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Goldfadenwurzelstock
Coptidis rhizoma

Pflanzliche Drogen
Allgemeine Angaben Droge2): Die Rhizome werden im Herbst ausge-
graben, gereinigt, von anhängenden Wurzeln be-
Die Droge wurde aus dem DAB in die Ph. Eur. 9.1 freit und getrocknet. Empfohlen wird eine Ernte
übernommen. Neben Coptis chinensis sind nun der Rhizome im fünften Jahr, wenn sie den höchs-
wie im Chinesischen Arzneibuch weitere Coptis- ten Alkaloidgehalt aufweisen3). Da die Rhizome
Arten als Stammpflanzen zugelassen; außerdem von einer Stelle ausgehend verzweigt sind, erin-
wurden die DC-Identitätsprüfung und die Gehalts- nern sie an Hühnerfüße, was als morphologisches
bestimmung modifiziert. Charakteristikum der Droge gewertet wird.
Es handelt sich um eine Droge der Traditionellen
Chinesischen Medizin (TCM-Droge); siehe die Andere Drogennamen: Golden thread rhizome
Liste 5.22 der Ph. Eur. (engl.), Huang Lian (chin.)

Inhaltsstoffe2, 4): Der Goldfadenwurzelstock ent-


Definition hält Alkaloide des quartären Protoberberin-Typs.
Berberin (1) ist mit 5 bis 7 % das Hauptalkaloid;
Stammpflanze1): Für die Gewinnung der Droge die Ph. Eur. fordert dafür, ebenso wie das Chinesi-
sind mehrere Coptis-Arten (Familie Ranuncula- sche Arzneibuch5) für die Schnittdroge, einen Min-
ceae) als Stammpflanzen zugelassen, namentlich destgehalt von 5,0 %. Weitere Alkaloide vom Pro-
C. chinensis Franch., C. deltoidea C. Y. Cheng et toberberin-Typ sind Coptisin (2; 2 bis 3 %), Palma-
Hsiao (fälschlicherweise manchmal C. deltoides tin (3; 2 bis 3 %), Epiberberin (4; 0,8 bis 2 %),
genannt) und C. teeta Wall. (nicht C. tetoides C. Y. Jatrorrhizin (5; 0,4 bis 0,5 %), Columbamin (6; 0,5
Cheng). bis 1 %) und Berberastin (7; 0,2 bis 0,9 %); die
Bei den Goldfadenarten handelt es sich um kleine, Gehaltsangaben entstammen Lit.4). Das Chinesi-
in China heimische Pflanzen mit grundständigen, sche Arzneibuch5) fordert für Coptisin, Palmatin
lang gestielten Blättern. Die Blattspreite ist bei den und Epiberberin in der Summe einen Gehalt von
hier aufgeführten Arten 3-schnittig, der Blattrand mindestens 3,3 % (Schnittdroge). Außerdem wur-
scharf gezähnt oder tief eingebuchtet. Drei bis acht den Worenin, Groenlandicin, 8,13-Dioxocoptisin-
weiße Blüten bilden jeweils einen lockeren Blü- hydroxid und Coptisonin6) sowie ein Alkaloid vom
tenstand. Hauptlieferant der Droge ist C. chinensis, Aporphin-Typ, das Magnoflorin (8; 0,4 bis 0,8 %)
der Chinesische Goldfaden, der in Wäldern oder identifiziert. Weitere Untersuchungen der Droge
schattigen Tälern in Höhen zwischen 500 und ergab, dass auch Pyrrololderivate7, 8) und Pyrroli-
2000 m in den chinesischen Provinzen Anhui, Fu- dininderivate [3-Hydroxy-1-(4-hydroxyphen-
jian, Guangdong, Guangxi, Guizhou, Hubei, Hu- ethyl)pyrrolidin-2,5-dion9) sowie Ethyl- 2-pyrroli-
nan, Shaanxi, Szechuan und Zhejiang wächst (Blü- dinon-5(S)-carboxylat)10)] enthalten sind.
tezeit Februar/März). Die fünf Blütenblätter sind Eine quantitative Bestimmung der sechs Protober-
bei C. chinensis und C. deltoidea linear-lanzettlich, berin-Alkaloide in 59 Mustern von Coptis-
bei C. teeta spatelförmig. C. deltoidea wächst in chinensis-Rhizomen, gesammelt an 12 verschiede-
hoch gelegenen Laubwäldern im Westen der nen Standorten in fünf Provinzen, ergab folgende
Provinz Szechuan. C. teeta im Nordwesten der Ergebnisse11): Berberin 6,4 bis 8,8 %, Coptisin 2,2
Provinz Yunnan und im Südosten der Provinz bis 2,8 %, Palmatin 1,6 bis 2,1 %, Epiberberin 1,2
Xizang, bis 1,5 %, Columbamin 0,4 bis 0,6 % und Jatror-

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Grafik

rhizin 0,4 bis 0,5 %. Abweichende Ergebnisse mit Glucuronsäure, Galacturonsäure, Glucose, Galac-
einem geringeren Gehalt der drei erstgenannten tose und Arabinose; Galacturonsäure ist jeweils am
Alkaloide zeigten nur die sechs Proben aus Zhen- stärksten vertreten, mengenmäßig folgt Glucose17).
ping. Eine Untersuchung von Rhizomen verschie- Die Inhaltsstoffe des Goldfadenwurzelstocks sind
dener Coptis-Arten12) ergab, dass sich die Rhizom- sehr gut untersucht, die hier aufgezählten Inhalts-
Alkaloidmuster der als Stammpflanzen zugelasse- stoffe decken die Chemie der Droge nicht voll-
nen Coptis-Arten sehr ähnlich sind. Drogen aus ständig ab, da eine komplette Aufzählung der in
verschiedenen Gebieten weisen jedoch in Bezug chinesischsprachigen Publikationen dargestellten
auf die acht wichtigsten Alkaloide Schwankungen Ergebnisse den Rahmen sprengen würde.
im Alkaloidmuster auf13). Die in Amerika heimi-
sche Art C. trifolia (L.) Salisb. kann nicht als
Stammpflanze dienen, da ihr Alkaloidmuster stark Prüfung auf Identität
abweicht14).
C. Die DC-Prüfung zielt auf die Alkaloide der
Die Droge enthält außerdem Flavonoide (Baicalin, Droge. Die Droge wird mit Methanol extrahiert,
Wogonosid, Baicalein, Wogonin) und Phenol- der Extrakt wird mittels Hochleistungs-DC auf
carbonsäuren (Ferulasäure und deren Derivate, einer Kieselgel-HPTLC-Platte (Korngröße 2 bis
Protocatechusäure-Derivate, Gentisinsäure, China- 10 μm) getrennt. Um zu verhindern, dass die
säure und deren Derivate) sowie 7 Lignane (Pino- basischen Alkaloide vom sauren Kieselgel am
resinol, Lariciresinol und dessen Derivate, Medio- Start festgehalten werden, wird dem Fließmittel
resinol)8, 10, 15) und ein tetracyclisches Triterpen, das normalerweise Diethylamin und/oder Ammoni-
Limonin2). Weiterhin wurden die flüchtigen Inhalts- ak zugesetzt. Hier wird nur die Entwicklungs-
stoffe der Droge untersucht; mit einer gaschromato- kammer mit Ammoniakdampf 20 min vorgesät-
graphischen Head-space-Analyse wurden mehr als tigt. Dazu wird eine Doppeltrogkammer ver-
290 Komponenten detektiert, davon 44 Terpenoide, wendet, wobei in den einen Trog konzentrierter
41 Alkene und 28 Aldehyde und Ketone16). Eine Ammoniak, in den anderen das Fließmittel ein-
Analyse der Polysaccharide ergab, dass sie bei den gefüllt wird. Die 20-minütige Kammer-Vor-
Wurzeln aller drei Coptis-Arten aus folgenden sättigungsphase reicht offensichtlich aus, um
Monosacchariden bestehen: Mannose, Rhamnose, die Kieselgelschicht während der Entwicklung

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genügend basisch zu machen; die Alkaloide extrahiert und werden als solche mittels HPLC auf

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wandern auf der DC-Platte dann als freie Ba- einer durch Nachsilanisierung stabiler gemachten
sen. Auch die als Chlorid aufgetragene Refe- RP-18-Phase (enthält keine freien Silanolgruppen
renzsubstanz Berberin (1) läuft als freie Base mehr; 5 μm) mit einem mit Phosphorsäure leicht
mit, Palmatin (3) wird ohnehin als Base aufge- angesäuerten Wasser-Acetonitril-Gradienten als
tragen. Da die Hauptalkaloide der Droge keine mobile Phase getrennt. Die Detektion erfolgt im
phenolischen Substituenten tragen, kann das UV-Licht bei 344 nm, dem Absorptionsmaximum
Fließmittel relativ wenig polar gehalten werden. von Berberin. Die Trennfähigkeit der Säule wird
Die im Extrakt befindlichen stärker polaren In- durch die Auflösung der Peaks von Berberin und
haltsstoffe (phenolische Alkaloide, polypheno- Palmatin (3), das unmittelbar vor Berberin eluiert
lische Substanzen) verbleiben am Start und wird, überprüft (Referenzlösung B); sie müssen
können das Chromatogramm nicht stören. Basislinientrennung aufweisen (mindestens 1,5).
Für die Detektion wird die Eigenfluoreszenz der Die quantitative Auswertung erfolgt durch einen
freien quartären Alkaloide im langwelligen UV- Vergleich der Peakflächen von Berberin im Chro-
Licht bei 365 nm genutzt. Die Zuordnung der matogramm der Referenzlösung a mit der entspre-
Zonen erfolgt mit Hilfe der beiden Referenzsub- chenden Peakfläche im Chromatogramm der Un-
stanzen Berberin und Palmatin. Bei den beiden in tersuchungslösung. Da bei der Untersuchungs- und
der tabellarischen Abbildung des Arzneibuchs Referenzlösung zum Lösen und Einspritzen der
höher liegenden gelb fluoreszierenden Zonen Einwaagen jeweils gleiche Volumina verwendet
handelt es sich vermutlich um Epiberberin (4, un- werden, ist kein weiterer Faktor in der Berech-
ten) und Coptisin (2, oben). Die Alkaloide mit nungsformel erforderlich.
freien OH-Gruppen (Jatrorrhizin 5, Columbamin Andere Bestimmungsmethoden: Das Chinesi-
6) liegen unterhalb des Palmatins. Auf weitere sche Arzneibuch5) lässt neben Berberin auch den
mögliche Zonen in der Untersuchungslösung Gehalt an Epiberberin (4), Coptisin (2) und Palma-
wird hingewiesen. tin (3) bestimmen und fordert dafür in der Summe
Andere Identitätsprüfungen: In Lit.2) sind DC- einen Gehalt von 3,3 % (Schnittdroge). Verwendet
Fingerprints verschiedener Drogenmuster abgebil- wird die HPLC und zwar in Form einer Ionen-
det mit Columbamin (6), Jatrorrhizin (5), Palmatin paarchromatographie, wie sie für stark dissoziie-
(3), Berberin (1) und Coptisin (2) als Refenz- rende Substanzen eingesetzt wird. Das im sauren
substanzen (Reihenfolge auf der DC von unten Elutionsmittel protoniert vorliegende Alkaloid
nach oben). Die erste DC-Platte zeigt das Alka- stellt das Kation dar, das Ionenpaarreagenz Natri-
loidmuster im UV-Licht bei 365 nm, die zweite umdecylsulfonat fungiert als Gegenion der Alka-
DC-Platte zeigt dasselbe Muster nach Besprühen loide. Es entstehen also ungeladene Moleküle, die
mit Iod-Lösung. Mit Iod färben sich die Alkaloide gut an einer RP-Phase getrennt werden können.
deutlich erkennbar gelborange, die Platte kann In der chinesischsprachigen Literatur sind weitere
dann im Tageslicht ausgewertet werden. Publikationen zur Bestimmung der Alkaloide in
Lit.2) nutzt zur Identifizierung außerdem den Goldfadenwurzelstock zu finden. Da diese Arbeiten
HPLC-Fingerprint der Alkaloide (Detektion: UV- jedoch kaum zugänglich sind, werden hier nur eng-
Licht bei 270 nm). Dabei werden sechs Alkaloide lischsprachige Publikationen zitiert. Um die Authen-
zugeordnet, außer den genannten fünf noch Epi- tizität und Qualität der Droge zu beurteilen, wurde
berberin (4). eine hochleistungsfähige HPLC mit Photodiodenar-
ray- und MS/MS-Detektion (U/HPLC-PDA und U/
HPLC-MS/MS) zur Identifizierung des Alkaloid-
Gehaltsbestimmung musters (8 Alkaloide) entwickelt, zusätzlich kombi-
Die quantitative Bestimmung zielt auf den Gehalt niert mit einem schnellen Extraktionsverfahren18).
an Berberin (1), das mengenmäßig stärkste Alka- Die Quantifizierung erfasst allerdings nur die Alka-
loid in der Droge. Die Ph. Eur. fordert dafür eben- loide Berberin, Palmatin und Jatrorrhizin. In einer
so wie das Chinesische Arzneibuch5) einen Min- anderen Arbeit wird ebenfalls die U/HPLC-PDA zur
destgehalt von 5,0 %. Die Alkaloide werden mit Quantifizierung von fünf Alkaloiden eingesetzt19).
salzsaurem Methanol aus der Droge als Chloride E. Stahl-Biskup

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Pharmakologische Zytotoxizität konnten beim Menschen nicht ein-


deutig belegt werden. Weiterhin wurden im Tier-
Eigenschaften20, 21)
experiment blutdrucksenkende, choleretische anti-
Wirkung und Anwendung: Goldfadenwurzel- pyretische, analgetische und sedierene Effekte
stock wird in der chinesischen Medizin innerlich gefunden. Die positiven Wirkungen bei Magenbe-
bei Fieber, Völlegefühl, starker Übelkeit, Sodbren- schwerden werden auf den Gehalt an Bitterstoffen
nen, Gastroenteritis, bakteriell verursachtem zurückgeführt. Aussagekräftige klinische Studien
Durchfall, Obstipation, Harnentleerungsstörungen, fehlen bislang.
innerer Unruhe, Ein- und Durchschlafstörungen
sowie äußerlich bei Wunden und entzündlichen Dosierung: Die Tagesdosis liegt bei 1,5 bis 6 g
Schwellungen der Mundschleimhaut angewendet. Rohdroge.
Für Goldfadenwurzelstock wurde eine antimikro-
bielle Aktivität gegen eine Vielzahl von Mikroor- Besondere Hinweise: Aufgrund ihrer möglicher-
ganismen nachgewiesen. Die Wirkung wird auf weise mutagenen Wirkung durch Berberin sollte
das Isochinolinalkaloid Berberin sowie auf andere die Droge mit Vorsicht angewendet werden. Von
Protoberberinalkaloide wie Palmatin, Coptisin und der Anwendung während der Schwangerschaft
Berberastin zurückgeführt. Die Substanzen inter- wird abgeraten.
kalieren in die DNA und hemmen verschiedene
Rezeptoren, Proteine und Enzyme. Hinweise auf M. Neubeck/Mu

Literatur gyao Zazhi (China J. Chin. Mat. Med.) 14, 97–99 (1989);
engl. Abstract. 13) Zhipeng Geng et al., Zhongguo
1) Flora of China, Vol. 6, S. 306 (www.efloras.org). Zhongyao Zazhi (China J. Chin. Mat. Med.) 35, 2576–
2) Wagner/Bauer, Bd. 1, S. 301–309. 3) Guo-yue Zhong 2580 (2010); engl. Abstract. 14) S. Kamath, M. Skeels,
et al., Zhongguo Zhongyao Zazhi (China J. Chin. Mat. A. Pai, Chin. Med. 4, (2009); ohne Seitenzahl; engl. Abs-
Med.) 30, 495–497 (2005); engl. Abstract. 4) Tang/ tract. 15) Liang Chen et al., Zhongguo Zhongyao Zazhi
Eisenbrand, Bd. 1, S. 384–396. 5) Stöger, Bd. 1 (2016). (China J. Chin. Mat. Med.) 37, 1241–1244 (2012); engl.
6) Te-Chun Yang et al., Fitoterapia 93, 239–244 (2014). Abstract. 16) Xin Gao et al., J. Separation Sci. 34,
7) Hong-mei Ma, Gang Chen, Yue-hu Pei, Shenyang 1157–1166 (2011). 17) Gang Fan et al., Zhongguo
Yaoke Daxue Xuebao 30, 759–763, 828 (2013); engl. Shiyan Fangjixue Zazhi 20, 74–78 (2014); engl. Abstract
Abstract. 8) Zhi-feng Li et al., Zhongyaocai 35, 1438– 18) Junhui Chen et al., Anal. Chim. Acta 613, 184–195
1441 (2012); engl. Abstract. 9) Zhi-Feng Li et al., (2008). 19) Wei-Jun Kong, Phytomedicine 16, 950–959
Chem. Nat. Comp. 49, 493–494 (2013). 10) Zhi-feng (2009). 20) B. Van Wyk, C. Wink, M. Wink, Handbuch
Li et al., Zhongcaoyao 43, 1273–1275 (2012); engl. der Arzneipflanzen, 3. Aufl., S. 123, Wiss. Verlagsges.,
Abstract. 11) Yang He et al., Biochem. Syst. Ecol. 61, Stuttgart 2015. 21) A. Köfers, Y. Sun, Traditionelle
143–148 (2015). 12) X. P. Fang et al., Zhongguo Zhon- Chinesische Medizin, Wiss. Verlagsges., Stuttgart 2009.

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