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JUNI 2016

DRÜBER STEHN!
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dieser seelischen Verletzungen, vielen Beispielen aus der Praxis pierte Trainingsprogramm Idee«, eine überraschende
analysiert die typischen Reak- zeigt die Autorin, wie das Innere führt Schritt für Schritt durch Intervention oder eine bewährte
tionsmuster und zeigt bessere Team auf die Bühne der Auf- alle wichtigen sozialen Situati- Übung sucht, wird hier fündig.
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as hat die Kollegin eben gemeint mit ih- keiten gleichmütiger zu begegnen und von Fall zu
rer spitzen Bemerkung? Warum igno- Fall zu entscheiden, wie wir die Einschätzung des
riert mich der Nachbar so geflissentlich? Soziometers bewerten wollen: Wie schlimm ist die
Wie stehe ich jetzt vor den Leuten da – nachdem ich Zurückweisung? Will ich die Kritik ernst nehmen?
so ins Fettnäpfchen getreten bin? Manches, was wir Ist dieser Mensch wichtig für mich?
im Alltag mit anderen erleben, geht uns buchstäblich Auch Hinweise, wie sie der amerikanische Sati-
unter die Haut. Anderes nehmen wir zwar zur Kennt- riker und Autor Roger Rosenblatt in seinem Buch
nis, aber es perlt an uns ab wie das Wasser an der Rules for Aging (Regeln fürs Älterwerden) gibt, sind
Ente, es lässt uns kalt. Und wieder anderes ist uns hilfreich, die Ausschläge des Soziometers in Grenzen
so was von gleichgültig, dass wir Karl Valentin zi- zu halten:
tieren könnten: „Das ignoriere ich nicht einmal!“ „Es ist nicht wichtig!“ Was immer wir denken –
Leider gelingt uns das mit dem Nicht-mal-Ignorieren es ist sub specie aeternitatis nicht wirklich von Be-
bei weitem nicht so gut, wie wir es gerne hätten; wir deutung. Ob der Boss böse guckt, ob die Freundin
sind meist alles andere als gelassen, wenn wir Krän- zickig ist, ob man einen bad hair day hat – was soll’s!
kungen erfahren oder vor Scham in den Boden ver- Und ein zweiter Hinweis: „Niemand denkt an dich!“
sinken möchten. Soll heißen: Wir bilden uns nur ein, dass die anderen
Es ist ein normaler Impuls, auf Kritik und Zu- zwei Drittel ihres Tages damit verbringen, über un-
rückweisung irritiert und betroffen zu reagieren. sere Angelegenheiten zu räsonieren oder unsere Ar-
Denn als soziale Wesen kann es uns nicht gleichgül- beit zu kritisieren oder unser Aussehen zu bewerten.
tig lassen, wie unsere Mitmenschen uns sehen und Rosenblatt: „Niemand denkt über dich nach. Die
bewerten. Unser Wohlbefinden hängt in hohem Ma- anderen denken an sich – so wie du auch!“
ße von der Akzeptanz und Wertschätzung anderer
ab, wir haben ein starkes Bedürfnis, uns zugehörig
und eingebunden zu fühlen. Über dieses need to be-
long wacht ein psychologisches System, das die So-
zialpsychologen Mark R. Leary und Roy Baumeister
als „Soziometer“ beschrieben haben. Dieses scannt
automatisch und ununterbrochen unsere soziale
Umgebung, um zu prüfen, wie es um unseren Be-
ziehungswert steht. Registriert es – zum Beispiel –
kritische Blicke oder negative Kommentare, signa-
lisiert das System: „Da stimmt was nicht!“ Unser
Selbstwertgefühl verschlechtert sich, wir fühlen uns
unwohl und unglücklich, grübeln über das Gesche-
hene nach. Die Arbeit des Soziometers spüren übri-
gens nicht nur die Sensiblen unter uns, sondern auch
Menschen, die glauben, von der Meinung anderer
u.nuber@beltz.de
weitgehend unabhängig zu sein.
Es lässt uns also nicht kalt, wenn andere mit uns
nicht einverstanden sind (und wir deshalb nicht mit
uns). Doch wir können lernen, unempfindlicher zu
werden und uns ein dickeres Fell zuzulegen, das uns
schützt vor unvermeidlichen Nadelstichen (Seite 18).
Denn – und das ist die gute Nachricht – wir sind
unserem Soziometer nicht ausgeliefert. Es ist mög-
lich, uns und unseren ganz normalen Unzulänglich-

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 3


IN DIESEM HEFT

TITELTHEMA

18 Nicht immer sind die anderen nett zu


uns: Der Kollege stichelt mal wieder,
von der Tochter hagelt es Vorwürfe, der
Kunde brüllt ins Telefon. Wie oft wünschen wir
uns in solchen Situationen: „Ach hätte ich
doch ein dickeres Fell!“ Aber ist das über-
haupt erstrebenswert? Wie können wir uns
vor Kränkungen und Stress schützen, ohne
unsensibel zu werden?

4 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


62 Trainieren bis zum Umfallen
Sie kennen keine Grenzen und rennen selbst
mit blutigen Füßen: Für manche Menschen
wird Sport zu einer Suchterkrankung
Von Thomas Müller

66 „Integration ist der beste Schutz


gegen Terrorismus“
Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler
Andreas Bock über seine These, dass der
„Krieg gegen den Terror“ den Islamismus
stärkt

34 Schon im Vorschulalter haben


Jungen und Mädchen heute übers
Internet Zugriff auf eindeutigstes porno-
70 „Du nutzloses Stück Dreck!“
Leben im digitalen Zeitalter, Teil vier:
Im Internet wird beleidigt, gehetzt, gedroht.
grafisches Material. Und was sie dort sehen,
Was steckt hinter dem Hass?
hat durchaus Auswirkungen auf ihr Verhalten.
Von Jochen Metzger
Wie sollen Eltern und Erzieher reagieren,
wenn Kinder die Szenen nachspielen oder
Sätze sagen wie „Komm, wir ficken“?

RUBRIKEN

44 „Nehmen Sie doch Platz auf der


philosophischen Couch!“ Philoso-
phie ist populär wie selten zuvor. Bestsel-
16 Therapiestunde
Angst vor der Leere
Von Margarethe Schindler
lerautoren verbreiten Sinnstiftendes von
Sokrates & Co für alle Lebenslagen. Manche 32 Psychologie nach Zahlen
Philosophen eröffnen sogar Praxen und Sieben Mythen rund um das Alter
preisen ihr Fach als Alternative zur Psycho- Von Thomas Saum-Aldehoff
therapie. Was sollen wir davon halten?
76 Der Psychotest
Wie logisch denken Sie?
Von Jochen Metzger

78 Pehnts Alltag
Lob und Wahrhaftigkeit
Von Annette Pehnt

3 Editorial
6 Themen&Trends
52 Körper&Seele
57 Schilling & Blum: Irgendwas mit Menschen
80 Buch&Kritik
91 Medien
92 Leserbriefe
93 Impressum
94 Im nächsten Heft
95 Markt
106 Noch mehr Psychologie Heute

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 5


THEMEN&TRENDS REDAKTION:
JOHANNES KÜNZEL

Donald Trump: Als


Präsident der USA

Mächtig kompromisslos müsste er mit ande-


ren Staatschefs ver-
handeln – wobei ihm
„Nächtliche Verhandlungen enden ohne Durch- Manche leiteten Abteilungen von mehr als 100 Mit- sein Ego im Weg
bruch“, hieß es im vergangenen Sommer bei Zeit On- arbeitern, andere kleinere Einheiten. Zu dritt oder stehen könnte
line. Damals konnten sich die Staatschefs der EU lan- viert verhandelten die Teilnehmer über die Einstel-
ge nicht auf Hilfen für das bankrotte Griechenland lung eines Jobsuchenden. Dabei achteten die Forscher
einigen. Und in diesem Jahr fanden Angela Merkel darauf, dass die Diskutanten auf Augenhöhe zuein-
und ihre europäischen Kollegen lange keine gemein- ander waren. Es fanden einerseits besonders Mäch-
same Position in der Flüchtlingskrise. Diese Aufzäh- tige zusammen, andererseits weniger Einflussreiche.
lung ließe sich beliebig fortsetzen. Mehr als 80 Prozent der aus Normalos zusam-
Zwar gibt es für Dissens oft inhaltliche Gründe. mengesetzten Einheiten einigten sich innerhalb einer
Doch häufig steckt mehr dahinter, meinen der Ma- Frist von 30 Minuten. Dagegen bremsten sich die
nagementexperte John Angus Hildreth und der Psy- Alphatiere gegenseitig aus. Weniger als die Hälfte
chologe Cameron Anderson. Mächtige sind von ihrer ihrer Teams fand einen Konsens.
eigenen Macht gelähmt, sagen die Forscher von der Was erklärt diese Unterschiede? In einem weiteren
Universität von Kalifornien in Berkeley. Wer es im Versuch wiesen Hildreth und Anderson ganz nor-
Alltag als Staatschef oder Topmanager gewohnt ist, malen Versuchspersonen einen hohen oder niedrigen
dass seine Ideen mehr zählen als die der Untergebe- Status zu. Das Ergebnis: Auch die eigentlich Unauf-
nen, wer üblicherweise das letzte Wort hat – der tut fälligen arbeiteten schlechter zusammen, wenn ihnen
sich schwer, in Verhandlungen auf Augenhöhe einen eine einflussreiche Stellung zugefallen war. Offenbar
Kompromiss zu finden. Wichtiger als Ergebnisse ist korrumpiert Macht tatsächlich.
ihm die Sicherung seiner herausgehobenen Position.
John Angus D. Hildreth, Cameron Anderson: Failure at the top: How power
Hildreth und Anderson gewannen für ihr Expe- undermines collaborative performance. Journal of Personality and Social
riment 158 Führungskräfte eines Unternehmens. Psychology, 110/2, 2016, 261–286. DOI: 10.1037/pspi0000045

6 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Was ist der gefährlichste Teil eines
Autos? Der Mensch hinterm
Steuer! Einer Auswertung von
905 Unfällen in den USA zufolge
9
schöne Dinge zu notieren
steigert das Wohlbefinden.
Ein gutes Buch, ein attrakti-
ließ sich mehr als die Hälfte der Crashs durch ver Mensch, ein leckeres Es-
sen, egal – wer Buch darü-
abgelenkte Fahrer erklären. Weitere häufige ber führt, was ihm ästhe-
tisch positiv auffällt, hebt
Ursachen: Müdigkeit, Alkohol- und Drogenkon- durch den bewussten Um-
gang mit Schönheit seine
sum sowie Fehleinschätzungen. Laune. Diese Wirkung hält
bis zu einen Monat an.
DOI: 10.1073/pnas.1513271113

DOI: 10.1016/j.paid.2016.01.028

Schön glücklich?
Viele Menschen gehen ins Fitnessstudio, um ihren Körper
zu stählen. Manche unterziehen sich gar einer Schönheits-
OP. Da liegt die Vermutung nahe: Hätten wir ein hübscheres
Gesicht und einen attraktiveren Körper, dann wären wir auch
glücklicher. Dem widerspricht eine neue Studie des polni-
schen Glücksforschers Lukasz Kaczmarek von der Adam-
Mickiewicz-Universität in Posen.
Kaczmarek teilte 97 Probanden in zwei Gruppen ein. Die
eine Hälfte startete mit Fragen zum eigenen Aussehen und
dachte dann über ihre Lebenszufriedenheit nach. Die ande-
ren Teilnehmer widmeten sich den Aufgaben in umgekehr-
ter Reihenfolge.
Das Ergebnis: Je attraktiver die Probanden sich selbst ein-
schätzten, desto glücklicher schienen sie zu sein – aber nur
dann, wenn sie zuerst zu ihrem Aussehen befragt worden
waren. Im umgekehrten Fall war die Verbindung zwischen
Schönheit und Befinden nur sehr schwach ausgeprägt.
Wie kann das sein? Kaczmarek geht davon aus, dass die
Probanden einer sogenannten „Fokussierungsillusion“ un-
terliegen: Erst wenn sie darauf gestoßen werden, dass ihr
Glück etwas mit ihrem Aussehen zu tun haben könnte, stel-
len sie eine zuvor irrelevante Verbindung zwischen den
Aspekten her. Dazu bemerkte schon der Psychologe und
Nobelpreisträger Daniel Kahneman: „Nichts im Leben
ist so wichtig, wie man denkt, es sei denn, man denkt dar-
über nach.“ PATRICK SPÄT

Lukasz D. Kaczmarek u.a.: Would you be happier if you looked better? A focusing
illusion. Journal of Happiness Studies, 17, 2016, 357–365. DOI: 10.1007/s10902-014-
9598-0

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 7


Im Dunkeln essen: ein neuer Aus einer funktionierenden
Beziehung lässt sich niemand
Diättrick? Zumindest herauslösen? Falsch, sagt der
Psychologe Edward Paul Le-
naschten in einem Versuch may. Er hat das bei Freund-
schaften zwischen Männern
von Psychologen um Britta und Frauen untersucht. Machte
der eine die Beziehung des an-
Renner Probanden mit deren schlecht („Sie verdient
dich einfach nicht“, „So gut
verbundenen Augen weniger Spaghettieis. sieht er auch nicht aus“), fühlte
sich der andere weniger stark
Vielleicht fehlte ihnen der appetitanregende an seinen Partner gebunden.
Anblick von Erdbeersoße auf Vanilleeis. DOI: 10.1177/1948550615623843

DOI: 10.1016/j.foodqual.2016.02.010

Frag mich doch mal!


Als Ratgeber gefragt zu sein, verleiht dem eigenen Leben Be-
deutung. Besonders im mittleren Lebensalter steigt das Bedürf-
nis danach, sich für nachfolgende Generationen zu engagieren.
Generativität nannte das der Psychoanalytiker Erik Erikson.
Doch offenbar fehlt vielen älteren Menschen die Gelegenheit,
ihr Wissen weiterzugeben. Das hat der Soziologe Markus
Schafer von der Universität von Toronto herausgefunden. Scha-
fer und seine Koautorin Laura Upenieks werteten Daten von
mehr als 2500 erwachsenen Amerikanern aus. Von den 60- bis
69-Jährigen war im Jahr vor der Befragung ein Fünftel kein
einziges Mal um ihren Rat gefragt worden. Bei den Älteren war
die Quote noch höher. Bei den Jüngeren dagegen musste nur
jeder Zehnte seine Ansichten für sich behalten.
Und was ist daran schlimm? Wer seine Erfahrungen teilen
kann, sieht mehr Sinn in seinem eigenen Leben. Besonders aus-
geprägt ist dieser Zusammenhang für Befragte ab dem siebten
Lebensjahrzehnt. Doch in dieser Zeit gehen viele Menschen in
Rente, die Kinder sind längst aus dem Haus. Die Gelegenheiten,
anderen zu helfen, nehmen ab. „Die Bedürfnisse der späten
Lebensmitte passen nur schlecht mit der sozialen und demo-
grafischen Wirklichkeit zusammen“, sagt Schafer. Besonders
tragisch: Eigentlich schätzen Jüngere die Alten als weise
Gesprächspartner.

Markus H. Schafer, Laura Upenieks: The age-graded nature of advice: Distributional patterns
and implications for life meaning. Social Psychology Quarterly, 79/1, 2016, 22–43. DOI:
10.1177/0190272516628297

8 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Verloren in Träumen
Positives Denken gehört zu den Standardempfeh-
lungen zahlloser Motivationsgurus und Selbsthilfe-
bücher. Doch womöglich kann es sich rächen, die
eigene Zukunft in leuchtenden Farben zu malen.
Das befürchtet jedenfalls die Psychologin Gabriele
Oettingen, die aus Deutschland stammt und an der
New York University lehrt.
In mehreren Untersuchungen ließ sie Studierende
und Schulkinder Fragebögen zu depressiven Symp-
tomen einerseits und Zukunftsfantasien andererseits
Träumt er gerade
ausfüllen. Die Kinder sollten sich beispielsweise vor- von einer goldenen
stellen, sie seien siegesgewiss in der Endrunde eines Zukunft?
Rechtschreibwettbewerbs angekommen und merkten
nun, dass die anderen auch sehr gut sind. Welche
Fantasien würden sie in dieser Situation entwickeln? Die Psychologin sieht Parallelen zu früheren For-
In einer anderen Untersuchung antworteten Stu- schungsergebnissen. Wenn jemand einen Suizidver-
dierende nicht auf solche fiktiven Vorgaben, sondern such hinter sich hat, denkt er erst einmal über keinen
notierten vier Tage lang immer wieder, wie positiv weiteren nach, wenn er sich für die Zukunft Glück
oder negativ ihre tatsächlichen Stimmungen und und Gesundheit ausmalt. Doch tatsächlich ist in die-
Vorstellungen gerade waren. sem Fall die Gefahr größer, dass er in den nächsten
Das Ergebnis der insgesamt vier Untersuchungen 15 Monaten noch einmal versucht, sich umzubringen.
war immer dasselbe: Wer sich positiven Zukunfts- Auch das Beiseiteschieben von Problemen führt
fantasien hingibt, fühlt sich kurzfristig gut. Doch langfristig zu depressiver Stimmung, so Gabriele Oet-
einige Wochen oder Monate später ist seine Stim- tingen: „Positive Fantasien und Verdrängen erlauben
mung depressiver als vorher. Menschen, Problemen zu entgehen – aber nur bis die
Eine der Studien zeigt, woran das liegen könnte: Wirklichkeit zuschlägt.“ JOCHEN PAULUS

Die Motivation, sich anzustrengen, schwindet – und


das führt später zu Problemen. Wenn sich Studie- Gabriele Oettingen u.a.: Pleasure now, pain later. Positive fantasies about
rende eine rosige Zukunft ausmalen, geben sie sich the future predict symptoms of depression. Psychological Science, 27/3,
2016, 345–353. DOI: 10.1177/0956797615620783
beim Lernen wenig Mühe und kassieren deshalb
Einen ausführlichen Überblick über die Forschung Gabriele Oettingens bie-
schlechte Noten. Die verhageln dann die Stimmung. tet ihr Beitrag Träume machen träge in Heft 9/2015

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 9


Auch Einstein Mehr Risiko mit Helm
hatte es schwer Radfahrer, die einen Helm tragen, gelten
als vorsichtig und umsichtig. Dass dies
Was motiviert Schüler, für den Chemie- oder Physik- nicht unbedingt stimmen muss, bewiesen
unterricht zu lernen – gerade diejenigen, die keinen die britischen Psychologen Tim Gamble
intuitiven Zugang zum Fach finden? Wie amerikanische und Ian Walker von der Universität von
Bildungswissenschaftler um Xiaodong Lin-Siegler Bath. Unter einem Vorwand ließen sie 80 Proban-
von der Columbia-Universität in New York herausge- den zwischen einem Fahrradhelm und einer Schirm-
funden haben, helfen Geschichten vom Scheitern mütze wählen. Angeblich sollten mit einer auf der
berühmter Forscher. Kopfbedeckung angebrachten Kamera die Augenbe-
Die Wissenschaftler teilten 402 Neunt- und Zehnt- wegungen aufgezeichnet werden. Tatsächlich interessierte
klässler aus New York in drei Gruppen ein. Ein Teil der die Wissenschaftler etwas anderes: nämlich die Risikobe-
Jugendlichen las einen Text über die persönlichen reitschaft der Probanden, etwa bei einem Computerspiel.
Schwierigkeiten bedeutender Köpfe, etwa die Flucht Die Ergebnisse zeigen, dass die behelmten Versuchspersonen
Albert Einsteins aus Nazideutschland. Eine andere mutiger an ihre Aufgaben herangingen als die Mützenträ-
Gruppe erfuhr von intellektuellen Rückschlägen, etwa ger. Der Fahrradhelm erhöhte die Risikobereitschaft
fehlgeschlagenen Experimenten der Physikerin und ebenso wie das Bedürfnis, nach Reizen und Nervenkitzel
Chemikerin Marie Curie. Dazu gehörte aber auch, wie zu suchen. Und das, obwohl kein Zusammenhang zwischen
diese Niederlagen letztlich doch zum Gelingen des Pro- den Gefahren im Labor – dem Scheitern bei einem Com-
jekts beitrugen. Eine Kontrollgruppe beschäftigte sich puterspiel – und der Kopfbedeckung bestand. Nach Ansicht
mit den herausragenden Leistungen von Genies. der Forscher ist dafür das sogenannte social priming
Nach sechs Wochen zeigten diejenigen Schüler, die verantwortlich, wonach ein Stereotyp (Helm = Schutz) au-
von persönlichen oder intellektuellen Schwierigkeiten tomatische Einstellungen und Verhaltensweisen aktiviert.
Einsteins oder Curies erfahren hatten, verbesserte MARION SONNENMOSER

Leistungen. Besonders profitierten diejenigen, die zuvor


Tim Gamble, Ian Walker: Wearing a bicycle helmet can increase risk taking and
besonders schlechte Noten eingefahren hatten. sensation seeking in adults. Psychological Science 27/2, 2016, 289–294. DOI:
Xiaodong Lin-Siegler meint, vielen Schülern sei nicht 10.1177/0956797615620784

klar, dass Rückschläge und Schwierigkeiten zum Lernen


dazugehören.

Xiaodong Lin-Siegler u.a.: Even Einstein struggled: Effects of learning about


great scientists’ struggles on high school students’ motivation to learn science. Wie soll man sich in 100 Jahren
Journal of Educational Psychology, 108/3, 2016, 314–328. DOI: 10.1037/
edu0000092
an Sie erinnern? Die Psychologin
Samantha Heintzelman erhielt auf
Der Physiker
Albert Einstein als
14-jähriger Junge
diese Frage überraschende Antwor-
ten. Die meisten Befragten nämlich
wünschten sich, anderen nach ihrem
Tod mit ihren guten und schlechten
Seiten im Gedächtnis zu bleiben.
DOI: 10.1016/j.jrp.2015.12.004

10 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Weggefährte
Eingebildet ist er nur für andere: Viele Kinder haben einen imaginären Freund,
der sie teils über Jahre ihres Lebens begleitet. Fünf Erkenntnisse über
fantastische Begleiter, die auch manchem Erwachsenen nicht fremd sind

Verbreitete Vorstellung
Schätzungsweise 37 Prozent aller Kinder im Alter bis
zu sieben Jahren haben zeitweise einen imaginären Freund.
Schließt man Kuscheltiere oder andere Spielzeuge, die Vielfältige Gestalten
als lebendig behandelt werden, mit ein, sollen es Ein zwei Meter großer Hase, ein gemütlicher
sogar 65 Prozent sein. Nicht immer wissen Bär, ein verständiger Stofft iger: Die Grenzen bei
die Eltern davon. der Gestalt und Persönlichkeit des imaginären
Freundes setzt nur die Fantasie des Kindes.
Viele dieser Kameraden sind unsichtbar und
verfügen über besondere Fähigkeiten, gerne
auch Zauberkräfte.
Die Quellen zu dieser Infografik finden Sie auf unserer Website: www.psychologie-heute.de/literatur

Abgründige Charaktere
Nicht alle imaginären Freunde sind freundlich:
Viele Kinder beschreiben ihren Begleiter auch als
streitsüchtig, ungehorsam und nicht zähmbar.
Trotzdem ist ihnen dabei durchaus bewusst,
dass es nur eine Vorstellung ist, die ihnen
Illustration: Eva Revolver/Sepia; Text: Eva-Maria Träger

da auf der Nase herumtanzt.

Geteiltes Leid
Imaginäre Freunde können
Kindern als Beistand bei Krisen
und ihrer Bewältigung dienen.
Doch nicht jedes betroffene
Gewachsene Bindung Kind hat zwangsläufig Probleme.
Mädchen haben eher einen imaginären Viele scheinen besonders sozial
Freund als Jungen. Die Angaben des verständig, kreativ und fanta-
typischen Alters variieren: von drei bis sievoll zu sein, ohne auff ällige
sechs Jahren bis ins Jugendalter und Defizite. Doch welchem Zweck
darüber hinaus. Bei Teenagern kann auch immer der Fantasiefreund
ein Tagebuch die Funktion übernehmen, dient: Sobald er ihn erfüllt hat,
bei manchem Erwachsenen ein geliebter verschwindet er
Verstorbener – und viele Schriftsteller auch wieder.
fühlen sich beim Schreiben von
einem selbst erdachten
Charakter geführt.

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 11


IM FOKUS

„Eine Masse ist nicht


zugänglich für Vernunft“
In Clausnitz belagert ein wütender Mob einen Flüchtlingsbus und
skandiert „Holt sie da raus“. In Bautzen feiert eine grölende Horde
den Brand einer Aufnahmeeinrichtung. Was passiert mit Menschen,
wenn sie zu einer Masse werden? Ein Gespräch mit
dem Systemwissenschaftler Thomas Brudermann

Herr Dr. Brudermann, Sie beschäftigen sich wis- Die Rohheit und Aggressivität erinnern mich zum
senschaftlich mit Situationen, in denen Menschen Beispiel an den inszenierten Volkszorn in Libyen und
in der Gruppe ihre Individualität zu verlieren anderen arabischen Ländern im Jahr 2012. Ein
scheinen und zu einer gesichtslosen wütenden schlecht gemachtes YouTube-Video, das man als
Masse, zu einem Mob werden. War das in Claus- Schmähung des Propheten Mohammed empfand,
nitz und Bautzen der Fall? war damals der Initialzünder für Ausschreitungen,
Ich kann das, was dort vorgefallen ist, auch nur an- in denen unter anderem Botschaften attackiert und
hand der Medienberichte und Videos im Internet Fahnen verbrannt wurden. Der politische Hinter-
beurteilen und habe daher ein unvollständiges Bild. grund war ein anderer, aber die psychologischen Me-
Doch diese Bilder und Berichte legen nahe, dass wir chanismen sind ähnlich.
es hier mit einem aggressiven Mob zu tun haben, wie Um mal ein unpolitisches Beispiel zu nehmen: In-
wir ihn in Deutschland zumindest in der jüngeren wiefern ähnelt und unterscheidet sich der Mob in
Vergangenheit nicht oft gesehen haben. Clausnitz von einer Horde aufgebrachter Fußball-
Fallen Ihnen andere Begebenheiten ein, die dem fans, die fäusteschwingend den Mannschaftsbus
vergleichbar sind, was da in Sachsen passiert ist? belagern?

12 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Auf den ersten Blick überwiegen Gemeinsamkeiten: Diese Emotion sorgt für eine Gleichrichtung der Mas-
Es gibt ein Feindbild, die Horde besteht ausschließ- se, sie dominiert alles, alles ist ihr untergeordnet.
lich oder überwiegend aus Männern, vorwiegend Sie haben die psychologische Ansteckung in ei-
jungen Männern, man sieht kollektive Wut, oft auch ner Masse am Computer simuliert. Wie sind Sie
unter dem Einfluss von Alkohol. Allerdings ist ein da vorgegangen?
Mob à la Clausnitz vielschichtiger und alarmierender, Man definiert wie in einem Computerspiel Regeln,
denn er ist aus meiner Sicht Folge einer schleichen- die das Verhalten und das Wechselspiel der virtuel-
den Entwicklung in der Gesellschaft und Politik über len Akteure beschreiben, und programmiert die Ak-
die letzten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg. Die teure mit diesen Verhaltensregeln. Dann startet man
Psychologen Thomas Fenzel und Constantin Malik das Programm, lässt die Akteure agieren und inter-
nennen diese unterschwelligen gesellschaftlichen agieren und beobachtet quasi gottgleich, was passiert.
Entwicklungen „Phänomene erster Ordnung“. Sie Diese virtuellen Akteure entsprechen den Men-
bereiten den Boden für die „Phänomene zweiter Ord- schen in einer Masse?
nung“, nämlich die kurzen explosiven, sichtbaren Genau. Man versucht hier, einfache Mechanismen
Ausbrüche, wie wir sie in Clausnitz erlebt haben. zu identifizieren, die Gültigkeit haben für Massen-
Hat sich da unterschwellig schon seit langem eine phänomene. Natürlich lassen sich diese Modelle nicht
politisch gleichgesinnte, latent aggressive Masse einfach auf die menschliche Realität übertragen, aber
gebildet, die viel größer ist als der sichtbare Mob? sie sind hilfreich, um diese Realität zu verstehen.
Die Möglichkeit ist zumindest nicht von der Hand Eine Frage, die Sie auf diese Weise untersucht
zu weisen, dass sich in Teilen der Bevölkerung eine haben, ist: Braucht eine Menschenansammlung
entsprechende Stimmungslage ausgebreitet hat. eine bestimmte Größe, eine „kritische Masse“ an
Was passiert in dem Moment, in dem sich solche Teilnehmern, damit sie sozusagen zündet und zu
Gleichgesinnten zusammenfinden? Entsteht da einem Mob wird?
eine Eigendynamik, die sie von einer Ansamm- In unseren Modellen konnten wir keine solche Min-
lung von Individuen zu einem Mob werden lässt? destanzahl von „infizierten“ Teilnehmern identifi-
Aus den Polizeiberichten geht meines Wissens nicht zieren, die zur Massenbildung notwendig sind.
genau hervor, auf welche Weise sich diese Menschen Manchmal reichte bei bis zu 10 000 Akteuren schon
zusammengerottet haben. Aber mir scheint plausibel, ein einzelner Initialagent aus, um ein Massenphä-
dass da zunächst Leute zusammenkamen, die eine nomen zu begründen. Dieser Initiator infizierte dann
ablehnende, negative Grundstimmung gegen die Auf- einen zweiten, einen dritten und diese dann wiede-
nahme von Flüchtlingen einte, die noch nicht not- rum zehn und so fort. Eine „kritische Masse“, analog
wendigerweise Gewaltbereitschaft umfasst haben zu einer nuklearen Kettenreaktion, war da nicht er-
muss. Aber aus der Gruppe heraus kann es – vielleicht forderlich. Es ist ohnehin ein oft untaugliches Un-
auch angestachelt von lauten Wortführern – zu Ver- terfangen, Konzepte aus der Physik auf die Sozial-
haltensweisen kommen, die die meisten Teilnehmer psychologie zu übertragen. Isaac Newton soll, nach-
einzeln niemals zeigen und wagen würden. In einer dem er in einer der ersten Spekulationsblasen am
psychologischen Masse herrschen ganz schlichte Ver- Finanzmarkt viel Geld verloren hatte, resignierend
haltensregeln: Man tut, was die anderen tun, schreit, gesagt haben: „Ich kann zwar die Bewegung der Him-
wenn sie schreien, schaukelt sich gegenseitig auf. Das melskörper berechnen, aber nicht die Verrücktheit
Verhalten der Einzelnen synchronisiert sich. Eine der Menschen.“
psychologische Masse kennt dann nur noch eine Mei- Auch wenn man es nicht berechnen kann: Was
nung, ein Ziel. Da gibt es keinen Widerspruch, keine trägt dazu bei, dass Menschen zur Masse werden?
Diskussion, keine Reflexion. Das Ausmaß an Ge- Es hängt vor allem von der Anfälligkeit des Einzel-
FOTO: K ATHARINA LEV Y/PHOTOCASE.DE

walttätigkeit, das aus dieser Dynamik entstehen kann, nen und der Bevölkerung insgesamt ab. Bestimmte
ist schwer vorauszusagen. Rahmenbedingungen machen uns empfänglicher für
Welche Rolle spielen Emotionen in diesem Pro- psychologische Ansteckung. Dabei sind zwei Fakto-
Thomas
zess des Hochschaukelns?
Brudermann ist
ren entscheidend: emotionale Erregung und Unsi-
Massen sind charakterisiert durch eine einzige ein- Assistenzprofessor cherheit. Die Psychologen Stanley Schachter und Je-
fache, starke Emotion, die alle vereint. Das kann auch an der Universität rome Singer haben schon in den 1960er Jahren in
Graz. Er schrieb
Euphorie sein, etwa der Investoren an der Börse, die Experimenten gezeigt, dass ängstliche oder eupho-
das Buch Massen-
dann zu Spekulationsblasen führt. Es kann Angst psychologie rische Erregung einerseits und Orientierungslosigkeit
sein, etwa bei einer Massenpanik. Oder eben Wut. (Springer 2010). andererseits Menschen anfälliger machen für Sug-

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 13


IM FOKUS

gestion: Sie nehmen dann eher die Erklärungen von Wenn ich Ich meine: ja. Es ändern sich ja nicht nur die politi-
anderen an, statt selbst abzuwägen. In einer Situati- Teil eines schen, sondern auch die wirtschaftlichen und gesell-
on wie jetzt haben wir beides: Wir haben Unsicher- Mobs bin, schaftlichen Rahmenbedingungen. Wir leben nun
heit – es kommen viele Zuwanderer, Flüchtlinge aus schon seit einigen Jahren in einer Zeit problemati-
löst sich das
Kriegsgebieten, und wir wissen nicht, in welcher Wei- scher Wirtschaftsentwicklung. Die Jahrzehnte des
se dies unser Zusammenleben verändern wird und Empfinden Aufschwungs sind tendenziell vorbei oder zumindest
ob diese Entwicklung bedrohlich ist. In dieser Un- persönlicher ausgesetzt. Das bewirkt eine latente Unsicherheit, und
sicherheit schwingt schon eine ängstliche Erregung Verant- die heftigen Reaktionen auf die Flüchtlingskrise zeu-
mit, und wenn dann ein Ereignis wie in der Silves- wortung gen von dieser Unsicherheit. Vor 15 Jahren wäre die
ternacht in Köln hinzukommt, dann kommt eine praktisch in Reaktion vielleicht gelassener ausgefallen. Der ame-
zusätzliche heftige Emotion hinzu, nämlich Wut. Das rikanische Finanzwissenschaftler Robert Prechter
nichts auf
ist der perfekte Nährboden für psychologische An- geht in seiner Socionomics-Theorie sogar davon aus,
steckung, für Suggestion, für einfache Erklärungen. dass die social mood, die gesellschaftliche Grund-
Daraus entstehen Massenphänomene. stimmung, keine Folge von Ereignissen ist, sondern
Ist eine Masse erst einmal entstanden, geht von umgekehrt die treibende Kraft hinter diesen Ereig-
ihr eine „hypnotische Wirkung“ aus, meinte Gus- nissen: Ängstliche Menschen führen Kriege. In Zei-
tave Le Bon, der Ende des 19. Jahrhunderts die ten des Optimismus gründet und erweitert man die
Massenpsychologie begründete. Kann man sich EU, in pessimistischen Zeiten, wie wir sie heute er-
dem Sog einer Masse dann gar nicht entziehen? leben, haben wir die Spaltungstendenzen.
Le Bon hatte in vielem recht und hat sehr viel vor- Welche Rolle spielt die Pegida-Bewegung aus
weggenommen. Allerdings sollte man relativieren: massenpsychologischer Sicht?
Eine Masse kann anziehen, aber auch abstoßen, je Sie ist eine Art Wegbereiter. Pegida reduziert sämt-
nach persönlichem Hintergrund. Ein überzeugter liche gesellschaftlichen Entwicklungen auf ein The-
Befürworter der Willkommenskultur, der einen sol- ma: Bildungsrückstand, Kriminalität, Arbeitslosig-
chen Mob erlebt, wird sich sicher abgestoßen fühlen. keit, Wohnungsmangel – alles wird auf Einwande-
Aber: Jeder, der schon einmal im Fußballstadion von rung und Überfremdung zurückgeführt. Diese ein-
einer kollektiven Begeisterung erfasst worden ist – dimensionale Diskussion senkt bei Einzelnen
oder von einer tiefen Trauer wie nach den Attentaten Hemmschwellen: Wer davon überzeugt ist, auf der
von Paris –, der weiß, dass von solchen Massen schon moralisch richtigen Seite zu stehen, schließt sich leich-
eine ganz besondere Wirkung ausgeht. ter einem Mob wie in Clausnitz an. Und das senkt
Sie vermuten unterschiedlich hohe individuelle seinerseits die Hemmschwelle für weitere Mobs: Der
„Reizschwellen“: Der oder die eine steckt sich Tabubruch ist dann ja bereits etabliert.
leichter mit dem Massenvirus an, der andere ist „Das sind keine Menschen, die so etwas tun“, ent-
resistenter. Wovon hängt das ab? fuhr es dem sächsischen Ministerpräsidenten Sta-
Wahrscheinlich von der persönlichen Geschichte, nislaw Tillich nach Clausnitz und Bautzen. Wird
dem Erfahrungsschatz und zum Teil von der Persön- man tatsächlich „entmenschlicht“, wenn man
lichkeit. Manche sind zudem anfälliger, sich von eu- zum Bestandteil einer Masse wird?
phorischen Emotionen anstecken zu lassen, andere Ich denke, wir müssen uns ohnehin von dem lange
stecken sich eher mit einer aggressiven Stimmung vorherrschenden humanistischen Ideal eines ratio-
an. Aber entscheidend sind vor allem die Rahmen- nalen, eigenständig denkenden Menschen verabschie-
bedingungen, das gesellschaftliche Klima, denn dies den. Wir Menschen sind nicht von Vernunft und
ändert die Reizschwellen von sehr vielen Menschen. Weisheit allein angetrieben. Wir handeln in vielen
Wir haben in unserem Modell beobachtet, dass oft Situationen intuitiv und rationalisieren unsere Hand-
schon eine geringfügige Änderung der durchschnitt- lungen erst im Nachhinein. Als soziale Wesen orien-
lichen Reizschwelle in einer Population darüber ent- tieren wir uns fast immer an dem, was andere Men-
scheidet, ob sich ein Massenphänomen ausbreitet schen denken, meinen und tun. Aus neurowissen-
oder nicht. schaftlichen Studien weiß man, dass wir gar nicht in
Flüchtlingskrise, Kriege rund um Europa, Terror- der Lage sind, solche sozialen Einflüsse auszublenden.
anschläge, schwere Konflikte innerhalb der EU In einer psychologischen Masse multipliziert sich
bis hin zum drohenden Zerfall: Leben wir in einer dieser Effekt sozialer Einflüsse natürlich enorm.
Zeit gesenkter Reizschwellen mit der Gefahr Schon in Gruppen verringert sich das individuelle
kaum kalkulierbarer Massenbewegungen? Verantwortungsgefühl. Wenn ich Teil eines Mobs

14 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


bin, dann löst sich das Empfinden persönlicher Ver- Die Hemm- Kann die kollektive Dynamik einer Masse jeder-
antwortung praktisch in nichts auf. Die Verantwor- schwellen zeit weiter eskalieren, zum Beispiel zur Lynchjus-
tung wird an die Gruppe, an den Mob abgegeben. sinken. Ich tiz wie bei den Judenpogromen im Mittelalter
In Clausnitz haben Leute aus dem Mob, der den oder dem Sturm auf die Bastille als Auftakt der
halte eine
Flüchtlingsbus umlagerte, auch weinende Kinder Französischen Revolution? Wäre Ähnliches in un-
drohend angeschrien – ein Verhalten, das Außen-
weitere serer heutigen Zeit und Kultur möglich?
stehende als zutiefst beschämend empfinden. Eskalation Es ist wahrscheinlich für uns alle sehr schwer vor-
Wie weit sinkt in der Masse die Hemmschwelle durchaus für stellbar, auch für mich, der ich in Friedenszeiten auf-
für aggressive Tabubrüche? möglich gewachsen bin. Aber ich halte weitere Eskalationen
Eine Masse ist von einer basalen Emotion wie Wut durchaus für möglich. Man sieht ja, dass die Hemm-
bestimmt. Sie ist nicht zugänglich für Argumente schwellen sinken und auch von bestimmten Gruppen
und Vernunft. Auch ein einzelner Mensch ist, wenn systematisch weiter gesenkt werden. Und wir stehen
er emotional stark erregt ist, kaum empfänglich für noch dazu vor immensen gesellschaftlichen und po-
eine rationale Argumentation, und bisweilen reicht litischen Herausforderungen. Wir leben in einer Um-
der Kontrollverlust bis hin zu „Totschlag im Affekt“. bruchszeit, und die Bedingungen ändern sich schnel-
Erst recht sinkt die Hemmschwelle für solche Tabu- ler als irgendwann sonst in der jüngeren Geschichte.
brüche in einem emotionsgeladenen Mob ohne Ver- Ich habe kürzlich ein Buch von Stefan Zweig mit dem
antwortungsgefühl und Selbstreflexion. Es ist dann Titel Die Welt von gestern gelesen. Zweig beschreibt,
auch nur noch sehr begrenzt möglich, auf einen sol- wie unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg niemand
chen Mob einzuwirken, wenn überhaupt. in seinem Umfeld auch nur ansatzweise für möglich
In der Masse sind also Vernunft und Urteilskraft gehalten hat, was dann folgte. Und niemand hatte
abgemeldet. Sinkt sogar die Intelligenz der Ak- auch vor dem Nationalsozialismus dessen Grausam-
teure? keiten und Brutalitäten für möglich gehalten. In bei-
C. G. Jung soll einmal gesagt haben: „Eine große Ge- den Fällen wurde die Entwicklung durch ein syste-
sellschaft, aus lauter trefflichen Menschen zusam- matisches Absenken von Reizschwellen und immer
mengesetzt, gleicht an Moralität und Intelligenz ei- neue Tabubrüche vorangetrieben. Wenn man das
nem großen, dummen und gewalttätigen Tier.“ Tat- Buch von Zweig liest, ist es beängstigend, wie viele
sächlich können Intelligenzniveau und die Qualität Parallelen es zur heutigen Zeit gibt und wie sich die
von Entscheidungen bereits in einer Gruppe sinken – Mechanismen und Strategien ähneln. PH
und erst recht in einer Masse. INTERVIEW: THOMAS SAUM-ALDEHOFF
THERAPIESTUNDE

ANGST VOR DER LEERE


VON MARGARETHE SCHINDLER

D
er ältere Mann mit grau melierten Er war Lehrer mit Leib scheinlich die Themen, die ihn belasten
Haaren, gepflegt und sorgfältig und umtreiben. Ich vermute, dass der Be-
gekleidet, wirkt etwas steif. Ich
und Seele. Nun steht die ruf auch ein Halt nach dem Tod seiner
frage ihn nach seinem Anliegen. Er schaut Pensionierung vor der Frau war. So konnte er den Schicksals-
auf den Boden. „Angst. Depression. Bei- Tür. Das bereitet ihm schlag leichter überwinden. Und die Aus-
des.“ Ich erfahre, dass er in einem Jahr sicht, dass er bald ohne diese Struktur im
Angst. Doch in Gesprächen
pensioniert wird und ihn das schon seit Alltag sein wird, dass ein Vakuum entste-
langem sehr ängstigt und bedrückt. „Ich mit der Psychotherapeutin hen könnte, ist natürlich ängstigend und
liebe meinen Beruf, und ich brauche ihn“, Margarethe Schindler deprimierend. Er denkt nach. „Ich brau-
erklärt er. Dann berichtet er, dass er als che Aufgaben“, fährt er fort. „Ohne Auf-
erkennt der Klient, dass
Gymnasiallehrer arbeitet und ihm der gaben ist mein Leben sinnlos.“ Ich erfah-
Kontakt mit den Schülern und Schülerin- das Leben durchaus noch re, dass seine Frau lange Zeit krank war
nen immer sehr wichtig war und ihn er- Neues bereithalten könnte und er sie gepflegt hat. „Ich war ja nach-
füllt. „Wahrscheinlich weil ich keine ei- mittags zu Hause“, erklärt er.
genen Kinder habe“, erklärt er. „Mit den Nun möchte ich gern mehr über seine
Kollegen ist es schwieriger als mit den Herkunft erfahren. „Wie sind Sie aufge-
Schülern. Die mögen mich.“ wachsen?“
Ich sehe, dass er den Tränen nahe ist. „Bei uns zu Hause war das Geld immer
„Und jetzt haben Sie Angst vor der Leere knapp“, fängt er an. „Das war schlimm.
nach der Pensionierung“, vermute ich. Er Ich schämte mich vor den Klassenkame-
nickt. Ich bitte ihn, mir Näheres über sei- raden, weil ich zum Beispiel nur mit fi-
ne Lebenssituation zu erzählen. nanzieller Unterstützung aus der Klassen-
Unter Tränen erzählt er, dass seine Frau Margarethe Schindler kasse ins Schullandheim mitkonnte. Aber
vor zwei Jahren gestorben ist und er seit- ist Psychologische Psychothera- ich war ein guter Schüler und wollte spä-
peutin und arbeitet als systemische
her allein lebt. Noch ein Verlust, denke Paar- und Familientherapeutin in
ter unbedingt studieren. Ich wollte etwas
ich. Abschied und Verlust sind wahr- eigener Praxis in Tübingen. werden, anders als mein Vater, der nur

16 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Ein
Hausmeister war. Meine Eltern haben Op- steht eine Perspektive für ihn. „Damit köstliches
fer gebracht, um mich unterstützen zu wäre die Zukunft doch nicht so leer und
können. Das lange Studium mit Promo- grau“, meint er leise. Außerdem braucht Plädoyer für
tion wäre sonst nicht möglich gewesen.“ er ein Abschiedsritual für den Übergang
Leistung ist für ihn also wichtig. „Mei- in den Ruhestand. Etwas, das deutlich die Klugheit!
ne jüngere Schwester ist mit 16 Jahren ab- aufzeigt, jetzt hört etwas Gewohntes auf
gehauen“, spricht er weiter. „Sie lebt jetzt und etwas Neues beginnt.
in Italien, und wir haben so gut wie keinen Das Ende des Berufslebens stellt ja für
Kontakt.“ Also ruhten die Hoffnungen der jeden einen entscheidenden Einschnitt im
Eltern, die nun schon seit Jahren tot sind, Leben dar. Viele freuen sich darauf, an-
auf ihm. Er hat sie nicht enttäuscht. Doch dere – wie er – fürchten sich davor. Meis-
das, was zu seiner Lebensaufgabe gewor- tens ist es eine Mischung von beidem. Auf
den ist, wird bald hinfällig sein. Also viel jeden Fall geht kaum jemand so entspannt
Leere um ihn. in die neue Lebensphase des Ruhestands
„Was gibt es denn außer dem Beruf?“, hinüber, als ob es sich um etwas Alltägli-
frage ich ihn. „Womit beschäftigen Sie ches handeln würde. Nicht nur deshalb,
sich?“ Lange Pause. „Früher habe ich noch weil jede Veränderung zuerst Angst macht.
gern im Garten gearbeitet, aber das mache Es geht auch um einen Abschied; etwas,
ich schon lange nicht mehr“, antwortet er was über lange Jahre zentral bedeutsam
dann. „Ich habe keine Zeit mehr dafür, und nicht selten auch Lebensinhalt war,
weil ich viel in die Vorbereitung des Un- ist vorbei. In Lebensübergängen und Kri-
terrichts investiere.“ Jetzt ist er in seinem sen können Rituale hilfreich sein. Was
Element, merke ich, denn er würde am könnte für ihn stimmig sein?
liebsten weiter berichten, welche zeitge- Nach einer Weile fällt ihm ein, dass er
mäßen Unterrichtsmethoden er sich an- auf jeden Fall ein Fest mit seiner letzten Allan Guggenbühl
geeignet hat. Ich bohre weiter: „Und sonst Klasse veranstalten könnte. Ein Ab-
früher? Außer Garten?“ „Am Wochenen- schiedsfest in seinem Garten. Diese Vor- Die vergessene
de sind wir oft gewandert, meine Frau und
ich“, fällt ihm nach einer Weile ein.
stellung belebt ihn offensichtlich. Auch
die Auf lösung seines Arbeitszimmers
Klugheit
Wie Normen uns am Denken hindern
kann als Ritual gestaltet werden. Aber da-
In Lebensübergängen und ran mag er jetzt noch nicht so detailliert 2016. 272 Seiten, gebunden
Krisen sind Rituale hilfreich € 24.95
denken. Grundsätzlich geht es darum, AUCH ALS E-BOOK
Es ist klar, dass er eine Perspektive braucht, Platz zu schaffen für Neues. Dabei fallen
etwas, um sich die Zukunft ohne Beruf ihm seine Bücher ein. Viele hat er noch Normen regeln gesellschaftliche Abläufe.
Der Zweck dieser Normen ist schnell er-
angstfrei vorzustellen. Was also könnte nicht gelesen, aus Zeitmangel. Darauf kannt: Sie sind eine Antwort auf Unvernunft.
eine Art Ersatz sein für die Berufstätigkeit? könnte er sich freuen. Allmählich kommt Sie sollen uns vor uns selber schützen. Doch
Ein Ersatz für diese Struktur, für Leistung? Leben in sein Gesicht, und seine Züge hel- Allan Guggenbühl plädiert unter anderem
anhand der PISA-Studie für eigenständiges
Etwas, was er sich zur Aufgabe machen len sich auf. Denken: Kluges Handeln bedeutet, dass
kann? Er denkt nach und erwägt schließ- Und dann kommt er noch auf die Idee, man sich über berufliche Standards hinaus-
lich die Gartenarbeit. Ich werfe ein, dass dass er eine Reise zu seiner Schwester nach wagt, wenn es angezeigt ist, und neue Kom-
binationen oder Alternativen andenkt.
auch die Kontakte mit Menschen wahr- Italien machen könnte. Er hat ihre Kinder
scheinlich wichtig für ihn sind. Seine Kon- noch nie gesehen. Solch eine Wiederauf-
taktfähigkeit – ohne sie ginge es ihm mit nahme einer familiären Beziehung könn-
den Schülern ja nicht so gut – ist darüber te ein sinnvolles Signal sein, ein wegwei-
hinaus eine wichtige Ressource. Wie sendes Zeichen für die kommenden Jah-
ILLUSTR ATION: MICHEL STREICH

könnte die genutzt werden? re. Anstelle von Leistung neue Eindrücke
Nach längerem Nachdenken kommt und emotionale Wiederanbindung an die
ihm die Idee, dass er vielleicht bedürftigen Schwester. Jetzt, wo er bald Zeit im Über-
Kindern ehrenamtlich Nachhilfeunter- fluss hat. www.hogrefe.ch/85239
richt geben könnte. Oder Kurse in der
Volkshochschule. Das würde gut zu sei-
nem Beruf passen. Auf diese Weise ent-
TITEL

18 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


TITEL

Drüber
stehen!
Stress ist unvermeidbar. Ungerechtigkeiten passieren.
Wir können nicht verhindern, dass andere Menschen
uns verletzen. Ein dickeres Fell könnte helfen,
die kleinen und großen Kränkungen des Lebens
besser zu ertragen. Nur: Was tun, wenn man eher
zu den Dünnhäutigen und Sensiblen gehört?
VON BIRGIT SCHÖNBERGER

D
as Seminar Gesprächsführung geht ge später geht sie die demütigende Szene immer wie-
zu Ende. Die Trainerin hat ein gutes der in Gedanken durch. Und sie wünscht sich: „Hät-
Gefühl. Es war lebendig und inten- te ich doch nur ein dickeres Fell, an dem destruktive
siv, immer wieder löste sich die Kritik, gemeine Spitzen, nervende Jammertiraden,
Spannung durch befreiendes La- stressige Situationen und die täglichen Katastrophen-
chen. Bei der Abschlussrunde blickt sie in offene Ge- meldungen einfach abperlen wie Wassertropfen!“
sichter. Die Rückmeldungen sind positiv, manche „Mir fehlt ein dickes Fell.“ Dieser Satz fällt regel-
sogar überschwänglich. Guter Aufbau, tolle Übun- mäßig, nicht nur in Psychotherapien und Coachings,
gen, viele Aha-Momente. Sie freut sich schon auf ei- auch in Gesprächen mit Freunden und Kollegen. Va-
nen Espresso und ein Stück Kuchen in ihrem Lieb- riationen sind: „Ich möchte nicht mehr so empfind-
lingscafé. Da platzt die Bombe. „Sie haben es sich ja lich sein“, „Ich will nicht alles persönlich nehmen“,
verdammt leicht gemacht“, schimpft der letzte Teil- „Ich wünsche mir, dass Kritik an mir abperlt“, „Ich
ILLUSTR ATIONEN: HELENA PALL ARÉS

nehmer mit hochrotem Kopf. „Wir mussten alles will nicht so kränkbar sein“. Häufig ist die Sehnsucht
selbst machen. So, wie Sie arbeiten, möchte ich mal nach einem dicken Fell verbunden mit der Vorstel-
Urlaub machen. Das hat mir alles gar nichts gebracht. lung, andere seien im Besitz dieser beneidenswerten
Ich werde mich beschweren.“ Die Trainerin sackt in- Schutzschicht, nur man selbst sei vergessen worden,
nerlich in sich zusammen, die guten Rückmeldungen als die Felle verteilt wurden. Doch die Vorstellung
sind vergessen. Selbstzweifel tauchen auf. „Was habe vom dicken Fell, das in allen Lebenslagen zuverlässig
ich falsch gemacht? Bin ich eine schlechte Trainerin? vor Kränkungen, Vorwürfen, kritischen Bemerkun-
Werde ich weitere Aufträge bekommen?“ Noch Ta- gen und anderen unangenehmen Dingen schützt, hat

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 19


TITEL

Ein dickes Fell schützt es ist auch kein Kampfanzug, mit dem wir uns gegen
die Außenwelt verteidigen.“ Vielmehr, so Berckhan,
das Immunsystem. sei es so etwas wie „ein Umhang, der dafür sorgt,
dass ich innerlich stabil und ruhig bleiben kann, wäh-
Es mildert die Wucht rend ich in einer stressigen Situation stecke.“ Wenn
von Kränkungen und uns ein Verkehrsstau in Zeitnot bringt, ein Streit mit
der Partnerin uns nachgeht, das Kind schlechte No-
Stresssituationen ten nach Hause gebracht hat und ein Wasserrohrbruch
im Haus für Chaos sorgt, dann kann eine gewisse
seelische Immunität all das zwar nicht verhindern,
aber sie kann die Wucht der Geschehnisse abmildern.
„Ein dickes Fell ist nicht davon abhängig, ob Sie
viel mit magischem Denken und wenig mit der Re- zufällig die richtigen Gene haben oder in einer tollen
alität zu tun. Das Bild des dicken Fells, so verlockend Familie aufgewachsen sind. Ihr dickes Fell hängt vor
und schön es ist, kann in eine Sackgasse führen. Es allem davon ab, mit welcher Grundhaltung Sie an
suggeriert, entweder man hat es oder man hat es nicht, die Dinge herangehen“, so Barbara Berckhan. „Sie
und wenn man in der glücklichen Lage ist, eins zu können das, was Ihnen das Leben serviert, innerlich
haben, braucht man es sich nur überzuziehen, und anders verarbeiten.“ Sie empfiehlt unter anderem,
schon ist man souverän, gelassen und unverwund- sich auf das Hilfreiche, Brauchbare, Angenehme zu
bar. konzentrieren und weniger auf das Nervige, Stören-
„Am liebsten wäre uns eine Pille, die wir einwer- de und Unangenehme und sich folgende Fragen zu
fen können, und dann tut es nicht mehr weh. Das ist stellen: Inwieweit bringt mich das, was mich nervt,
ein ganz normaler menschlicher Wunsch, nur leider ärgert oder stresst, weiter? Was kann ich daraus ler-
oder glücklicherweise ist er nicht erfüllbar“, sagt die nen? Was kann ich bei diesem Problem trainieren
Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki. „Es wäre doch oder üben? Welche zu hohen Erwartungen kann ich
langweilig, wenn wir von morgens bis abends total endlich loslassen? Was gibt mir jetzt Kraft? Welche
kompetent wären und jedes Problem sofort vom Tisch Gedanken beruhigen oder trösten mich? Ziel ist nicht,
wischen könnten. Viele sagen, wenn ich ein dickes sich Unangenehmes schönzureden, sondern auch in
Fell hätte, würde es mir nichts mehr ausmachen, wenn schwierigen Situationen die eigene Stärke zu spüren,
mein Chef mich runterputzt oder mein Partner ex- mitten in der Turbulenz eines Angriffs.
zessiv mit anderen flirtet. Aber das ist Unsinn. Wenn Nur, wie geht das? Wie verändert man seine Ein-
ich so ein dickes Fell habe, dass mir solche Verlet- stellung und lernt, unempfindlicher gegen die kleinen
zungen nichts mehr ausmachen, bin ich nicht sou- oder größeren Nadelstiche zu werden? Es gibt Stra-
verän, sondern ein unerträglicher Zombie. Wir kön- tegien, die helfen, schneller wieder ins Gleichgewicht
nen nicht unverletzbar werden.“ (Siehe Interview zu kommen und die innere Mitte zu finden und von
Seite 24). dort aus besonnen und entschlossen zu handeln:
Dass andere uns Druck machen, unfair behandeln,
auf die Nerven gehen, im Stich lassen, kurz: sich nicht Erste Hilfe: Abstand gewinnen
so verhalten, wie wir es uns wünschen, können wir „Das kann auch nur mir passieren“, „Was denken die
nicht verhindern, auch nicht mit einem dicken Fell. anderen jetzt von mir?“, „Wäre ich nur selbstbewuss-
Ebenso wenig, dass das Leben uns immer wieder mit ter aufgetreten“ – wenn die Gedanken düster werden
schwierigen Situationen, Enttäuschungen, Verlusten und ständig um ein belastendes Erlebnis kreisen, hilft
und Schmerz konfrontiert. Die gute Nachricht aber als Erstes: Abstand gewinnen und ein paar Schritte
ist: Es ist möglich, mit Kritik, Anfeindungen, Igno- zurücktreten. Räumlich und mental. Oft wirkt es
ranz und Stress besser umzugehen und daran zu Wunder, den Raum zu verlassen, ein paar Schritte
wachsen. an der frischen Luft zu gehen, sich auf der Toilette
Für die Kommunikationstrainerin Barbara Berck- einzuschließen, ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen
han ist ein dickes Fell ein „Aufprallschutz, der ver- und dann zurückzugehen in die stressige Konferenz
hindert, dass wir allzu gestresst werden. Oder dass oder das schwierige Gespräch mit dem Partner. Wenn
wir uns zu sehr über etwas aufregen.“ Auf keinen physischer Abstand nicht möglich ist, kann es ent-
Fall, so betont sie, ist das dicke Fell eine „starre Ab- lastend sein, innerlich auf Distanz zu gehen, die Si-
wehrmauer, mit der wir uns rigoros abschotten. Und tuation aus der Vogelperspektive zu betrachten oder

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TITEL

Wer dickfelliger
werden will,
sollte prüfen:
Stimmt das, was
ich über andere
denke?

sich vorzustellen, man säße an einem Flussufer und einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl
könne aus sicherer Entfernung zuschauen, wie die vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich
Turbulenzen des Alltags vorbeitreiben. noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er
einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir aber wirklich.“
Die eigene Interpretation überprüfen – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öff-
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, net, doch noch bevor er „Guten Tag“ sagen kann,
nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Al- schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Ham-
so beschließt der Mann, hinüberzugehen und ihn mer, Sie Rüpel!“
auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: „Was, Diese berühmte Geschichte, die auf Paul Watzla-
wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen wick zurückgeht, erzählt der Würzburger Psycho-
will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. therapeut Frank-M. Staemmler in seinem aktuellen
Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile Buch Kränkungen. Verständnis und Bewältigung all-
nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und täglicher Tragödien nach, um aufzuzeigen, wie sehr
was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da scheinbare Gewissheiten einen in die Irre führen
etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug bor- können. „Die Wirkung, die das Verhalten des ande-
gen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er ren auf mich hat, hängt weniger von dessen Verhal-
nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so ten, sondern mehr davon ab, wie ich sein Verhalten

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 21


TITEL

auffasse und deute“, so res suchen, der meinen Wunsch teilt. Wünsche darf
Staemmler. „Wenn man man äußern, aber man kann nicht erwarten, dass sie
diese Einsicht für sich nut- in Erfüllung gehen. Wer das akzeptiert, ist vor Krän-
zen möchte, kann man da- kungsgefühlen geschützter und dickfelliger als ein
raus ableiten, dass man aus Mensch, der ein Bedürfnis äußert und erwartet, dass
der Kränkung, die man andere darauf positiv reagieren. „Die Wahrschein-
empfindet, weniger über lichkeit, sich gekränkt zu fühlen, sinkt, je weniger
die Absichten des anderen man an seine Wünsche die Erwartung, die Forderung
erfährt als über die eigenen oder den Anspruch koppelt, sie müssten so erfüllt
Interpretationen.“ werden“, so Staemmler. Ein gewisses Maß an „Be-
Wer dickfelliger werden scheidenheit und Demut“ könne helfen, die seelische
will, sollte den eigenen Immunität zu stärken, „Wer andere Werte über den
Deutungen auf die Spur des eigenen Selbst stellt, ist weniger durch Kränkun-
kommen – zum Beispiel gen gefährdet“, stellt Frank-M. Staemmler fest.
durch offene Fragen. Fragt
sich die Trainerin im Ein- Buddhistisch werden
gangsbeispiel: „Was könnte Wie auch immer man zum Buddhismus steht, eini-
der Teilnehmer mit seiner ge buddhistische Prinzipien der Gelassenheit können
Super, ich bin Kritik meinen?“, fallen ihr garantiert mehr Möglich- helfen, den Herausforderungen des Alltags flexibler
nicht durch- keiten ein, als wenn sie denkt: „Was hat er damit und gelassener zu begegnen: wahrnehmen, was ge-
gedreht: Jede
Kränkung, die gemeint?“ Denn Studien zeigen, „dass Menschen auf rade geschieht, ohne es sofort zu bewerten; anneh-
wir überwinden, offene Fragen sehr viel kreativer antworten als auf men, was ist, ohne es größer oder kleiner zu machen
ist eine Einzah- solche, die nur eine Antwort zulassen“, erklärt Sta- (nicht leugnen, aber auch nicht dramatisieren); er-
lung auf unser
Selbstwertkonto
emmler. kennen, dass nur ein Teil von mir verwundet oder
Eine weitere Möglichkeit, die eigenen Überzeu- hilflos ist; nicht verallgemeinern, denn nur im Mo-
gungen infrage zu stellen, zeigt die amerikanische ment fühlt es sich schrecklich an, aber das geht auch
Therapeutin Byron Katie auf. Sie bittet ihre Klienten, wieder vorbei; sehen, dass man nicht der Einzige ist,
ihre Überzeugungen aufzuschreiben und sich dabei der leidet. Andere machen gerade Ähnliches durch.
zu fragen: „Kannst du wirklich wissen, dass das so Und schließlich helfen Fragen wie: Was werde ich in
stimmt?“ zehn Jahren über dieses Ereignis denken? Wird es
überhaupt noch eine Rolle spielen? Werde ich wo-
Erwartungen senken möglich darüber lachen?
Wer gekränkt wird, wer unter schmerzhaften (klei- Ein dickes Fell schützt uns nicht vor Verletzungen,
nen oder großen) Nadelstichen anderer leidet, wird aber es schützt unsere Ressourcen, unsere Energie
diese Aufforderung irritierend finden. Wie können und unsere Kraft. Wer dickfelliger wird, „besinnt
wir Verhaltensweisen anderer, die uns treffen und sich auf seinen Wert, seine Fähigkeiten und Mög-
verletzen, nicht wichtig nehmen? Sicherlich hängt es lichkeiten und lebt sie unabhängig von dem, was
von der jeweiligen Situation ab, ob wir es schaffen, draußen ist“, sagt Bärbel Wardetzki. „Jede Kränkung,
einen Schritt zurückzutreten und Abstand zwischen die ich überwunden habe, ist eine Einzahlung auf
dem Stressor und unserem Erleben zu schaffen. mein Selbstwertkonto. Weil ich mir dann auf die
Grundsätzlich aber hält Frank-M. Staemmler für Schulter klopfen und sagen kann: Super, ich bin nicht
sinnvoll, sich eines klarzumachen: Wir können nicht durchgedreht, ich habe mich nicht selbst beschimpft,
erwarten, dass andere immer auf unsere Wünsche ich habe mein Problem gelöst. Dann werde ich auch
eingehen, und wir sollten auch berücksichtigen, dass zukünftige Kränkungen anders erleben und verar-
ihre Interessen anders gelagert sind als unsere. An- beiten.“
genommen, man hat den Wunsch, mit einem Freund
LITERATUR
einen Spaziergang zu machen, der aber hat keine Lust
und lässt uns abblitzen. Dann, so Staemmler, „muss Frank-M. Staemmler: Kränkungen. Verständnis und Bewältigung
alltäglicher Tragödien. Klett-Cotta, Stuttgart 2016
ich nicht gleich beleidigt sein, sondern kann mich
Barbara Berckhan: Das dicke Fell. Wie Sie sich vor Frustfallen
vielleicht damit anfreunden, mit ihm eine Fahrrad- und Nervensägen schützen. Kösel, München 2014
tour zu machen oder mich einfach nur mit ihm in
Bärbel Wardetzki: Nimm’s bitte nicht persönlich. Der gelassene
den Garten zu setzen“. Oder ich kann jemand ande- Umgang mit Kränkungen. Kösel, München 2012

22 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


TITEL

DICKFELLIGER WERDEN
Mentale Stärke hilft, cool zu bleiben
VON AMY MORIN

Finden Sie sich in den folgenden Ruhig bleiben • Welchen Beweis gibt es, dass das Ge-
Beispielen wieder? Wenn jemand etwas sagt, das Ihnen sagte nicht wahr ist? Überprüfen Sie,
• Sie fühlen sich von Kritik oder nega- nicht gefällt, und Sie fangen an ob Sie viel Mühe in Ihre Arbeit inves-
tivem Feedback tief betroffen, egal zu argumentieren, dann geben Sie tiert und hart gearbeitet haben.
wer sie äußert. den Worten noch mehr Gewicht. • Warum gibt mir dieser Mensch ein
• Ihr Selbstwertgefühl hängt davon Denken Sie vorher darüber nach, wie solches Feedback? Versuchen Sie
ab, was andere über Sie denken. Sie sich verhalten wollen, bevor Sie herauszufinden, warum jemand Ih-
• Sie sind lange verärgert, wenn je- reagieren. Jedes Mal, wenn Sie die nen negatives Feedback gibt. Weiß
mand Sie beleidigt oder verletzt hat. Kontrolle verlieren, geben Sie der derjenige genug über Sie? Wenn Ihr
anderen Person mehr Macht. Hier Chef Sie an einem Tag beobachtet
Wenn Sie diese Situationen kennen, ein paar Strategien, wie man ruhig hat, an dem Sie sich krank fühlten,
geben Sie anderen Menschen Macht bleiben kann: dann denkt er womöglich, Sie seien
über Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und • Atmen Sie tief ein. Frustration und nicht sehr produktiv. Diese Schluss-
Ihre Handlungen. Wenn man sich als Wut rufen körperliche Reaktionen folgerung mag aber nicht richtig sein.
Opfer der eigenen Lebensumstände hervor, zum Beispiel Atemnot, • Möchte ich mein Verhalten verän-
betrachtet hat, dann fällt es oft Herzrasen und Schwitzen. Langsam dern? Es mag Zeiten geben, in de-
schwer zu erkennen, dass man die und tief ein- und ausatmen ent- nen Sie Ihr Verhalten verändern
Macht hat, seinen Weg selbst zu be- spannt Ihre Muskeln, was sich wie- möchten und Kritik annehmen.
stimmen. derum positiv auf Ihr emotionales Wenn Ihr Chef zum Beispiel sagt, Sie
Reaktionsvermögen auswirkt. seien faul, liegt es an Ihnen zu ent-
Wie schafft man es, seine Macht zu • Entziehen Sie sich der Situation. Je scheiden, ob Sie tatsächlich nicht so
bewahren und mental stark zu sein? aufgewühlter man ist, desto weniger viel Einsatz gezeigt haben, wie Sie
kann man rational denken. Erkennen gekonnt hätten. Vielleicht beschlie-
Ein Perspektivenwechsel Sie Ihre persönlichen Wut-Warn- ßen Sie, in Zukunft früher auf der
lohnt sich signale, zum Beispiel Zittern oder Arbeit zu sein und länger zu bleiben,
Manchmal benötigt man eine andere Schwitzen, und gehen Sie einfach weil es Ihnen wichtig ist, als fleißig
Sichtweise auf Dinge, um sich seine weg, bevor Sie die Kontrolle angesehen zu werden. Aber denken
Macht zurückzuerobern. Hier einige verlieren. Sagen Sie: „Darüber will Sie immer daran, dass Ihr Chef Sie
Beispiele: ich jetzt nicht reden.“ zu nichts zwingt. Sie verändern Ihre
• „Mein Chef macht mich so wütend.“ • Lenken Sie sich ab. Versuchen Sie Gewohnheiten, weil Sie das so
Vielleicht mögen Sie es nicht, wie Ihr nicht, ein Problem zu lösen oder wollen, nicht weil Sie müssen.
Vorgesetzter oder Chef sich Ihnen über etwas zu diskutieren, wenn Sie
gegenüber verhält, aber ist er wirk- emotional aufgeladen sind. Denken Sie immer daran, dass die
lich in der Lage, Sie wütend zu ma- Meinung eines Einzelnen nicht der
chen? Er mag sich nicht so beneh- Starker Umgang mit Kritik Wahrheit letzter Schluss ist. Man kann
men, wie Sie es gerne hätten, und Wenn Sie Kritik oder Feedback von auch auf respektvolle Art anderer
das hat Einfluss auf Ihre Gefühle, anderen bekommen, dann warten Sie Meinung sein, ohne Zeit und Energie
aber er zwingt Sie nicht dazu, etwas erst einmal, bevor Sie darauf antwor- darauf zu verschwenden, die Meinung
Konkretes zu empfinden. ten. Wenn Sie verärgert sind oder anderer revidieren zu wollen.
• „Mein Freund hat mich verlassen, emotional reagieren, dann nehmen
Amy Morin ist Psychotherapeutin und Sozial-
weil ich nicht gut genug für ihn bin.“ Sie sich Zeit, um sich zu beruhigen. pädagogin. Sie forscht seit vielen Jahren zum
Sind Sie wirklich nicht gut genug, Stellen Sie sich folgende Fragen: Thema mentale Stärke. Dieser
oder ist das nur die Meinung eines • Welchen Beweis gibt es dafür, dass Text ist ein Auszug aus ihrem
einzelnen Menschen? Nur weil ein das Gesagte wahr ist? Zum Beispiel Buch 13 Dinge, die mental
starke Menschen nicht tun. Für
Mensch so etwas denkt, heißt es wenn Ihr Chef behauptet, Sie seien
alle, die sich heute besser füh-
nicht, dass es wahr ist. Geben Sie ei- faul, überprüfen Sie, ob es Zeiten len möchten als gestern, das
nem Menschen nicht die Macht, dar- gab, in denen Sie vielleicht nicht so Ende Mai 2016 im S.-Fischer-
über zu bestimmen, wer Sie sind. ganz bei der Sache waren. Verlag erscheint.

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 23


TITEL

„Die Frage ist:


Will ich mich weiter
als Opfer fühlen?“
Die Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki weiß, wie tief manche
Verletzungen gehen. Dennoch meint sie: Wir sollten unsere Lebenszeit
nicht an Ohnmacht und Wut verschwenden

Frau Wardetzki, in Ihrem Buch Mich kränkt so


schnell keiner! zeigen Sie Wege auf, mit Krän-
kungen besser umzugehen und nicht alles per-
sönlich zu nehmen. Wenn wir gekränkt sind,
fühlen wir uns aber im Kern getroffen und haben
den Eindruck, dass andere uns übel mitspielen.
Wie kommen wir da heraus?
Bevor ich mich aus dem Kränkungssumpf heraus-
ziehen kann, muss ich mir erst mal eingestehen,
dass ich gekränkt bin, und anerkennen, ja, diese
Kritik hat mich sehr getroffen, diese Reaktion tut
mir weh, und ich bin völlig von der Rolle. Meist
wehren wir jedoch unsere Scham, unseren Schmerz
oder unsere Angst ab und reagieren sofort mit
Schuldzuweisungen. Der andere ist gemein und
böse, und ich armer Tropf muss leiden. Statt zu
sagen: Ich bin gerade sehr getroffen und komme
damit nicht klar. Das ist eine ganz andere Dimen-
sion. Wenn ich meine Gefühle wahrnehme, bin ich
nicht mehr gekränkt, sondern ängstlich, traurig,
wütend oder beschämt. Daraus erwächst die Kraft,
mich zu wehren und innerlich wieder stabil zu wer-
den. Ziehe ich mich beleidigt zurück und lecke mei-
ne Kränkungswunden, kann ich das nicht.
Wenn wir gekränkt sind, wollen wir dies aber
oft nicht eingestehen. Diese Blöße wollen wir
uns nicht geben. Ist das nicht verständlich?
Verständlich ist es, aber nicht hilfreich. Mit dieser
Abwehrstrategie schwächen wir uns und machen
alles nur noch schlimmer. Wenn ich meine Verlet-
zung gelten lassen und vielleicht sogar aussprechen
kann, kommt sofort Ruhe in mein inneres System,
weil ich plötzlich kongruent bin. Und von da aus
kann ich schauen, ob ich in diesem unangenehmen

24 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


TITEL

Gefühl der Kränkung drinbleiben möchte oder mir


das irgendwann zu anstrengend wird. Die häufigsten
Bin ich überhaupt gemeint?
Zustände in Kränkungssituationen sind Ohnmacht, Oder hat das, was mich trifft,
Minderwertigkeitsgefühle, Racheimpulse, Trotz, Em-
pörung und Wut. Vielleicht kommt der Punkt, an gar nichts mit mir zu tun?
dem ich keine Lust mehr habe, mir meine schöne
Lebenszeit damit kaputtzumachen. Dann kann ich
anfangen zu sortieren. Bin ich überhaupt gemeint?
Muss ich mich persönlich getroffen fühlen? Oder hat
das, was mich so trifft, vielleicht gar nichts mit mir
zu tun?
Das ist manchmal nicht so leicht zu erkennen. Wo-
ran merken wir, dass uns etwas verletzt, was gar
nicht persönlich gemeint ist? Verantwortung beim anderen lasse, habe ich diese
Oft brauchen wir dafür einen Impuls von außen. Ich Option nicht.
hatte vor kurzem eine Situation, in der ich durch Sie sagen, es ist eine Frage der Entscheidung, ob
eine gesetzliche Regelung sehr benachteiligt wurde. wir gekränkt bleiben oder eine Kränkung über-
Ich fühlte mich gekränkt und zurückgesetzt, war auf winden. Haben wir wirklich immer die Wahl?
der einen Seite stinksauer und erlebte mich auf der Die haben wir in jeder Situation, aber es ist natürlich
anderen Seite hilflos ausgeliefert. So eine himmel- sehr verführerisch, darüber zu jammern, wie gemein
schreiende Ungerechtigkeit passierte gerade mir. Was die anderen sind. Ich habe mich früher selbst gerne
für eine Zumutung! Eine Freundin machte mich da- beklagt, statt konstruktiv etwas zu unternehmen. Die
rauf aufmerksam, dass ich die Situation persönlich Opferrolle erscheint zunächst attraktiv, aber sie führt
nehme. Da wurde mir erst klar, dass diese blödsin- psychologisch in die Sackgasse, denn als Opfer kann
nige Regelung mit mir als Person überhaupt nichts ich nichts tun. Die Frage ist: Will ich mich weiter als
zu tun hat und andere genauso betrifft. Was rege ich Opfer fühlen oder den Racheengel spielen? Oder will
mich also auf? Ich kann mich noch weiter festbeißen, ich mich wieder gut und integriert fühlen und ver-
gegen Windmühlen kämpfen und so richtig mies suchen, das Problem, das mit der Kränkung zusam-
draufkommen oder loslassen und dafür sorgen, dass menhängt, konstruktiv zu lösen? Ich finde es auch
es mir besser geht. Die Regelung werde ich auch wei- völlig in Ordnung, zu sagen, im Moment geht es mir
ter kritisieren, aber ich habe mich davon nicht weiter so schlecht, und ich kann gerade nichts dagegen tun.
runterziehen lassen und das Beste aus der Situation Niemand verlangt, dass wir in jeder Kränkungssitu-
gemacht. Heute kann ich darüber lachen. Sie sehen, ation sofort den Durchblick haben und den Schalter
auch als Kränkungsexpertin bin ich voll in den Schla- umlegen können.
massel reingerasselt, aber zum Glück habe ich auch Genau das hätten wir aber gerne. Ist die Sehn-
schnell wieder herausgefunden. sucht nach dem dicken Fell nicht genau deshalb
Was ist entscheidend, um das Ruder herumzurei- so groß, weil wir uns wünschen, ganz schnell wie-
ßen und nicht noch tiefer im Kränkungssumpf zu der selbstbewusst und obenauf zu sein?
versinken? Es reicht aber nicht, das Fell einmal anzuziehen; ich
Ganz wesentlich ist, dass ich die Verantwortung wie- muss jeden Tag darauf achten, dass ich mich nicht
der zu mir nehme. Wenn ich gekränkt bin, gebe ich zu sehr von dem beeinflussen lasse, was mir nicht
meist automatisch anderen die Verantwortung für guttut und nicht gefällt. Für mich ist das Fell die
mein Leid: dem unsensiblen Partner, der ignoranten Haut. Die Haut ist neben der Lunge das einzige Or-
Chefin, der treulosen Freundin oder in meinem Fall gan, das direkt im Kontakt mit der Umwelt steht.
dem ungerechten Versorgungssystem. Doch wenn Darf ich meine eigenen Entscheidungen treffen? Darf
ich das tue, habe ich keine Chance, etwas zu verän- ich bei mir bleiben? Muss ich mich anpassen? Darf
Bärbel Wardetzki ist
dern. Der Umkehrschluss, um aus den Kränkungen ich Aggressionen nach außen zeigen? Mit diesen Fra-
Psychotherapeutin
herauszukommen, ist, zu sagen, hier geschieht etwas, und Supervisorin in gen müssen wir uns auseinandersetzen, wenn wir
was mich tief erschüttert und aus der Bahn wirft, München und hat uns ein dickeres Fell zulegen und weniger kränkbar
mehrere erfolgreiche
und ich übernehme die Verantwortung für das, was sein möchten. Das ist tägliche Arbeit. Und dieser Ar-
Sachbücher zum
in mir passiert und wie ich damit umgehe. Ich sorge Thema Kränkung beit stellen wir uns nicht so gerne. PH
dafür, dass es mir wieder besser geht. Wenn ich die veröffentlicht.

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 25


In Liebe verschränkt
Wie müssen zwei Liebespartner beschaffen sein, damit ihre
Beziehung gedeiht? Franz Neyer und Christine Finn haben
erforscht, welche Persönlichkeitszüge zu einer glücklichen
Partnerschaft beitragen und wie das
Zusammenleben die beiden reifen lässt

26 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Wieso haben Menschen überhaupt das Bedürfnis, wenn jemand übersteigert selbstzentriert ist bis hin
eine überdauernde, oft bis zum Tod währende zum Narzissmus, denn diese Menschen sind unsen-
Partnerschaft einzugehen? Man könnte sich ja sibel für die Bedürfnisse ihres Partners.
auch von Affäre zu Affäre hangeln, aber das tun Neyer: Ein gesundes Selbstwertgefühl zeichnet sich
und wollen doch die wenigsten. tatsächlich durch eine leichte Form der Selbstüber-
Neyer: Der Wunsch nach sozialem Anschluss, Ver- schätzung und Selbstüberhöhung aus: Man findet
trautheit und Bindung ist ein menschliches Grund- sich selbst etwas besser, als man ist. Das ist durchaus
bedürfnis. Menschen suchen enge Beziehungen, auch Franz J. Neyer günstig und tut nicht nur dem Betreffenden, sondern
und vor allem in einer romantischen Partnerschaft. ist Professor und auch der Beziehung gut. (Siehe auch Heft 5/2016: Ich
Ob diese Beziehung allerdings auf die Dauer des gan- Direktor des Instituts finde mich prima!) Dies gilt aber nicht für Menschen,
für Psychologie
zen Lebens angelegt sein muss, ist die Frage. Zu an- an der Friedrich-
bei denen diese Eingenommenheit von sich selbst ins
deren Zeiten und in anderen Kulturen war und ist Schiller-Universität narzisstische Extrem geht. Sie sind gerade in einer
das nicht so selbstverständlich. Und auch hier im Jena. Partnerschaft ausgesprochen anstrengend und re-
Westen gibt es durchaus viele Menschen, die nach agieren wütend, wenn der Partner sie mal nicht so
eher kurzfristigen Liebesbeziehungen suchen. Sie ge- grandios findet wie sie sich selbst (siehe Seite 58).
hen dann eben nicht die eine Ehe, sondern mehrere Was machen Menschen, die sich ihrer selbst si-
aufeinanderfolgende Partnerschaften ein. cher sind, ohne sich ins Grandiose zu überhöhen,
Nicht selten brechen Beziehungen aber ausein- im Beziehungsalltag anders und besser als unsi-
ander, obwohl die beiden eigentlich für lange chere Menschen?
oder sogar für immer zusammenbleiben wollten. Finn: Selbstbewusste Menschen vertrauen sich dem
In Ihren Langzeitstudien haben Sie nachgewie- Partner an und holen sich bei ihm emotionalen Rück-
sen, dass es auch von der Persönlichkeit der bei- Christine Finn, halt, zum Beispiel wenn sie auf der Arbeit Probleme
wurde für ihre
den Beteiligten abhängt, wie überdauernd und Doktorarbeit
haben oder bei den Kindern etwas nicht rundläuft.
glücklich ihre Beziehung wird. Welche Merkmale über die persön- In der Partnerschaft selbst sind sie nicht so verletzlich
bringt ein idealer Beziehungsmensch mit? lichkeitstypischen und so fixiert auf Dinge, die schiefgehen könnten.
Interpretations-
Finn: Den „idealen Beziehungsmenschen“ gibt es Und sie sind überzeugt, eine Lösung zu finden, so-
verzerrungen in
nicht. Beziehungsglück hängt von so vielen Einflüs- Partnerschaften bald Unstimmigkeiten aufkommen. Man traut sich,
sen ab. Aber man kann festhalten: Menschen, die mit dem Disser- gegenüber dem Partner auch heikle Dinge an- und
tationspreis der
von ihrem Wesen her verträglich sind und nach Har- auszusprechen.
Universität Jena
monie und Ausgleich streben, führen in der Regel ausgezeichnet. Neyer: In einer Partnerschaft bleibt es ja nicht aus,
eine glücklichere Beziehung. Ein wichtiger Faktor ist dass man sich hin und wieder Kränkungen zufügt
aber auch emotionale Stabilität. Gute Voraussetzun- oder dass man dem anderen mal nicht die Aufmerk-
gen haben also Menschen, die nicht zu Ängstlichkeit samkeit schenkt, die er sich wünscht. Eine Person
oder Depressivität neigen und ein hohes Selbstwert- mit einem gesunden Selbstwertgefühl kann damit
gefühl haben, also sich ihrer selbst sicher sind und umgehen und gerät nicht gleich aus der Fassung. Je-
sich so mögen, wie sie sind. mand mit einem schwachen Selbstwertgefühl erlebt
Besteht denn nicht die Gefahr, dass Männer und solche Situationen jedoch gleich als bedrohlich und
Frauen mit einem hohen Selbstwertgefühl in der denkt sich zum Beispiel: „Er ignoriert mich, denn er
Beziehung die Hosen anhaben wollen, also sehr mag mich nicht mehr. Und er hat ja auch recht – ich
bestimmt und dominant auftreten – und den Part- bin einfach nichts wert!“
ILLUSTR ATIONEN: KL AUS MEINHARDT / dieKLEINERT.de

ner damit nicht zur Geltung kommen lassen? In der Forschung sprechen Sie von einem rela-
Finn: Diese extreme Art von Selbstbewusstsein ist tionship-specific interpretation bias, einer Denk-
damit nicht gemeint. Es geht um Menschen, die mit falle, die selbstunsicheren Menschen das Bezie-
sich selbst zufrieden und im Reinen sind. Sie strah- hungsleben schwermacht.
len dies auch nach außen aus, und diese Sicherheit Finn: Das betrifft vor allem Menschen mit hohem
wirkt sich positiv auf den Partner und die Partner- „Neurotizismus“, die emotional nicht sehr stabil sind.
schaft aus. Selbstwertgefühl ist also gut für eine Be- Sie nehmen vieles im Leben eher negativ wahr und
ziehung, aber eine glückliche Beziehung ist auch gut reagieren daher oft unsicher oder gekränkt. Im Zwei-
für das Selbstwertgefühl. Dieses Merkmal ist sogar fel interpretieren sie harmlose oder allenfalls vieldeu-
eine Art Gradmesser dafür, wie sehr man sich in der tige Verhaltensweisen ihres Partners zu ihren Unguns-
Beziehung aufgehoben und vom Partner gemocht ten. Wenn der Partner ihnen etwa in einer hektischen
fühlt. Doch natürlich schadet es der Partnerschaft, Situation sagt, es gebe da noch etwas, was er später in

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 27


Ruhe mit ihnen besprechen wolle, dann schrillen bei Menschen, schrieben als „ein Spiel, bei dem man nur gewin-
neurotischen Menschen gleich die Alarmglocken: die ohne nen kann“.
„Mein Gott, er will sich von mir trennen!“ Während Neyer: Ja, wir haben diese Persönlichkeitsreifung in
einen Gefähr-
emotional stabile und selbstsichere Menschen ganz mehreren Langzeitstudien gefunden und auch mit
ten bleiben,
selbstverständlich davon ausgehen, gemocht und ge- Daten aus den USA bestätigt. Wir beobachten bei
schätzt zu werden, brauchen die Unsicheren ständig stagnieren jungen Leuten Anfang zwanzig ja generell eine Rei-
Bestätigungen, dass der Partner sie noch liebt. oft in ihrem fung der Persönlichkeit, und dieser Prozess wird
Ist dieser Alarmismus nicht harmlos? Selbstwert- durch die erste Partnerschaft noch beschleunigt und
Finn: Nicht unbedingt. Denn zum einen fühlen sich gefühl verstärkt. Interessanterweise wird dieser Reifungs-
die Betreffenden selbst schlecht und traurig, wenn schritt nicht rückgängig gemacht, wenn dann später
ihre Gedanken sich immer wieder in negativen Sze- die Partnerschaft endet, so schmerzhaft das auch ist.
narien verlieren und sie befürchten, ihr Partner könn- Der Gewinn für die Persönlichkeit bleibt bestehen.
te sie verlassen. Zum anderen kann sich das auch auf Was genau lässt junge Menschen in einer Partner-
den Partner auswirken, der sich nun seinerseits un- schaft so unumkehrbar reifen?
verstanden und permanent verdächtigt fühlt. Die Neyer: Es wird in unserer Kultur als eine wichtige
Interpretationsverzerrung eines neurotischen Men- Entwicklungsaufgabe angesehen, eine Beziehung ein-
schen hat also negative Folgen für beide Partner. zugehen und womöglich eine Familie zu gründen.
Neyer: Das bedeutet nun aber nicht, dass unsichere, Allein schon die Tatsache, dass man diese Aufgabe
„neurotische“ Menschen dazu verdammt sind, in al- gemeistert hat, stärkt in diesem Alter das Selbstwert-
len ihren Beziehungen zu scheitern. Denn zum einen gefühl. Darüber hinaus trägt die Erfahrung der Si-
kommt es ja nicht nur auf ein einzelnes ungünstiges cherheit in einer Beziehung zu dieser Reifung bei.
Merkmal an, sondern auf das Gesamtbild der Per- Aber das ist für die meisten doch keine ganz neue
sönlichkeit: Man kann Selbstunsicherheit kompen- Erfahrung, denn sicher und aufgehoben fühlt man
sieren mit einnehmenden Eigenschaften wie Zuge- sich auch schon im Elternhaus.
wandtheit, Umgänglichkeit, Zuverlässigkeit. Zum Neyer: Die Eltern-Kind-Beziehung ist stark ungleich-
anderen kommt es natürlich auch immer auf den gewichtig. Kinder sind abhängig von ihren Eltern
Partner und dessen Persönlichkeit an, etwa wie ge- und erhalten von diesen viel mehr, als sie zurückge-
duldig er oder sie reagiert, wie viel Wertschätzung ben. Dagegen begegnen sich romantische Partner auf
er zeigt oder auch wie viel Humor er mitbringt. Und einer Ebene. Man bekommt vom Partner Sicherheit
außerdem kann das Lebensumfeld eine Partnerschaft geschenkt, gibt sie ihm aber auch. Dies zu erproben
stabilisieren, zum Beispiel die Tatsache, dass Kinder und zu lernen, darin besteht der Reifungsschritt.
da sind. Auch eine Paartherapie kann hilfreich sein. Was ist mit den Frauen und Männern, die in ihren
Die Persönlichkeit der beiden Beteiligten beein- jungen Erwachsenenjahren keinen Partner finden
flusst also, wie gut ihre Partnerschaft funktio- oder es mit keinem lange aushalten? Entwickeln
niert. Wird denn auch umgekehrt ein Schuh sie sich anders als die Gebundenen?
draus? Also: Verändert eine Partner- Neyer: Dies betrifft relativ wenige, zwischen sieben
schaft die Persönlichkeit? und neun Prozent. Tatsächlich zeigte sich in unseren
Finn: Eine Partnerschaft Studien, dass diese Menschen diesen Reifungsschritt
prägt ganz eindeutig die Per- nicht mitmachen. Zum Beispiel stagnierte ihr Selbst-
sönlichkeit. Das gilt beson- wertgefühl, und bei den Männern ging es in einer
ders für die ersten überdau- amerikanischen Studie sogar deutlich zurück.
ernden Beziehungen, die je- Möglicherweise identifizieren sich Männer beson-
mand im jungen Erwachse- ders stark über ihren Wert auf dem Partner-
nenalter eingeht. Sie führen markt und empfinden ihren Singlestatus
zu einer insgesamt reiferen als persönliche Niederlage. Tatsächlich
Persönlichkeit. Die beiden kann es ein Zeichen von psychischen
Partner werden verträglicher Schwierigkeiten sein, wenn jemand
und emotional stabiler, das überdauernd keinen Partner findet.
Selbstwertgefühl steigt. Auf der anderen Seite gibt
Sie, Herr Professor Neyer, ha- es Menschen, die hoch an-
ben das Eingehen einer Partner- schlussmotiviert sind und
schaft in diesem Alter einmal be- in einer Partnerschaft viel zu

28 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


bieten hätten – aber einfach zu schüchtern sind. Die Mann attraktiv. Vielleicht schützt die Il-
brauchen einfach länger, aber irgendwann kommen lusion der Verschmelzung – „Wir beide
sie auch zum Ziel. sind füreinander geschaffen!“ – Sie in
Was ist mit Paaren, die sich schon über Jahr- solch einer Situation davor, dies über-
zehnte in ihrer Beziehung eingerichtet ha- haupt wahrzunehmen. Die Eifersucht
ben, bei denen die anfängliche Verliebtheit wäre ja wahrscheinlich auch ganz über-
längst in den Hintergrund und die Kinder flüssig.
oder der Beruf stärker in den Vorder- Ist es denn durchweg eine Illusion,
grund getreten sind: Prägt die wenn man immer mehr Ähnlichkeiten
Partnerschaft während dieser zwischen dem Partner und sich fest-
langen Lebensmitte noch immer stellt? Zum Beispiel dass man über
die Persönlichkeit der beiden? dieselben Witze lacht.
Neyer: Dafür gibt es durchaus Anhalts- Finn: Auf der Ebene von Interessen kann
punkte. Wir haben bei jungen Erwachse- das durchaus so sein: Man schaut sich im
nen gesehen, dass auch in langjährigen Bezie- Fernsehen dieselben Filme an, geht in dieselben
hungen deren Einfluss auf die Persönlichkeit noch Die Verliebt- Ausstellungen. Man bezieht also ähnliche Informa-
immer sehr stark ist. Warum sollte das in späteren tionen aus seiner Umwelt. Das führt laut Studien of-
heit legt sich,
Jahren anders sein? Wir vermuten, dass dann die fenbar dazu, dass sich sogar die Intelligenz der beiden
Kinder
Beziehung selbst immer stärker Teil der Persönlich- Partner über die Jahrzehnte ein wenig anzugleichen
keit wird und sozusagen in der Persönlichkeit aufgeht. rücken in scheint. Dafür, dass die Partner auch emotional und
Allerdings bleibt man, so lange die Beziehung auch den Fokus – in ihrer Persönlichkeit immer ähnlicher werden, gibt
währen mag, immer die Person, die man ist. Auch doch die es hingegen wenige Anhaltspunkte. Ältere Paare schei-
wenn man sich verändert: Die individuelle Beson- Beziehung nen sich nicht ähnlicher zu sein als jüngere. Vielleicht
derheit bleibt bestehen, niemand dreht sich in seiner bleibt ist es eher so, dass sich die beiden aufeinander ein-
Persönlichkeit um 180 Grad. schwingen: Man weiß, wie der Partner in einer be-
prägend
Man neigt in langjährigen Beziehungen dazu, sich stimmten Situation reagiert, man entwickelt Rituale.
selbst und den anderen als Einheit zu sehen. Die Neyer: Die wahrgenommene Ähnlichkeit ist immer
Grenzen überlappen sich. Der Partner wird zum sehr viel stärker als die tatsächliche Ähnlichkeit – das
„erweiterten Selbst“. Was halten Sie von dieser gilt übrigens nicht nur für Liebesbeziehungen. Men-
Theorie? schen suchen eben nach Vertrautheit, und im Zwei-
Neyer: Diese self-expansion theory, die auf den Psy- fel konstruieren sie sich diese Verbundenheit.
chologen Arthur Aron zurückgeht, ist weniger esote- Vor einem halben Jahrhundert beschrieb der Psy-
risch, als sie vielleicht klingt. Man muss sich das nicht chologe David Bakan zwei widerstreitende
so vorstellen wie bei Tristan und Isolde, wo die beiden Grundbedürfnisse des Menschen. (Siehe den Kas-
in ihrer Liebe so miteinander verschmelzen, dass sie ten auf Seite 30.) Wir wollen einerseits eigenstän-
Ich und Du nicht mehr unterscheiden können. Man dig und frei sein, uns aber andererseits mit ande-
erlebt eben über die Jahre sehr viele Dinge gemeinsam, ren verbunden fühlen. Müssen diese beiden Be-
die man teilt. Das kann dazu führen, dass man sogar dürfnisse in einer Partnerschaft gegeneinander
Gemeinsamkeiten zwischen sich feststellt, die gar nicht ausbalanciert werden?
existieren. Man glaubt, der andere sei so ähnlich wie Finn: Ich denke schon. Einerseits möchte man in
man selbst, und unterstellt ihm automatisch, dass er einer Beziehung Nähe erfahren – das ist schließlich
eine bestimmte Alltagssituation genauso empfindet der entscheidende Grund, überhaupt eine Beziehung
und bewertet. Man projiziert also das eigene Erleben einzugehen. Andererseits ist es wichtig, auch etwas
auf den anderen. Das hat den „Vorteil“, dass man sich Distanz zu halten, um als Person bestehen zu blei-
mit dem abweichenden Standpunkt des anderen gar ben – also sich Freiräume zu schaffen, den eigenen
nicht erst auseinandersetzen muss, sich nicht streiten Interessen nachzugehen, mit Freunden etwas zu un-
muss. Laut einigen Studien scheint diese positive Il- ternehmen, eventuell auch mal allein in Urlaub zu
lusion der Beziehungszufriedenheit tatsächlich eher fahren – und gleichzeitig zu wissen, dass der Partner
zuträglich als abträglich zu sein. eine sichere Basis bildet. Wie diese Balance dann kon-
Hätten Sie ein Beispiel? kret hergestellt wird, ist aber in Beziehungen ganz
Neyer: Nehmen wir an, Ihre Partnerin findet auf unterschiedlich und hängt auch von der Persönlich-
einer gemeinsam besuchten Party einen anderen keit der beiden ab.

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 29


Neyer: Manche Menschen brauchen viel Unabhän- leider noch immer: „ein dunkler Kontinent“, wie
gigkeit, andere eine starke Nähe zum Partner. Dieses PAIRFAM Freud zu sagen pflegte.
Persönlichkeit in der
Mischungsverhältnis muss immer ausgehandelt wer- Partnerschaft ist ei-
Sie beide studieren in Ihren Langzeitstudien –
den, sowohl innerhalb einer Person als auch zwischen nes der Themenfel- zum Beispiel in der großen Familienstudie „pair-
den Partnern. Forming separations and relations, so der, die in der gro- fam“ – viele Tausende von Paaren und das Auf
ßen Paar- und Famili-
hat David Bakan dieses gleichzeitige Herstellen von und Ab ihrer Beziehungen. Finden Sie darin auch
enstudie „pairfam“
Nähe und Distanz in einer Partnerschaft genannt. beleuchtet werden. Fingerzeige für Ihren eigenen Beziehungsalltag?
Das ist entfernt vergleichbar mit den Erfahrungen, Noch bis 2022 Finn: Diese Forschungsergebnisse sind keineswegs
die ein sicher an seine Eltern gebundenes Kind macht: werden rund 12000 so abstrakt, dass man sie in der Praxis nicht verwer-
Frauen und Männer
Von dieser Basis aus kann es die Welt explorieren, immer wieder zu
ten kann. Wenn man etwa weiß, auf welche Weise
aber immer in den sicheren Hafen zurückkehren, ihrem Familien-, man bestimmte Situationen im Beziehungsalltag ver-
wenn die Trennung zu bedrohlich wird. Liebes- und Bezie- zerrt interpretiert und wie das mit der eigenen Per-
hungsleben befragt:
Wie wichtig ist Sexualität für die Verbundenheit
www.pairfam.de
sönlichkeit zusammenhängen könnte, ist das durch-
der beiden Partner? aus nützlich. Auf der anderen Seite: Wenn man aus
Finn: Das ist noch nicht wirklich geklärt. Die Bin- seiner Forschung weiß, wie und wann eine Partner-
dungstheorie geht davon aus, dass unsicher gebun- schaft gut und richtig läuft, hält einen das nicht un-
dene Partner die Sexualität dazu nutzen, um Nähe bedingt davon ab, im Alltag Fehler zu machen.
herzustellen. Auch scheinen Männer Sexualität eher Neyer: Man ist ein Mensch aus Fleisch und Blut und
als Gradmesser für Intimität anzusehen als Frauen. reagiert im sozialen Kontext eben häufig doch spon-
Aber all das ist empirisch nicht sehr gut belegt. tan und unreflektiert, nicht wie ein Wissenschaftler.
Neyer: Relativ sicher ist hingegen, dass Bindung und Man kann dann höchstens im Nachhinein – viel-
Sexualität zwei unabhängige Verhaltenssysteme sind. leicht, aber nicht unbedingt besser als andere! – ver-
Es gibt also durchaus Sexualität ohne Bindung und stehen, was da passiert ist. Aber dann steht schon die
Bindung ohne Sexualität. Ansonsten gilt, was die nächste Situation vor der Tür. PH
Forschung zu Partnerschaft und Sexualität angeht, INTERVIEW: THOMAS SAUM-ALDEHOFF

versität Jena und seinen Mitforschern das beide Partner, vermuten die Au-
WENN NÄHE
aus München und Berlin. Befragt wur- toren: den einen, weil er sich einge-
UNZUFRIEDEN den 332 zusammenlebende Paare engt fühlt; den anderen, weil der Part-
MACHT sowie 216 Paare, die mit Absicht und ner so wenig Nähe zulässt.
ohne beruflichen Zwang in getrenn- Dieses Missverhältnis spiegelte
Menschen mit einem hohen Be-
ten, aber nahe beieinanderliegenden sich auch in den Tagebüchern: Nor-
dürfnis nach Autonomie brauchen
Wohnungen lebten. Ein Teil der Paa- malerweise waren die Partner umso
Distanz zum Partner
re führte außerdem zwei Wochen zufriedener mit ihrer Beziehung, je
In einer Partnerschaft gilt es, zwei wi- lang ein Beziehungstagebuch für die mehr Zeit sie an dem betreffenden
derstreitende Bedürfnisse unter ei- Forschung. Tag zusammen verbrachten. Das galt
nen Hut zu bekommen: jenes nach Wie zu erwarten, war bei den auf übrigens auch für die getrennt leben-
Nähe und Verbundenheit (commun- Distanz lebenden Paaren das Grund- den Paare. Nur jene Probanden, die
ion) und jenes nach Distanz und Un- motiv nach Eigenständigkeit stärker a) ein hohes Autonomiebedürfnis hat-
abhängigkeit (agency). Honigsüße ausgeprägt als bei den zusammen- ten und b) mit dem Partner zusam-
Harmonie ohne agency ist kein er- lebenden. Ein starkes agency-Bedürf- menlebten, machte jede zusätzliche
strebenswerter Zustand. Doch auch nis ging bei diesen Paaren aber nicht zweisam verbrachte Stunde tenden-
wenn der Unabhängigkeitsdrang ei- zulasten der Beziehungszufrieden- ziell eher unzufriedener als glückli-
nes der Partner stark ist, kann dar- heit, denn sie hatten ja die Distanz, cher. Diese Paare wären also vermut-
unter die Beziehung leiden – es sei die sie brauchten. Bei den zusammen- lich gut beraten, mehr Abstand zu
denn, man entschließt sich von vorn- lebenden Paaren hingegen häuften halten. TSA

herein, eine Beziehung auf (räumli- sich Konflikte und Missstimmungen,


Birk Hagemeyer u.a.: When “together” means “too close”:
che) Distanz zu führen. sobald einer der beiden Partner einen Agency motives and relationship functioning in coresi-
dent and living-apart-together couples. Journal of Per-
Das ist die Quintessenz einer Stu- starken Freiheitsdrang innerhalb der
sonality and Social Psychology, 109/5, 2015, DOI: 10.1037/
die von Birk Hagemeyer von der Uni- Beziehung hatte. Vielleicht frustet pspi0000031

30 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


GENUSS tröstet die Seele.
Alles, was sie beruhigt
IST KEINE SÜNDE.

UC H ALS
A
APP

DAS BEWEGT MICH!

PSYCHOLOGIE
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PSYCHOLOGIE NACH ZAHLEN

„JA, WAS HAT ER DENN?“


Zu betagten Menschen spricht man am besten wie zu Kindern —
und 6 weitere Mythen rund um das Alter
VON THOMAS SAUM-ALDEHOFF

D
er Ausdruck „Anti-Aging“ sagt Mensch kann dann zwar hören, aber nicht Alter über 85. Das Vergessen von Namen
alles: Alter wird heute fast wie ei- verstehen, was man gesagt hat. Ein be- und selten genutzten Fakten ist eine nor-
ne Krankheit behandelt, gegen die mutternder Tonfall – langsam, schlicht, male Alterserscheinung, ebenso das Ge-
es beizeiten Mittel zu ergreifen gilt. Das überbetont, mit hoher Stimme und „kind- fühl, dass einem etwas auf der Zunge liegt
liegt wohl auch daran, dass so falsche An- gerechten“ Kosewörtern – ist nicht nur und nicht einfallen will. Alarmzeichen
nahmen über den letzten Abschnitt des bevormundend, sondern zum Teil wir- sind, wenn man etwa die Regeln eines ge-
Lebens in Umlauf sind. Joan Erber und kungslos. Langsam sprechen fördert zwar liebten Spiels nicht mehr kennt oder den
Lenore Szuchman, die als emeritierte Psy- das Verstehen, aber nur bis zu dem Punkt, Heimweg nicht findet.
chologieprofessorinnen in der Forschung an dem die natürliche Sprachmelodie ver-

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wie im Leben einschlägige Erfahrungen lorengeht. Überbetonung bringt gar MIT DER RENTE
gesammelt haben, entkräften in ihrem nichts. Wohl aber Blickkontakt. WERDEN WIR ALLE ZU
Buch 37 Mythen über das Alter. Hier sie- HYPOCHONDERN

2
ben der gängigsten: IM ALTER WIRD MAN Bisweilen ist das Wartezimmer beim Arzt
ERST VERGESSLICH voll mit alten Leuten. Wird man im Alter

1
ZU ALTEN SPRICHT MAN UND DANN DEMENT wehleidiger, neigt man dazu, sich Krank-
ILLUSTR ATION: STEFAN BACHMANN

AM BESTEN LAUT, Der Begriff „senile Demenz“ suggeriert, heiten einzubilden? Studien kamen zu
LANGSAM UND BETONT dass Alzheimer & Co fest mit dem Alter dem Ergebnis, dass Hypochondrie im Al-
Ja, es ist wahr: Vor allem sehr alte Men- verkettet sind. Doch erstens kommen De- ter nicht häufiger auftritt als in anderen
schen haben oft Probleme mit dem Gehör. menzerkrankungen auch in jüngeren Jah- Lebensphasen. Mit den Jahren tut einfach
Wenn dem so ist, spricht man automatisch ren vor, und zweitens sind die meisten mehr weh. Manchmal ist es etwas Ernstes.
lauter mit der oder dem Betreffenden. daheim lebenden alten Menschen nicht Häufige Arztbesuche sind dann eine Stra-
Doch ab einem bestimmten Punkt ver- dement. Betroffen sind bis zu 10 Prozent tegie, sich zu vergewissern, dass die Sym-
zerrt das Geschrei die Sprache. Der alte im Alter über 65 und bis zu 30 Prozent im ptome nichts Schlimmes bedeuten.

32 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


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ALTWERDEN IST AM ENDE WIRD
DEPRIMIEREND DIE ZUKUNFT
In einer großen Umfrage in 26 BEDEUTUNGSLOS Die neue Studie zu
Ländern schätzten die Teilnehmer, dass Je älter man wird, desto mehr verkürzt
alte Menschen depressiver sind als jede sich die persönliche Zeitperspektive: Die Jugend, Vorsorge
andere Altersgruppe. Die Vorstellung von Lebensspanne, die noch vor einem liegt,
den „depressiven Alten“ ist in der Tat weit- ist auch bei optimistischster Prognose be-
und Finanzen
verbreitet. Und sie scheint ja auch plausi- grenzt. Man könnte also meinen, dass al-
bel: Am Ende des Lebens häufen sich die te Menschen nur noch in der Vergangen-
Gebrechen, liebe Freunde sterben weg, der heit leben und sich nicht mehr um die
Lebensradius verengt sich. Umso über- Zukunft scheren. Das trifft überhaupt
raschter waren die Forscher, als eine ame- nicht zu. In einer deutschen Studie ana-
rikanische Bevölkerungsstudie 2010 zu lysierten Jacqui Smith und Alexandra
dem Ergebnis kam, dass Depressionen im Freund über vier Jahre hinweg die Aus-
Alter seltener auftraten. 4,1 Prozent der sagen von Frauen und Männern im Alter
Gesamtbevölkerung, aber nur 2,1 Prozent von 70 bis 103 Jahren, die nach ihren Hoff-
der Menschen ab 65 litten an einer schwe- nungen und Befürchtungen für die Zu-
ren Depression. Am stärksten gefährdet kunft befragt wurden. Wie sich heraus-
war die Altersgruppe zwischen 45 und 64 stellte, hatten sie konkrete und lebhafte
Jahren. In Pflegeheimen ist die Situation Vorstellungen davon, was sie erwarteten
allerdings anders: Von 76 735 untersuch- – und diese Erwartungen waren keines-
ten Bewohnern in Ohio hatten 48 Prozent wegs starr, sondern im Wandel. Viele der
die Diagnose Depression. Hoffnungen kreisen im Alter darum, ge-
sund und geistig fit zu bleiben – und die-

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MIT DEM ALTER ses Leitbild ist motivierend, Körper und
KOMMT DIE WEISHEIT Geist bestmöglich in Schuss zu halten.
Das ist eines der wenigen positiven

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Stereotype über das Alter, aber leider JE NÄHER DER TOD
scheint auch das nicht zuzutreffen. Wis- RÜCKT, DESTO MEHR
senschaftler definieren Weisheit als ein FÜRCHTET MAN IHN Wer heute in das Berufsleben eintritt, soll sich
tiefes Wissen um das Leben und seine Trotz allem Zukunftsoptimismus sind vom ersten Tag an um seine Alterssicherung
Wechselfälle und Begrenzungen. Ein wei- sich alte Menschen natürlich bewusst, dass kümmern. Wer das nicht tut, ist später von
ser Mensch betrachtet ein Problem aus der Tod näherkommt. Blicken sie ihm mit Altersarmut bedroht. Wohl noch nie stand
verschiedenen Perspektiven, wägt ab, zieht zunehmender Angst entgegen? Richtig ist: eine junge Generation so stark im Span-
keine voreiligen Schlüsse. Dazu braucht Wenn der Tod tatsächlich naherückt, sinkt nungsfeld von eigener Verantwortung und
man viel Lebenserfahrung – sollte man oft das Wohlbefinden (siehe Heft 4/2016). staatlicher Regulierung.
meinen. In einem klassischen Experiment Doch generell nimmt die Todesfurcht mit Die Studie gibt Aufschluss darüber, welche
bat die Berliner Forschungsgruppe des dem Alter eher ab. Am stärksten ist sie in Einstellungen Jugendliche und junge Er-
verstorbenen Psychologen Paul Baltes Pro- der Lebensmitte. Für die meisten alten wachsene zu Vorsorge und Finanzthemen
banden unterschiedlichen Alters, einem Menschen hat der Tod an sich wenig Schre- haben. Ergänzt wird sie durch Beiträge euro-
fiktiven Menschen bei einem beschriebe- cken. Sie machen sich eher Sorgen um den päischer Wissenschaftlerinnen und Wissen-
nen Lebensproblem einen guten Rat zu zurückbleibenden Lebenspartner, und es schaftler. Sie analysieren die Lösungsansätze
geben. Das Ergebnis: Nur fünf Prozent beunruhigt sie die Vorstellung, dass sie in verschiedenen Ländern und machen ein-
der Antworten erfüllten die Kriterien von starke Schmerzen haben könnten. „Sie dringlich klar: Nicht nur in Deutschland ist die
Weisheit – und die waren gleichmäßig wünschen sich, den Sterbeprozess halb- nachhaltige Alterssicherung in Gefahr.
über die Altersgruppen verteilt. Ältere wegs unter Kontrolle zu haben“, schreiben
Menschen gaben also nicht weisere (aber Joan Erber und Lenore Szuchman, „und
2016, 224 Seiten, broschiert, € 12,95
auch nicht weniger weise) Antworten als in Würde zu sterben.“
ISBN 978-3-7799-3369-4
junge. Eine erstrebenswerte Eigenschaft
Auch als E-Book erhältlich
ist Weisheit im Alter aber allemal. Alte LITERATUR
Menschen, die als weise beurteilt werden, Joan T. Erber, Lenore T. Szuchman: Great myths of
sind oft zufriedener mit ihrem Leben. aging. Wiley Blackwell, Chichester 2015

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 www.juventa.de


www.juventa.de JJUVENTA
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UVENTA
Doktorspiele 2.0
Kindliche Sexualität ist ein Tabuthema.
Mütter und Väter blenden es
am liebsten aus. Zugleich haben Jungen
und Mädchen heute schon im Vorschulalter
Zugriff aufs Internet – und können
an eindeutiges Material gelangen
VON SYLVIA MEISE

34 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


K
ita geschlossen. Krisenstab. Fristlo- Kindergärten sowie den Lehrplänen der weiterfüh-
se Kündigung der Mitarbeiter. Die renden Schulen zum institutionell verankerten Bil-
Gründe für diese drastischen Maß- dungsauftrag. Doch in der Praxis ist das oft schwie-
nahmen schienen triftig. Über Wo- rig. Nicht immer liegt die Schuld dafür bei der Ein-
chen hinweg sollte es in der Mainzer richtung. Manchmal verweigern sich auch die Eltern
Kindertagesstätte „Maria Königin“ zu aggressivem dem Dialog, etwa wegen strenger religiöser Vorschrif-
und sexuell übergriffigem Verhalten gekommen sein. ten. Im Kindergarten treffen daher zum Bereich Se-
Und zwar unter den Kindern, und ohne dass Erwach- xualität die unterschiedlichsten Einstellungen von
sene eingeschritten wären. Als besorgte Eltern diese entspannt über verklemmt bis überfordert oder nach-
Vorwürfe im vergangenen Jahr öffentlich machten, lässig aufeinander.
war die mediale Aufmerksamkeit groß, die Fassungs-
losigkeit überregional. Doch einige Monate später er- „Komm, wir ficken“
öffneten die Ermittler: Belastbare Indizien fehlen. Die Am Beispiel der evangelischen Kita Rosengarten, die
Eltern hätten überreagiert, heißt es in den nun weni- in einem sozialen Brennpunkt in Frankfurt-Nied
ger zahlreichen Berichten. Kein Skandal, keine Story. liegt, lässt sich ablesen, welche Herausforderungen
So ungreifbar diese Geschichte ist: Sie verdeutlicht aus diesem Mix erwachsen. Zu den immer wieder-
das Spannungsfeld, in dem sich kindliche Entwick- kehrenden Aufgaben gehört hier der Umgang mit
lungs- und erwachsene Erziehungsaufgaben heute sexuell aufgeladenen Spielen und Vokabular. Es sei
befinden. Einerseits sollen Mädchen und Jungen ei- nicht ungewöhnlich, dass Vorschulkinder den Ge-
nen entspannten und selbstbewussten Umgang mit schlechtsakt nachspielen, berichtet Leiterin Ulrika
ihrem Körper lernen. Andererseits denken ihre Eltern Ludwig: „Da sehen wir einen Jungen und ein Mäd-
bei kindlicher Sexualität schnell an Missbrauch. Das chen unter dem Tisch. Die sind natürlich angezogen,
hat die Kölner Psychologin Elisabeth Raffauf regis- ziehen sich aber dennoch eine Decke über, und der
triert. Sie berichtet, Mütter und Väter würden bei Junge führt entsprechende Bewegungen durch.“
diesem Thema zuerst auf das böse Ende schauen, auf Letztlich spielten sie altersgemäße Rollenspiele – aber
mögliche Gefahren. Dabei sei kindliche Sexualität in einer eben nicht altersgemäßen Variante.
„neugieriges Forschen und Entdecken – also etwas Explizit sexuelles Vokabular wird in der Kita Ro-
Schönes!“. Jungen und Mädchen erkunden ihren sengarten nicht geduldet. Trotzdem musste das Team
Körper genauso wie einen neuen Raum oder ein neu- lernen zu verstehen: „Die Kinder spielen nach, was
es Spielzeug. Erwachsene müssten verstehen, dass sie beschäftigt, und geben wieder, was sie gehört ha-
dieses neugierige Explorieren zur gesunden Entwick- ben. Also auch Sätze wie ‚Komm, wir ficken‘“, sagt
lung eines Kindes gehört, meint Raffauf. die Leiterin.
Im Nachhinein hat sich die Schließung der Main- Der Umgang mit Sexualität habe sich auch gegen-
zer Kita als überzogen herausgestellt. Ob Eltern und über Kindern stark verändert, hat die 61-Jährige be-
Betreiber mit mehr Hintergrundwissen umsichtiger obachtet: „Wörter auszusprechen wie ‚ficken‘ war für
gehandelt hätten? Um die Grenzen zwischen norma- meine Generation noch undenkbar. Bis vor ein paar
ler Entwicklung und Missbrauch deutlich zu machen, Jahren konnte man davon ausgehen, dass Kinder-
hält die Psychologin Raffauf ein sexualpädagogisches gartenkinder solche Vokabeln nur nachplappern,
Konzept für sinnvoll: „Nur damit gibt es Klarheit. ohne zu wissen, was sie bedeuten.“ Heute dagegen
Dann kann das Team jederzeit erklären, dass und verstehen Kinder den Inhalt ebenso – und sie mer-
warum es Kuschelecken gibt oder wie mit Nacktheit ken, dass sie bei Erwachsenen damit unterschiedliche
umgegangen wird.“ In der Realität fehlen solche Leit- Reaktionen auslösen können. Doch woher kennen
linien jedoch meist, mehr noch: Mütter, Väter, Er- Jungen und Mädchen solche Begriffe? Ulrika Ludwig
zieher und Erzieherinnen klammern das tabubesetz- vermutet, dass die Vorlagen von älteren Geschwistern
te Thema lieber aus. Raffauf jedoch meint, es sei stammen, aus den Medien oder „durch einen Um-
ILLUSTR ATIONEN: MAGDA WEL

enorm wichtig, dass die Erziehungspartnerschaft gang der Eltern mit diesem Thema, den ich als lax
zwischen Kindertagesbetreuung und Eltern auch das bezeichnen würde“.
Thema Sexualität umfasst. Darauf angesprochen reagierten manche Mütter
Ein transparenter Umgang mit dem sensiblen Ge- und Väter erschrocken, andere wischten das Thema
genstand sollte eigentlich selbstverständlich sein. zur Seite. Es gebe sogar Eltern, die anböten, mal einen
Schließlich gehört Sexualerziehung gemäß den Bil- Porno auszuleihen. Zwar bringt Ulrika Ludwig nach
dungs- und Erziehungsplänen für Grundschulen und 30 Jahren Berufserfahrung so schnell nichts aus der

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 35


Fassung. Doch sie macht deutlich: „Vorschulkinder Im Internet stoßen Kinder ohne größeren Auf-
mit Pornografie zu konfrontieren ist eine Form von wand auf sexualisierte Inhalte. Zugleich fristet die
sexuellem Missbrauch, also Kindeswohlgefährdung.“ frühe Sexual- und Medienerziehung ein Schatten-
Eltern wie diese sind sicher nicht die Regel. Zwar dasein. Wo finden Jungen und Mädchen eigentlich
gibt es nur wenige Daten zu Art und Umfang der Antworten auf die Fragen, die sie zu Hause nicht zu
Mediennutzung bei Kindergartenkindern, doch stellen wagen? Paradoxerweise oft auch: im Internet.
dürfte es die Ausnahme sein, dass sie an Pornografie Der Verband pro familia etwa unterhält die Online-
geraten. Leider ist es aber auch eine Ausnahme, dass informationsportale sexundso.de – für Kinder und
Eltern sich darum kümmern, welche digitalen In- Jugendliche ab zehn Jahren – sowie sextra.de für äl-
halte Kinder in ihren eigenen Zimmern, bei Freunden tere Jugendliche. Ein weiteres Angebot für diese Al-
oder bei den Geschwistern konsumieren. Dabei ist tersgruppe verantwortet die Bundeszentrale für ge-
die Erziehung zu Medienkompetenz heute eine un- sundheitliche Aufklärung unter loveline.de.
erlässliche Grundlage, um sexualisierte, betrügeri- Doch auch jüngere Kinder haben Fragen. Das zeigt
sche und unaufrichtige Inhalte in sozialen Netzwer- jede Woche die WDR-Kinderradiosendung Herzfunk,
ken oder andernorts im Internet zu erkennen. Oder die mittlerweile seit fast 15 Jahren läuft und von der
um Heranwachsenden klarzumachen, dass das Ins- Psychologin Elisabeth Raffauf zusammen mit den
Netz-Stellen von intimen Handybildern und -videos Journalistinnen Katrin Sanders und Monika Freder-
– Sexting Pics genannt – tabu sein sollte. king geleitet wird. Das Besondere daran: Kinder be-
Doch sowohl Eltern als auch Pädagogen sträuben antworten als Experten die Fragen anderer Kinder.
sich vor dieser Aufgabe. 2014 wurden für eine Allens- Die Fragen, die dem Herzfunk-Team bisher gestellt
bach-Erhebung im Auftrag der Telekom-Stiftung 1500 wurden, sind erstaunlich konkret. Die Kinder wollen
Eltern von Klein- und Grundschulkindern sowie Ki- etwa wissen, „was in den Hoden drin ist“, wie man
tapersonal und Grundschullehrkräfte zur Medienpä- sich verliebt oder ob Sex wehtut. Sogar Fragen zum
dagogik befragt. Dabei stieß die Medienfrüherziehung Thema Missbrauch werden gestellt – und in der vor-
auf viel Ablehnung. Vor allem wollte sich niemand gegebenen Länge von drei Minuten beantwortet. Sind
darum kümmern. Erzieherinnen sahen die Mütter Kinder heute frühreif? Raffauf, die auch Autorin von
und Väter in der Pflicht; diese wiederum sagten, Me- Entwicklungs- und Erziehungsratgebern ist, verneint:
dienfrüherziehung müsse nicht unbedingt sein. „Nicht, was die Fragen zum Thema Sexualität be-
Zwar nutzen der Umfrage zufolge Kindergarten- trifft.“ Da habe sich in den vergangenen Jahren wenig
kinder kaum digitale Medien, sondern am liebsten geändert. Allerdings seien Kinder heute früher ge-
Bücher, Kassetten und Filme. Das jedenfalls antwor- schlechtsreif. Auf der Ebene der körperlichen Ent-
teten die Eltern. Gleichzeitig zeigen Erhebungen durch wicklung und Reifung hat sich der Zeitplan verscho-
die Landesmedienanstalten, dass Kinderzimmer flä- ben, das zeigen Daten des Robert-Koch-Instituts. Die
chendeckend mit Fernsehern ausgestattet sind und typischen Anzeichen der Pubertät – Mädchen werden
dass Grundschüler und teilweise auch schon Kinder- rundlicher und haben ihre erste Regelblutung, Jungen
gartenkinder über Handys und Tablets verfügen. bekommen mehr Muskeln und haben ihren ersten
Samenerguss – stellen sich mittlerweile schon ab 11
Jahren ein. „Dass die Seele da mithält“, bezweifelt die
JUGEND ONLINE Psychologin. „Unsere Aufgabe als Erwachsene ist,
Kindern dabei zu helfen, ihre Gefühle einzuordnen.“
Nach den aktuellen Statistiken des Medienpädagogischen For- Und diese Hilfestellungen scheinen prinzipiell zu
schungsverbunds Südwest (2015) zur Mediennutzung von Kin- funktionieren. Die Statistiken der BZgA dokumen-
dern und Jugendlichen nutzen 63 Prozent der Sechs- bis 13-Jäh- tieren bei Jugendlichen seit Jahren ein zunehmendes
rigen zumindest selten das Internet. Ab zehn Jahren verfügen
Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Sexu-
fast alle Kinder über ein Handy, ab 14 gehört die Internetnutzung
alität. Auch Teenagerschwangerschaften gehen stetig
bereits zum Alltag. Das Medium Internet birgt nicht nur die
zurück. Möglicherweise zeigt die Sexualerziehung
Möglichkeit, sich zu vernetzen, oder das Risiko, auf pornogra-
fische Inhalte zu stoßen, sondern auch die Gefahr, Ziel von un-
in Schulen und Kindergärten langfristig Wirkung.
erwünschten Annäherungsversuchen seitens Erwachsener zu Allerdings hat diese Auslagerung der Aufklärung
werden. auch unerwünschte Begleiterscheinungen mit sich
gebracht. Offenbar haben sich die Eltern vom Thema
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, www.mpfs.de entfremdet. Ein Beispiel: 2014 wandten sich aufge-
brachte Baden-Württemberger mit einer Petition ge-

36 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


gen die Neufassung des schulischen Sexualkunde-
unterrichts für Jugendliche. Mit 200 000 Stimmen
sprachen sich die unterzeichnenden Mütter und Vä-
ter dagegen aus, dass Homosexualität in Schulen the-
matisiert wird. Im selben Jahr traf die Soziologin
Elisabeth Tuider, Professorin an der Universität Kas-
sel, ein Shitstorm. Sie hatte in einem Interview gesagt,
dass sexualpädagogisch Tätige oftmals die ersten
Personen seien, „mit denen sich Jugendliche trauen,
ihre Fragen und Irritationen zu besprechen“. Im Zwei-
felsfall eben auch über Analverkehr, Homosexualität
und Sexspielzeuge.
Kinder und Jugendliche scheinen also im Großen
und Ganzen gar nicht so schlecht zurechtzukommen.
Doch wie die Aufregung um die Mainzer Kita im
vergangenen Jahr gezeigt hat, sind da ja noch die be- tellisiert“ werden. Je nach individueller Sensibilität Auch jüngere
sorgten Erwachsenen. Aber wie berechtigt sind deren könne auch weniger schwerwiegendes sexuell über- Kinder haben
Fragen zur
Ängste überhaupt, gerade was Kindergartenkinder griffiges Verhalten zu erheblichen Schwierigkeiten Sexualität:
angeht? wie Leistungsabfall, Schulschwänzen sowie „inter- „Was ist in den
nalisierenden und externalisierenden Problemen“ Hoden drin?“
Gefährliche Gleichaltrige zum Beispiel
führen.
Marc Allroggen, Oberarzt am Ulmer Universitäts- Was meint der Experte – könnte hier eine früh
klinikum für Kinder- und Jugendpsychiatrie, sagt, ansetzende Sexualerziehung helfen? Allroggen
tatsächlich gebe es sexuell problematisches Verhalten bremst: „Offensichtlich zeigt die Mehrheit der Kin-
auch bei Kindergartenkindern. Die Ursachen seien der kein problematisches sexualisiertes Verhalten.
individuell verschieden: „Diskutiert wird ein Zusam- Also funktioniert die Erziehung in diesem Bereich
menhang mit eigenen Missbrauchserfahrungen. Wir überwiegend gut. Was wir brauchen, ist eine Be-
wissen jedoch, dass solche Verhaltensweisen auch bei standsaufnahme: Wie viele Kinder betrifft es?“ Die
Kindern auftreten können, die emotional nicht gut nächste Frage müsse sein: welche Kinder? Allroggen:
versorgt sind.“ Allroggen schränkt allerdings ein, ihm „Danach erst kann man überlegen: Was können wir
seien nur Einzelfälle bekannt. Wie viele Kinder in tun?“ Ein besonnener Fahrplan.
Deutschland insgesamt betroffen sind, lasse sich nicht Besonnenheit könnte auch dazu taugen, Gerüch-
sagen. te zu entlarven. Das wirklich Bedrückende an der
Als potenzielle Täter sexuellen Missbrauchs wer- Mainzer Geschichte ist, dass sich Eltern und Jour-
den meist klischeehaft „fremde Männer“ vermutet. nalisten gegenseitig in ihrer Aufregung befeuert ha-
Womöglich geht die Gefahr jedoch viel häufiger von ben. Die Leitung der Kindertagesstätte „Maria Kö-
Gleichaltrigen als von Erwachsenen aus. Zu diesem nigin“ wurde wegen unterlassener Aufsichtspflicht
Schluss kommen Forscher um Marc Allroggen und angeklagt und der Pfarrer vor Ort wegen Missbrauch.
Jörg Fegert in einer aktuellen empirischen Untersu- Nichts davon war wahr.
chung. Im Fokus standen dabei jedoch nicht Kinder- Grundsätzlich unterscheidet sich Sexualität in
gartenkinder, sondern Jugendliche in Einrichtungen Zeiten des Internets ja nicht von der in Zeiten ana-
der Jugendhilfe und Internaten. Allroggen und Fegert logen Aufwachsens. Wichtig ist auch heute, dass Kin-
halten fest, dass sexuell übergriffiges Verhalten „eine der, aber ebenso Eltern Antworten auf ihre Fragen
der häufigsten Formen aggressiven Verhaltens ist, dem erhalten. Dafür braucht es Ruhe, Vertrauen und Be-
Schüler ausgesetzt sind“. Beunruhigend an diesen sonnenheit. PH
Ergebnissen ist, dass mildere Formen von sexuell be-
lästigendem Verhalten von einem Großteil der Mäd- LITERATUR
chen und Jungen als normal empfunden werden. Anja Henningsen, Elisabeth Tuider, Stefan Timmermanns (Hg.):
Absichtlich wurde der Begriff „sexueller Über- Sexualpädagogik kontrovers. Beltz Juventa, Weinheim 2016
griff“ weit ausgelegt. Ob ungewolltes Geküsstwerden, Silke Hubrig: Sexualerziehung in Kitas. Beltz, Weinheim 2014
Nötigung oder gar Vergewaltigung – keine Form se- Elisabeth Raffauf: So schützen Sie Kinder vor sexuellem Miss-
xueller Belästigung sollte als „jugendtypisch baga- brauch. Prävention von Anfang an. Patmos, Ostfildern 2012

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„Wir sind abgeschnitten vom
Rest der Menschheit“
Sechs Menschen, zwölf Monate, eine Mission: Das amerikanische
Forschungsprogramm HI-SEAS simuliert das Zusammen-
leben in einer Marsstation. Unter den Teilnehmern des aktuellen Projekts
ist auch die Deutsche Christiane Heinicke. Ein Gespräch über den
Einsatz als Versuchsperson, das eigene Leben als Experiment –
und ungeahnte Sehnsüchte

Das kuppelför-
mige Habitat am
Hang des Mauna
Loa dürfen die
„Astronauten“
nur in Rauman-
zügen verlassen

38 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Frau Dr. Heinicke, Sie leben seit August 2015 in der Zeit ändert. Dazwischen haben wir im Prinzip
einer besonderen Wohngemeinschaft: Zusam- Freizeit, die wir unter unseren eigenen wissenschaft-
men mit fünf anderen Wissenschaftlern bevöl- lichen Projekten, Sport und Hobbys aufteilen. Das
kern Sie für ein Jahr eine simulierte Marsstation Abendessen ist eines der wichtigsten Ereignisse, da
auf Big Island, der größten hawaiianischen Insel. kommen wir alle zusammen und reden über unseren
Wie außerirdisch fühlt sich Ihr Leben derzeit an? Tag. Anschließend unternehmen wir oft etwas ge-
Nun, es fühlt sich nicht an, als wären wir auf einem meinsam; mittwochs ist Spiele-, freitags Filmabend.
anderen Planeten, denn wie in Deutschland gibt es Christiane Heinicke, Jeder hat einen Tag Küchendienst, samstags ist Res-
hier Wolken, Wind und blauen Himmel, die wir auch 30, ist promovierte teessen, und am Sonntag putzen wir. An etwa zwei
Physikerin. Die Bit-
aus unserem einzigen Fenster sehen können. Dafür terfelderin studierte
Tagen in der Woche haben wir Außeneinsätze, so-
wirkt die vegetationslose Vulkanlandschaft von Ha- in Ilmenau und Upp- genannte EVAs.
waii umso fremdartiger. Dazu kommt die geografi- sala. Bevor sie sich Wie weit dürfen Sie sich bei diesen Ausflügen
für die Teilnahme
sche und soziale Isolation: Wir sind definitiv weit vom Habitat entfernen?
bewarb, arbeitete sie
weg von allem Geschehen daheim. Da macht es kei- an der Aalto Univer- Etwa zwei Kilometer. Das klingt wenig, aber auf dem
nen Unterschied, ob 50 Millionen oder nur 50 Kilo- sity in Helsinki. Über Lavagestein und im Anzug kommt man nur langsam
ihr Leben im Habitat
meter dazwischen liegen – wir sind abgeschnitten vorwärts, sodass wir für diese Distanz etwa eine Stun-
schreibt sie auf
vom Rest der Menschheit. www.scilogs.de/ de brauchen. In der Regel dauern unsere Außenein-
Sie und Ihre fünf Mitbewohner sollen über die leben-auf-dem-mars sätze zwei bis drei Stunden, und das schließt die Ar-
Dauer Ihres Aufenthalts unter möglichst ähnli- beit selbst ein, den Weg dorthin und fünf Minuten
chen Bedingungen leben, wie es Astronauten auf in der Luftschleuse beim Ein- und Ausstieg.
Marsmission tun würden. Was bedeutet das? Sie sind sonst seit mehreren Monaten umgeben
Wir wohnen in einem kuppelförmigen Habitat, das von immer denselben Menschen, denselben Din-
wir nur in Raumanzügen verlassen können. Das Ha- gen, auf begrenztem Raum. Wie erleben Sie das?
bitat steht am Hang des Vulkans Mauna Loa inmit- Wir suchen uns abwechslungsreiche Beschäftigun-
ten ausgedehnter, praktisch vegetationsloser Lava- gen. Ich zum Beispiel lerne Französisch und Mund-
felder, fernab der Zivilisation. Jeglicher Kontakt mit harmonika. Einige von uns arbeiten an wissenschaft-
der Außenwelt ist auf E-Mails beschränkt, die wegen lichen Projekten. Wenn das Neue nicht mehr zu uns
des großen Abstands zwischen Mars und Erde 20 kommen kann, erschaffen wir eben Neues.
Minuten lang zu uns unterwegs sind. Die letzte Per- Wie hat sich die Beziehung zu Ihren Mitbewoh-
son, die wir von uns einmal abgesehen in natura ge- nern seit dem Einzug verändert?
sehen und gehört haben, ist die Studienleiterin, die Im Großen und Ganzen haben sich Tendenzen, die
im August die Tür hinter uns geschlossen hat. sich am Anfang schon abgezeichnet haben, verstärkt.
Wie sieht Ihr Alltag derzeit aus? Diejenigen Crewmitglieder, mit denen ich beim Ein-
Es gibt sieben Fragebögen, die wir jeden Tag ausfül- zug auf gutem Fuß stand, sind heute enge Freunde,
len, dazu kommen weitere wöchentliche und monat- während ich die, mit denen es gleich Reibereien gab,
liche. An ausgewählten Tagen führen wir Gruppen- bestenfalls als Kollegen oder Mitbewohner bezeich-
experimente durch, die unter anderem untersuchen nen würde.
sollen, wie sich der Zusammenhalt im Team im Lauf Wie gehen Sie mit dem Thema Sex um? Ist Sex
„erlaubt“, sind Beziehungen gar erwünscht?
Vonseiten der Studienleitung ist Sex weder verboten,
noch wird er gefördert. Wir wurden nur darauf hin-
WAS IST HI-SEAS? gewiesen, dass Beziehungen problematisch werden
können, wenn sie zerbrechen – man kann dem oder
Das Programm Hawai‘i Space Exploration Analog and Simulation
der Ex hier schließlich nicht aus dem Weg gehen.
(HI-SEAS) ist ein Projekt der Universität von Hawaii. Mit Unter-
Crewintern waren wir uns alle von Beginn an einig,
stützung der US-Raumfahrtbehörde NASA erforschen Wissen-
dass Beziehungen akzeptabel sind, solange sie die
schaftler seit 2012, wie sich das isolierte Zusammenleben auf eine
FOTOS: CYPRIEN VERSEUX

Gruppe auswirkt. Dafür werden je sechs freiwillige „Astronauten“


Mission nicht beeinträchtigen. Zu den Situationen,
ausgewählt, die gemeinsam mehrere Monate in einer simulierten die wir uns vorgenommen haben zu vermeiden, zäh-
Marsstation zubringen. Die Forscher erhoffen sich unter anderem len lautstarke Konflikte, Eifersüchteleien, aber auch
Erkenntnisse über die ideale Zusammensetzung künftiger Astro- das Gegenteil: allzu öffentliches Herumgeknutsche.
nautenteams. Die aktuelle vierte Mission ist die erste mit einer Klappt das?
Länge von einem Jahr. www.hi-seas.org Bisher ja – zumindest habe ich noch keine der eben

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 39


genannten Verhaltensweisen hier beobachtet. Die anderen behaupten, dass ich 30 Stunden am Tag
In anderen Isolationsstudien kam es zu teils er- schlafe. Tatsächlich ist es aber in etwa so viel wie vor
heblichen Spannungen in der Gruppe. Missionsbeginn. Ich achte darauf, regelmäßig aus-
Bei uns läuft bisher alles friedlich ab. Klar hatten wir zuschlafen, damit ich mich besser konzentrieren
Auseinandersetzungen, und zwei- oder dreimal ha- kann. Schwieriger ist für mich der Bewegungsman-
ben sich einzelne Crewmitglieder für den Rest des gel. Einige von uns treiben täglich mehrere Stunden
Tages in ihre Zimmer zurückgezogen. Aber jedesmal Sport, wir haben hier ein Laufband, ein Generator-
haben wir spätestens am nächsten Morgen wieder fahrrad und Yogamatten. Das ist mir zu eintönig:
miteinander gesprochen und zusammen gearbeitet. Nach einer halben Stunde auf dem Fahrrad hatte ich
Was haben Sie im Verlauf des Aufenthalts lernen genug für den Rest der Mission. Im Moment nutze
müssen – über sich und andere? ich das Laufband regelmäßig – und lese dabei.
Ich habe mich immer für eine schlechte Köchin ge- Die Stimmung von Teilnehmern ähnlicher Isola-
halten. Doch tatsächlich gibt es an meinen Küchen- tionsexperimente soll sich laut Studien nach einer
diensttagen die wenigsten Reste, egal wie voll der gewissen Zeit verschlechtern. Bemerken Sie so
Topf vorher war. Dass ich zum Beispiel viel toleran- etwas bei sich oder Ihren Mitbewohnern?
ter geworden bin, glaube ich aber nicht. Ich habe Das würde man vor allem ungefähr zur Halbzeit er-
schon immer dazu geneigt, kleine Fehler oder Un- warten, zu Beginn des sogenannten dritten Viertels,
achtsamkeiten durchgehen zu lassen. Erst wenn sie wenn der Alltag längst eingetreten, das Ende der Mis-
sich häufen, bringe ich sie zur Sprache. Ich denke, sion aber noch lange nicht in Sicht ist. Mir selbst ist
wer ständig auf Kleinigkeiten herumreitet, macht sich um die Zeit herum keine Verschlechterung aufgefal-
selbst das Leben schwerer. len. Das muss aber nichts heißen – wir wären nicht
Wie ist es um Ihre Privatsphäre bestellt? Gibt es die Ersten, denen diese schleichende Veränderung
so etwas für Sie derzeit überhaupt? entgangen ist. Genau deshalb führen wir ja regelmä-
Jeder hat sein eigenes Zimmer, das zwar winzig ist, ßig Experimente durch, die unsere Kooperationsbe-
aber mit allem Notwendigen ausgestattet. Wer seine reitschaft und Produktivität objektiv bewerten sollen.
Ruhe haben möchte, kann sich also zurückziehen. Was stört Sie in Ihrem Alltag am meisten?
Überhaupt: Wir haben zwar Kameras im Habitat, Wir können nicht spontan nach draußen gehen, wenn
die sind aber nur auf den Essbereich gerichtet. Labor, das schöne Wetter lockt. Dazu kommt, dass wir im-
Bad, Lagerraum, Gemeinschaftsraum, unsere Zim- mer einen Anzug tragen müssen, egal wie warm es
mer – all diese Bereiche sind nicht überwacht. ist. Daher ist es kein Zufall, dass meine Duschtage
Wie geht es Ihnen körperlich? Bemerken Sie Ein- mit unseren EVA-Tagen zusammenfallen.
schränkungen, was Bewegung, Schlaf, Konzent- Dürfen Sie nur begrenzt duschen?
ration angeht? Nein, aber intern wetteifern wir darum, wer am kür-

40 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


zesten duscht und somit am wenigsten Wasser ver- Zuhause für ein Das hängt vom Tag ab. Ich liebe unsere Außenein-
braucht. Unsere männlichen Teamkollegen liegen Jahr: Der Durch- sätze, besonders wenn wir uns dabei weiter vom Ha-
messer des
häufig unter einer Minute, ich schaffe es selten unter zweistöckigen bitat entfernen. Ich lerne wie gesagt Französisch und
zwei. Darüber hinaus haben wir uns angewöhnt, ein- Zeltbaus beträgt gelegentlich Morsecode. Theoretisch übe ich auch,
bis zweimal in der Woche zu duschen, bevorzugt nach nur zwölf Meter Mundharmonika zu spielen, aber dazu bin ich schon
schweißtreibenden Aktivitäten. Dazwischen waschen seit einigen Wochen nicht mehr gekommen.
wir uns; es stinkt niemand. Sie werden teils von Kameras beobachtet, Puls,
Was fehlt Ihnen besonders? Schlaf, Bewegungen werden aufgezeichnet. Wis-
Frische Tomaten! Wir arbeiten daran, aber es ist nicht senschaftler aus aller Welt erhoffen sich daraus
einfach, hier Pflanzen zu ziehen. Erkenntnisse zum Beispiel dazu, wie sich das Zu-
Was ist daran so schwierig? sammenleben in isolierten Gruppen entwickelt.
Unsere Pflanzen leiden unter Lichtmangel und einer Wie viel bekommen Sie davon mit?
Fliegenplage. Hier auf 2500 Meter Höhe verirrt sich Die Kameras sind ja nur auf den Essbereich ausge-
selten ein Lebewesen. Aber irgendwoher haben sich richtet und zeichnen keinen Ton auf. Wir tragen Fit-
Fliegen in unseren Kompostiertoiletten eingenistet, ness-Tracker am Handgelenk, die spürt man kaum.
und deren Larven mögen auch junge Pflänzchen. Andere Sensoren, die wir unter anderem um den Hals
Was essen Sie sonst? legen müssen, sind störender, aber die tragen wir nur
Unser „normales“ Essen besteht aus Gefriergetrock- zu bestimmten Zeiten. Neben dieser passiven Über-
netem, dazu Nudeln und Reis. Wir haben Gemüse, wachung führen wir regelmäßig die verschiedenen
Obst, Fleisch, Milch – alles, was man in der Küche Sozialexperimente durch. Die wohl meiste Zeit ver-
so braucht. Nur eben in dehydrierter Form. Der Vor- bringen wir aber mit dem Ausfüllen der Fragebögen.
teil: Alles ist schon in mundgerechte Stücke vorge- Darin geht es zum Beispiel um unsere Stimmung wäh-
schnitten, man braucht es nur noch in eine Schüssel rend des Tages, mit wem wir wie erfolgreich interagiert
mit Wasser werfen und warten. haben oder wie wir in der Nacht geschlafen haben.
Was ist für Sie die größte Herausforderung bei Inwieweit beeinträchtigt Sie die Rolle als Ver-
dieser Mission? suchsperson?
Das klingt vielleicht banal, aber ich vermisse, unge- Beeinträchtigen ist das falsche Wort. Klar würde ich
FOTO: CHRISTIANE HEINICKE

hindert geradeaus laufen zu können. Wir sind bis auf die Stunden am Tag, die für die Untersuchungen
fünf bis sechs Stunden in der Woche ständig drinnen. draufgehen, lieber für meine eigene Forschung nut-
Der Durchmesser unseres Habitats beträgt etwa zwölf zen. Aber ich gehöre auch zu dem Teil der Gruppe,
Meter, das ist die längste Strecke, die wir zurücklegen der sofort noch mehr Versuche auf sich nehmen wür-
können, ohne umkehren zu müssen. de, um aus dieser einmaligen Gelegenheit wissen-
Was tun Sie, um bei Laune zu bleiben? schaftlich so viel wie möglich herauszuholen.

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 41


Wie geht es Ihnen mit dem Mangel an sind; ich habe schon vor Beginn der Mis-
Natur? sion für längere Zeiten im Ausland gelebt.
Ich finde das Vulkangestein um uns herum Sie haben sich vorgenommen, während
nicht so trostlos, wie es sich für andere viel- der HI-SEAS-Zeit „mindestens eine
leicht anhört. Die Landschaft ist fremdar- Sprache zu lernen und ein Instrument“
tig und spannend für mich: Man sieht die – und ab und zu Kuchen zu backen. Wie
unmöglichsten Formen, in denen das Ge- sind Sie damit vorangekommen?
stein mitten im Fluss erstarrt ist. Nach fünf Die Französisch-Grundlagen sitzen, und
Monaten haben wir unseren Bewegungs- demnächst werde ich anfangen, mit unse-
radius allerdings so gut wie ausgeschöpft, rem französischen Teammitglied zu üben.
es wird zunehmend schwerer, noch Neues Zum Mundharmonikaspielen komme ich
zu entdecken. Dazu engt uns der Anzug nur sporadisch, das kann man leider nicht
ein, und es kann ziemlich lästig sein, eine nebenher auf dem Laufband machen. Ku-
interessante Gesteinsformation durch den chen backe ich gelegentlich, aber die ande-
Helm betrachten zu müssen und nicht mit ren backen auch sehr gern, sodass wir uns
den Fingern berühren zu können. Manch- mit dem Aufessen regelrecht beeilen müssen.
mal schaue ich mir sehnsüchtig Fotos von Und Ihre Forschung? Sie haben mit dem
alten Ausflügen an. Mal wieder nach einer Aufenthalt ja auch wissenschaftliche
schweißtreibenden Wanderung in einem Ziele verknüpft.
Waldsee zu baden wäre schon schön. Aber unser Le- Zwei bis drei Eines meiner Projekte ist die Gewinnung von Was-
ben hier ist so andersartig, dass ich wohl mehr irri- Stunden dauern ser aus dem Boden. Das Lavagestein hier ist vergleich-
die Außenein-
tiert als glücklich wäre, hier einen Baum oder einen sätze, bei denen bar mit dem Mars, sowohl was den Wassergehalt
See zu finden. Und die Abgeschiedenheit hat durch- sich die Teilneh- angeht als auch die chemische Zusammensetzung.
aus auch Vorteile: Selbst durch unser Fenster hin- mer maximal In einer Woche gewinne ich durch reine Verdunstung
zwei Kilometer
durch können wir problemlos die Milchstraße er- weit entfernen
etwa zwei Liter Wasser aus einem Quadratmeter Bo-
kennen. dürfen den. Die anderen Projekte beschäftigen sich unter
Jedes Crewmitglied hat nur begrenzten, um 40 anderem mit unserem Wasserverbrauch, unserem
Minuten verzögerten Zugang zum Internet. E- Schlafverhalten und Problemen, die mit Pflanzen-
Mails erreichen Sie erst mit 20 Minuten Verspä- wachstum auf Marsboden zusammenhängen.
tung. Die Möglichkeiten, Kontakt mit der Außen- Worin besteht für Sie der größte Reiz an dem HI-
welt zu halten, sind entsprechend gering. Wie hat SEAS-Experiment?
sich Ihre Art zu kommunizieren verändert? Für mich waren zwei Gründe für die Teilnahme aus-
Ich war nie der große Telefonierer, die Beschränkung schlaggebend: die persönliche Herausforderung und
auf E-Mails fällt mir daher meist gar nicht auf. Erst die Möglichkeit, aktiv zur Weltraumforschung bei-
bei Problemen, die sich per Mail einfach nicht effi- zutragen. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass ich
zient lösen lassen, vermisse ich die Möglichkeit, ein- einen recht tiefen Einblick in die Spezialgebiete mei-
fach zum Hörer zu greifen. Ich bin gezwungen, auch ner Teamkollegen erhalte.
komplizierte Sachverhalte schriftlich darzulegen. Was interessiert Sie da besonders?
Durch den Zeitverzug kann der Empfänger nicht mal Cyprien Verseux ist unser Astrobiologe, der hier un-
eben nachfragen, wenn etwas unklar geblieben ist. ter anderem an Cyanobakterien forscht. Das Faszi-
Dadurch erstrecken sich fast alle „Gespräche“ über nierende an diesen Bakterien ist, dass sie im Labor
längere Zeiträume. Was außerhalb der Station eine unscheinbar wirken, sie sehen fast wie ein Schluck
Stunde dauert, kann sich hier über mehrere Tage hin- Waldmeisterbrause aus. Tatsächlich steckt in ihnen
ziehen. großes Potenzial: Sie können das Leben auf dem Mars
Inwieweit beeinflusst Ihr Aufenthalt die Bezie- ermöglichen und als Nahrungsquelle, Sauerstofflie-
hung zu Freunden und Familie? ferant oder sogar Dünger für Pflanzen dienen.
FOTOS: CYPRIEN VERSEUX

Ich tausche mit ihnen gelegentlich Videonachrichten Wie hoch ist eigentlich die Vergütung dafür, ein
aus, wobei ich es immer noch eigenartig finde, mit Jahr die Kontrolle über sein Leben abzugeben?
einer Kamera zu sprechen. Ich denke, unser Kontakt Wir erhalten eine Aufwandsentschädigung, freies
hat sich vom Umfang her wenig geändert, nur das Essen und freie Unterkunft. Im Gesamtwert ent-
Medium ist jetzt ein anderes. Vermutlich hilft es, dass spricht das dem, was ich in Deutschland als wissen-
meine Freunde und Familie an die Trennung gewöhnt schaftliche Mitarbeiterin erhalten habe.

42 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Wie bereiten Sie sich auf die Rückkehr in die Zi- könnten. Meine Hoffnung ist, dass die Entwicklun-
vilisation vor? gen, die nötig sind, um das Überleben von Menschen
Den ersten Tag nach dem Ende der Simulation stel- auf dem Mars zu sichern, auch den „Daheimgeblie-
le ich mir schwierig vor – plötzlich wieder von so benen“ auf der Erde von Nutzen sein werden.
vielen Menschen umgeben zu sein. Deshalb werde Worauf freuen Sie sich am meisten?
ich im ersten Monat nach meiner Rückkehr „auf die Frisches Obst, frisches Gemüse, frisches Fleisch, fri-
Erde“ erst einmal ausgiebig zelten gehen. sche Milch, frisches – alles. Und mal wieder weiter
Was nehmen Sie als wichtigste Erfahrung mit? weg als eine Handvoll Kilometer von meinem Ar-
Weil wir nicht mal eben im nächsten Supermarkt beitsplatz zu sein.
unsere Essensvorräte auffüllen können, müssen wir Würden Sie wieder teilnehmen, wieder ein Jahr
einen Überblick darüber behalten, was wir verbrau- in Isolation leben?
chen. Unser Strom wird von Solarpaneelen erzeugt Ja – wenn die richtigen Menschen dabei sind.
und in Akkus gespeichert, die wir nachts entladen. Was ist Ihnen da besonders wichtig?
Da diverse Systeme über Nacht laufen müssen, be- Wer dauerhaft auf so engem Raum zusammenleben
deutet das, dass wir zum Beispiel nach Sonnenun- will, muss ein Teamplayer sein, nett, kooperativ, und
tergang nicht mehr kochen können. Noch stärker ist grundsätzlich Respekt vor anderen haben. Das ist
der Einschnitt beim Wasser: Wir sparen, wo wir kön- schwerer, als es klingt. Jeder kann für ein paar Stun-
nen. Die gesamte sechsköpfige Crew verbraucht pro den oder Tage nett sein, aber eine Fassade kann man
Tag knapp 100 Liter Wasser. Das ist weniger, als ein nicht über Monate aufrechterhalten. Da ist man, wie
einzelner deutscher Durchschnittsbürger täglich ver- man ist. PH
wendet, und der hat kein gefriergetrocknetes Essen, INTERVIEW: EVA-MARIA TRÄGER

das mit Wasser versetzt werden muss. Das zeigt mir, Das Interview wurde per E-Mail geführt

dass wir alle deutlich ressourcenschonender leben

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PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 43


Was Sokrates
zu Ihren Sorgen sagt
Philosophie ist populär wie selten zuvor. Aristoteles und Kollegen liefern
Antworten für jede Lebenslage. Klassische Texte werden zur Fundgrube für
Wohlfühltipps. Manche Philosophen preisen ihr Fach sogar als Alternative
zur Psychotherapie. Was sollen wir davon halten?
VON BORIS HÄNSSLER

44 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


W
er bin ich – und Epikur und die sogenannten Stoiker tätig die ehemaligen Aktivisten waren ernüch-
wenn ja, wie viele? waren – die ersten Philosophen, die ihr tert. Sie wandten sich ab von gesellschaft-
Werde ich gelasse- Sujet explizit als Lebenshilfe begriffen. lichen Problemen und begannen, sich mit
ner, wenn ich älter Precht nennt sie die Gründer der Selbst- ihrem eigenen Glück zu beschäftigen.
werde? Warum ist management- und der Ratgeberliteratur. „Zunächst wandten sich viele Leute den
die Liebe so schwierig, und wie gelingt sie „Epikur war eine Art spiritueller Guru, Philosophien des Fernen Ostens oder der
dennoch? Das sind einige der Fragen, mit der eine Kommune aufbaute und in ihr Esoterik zu“, sagt Precht. „Die klassische
denen sich die deutschen Philosophen Ri- das richtige, gute Leben vorleben wollte“, abendländische Philosophie galt als zu
chard David Precht und Wilhelm Schmid sagt Precht. „Dafür wurde er von den aka- schwierig für die Allgemeinheit aufzube-
in ihren Sachbüchern beschäftigen. Of- demischen Philosophen angefeindet. Aber reiten, aber das ändert sich allmählich,
fenbar sprechen sie damit ein großes Pu- die Sinnsuche war eine logische Reaktion und seither steigt das Interesse an ihr.“
blikum an: Allein Prechts Buch Wer bin auf die eher optimistische, politische Phi- Ein Grund dafür sei auch der Bedeutungs-
ich – und wenn ja, wie viele? hat sich bis losophie von Platon und Aristoteles, die verlust der Kirchen und Religionen.
heute mehr als zwei Millionen Mal im noch große Utopien des menschlichen Wilhelm Schmid sieht es ähnlich: „Die
deutschsprachigen Raum verkauft. Zusammenlebens entwarfen. Ihnen folg- Menschen haben keine Normen mehr, die
Nicht nur philosophische Bücher sind te eine Phase der Ernüchterung, da die bislang von der Religion erlassen, von der
gefragt: Viele Menschen haben auch das Gesellschaftsentwürfe nicht griffen, und Tradition überliefert oder durch die Kon-
Bedürfnis, über Philosophie zu reden. In in einer solchen Phase befinden wir uns vention vorgegeben wurden. Also müssen
den vergangenen Jahren haben sich ver- erneut.“ sie sich selbst orientieren.“ Ratgeber, die
schiedene Angebote etabliert, die unter den Sie begann nach Prechts Einschätzung ihren Lesern das Denken abnehmen, be-
Begriff „philosophische Praxis“ fallen, sei in den 1970er Jahren, als viele Menschen friedigen viele Menschen nicht. Schmid
es in Form von Einzelgesprächen oder erkannten, dass die Proteste der 1960er sagt, seine Bücher seien für Menschen, die
Gruppendiskussionen. Die deutschspra- dem Kapitalismus langfristig nichts an- selbst denken können und wollen.
chige Internationale Gesellschaft für Philo- haben konnten. Die Hoffnung auf eine Während der Glauben für große Be-
sophische Praxis zählt etwa 150 Mitglieder, bessere und gerechtere Welt war verflogen, völkerungsschichten an Relevanz verloren
der amerikanische Verband National Phi- hat, lässt sich zugleich ein zunehmender
losophical Counseling Association hat etwa religiöser Fundamentalismus beobachten.
400 Mitglieder – doppelt so viele wie noch Der Philosoph Michael Hampe, der an der
vor zwei Jahren. Es gibt in Deutschland ETH Zürich lehrt, sieht auch darin einen
philosophische Cafés, Philosophieren für Grund für das neue Interesse an westlicher
Kinder, philosophische Reisen und philo- Philosophie. Man wende sich bewusst den
sophische Publikumszeitschriften wie das Wurzeln und Idealen der abendländi-
Philosophie Magazin und Hohe Luft. schen Aufklärung zu.
Wie kommt es, dass sich so viele Men- Manche Philosophen gehen so weit,
schen für Philosophie interessieren, ein dass sie die Philosophie als Alternative zur
Fach, das lange Zeit als zu abstrakt, als zu Psychologie – genauer: zur Psychotherapie
fern von den alltäglichen Sorgen galt? Hilft – bewerben. Der kanadische Autor Lou
Philosophie denen, die sich innerlich leer Marinoff, der Bücher wie Plato, Not
fühlen? Hat die Psychologie keine Antwor- Prozac! (auf Deutsch: Bei Sokrates auf der
ten auf ihre Fragen? Sind Philosophen da- „Philosophie ist Couch) geschrieben hat, geht davon aus,
für ausgebildet, sich um solche Menschen die Kunst, dass viele Probleme unserer Seele ihre Ur-
zu kümmern? Oder versprechen sie mit über das Leben sachen darin hätten, dass wir am Sinn des
der Popularisierung der Philosophie etwas, Lebens zweifeln. Psychologen und Psych-
reflektiert
ILLUSTR ATION: CHRISTIAN BARTHOLD

was das Fach nicht zu leisten vermag? iater schlössen zu schnell auf eine psychi-
Richard David Precht jedenfalls sagt, nachzudenken – sche Störung und verordneten Therapien
dass das Interesse der breiten Bevölkerung also über das oder Medikamente. Dabei seien die meis-
an philosophischen Fragestellungen kein Leben, nicht ten mentalen Probleme weder emotional
wirklich neues Phänomen sei. Precht hat mein Leben“ noch biochemisch zu lösen, sondern phi-
kürzlich den ersten Band seiner dreiteiligen losophisch.
R I C H A R D DAV I D P R E C H T
Geschichte der Philosophie veröffentlicht Alain de Botton veröffentlichte 1998
und vergleicht darin unsere Gegenwart mit ein Buch, in dem er die Philosophie, Li-
jener Zeit, in der griechische Denker wie teratur und Kunst mit den gängigen For-

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 45


meln eher psychologisch orientierter Rat- und gut?“ Der Klient denke dann über
geberliteratur verknüpft: Wie Proust Ihr die Einstellung nach und lockere sie. „Im
Leben verändern kann. Eine Anleitung. zweiten Schritt geht es darum, was ange-
Zehn Jahre später gründete de Botton in messen und hilfreich ist. Menschen kön-
London die School of Life, die mithilfe von nen an der Suche nach dem Sinn im Leben
Kultur unsere „emotionale Intelligenz“ krank werden, falls sie ihn nicht finden,
stärken soll. Die Schule gibt Kurse wie und daraus ergeben sich mitunter psychi-
„Wie man ruhig bleibt“, „Wie man eine sche Störungen. Aber die Grundfrage, vor
gute Führungskraft ist“ oder „Wie man der sie stehen, ist zunächst philosophisch.“
besser in der Liebe kommuniziert“. Im Die Philosophie hinterfragt Werte,
hauseigenen Shop kann man Bücher mit „Die Philosophie Konventionen und Traditionen. Thomas
ähnlichen Titeln kaufen – neben Schlüs- hilft, die Polednitschek aus Münster ist in erster
selanhängern mit philosophischen Sprü- Grundlagen eines Linie Psychologischer Psychotherapeut,
chen oder Honig aus Griechenland. Unter aber Ende der 1980er und 1990er Jahre
Problems zu
dem Überbegriff „Therapie“ bietet die wandte er sich zunehmend der Philoso-
School of Life zudem sowohl klassische verstehen und phie zu, als er merkte, dass sich das Be-
Psychotherapien als auch philosophische Lösungen zu lastungsbild seiner Patienten änderte. „Ich
Lebensberatungen zur Persönlichkeits- erörtern. Aber wir erkannte eine Art Subjektmüdigkeit. Tra-
entwicklung an. sagen nicht, welche dition und Religion verloren bei den Men-
zu welchem schen ihre Bindewirkung. An ihre Stelle
Kierkegaard als Hausaufgabe trat die Leere, und darauf hat die Psycho-
Menschen passen.“
Der amerikanische Psychologe Samuel pathologie keine Antworten. Unsere Frei-
Knapp hat das weltweite Angebot an phi- WILHELM SCHMID heit ist heute nicht nur durch Unterdrü-
losophischen Beratungen analysiert und ckung, sondern durch Banalität bedroht.“
zwei Richtungen ausgemacht: narrow Auch Oliver Florig glaubt, dass sich die
scope- und broad scope-Beratungen, zu Gesellschaft zunehmend wegen einer um
Deutsch etwa „eng gefasst“ und „weit ge- sich greifenden mentalen Leere der Phi-
fasst“. Die narrow scope-Philosophen be- „Ich gebe regelmäßig Textabschnitte losophie zuwendet. „Ich war an mehreren
schäftigen sich mit Problemen, die in der heraus, die zu den Problemen der Klienten Orten tätig und merkte, je traditioneller
Psychotherapie nicht behandelt werden, passen“, sagt Oliver Florig, der als philo- das Milieu ist, desto weniger tauchten
etwa ethischen, metaphysischen, politi- sophischer Berater, Logotherapeut und Sinnfragen auf. In München waren sie in
schen oder rein logischen Fragestellungen. Heilpraktiker Psychotherapie in Heidel- der Beratung das Hauptthema. Die Men-
Klienten kommen in die Beratung, weil berg und Kempten arbeitet. „Zum Beispiel schen sind heute oft familiär und religiös
sie in ihrem Beruf vor einem ethischen hatte ich einen Klienten, der Ende 30 war. ungebunden, und wenn sie keine Erfül-
Dilemma stehen, weil sie ihre Weltsicht Er hatte studiert, aber er wusste nicht ge- lung in einer sinnvollen Arbeit finden,
hinterfragen oder wissen möchten, was nau, wie er sein Leben gestalten sollte. Soll spüren sie eine gewisse Leere. Sie merken
ein würdevolles, freies Leben ausmacht. er seine Freundin heiraten? Wie geht es auch, dass es ihnen auf die Dauer nicht
Die broad scope-Philosophen bieten ihre beruflich weiter? Er wollte das Optimum reicht, sich am Wochenende auf einen Lat-
Dienste offensiv als Alternative zur Psy- und nichts falsch machen. Ich gab ihm te macchiato zu treffen.“
chotherapie an. Sie behandeln Lebenskri- einen Text über die ‚Krankheit der Mög- Albert Camus nannte das 20. Jahrhun-
sen, Ängste und Depressionen. lichkeiten‘ von Søren Kierkegaard.“ Dar- dert noch das Jahrhundert der Angst – er
Tatsächlich haben sich alle philosophi- in geht es um die Notwendigkeit von Ein- ging davon aus, dass Angst nicht ein Pro-
schen Berater Techniken aus der Psycho- schränkungen und die Möglichkeit, Feh- blem der Psyche des Einzelnen ist, sondern
therapie angeeignet, etwa den Rahmen für ler zu machen, sobald man im Leben kon- umgekehrt die Psyche ein Produkt der
die Gespräche. Sie dauern ungefähr eine kret wird. „Darüber konnten wir sprechen modernistischen Ängste. So interpretiert
Stunde und finden wöchentlich oder und so einen Zugang zu den Problemen Steven Segal von der Maquarie Universi-
14-tägig in professionellen Praxisräumen finden“, meint Florig. ty in Sydney Camus’ Schriften. Eine men-
statt. Die Berater hören zu und reden – ihr Der Philosoph sucht nach Widersprü- tale Krankheit sei ein Rückzug vom mo-
Ziel ist, die irrationalen Annahmen ihrer chen im Denken seiner Klienten. Florig dernen Leben oder eine Abgrenzung. Die
Klienten zu identifizieren. Mitunter geben fragt: „Welche Argumente gibt es für die Philosophie beschäftige sich nicht mit der
sie den Klienten philosophische Werke zur Einstellung, die jemand hat? Ist sie auch Störung der Persönlichkeit wie die Psy-
Lektüre als Hausaufgabe mit. auf den zweiten Blick angemessen, wahr chologie, sondern mit dem Zusammen-

46 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Viele Menschen fühlen sich mental leer.
Es reicht nicht, sich am Wochenende
auf einen Latte macchiato zu treffen

bruch der Konventionen, die den Alltag sei es die Verantwortung der Klienten, Brown weist freilich darauf hin, dass Phi-
strukturieren. Segal schreibt: „Von diesem auszuwählen, ob sie einen philosophi- losophen umgekehrt mit ihrer Expertise
Standpunkt aus ist das Ziel der philoso- schen oder psychologischen Ansatz für im kritischen Denken und ihrer Weltsicht
phischen Beratung nicht, das Selbst zu ihre Probleme bräuchten. alle mentalen Beschwerden als Folgen von
heilen, sondern die Störung der Konven- Die Philosophen, die ihre Beratung als Irrtümern im philosophischen Denken
tionen zu erkunden und einen alternativen Alternative zur Psychotherapie sehen, kri- interpretieren könnten.
Rahmen zu schaffen, damit sich im All- tisieren an heutigen Psychotherapeuten, Hinzu kommt, dass Philosophie eigent-
tagsleben wieder ein Sinn findet.“ dass sie alle Abweichungen von der Norm lich keine Wohlfühl-Veranstaltung ist – sie
So weit die Theorie. In der Praxis ist es als Symptom einer biologischen Störung soll nicht unbedingt die Seele stabilisieren.
nicht immer leicht, so eindeutig zwischen betrachteten. Auch der Bonner Philosoph Der Philosoph Tom Stern vom University
psychologischen und philosophischen Markus Gabriel schlägt in seinem Buch College London sagt, er habe Philosophie
Fragestellungen zu unterscheiden. Daher Ich ist nicht Gehirn in diese Kerbe, wenn studiert, weil sich das Fach mit jenen kom-
diskutieren die philosophischen Praktiker er schreibt, dass wir Neurowissenschaft- plexen Fragen beschäftige, die er sich selbst
seit Jahren, wie nahe die Philosophie sich lern zufolge zu Agenten der „Neuronen- stelle: Gibt es einen Gott? Wie kann ich
an die Psychotherapie herantrauen dürfe. gewitter unter unserer Schädeldecke“ de- es wissen? Und wie sicher ist das Wissen,
Der kanadische Praktiker Peter Raabe gradiert werden. Der Philosoph Sam wenn man bedenkt, dass der Kenntnis-
vertritt die Auffassung, dass philosophi- stand in 100 Jahren womöglich ein ganz
sche Praxis selbst für Menschen geeignet anderer sein könnte? „In der Philosophie
sei, die laut den Kriterien in der psychia- geht es um die Suche nach der Wahrheit
trischen Diagnostik an einer psychologi- – es geht nicht um etwas Bequemes, Be-
schen Störung leiden, sei es manische ruhigendes“, sagt Stern. „Sobald Philoso-
Depression, posttraumatische Belas- phie gut ist, ist sie schwierig und heraus-
tungsstörung oder Schizophrenie. Die fordernd. Wenn ich eine Kritik zum Bei-
philosophische Beratung müsse therapeu- spiel an der School of Life habe, dann die-
tische Ziele haben, da sie das Leid des Men- se: Ihre Behandlung philosophischer
schen zu verstehen und zu mildern ver- Fragen erscheint mir zu einfach. Wenn
suche. Da ein Philosoph sich zum Beispiel man schon die großen Denker mobilisiert,
mit Solipsismus auskenne – der Idee, dass um zum Beispiel Trost zu suchen, dann
nur der eigene Verstand sicher existiert muss die Möglichkeit bestehen, dass ei-
und außerhalb des Verstandes alles unsi- nem diese Denker die Augen öffnen und
cher ist –, sei der Philosoph nach Paul „In der Philosophie man zu dem Schluss kommt, dass es kei-
J. Gibbs sogar besonders geeignet, die geht es um die nen Trost geben könnte.“ Professionelle
Weltsicht eines an Schizophrenie Leiden- Suche nach der Philosophen präsentierten sich nie als wei-
den zu verstehen und ihm zu helfen. Ihm se Menschen, an die sich Leute ratsuchend
Wahrheit – es geht
müsse Skepsis beigebracht werden, damit wenden könnten, wenn es um ihr Leben
er die Rationalität des Solipsismus akzep-
nicht um etwas geht. „Warum sollten wir das auch? Das
tiere. Bequemes und ist nicht das, wofür wir ausgebildet sind.“
Die Psychologin und Philosophin Em- Beruhigendes“ Richard David Precht, der sich selbst
my van Deurzen stellt sich auf den Stand- als psychotherapieskeptisch beschreibt,
TO M S T E R N
punkt, dass Klienten, die zu einer exis- sagt: „Philosophie sollte nicht die gleiche
tenziellen Therapie kommen, wissen, wo- Rolle wie die Psychologie spielen; es ist
rum es dabei geht – um die grundsätzli- die Kunst, zu lernen, über das Leben re-
chen Erfahrungen des Lebens. Demnach flektiert nachzudenken – also über das

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 47


Leben, nicht mein Leben. Das ist etwas Stigma zu entgehen. Falls Philosophen tung profitiert. Auch neurotische Klienten
anderes, als wenn man massive persönli- meinen, eine Alternative zur Therapie und mit unverhältnismäßigen emotionalen
che Probleme hat. Das reflektierte Nach- nicht nur Reflexion anbieten zu können, Empfindungen neigen dazu, allerlei Ab-
denken führt nicht zwingend dazu, dass ist das meiner Ansicht nach eine Selbst- wehrmechanismen aufzubieten, sobald
Menschen ihre Sorgen verlieren. Es kann überschätzung oder ein Mangel an Wis- ihre Überzeugungen infrage gestellt wer-
Depressionen mitunter verschlimmern.“ sen, was Therapie bedeutet.“ Außerdem den. Überhaupt können Konfrontationen
„Sucht man einen Reflexionspartner fehlten für die philosophische Beratung mit unbequemen Wahrheiten, wie sie die
für Fragen zur Endlichkeit des Daseins, gesetzliche Rahmenbedingungen und Philosophie ja gerade fordert, immer ge-
zu Themen wie Sterben, zu moralischen Qualitätskontrollen, die die Menschen fährliche Reaktionen hervorrufen. Philo-
Entscheidungen – dann sind Philosophen schützen. Es gebe nicht einmal eine sophen sind Knapp zufolge aufgrund ih-
geeignet“, sagt die Psychologin Antonia Schweigepflicht. rer Ausbildung nicht in der Lage, dies
Barke, die auch promovierte Philosophin Viele in Deutschland praktizierende frühzeitig zu erkennen und sich entspre-
ist. „Mit meiner Ausbildung als Philoso- Philosophen sind sich dieser Grenzen be- chend zu verhalten.
phin hätte ich aber nie eine Therapie an- wusst und sagen, sie würden Menschen Knapp wirft beratenden Philosophen
bieten können. In der Psychotherapie gibt mit psychischen Störungen nicht beraten. vor, dass ihre Annahme, ihr Ansatz sei
es einen klaren Auftrag, nämlich eine psy- Aber das bedeutet nicht, dass sie psychi- eine legitime Alternative zu traditionellen
chische Störung zu behandeln. Das Ziel sche Störungen immer erkennen. Nicht Psychotherapien, auf rein theoretischen
ist, das Leiden und die Einschränkungen, alle Berater haben einen psychologischen Überlegungen beruhe. Philosophen hät-
die durch diese Störung verursacht wer- Hintergrund wie Thomas Polednitschek ten die ethische Verpflichtung, nachzu-
den, so gut wie möglich zu beseitigen oder oder Oliver Florig. Die Symptome für psy- weisen, dass ihre Angebote dem Wohle
zu lindern. Dazu unternimmt man ge- chische Störungen seien bestenfalls der Gesellschaft dienen. Sie müssten em-
zielte, aufeinander aufbauende Schritte, schwammig, und nur eine psychologisch pirisch nachweisen, dass philosophische
die zu einer Veränderung beim Patienten ausgebildete Person habe ein Auge dafür, Ursachen tatsächlich hinter einigen
führen.“ ob der Klient die Realität wahrnehme wie menschlichen Problemen steckten und
die meisten anderen Menschen auch oder dass sich diese Probleme effizient mit phi-
Alternative zur Therapie – sich seine Realität konstruiere, schreibt die losophischen Mitteln mindern ließen.
oder Selbstüberschätzung? Psychologin und Philosophin Beatrice A. Philosophen wie Schmid und Precht
In der kognitiven Verhaltenstherapie Popescu von der Universität Budapest. sehen es ähnlich. Schmid sagt: „Wir Phi-
stützten sich die angewandten Methoden Grundsätzlich sind Menschen schlecht losophen verstehen nichts vom Unbe-
auf empirische Evidenz, sagt Barke. „Psy- in einer philosophischen Beratung aufge- wussten, von Verstrickungen des Gefühls-
chologische Psychotherapeuten haben ei- hoben, wenn sie mentale Probleme jegli- lebens, von Traumata. Die Philosophie
ne lange Ausbildung hinter sich. Man cher Art beschäftigen: wenn sie traurig hilft, die Grundlagen eines Problems zu
kann nicht einfach in Gesprächen etwas sind, depressiv, ängstlich, aggressiv, hoff- verstehen und Lösungen zu erörtern. Aber
ausprobieren, selbst wenn man sehr klug nungslos, wenn sie sich wertlos fühlen, wir sagen nicht, welche zu welchem Men-
ist. Es ist wichtig, vorab eine fundierte Di- unter Phobien oder Panikattacken leiden schen passen; der einzelne Mensch muss
agnostik durchzuführen. Patienten kön- oder Zwangsstörungen haben. Philosophi- das mit seiner Intelligenz allein heraus-
nen suizidal sein, sie leiden oft unter er- sche Fragen sind etwa, wie man mit dem finden.“ Das setze allerdings eine psychi-
heblichen Problemen in ihrem Befinden, Älterwerden umgeht, wie man über Geld sche Stabilität bereits voraus. PH
bei der Arbeit oder in ihren Beziehungen – denkt, über Familienplanung – oder wie
sie benötigen fachkundige Behandlung.“ man es mit Moral, Werten und Politik hält.
Barke sagt auch: „Ich glaube, dass es Der Psychologe Samuel Knapp be-
LITERATUR
nach wie vor eine gewisse Geringschät- schreibt einige Beispiele, die zeigen, wie
Richard David Precht: Erkenne die Welt. Eine
zung gegenüber der Psychotherapie gibt. schwierig diese Abgrenzung manchmal Geschichte der Philosophie, Band 1. Goldmann,
Denn ich würde ja nicht auf die Idee kom- ist: Klienten mit subtilen autistischen Stö- München 2015

men, mich von einem Menschen operieren rungen können aufmerksam und intelli- Wilhelm Schmid: Gelassenheit. Was wir gewinnen,
zu lassen, der kein Chirurg ist, nur weil gent erscheinen, haben aber kognitive wenn wir älter werden. Insel, Berlin 2014

er eine andere gute Ausbildung hat. Au- weiße Flecken, die erst durch professio- Lou Marinoff: Bei Sokrates auf der Couch. Philoso-
phie als Medizin für die Seele. Dtv, München 2002
ßerdem sind auch psychische Erkrankun- nelle psychologische Untersuchungen auf-
Markus Gabriel: Ich ist nicht Gehirn. Philosophie
gen stigmatisiert, und ich sehe die Gefahr, gedeckt werden. Konfrontiert man sie mit
des Geistes für das 21. Jahrhundert. Ullstein, Berlin
dass Menschen mit ihren Problemen sich ihren logischen Anomalien, kann sie das 2015
lieber der Philosophie oder der philoso- in Bedrängnis bringen und seelisch ver- Alain de Botton: Wie Proust Ihr Leben verändern
phischen Beratung zuwenden, um diesem letzen, ohne dass dabei ihre kognitive Leis- kann. Eine Anleitung. Fischer, Frankfurt 2000

48 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


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KÖRPER&SEELE REDAKTION:
THOMAS SAUM-ALDEHOFF

Manche Menschen
haben die beneidens-
Bloß kein Stress mit dem Stress! werte Angewohnheit,
sich vom Stress nicht
mitreißen zu lassen
„Lass dich nicht stressen“, gibt man einander vor Sin und ihre Kollegen befragten nun 909 Teil-
einem anstrengenden Tag auf den Weg. Will heißen: nehmerinnen und Teilnehmer über gut eine Woche
Auch wenn es turbulent zugeht, lass die Hektik von hinweg täglich per Telefon, ob und wie viele stressi-
dir abperlen (siehe auch unser Titelthema, S. 18). Das ge Begebenheiten sie an diesem Tag durchlebt und
ist natürlich leichter dahergesagt als umgesetzt. wie sie sich dabei gefühlt hatten. Wütend? Traurig?
Dennoch: Der Rat hat was für sich, wie jetzt eine Nervös? Und wenn ja: Wie intensiv war die Emoti-
amerikanische Studie bekräftigt. on? Es stellte sich heraus: Diejenigen Probanden, die
Nancy Sin und ihrem Team von der Pennsylvania über eine Menge stressiger Vorfälle berichteten,
State und der Columbia University diente dabei die waren nicht notwendigerweise diejenigen mit der
„Herzfrequenzvariabilität“ als einfach zu erfassendes geringsten Herzfrequenzvariabilität – wohl aber
Maß dafür, inwieweit ein Mensch „sich stressen lässt“. diejenigen, die solche Vorkommnisse als sehr belas-
Ein niedriger Wert weist darauf hin, dass das auto- tend empfanden, begleitet von starken aversiven
nome Nervensystem nicht mehr flexibel je nach Si- Emotionen.
tuation zwischen Aufregung und Ruhe hin und her „Die Ergebnisse sagen uns, dass die Wahrnehmung
schalten kann. Es ist dann unentwegt in Habacht- und emotionale Reaktion eines Menschen wichtiger
stellung, was sich psychisch in chronischer unter- sind als das stressige Geschehen selbst“, kommen-
schwelliger Anspannung niederschlägt. Langfristig tiert Nancy Sin.
hat sich dies als Risiko für Herz-Kreislauf-Erkran-
kungen herausgestellt. DOI: 10.1097/PSY.0000000000000306

52 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Bei Fitnesstrainings per Spiel-
ALSO
SPRACH
konsole ist es vorteilhaft, sich auf ÄSKULAP
dem Monitor als durchtrainierten
Adonis darstellen zu lassen. In einer
kalifornischen Studie erlebten sich „Fast alle meine
Kindheitserinne-
die Absolventen eines virtuellen rungen gelten Au-
genblicken am frühen
Tennisspiels mal in Gestalt eines Morgen oder späten
Abend, und alle haben einen
normalgewichtigen, mal eines Geruch. Am stärksten werden diese

fülligen Avatars mit einem stattlichen Erinnerungen durch die Luft, die ich
einatme, durch physische Attribute.
Body-Mass-Index von 32,1. Ergebnis: Es geht mir noch heute so, dass eine
Erinnerung spontan und schockie-
Als schlanke Figur legten sie sich rend intensiv auftaucht, wenn ich
unerwartet eine Luft einatme, die
stärker ins Zeug. so riecht wie die in dieser Erinne-
rung, dann bin ich wieder da, wo ich
DOI: 10.1111/jcc4.12151
damals war, binnen einer Sekunde
ist alles wieder da.“

Der Norweger Torbjørn Ekelund beobachtet in seinem neuen


Buch Im Wald. Kleine Fluchten für das ganze Jahr (Malik
2016) sein Seelenleben in der Natur.

Tief drinnen duftet der Hotdog


Warum packt einen manchmal solch ein Heißhun- die Idee, dass stark übergewichtige Menschen ihren
ger auf eine ganz bestimmte Speise? Am knurrenden Appetit vielleicht auch deshalb nicht unter Kontrol-
leeren Magen kann es nicht immer liegen, denn le haben, weil sie mit der Gabe geschlagen sind, sich
manchmal hat man ja starken Appetit, obwohl man den Geruch ihrer Leibgerichte besonders gut vor-
eigentlich satt ist. Nach einem Modell des stellen zu können. Sie gingen dieser Ver-
australischen Gesundheitspsychologen mutung in einer Doppelstudie mit
David Kavanagh spielen bei solchen un- 82 Probanden nach, deren Body-
bändigen, kaum kontrollierbaren Ge- Mass-Index von 17,7 (leicht unterge-
lüsten sinnliche Vorstellungen eine wichtig) bis 38,7 (adipös) reichte.
Schlüsselrolle: Irgendetwas bringt uns Diese erhielten die Aufgabe, sich ver-
auf den Gedanken an ein Objekt un- schiedene Speisen, aber auch Alltags-
seres Verlangens, zum Beispiel an einen gegenstände visuell und geruchlich
Hotdog, und plötzlich ist und bleibt der vorzustellen. Tatsächlich bestätigte sich:
Hotdog im Kopf, mit allen Sinneszutaten, Je mehr Speck die Teilnehmer auf den
die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen Rippen hatten, desto besser waren sie darin, sich
lassen. Im Fall von Speisen sind es vor allem olfak- den Duft von Speisen, aber auch etwa eines Rosen-
torische Vorstellungen, also ihr lebhaft imaginierter strauches deutlich ins Bewusstsein zu rufen.
Duft, die unser Verlangen wecken. Das brachte
Forscherinnen der Yale School of Medicine nun auf DOI: 10.1016/j.appet.2015.04.005

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 53


„Ich bin krank! Alte Menschen
Kommt mir nicht zu nahe!“ haben Schwierig-
Dumme Frage: Warum fühlen wir uns eigentlich krank, wenn keiten, dicht
wir krank sind? Natürlich weil die Krankheit unseren Körper
schwächt, möchte man meinen. Doch ganz so einfach ist das
aufeinanderfol-
wohl nicht. So rühren das Fieber, die Kopf- und Gliederschmer- gende Ereignisse zeitlich zu
zen bei einer Grippe weniger von den Grippeviren selbst her,
sondern die Symptome sind eher eine Folge davon, wie unser ordnen. In einem kanadischen
Körper auf die Infektion reagiert: Das Immun-, das Hormon-
und das Nervensystem versetzen uns in einen Leidenszustand. Experiment konnten ältere
Nach herkömmlicher Lesart dient diese fiebrige Erschöpfung
dazu, die eingedrungenen Erreger effektiver zu bekämpfen und Probanden zwar ebenso gut
den Körper durch erzwungene Passivität zu schonen.
Doch der Immunologe Guy Shakhar und die Psychologin wie jüngere erkennen, dass
Keren Shakhar vom Weizmann Institute of Science in Israel dre-
hen nun den Spieß um: Nach ihrer evolutionären Erklärung
ein Licht- und ein Lautsignal
zielt das „Krankheitsverhalten“ mit Wehleidigkeit und Rückzug
nicht darauf ab, den Kranken selbst, sondern vielmehr dessen
gleichzeitig auftraten. Doch
Umgebung zu schützen – nämlich vor Ansteckung. Schwäche wurden die beiden Reize leicht
und Müdigkeit schränkten den Aktionsradius des Erkrankten
ein und minderten damit den Kreis der Gefährdeten. Appetit- versetzt präsentiert, waren sich
losigkeit verhindere, dass die gemeinsamen Nahrungsvorräte
mit Krankheitskeimen kontaminiert werden. Die Körperspra- die Älteren oft nicht sicher, ob
che und das gesamte Erscheinungsbild des Erkrankten signali-
sierten den anderen: „Ich bin krank! Kommt mir nicht zu nahe!“ der Ton dem Licht folgte oder
Leider werde dieser natürliche Instinkt heute oft ignoriert,
klagt Guy Shakhar: „Die Leute nehmen eine Pille und gehen umgekehrt.
zur Arbeit, wo sie mit großer Wahrscheinlichkeit Kollegen in-
DOI: 10.1007/s00221-015-4466-7
fizieren.“ Millionen Jahre von Evolution sprächen dafür, sich
besser krank zu melden und daheim zu bleiben.

DOI: 10.1371/journal.pbio.1002276 Wenn Patienten Dr. Google befra-


gen, so heißt es, entdecken sie bei
sich Krankheiten, wo keine sind.
Tatsächlich ist es oft umgekehrt,
wie Tübinger Forscher des Leibniz-
Instituts ermittelt haben: Wenn
Patienten eine ärztliche Diagnose
als bedrohlich erleben, dann suchen
sie im Internet nach entlastenden
Informationen – bis hin zu einer
problematischen Verharmlosung
ihres Leidens.

DOI: 10.2196/jmir.5140

54 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Fast jeder dritte
Fall von Alzheimer
in Deutschland wäre
durch einen gesün-
deren Lebensstil
abwendbar

Kurz mal
Bludenz
Sie haben ein verlängertes Wo-
chenende frei? Wie wäre es mit
einer Kurzreise nach Österreich?
Wir empfehlen 72 Stunden mit
Wanderungen und großer Liebe
auf 1.400 Metern Höhe. Die Alpen-
region Bludenz lädt mit „Shakes-
peare am Berg“ zu einem ganz
besonderen Theatererlebnis: In
Der Demenz davonrennen der Bergarena am Muttersberg
können Sie „Romeo und Julia“ vor
spektakulärer Bergkulisse und mit
Alzheimerdemenz ist in den Augen vieler eine cherquote lediglich auf elf Prozent wie in den technisch raffinierten Licht- und
ebenso gefürchtete wie schicksalhafte Erkran- USA drücken ließe, würde dies mehreren Soundeffekten erleben. Magisch!
kung. Doch Letzteres ist nur zum Teil richtig: Zehntausend Menschen die Altersdemenz er-
Fast jeder dritte der eine Million Fälle in sparen. Gelänge es, jeden zweiten Couch-
Deutschland ist die Folge eines ungesunden hocker zu aktivieren, blieben weitere 95 000

Foto: Alpenregion/C. Eugster


Lebens. Das zeigt eine Berechnung von Tobias Menschen verschont. Gegen diese Berechnun-
Luck und Steffi Riedel-Heller, die beide am gen lässt sich einwenden, dass die Menschen
Institut für Sozialmedizin der Universität durch einen gesünderen Lebensstil älter wer-
Leipzig arbeiten. den würden und dadurch wieder mehr Leute
Denn Alzheimer entsteht auch durch un- an Alzheimer erkranken könnten. Doch es Tagsüber lässt sich hier bei einer
kluge Gewohnheiten. So vergrößert Rauchen würden auch Menschen älter, die nie von der Wanderung die abwechslungs-
reiche Natur in Brandnertal,
die Gefahr, von der Demenzerkrankung Krankheit ereilt werden, sodass der Anteil Klostertal und Großem Walsertal
heimgesucht zu werden, um 60 Prozent. Man- der Patienten unter den Senioren nicht unbe- erkunden. Oder bummeln Sie in
der Altstadt von Bludenz entlang
gelnde Bewegung steigert das Risiko sogar um dingt steigen würde. der prächtigen Fassaden und
80 Prozent. Es gibt noch weitere Risikofakto- Einige der Risikofaktoren gehen bereits jetzt mediterran anmutenden Lauben-
ren: niedrige Bildung, Depression, Diabetes, zurück. Die Deutschen rauchen weniger und gänge. Unser Tipp: Das „Alpen
Culinary Street Food Festival“
erhöhter Blutdruck (über 140/90) und Über- treiben mehr Sport als früher, ihr Bildungs- mit Kochshows und Live-Musik am
gewicht (beispielsweise mehr als 97 Kilo bei niveau steigt. Allerdings werden sie auch 11. August 2016.
einer Körpergröße von 1,80 Metern). Weil sich dicker und entwickeln häufiger Diabetes. SHAKESPEARE AM BERG
jeder dritte Deutsche zu wenig bewegt, gehen Unter dem Strich ist der Trend jedoch günstig. 2 ÜN im 3-Sterne-Hotel inkl. Früh-
stück, Ticket für „Romeo und Julia“
allein 217 000 Fälle auf Trägheit zurück. Die 15 Wie europäische Studien zeigen, erkranken
und geführtem Stadtrundgang.
Prozent Raucher hierzulande verursachen wei- heute Lebende seltener an Alzheimer als frü- Ab € 119,– p. P. im DZ;
tere 149 000 Fälle. here Generationen im gleichen Alter. buchbar: 15.7. – 7.8.2016.
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Sämtliche Raucher vom Glimmstängel zu JOCHEN PAULUS
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entwöhnen dürfte auf absehbare Zeit kaum zu
schaffen sein. Doch selbst wenn sich die Rau- DOI: 10.1007/s00115-015-0045-1

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PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 to.austria.info/kurzreisen
55
55
der Deutschen können sich vorstellen,
sich im Ausland medizinisch behandeln
zu lassen. Als Hauptgrund nannte gut
die Hälfte die günstigeren Kosten und
%

gut ein Viertel die verkürzte Wartezeit,


so eine repräsentative Umfrage. Andere
wollten Verfahren nutzen, die hierzulande
nicht zugelassen sind, und 31 Prozent
stellten es sich als reizvoll vor, die Be-
handlung mit einem Urlaub zu verbinden.

www.iubh-dualesstudium.de/medizintourismus-immer-beliebter/

Heilende Marke Was früher Perversion


Patienten schätzen Arzneimittel ohne Markennamen hieß, nennt sich heute im
wenig. Wer will schon Acetylsalicylsäure schlucken statt
Aspirin? Dass der Glaube an Arzneimittelmarken sogar Diagnostikatlas „Paraphi-
bei der Genesung hilft, demonstrierten nun Kate Faasse
und ihr Team von der University of Auckland mit lien“. Doch wie sich herausstellt, sind
87 kopfschmerzgeplagten Studierenden. Die erhielten
entweder Packungen, die ein schnödes „generisches Ibu- die dort aufgeführten sexuellen
profen“ androhten oder den Markenschmerzbekämpfer
Nurofen versprachen. Was die Probanden nicht wussten: Abweichungen gar nicht so abwei-
Die Hälfte der Tabletten waren Placebos – unabhängig
von der Beschriftung. Wenn sie vermeintlich das
chend, jedenfalls in der kanadischen
Generikum erhielten, merkten die Teilnehmer den
Unterschied: Das Placebo half ihnen nicht so gut und
Provinz Quebec. 45,6 Prozent
hatte auch noch mehr Nebenwirkungen. Wenn jedoch gelüstete es dort laut einer Umfrage
der Markenname auf der Packung prangte, spielte der
Inhalt keine große Rolle: Das Placebo linderte die nach mindestens einer der Praktiken.
Schmerzen fast genauso gut wie der Wirkstoff – und
hatte auch genauso viele Nebenwirkungen. Bei anderen Vor allem Voyeurismus, Fetischismus,
Präparaten wie etwa Antidepressiva oder Blutdruck-
senkern, bei denen subjektiv kein rascher Effekt wahr- Frotteurismus und Masochismus
zunehmen ist, macht der Glaube an die Marke womög-
lich noch einen größeren Anteil an der Wirkung aus. standen hoch im Kurs.
Wird ein „Markenpatient“ auf ein Generikum umge- DOI: 10.1080/00224499.2016.1139034
stellt, könnte sich sein Zustand daher verschlechtern,
fürchten die Forscher. JOCHEN PAULUS

DOI: 10.1037/hea0000282

56 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 57
W
ladimir Putin sitzt mit nack- DIE DUNKLE SEITE DES NARZISSMUS
ter, stolzgeschwellter Brust
auf einem Pferd, beugt sich
über einen erlegten Tiger
oder blickt entschlossen aus
dem Cockpit eines Kampfjets. Der Milliardär Donald
Ich XXL
Trump, der gern US-Präsident werden würde, be-
Jeder Mensch braucht Narzissmus,
zeichnet sich selbst als „wahrhaft großartigen Führer“
und beleidigt weibliche Kritiker gern mal als hässlich. doch eine Überdosis davon kann
Von Silvio Berlusconi, Nicolas Sarkozy und Gerhard zum Problem werden.
Schröder bleiben vor allem die Posen zur Schau ge-
stellter Großartigkeit in Erinnerung. In der Politik Können Menschen mit einem
ist es seit jeher üblich, machtvolle Männlichkeit zu übergroßen Ich lernen,
inszenieren: Narzissmus regiert die Welt.
Nirgendwo zeigt sich so deutlich wie in der Poli- dass weniger mehr sein kann
tik, wohin ein aufgeblähtes Ego führen kann: an die
VON MICHAEL KRASKE
Spitze und in die Katastrophe. Höhenflug oder Ab-
sturz – diese Ambivalenz begleitet Narzissten im Be-
ruf ebenso wie im Privaten.

58 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


„Ob sich narzisstische Eigenschaften als Vorteil der Narzisst ist ein miserabler Teamspieler. Er neigt
erweisen oder in die Sackgasse führen, kommt sehr dazu, soziale Kontakte danach auszuwählen, ob sie
auf die Umstände an“, sagt Stefan Röpke, Leiter des ihm nützen. Gern buckelt er nach oben und tritt nach
Bereichs Persönlichkeitsstörungen am Centrum für unten. Auf Kritik reagiert er hochempfindlich. Ver-
Psychiatrie der Berliner Charité. „In Extremsituati- gleichsweise harmlose Auslöser könnten Wut, Hass,
onen kann der unbedingte Führungsanspruch eines ja sogar Gewalt bewirken, so Stefan Röpke.
Narzissten erwünscht sein, während die gleiche Rück- Narzissten sind denkbar schlecht dafür ausgestat-
sichtslosigkeit in ruhigeren Zeiten möglicherweise tet, dauerhaft tiefe und erfüllende Beziehungen zu
im Gefängnis endet.“ Narzissmus werde heute als führen. „Zwischenmenschlich ist nämlich nicht
Persönlichkeitsmerkmal verstanden, das bei jedem Durchsetzungsfähigkeit gefragt, sondern Kompro-
Menschen angelegt, allerdings unterschiedlich stark missfähigkeit“, sagt Herpertz. „Um mit einem Part-
ausgeprägt sei. Problematisch werde Narzissmus al- ner gleichberechtigt zusammenzuleben, müsste der
lein durch die Dosis. Narzisst einen deutlich anderen Stil pflegen als im
Beruf.“ Dieses Defizit, emotionale Gleichberechti-
Fantasien von Macht und Erfolg gung herzustellen, hält auch Röpke für gravierend.
„Kern des Narzissmus ist ein Selbstwertproblem“, Solche Partnerschaften litten daher langfristig an
meint Röpke. „Dieses geringe Selbstwertgefühl ver- einem Mangel an Empathie und Wärme.
sucht der Narzisst zu stabilisieren, indem er zum Bei- In der ersten Beziehungsphase wird der narziss-
spiel sich aufwertet und andere abwertet.“ Seit 1982 tische Partner noch als reizvoll und aufregend erlebt.
wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung im Di- Studien belegen eine Art Blendereffekt. In ersten Be-
agnosemanual DSM als eigenständiges Störungsbild gegnungen kann der Narzisst seine Gesprächspartner
erfasst. Im DSM-5 von 2013 werden diverse Merk- mit Charme, Witz, Intelligenz und attraktivem
male aufgelistet – vom übertriebenen Selbstwertge- Selbstbewusstsein betören. Seine Selbstbezogenheit
fühl über andauernde Fantasien von Macht und Er- wird erst nach mehreren Treffen als störend emp-
folg bis hin zu Neid und arrogantem Verhalten. Um funden. In Liebesbeziehungen womöglich noch spä-
den Grad einer Störung zu erreichen, müssen Kog- ter, weil der Partner anfangs idealisiert und negative
nition, Affektivität, Impulskontrolle und Beziehun- Facetten eher ignoriert werden. „Erst wenn die ro-
gen dauerhaft von der Norm abweichen. sarote Brille einer realistischen Sichtweise weicht,
Doch „entscheidend dafür, ob eine narzisstische erkennt man die narzisstischen Eigenschaften“, sagt
Persönlichkeitsstörung vorliegt, ist der Leidensdruck Röpke. „Dann ist man aber möglicherweise schon
des Betroffenen“, sagt Röpke. Demnach kann man eine tiefe Beziehung eingegangen, hat geheiratet oder
sich also permanent für den Größten und Besten hal- ein gemeinsames Kind. Dem Angehörigen bleibt als
ten und sich suchtartig nach Bewunderung verzeh- letzte Möglichkeit nur, mit der Konsequenz zu dro-
ren, ohne dass sich daraus per se dringender thera- hen: Wenn wir uns keine Hilfe suchen, bin ich weg.“
peutischer Behandlungsbedarf ergibt. In einigen Mi- Psychiaterin Herpertz rät Angehörigen, sich nicht
lieus und Berufen ist der Egotrip geradezu ein Er- zu unterwerfen oder unterzuordnen. Darauf reagie-
folgsrezept und kann dabei helfen, in die Chefetagen re der Narzisst nur mit Abwertung. Stattdessen soll-
aufzusteigen. Überall, wo Durchsetzungsvermögen ten eigene Interessen und Autonomie nicht aufgege-
und Entscheidungsstärke gefragt sind, kann der Nar- ben werden. Viele, die in einer Partnerschaft dauer-
zisst glänzen und die Bewunderung aufsaugen, die haft nicht wahrgenommen werden oder etwa durch
er so sehnlich begehrt. Etwa beim Militär, in Behör- narzisstisch motivierte Seitensprünge tief verletzt
den oder Konzernen mit einer autoritätsfixierten werden, leiden heftig an der Seite eines Menschen,
Unternehmenskultur. der sich selbst mehr als alle anderen liebt.
„Das narzisstische Bedürfnis nach sozialer Aner-
„Therapie? Ich bin perfekt!“
ILLUSTR ATIONEN: DANIEL BALZER

kennung deckt sich mit gesellschaftlichen Werten


wie Ehrgeiz, Leistungsstreben und Erfolg“, sagt Sa- Doch auch wenn daheim Konflikte und Streit zum
bine C. Herpertz, Direktorin für Allgemeine Psych- Dauerzustand werden – von sich aus wird ein Nar-
iatrie am Universitätsklinikum Heidelberg. „Wo es zisst keine Hilfe suchen. Nicht mal, wenn sein Ver-
deutliche Hierarchien gibt und Führung erwartet halten offenkundig dazu beiträgt, die Familie zu zer-
wird, kann ein narzisstischer Persönlichkeitsstil er- rütten oder Partnerschaften regelmäßig in die Brü-
folgreich sein. Wenn kooperatives Verhalten gefragt che gehen. Das liegt an der Ich-Syntonie seiner Per-
ist, bereitet dieser Stil allerdings Probleme.“ Denn sönlichkeit: Er selbst empfindet sich ja nicht als

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 59


gestört, sondern als großartig. Schuld haben immer moralisch abgewertet zu werden, steige für narziss-
die anderen. Darin liegt das narzisstische Dilemma. tische Patienten die Motivation, mitzuarbeiten.
Wer sich selbst für perfekt hält, sieht keinen Grund
für eine Therapie. Niemand geht wegen seines Nar- Aha-Effekte in der Therapie
zissmus zum Arzt oder Therapeuten. In der Klinik für Allgemeine Psychiatrie der Univer-
Meist gibt es einen Auslöser, der den Narzissten sität Heidelberg behandelt Herpertz narzisstische
abrupt aus der Bahn wirft und seine bislang verdeck- Patienten auf Grundlage der kognitiven Verhaltens-
te verletzliche Seite bloßlegt: Die Frau verlässt ihn. therapie. Zu Beginn jeder Therapie werden gemein-
Ihm wird gekündigt. Obwohl er doch so ein groß- sam Ziele vereinbart. Droht gerade eine Partnerschaft
artiger Liebhaber ist, ein ganz und gar unverzicht- in die Brüche zu gehen, kann ein Ziel sein, weniger
barer Leistungsträger. Solche Kränkungen hält er Konflikte auszutragen und die Qualität der Bezie-
nicht aus. Dann bricht alles zusammen. „Narzissti- hung zu verbessern. Eine wichtige Technik, um die
sche Patienten sehen wir im klinischen Alltag am Wahrnehmung eigener Muster zu schulen und zu
häufigsten mit einer schweren Depression. Daneben korrigieren, sind Rollenspiele, die mit einer Video-
kommen auch Suchterkrankungen vor, nicht zuletzt kamera aufgezeichnet und anschließend gemeinsam
im Zusammenhang mit Stresssymptomen und Er- ausgewertet werden. Im Rollenspiel nehmen die Pa-
schöpfung“, erläutert Herpertz. „Dann bietet sich die tienten die Rolle von ihren Familienangehörigen oder
therapeutische Chance, auch die Persönlichkeitsstö- Ehepartnern ein und erleben, wie es sich anfühlt, auf
rung zu behandeln. Erst durch eine schwere Krank- ein Riesen-Ego zu treffen.
heit sind viele bereit, darüber nachzudenken, ob die
Krise eine Folge des eigenen interpersonellen Stils
sein könnte.“
Die psychologischen Schulen haben zwar eine
Vielzahl verschiedener Therapien zur Behandlung
narzisstischer Störungen entwickelt, doch liegen kei-
ne zuverlässigen Studien vor, ob und wie sie wirken.
Da bei Narzissten offenbar frühe Lebens- und Lern-
erfahrungen in starre Muster geführt haben, hält es
Röpke für notwendig, diese tiefsitzenden persönli-
chen Strukturmuster therapeutisch zu korrigieren.
Gleichwohl erachtet Kollegin Herpertz aufgrund ih-
rer klinischen Erfahrung eine langjährige Therapie
bei einer narzisstischen Störung meist nicht für an-
gemessen, weil es ja nicht darum gehe, die Persön-
lichkeit vollständig zu verändern. Vielmehr werde
eine Flexibilisierung des Verhaltens angestrebt, eine
Erweiterung des individuellen Repertoires. Viele Pa-
tienten profitierten schon von 25 Stunden Kurzzeit-
therapie, so Herpertz. Bei schweren Fällen mit wenig
Einsicht brauche es mitunter 40 Sitzungen.
Der wichtigste therapeutische Schritt besteht zu-
nächst darin, gemeinsam zu erarbeiten, dass über-
haupt eine Störung vorliegt. Der Therapiebeginn ist
eine sensible Phase. Narzisstische Persönlichkeiten
neigen dazu, die Behandlung früh abzubrechen, was
allein schon deshalb problematisch ist, weil ihre Su-
izidrate hoch ist. „Daher ist es anfangs entscheidend,
ein vertrauensvolles Verhältnis zu dem Patienten
aufzubauen. Da Narzissten hochsensibel auf Kritik
reagieren, muss der Therapeut anfangs alles vermei-
den, was als Kränkung verstanden werden kann“,
berichtet Herpertz. Erst wenn sie sicher sind, nicht

60 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Im Rollenspiel sah er rapie wiederholte er später das Rollenspiel und pro-
bierte aus, sich seiner Frau gegenüber anders zu ver-
sich wie in einem Spiegel: halten. Zuhören, ausreden lassen, auf Abwertungen
verzichten – Selbstverständlichkeiten, die in seinem
Diese eiskalte Art war Repertoire nicht vorgekommen waren.
kaum auszuhalten Viele Patienten sind wie Günter Bender davon
überrascht, wie sie auf andere wirken. Ein Aha-Effekt.
Konfrontiert mit ihren eigenen Ich-Inszenierungen,
müssen die dünnhäutig Selbstverliebten über sich
selbst grinsen. Selbstironie ist oft der erste Schritt in
Richtung Reflexion. „Rollenspiele bieten die Mög-
lichkeit, einen alternativen Interaktionsstil auszu-
probieren“, sagt Herpertz. „Die Patienten stellen dann
fest, dass ihre Gesprächspartner vollkommen anders
Günter Bender (Name geändert) war seit seiner auf sie reagieren, als sie es gewohnt sind. Dadurch
Schulzeit ein Erfolgsmensch. Als Geschäftsführer machen sie die wichtige Lernerfahrung, dass sie es
eines mittelständischen Unternehmens gab er stets selbst in der Hand haben, ob sie anecken und Kon-
den starken Mann, was ihm großen Respekt einbrach- flikte provozieren.“
te. Doch als dann eines Tages das Erwerbsleben en-
dete, war auch die Ära der Bewunderung vorbei. Es muss nicht immer Wettkampf sein
Bender fiel in ein tiefes Loch. Als der Rentner eine Wichtige Therapieziele lassen sich erreichen, indem
Psychotherapie begann, klagte er über depressive kognitive Grundannahmen, die den Patienten ein
Symptome. Das Leben erschien ihm sinnlos. Immer Leben lang starr und unflexibel gemacht haben, in-
habe er sich über Erfolg definiert. Anerkennung von frage gestellt werden. Er lernt: Ich muss nicht immer
seinen Eltern bekam er nur, wenn er etwas leistete. und überall der Beste sein. Mal im Strom mitzu-
Gefühle zu zeigen, lernte er nicht, aus Angst, als schwimmen bedeutet nicht zu verlieren, sondern
Schwächling dazustehen. Im Ruhestand gab es nun kann im Gegenteil sehr erholsam sein. Flexibilität,
immer häufiger Streit mit seiner Frau. Früher sei er wie sie die kognitive Verhaltenstherapie vermittelt,
fremdgegangen, wenn es daheim Ärger gab. Nun- bedeutet, Prioritäten setzen zu lernen, die dem Per-
mehr wolle er das Verhältnis zu seiner Frau verbes- sönlichkeitsstil entsprechen, und zugleich dessen
sern, auch weil er auf sie angewiesen sei. negative Effekte zu entschärfen. Wer im Job unbe-
In der Psychotherapie lernte Bender zunächst Stär- dingt an der Spitze stehen will, könnte zum Ausgleich
ken und Schwächen seiner Persönlichkeit kennen. den Ehrgeiz beim Sport reduzieren. Wettkampfsport-
Dass die Fixierung auf Erfolg und Bewunderung ein arten wie Tennis lassen sich durch solche ersetzen,
inadäquater Versuch war, sein Selbstwertgefühl zu bei denen der Spaß an der Bewegung im Vordergrund
stabilisieren. Als Hauptziele der Therapie vereinbar- steht, wie etwa beim Inlineskaten.
ten Therapeutin und Patient, sein grandioses Selbst- Wer sich auf eine Therapie einlässt, wird für die
bild und die Überempfindlichkeit gegenüber Kritik Erweiterung seines Handlungsrepertoires mit einem
abzubauen und vor allem nachempfinden zu lernen, schöneren Familienleben belohnt, mit intensiveren
was seine Frau fühlte, wenn er sie von oben herab Beziehungen und der Fähigkeit, genießen und ent-
behandelte und abkanzelte. spannen zu können. Für viele sind das erste Male.
In der Gruppentherapie nahm eine Patientin im „Narzisstische Patienten, die eine Therapie durch-
Rollenspiel die Position seiner Frau ein. Sofort strit- halten, geben uns als Rückmeldung, dass sie ein gro-
ten sie heftig. Sie warf ihm vor, er sei egoistisch und ßes Stück Lebensqualität gewonnen haben“, sagt Sa-
kränke sie mit seiner Mischung aus Arroganz und bine C. Herpertz. Die Chance auf Glück mit der Fa-
Distanz. Bis hierhin reagierte Bender auf das Rollen- milie und in der Liebe – dafür lohnt es sich, das Ich
spiel wie so oft: amüsiert, mit Spott. Als er dann eine Nummer kleiner auszuprobieren. PH
selbst in die Rolle seiner Frau schlüpfte und spiele-
risch zur Zielscheibe seiner eigenen Gehässigkeiten
LESETIPP
wurde, brach er den Dialog abrupt ab und wurde
Narzissmus ist nicht immer nur negativ. In Heft 5/2016 berichte-
nachdenklich. Dieser eiskalte Umgang sei für ihn ten wir unter dem Titel Ich finde mich prima! über die gesunden
kaum auszuhalten, sagte Bender. In der Einzelthe- Seiten dieser Eigenschaft.

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 61


Trainieren bis zum Umfallen
Sie steigern ständig ihr Training und leiden unter Entzug, wenn sie
es absetzen. Für gar nicht so wenige Menschen wird Sport zur Sucht.
Mit der Zeit ruinieren sie damit nicht nur ihren Körper
VON THOMAS MÜLLER

D
ie junge Frau konnte es nicht fassen: „Ein Problem für die Suchtentwicklung ist die ho-
Die Blasen an den Füßen wollten he gesellschaftliche Akzeptanz von Sport“, erläutert
einfach nicht verschwinden, dabei Bär, stellvertretender Direktor der Uniklinik für Psy-
rannte sie kaum noch, ja machte fast chiatrie und Psychotherapie in Jena. Wer viel Sport
gar keinen Sport mehr, nur noch treibt und es schafft, regelmäßig seinen inneren
etwas Radfahren. Aber das belaste den Fuß doch Schweinehund zu überwinden, der wird häufig be-
kaum, sagte sie ihrem Arzt. Der fragte, wie viel sie wundert, erhält ein positives Feedback. Noch in den
mit dem Rad täglich unterwegs sei. „Nicht viel, nur 1970er Jahren wurde die Sportsucht glorifiziert. Der
drei bis vier Stunden am Tag. Und wenn es nicht US-Psychiater William Glasser sprach von einer po-
regnet, auch in der Mittagspause.“ Mit diesem Bei- sitive addiction – einer positiven Abhängigkeit. Er
spiel macht der Psychiater Karl-Jürgen Bär auf ein sah darin einen „wichtigen und neuen Weg für Sport-
Phänomen aufmerksam, das immer noch unter- ler, mental noch stärker zu werden“. Kein Wunder,
schätzt wird: Sport als Suchtmittel. dass sich so mancher Ausdauersportler damit brüs-

62 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


tet, den Sport zu brauchen, sich nicht wohlzufühlen, Letztlich half aber keine Einsicht, sondern ein me-
wenn er nicht trainiert, ja süchtig danach zu sein. dizinischer Befund, der ihre Karriere beendete: Sie
Was Psychologen und Psychiater unter Sportsucht bekam Herzrhythmusstörungen und war dadurch
verstehen, geht jedoch noch viel weiter: Für sie be- für lange Zeit zur Bewegungslosigkeit verurteilt. In-
ginnt die Abhängigkeit, wenn das Training zum zwischen darf sie wieder schwimmen, aber mit har-
Zwang wird, wenn es jedes Maß sprengt, wenn tem Training ist nun Schluss.
Schmerzen und Verletzungen ignoriert werden und Nicht immer kriegen die Betroffenen noch die
keine Zeit mehr für Freunde und Familie bleibt. Dann, Kurve. Bär kann auch von Sportsüchtigen berichten,
so Bär, lassen sich oft auch Merkmale beobachten, die nach einem Unfall Suizid begingen – weil sie nicht
wie sie für andere Suchterkrankungen typisch sind: mehr trainieren konnten.
Entzugserscheinungen mit Reizbarkeit, Ängsten und Wie viele Menschen betroffen sind, lässt sich nur
Depressivität sowie eine steigende Toleranz, die im- schwer feststellen. Jedenfalls wird seit den 1990er
mer weitere Strecken erforderlich macht, damit sich Jahren von einer steigenden Zahl Sportsüchtiger be-
eine positive Stimmung einstellt. Schließlich fühlen richtet. Psychologen um Simone Breuer und Jens
sich die Athleten zunehmend fremdbestimmt und Kleinert von der Deutschen Sporthochschule in Köln
verlieren die Kontrolle über ihr Verhalten. Sie haben vermuten, dass etwa jeder Hundertste Sportler Auf-
dann zwar den Wunsch, ihr Pensum zu reduzieren, fälligkeiten zeigt, jeder Tausendste ernsthafte Sym-
solche Versuche scheitern aber regelmäßig. Andere ptome hat und einer von Zehntausend behandelt
Aktivitäten geraten zunehmend in den Hintergrund, werden muss. Eine Untersuchung von Sportwissen-
auch Freizeit und Urlaub stehen nur noch im Zeichen schaftlern um Heiko Ziemainz von der Universität
des Trainings. Oft geht das so lange gut, bis schwere Erlangen-Nürnberg kommt zu einem deutlich hö-
Verletzungen auftreten. Manche laufen auch, bis sie heren Anteil. Die Forscher hatten über 1000 Teilneh-
buchstäblich tot umfallen. mer von Ausdauersportveranstaltungen mithilfe ei-
nes speziellen Fragebogens interviewt. Bei rund fünf
Auf Bewegung fixiert Prozent stellten sie ein erhebliches Risiko für ein
Wie sehr eine Sportsucht das Leben dominieren kann, Suchtverhalten fest. Jüngere Sportler waren öfter be-
erläuterte Bär vor kurzem auf dem Psychiatriekon- troffen als ältere, Frauen ebenso häufig wie Männer.
gress in Berlin am Beispiel einer Profischwimmerin. Allerdings sagt das Trainingspensum allein wenig
Die Frau erinnert sich daran, schon als Jugendliche über die Suchtgefahr aus. „Wer als Leistungssportler
„auf Bewegung fixiert“ gewesen zu sein. Sie spielte zehnmal die Woche trainiert, ist nicht unbedingt
Basketball, nahm an Crossläufen teil, wobei sie das süchtig, der hat zunächst einmal eine starke Bindung
Trainingspensum mit der Zeit immer mehr steiger- an den Sport“, erläutert Thomas Schack von der Uni-
te. Irgendwann stand sie bereits morgens um vier versität Bielefeld. Mit einer Sportsucht hingegen ru-
Uhr auf, damit sie das viele Laufen, Schwimmen und inierten Betroffene schnell ihren Körper, so der Vi-
Fitnesstraining überhaupt noch in ihren Tagesablauf zepräsident der Internationalen Gesellschaft für
integrieren konnte. „Ich bin auf vier bis fünf Stunden Sportpsychologie. Daran kann ein Leistungssportler
Training gekommen, und zwar sieben Tage die Wo- kein Interesse haben. Auch Breuer und Kleinert ge-
che. Einmal habe ich 91 Tage ohne Pause durchtrai- hen davon aus, dass eher Freizeitsportler gefährdet
niert.“ sind, die Kontrolle über das Training zu verlieren.
Die harte Arbeit zahlte sich aus: Sie wurde gut im
Schwimmen und nahm an Weltcups teil, belegte da- Körpereigenes Drogenlabor unter Verdacht
bei vordere Plätze. Genießen konnte sie es aber nicht. Doch wie kommt es, dass manche sich nach einem
„Es war eine Art Hassliebe, ich war ständig gehetzt Knochenbruch den Gips selbst abnehmen, um wie-
und getrieben, der Sport hat mich völlig absorbiert.“ der laufen zu können, trotz Herzklappenfehler an
ILLUSTR ATIONEN: RÜDIGER TREBELS

Für eine vernünftige Ernährung war da keine Zeit Ultramarathons teilnehmen oder lieber ihre Ehe ris-
mehr. Abends verschlang sie drei Nutellabrote im kieren, als ihr Kilometerpensum einzuschränken?
Stehen. Lange Zeit verdächtigten Forscher das körpereigene
Sie ignorierte Schmerzen, trainierte trotz Sehnen- Drogenlabor. So werden unter starker Belastung Sub-
scheidenentzündung weiter, brach einmal nach dem stanzen ausgeschüttet, die mit Opium- und Canna-
Training zusammen. Ihre Stimmungsschwankungen biswirkstoffen verwandt sind. Zunächst galt
nahmen drastisch zu. Irgendwann sagten ihre Freun- β-Endorphin als Favorit. Die Substanz wurde ver-
de: „Du bist sportsüchtig.“ dächtigt, rauschartige Zustände wie das Runner’s

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 63


High herbeizuführen. Typisch dafür ist ein Gefühl gewinnen. Solche Motive könnten ebenfalls ein ex-
der Schwerelosigkeit und des Glücks – häufig ver- zessives Training begünstigen.
glichen mit der Euphorie nach einer Heroininjekti- Schack schlägt daher ein „biopsychosoziales Pha-
on. Untersuchungen zur Endorphinhypothese seien senmodell“ der Sportsucht vor. In der ersten Phase
jedoch eher ernüchternd verlaufen, sagt Schack. So wird zunächst eine durchaus positive Bindung zum
habe man bei Teilnehmern von Ultramarathons oft Sport aufgebaut: Das Trainingspensum ist moderat,
keine erhöhte Endorphinausschüttung im Blut fest- die selbstgesetzten Ziele und Erwartungen werden
gestellt, zudem könnten die körpereigenen Opiate erreicht, das Selbstwertgefühl steigt, und – für Schack
die Blut-Hirn-Schranke kaum überwinden. Was im entscheidend – die mentale Selbstkontrolle nimmt
Blut gemessen wird, sagt also wenig darüber aus, zu: Die Sportler lassen sich weniger ablenken, ent-
was gerade im Gehirn passiert. wickeln neue Willenskräfte und lernen, ihre körper-
Etwas überzeugender sind die Indizien für kör- lichen und psychischen Ressourcen zu mobilisieren.
pereigene Cannabinoide, also Substanzen, die dem Der griechische Ultramarathon- und Weltrekord-
Wirkstoff von Haschisch und Marihuana ähneln. läufer Yiannis Kouros bringt dies auf den Punkt:
Sie gelangen leichter ins Gehirn. Auch konnten Wis- „Wenn andere Menschen müde werden, geben sie
senschaftler in Tierexperimenten zeigen, dass sich auf. Ich übernehme mit meinem Geist die Kontrolle
Zustände ähnlich dem Runner’s High verhindern las- über meinen Körper. Ich sag ihm, er ist nicht müde,
sen, wenn sie die Andockstellen für Cannabinoid im und er gehorcht.“
Gehirn blockieren. Die israelischen Psychologen Aviv
und Yitzhak Weinstein vermuten zudem eine Betei- Der Sport übernimmt die Kontrolle
ligung der hormonellen Stressachse. Sie wird nach über den Sportler
ihrem Modell bei exzessivem Sport überaktiv, in den Kommt es nun im Beruf oder in Beziehungen zu
Sportpausen machen sich dann Müdigkeit, Traurig- Konflikten und Stress, die den Selbstwert bedrohen
keit, Unruhe und ein Krankheitsgefühl bemerkbar, oder zu einem Kontrollverlust führen, dann ist die
was sich nur durch mehr Training beseitigen lässt Gefahr groß, dies über den Sport zu kompensieren.
– so entsteht ein suchttypischer Teufelskreis. „So etwas kann sich weiter aufschaukeln, indem man
Für den Sportpsychologen Schack greifen solche versucht, mehr Sport zu treiben“, erläutert Schack.
Modelle jedoch zu kurz. Zwar könnten körperliche Das höhere Pensum muss zunächst nicht problema-
Prozesse in kritischen Phasen durchaus relevant sein tisch sein. „Vielleicht pegeln sich die Probleme mit
und die Entwicklung einer Sportsucht forcieren. Ent- der Zeit wieder ein. Aber wenn das nicht so ist, wenn
scheidend sind für ihn jedoch die psychologische und ich die Schwierigkeiten an anderer Stelle nicht löse
die soziale Ebene: Manche wollen mit ihrer Leistung oder wenn ein starker sozialer Druck anhält, dann
vielleicht Freunden imponieren oder lernen bei ihren kann aus dieser Übergangsphase heraus eine Sucht
Exzessen neue Freunde kennen. Andere machen entstehen.“ Kritisch wird es vor allem dann, wenn
Sport, um abzunehmen, wieder andere um sich zu die Athleten ausschließlich Sport zur psychischen
entspannen oder mehr Kontrolle über ihr Leben zu Stabilisierung nutzen.

• Sie halten 100 km laufen oder • Sie vernachlässigen soziale Kon-


BIN ICH
400 km Rad fahren pro Woche für takte.
SPORTSÜCHTIG? normal und steigerungswürdig. • Wenn Sie Ihre Hauptsportart we-
Stimmen Sie diesen Aussagen zu, • Sie melden sich in mehreren Fit- gen Schmerzen oder Verletzun-
ist eine Sportsucht wahrscheinlich: nessstudios an, um jederzeit trai- gen nicht betreiben können, wei-
nieren zu können. chen Sie auf eine andere aus, um
• Sie erzählen ihrem Umfeld nicht, • Keinen oder wenig Sport treiben ihr Pensum zu erfüllen.
dass Sie so viel Sport treiben. zu können empfinden Sie als • Sie treiben Sport, um eine positi-
• Sie ignorieren Warnzeichen des Strafe, Sie bekommen dann Ent- ve Stimmung aufrechtzuerhalten.
Körpers wie Schmerzen, Erschöp- zugserscheinungen.
Quelle: Professor Karl-Jürgen Bär, DGPPN-
fung, Fieber und Stressfrakturen. • Sie stehen extra früh auf, um vor Kongress
• Sie zählen manche Sportarten, et- der Arbeit noch Sport treiben zu
wa Radfahren, gar nicht als Sport. können.

64 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Sportbindung statt Sportsucht
Bei der Therapie Sportsüchtiger plädiert Bär dafür,
die Gesundheitsschädlichkeit deutlich anzusprechen.
In der Öffentlichkeit würden meist nur die positiven
Seiten des Sports hervorgehoben, vielen sei gar nicht
klar, dass sie mit ihrem übermäßigen Training ihren
Körper ruinierten. Bär hält es auch für wichtig, Al-
ternativvorstellungen im Sport zu entwickeln und
sich nicht nur auf die Leistungssteigerung zu fixieren.
Eine vollständige Abstinenz sei in der Regel jedoch
unnötig. Vielmehr gehe es darum, die Kontrolle über
das Training zurückzuerlangen. Dazu gehörten ein
strukturierter Übungsplan mit ausreichenden Pau-
sen und vielseitigen Übungen.
Ähnlich geht auch Schack vor. Er versucht, Sport-
süchtige von ihren zwanghaften Handlungen zu lö-
sen, damit sie nicht gleich „loslaufen, wenn sie einen
Turnschuh sehen“. Mithilfe von Selbstinstruktionen
lernen sie, sich auf den Atem oder aktuelle Aufgaben
zu konzentrieren und das Training gezielt auf be-
stimmte Zeiten zu begrenzen. Über vier bis sechs
Sportsüchtige Mit der Zeit finden auch hormonelle Veränderun- Wochen soll dann die Sportmenge erkennbar redu-
haben Probleme gen statt, ein Gewöhnungseffekt setzt ein. Die Sport- ziert werden. Ziel sei ein Pensum wie damals in der
mit ihrer
Identität: Das
ler müssen dann noch mehr trainieren, um Stress „Bindungsphase“, also in der Zeit vor der Sucht, als
Training wird abzubauen und das Selbstwertgefühl zu steigern – der Sport noch Spaß machte. „Gleichzeitig schauen
zum Lebens- schließlich auch, um Entzugserscheinungen in den wir: Wie steht es mit der Gesundheit, wie gut lässt
inhalt
Griff zu bekommen. Irgendwann verursacht selbst sich das Training sozial einbinden?“
die Aussicht, nicht genug trainieren zu können, enor- Oft kann eine Therapie bei einem erfahrenen Psy-
men Stress. An diesem Punkt verlieren die Athleten chologen den Weg aus der Sucht weisen. Besteht der
die Kontrolle über ihr Handeln. Sport macht nicht Verdacht, dass noch andere psychische Probleme vor-
mehr Spaß, sondern wird zum Zwang. Das Training liegen, etwa eine Magersucht oder eine Körpersche-
kontrolliert jetzt den Sportler und nicht mehr um- mastörung, sind auch Psychiater gefragt. Einige Ex-
gekehrt. perten gehen davon aus, dass eine Kombination mit
Schack vermutet, dass besonders solche Personen solchen Störungen noch häufiger vorkommt als eine
gefährdet sind, die sich in sensiblen Lebensphasen reine primäre Sportsucht.
befinden, in denen sie Probleme mit ihrer Identität In extremen Fällen von Sportsucht ist ebenfalls
haben. Studien hätten zudem ergeben, dass es Sport- eine ärztliche Behandlung nötig, etwa bei dem zwan-
süchtigen schwerfällt, alternative Strategien zu ent- zigjährigen Mann, der die Schule abgebrochen hatte,
wickeln, um mit negativen Emotionen oder Proble- damit ihm mehr Zeit zum Laufen blieb. Während
men umzugehen. Im Training sehen sie oft den ein- der Untersuchung, so Schack, weigerte er sich zu-
zigen Ausweg: „Irgendwann wird das Sporttreiben nächst, die Schuhe auszuziehen. Schließlich gab er
zur zentralen Dimension in ihrem Leben.“ nach und präsentierte einen blut- und eiterdurch-
Um den Übergang in eine Sucht zu vermeiden, tränkten Lappen, den er sich um den Fuß gewickelt
rät der Psychologe, Warnzeichen ernst zu nehmen. hatte. Der Fuß war bis auf den Knochen durchgelau-
Kritisch werde es, wenn sich Familie und Freunde fen. Psychiater und Therapeuten konnten ihn schließ-
vernachlässigt fühlen, wenn jemand daran denkt, lich so weit stabilisieren, dass er ein normales Trai-
trotz Knieproblemen weiterzulaufen, oder sich ningspensum akzeptierte – und das Abitur nachhol-
schlecht fühlt, falls er mal keinen Sport machen kann. te. PH
Wer mit einem Training beginnt, sollte feste Zeiten
und Pläne einhalten. Auch Sport in einer Gruppe
oder mit konstanten Partnern kann vor einer aus- Eine Literaturliste zu diesem Beitrag finden Sie auf unserer
ufernden Belastung schützen. Website: www.psychologie-heute.de/literatur

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 65


„Integration ist
der beste Schutz
gegen Terrorismus“
Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel signalisierten Politiker mit
dem Satz „Wir sind im Krieg“ Kampfbereitschaft. Doch der
islamistische Terror ist durch militärische Aktionen nicht zu schwächen,
wie der Politikwissenschaftler Dr. Andreas Bock belegt. Was aber können
wir dann tun, damit Terrorangst nicht unsere Seelen auffrisst?

66 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Paris: 130 Tote, 350 zum Teil Schwerverletzte. annahmen und Vorurteilen über die soziale Welt und
Brüssel: 31 Tote, über 300 Verletzte. Der islamis- ihrer Akteure, die durch eigene Erfahrungen, aber
tische Terrorismus versetzt Europa in Angst und auch kollektive Erinnerungen oder mediale Bericht-
Schrecken. Wie schätzen Sie als Terrorismusfor- erstattung geprägt werden und die uns helfen, die
scher die Gefahr ein? Informationsflut einer überkomplexen sozialen Re-
Zunächst einmal ist die öffentliche Fokussierung auf alität zu bewältigen. Damit erfüllen Mindmaps eine
den sogenannten Islamischen Staat – oder Daesh*, kognitiv entlastende Funktion, sie führen aber auch
wie man besser sagen sollte – ganz im Sinne der Ter- zu einer Wahrnehmungsbeeinflussung oder, wie es
roristen. Denn das Ziel terroristischer Gewalt ist, der Politikwissenschaftler Robert Jervis formuliert
unser Denken zu besetzen, die Terroristen stärker hat: „People perceive what they expect to be present“,
und gefährlicher erscheinen zu lassen, als sie eigent- also: „Menschen nehmen wahr, was sie erwarten.“
lich sind. Entsprechend schätzen wir das Bedrohungspoten-
Heißt das, die Bedrohung, die wir angesichts der zial von radikalislamischen oder islamistischen Or-
Bilder von Brüssel und Paris empfinden, ist unbe- ganisationen wie dem Daesh heute so hoch ein, weil
gründet? sie scheinbar breite Unterstützung, auch in den west-
Nein. Die Bedrohung durch Terrorismus ist natürlich lichen Gesellschaften, genießen. Der Verfassungs-
real, sie war es auch in den Jahren vor 9/11 oder vor schutz rechnet aktuell etwa 1000 Menschen zum
den Anschlägen von Paris und Brüssel. Die Global „islamistisch-terroristischen“ Spektrum. Darunter
Terrorism Database (GTD) der Universität von Ma- sind etwa 420 sogenannte Gefährder, denen die Po-
ryland zählt allein für 2014 mehr als 16 800 terroris- lizei Terroranschläge oder andere schwere politisch
tische Anschläge weltweit; seit 1970 kommt die GTD motivierte Gewalttaten grundsätzlich zutraut.
sogar auf mehr als 140 000 Anschläge. Was sich mit Da dem so ist – haben dann die Mindmaps nicht
den Anschlägen auf das World Trade Center und das auch eine schützende Funktion? Sie erhöhen die
Pentagon 2001 verändert hat, ist unsere Wahrneh- Wachsamkeit und können unter Umständen viel-
mung. Terrorismus, genauer: der islamistische Ter- leicht sogar Anschläge vereiteln?
rorismus erscheint uns heute als unmittelbare und Nicht unbedingt. Wie Mindmaps eine terroristische
existenzielle Bedrohung. Eine Tendenz, die die An- Bedrohung konstruieren, zeigt das Beispiel jenes
schläge von Paris und Brüssel nur noch verstärkt Mannes, der am 22. Januar 2016 in einem Kölner
haben. Dass das Risiko, in Europa Opfer eines Ter- Baumarkt Chemikalien gekauft hat, „aus denen man
roranschlags zu werden – darauf hat der Risikofor- mit entsprechenden Kenntnissen ein explosionsfä-
scher Ortwin Renn hingewiesen –, geringer sei, „als higes Gemisch herstellen kann“, wie es die Kölner
die Gefahr, an einer Pilzvergiftung zu sterben“, spielt Polizei formulierte. Offensichtlich aber war nicht nur
dabei keine Rolle. Unsere Bedrohungswahrnehmung die Menge gekaufter Chemikalien für die Alarmie-
hängt wesentlich von der medialen Repräsentation rung der Polizei verantwortlich, sondern das Ausse-
der terroristischen Bedrohung und der staatlichen hen des Mannes als „aus dem Nahen Osten stam-
Reaktion auf den Terrorismus ab: Gerade weil man mend“.
dem islamistischen Terrorismus solche Aufmerksam- Das Problem an solchen Mindmaps ist, dass sie
keit schenkt und massiv, etwa durch militärische praktisch nicht falsifizierbar sind: Jede Information
Gewalt, auf ihn reagiert, erscheint er so gefährlich. kann so interpretiert werden, dass sie mit den Vor-
Das ist Teil des terroristischen Kalküls. annahmen zusammenpasst. Darum muss die Tat-
Wollen Sie sagen: Würden die Medien und die sache, dass es in Deutschland seit 1945 einen einzigen
FOTO (LINKE SEITE): PATT Y 197 1/PHOTOCASE.DE

Politik den terroristischen Anschlägen weniger Dr. Andreas M. Bock Anschlag mit islamistischem Hintergrund gab – im
Aufmerksamkeit schenken, wäre die Bedrohung ist Professor für Poli- März 2011 tötete ein 21-jähriger muslimischer Ko-
tikwissenschaft,
geringer? internationale Not-
sovo-Albaner am Frankfurter Flughafen zwei US-
Die Bedrohungswahrnehmung sicherlich. Denn das und Katastrophen- Soldaten und verletzte zwei weitere schwer –, nicht
Bedrohungspotenzial – also die Gefährlichkeit, die hilfe an der Akkon- zu einer Korrektur der Bedrohungswahrnehmung
Hochschule für
wir mit einem sozialen Akteur verbinden – ist eine Humanwissenschaf-
führen. Ebenso gut kann man das Ausbleiben isla-
psychologische Kategorie, die mit der öffentlichen ten in Berlin und mistischer Anschläge als Indiz für die Effektivität
Wahrnehmung terroristischer Gewalt korreliert und Lehrbeauftragter am des staatlichen Sicherheitsapparates werten – und an
Lehrstuhl für Frie-
von der sozialen Konstruktion sogenannter Mind- der Grundannahme eines bedrohlichen Islams fest-
dens- und Konflikt-
maps terroristischer Organisationen und ihrer Un- forschung der Uni- halten. Eine analoge Bedrohungswahrnehmung
terstützer profitiert. Mindmaps sind Sätze von Vor- versität Augsburg. durch einen rechtsextremen Terrorismus ist – trotz

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 67


der Zunahme rechter Gewalttaten im vergangenen Militärische anti-islamische Rhetorik des republikanischen Prä-
Jahr um mehr als 30 Prozent auf 13 846 Delikte – Angriffe sidentschaftskandidaten Donald Trump nutzt, um
dagegen nicht festzustellen. treffen neue Rekruten für den bewaffneten Kampf zu werben.
Auch wenn wir die Bedrohung überschätzen – die Ihr Fazit lautet also: Mit militärischen Mitteln ist
immer auch
Anschläge sind real und die angegriffenen Staa- der islamistische Terror nicht zu schwächen?
ten und deren Verbündete können nicht tatenlos
unschuldige Ja, richtig. Eine Ausweitung der Kampfzone wird we-
zuschauen. Gerade nach den Anschlägen von Pa- Zivilisten. der das Bedrohungspotenzial des Daesh noch die Be-
ris und Brüssel reden immer mehr Politiker von Das stärkt drohungswahrnehmung in den westlichen Gesell-
„Krieg“. Das bedeutet: militärische Aktionen? die Über- schaften reduzieren. Zwar klingen die aktuellen Zah-
Die Vermutung liegt nahe, dass gerade der Daesh zeugung, len, die das Weiße Haus über den Kampf gegen den
militärisch zu bekämpfen sei, verfügt er doch – an- „Islamischen Staat“ in Syrien und Irak veröffentlicht
die Terror-
ders als andere terroristische Organisationen – tat- hat, vielversprechend: In beiden Ländern habe diese
gruppen
sächlich über ein Territorium, auf dem er angegrif- Terrororganisation seit 2014 rund ein Fünftel ihrer
fen und, einen entsprechenden Einsatz militärischer kämpften für Kämpfer verloren. Heute gehen die USA von nur noch
Machtmittel vorausgesetzt, auch geschlagen werden eine gerechte 19 000 bis 25 000 Kämpfern aus. Doch der Fokus auf
kann. Seit Januar beteiligen sich Tornado-Kampf- Sache diese Zahlen ignoriert das eigentliche Funktionsprin-
flugzeuge aus Deutschland an der internationalen zip von Terrorismus – die Beeinflussung der Wahr-
Anti-IS-Allianz, und mit Hans-Lothar Domröse hat nehmung. Um den Krieg gegen den Terrorismus zu
sich einer dereinst ranghöchsten deutschen Genera- gewinnen, muss der Daesh militärisch nicht gewinnen,
le der US-Forderung nach einem NATO-Einsatz in er muss ihn nur spektakulär verlieren, in einem Kampf,
Syrien angeschlossen. der hässliche Bilder getöteter Menschen produziert,
Auch die USA haben nach den Anschlägen von die – tatsächlich oder nur vorgeblich – auf das Konto
9/11 zwei Kriege begonnen – gegen die Taliban in der Anti-IS-Allianz gehen. Die Herkunft der Atten-
Afghanistan und das Regime von Saddam Hussein täter von Paris, London und Brüssel könnte uns hier
im Irak. Zwei Kriege, die beide in wenigen Wochen eine mahnende Erinnerung sein, dass der IS es bereits
gewonnen waren; doch der eigentliche Krieg, der ge- heute schafft, Anhänger und potenzielle Kämpfer in
gen den Terrorismus, schien ebenso schnell verlo- den westlichen Gesellschaften zu rekrutieren. Diese
rengegangen zu sein: In Afghanistan sind die Taliban Unterstützung für den IS wird, dafür spricht die his-
weiterhin ein bedeutender Machtfaktor, und der Irak torische Erfahrung, vom Kampf gegen eine multina-
ist heute das, was die Regierung Bush vor Beginn der tionale Militärallianz, von der Gewalt und den Bildern
Offensive 2003 behauptet hatte: Ein Spielfeld des na- des Krieges profitieren. Und dazu wird die Terroror-
tionalen und transnationalen Terrorismus. ganisation selbst durch die multimediale Inszenierung
Warum aber war der Krieg gegen den Terrorismus der Opfer sicher noch beitragen.
in den genannten Fällen so wenig erfolgreich? Wenn nicht militärisch, wie kann man auf den is-
Weil militärische Angriffe eben nicht nur die Orga- lamistischen Terrorismus reagieren? Sie schrei-
nisationen, ihre Stellungen und Waffenlager, nicht ben in Ihrem Buch Terrorismus, man müsse einen
nur die Kämpfer von al-Qaida oder Daesh, sondern „Krieg um die Herzen der Menschen führen“. Wie
immer auch unschuldige Zivilisten treffen. Was, wie soll das funktionieren?
die Erfahrung in Gaza, im Libanon, aber auch Nord- Es wird sicherlich nicht funktionieren, indem wir
irland lehrt, die Unterstützung für diese Gruppen Muslime pauschal verurteilen und stigmatisieren.
nur verstärkt – wie auch die Überzeugung, die Or- Wenn wir uns klarmachen, dass die Stärke eines je-
ganisationen kämpften für eine richtige, für eine ge- den Terrorismus die freiwillige Unterstützung ist,
rechte Sache. die er gewinnen kann, dann spielen Politiker wie
Die Frage, wer im Einzelfall tatsächlich im Recht Donald Trump, der ein Einreiseverbot für alle Mus-
ist – die Staaten, die gegen den Terror kämpfen –, ist lime fordert, oder der CSU-Europaabgeordnete Al-
für die Frage der Wahrnehmung und Bewertung der bert Deß, der in einem Twitter-Beitrag nach den An-
jeweiligen Maßnahmen von untergeordneter Bedeu- schlägen von Brüssel erklärt hat, dass alle Terroristen
tung. Entscheidend ist, welche Seite die Emotionen Muslime seien, nur den Terroristen in die Hände. So
besser nutzen und vermarkten kann, die durch die wie übrigens auch die etablierten Parteien, wenn sie
Gewalt erzeugt werden. Das jüngste Beispiel dürfte sich die rechtspopulistischen Parolen von AfD oder
wohl die islamistische Al-Schabaab-Miliz sein, die Pegida zu eigen machen und eine Differenz zwischen
in einem fast einstündigen Propaganda-Video die Deutschland und Islam, zwischen Deutschen und

68 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Muslimen konstruieren – eine Differenz, die so ge- Übergriffe auf verantwortungsvoll handeln. In Deutschland leben
rade nicht existiert. Flüchtlinge mehr als vier Millionen Muslime. Und so wenig wie
Der vielgescholtene frühere Bundespräsident sagen nichts die Brandanschläge auf Asylunterkünfte oder die
Christian Wulff hat mit seiner Feststellung, dass der Übergriffe auf Flüchtende etwas über „die Deutschen“
über „die
Islam zu Deutschland gehört, nicht nur recht – er aussagen, sagen die Anschläge von Paris oder Brüs-
hat damit die Forderung, dass man die Herzen der Deutschen“ sel etwas über „die Muslime“ aus. Wenn wir es schaf-
Menschen gewinnen müsse, auf eine begrifflich-in- aus. Die fen, diese perzeptive Verkürzung zu reflektieren, re-
haltliche Formel gebracht: Muslime sind integraler Anschläge duzieren wir unsere Bedrohungswahrnehmung und
Bestandteil unserer Gesellschaft. Und als solche sind von Paris und gewinnen Handlungsfreiheit zurück. Umgekehrt
sie Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus. Brüssel nichts sind wir, wenn wir uns von den Schreckensbildern
Wenn wir aber bei der Integration versagen, wenn aus Paris und Brüssel unsere Reaktion diktieren las-
über „die
wir zulassen, dass eine Differenz konstruiert wird sen, nicht frei, sondern getrieben.
Muslime“
zwischen „uns“ und „den anderen“, dann wächst bei Besteht auch in Deutschland die Gefahr eines
diesen „anderen“ auch tendenziell die Bereitschaft, islamistischen Anschlags?
sich von dem Staat und der Gesellschaft abzuwenden, Natürlich. Es gibt keinen absoluten Schutz vor ge-
zu denen sie ja nicht gehören sollen. Kurz: Integra- waltbereiter Radikalisierung. Und doch ist das Risi-
tion ist der beste Schutz gegen Terrorismus. ko, in Deutschland Opfer eines terroristischen An-
Sie sprechen von den Mindmaps, die unsere schlags zu werden, nicht sonderlich hoch. Die aktu-
Wahrnehmung verzerren. Angesichts der Terror- ell größere Gefahr besteht meines Erachtens darin,
bilder wird es so manchem schwerfallen, seine dass wir durch die pauschale Stigmatisierung des
Bedrohungsgefühle unter „Wahrnehmungsver- Islam als gefährliche Religion beziehungsweise von
zerrung“ abzubuchen. Müssen wir nicht das Ge- Muslimen als Terroristen, die in der Politik wie im
fühl von Handlungsfähigkeit behalten, um uns gesellschaftlichen Diskurs zunehmend zu beobach-
nicht hilflos und ohnmächtig zu fühlen? ten ist, eine tiefe Spaltung der Gesellschaft riskieren.
Das stimmt. Und doch sind wir als politisch mün- Das wird die Gewaltbereitschaft an den extremen
dige Bürger genau dazu aufgefordert: uns zu fragen, Rändern tendenziell nur weiter erhöhen. PH
inwieweit unsere subjektive Bedrohungswahrneh- INTERVIEW: URSULA NUBER

mung, unser Bedrohungsempfinden mit der empi-


risch überprüfbaren Realität zusammenpasst. Was *Daesh ist ein Akronym für den arabischen Ausdruck „Islamischer Staat im
ja gerade nicht heißt, Handlungsfähigkeit zu verlie- Irak und der Levante“. Die Verwendung dieses Begriffs ist ein politisches
Signal: Der Anspruch des „IS“ wird damit zurückgewiesen, ein Staatsgebil-
ren. Im Gegenteil. Wenn wir uns klarwerden, von de mit weltweitem Herrschaftsanspruch zu sein. Zum anderen aber erinnert
Daesh an andere arabische Begriff, die für „Zwietracht säen“ oder „zertre-
wem oder durch was wir tatsächlich bedroht sind, ten“ stehen, und wird vermutlich allein schon darum vom „IS“ selbst strikt
können wir auf diese Bedrohung auch reagieren und abgelehnt.

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„Du nutzloses Stück Dreck!“


Im Internet wird beleidigt, gehetzt, gedroht. Sogenannte Trolle attackieren
Politiker und Journalistinnen, aber auch den Nachbarn, dessen Meinung
ihnen nicht passt. Was steckt hinter dem Hass im Internet? Und was kann man
dagegen tun? Fünf Thesen und der Versuch einer Antwort
VON JOCHEN METZGER

ILLUSTR ATIONEN: MICHEL STREICH

70
S
o eine hohle Frucht! Gleich in das Mäh- Was passiert da im Internet? Woher kommt der
werk von einem Mähdrescher werfen!“ Hass? Fünf Thesen und der Versuch einer Antwort.
„Ich schlage keine Frauen, aber bei dir
würde ich eine Ausnahme machen.“ „Du Schuld an allem ist die Anonymität
fette, dämliche Ratte.“ „Du ekelhaftes, Das ist zum Teil richtig. Es gibt zu diesem Punkt
fettes Schwein.“ mehrere Studien, die sich methodisch alle ähneln.
Das sind Beiträge, die auf Facebook geschrieben Man nimmt eine Reihe von Kommentaren, die unter
wurden. Sie landeten alle auf der Seite von Katrin Klarnamen ins Netz gestellt wurden. Dann vergleicht
Göring-Eckardt; die Grünen-Politikern zitiert sie in man deren Inhalt und Sprache mit anonymen Kom-
einem YouTube-Video, mit dem sie dokumentieren mentaren. Die Statistik offenbart, was jeder vermu-
will, welcher Ton gerade herrscht in einigen Teilen ten würde: Die anonymen Posts enthalten mehr Pro-
des Internets. Was die Thüringerin zur Zielscheibe vokationen, mehr Beleidigungen, mehr unzivilisier-
der Hassbeiträge werden ließ, war im Grunde eine tes Verhalten. Warum ist das so? Die meisten Psy-
Bagatelle: Sie hatte sich im Bundestag einen selbst- chologen sehen einen Prozess am Werk, den man
ironischen Scherz über Flüchtlinge und Ostdeutsche „Deindividuation“ nennt. In der Welt außerhalb des
erlaubt. Internets ereignet er sich dort, wo Menschen aufhö-
Noch schlimmer liest sich der Fall von Caroline ren, selbstverantwortliche Personen zu sein: in der
Criado-Perez. Der britischen Publizistin war aufge- Fankurve während eines Fußballspiels; in Gruppen,
fallen, dass auf den heimischen Geldscheinen außer die Uniformen tragen – oder wenn man am 14. Juli
der Queen bald nur Männer zu sehen sein würden. 1789 in Paris gerade dabei ist, die Bastille zu stürmen
Also startete sie eine Kampagne, die vor allem zwei und dadurch die Französische Revolution loszutre-
Dinge bewirkte: Erstens, dass ab 2017 ein Porträt der ten. In all diesen Situationen tun wir Dinge, die wir
Dichterin Jane Austen die Rückseite der neuen Zehn- als Einzelmensch niemals tun würden – wir werden
Pfund-Note zieren wird. Und zweitens, dass Criado- Teil eines wütenden Mobs. Einige der inspirierends-
Perez’ Twitter-Account zur Zielscheibe heftigsten ten Stücke psychologischer Literatur wurden über
Hasses wurde. Innerhalb weniger Wochen erhielt sie dieses Phänomen geschrieben: Gustave Le Bons Psy-
mehrere Zehntausend Posts – im Durchschnitt dau- chologie der Massen oder Freuds Massenpsychologie
erte es stets nur drei Sekunden bis zur nächsten Nach- und Ich-Analyse (siehe auch Seite 12).
richt. Mehrere Hundert davon gingen weit über den Doch wird tatsächlich alles gut, wenn man die
Tatbestand der Beleidigung hinaus („Stirb, du nutz- Anonymität im Netz beseitigt? Genau das dachten
loses Stück Dreck!“ „Ich werde dich finden!“ „Ich Politiker in Südkorea und erließen ein entsprechen-
schätze, manche Frauen brauchen von Zeit zu Zeit des Gesetz. Anlass dafür war ein tagespolitisches Er-
einfach ’ne tüchtige Vergewaltigung“). Zwei der Droh- eignis: Eine bekannte Schauspielerin hatte sich nach
briefschreiber wurden später von einem britischen Wochen perfider (und anonymer) Internethetze er-
Gericht zu Haftstrafen verurteilt. hängt. Doch drei Jahre später erklärten Koreas Ver-
fassungsrichter den Erlass für nichtig. Ihr Hauptar-
gument: Die Anonymität im Netz sei ein wesentlicher
Beitrag zur Meinungsfreiheit. Man kritisiert Miss-
stände einfach offener, wenn man keine persönlichen
Konsequenzen befürchten muss. Mit anderen Wor-
ten: Eine umfassende Klarnamenpflicht schwächt die
Demokratie eines Landes. Doch es gab noch ein zwei-
tes Argument: Eine Studie hatte nämlich gezeigt, dass
die Anzahl der Pöbeleien unter dem neuen Gesetz
praktisch nicht zurückgegangen war.

Wer Hassbotschaften versendet,


ist ein schlechter Mensch
Da könnte etwas dran sein. Zumindest dort, wo es
sich bei den Pöbeleien um sogenanntes Trolling han-
delt. Trolling geschieht nicht aus einem Impuls der
Wut heraus oder aus der Hitze einer heftigen Dis-

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 71


kussion. Einem Troll geht es nur um den Spaß dar- Doch wie kontrolliert man ein soziales Netzwerk,
an, andere zu provozieren. Die Analogie zu seinen das von einer Milliarde Menschen täglich genutzt
Beleidigungen ist die geworfene Stinkbombe in der wird? Man denkt: mit Computerprogrammen. Doch
schulischen Aula. Kanadische Forscher fanden in tatsächlich sind es in vielen Fällen echte Menschen,
einer Studie eine signifikante Verbindung zwischen die sich dieser Aufgabe annehmen. Content modera-
Trollverhalten und einem Charakterzug, den Per- tion nennt sich ihr Beruf. Wie das geschieht, kann
sönlichkeitspsychologen als „dunkle Tetrade“ be- man in einer aufrüttelnden Reportage des US-Ma-
zeichnen: einen Mix aus übertriebener Selbstbezo- gazins Wired nachlesen. Viele der firmeneigenen On-
genheit (Narzissmus), manipulativem Verhalten linepolizisten arbeiten unter enormem Zeitdruck für
(Machiavellismus), Rücksichtslosigkeit (Psychopa- eine Handvoll Dollar auf den Philippinen, bezahlen
thie) und der Lust daran, andere zu quälen (Sadis- aber zugleich einen hohen Preis für ihre Arbeit: Die
mus). „Cybertrolling erscheint als Internetmanifes- Burnoutraten sind enorm, nur wenige halten länger
tation eines alltäglichen Sadismus“, schreiben die durch als ein paar Monate; eine Therapeutin bezeich-
Autoren. net die Symptome der Betroffenen als eine Art post-
Diese kanadische Studie wird recht häufig zitiert traumatische Belastungsstörung – ausgebrannte con-
– und das ist kein Wunder: Sie bestätigt genau das, tent moderators sind psychisch so kaputt
was man irgendwie immer schon geahnt hat. wie Kriegsveteranen, die gerade aus
Wer so schlimme Dinge schreibt, kann kein dem Afghanistaneinsatz zurückkeh-
guter Mensch sein. Ist die Sache damit erledigt? ren.
Natürlich nicht. Denn die kanadische Studie Deshalb (und natürlich, um
leidet an zumindest zwei Schönheitsfehlern: Kosten zu sparen) arbeiten Exper-
Sie bezieht ihre Daten aus- ten an computergestützten Lö-
schließlich aus Fragebögen – sungen. Wäre es zum Beispiel
wie sich die Probanden tat- nicht großartig, wenn eine Software
sächlich im Netz verhielten, frühzeitig erkennen könnte, dass ein
wurde nie direkt unter- Teilnehmer gar nicht wirklich diskutieren
sucht. Zum anderen rekru- will – sondern nur dabei ist, um an-
tierten die Forscher ihre Ver- dere zu beleidigen und zu provozie-
suchspersonen über einen ungewöhn- ren? Der Informatiker Justin Cheng
lichen Kanal, nämlich über Amazon. von der Stanford University hat ein
Dort kann man für wenige Cents solches Programm geschrieben. Die
sogenannte „Klick-Arbeiter“ Software benötigt nach Chengs An-
(mechanical turks) für einfa- gaben nur zehn Blogeinträge, um mit
che Onlineaufgaben mie- 80-prozentiger Sicherheit vorhersagen zu können, ob
ten. Für die Forscher ist das ein Teilnehmer später von den Moderatoren gesperrt
praktisch, weil sie auf diesem Weg sehr schnell und werden wird. Interessant: Chengs Programm inter-
preiswert an eine relativ hohe Zahl von Studienteil- essiert sich gar nicht für die Inhalte der einzelnen
nehmern kommen. Wirklich repräsentativ werden Einträge – sondern nur dafür, wie die Community
die Ergebnisse dadurch aber nicht. auf die Beiträge reagiert. Mit anderen Worten: Das
Diskussionsverhalten einer Gruppe verändert sich
Das Internet lässt sich nicht kontrollieren sichtbar durch einen Störenfried. Und genau diese
Stimmt nur zum Teil. Soziale Medien haben seit vie- Tatsache werden Internetunternehmen in Zukunft
len Jahren Regeln für das, was auf ihren Seiten erlaubt vermutlich nutzen, um Trolle automatisch und früh-
ist und was nicht. Facebook verbietet zum Beispiel zeitig erkennen zu können.
Bilder von nackten Frauenbrüsten oder Filme von
Enthauptungen. Das geschieht nicht aus Moralge- Die Technologiefirmen drücken sich
fühl, sondern aus wirtschaftlichen Überlegungen: vor ihrer Verantwortung
Wenn Oma und Opa auf Facebook sind, um mit Das ist eher nicht richtig. Die großen Unternehmen
ihren Enkeln in Kontakt zu bleiben, dann will man leisten sich eigene Forschungsteams, die untersuchen,
diese älteren Kunden natürlich bei der Stange halten. wie Hassbeiträge entstehen, welche Auswirkungen
Alles soll draußen bleiben, was sie schockieren und sie auf das Netzwerk haben und was man dagegen
für immer vergraulen könnte. tun kann. Es mag verrückt klingen, aber die er-

72 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


WIE KANN MAN SICH GEGEN
HASS-ATTACKEN WEHREN?

Wer sich mit einer Meinung an die Öf- nehmerin („Hör auf, uns zu provozie-
fentlichkeit wagt – und genau das ist ren“). Danach lässt man den Konflikt
das Internet: ein Ort der Öffentlich- eskalieren („Du bist wohl länger nicht
keit –, der sieht sich gelegentlich hefti- mehr richtig gevögelt worden“). Ein
gen Reaktionen ausgesetzt. Es gibt ei- solcher Schlagabtausch bleibt in den
ne ganze Reihe von Gegenstrategien. sozialen Medien selten unkommen-
Sie alle können helfen. Zumindest tiert – und der Troll bekommt genau
manchmal. den Zoff, den er will.

Die Hasskommentare in eine größere Naming and Shaming. Man macht


Öffentlichkeit bringen. Der Vorteil den Urheber von Hassbotschaften
dieser Strategie: Man verharrt nicht in zuerst ausfindig und anschließend
der Rolle des wehrlosen Opfers, son- lächerlich. Die australische Jour-
dern wird aktiv und holt sich dadurch nalistin Alanah Pearce bekam per
Hilfe und Unterstützung. Dafür gibt es Facebook wiederholt Vergewalti-
viele Möglichkeiten. Man kann – wie gungsdrohungen. Also begann
Katrin Göring-Eckardt – ein Video sie, die Identität des Schreibers
drehen und die schlimmsten Kom- zu recherchieren. Es war, wie sich
mentare vorlesen. Eine brasilianische herausstellte, ein Junge, der noch
Kampagne namens „Criola“ geht ei- bei seinen Eltern wohnte. Pearce
nen anderen Weg: Sie spürt rassisti- rächte sich mit dem Schlimmsten, US-Publizistin Sarah Jeong in ihrem
sche Kommentare im Netz auf, ermit- was man einem Jugendlichen antun klugen Aufsatz The Internet of Garba-
telt den Ort, von dem aus sie ge- kann: Sie verpetzte ihn bei seiner ge. Darin entwickelt sie eine erhellen-
schrieben wurden – und stellt den Mutter. Deren Reaktion sorgte im de Metapher: Trolling, Belästigung
Hetzspruch im entsprechenden Dorf Netz für eine Menge Spott: „Oh, der und Hass sind in ihren Augen eine Art
oder Stadtviertel als riesiges Plakat kleine Scheißer! Danke für den Tipp. Müll, der sich im Netz ansammelt und
an den Straßenrand. Ich werd’ mal ein paar Takte mit ihm soziale Medien für manche Teilneh-
reden.“ mer zeitweilig unbrauchbar macht.
Hasskommentare ignorieren. Das ist Die Frage laute deshalb nicht, warum
eine der ältesten Netzweisheiten Beiträge löschen. Klar: Gelöschte Leute „so etwas Schlimmes tun“, son-
überhaupt: „Don’t feed the trolls“ Beiträge sind nicht mehr sichtbar, dern schlicht: „Wer bringt den Müll
(„Füttere die Trolle nicht“). Wer auf man putzt den Vogelmist von der raus?“ Der einzelne User, so Jeong,
die Störer nicht reagiert, nimmt ihnen Fensterbank – die Fensterbank wird sei damit immer überfordert. Der Job
den Spaß an der Sache. Sie werden sauber. Das klingt vielversprechend. liege bei den Technologiefirmen, die
sich früher oder später ein neues Ziel Leider funktioniert es nur selten. Im einfach mehr Geld in die Hand neh-
suchen. Leider hilft diese Methode Zweifel folgen einer gelöschten Nach- men müssten, um, na ja, eben den
nicht immer. Trolle – also jene, die an- richt 20, 30 oder gar 100 neue. Mit Müll nach draußen zu bringen.
dere nur aus Freude am Krawall belei- ein wenig Programmierkenntnis kann JOCHEN METZGER
digen – haben wirksame Gegentech- man sie von einem Computerpro-
niken gegen das Nicht-gefüttert-Wer- gramm erstellen und verschicken las- LITERATUR
den entwickelt. Eine davon ist der sen. Löschen muss man sie dagegen
Catarina Katzer: Cyberpsychologie. Leben im
Trick mit der sogenannten Socken- von Hand – und sitzt damit praktisch Netz: Wie das Internet uns ver@ndert. Dtv, Mün-
puppe, einem zusätzlichen Benutzer- immer auf der Verliererseite des chen 2016
konto. Wie ein Bauchredner schlüpft Spiels. Justin Cheng, Cristian Danescu-Niculescu-Mizil,
man dabei in zwei Rollen gleichzeitig. Jure Leskovec: Antisocial behavior in online dis-
cussion communities. Vortrag auf der Internatio-
Rolle Nummer eins spielt den Stören- Einfach nicht mehr ins Internet ge-
nal Conference on Weblogs and Social Media in
fried („Hey, ihr Feministinnen, zurück hen. Manchmal erscheint das tatsäch- Oxford 2015
in die Küche mit euch!“), Rolle Num- lich als letzte Möglichkeit, dem Hass
Erin E. Buckels, Paul D. Trapnell, Delroy L. Paulhus:
mer zwei übernimmt den Part der an- zu entgehen. „Das Internet ist dann Trolls just want to have fun. Personality and Indivi-
geblich beleidigten Diskussionsteil- für eine Weile kaputt“, schreibt die dual Differences 67, 2014, 97–102

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 73


staunlichsten Ergebnisse liefern dabei ausgerechnet den folgenden Spielen nur noch eine Handvoll Bot-
die Hersteller großer Computerspiele. Bestes Beispiel schaften an seine Mitspieler verschicken. Die Folge:
ist League of Legends, das mit 27 Millionen aktiven Die Spieler achten viel bewusster darauf, was sie den
Usern pro Tag beliebteste Onlinespiel der Welt. Wa- anderen mitteilen und was sie besser für sich behal-
rum ist rüpelhaftes Verhalten ausgerechnet in der ten. „71 Prozent aller Spieler werden nur ein einziges
notorisch ruppigen Gamer-Szene ein Problem? Weil Mal bestraft – und danach nie wieder auffällig“, er-
die Statistiken zeigen, dass einige Teilnehmer das klärt Lin.
Spiel meiden, wenn sie wiederholt während eines – Unbewusste Beeinflussung. Jeffrey Lin und ein
Matches beleidigt werden. Offensive language ist Team experimentierten auch mit einem sogenannten
schlecht fürs Geschäft. Jeffrey Lin, ein amerikani- priming: Kurz vor Spielbeginn schickten sie kurze
scher Verhaltensforscher, der beim Spieleentwickler Botschaften, die für einige Sekunden auf dem Bild-
Riot Games das player behavior team leitet, hat in schirm aufleuchteten. Einige dieser Botschaften zei-
mehreren Vorträgen die Maßnahmen verraten, mit tigten im Versuch eine erstaunliche Wirkung. Der
denen man die Spieler von League of Legends zu mehr Satz „Deine Teamkameraden spielen schlechter, wenn
Fairness erzieht: du sie nach einem Fehler beleidigst“ reduzierte die
– Die Meinung der anderen Spieler zählt. Nach Zahl der Beleidigungen um mehr als zehn Prozent.
jedem Match werden die Spieler gebeten, ihre Gegner
und Mannschaftskameraden zu bewerten, sie für Die Wut im Netz ist nur Ausdruck
faires Verhalten zu loben – oder für rüpelhaftes Be- einer stillen Wut in der Gesellschaft
nehmen zu „reporten“. Anders als bei Facebook oder Es gibt einige theoretische Überlegungen, die für die-
Offensive Twitter holt der Betreiber also aktiv Bewertungen se Behauptung sprechen. Sehr viele Menschen nutzen
language ist über seine Kunden ein. Die Daten zeigen etwas Über- Facebook und Twitter inzwischen als wichtigste
schlecht fürs
Geschäft. raschendes. Zwar wird – ähnlich wie beim Fußball Nachrichtenquelle. Dort sieht man vor allem das,
Deshalb wollen – in praktisch jedem Spiel zwischendurch geflucht, was die eigenen Freunde gut finden. Wer zum Bei-
die Hersteller provoziert und gemeckert. Die allermeisten Teilneh- spiel meint, Deutschland solle keine Flüchtlinge auf-
großer Com-
puterspiele die
mer erweisen sich jedoch als ausgesprochen fair. Auch nehmen, dessen Freunde denken darüber vermutlich
Nutzer zu mehr sie werden gelegentlich „reported“, aber das geschieht ähnlich. So liefert einem Facebook Tag für Tag eine
Fairness zu eher selten. Regelmäßig aus dem Rahmen fällt nur Menge Bestätigung für die eigene Haltung und er-
erziehen
ein Prozent der Spieler. zeugt dadurch das, was Fachleute eine „Filterblase“
– Schnelle Strafen und Verwarnungen. Schwere nennen: viel Bestätigung, wenig Gegenmeinung. So-
Fälle von beleidigender Sprache kommen vor ein bald man sich jedoch aus dieser Meinungsblase ent-
Schiedsgericht („Tribunal“) und werden re- fernt und zum Beispiel die Tagesthemen sieht oder
lativ schnell geahndet. Wer die Süddeutsche Zeitung liest, reibt man sich die Au-
schreibt: „Ich hoffe, deine gen und fragt sich, ob die Journalisten in Deutsch-
Mutter stirbt an Krebs“, land noch alle Tassen im Schrank haben. Auf Face-
erhält vor seinem nächs- book waren sich doch noch alle einig – jetzt liest und
ten Spiel eine schriftli- sieht man auf einmal etwas völlig anderes. Man denkt:
che Verwarnung per E-Mail. „Lügenpresse!“ An dieser Stelle kommt eine zweite
Wer sagt: „Bring dich um, los, Theorie ins Spiel, die aus den 1970er Jahren stammt:
tu es!“, wird für einige Tage vom Wer den Eindruck hat, mit seiner Meinung deutlich
Spielbetrieb ausgeschlossen – zu- in der Minderheit zu sein, behält sie für sich. Die
sammen mit einem speziellen Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Noel-
Feedback. Man zeigt den Spie- le-Neumann prägte dafür den Begriff der „Schwei-
lern die Passage im Chatver- gespirale“. Heute bekommt die schweigende Min-
lauf, für die man sie bestraft. derheit über die sozialen Medien das Gefühl, gar nicht
– Die Aufmerksamkeit der allein zu sein. Die Filterblase kann sprechen. Sie sagt:
Spieler lenken. Wer viel redet, „Was du denkst, stimmt ganz genau!“ Man äußert
redet auch viel Unsinn. Dieser Ge- sich, wird zur Gruppe – und trifft außerhalb der Bla-
danke brachte die Verhaltens- se nur noch auf Verrückte, Lügner und Dummbeu-
designer von Riot Games auf tel. Die oft extreme Sprache im Netz entsteht schlicht
eine Idee: Wer andere beleidigt aus der Überzeugung, im Recht zu sein. PH
und dafür „verurteilt“ wird, darf in

74 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


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PSYCHOLOGIE HEUTE 05/2016 75


DER
PSYCHO
TEST
Wie logisch
Folge 5 VON JOCHEN METZGER

Psychologen arbeiten Die Aufgabe


gerne mit Tests. Einige
Sehen Sie sich die folgenden vier
davon zeigen, wie wir Karten an. Jede von ihnen ist beid-
Menschen denken. Beson- seitig bedruckt. Auf der einen Seite
steht ein Buchstabe, auf der anderen
ders interessant sind sie steht eine Zahl.
dort, wo wir Fehler ma- Nun wird Ihnen gesagt: „Jede
Karte mit einem D auf der Vordersei-
chen. Das folgende Mini- te hat eine 3 auf der Rückseite.“ Um
rätsel stammt aus den herauszufinden, ob das stimmt, dür-
fen sie zwei der vier Karten umdre-
1960er Jahren. Es gehört
hen. Welche Karten sind das? Ma-
zu den einflussreichsten chen Sie einfach ein Kreuz unter die
Tests in der Denkpsycho- entsprechenden Karten.

logie und funktioniert


ganz einfach

Das war leicht? Gut. Dann machen


wir jetzt noch einen zweiten Test. Er
funktioniert ganz ähnlich. Diesmal
stehen die vier Karten stellvertre-
tend für vier Personen in einer Bar.
Auf der einen Seite der Karte steht
das Alter der jeweiligen Person, auf
der anderen Seite steht das Getränk,
das die jeweilige Person gerade kon-
sumiert. Sie haben den Job des Bar-
keepers. Das Telefon klingelt, Ihr
Chef ist in der Leitung. Er möchte,
dass Sie das Alter der Gäste über-
prüfen, denn schließlich dürfen Ju-
gendliche unter 16 Jahren keinen Al-
kohol trinken. Wie bewältigen Sie
diese Aufgabe, wenn Sie nur zwei
Karten umdrehen dürfen?

76 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


denken Sie?

Die Auflösung Was verrät dieser Test über unser Denken?


Eine kleine Warnung vorweg: Als der Warum sind diese beiden Tests aus das? Der US-Psychologe Joshua
britische Psychologe Peter Wason psychologischer Sicht so aufregend? Klayman meint: Weil es so kompli-
seinen Kartentest 1966 zum ersten Nun, von der Form her handelt es ziert und schwierig ist, sich etwas
Mal in einem Laborexperiment unter- sich jeweils um genau dieselbe Auf- Neues auszudenken. Genau deshalb
suchte, fanden nicht einmal zehn gabe. Nur einmal mit Zahlen und entstehen Erfindungen ja auch meist
Prozent der Probanden die richtige Buchstaben, das andere Mal mit Ge- zufällig.
Lösung. Aber der Reihe nach: tränken und Altersangaben. Die ers- Klayman erzählt als Beispiel gerne
Vermutlich haben Sie die Karte te Form machen fast alle Menschen die Geschichte des „Lutefisk“, einer
mit dem D umgedreht. Das ist rich- falsch. Die zweite Form machen berüchtigten norwegischen Fisch-
tig, das machen praktisch alle. Man praktisch alle richtig. Was verrät das spezialität. Angeblich entstand das
überprüft, ob auf der Rückseite eine über unser Denken? Rezept folgendermaßen: Die Wikin-
3 zu finden ist. Psychologen haben auf diese Fra- ger waren einmal wieder dabei, Ir-
Vermutlich haben Sie die Finger ge eine Reihe unterschiedlicher Ant- land zu überfallen. Die irischen Fi-
von der Karte mit dem K gelassen. worten geliefert. Die wichtigste lau- scher sahen die nahenden Drachen-
Sie spielt für unseren Test schließlich tet so: Menschen neigen dazu, einen boote und dachten sich: Wenn wir
keine Rolle. Auch das erkennen die sogenannten „Bestätigungsfehler“ schon unseren Fisch nicht in Ruhe
allermeisten. zu begehen (confirmation bias). Das essen können, dann sollen ihn auch
Nun aber zur Falle in diesem Test: heißt, man möchte gerne das bestä- die Norweger nicht haben! Also
Fast alle Versuchsteilnehmer drehen tigt haben, was man ohnehin schon kippten sie eine Brühe aus Birken-
die Karte um, auf der die 3 steht. glaubt. Zum Beispiel: „Jede Karte asche über ihren Dorsch und ver-
Man will überprüfen, ob auf der an- mit einem D auf der Vorderseite hat drückten sich ins Hinterland. Die Wi-
deren Seite ein D zu sehen ist. Doch eine 3 auf der Rückseite.“ kinger fanden den übel zugerichte-
wenn man genauer darüber nach- Beispiele für den „Bestätigungs- ten Fisch, hielten ihn für einen iri-
denkt, bemerkt man: Auf der ande- fehler“ im Alltag gibt es genug: Wir schen Geheimtipp und kosteten
ren Seite könnte jeder Buchstabe schlucken ein Hustenmittel aus der davon. Sie bemerkten dabei zweier-
stehen. Das bedeutet: Die Karte mit Apotheke. Drei Tage später ist die lei: Erstens, dass man von dem Fisch
der 3 ist für unser Rätsel ebenso un- Erkältung weg. Also preisen wir den nicht sofort krank wurde oder gar
wichtig wie die Karte mit dem K. Hustensaft als Zauberelixier – und daran starb. Und zweitens, dass der
Viel wichtiger jedoch ist die Karte übersehen dabei, dass die Hals- Geschmack nur etwas für sehr muti-
mit der 7. Denn stünde auf der ande- schmerzen auch ganz von selbst ge Kerle war. Stolz und begeistert
ren Seite ein D, hätten wir die These verschwunden wären. Wer einer trugen sie das neue Rezept zurück in
„Jede Karte mit einem D auf der Vor- linksliberalen Gesinnung nachhängt, die heimischen Fjorde, wo es noch
derseite hat eine 3 auf der Rücksei- liest gerne Zeitungskommentare, die heute traditionell an Weihnachten
te“ widerlegt! diese Haltung bestätigen – und mei- gereicht wird. Dazu gibt es sehr viel
Nun zur zweiten Aufgabe, dem det zum Beispiel die Kommentare Alkohol – aber hoffentlich nur für
Barkeepertest. Hier ist die Lösung rechtspopulistischer Blätter. Und Wikinger, die bereits über 16 sind.
offenkundig. Natürlich dreht man wenn wir doch einmal eine Agentur-
die Karte mit dem Bier um – und die meldung lesen, die unserer Meinung
Karte „15 Jahre“. Die Cola darf widerspricht? Dann sehen wir ver- ZUM WEITERLESEN

schließlich jeder trinken. Und mit mutlich die „Lügenpresse“ am Werk. 89 Tests und ihre Auflösungen –
ein unterhaltsamer Reiseführer
24 ist man alt genug, um Alkohol Manchmal halten wir auch dann
durch das Reich der modernen
zu bestellen. an einer falschen These fest, wenn Psychologie.
wir sehen, dass unsere Alltagserfah- Ben Ambridge: Das Psycho-
rung ihr widerspricht. Woran liegt Test-Buch. Knaur, 19,99 Euro

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 77


PEHNTS ALLTAG

LOB UND WAHRHAFTIGKEIT


Neulich habe ich meine alte Leh- und tadelte uns. Weil sie eine imposante
rerin getroffen. Alle paar Jahre Gestalt war, die Haare hoch aufgetürmt
lädt sie mich zum Tee ein, und immer fin- zu einer goldenen Tolle, die Blusenärmel
de ich eine Ausrede. Aber diesmal hatte etwas hochgekrempelt, mit breiten Schul-
ich plötzlich die Befürchtung, es könnte tern und stämmigen Waden, sanken wir
das letzte Mal sein. Wenn ihre Todesan- dann immer ein wenig in uns zusammen,
zeige im Briefkasten läge, wäre es nicht obwohl wir ja schon fast erwachsen waren
wieder gutzumachen. Also riss ich mich und uns freiwillig unter ihrer Knute ver-
zusammen und ging hin, mit englischem sammelt hatten. Sie lobte uns nie; wenn
Die Schriftstellerin
Buttergebäck, weil sie das besonders ge- ihr etwas gefiel, nickte sie kurz.
Annette Pehnt
mocht hatte, damals, als sie laut, dick und Wir waren es nicht anders gewöhnt.
(u.a. Briefe an Charly,
klug war und uns alle um sich scharte, uns Piper 2015) schreibt
Lob gab es selten, und immer musste es
Schülerinnen. Sie lud uns zu sich nach jeden Monat in verdient werden. Erst viel später kam die
Hause ein. Zuerst sagte sie uns ohne Um- PSYCHOLOGIE HEUTE große Inflation, und alles war einfach nur
schweife, wie wir aussahen: übernächtigt, über ihre Alltags- toll. Die Generation meiner Kinder wun-
zerstreut oder verschlafen. Dann stellte sie beobachtungen dert sich über Rückmeldungen, die aus
uns unlösbare Fragen nach dem Sinn des www.annette-pehnt.de einzelnen Wörtern bestehen, „gut“ zum
Lebens, nach unseren Vorstellungen von Beispiel. Sie denken dann immer, da müs-
Zusammenleben und Gerechtigkeit, heiz- se doch noch etwas kommen. Gewohnt
te uns noch ein wenig ein, und dann lehn- sind sie ausschweifende Lobesgirlanden:
te sie sich zurück, aß Unmengen von Ge- „wirklich echt schön“, „sehr, sehr inten-
bäck und genoss das Gefecht. Oft fuhr sie siv“, „ganz besonders toll“. Mit Freude und
auch dazwischen, und manchmal nahm Lob wird jede ihrer Regungen begrüßt.
sie uns einfach dran, obwohl wir doch auf Für sie ist die Welt voller Resonanz, ein
ihrer Terrasse saßen und nicht in der Ort der Zustimmung und der Herzlich-
Schulklasse. Wenn wir nicht mehr weiter- keit. Immer wird dem Kind zunächst gra-
wussten, schüttelte sie unwirsch den Kopf tuliert, dass es da ist.

78 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Inzwischen bin ich in Workshops, Kur- ich entsetzt beobachtete, wie sie mit zit-
sen, Klassen und in meiner Familie eine ternden Fingern den Tee in die Kanne löf-
geübte Ermutigerin, Loberin und Förde- felte. Wir brauchten eine Weile, bis wir
rin geworden. Schwierig wird es immer mit unseren Tassen auf der Terrasse saßen.
dann, wenn ich jemanden auf einen Feh- Hilflos redete ich gegen die Zittrigkeit an,
ler, eine Schwachstelle oder etwas Miss- erzählte wild aus meinem Leben und ver-
lungenes hinweisen muss. Die jungen Leu- suchte, die Krümel zu übersehen, die ihr
te ducken sich wie unter Peitschenhieben, auf die Bluse fielen.
obwohl ich natürlich niemals direkt den Anders als früher, wo sie uns nicht aus
Finger in die Wunde legen würde. Nein, den Augen gelassen hatte, starrte sie vor
ich lobe zunächst, ich freue mich über die- sich hin, und ich fing schon an, im Kopf
ses und jenes, dann schlage ich behutsam zu überschlagen, wann ich wieder gehen
einige Veränderungen vor. Gleich zittern könnte, ohne dass es allzu unhöflich wä- Herausgegeben von Wulf Bertram
die Unterlippen; ein verdächtig feuchter re. Da hob sie den Kopf und unterbrach
Glanz legt sich über die Augen, und eine mich. „Und lässt sich denn Ihrer Ansicht
schlecht verborgene Verzweiflung greift nach zwischen all diesen Begebenheiten
um sich. Andere starren mich fassungslos ein Zusammenhang herstellen?“, fragte
an, recken dann kämpferisch das Kinn sie scharf. Ich verstummte schlagartig. Es
und weisen alles von sich. Wortgewandt war klar, was sie wollte: Ich sollte aufhören
weisen sie mir nach, wie falsch ich liege zu plappern und anfangen zu denken. Und
und wie blind ich sei. Kritik ist heutzuta- zugleich sollte ich sofort aufhören, sie zu
ge eine heikle Angelegenheit, und ich muss bemitleiden. Ich senkte den Blick und
mit allem rechnen. Mit den Jahren bin ich wusste nicht mehr weiter. Eine Weile
zwar ungeduldiger geworden und benut- schwiegen wir beide.
ze beim Kritisieren weniger Einwickelpa- Sie muss sich gewundert haben über
pier, aber Diplomatie ist auf jeden Fall mich; über meine verlegene Redseligkeit
immer gefragt. und den fehlenden roten Faden, ohne den
Meine alte Lehrerin sah das anders. sie Gespräche nicht durchgehen ließ.
Man musste sich vor ihr bewähren. Wir Vielleicht wollte sie auch einfach nur
sollten unseren Blick schärfen, unsere prüfen, ob ich überhaupt noch einen Am Anfang
Gedanken überprüfen, wir sollten uns Funken von Scharfsinn in mir hatte. Fieb-
nicht einrichten in unserem sanften Ge- rig suchte ich nach einer klugen Antwort.
war das (Sprich-) Wort
plauder und unseren wattigen Ideen. Im- Der Zusammenhang war, dass ich zerris- Jeder kennt Sprichworte und setzt sie im All-
mer wenn wir nachließen und in erschöpf- sen war vor Mitleid mit dem gealterten tag ein, doch was ist dran, an „Gelegenheit
macht Liebe“ oder „Kleider machen Leute“?
ten Smalltalk auswichen, stieß sie wie ein Habicht und meine Rührung nicht zeigen Der Neurowissenschaftler und Philosoph
Habicht mit der nächsten Frage in unsere durfte. Aber genau das konnte ich natür- Manfred Spitzer geht diesen beiden Rede-
Runde. Unbequem war es damals bei mei- lich nicht sagen. wendungen auf den Grund und zeigt, was
die Gehirnforschung zu ihnen zu sagen hat.
ner alten Lehrerin. Und dann sagte ich es doch. „Ich wuss-
Außerdem fragt er, warum blaues Licht
Und deswegen hatte ich, als ich neulich te einfach nicht, was ich sagen sollte. Wir schlaflos macht und der ständig im Hin-
vor der Tür meiner alten Lehrerin warte- haben uns so lange nicht gesehen, und Sie tergrund laufende Fernseher sprachlos. Er
Irrtum und Preisänderungen vorbehalten. Abb.: Bild im Besitz des Autors (Kungfu Painting Co.)

te, Herzklopfen, als stünde mir eine Prü- haben sich ziemlich verändert.“ berichtet von Menschen, die lieber an zwei
sich widersprechende Verschwörungstheo-
fung bevor. Ich bin es nicht mehr gewöhnt, Sie ließ die Teetasse sinken. Und dann rien glauben als an die Wahrheit, und von
kurz gemustert zu werden und gesagt zu schaute sie mir direkt ins brennende Ge- Menschen, die lieber zu Elektroschocks grei-
bekommen: „Sie sehen aber gar nicht gut sicht und nickte kurz. Ich wusste, was die- fen als mit ihren Gedanken alleine zu sein.
Wenn Sie nun denken, dass das doch mit
aus. Dann erklären Sie mal.“ ses Nicken bedeutete: Es war ihr größtes dem Teufel zugeht, dann sind Sie hier eben-
Aber als sie die Tür öffnete, war mir Lob. Ich hatte eine Prüfung bestanden, falls richtig, denn auch ihm ist ein Kapitel
ILLUSTR ATION: MAGDA WEL

sofort klar, dass der Habicht gebrochene und die war nicht weniger streng, nur weil gewidmet.
Flügel hatte. Wer nicht gut aussah, war sie. die Prüferin inzwischen am Stock ging. 2016. 320 Seiten, 79 Abb., 10 Tab., kart.
€ 24,99 (D) / € 25,70 (A) | ISBN 978-3-7945-3173-8
Sie war schmal geworden und hielt sich Ich wünschte, ich könnte sagen, ich
am Türrahmen fest. Die Kekse konnte sie hätte sie seitdem oft besucht. Oder öfter
nicht nehmen, weil sie sich auf einen Stock wahrhaftig gesprochen. Ich
stützte; ich trug sie ihr in die Küche, wo fürchte, so ist es nicht.

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


BUCH&KRITIK REDAKTION: KATRIN BRENNER-BECKER

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Wie sinnvoll ist mein Leben?
Carlo Strenger analysiert die weitverbreitete Angst,
die eigenen Potenziale nicht auszuschöpfen

Carlo Strenger ist in Basel geboren; heute Buch The Lonely Crowd (Die einsame „Nur ein
lebt und lehrt er in Israel. Der in einer Masse, deutsch 1956). In der modernen
orthodoxen jüdischen Familie aufgewach- Dienstleistungs- und Konsumgesellschaft Geschöpf, das
sene Philosoph und Psychoanalytiker ge- trete zunehmend ein neuer „Charakter-
hört zu den originellen Denkern der Ge- typ“ auf, der nicht mehr traditions- oder weiß, dass seine
genwart. Schon auf der ersten Seite zitiert innengeleitet sei, sondern durch den Ein-
er Immanuel Kant, und das ist Programm: f luss seiner Mitmenschen gesteuert.
Zeit begrenzt ist,
Strenger, erklärter Freigeist, Atheist und Strenger dehnt diese Argumentation auf kann die Frage
Weltbürger, versteht sich als Parteigänger die moderne digitalisierte Gesellschaft
der Aufklärung. Diese sieht er weltweit aus, für die er das „Infotainment“ für cha- stellen: ‚Lebe
bedroht und dringend der Wiederbele- rakteristisch hält.
bung bedürftig. Denn unserem Zeitalter Strengers Analyse liest sich überwie-
ich ein lebens-
mangele es immer mehr an der Bereit- gend flüssig und spannend. Am beein- wertes Leben?‘“
schaft und Fähigkeit zum kritischen, un- druckendsten finde ich die Passagen, in CARLO STRENGER
abhängigen Denken. denen er über seine Auseinandersetzung
Laut Strenger leben wir in einer Epoche mit ultraorthodoxen Juden berichtet.
des dogmatischen Schlummers, die do- Manchmal gerät die Lektüre etwas zäh
miniert wird von Menschen, „deren Iden- durch seine Neigung, in großem Umfang
tität in erster Linie dadurch definiert wird, andere Autoren zu zitieren und zu rezen-
dass sie Teile des globalen Infotainment- sieren, wo man lieber mehr über seine ei-
systems sind“. Dieses Zur-Ware-Werden genen Gedanken erfahren hätte. Unterm
unseres Selbst, von Strenger etwas um- Strich bleibt ein positiver Eindruck – denn
ständlich „Kommodifizierung“ genannt, Strenger trifft vollends ins Schwarze, wenn
führt zu einer Instabilität der Selbstach- er gegen Ende seines Textes schreibt: „Wie
tung und zum Zweifel daran, ob das ei- hoch der Preis ist, den wir dafür zahlen,
gene Leben wirklich sinnvoll sei. Dem dass die Bürger keine Ahnung haben von
daraus resultierenden existenziellen Un- den Grundlagen politischen Denkens, se-
behagen begegnet die Moderne mit Psy- hen wir täglich im Fernsehen. Hier haben
chopharmaka und einer seichten „Pop- wir das traurige Schauspiel einer auf kur-
spiritualität“. „Viele Menschen in der glo- ze Soundclips reduzierten Politik vor Au-
balisierten Welt leiden an tiefgreifenden gen, einer Politik, die zu einem Unterhal-
existenziellen Angststörungen und dem tungsspektakel verkommen ist, hinter
fortwährenden Gefühl, dass sie kein Leben dem ihre eigentliche Aufgabe, das Nach-
leben, das wirklich Sinn hat“, meint der denken über das Gemeinwohl, vollkom-
Autor. Er zeigt, dass der Großteil dieses men zurücktritt.“ TILL BASTIAN

Leidens nicht psychopathologisch ist, son-


dern ein Resultat der Auswirkungen, die
Carlo Strenger: Die Angst
„der globale Markt der Ich-Kommodifi- vor der Bedeutungslosig-
zierung auf uns alle hat“. keit. Das Leben in der glo-
balisierten Welt sinnvoll
Diese treffende Diagnose ist nicht eben gestalten. Aus dem Engli-
neu. Schon kurz nach dem Ende des Zwei- schen von Irmela Köstlin.
Psychosozial, Gießen
ten Weltkrieges hat der US-Wissenschaft- 2016, 323 S., € 34,90
ler David Riesman den ersten „soziologi-
Leseprobe in der App
schen Weltbestseller“ veröffentlicht: das

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 81


Die späten Jahre
Drei Bücher beleuchten die Frage:
Wie kann man mit Würde und
Freude älter werden, wenn in der
Gesellschaft die „Ideologie ewiger
Jugendlichkeit“ herrscht?

Es gehört zu den bemerkenswerten Wi- Der Leser mag zunächst abgeschreckt Zu diesem Kulturpessimismus lässt
dersprüchen unserer Gesellschaft: Wäh- sein vom sperrigen Stil und von schwer- sich Julia Onken hingegen nicht hinrei-
rend der Anteil der älteren Menschen an verständlichen Passagen über die soge- ßen. Ihr Buch Im Garten der neuen
der Bevölkerung wächst, wird die Jugend nannte „Neotenie“, einen aus der Biologie Freiheiten ist auch der Frage gewidmet:
verherrlicht. In der Arbeitswelt oder in entliehenen Begriff, den Harrison als Wei- Wie kann man mit Würde und Freude
der Werbebranche setzt man auf die Le- terleben des inneren Kindes im Erwach- älter werden, wenn in der Gesellschaft
bensenergie und Innovationskraft von senenalter versteht. Wer sich aber durch die „Ideologie ewiger Jugendlichkeit“
Menschen unter 40. Die Senioren hinge- die Theorie kämpft, kommt zur interes- herrscht?
gen werden mit Demenz oder mit der Kri- santen Hauptthese: Ohne Bezug zur Ver- Die kurze Abhandlung der 74-jährigen
se des Rentensystems in Verbindung ge- gangenheit und eine Art Weiterleitung Autorin aus der Schweiz hat keinen kul-
bracht. Wenn ihnen doch Lob zugeteilt derselben in die Gegenwart droht eine turwissenschaftlichen Anspruch und liest
wird, dann als Silver Surfer, Cougar-Frau- Verkümmerung der Kultur. Richtige Re- sich dementsprechend viel leichter. Onken
en oder Best Ager sprich: Junggebliebene. volutionen – die Erfindung der Philoso- hat vor allem einen spezifischen Fokus:
Drei Bücher befassen sich mit diesem phie, das Christentum, die Geburt der Frauen. „Bei allen Frauen ist das Nach-
Phänomen – aus ganz unterschiedlichen amerikanischen Republik – seien nicht lassen der körperlichen Schönheit eine
Perspektiven. Bereits in der Einleitung von nur Ergebnisse eines rebellischen und zu- Tragödie von besonderem Ausmaß“, stellt
Ewige Jugend prangert der Literatur- kunftsorientierten Drangs, sondern auch die Autorin und Psychotherapeutin fest.
wissenschaftler und Philosoph Robert Folgen der Weisheit, die das Erbe der Ge-
Pogue Harrison den Jugendkult an: Er schichte antritt und weitergibt. Wollen wir
trenne die Generationen voneinander, wirklich jung bleiben und dennoch gleich-
Robert Pogue Harrison:
sodass der Erfahrungsschatz der Älteren zeitig reif sein, so Harrison, sollten wir Ewige Jugend. Eine
den Jüngeren nicht mehr zur Verfügung die historische Tiefe der Gegenwart wie- Kulturgeschichte des
Alterns. Aus dem
stehe. „In Wahrheit entzieht das Zeitalter derentdecken und Heranwachsende dafür Englischen von Horst
als Ganzes wissentlich oder unwissentlich sensibilisieren. Dazu empfiehlt der Autor Brühmann. Hanser,
München 2015,
den jungen Leuten das, was sie am meis- unter anderem die Abschaltung der „Ge- 288 S., € 24,90
ten brauchen, wenn sie sich entfalten sol- räte, die uns so fesseln“ und „die Welt auf
len“, urteilt der Autor. Bildschirmformat verkleinern“.

82 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Begutachtung
psychisch reaktiver
Traumafolgen

Es liege nicht daran, dass Frauen ober- Krieg, Unglück, aber auch von Heiterkeit
flächlich seien und mehr Wert auf Äußer- und Zufriedenheit geprägt sind. Etwas TRAUMA & GEWALT
lichkeiten legten, sondern daran, dass sie plump sind manchmal die Lehren, die die
so erzogen würden. Die Aufforderung, Autorin aus ihren Begegnungen zieht. We-
p geht den Weg von der
schön zu sein, sei etwas, was Mädchen be- niger lebensklug als platt klingen Sätze Klinik dorthin, wo Gewalt
reits im Kleinkindalter verinnerlichen: wie „Jeder Mensch braucht in seinem Le- entsteht
„Sei hübsch, räkle dich, richte dich her, ben ein spezielles Interesse“ oder „Man
mach das Beste aus deinem Äußeren, denn muss nicht immer erst unsterblich verliebt p diskutiert die Prävention
du musst vor allem eines: gefallen“, laute sein, um lieben zu können“. 100 Jahre Le- von Gewalt und die
die frühe, oft unbewusst übermittelte Bot- ben ist dennoch lesenswert. Es zeigt, dass Entgegnung von Gewalt
schaft in vielen Familien. Attraktiv blei- viele Frauen tatsächlich ihr Leben mehr
ben, einen Partner finden und behalten auf die Partnersuche ausgerichtet haben p verbindet die klinische
sei für Frauen eine lebenslange Heraus- als Männer und dabei auch in finanzielle
Sicht mit gesellschaft-
forderung. Im fortgeschrittenen Alter hät- Abhängigkeit geraten. Mathilde, Mariska
ten es Frauen daher noch schwerer als oder Agnes scheinen sich aber irgend- lichen Perspektiven
männliche Altersgenossen. wann vom Diktat der Attraktivität
Dies sei kein Grund zum Verzweifeln, befreit zu haben, um im hohen Alter ein '
+0 " %$+, , #*"'" # 

meint die Autorin. Sie setzt auf individu- selbstbestimmtes Leben zu führen – ganz TRAUMAGEWALT
elle Strategien gegen das Jugenddiktat. Der nach Onkens Modell.   
 

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-,+#+)*#$" ' + %%+#!,!3*+0#(,*-&,(%("$ -' * + %%+#!,!3*+0#(,*-&,(%("$ *-&,# *)$ -' /%,!(*+#-'"

Vorschlag, sich als „Teil eines großen zu- Was das gute – und nicht perfekte –
sammenhängenden Weltorganismus“ zu Leben ausmacht, ist das gemeinsame

 *-+" "  '.(' 3', * $% **% * 0 *" *2*" " *,
begreifen, mutet freilich esoterisch an. In- Thema der drei Autoren, so unterschied-
teressanter sind ihre Ratschläge, vorhan- lich ihre Herangehensweisen und Schreib-
dene Beziehungen zu klären und Selbst- stile sind. Für Harrison muss sich eine
erforschung zu betreiben: Nur wer sich Gesellschaft die Frage ihres kulturellen
selbst kennt, kann selbstbestimmt altern. Alters stellen, denn nur so kann sie ver-
Diese Lehre lässt sich auch aus den Por- nünftig mit den kommenden Generatio-
träts von Hundertjährigen ziehen, die die nen umgehen und ihren Bildungsauftrag
Journalistin Kerstin Schweighöfer in 100 ihnen gegenüber erfüllen. Für Onken geht
Jahre Leben gesammelt hat. Ihr Buch taugt es darum, im Auf und Ab der eigenen
als Antwort auf Harrison, denn darin ist Biografie ein „gutes Einverständnis mit # & '# !,

$##$ "&"!#%!!$
der Rückgriff auf den Erfahrungsschatz sich selbst“ zu erreichen. Egal wie man zu +,# *-+"  * -$( %,, '-,# $'"#-+

der älteren Generation geradezu beispiel- diesen einzelnen Aufforderungen steht,


haft. sie sind angenehm reflektiert – jenseits Heft 2 / 2016; € 24,–
Da ist Mathilde, die Bäuerin aus Süd- der üblichen Klagelieder über die Vergrei-
deutschland, die ihren Mann betrogen sung der Gesellschaft und genauso weit
hat und dafür einen hohen Preis zahlen
musste. Oder Mariska, die passionierte
entfernt vom aufgesetzten Optimismus
der Marketingexperten, die Best Ager vor
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Malerin aus Ungarn, die genau weiß: allem für ihre Kaufkraft schätzen. im Startpaket!
nur
„Glück ist kein Dauerzustand.“ Alles nor- CLAIRE-LISE TULL
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Julia Onken: Im Garten Kerstin Schweighöfer:


der neuen Freiheiten. 100 Jahre Leben. Welche
Ein Reiseführer für die Werte wirklich zählen.
späten Jahre. C. H. Hoffmann und Campe,
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Das geliebte Ringelshirt, der mit darunter Kim Gordon, Lena Dunham und Cindy Sherman.
glitzernden Schmetterlingen bedruckte Sie wurden gefragt: Was ist für dich der Unterschied zwi-
Rock, die Jeans mit den zerschlissenen schen Anziehen und Schickmachen? Erzähl uns davon, was
Nähten — Frauen und Kleider (S. Fischer, du im Schrank hast, aber nie trägst. Nach welchem Klei-
€ 24,99) sind ein immerwährendes The- dungsstück bist du noch immer auf der Suche? Wenn du all
ma. Ein ungewöhnliches Lesebuch ha- deine Kleider weggeben müsstest, was würdest du behal-
ben Leanne Shapton, Sheila Heti und ten? Ein inspirierender, interessant illustrierter Band, in den
Heidi Julavits zusammengestellt. Es ent- man lange abtauchen kann.
stand auf der Grundlage eines Fragebogens, den die Auto-
rinnen an 500 Frauen auf der ganzen Welt geschickt haben,

40 Prozent der Deutschen leiden im Laufe ihres Als die Pille am 1. Juni 1961 in die west-
Lebens an einer psychischen Störung. Doch der deutschen Apotheken kam, wurde sie
Gang zum Psychotherapeuten bringt viele Fragen ausschließlich verheirateten Frauen mit
mit sich: Welches ist die richtige Therapieform? mehr als zwei Kindern verschrieben. In der
Müssen überhaupt alle Störungen in einer Psycho- DDR gab es deutlich weniger Hürden:
therapie behandelt werden? Was passiert in einer 1970 konsumierten bereits 16-Jährige ohne
ambulanten, was in einer stationären Psychothe- Einwilligung der Eltern das kleine Dragee,
rapie? Welche Risiken und Nebenwirkungen hat und nur zwei Jahre später war das Medika-
eine Therapie? Und: Wann ist sie ment für alle Frauen kostenlos. Heute nehmen 87 Prozent
eigentlich beendet? Der informa- der 14- bis 17-jährigen Mädchen die Pille — viele nicht wegen
tive Wegweiser Psychotherapie ihrer verhütenden Wirkung, sondern aufgrund der er-
(Thieme, € 19,99) von Andrea sehnten Nebeneffekte: volleres, glänzenderes Haar, eine
Dinger-Broda und Michael Broda größere Oberweite, reinere Haut. Für ihr Buch Die Pille und
bringt Orientierung ins Dickicht ich (C.H. Beck, € 14,95) hat Katrin Wegner mit 250 Frauen
der Psychotherapielandschaft aus drei Generationen über die Bedeutung der Pille in
und baut Berührungsängste ab. ihrem Leben gesprochen. Ihr Fazit: Einst ein Symbol der
sexuellen Befreiung, ist die Pille zur Lifestyledroge gewor-
den, die jungen Mädchen dazu dient, den eigenen Markt-
wert zu steigern.

84 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Marion Elling-Chong Luna
Stressbefreiung + Entspannung
Am Mühlweiher 1
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www.Praxis-SonnenSeite.de

Erzähl mir nix! Ich bin


Werner Siefer versucht zu klären, warum das Gehirn
in Geschichten denkt Mitglied
im VFP weil:
... mich die ersten Telefonate sofort
von der Engagiertheit und Kompetenz
überzeugt haben
„Ich bin ein Erzähler!“ Mit dieser Behaup- theorien, erzählende Literatur vor allem
... ich Antworten bekomme rund um die
tung setzt das Buch Werner Siefers ein. des 20. Jahrhunderts und um Philologie
Führung einer Praxis
Es kreist um den Erzählinstinkt und des- geht, gerät seine Darstellung in den Be-
... er wirklich gute Verbandsarbeit leistet
sen unmittelbare Folgen: soziale Kommu- reich des Haarsträubenden. Dass ein Zeit-
nikation, das Entstehen eines Ichs, die schriftenredakteur, Ressort „Technik und ... er innovative Projekte entwickelt,
Organisation eines Lebens durch Narra- Forschung“, möglicherweise nicht über- z. B. den Therapeuten-Notdienst

tion, durch Erzählen also. mäßig viel mit dem einst in England le- Informationen über den VFP erhalten Sie hier:
Siefer, Diplombiologe und Wissen- benden amerikanischen Romancier Hen- Verband Freier Psychotherapeuten,
schaftsredakteur, präsentiert eine Colla- ry James (1843–1916), einem Autor aus- Heilpraktiker für Psychotherapie
und Psychologischer Berater e.V.
ge ausgewählter Studien und Untersu- greifender psychologischer Romane, an-
Lister Str. 7, 30163 Hannover
chungen, deren Ergebnisse er geschmeidig fangen kann, mag ja noch angehen. Telefon 05 11 / 3 88 64 24
referiert. Das macht er mit leichter Hand. Henry James allerdings als kaum bekann- www.vfp.de | info@vfp.de
In die eigene Argumentationskette fädelt ten Schriftsteller zu deklarieren, seinen VFP
er viele Einsichten klinischer Studien ein. Bruder, den Philosophen und Psychologen
Dies sind die interessantesten Partien die- William James hingegen mit einem gro-
ses Buches. Daneben befleißigt sich der ßen, dafür konventionellen Lob zu verse-
Journalist und mehrfache Buchautor einer hen ist mehr als anfechtbar. Vor allem Gelungene Kommunikation
dramaturgischen Form, die Zugänglich- wenn Siefer William James falsche Le-
erleichtert das Leben
keit suggerieren soll: Jedes Kapitel richtet bensdaten mitgibt.
sich in Briefform an eine Person namens Es mutet denkwürdig an, dass ein Haus
Maurice. wie der Carl-Hanser-Verlag, der eine statt-
Warum aber denkt das Gehirn nun in liche Reihe von Literaturnobelpreisträ-
Geschichten? Wie macht es das? Wie beim gern in seinem Programm verzeichnet,
Kleinkind, wie im Erziehungsumfeld, wie diese größtenteils ahnungsfreien Passagen
im Alter, wenn eventuell erinnerungs- zum Druck hat freigeben können. Noch

4Ƚ %t*4#/
schwächende Krankheiten auftreten? Und merkwürdiger ist, dass zwar eine Fülle an
ist nicht Konfabulation, die Selbstpro- Studien aufgeführt wird und zahlreiche
duktion und Autosuggestion falscher Namen fallen – so mancher davon ohne
Erzählungen, auch Erzählen? Wie kann Vornamen –, Siefer aber überzeugt ist,
nun Erzählen gemeinschaftsstärkend, ja auf eine Literaturliste zum vertiefenden
„wir-herstellend“ sein? Nachlesen verzichten zu können.
Das Problematische dieses Buches ist: ALEXANDER KLUY

Siefer surft viel lieber den Uferbereich des


Konkreten entlang, als dass er sich weit
hinaus zu den Atollen des Abstrakten
Werner Siefer: Der Erzähl-
wagt. Sein Prinzip des nahezu kritiklosen instinkt. Warum das Gehirn Sie erfahren, wie Sie gekonnt Sprechen und
Arrangierens verhindert dies. Und man in Geschichten denkt.
gut verstanden werden. Zahlreiche Beispiele
Hanser, München 2015,
realisiert ein wenig verdrossen, dass sich 271 S., € 19,90 und Übungen aus dem Alltag zeigen, was
der Autor entschlossen hat, auf Origina- unser Sprechen eindeutig, individuell und
lität zu verzichten. respektvoll macht.
Vor allem im dritten Kapitel „Die Dich-
tung und die Welt“, in dem es um Erzähl- Leseprobe unter
www.beltz.de
PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016
Für alle, die es wissen wollen.

Ohne Bildung
kein Herr im eigenen Haus
Überleben. Philipp Hübl entlarvt den Mythos von der Macht
des Unbewussten

Was haben Sigmund Freud und Neuro- wusster Effekt stark ist, können wir ihn
wissenschaftler gemeinsam? Sehr wenig, auch bewusst kontrollieren.“
könnte man meinen. Die Psychoanalyse Dieses Plädoyer für eine Wiederentde-
sucht die Ursachen des Seelenleids vor- ckung der menschlichen Gestaltungsfä-
wiegend in der Familiengeschichte des higkeit hat durchaus etwas Sympathi-
Patienten. Für Hirnforscher hingegen sind sches. Freiheit, Bewusstsein, Vernunft
es vor allem biologische Prozesse, die über kommen damit zu neuem Glanz – und
unser Wohlbefinden entscheiden. das sticht angenehm hervor in einer Zeit,
In seinem Buch Der Untergrund des in der angeblich überall dunkle Mächte
Denkens sieht der Philosoph Philipp Hübl wie die Algorithmen, die Pheromone oder
über diesen Unterschied hinweg und emp- die Werbebranche am Werk sind, um
fiehlt: Glaubt weder den einen noch den klammheimlich auf uns einzuwirken.
anderen! Den Anhängern der Psychoana- Leider muss der Leser Hübl viel Geduld
lyse wirft er vor, das Wesen und die Natur entgegenbringen, um sich durch das Di-
von Wünschen zu verkennen. Diese lägen ckicht seiner Argumente zu kämpfen.
weder verdrängt noch verschlüsselt im Auch die Art und Weise, wie der Autor
Unbewussten, wie „Freuds obskure Trieb- philosophiert, ist nicht jedermanns Sache:
theorie“ besagt. Hinter unserem Tun-, Er führt viele konkrete Beispiele an, be-
Nicht Klima, nicht Rohstoffe, son-
Sein- oder Habenwollen stecke nichts an- ansprucht für sich eine Denkweise, die
dern Bildung ist der Schlüsselfaktor
deres als die Wünsche selbst – und schon über die klassische Arbeit an Begriffen
für das Überleben der Menschheit.
Gesellschaften, in denen Breiten-
gar kein sexuelles Verlangen. hinaus auch „eine empirische Komponen-
bildung gefördert wird, stehen In ähnlich prüfender Manier geht Hübl te“ hat. Psychologische Labortests dienen
heute bildungsfernen, teils fun- an die Neurowissenschaften heran. Jede als Rohmaterial. Am Ende ist der Text lei-
damentalistischen gegenüber, die Veränderung im Bewusstsein geht mit ei- der überladen mit der Beschreibung un-
keine Antworten auf die sozialen ner Hirnaktivität einher, räumt der Autor zähliger Studienprotokolle und wider-
und technologischen Herausforde- ein. Doch daraus zu schließen, den sprüchlicher Ergebnisse, die keineswegs
rungen unserer Zeit haben. Klingholz menschlichen Geist könnte man allein das Vertrauen in die Aussagekraft des Ex-
und Lutz stellen klar: Wir stecken anhand jener Prozesse analysieren, die im perimentellen wecken. Seltsam ist, dass
mitten in einem Kampf der Bildungs- Gehirn ablaufen, sei ein gravierender Feh- Hübl sich dieser Methode bedient, aber
kulturen. Und der betrifft uns alle,
ler zahlreicher Wissenschaftler. gleichzeitig von ihrer Begrenztheit refe-
denn Armut, Verzweiflung und
Aus diesen spezifischen Einwänden riert. Allen Moden zum Trotz sollten Phi-
Terror machen vor Grenzen nicht
folgt eine allgemeinere Kritik: Psychoana- losophen gründlicher überlegen, ob und
halt. Es ist Zeit, global in Bildung zu
investieren!
lytiker und Hirnforscher würden unsere wie sie mit der experimentellen Psycho-
Entscheidungsfreiheit verkennen. Indem logie und den Naturwissenschaften auf
»Das glänzend geschriebene sie dem Unbewussten eine zu große Rol- deren Terrain konkurrieren wollen.
Buch ist ein einziges leidenschaft-
le im menschlichen Verhalten zuschrie- CLAIRE-LISE TULL
liches Plädoyer für mehr globale
ben, unterschätzten sie unsere Fähigkeit,
Verantwortung..« Vorwärts
rational und reflektiert zu handeln. Philipp Hübl. Der Unter-
Wir sind die Herren im eigenen Haus, grund des Denkens. Eine
2016. 300 Seiten. Gebunden
Philosophie des Unbe-
ISBN 978-3-593-50510-7 lautet Hübls zentrale These. Das Unbe- wussten. Rowohlt, Rein-
Auch als E-Book erhältlich wusste, wie auch immer es definiert wird, bek 2015, 478 S., € 19,95

ist für den Autor eine harmlose Neben-


sache: „Unbewusste Prozesse haben
selten einen Effekt; wenn sie einen haben,
ist er meist schwach, und wenn ein be-

86 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Sagen Sie mal, Frau Katerle:
Wie können Paare mit
unerfülltem Kinderwunsch
ihre Liebe bewahren?

Stephanie Katerle ist Coach und Paarberaterin;


ihr Ansatz ist systemisch, prozess- und lösungsorientiert.
Schwerpunktmäßig berät sie Paare in schwierigen
Lebens- und Beziehungsphasen.

Warum dominiert der Wunsch nach einem Kind fühlen sich dann wie auf einer Insel: rundherum das
bei manchen Paaren das gesamte Leben? Leben und auf der Insel große Leere.
Ein Kinderwunsch ist ein Lebenstraum. Solche Träu- Ist es legitim, dem Wunsch nach einem Kind eine
me lassen sich nicht abstellen, sie wirken intensiv. so hohe Priorität einzuräumen, dass man sich ei-
Solange es einen winzigen Funken auch noch so ir- nen anderen Partner sucht, wenn es mit dem jet-
rationaler Hoffnung gibt, lassen viele Wunscheltern zigen nicht klappt?
nichts unversucht. Für sie gehören Kinder und Fa- Paare sollten ehrlich miteinander sein. Kommt einer
Stephanie Katerles
milie zur persönlichen Identität. Ohne sie fühlen sie von beiden zum Schluss, dass er oder sie auf das Kind Buch Wir ohne dich.
sich nicht vollständig. Oft geben sie sich und manch- unter keinen Umständen verzichten will, ist eine Wie Paare mit uner-
fülltem Kinder-
mal auch ihr Liebesglück ohne Rücksicht auf das ei- Trennung ehrlicher, denn unbewusst geben sich die wunsch ihre Liebe
gene Wohlergehen für ihren Wunsch auf. Partner oft noch Jahre später die Schuld an geplatz- bewahren ist im
März bei Klett-Cotta
Leiden Frauen mehr als Männer? ten Träumen. erschienen
Seelisch leiden Frauen und Männer gleich stark un- Was raten Sie Paaren, die bisher vergeblich auf (160 S., € 16,95)

ter unerfülltem Kinderwunsch. Für Frauen hat das ein Kind warten und eine Kinderwunschbehand-
Warten aufs Kind aufgrund unserer sozialen Gefüge lung beginnen wollen?
größere negative Bedeutung. Viele Frauen rechnen Paare sollten in jedem Fall Kontakt zu anderen Be-
die Babypause in ihre Biografie mit ein und halten troffenen suchen. Es gibt so viel mehr davon, als Paa-
sich in der aktivsten beruflichen Phase deswegen zu- re ahnen. Viele Kliniken bieten psychologische Hil-
rück. Sie erleben sogar manchmal einen Karriere- fen an. Diese sollten genutzt werden. Im Internet
knick – und das ganz ohne Kind. Das ist extrem frus- sprechen mutige Paare in Videos oder Blogs über
trierend und belastend für die Frauen. ihre Erfahrungen. Zu wissen, dass man nicht allein
Viele Kinderwunscheltern berichten von einer ist, hilft, die Phase seelisch gesund zu überstehen.
Vereinsamung. Woher kommt dieses Gefühl? Was brauchen Paare, um eine gute Identität als
Schwangerschaft und Geburt gelten in vielen Köpfen „kinderloses Paar“ zu finden?
als Selbstverständlichkeiten, die „natürlich“ abzu- Paare – ob mit oder ohne Kinderwunsch übrigens
laufen haben. Wer sich Kinder wünscht, wird des- – tun gut daran, sich das Fundament ihrer Beziehung
ILLUSTR ATION: JAN RIECKHOFF

wegen zunächst großzügig unterstützt und ermun- gelegentlich anzuschauen. Warum haben wir uns
tert. Sobald das Paar aber für den Kinderwunsch füreinander entschieden? Was ermöglichen wir uns?
unangenehme Prioritäten setzt und etwa von Fami- Was erwarten wir voneinander? Solche ehrlichen Be-
lienfeiern fernbleibt, weil es unter Termindruck zur standsaufnahmen machen Offenheit auch für neue
Behandlung muss, sinkt das Verständnis rapide. gemeinsame Perspektiven möglich.
Plötzlich heißt es: „Seid mal nicht so verbissen dabei,
dann klappt’s von allein!“ Viele Kinderwunscheltern INTERVIEW: KATRIN BRENNER-BECKER

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 87


PSYCHOLOGIE
HEUTE shop

s 5MFANGREICHE"UCHAUSWAHL
ZUDEN4HEMENVON Der Draht zur Welt
0SYCHOLOGIE(EUTE Resonanz ist für Hartmut Rosa die Bedingung
für ein geglücktes Leben
s ÃBERAUSFàHRLICHE
"UCHEMPFEHLUNGEN
Der Mensch sehnt sich nach Begegnung. schen Gesellschaft, die auf ständiges
Andere Menschen, aber auch Dinge und Wachstum, auf Beschleunigung und In-
s !USGESUCHTE'ESCHENKTIPPS Ideen, Natur und Kunst, kurz: Gott und novationsverdichtung angewiesen ist, um
die Welt sollen mit ihm in einen lebendi- sich am Laufen zu halten.
s !LLELIEFERBAREN!USGABEN gen Austausch treten, ihn berühren und Auch der moderne Mensch versucht
VON0SYCHOLOGIE(EUTEUND von ihm erreichbar sein. Mit anderen ununterbrochen, sich selbst zu optimieren
Worten: Er sehnt sich nach Resonanz. Die- und immer mehr an Ressourcen anzu-
0SYCHOLOGIE(EUTE#OMPACT
ses Resonanzverlangen, so der Jenaer So- häufen, ohne jedoch automatisch glück-
ziologieprofessor Hartmut Rosa, gehört licher zu werden. Denn die Bedingungen
s *AHRGANGSPAKETEZUM zur Grundausstattung des Menschen. für ein gelingendes Leben – und das sind
3ONDERPREIS Der Mensch ist ein Beziehungswesen. für Rosa stabile resonante Weltbeziehun-
Erst in der Begegnung mit seiner Umwelt gen – werden gleichzeitig strukturell un-
entwickelt und gestaltet er seine Vorstel- tergraben. Resonanz erfordert Zeit und
DVD-Tipp des Monats
Unser Geschenktipp lung von sich und der Welt. In seinem Offenheit. Zeit- und Leistungsdruck,
Grundlagenwerk Resonanz. Eine Soziolo- Wettbewerb und Angst erzeugen Reso-
gie der Weltbeziehung macht Rosa deshalb nanzblockaden.
die Qualität dieser Beziehung zum Maß- „Die Angst vor dem Verstummen der
stab für ein gelingendes Leben und zur Welt“ scheint Rosa deshalb geradezu die
Basis seiner Gesellschaftskritik. Grundangst des spätmodernen Menschen
Resonanz als „vibrierender Draht zur zu sein. „Ein zielloser und unabschließ-
Welt“ erfordert ein Sich-Einlassen und die barer Steigerungszwang führt am Ende
Bereitschaft, sich zu verändern, etwa wenn zu einer problematischen, ja gestörten
man sich verliebt, ein Instrument lernt oder pathologischen Weltbeziehung der
oder sich für ein Buch begeistert. Beim Subjekte und der Gesellschaft als ganzer“,
Gegenpart, der Entfremdung, stehen sich konstatiert er und liefert damit interes-
Subjekt und Welt dagegen innerlich un- sante Erklärungsansätze zur aktuellen
verbunden oder sogar feindlich, also Öko-, Demokratie- und Psychokrise.
„stumm“ gegenüber. Die Beziehung ist Mit seiner Resonanztheorie schlägt Ro-
:EHNÃBUNGENZUMPERSÚNLICHEN
vorwiegend rational und zielt auf Beherr- sa einen Paradigmenwechsel vor: „Nicht
2ESILIENZ 4RAINING3YLVIA+ÏRÏ7ELLENSIEK schung und Verfügbarmachung der Welt. die Reichweite, sondern die Qualität der
ERLÊUTERTDEN4RAININGSPFADDERZEHN Das ist, so betont Rosa, in bestimmten Weltbeziehung soll zum Maßstab politi-
3CHRITTEUNDNIMMTDIE4EILNEHMERMIT
AUFDIE%NTDECKUNGSREISEZUIHRENEIGENEN Zusammenhängen, etwa in der wissen- schen wie individuellen Handelns wer-
2ESSOURCEN 7àNSCHENUND"EDàRFNISSEN schaftlichen Forschung, eine sinnvolle den.“ Ein solches Konzept könne dann als
Beltz Video-Learning 2014. Kulturtechnik. Doch das Verhältnis zwi- Kompass für gesellschaftliche Verände-
DVD. Laufzeit 50 Minuten. € 29,95
)3".     schen beiden Beziehungsmodi scheint rungen dienen, sei aber inhaltlich offen.
ihm grundlegend aus der Balance geraten
+ Buch
= porto- zu sein. Die Moderne, angetreten mit dem
freier Versprechen, den Menschen aus den Fes-
Hartmut Rosa: Resonanz.
s "ESTELLHOTLINE Versand seln der Tradition, des Aberglaubens, der Eine Soziologie der Welt-
Armut und der Tyrannei zu befreien und beziehung. Suhrkamp,
  Berlin 2016, 762 S.,
damit Resonanz für immer mehr Men- € 34,95
&AX 
schen überhaupt erst zu ermöglichen, ist
zu einem Zeitalter der Entfremdung ge-
s SHOP PSYCHOLOGIE HEUTEDE worden. Das liegt, so Rosa, an der „dyna-
mischen Stabilisierung“ der kapitalisti-

www.shop-psychologie-heute.de 88 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Wo Menschen durch Armut oder Unter- mit anderen Autoren und Theorien einen
drückung gehindert sind, in einen Aus- verhältnismäßig geringen Raum ein. Auch
tausch mit der Welt zu treten, seien ande- droht die Resonanz mit dem Buch immer
re politische Maßnahmen erforderlich als mal wieder zu verstummen und das Lese-
in einer Überflussgesellschaft, in der Men- vergnügen zur Anstrengung zu werden.
schen vor lauter Termindruck keine Zeit Das liegt sowohl am schieren Umfang
mehr für Hobbys oder Freunde haben. (762 Seiten) als auch an Rosas Schreibstil
Es ist Rosas erklärtes Ziel, einen Beitrag mit vielen Redundanzen, verschachtelten
zu diesen Veränderungen zu leisten. Doch Sätzen und einem oft umständlichen So-
leider nehmen die konkrete Gesellschafts- ziologendeutsch. Rosas Resonanztheorie
kritik und die Skizzierung einer Post- könnte ein spannender und wichtiger
wachstumsgesellschaft gegenüber der his- Beitrag in aktuellen Debatten sein, doch
torischen Herleitung und theoretischen wird er, zumindest mit diesem Buch, wohl
Einordnung seiner Begriffe und gegen- eher nur ein akademisch gebildetes (Fach-)
über der kritischen Auseinandersetzung Publikum erreichen. MARTINA BÖLCK

ELTERN, SEID WIEDER LEITWÖLFE!


Wölfe sind intelligente Tiere. Vor allem verfügen sie über soziale Intelli-
genz, sind familienorientiert und wissen ihr Rudel zusammenzuhalten.
„Ich denke, der Schlüssel für erfolgreiche Familien heißt bei Menschen wie
bei Wölfen: Beziehung und Vertrauen“, sagt der dänische Familienthera-
peut Jesper Juul. Darum plädiert er in seinem neuen Buch Leitwölfe sein
für – so der Untertitel – „liebevolle Führung in der Familie“. Er ist sicher:
„Kinder wollen Erwachsene, die die Führung übernehmen.“ Damit meint
er übrigens nicht nur Eltern und Lehrkräfte, sondern auch Erzieherinnen
und Erzieher. Es geht also um die Autorität von erwachsenen Bezugsper-
sonen für Kinder, aber nicht um die traditionelle, auf Rollen gründende, bildungshungrig?
sondern um „persönliche Autorität“. Sie beruht „auf Selbstwertgefühl, wissensdurstig?
Selbsterkenntnis, Selbstachtung, Selbstvertrauen“. Erwachsene, die über
diese Eigenschaften verfügen, sind eher in der Lage, auch Kindern gegen-
über Empathie und Respekt aufzubringen. Eine solche Haltung gelingt
Menschen leichter, die persönliche Verantwortung zu tragen bereit sind,
auch wenn sie Fehler machen. In Juuls Buch geht es daneben um die exis-
tenziell bedeutsame Frage, warum wir als Erwachsene oft jene elterlichen
Verhaltensweisen wiederholen, unter denen wir als Kinder gelitten haben.
In diesem Zusammenhang plädiert Juul für den Dialog zwischen Eltern
und Kind, ohne dass die Erwachsenen ihre Rolle „spielen“ oder „darstel-
len“. Sein Buch ist praxisorientiert und hilfreich – allerdings kein her-
kömmlicher Erziehungsratgeber mit präzisen Handlungsanleitungen. Beratung | Soziale Arbeit | Therapie | Super-
Diese kritisiert Juul stark, weil sie den notwendigen Um- vision | Coaching | Mediation | MBSR-
und AchtsamkeitslehrerIn | Systemisch
bruch der elterlichen Haltung hin zu einer dialogbereiten,
lösungsorientierte Therapie- und Beratungs-
offenen Führungsrolle behinderten. DETLEF TRÄBERT
konzepte | HeilpraktikerIn (Psychotherapie)

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Jesper Juul: Leitwölfe sein. Liebevolle Führung in der Familie.
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Psychosen. Ringen um Selbstver- Ich und Du – warum? Was Bezie- Führungskraft in der Altenpfle-
Hans-Günter Weeß ständlichkeit. Psychiatrie, 384 S., hungen schwierig macht und wie ge. Ein Lehr- und Arbeitsbuch.
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mehr Leistungsvermögen. KULTUR UND GESELLSCHAFT
Ratgeber Trichotillomanie.
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Teresa Keller Haareausreißen für Betroffene Roland Kaehlbrandt
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rapie? Erfahrungen und Ratschlä- € 19,99
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90 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


MEDIEN REDAKTION: ANKE BRUDER

HÖREN

Familiengeschichten
„Welchen Einfluss haben Ereignisse auf uns, die vor
siebzig Jahren stattgefunden haben?“, fragt sich Sacha
Batthyany. Der 1973 geborene Schweizer Soziologe
und Journalist hat per Zufall erfahren, dass eine
seiner Tanten in ein grausames Naziverbrechen
verwickelt war. Das Schweigen seiner Angehörigen
treibt ihn schließlich hinaus in die Welt: Jahrelang
reist er durch Ungarn, Österreich, Russland und bis SEHEN
nach Argentinien, immer auf der Suche nach der
Wahrheit über seine Familie. Mit einem Psychoana-
lytiker spricht er über die Erfahrungen und die Geschichte einer Liebe
schockierenden Einsichten, die er dabei gewinnt.
Die junge Physikstudentin Agnes und der Sachbuchau-
Und er schreibt seine Geschichte auf. Sein Buch
tor Walter treffen sich in der Public Library in Chicago.
Und was hat das mit mir zu tun? wurde jetzt als Hör-
Sie verlieben sich, werden ein Paar. So weit, so gewöhn-
buch vertont, gelesen von Barnaby Metschurat.
lich. Doch irgendwann hat sie die Idee, er könne doch
Spannend, aufschlussreich und ergrei-
die Geschichte ihrer Liebe aufschreiben. Fiktion und
fend – und unbedingt hörenswert.
Wirklichkeit beginnen sich zu vermischen; die Geschich-
te, an der Walter schreibt, droht ihre Beziehung in Gefahr
Sacha Batthyany: Und was hat das
mit mir zu tun? Ein Verbrechen im März zu bringen und sogar Agnes’ Leben zu gefährden …
1945. Die Geschichte meiner Familie. Der Film Agnes zeichnet ein intensives Bild einer Liebe
4 Audio-CDs. Der Audio-Verlag 2016.
Laufzeit: 5 Stunden und 12 Minuten, und ihres dramatischen Endes. Der Stoff basiert auf
€ 19,99 dem gleichnamigen Roman von Peter Stamm. Kinostart
ist am 2. Juni 2016.

https://www.facebook.com/Agnes

Lesen Sie auch unser Interview mit Peter Stamm in der Aprilaus-
gabe 2013: „Ein Roman sollte die Augen fürs eigene Leben öffnen“.
http://tinyurl.com/hotaela

HINGEHEN

Facetten des Glücks


Stefan Sagmeister ist Grafikdesigner, Typograf und Künstler. Doch was ihn
FOTO: MAK /ASL AN KUDRNOFSK Y

umtreibt, schon seit ungefähr zehn Jahren, ist das Glück. Er will wissen: „Was
macht uns glücklich oder zumindest glücklicher?“ Seine Antworten auf diese
Frage zeigt er nun in der Ausstellung The Happy Show im Museum Angewandte
Kunst in Frankfurt am Main. Darin präsentiert er Ergebnisse sozialwissenschaft-
licher, psychologischer und anthropologischer Studien und dokumentiert
Erkenntnisse seiner eigenen Nachforschungen. In Form von Kommentaren,
Filmen, Infografiken, Skulpturen und Installationen will er den Besucherinnen
und Besuchern das Glück näherbringen. Die Ausstellung ist noch bis zum
25. September 2016 zu sehen.

www.museumangewandtekunst.de

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 91


LESERBRIEFE k.brenner@beltz.de

„Es fällt mir persönlich schwer, einen Faschisten als ‚empathisch‘ zu bezeichnen,
der keine Toleranz gegenüber Fremdem oder Andersartigem zeigt und nur in den
Alternativen Schwarz und Weiß denkt“
Irene Martin, per E-Mail

Norden des Iraks gefangen genommene Wort „Alter“ möchten wir im Zusammen-
IS-Terroristen) „in die mittleren Bereiche hang mit uns nicht gebrauchen. Von dem
der Normalverteilung fallen“, was Eigen- Alternsforscher Hans-Werner Wahl hören
schaften „wie Empathie, Mitgefühl, Ide- wir jetzt, dass „auch spät im Leben sehr
alismus oder den Wunsch, anderen zu positive, gar nicht mit Alter verbundene
helfen, statt sie zu verletzen“, anbelangt. Vorstellungen gelebt werden“.
Im Folgenden schreibt der Autor als Be- Die persönliche Entwicklung und ein
gründung für das Verhalten der Dschiha- zufriedenes Leben enden nicht mit 50 oder
disten über die „Banalität des Bösen“ und 60, sondern sind auch mit 70, 80 und
über die Trennung in „wir und sie, schwarz 90 Jahren noch möglich. Die vier Säulen,
Empathischer Faschist? und weiß“. Letzteres befasst sich also mit die diese Entwicklung tragen, sind: kog-
(Thomas Saum-Aldehoff widmete sich der der Ich- und Wir-Identität. Hier beziehen nitives Training, physische Aktivität und
Frage, ob Dschihadisten psychisch krank sich die Äußerungen des Autors eindeutig eine positive Einstellung zum eigenen
sind. „Ganz normale Terroristen“.
Heft 2/2016)
auf die faschistoide Charakterstruktur, Älterwerden. So weit, so gut und auch so
nachzulesen bei Adorno, dem Friedens- zu erwarten. Überraschend ist aber die
Unabhängig davon, dass der Artikel an forscher. Es fällt mir persönlich schwer, noch fehlende Säule. Laut Hans-Werner
sich sehr interessant ist, empfinde ich die einen Faschisten als „empathisch“ zu be- Wahl ist Psychotherapie beziehungsweise
ausgewählte Fotografie dazu als sehr un- zeichnen, der seine Ich-Identität zur Wir- psychologische Beratung ein wesentlicher
passend. Es gibt sicherlich andere Foto- Identität (hier also die Ideologie des IS) Baustein oder besser: könnte es werden.
grafien, die die „Normalität“ der Terro- macht, Verantwortung für seine Greuel- Mit wissenschaftlichen Studien wurde
risten hätten aufzeigen können, muss es taten abgibt, keine Toleranz gegenüber nämlich belegt, dass das chronologische
gleich eine Hinrichtung sein? Empfinden Fremdem oder Andersartigem zeigt und Alter eines Patienten oder Klienten keinen
Sie das nicht selbst als grenzwertig? Ich nur in den Alternativen Schwarz und Einfluss auf den Erfolg einer Psychothe-
hätte erwartet, dass es wenigstens einige Weiß denkt. Ich bin nicht bereit, der rapie oder psychologischen Beratung hat.
wenige Magazine gibt, die auf solche „Banalität des Bösen“ einen solchen Wenn wir also die Scheu vor psychologi-
drastischen Bilder verzichten können. Spielraum zu geben, wie der Autor es tut. scher Beratung ablegen würden („Wer Die Redaktion behält es sich vor, Leserbriefe zu kürzen
Nuray Scherf, Bochum Damit schleicht sich die Gesellschaft aus braucht denn so was? Ich bin doch nicht
der Verantwortung. gestört!“) und stattdessen die Chancen
Thomas Saum-Aldehoff stellt die Ergeb- Irene Martin, per E-Mail sehen würden („Da sind ja auf einmal We-
nisse seines Artikels seinen Recherchen ge! Ich habe eine Wahl!“), dann wären
voran und kommt zu dem Schluss: „Die Auch im Alter wir schon einen Schritt weiter.
meisten Dschihadisten sind nicht psy- haben wir eine Wahl Dann können wir uns voller Erwartung
chisch krank. Es mangelt ihnen auch nicht (Im Interview mit dem Alternsforscher Hans- und mit Optimismus auf die weitere Le-
an Empathie – und genau da liegt das Werner Wahl ging es auch um die Frage: bensreise bis ins hohe Alter begeben.
„Leben wir vielleicht zu lange?“ Heft 4/2016)
Problem.“ Begründet wird diese Behaup- Margret Vennebörger, Frankfurt am Main
tung hauptsächlich mit den Forschungs- Das Interview fand ich faszinierend und
ergebnissen des amerikanischen Anthro- inspirierend. Wir Babyboomer sind jetzt
Besser reifen ohne Beziehung
pologen Scott Atran, der festgestellt haben in den 50ern und fragen uns, manchmal
(Birgit Schönberger analysierte den Trend
will, dass die meisten IS-Kämpfer (Be- mit einem bangen Blick, was die späteren zur Trennung nach vielen Ehejahren. „Späte
zugsgruppe: in kurdischen Camps im Jahre wohl für uns bereithalten – das Scheidung“. Heft 4/2016)

92 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


Die Ergebnisse der Studie zu Scheidungen Misere etwas ändern, könnten wir Heil-
von Insa Fooken kann ich sehr gut nach- pädagogen viele Dinge bereits im Keim
vollziehen. Auch die Idee von den neuen ersticken, bevor die Betroffenen einen
Beziehungsformen gefällt mir. Allerdings Kinder- und Jugendpsychotherapeuten
wird es komplizierter, wenn Kinder ins brauchen. Die Tatsache, dass Heilpäda-
Spiel kommen. Die Hamburger Paarthe- gogik nicht von den Krankenkassen an-
rapeuten Ulla Holm und Michael Cöllen erkannt ist, macht es uns natürlich nicht
meinen, eine dauerhafte Beziehung biete gerade leicht, diese ganzheitliche Art der
große Entwicklungs- und Reifungschan- Förderung bekanntzumachen. Ich finde
cen für beide. Ich sehe es so, dass ein un- dies sehr schade, da mit Heilpädagogik
abhängiger Mensch, der nicht danach ter von fünf bis sechs Jahren eingesetzt, große Erfolge in der kindlichen Entwick-
trachtet, jemanden zu beherrschen oder und ich habe sehr gute Erfahrungen damit lung erzielt werden können.
beherrscht zu werden, ohne Bezie- gemacht: Die Kinder werden sicher in ih- Daniela Boeck, Praxis für Heilpädagogik, Kirchen
hung besser reifen und sich entwickeln ren Gefühlen und bekommen einen rie-
kann. Marlies Franck, Potsdam sigen Schub für ihr Selbstvertrauen. Sie „Die rosarote Pädobrille“
erfahren, dass jedes Gefühl seine Berech- (Michael Kraske begleitete für seine Reporta-
Heilpädagogik gegen tigung hat, und lernen, damit umzugehen. ge Ralf Thieme, der gelernt hat, seinen
pädophilen Neigungen nicht nachzugehen.
Kinderängste Ängstliche Kinder bauen ihre Ängste nach „Beklemmende Begierde“. Heft 2/2016)
(Jochen Paulus beleuchtete die häufigsten und nach ab und werden durch das Trai-
psychischen Probleme von Heranwachsen- ning zu selbstbewussten Heranwachsen- „Rosarote Pädobrille“ – das könnte auch
den: „Die Ängste der Kinder“. Heft 4/2016)
den. Auch mit jüngeren Kindern arbeite auf Ralf Thiemes Kinderwunsch zutref-
In dem Artikel geht es um den Mangel an ich an ihren Ängsten, die bis hin zu Pa- fen. Natürlich kann niemand ihm verbie-
Kinder- und Jugendtherapeuten, die Kin- nikattacken reichen können, auf her- ten, eigene Kinder zu bekommen. Das
dern helfen können, ihre Ängste zu über- kömmlicher heilpädagogischer Ebene, kann nur er selbst. Und tut es nicht. Dem
winden. Ich bin selbständige Heilpädago- und auch hier habe ich große Erfolge. Lei- Kind bleibt nur zu wünschen, dass es ein
gin und biete in meiner Praxis ein Training der ist es so, dass unser Berufsstand viel Junge sein möge.
zur Gefühlssicherheit bei Kindern an. zu wenig anerkannt wird und daher auch Ruth Gaidas, Clausthal-Zellerfeld
Dieses Training wird bei Kindern im Al- sehr unbekannt ist. Würde sich an dieser

IMPRESSUM
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ISSN 0340-1677

PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016 93


IM NÄCHSTEN HEFT
DIE JULIAUSGABE ERSCHEINT AM 8. JUNI 2016

WENN DER GROSCHEN FÄLLT


TITELTHEMA
Lange grübelt man über ein Problem oder eine
Aufgabe nach – und plötzlich weiß man die Lösung.
Warum sie auf einmal auftaucht? Das ist oft unklar.
Doch Geistesblitze sind nicht so mysteriös, wie wir
glauben. Und schon gar nicht sind sie Zufall.

PROBIER’S MAL MIT MUSIK!


Wir Menschen sind zutiefst musikalische Wesen.
Von der Wiege an sind wir empfänglich für Melodi-
en. Musik hilft uns, den inneren Stress herunterzu-
fahren oder aus einer miesen Stimmung herauszu-
finden, und sie tröstet uns in der Trauer. Aber das
ist längst nicht alles. In einem Forschungsprojekt
wurde der Werdegang von Kindern verfolgt, die ge-
zielt ein Instrument erlernten – mit erstaunlichen
Ergebnissen.

DOSSIER:
„TRUGBILD TRAUMJOB“
Wenn die Arbeit nervt, träumen viele von einer neuen
Tätigkeit – in der Hoffnung, dass sie mit ihr zufrie-
dener sein werden. Doch die hohen Erwartungen
lassen sich oft nicht erfüllen: Alte Probleme treten
auch im Traumjob wieder auf, ungeahnte neue kom-
men hinzu. Welche Schwierigkeiten lassen sich ohne
Wechsel lösen? Wie finden wir Sinn in einer Arbeit,
die uns zunehmend sinnlos erscheint?

AUSSERDEM
● Über die Liebe, den Zweifel und andere wichtige
Dinge des Lebens: Der Heidelberger Psychothera-
peut Arnold Retzer im Gespräch
UNSICHERE ZEITEN ● Bett statt Strand: Warum wird man ausgerechnet
in der Freizeit krank?
Terroranschläge, Flüchtlinge, die umstrittene Geldpolitik der EZB – ● Fußball-EM: Die Psychologie der Fan-Gesänge
die täglichen Nachrichten taugen nicht dazu, uns in Sicherheit zu
wiegen. Auch unser privates Leben ist widersprüchlich und kompli-
ziert. Viele Fragen lassen sich auf ganz unterschiedliche Weise beant-
worten, und oft muss man sich in unvertraute Situationen begeben,
ohne zu wissen, was einen erwartet. Welche Auswirkungen hat diese
Vielfalt an Ungewissheit auf uns? Wie halten wir die Unsicherheit aus?
Welche psychischen Voraussetzungen brauchen wir dafür? Und können
wir lernen, ein gutes Leben im unsicheren zu führen?

94 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


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102 PSYCHOLOGIE HEUTE 06/2016


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