einem massiven NS bei oder kurz nach Geburt, z. B.
Turgor, sodass sich der Patient über morgendliche das kongenitale NS. Sie können sich auch erst im Er-
Lidödeme und Schwellungen über dem Os sacrum wachsenenalter manifestieren, wie dies beim Alport-
und abends über Beinödeme beklagt. Bei einem Syndrom, einer Störung des Kollagen IV, einem
schweren NS entwickeln sich generalisierte Ödeme wichtigen Bestandteil der GBM, der Fall ist. Weitaus
mit Aszites und Pleuraergüssen. Typischerweisen las- häufiger sind die nicht-genetisch bedingten Erkran-
sen sich auch groteske Ödeme leicht wegdrücken kungen der GBM, wobei eine genetische Prädiposi-
(Abb. 1), erst bei lang andauernder Wasseransamm- tion bei verschiedenen Glomerulonephritiden ver-
lung im Gewebe entsteht eine Chronifizierung mit zu- mutet wird. In diese Gruppe gehören die primären
nehmend derber Haut. Das Urinsediment ist bei ne- und sekundären Glomerulonephritiden (Tab. 2). Se-
phrotischem Syndrom nicht sehr auffällig. Es zeigen kundäre glomeruläre Schädigungen finden sich in
sich einzig eine Lipidurie (Malteserkreuze im pola- etwa 20–30% der Fälle. Die häufigste Ursache ist ein
risierten Licht), jedoch nur wenig Zellen oder Zylin- Nierenbefall bei Diabetes mellitus, gefolgt von Sys-
der. Die Nierenfunktion ist initial häufig normal, bei temerkrankungen, Infektionen, malignen Tumoren
längerem Fortbestehen der Nierenerkrankung kann und Medikamentennebenwirkungen.
sich jedoch ein progredientes Nierenversagen entwi- Bei primären glomerulären Erkrankungen ist es
ckeln. Dabei ist die Prognose bezüglich Verlust der wichtig die Altersabhängigkeit zu kennen (Tab. 3).
Nierenfunktion umso schlechter, je grösser die Pro- Bei Kindern unter zehn Jahren findet man histolo-
teinurie ausfällt. gisch in rund 80% eine Minimal-change-Glomerulo-

Ursachen des nephrotischen Tabelle 2 Ursachen des Nephrotischen Syndroms


Syndroms
Primäre glomeruläre Erkrankungen
Dem nephrotischen Syndrom liegt stets eine glome- – Minimal Change Glomerulopathie
ruläre Erkrankung zugrunde, anders lässt sich ein – Fokal-Segmentale Glomerulosklerose (FSGS)
massiver Eiweißverlust durch die Nieren nicht erklä- – Membranöse Glomerulopathie
ren [1]. Zu diesem Eiweißverlust im Urin kommt es – IgA Nephropathie (Purpura Schönlein-Hennoch,
wegen einer erhöhten Permeabilität der glomerulä- Morbus Berger)
– Membranoproliferative Glomerulonephritis
ren Basalmembran (GBM). Diese Membran ist bei
der gesunden Niere dafür verantwortlich, dass kein Sekundäre glomeruläre Erkrankungen
oder nur Spuren von Eiweiß mit dem Urin verloren – Medikamente (Schmerzmittel, Lithium)
gehen (als obere Grenze wird bei körperlich nicht be- – Infektionen (Hepatitis B, C, HIV)
sonders aktiven Menschen eine Proteinurie von 150 – Systemerkrankungen (Lupus erythematodes)
mg/24 Std. toleriert). Generell kann man zwischen – Stoffwechselerkrankungen (Diabetes)
– Maligne Tumore
zwei Arten von Erkrankungen der GBM unterschei- – Allergische Reaktionen
den, den genetisch und den nicht-genetisch beding- – Kongenitale Erkrankungen (M. Fabry etc.)
656 ten Störungen. Bei genetisch bedingten Störungen
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Tabelle 3 Altersabhängigkeit des Nephrotischen Syndroms bei primären glomerulären Erkrankungen

Primäre Glomeruläre Erkrankung Kinder Erwachsene


< 60 Jahre > 60 Jahre
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Minimal Change Glomerulopathie 76% 20% 20%


Fokal-Segmentale Glomerulosklerose (FSGS) 8% 15% 2%
Membranöse Glomerulopathie 7% 40% 39%
Membranoproliferative Glomerulonephritis 4% 7%  0%

pathie. Im Erwachsenenalter dominieren andere


glomeruläre Erkrankungen. Die minimal change Traditionelles «Overflow»
Glomerulopathie ist selten und kommt in weniger als «Underfill» Konzept Hypothese
15% als Ursache eines NS vor. Weitaus häufiger zeigt Primäre renale Natrium-
Proteinurie
sich in etwa 35% der Fälle eine fokal-segmentale Retention
Glomerulosklerose (FSGS), in 33% eine membranö-
se Glomerulopathie und in etwa 4% eine Amyloido- Hypovolämie Plasmavolumen ⇑
se [1].
Sekundäre renale Transudat in das
Pathogenese der Ödeme Natrium-Retention Interstitium

Zwei Mechanismen bewirken die Entstehung von


Ödemen beim Nephrotischen Syndrom: Die primäre Ödeme Ödeme
renale Natriumretention als Folge der zugrunde lie-
genden renalen Erkrankung (die sog. «overfill theo- Abbildung 2 Zwei Mechanismen bewirken die Entstehung
von Ödemen beim nephrotischen Syndrom: Die primäre
ry») und die sekundäre Natriumretention als Folge
renale Natriumretention als Folge der zugrunde liegenden
der Abnahme des onkotischen Druckes im Plasma bei renalen Erkrankung («overfill theory») und die sekundäre
Hypoalbuminämie (die sog. «underfill theory») [3, Natriumretention als Folge der Abnahme des onkotischen
4]. Es besteht ja eine Anomalie der Niere, nämlich Drucks im Plasma bei Hypoalbuminämie («underfill theory»).
die Proteinurie, welche eine Hypoalbuminämie zur
Folge hat. Dadurch kommt es zu einem Abfall des
intravaskulären onkotischen Druckes, was wiederum gerem Bestehen als kardiovaskulärer Risikofaktor
zu einem Austritt von Flüssigkeit aus dem Gefäßsys- und 10–40% der Patienten erleiden arterielle und ve-
tem in den extravasalen Raum (Transsudat) und nöse Thromboembolien. Typisch sind Nierenve-
schließlich zu einer Verminderung des zirkulierenden nenthrombosen, welche jedoch meist asymptoma-
Volumens führt. Dies wiederum stimuliert renale tisch verlaufen. Der Verlust von Immunglobulinen im
Kompensationsmechanismen wie das Renin-Angio- Urin durch die geschädigten Kapillaren führt zu ei-
tensin-Aldosteron oder das Sympathikussystem, was ner verminderten Immunabwehr und Infektionen.
zur Natrium- und Wasserretention und somit zu Öde- Gefürchtet sind die spontanen Pneumokokken-Peri-
men führt. Dieser Mechanismus, die sog. «overfill tonititiden bei Kindern als häufige Todesursache. Die
theory», ist vom Konzept her einleuchtend, lässt sich Erniedrigung von Transportproteinen (Transferrin,
jedoch nicht immer beim nephrotischen Syndrom be- Vitamin D-, Thyroxin- und corticosteroidbindende
obachten, weder im Tierversuch noch beim Men- Globuline) steht klinisch im Hintergrund. Als selte-
schen. Das hat dazu geführt, dass ein zweiter mög- ne Folgen können eine Eiweißmalnutrition, Hypo-
licher Mechanismus in Betracht gezogen wurde, eine tonien und ein akutes Nierenversagen auftreten. Der
primäre renale Natriumretention. Die beiden Mecha- genaue Mechanismus, welcher zum akuten Nieren-
nismen schließen sich gegenseitig nicht aus, und versagen führt, ist nicht bekannt [5]. Das Risiko ist
wahrscheinlich führt die Kombination von renalen jedoch erhöht bei Minimal Change Glomerulopathie
und extrarenalen Mechanismen zur Bildung von Öde- oder Fokal-segmentalen Glomerulosklerosen, bei
men (Abb. 2). Volumendepletion, bei Therapie mit nichtsteroidalen
Entzündungshemmern oder bei einem Plasmaalbu-
Folgen des nephrotischen Syndroms minspiegel unter 15 g/l. Die Nierenfunktionsver-
schlechterung kann protrahiert verlaufen und über
Unabhängig vom Risiko der Niereninsuffizienz hat Wochen anhalten und eventuell bis zur vorüberge-
das nephrotische Syndrom weitreichende, die Ge- henden Dialysepflichtigkeit führen, sie ist jedoch in
sundheit des Patienten beeinträchtigende metaboli- der Regel reversibel.
sche Folgen. Die Hyperlipoproteinämie gilt bei län- 657
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Abklärungen durch eine Diuretikatherapie kombiniert mit einer


Einschränkung der Salzzufuhr auf < 6 g NaCl/Tag
Bei Diagnose eines nephrotischen Syndroms muss ei- (etwa 100 mmol Natrium/Tag) erreicht werden. Es
ne behandelbare Grunderkrankung oder eine Noxe wird empfohlen, die Ödeme langsam auszuschwem-
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(Xenobiotika!) gesucht respektive ausgeschlossen men, um eine akute Hypovolämie oder eine Hämo-
werden (Tab. 2). Dabei spielt die Medikamentenan- konzentration mit erhöhtem Thrombose- und Emb-
amnese eine wichtige Rolle. Vor allem nichtsteroida- olierisiko zu vermeiden. Um die Wirkung der
le Anthirheumatika können ein nephrotisches Syn- diuretischen Therapie zu kontrollieren, ist die tägli-
drom auslösen. Die infektassoziierten Formen des che Gewichtsmessung ein vorzüglicher Verlaufspa-
nephrotischen Syndroms werden mit serologischen rameter. Aufgrund der erhöhten Natriumresorption
Tests für Hepatitis B, C und HIV gesucht, die auto- durch die Niere beim nephrotischen Syndrom müs-
immune Ursachen mit Antikörpersuche im Serum sen in der Regel trotz normaler Nierenfunktion po-
(antinukleäre Antikörper und anti-DNA für Lupus tente Schleifendiuretika eingesetzt werden. Falls ei-
erythematodes, ANCA für Wegenersche Granuloma- ne genügende Natriurese nicht erreicht wird, werden
tose und andere ANCA assoziierte Systemerkran- zur sequentiellen Nephronblockade oft ein Thiazid-
kungen, anti-Histon Antikörper bei Verdacht auf me- Diuretikum mit dem Schleifendiuretikum kombi-
dikamenteninduzierten Lupus erythematodes). Vor niert. In der Regel müssen die Diuretika wegen dem
allem bei älteren Patienten ist die Durchführung ei- nephrotischen Syndrom höher als gewohnt dosiert
ner Serum- und Urinelektrophorese zum Ausschluss werden. Aufgrund der Hypalbuminämie ist der Trans-
eines Myeloms als Ursache des nephrotischen Syn- port dieser proteingebundenen Medikamente zu den
droms indiziert. Die endgültige Diagnose kann in den peritubulären Kapillaren erniedrigt und durch die
meisten Fällen nur durch die Nierenbiopsie gestellt Albuminurie wird das Diuretikum bis zu 70% im Tu-
werden. Bei Erwachsenen ist die Biopsie praktisch buluslumen gebunden und verliert so einen Teil sei-
immer indiziert, um eine genaue histologische Dia- ner Wirkung. Die gastrointestinale Resorption ist bei
gnose zu stellen, da der Therapieentscheid davon ab- generalisierten Ödemen verzögert, weshalb bei pe-
hängt. In einer Studie mit 28 Erwachsenen mit ne- roraler Therapie oft hohe Dosen von Schleifendiure-
phrotischem Syndrom änderte das Resultat der tika eingesetzt werden müssen [6]. Bei fehlendem
Histologie das Management bei 24 Patienten (86%). Ansprechen der Ödeme auf hochdosierte Schleifen-
Bei Diagnose einer Minimal Change Glomerulopa- diuretika kombiniert mit Thiazid-Diuretika trotz
thie beim Erwachsenen müssen lymphoproliferative intravenöser Verabreichung wird in der Praxis die
Erkrankungen gesucht werden und insbesondere bei vorsichtige kombinierte Gabe von Humanalbumin
der membranösen Glomerulonephritis muss bei älte- zusammen mit einem intravenösen Diuretikum häu-
ren Patienten an die Assoziation mit Tumoren der fig diskutiert. Leider zeigen die dazu durchgeführten
Lunge, des Magens und des Kolons sowie der Ein- Studien kontroverse Resultate. Zudem stellt die
nahme von nichtsteroidalen Antirheumatika gedacht Kombination von Albumin/Schleifendiuretikum ei-
werden. ne potentiell gefährliche Therapie dar (aufgrund der
Die Nierenbiopsie ist bei Kindern mit der klassischen Gefahr einer massiven Diurese mit erhöhtem Throm-
Klinik nicht zwingend, da dort zumeist eine Minimal bose- und Embolierisiko).
Change Glomerulopathie vorliegt. Bei nicht Anspre-
chen der Therapie und/oder Auftreten einer Nieren- Verminderung der Proteinurie
insuffizienz ist jedoch auch beim Kind die Nieren-
biopsie für eine optimale Therapie häufig notwendig. Ein wichtiges Ziel der Therapie von Patienten mit ne-
phrotischem Syndrom ist die Verminderung der Pro-
Symptomatische Therapie bei teinurie, weil dadurch die metabolischen Folgen des
nephrotischem Syndrom nephrotischen Syndromes verbessert, ja sogar rück-
gängig gemacht werden können. Zudem wissen wir
Neben der krankheitsspezifischen Therapie mit Kor- heute, dass eine Reduktion der Proteinurie die Pro-
tison und Immunsuppressiva (auf die hier nicht gredienz der Nierenfunktionsverschlechterung auf-
eingegangen werden soll), müssen die Symptome halten kann. Der Mechanismus ist nicht sicher. Man
und Folgen des nephrotischen Syndroms behandelt nimmt an, dass der proteinreiche Urin tubulotoxisch
werden. wirkt [7, 8]. Zur Reduktion der Proteinurie werden
ACE-Hemmer eingesetzt, welche die Proteinurie un-
Therapie der Ödeme abhängig vom Ausmaß der Blutdrucksenkung um
40–50% reduzieren können. ATII-Rezeptorantago-
Ödeme entstehen, wenn durch die Nieren zuviel Na- nisten sind weniger oft untersucht worden. Sie sind
trium retiniert wird. Das Auftreten generalisierter aber bei Proteinurie im Rahmen einer diabetischen
Ödeme weist deshalb auf einen erhöhten Natriumge- Nephropathie effektiv und können auch kombiniert
658 halt im Körper hin. Eine negative Natriumbilanz kann mit ACE-Hemmern angewendet werden [9]. Die
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Kombination von ATII-Blockern und ACE-Hemmern halb unter Kontrolle der CK-Werte gegeben werden.
hat sogar einen synergistischen Effekt [10]. Diese Cholestyramine werden wegen gastrointestinaler
Medikamente führen einerseits nicht nur zu einer Re- Nebenwirkungen oft nicht gut ertragen.
duktion des systemischen Blutdruckes, sondern sen-
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ken auch den intraglomerulären Druck und beein- Arterielle Hypertonie


flussen möglicherweise direkt die glomeruläre
Permeabilität. Häufig entwickeln Patienten mit lang andauerndem
Calciumantagonisten vom Nicht-Dihydropyridin- nephrotischem Syndrom eine arterielle Hypertonie.
Typ werden ebenfalls wegen einer leichtgradigen Dies ist um so häufiger, wenn eine Verschlechterung
antiproteinurischen Wirkung eingesetzt. Selten kom- der Nierenfunktion vorliegt. Dabei spielen Salz- und
men nichtsteroidale Entzündungshemmer zum Ein- Wasserretention eine wichtige pathogenetische Rol-
satz. Sie wirken über eine Reduktion der intrarena- le, sodass primär eine Salzeinschränkung und eine
len Prostaglandinsynthese und haben so direkt Therapie mit Diuretika angestrebt werden sollte.
Einfluss auf die glomeruläre Hämodynamik. Bei all Durch die Blutdruckeinstellung kann nicht nur das
diesen Medikamenten muss aber eine Verschlechte- kardiovaskuläre Risiko gesenkt werden, sondern
rung der Nierenfunktion beachtet werden, zudem auch die Progression der Niereninsuffizienz ver-
muss bei Therapie mit einem ACE-Hemmer oder langsamt werden. Die MDRD Studie konnte bei Pa-
ATII-Rezeptorantagonisten die Hyperkaliämie und tienten mit einer Proteinurie > 1g/Tag zeigen, dass
bei Gabe von nichtsteroidalen Anthirheumatika die der Patient von einer Blutdruckeinstellung < 125/
Salzretention mit Diuretikaresistenz streng über- 75mmHg profitiert [9]. Als Medikament wird auf-
wacht werden. grund des zusätzlichen antiproteinurischen Effektes
Ganz selten und anektodisch muss wegen lebensbe- primär ein ACE-Hemmer empfohlen. Calciumanta-
drohlicher Proteinurie insbesondere bei Kindern mit gonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ haben mög-
kongenitalem nephrotischem Syndrom eine bilatera- licherweise ebenfalls einen positiven Einfluss auf
le Nephrektomie durchgeführt werden. Eine bilate- Blutdruck und Proteinurie.
rale Nephrektomie kann chirurgisch durchgeführt
werden oder medikamentös, als sogenannte «medi- Thromboseverhütung
kamentöse bilaterale Nephrektomie» mit hochdo-
sierten nichtsteroidalen Antirheumatika kombiniert Das thromboembolische Risiko steigt mit sinkendem
mit ACE-Hemmer, eventuell kombiniert mit Cyclos- Albuminwert. Das Risiko wird unter einem Wert von
porin oder Angiotensin II Infusion. 15g/l im Serum besonders hoch. Bei Immobilität z.B.
im Rahmen einer Hospitalisation wird deshalb schon
Korrektur der Hypoproteinämie früh eine prophylaktische Antikoagulation empfoh-
len. Primär wird die Liqueminisierung empfohlen,
Eine hohe Proteinzufuhr wäre theoretisch wün- die nachfolgende orale Antikoagulation sollte mit
schenswert, um das Serumprotein zu erhöhen, leider Coumarinen (z.B. Marcoumar oder Sintrom) weiter-
wird aber gleichzeitig die Proteinurie verstärkt und geführt werden, bis der Patient nicht mehr nephro-
experimentell konnte durch dieses Prozedere sogar tisch ist oder das Albumin auf > 25g/l angestiegen ist.
eine Verschlechterung der Nierenfunktion hervorge- Heparin muss wegen erniedrigtem Antithrombin III
rufen werden. Im Gegensatz dazu führt eine niedrige oft in hohen Dosen gegeben werden, die notwendige
Proteinzufuhr zwar zu einer weniger ausgeprägten Coumarindosis hingegen ist in der Regel niedrig, da
Proteinurie, bewirkt jedoch eine Mangelernährung. die Proteinbindung des Medikamentes beim nephro-
Deshalb wird eine adäquate Proteineinnahme zwi- tischen Syndrom verändert ist.
schen 0.8–1mg/kg/Tag empfohlen.
Infektionen
Therapie der Hyperlipidämie
Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht vor allem bei
Die Lipidabnormalitäten sind bei Ansprechen des ne- Kindern mit schwerem nephrotischem Syndrom. Bei
phrotischen Syndroms auf die Behandlung reversi- diesen Kindern besteht die Gefahr der spontan bak-
bel. Bei Patienten mit persistierendem nephrotischem teriellen Peritonitis, typischerweise mit Pneumokok-
Syndrom ist die optimale Therapie unklar. Es ist trotz ken. Bei Verdacht auf eine systemische Infektion und
bisher fehlender Studien anzunehmen, dass das kar- Vorhandensein von Aszites empfiehlt sich deshalb ei-
diovaskuläre Risiko in dieser Patientengruppe erhöht ne diagnostische Aszitespunktion, um diese seltene
ist. Die meisten Patienten werden mit einem HMG- Komplikation des nephrotischen Syndroms zu su-
CoA Reduktase-Hemmer behandelt, welcher das to- chen.
tale Cholesterin, das LDL-Cholesterin und die Tri-
glyzeride senken und das HDL-Cholesterin erhöhen
kann. Fibrate führen oft zu Myositis und müssen des- 659
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Literatur table consequence of massive proteinuria is salt and


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long enough, then a series of consequences arises omission of triggering factors such as specific xeno-
which is called the nephrotic syndrome. The most no- biotics.

Korrespondenzadresse: PD Dr. Bruno Vogt, Klinik und Poliklinik für Nephrologie und Hypertonie, Universitätsspital, Bern,
Inselspital, CH-3010 Bern,
E-mail: bruno.vogt@insel.ch

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