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ZUR FRAGE DER RUMÄNISCHEN STAATSBILDUNGEN

IM XI. JAHRHUNDERT IN PARISTRION.


(A rchaisierende Volksnamen und ethnische W irklichkeit in der
„ A le x ias“ von Anna Kom nene.)

VON

MATTHIAS GYÓN!

Eine Gruppe der byzantinischen H istoriker folgte bei der


Völkerbenennung einem eigenartigen Prinzip. Sie gebrauchte den
Namen eines antiken Volkes, das einst in der Geschichte eine Rolle
gespielt hatte, statt oder neben dem Namen der Völker, die zu
ihrer Zeit erschienen waren. Eine ganze Reihe der in der anti­
ken Literatur belegten Volksnamen kehrt so bei den byzantini­
schen Schriftstellern mit neuer Bedeutung, mit neuem ethnischem
Wert zurück. Diese altertüm lichen Volksnamen wurden zumeist
auf Grund der geographischen Übereinstimmung des W ohnortes
zweier Völker, oder auf Grund ihrer ethnischen Identität als so ­
genannte archaisierende Volksnamen zur Benennung eines d am a­
ligen Volkes gebraucht.1
In den W erken der V erfasser, die in griechischer V olkssprache
geschrieben hatten, finden wir keine solche prinzipielle volksnam en­
archaisierende Bestrebung, nur bei denen von klassizisierendem
Stil. Der mittelgriechische H istoriker, der in klassisch er Sprache
schrieb und mit literarischen Ansprüchen auftrat, w ar so aufge-

1 Die G rü nd en und Arte n der V o ik sn a m e n a r c h a is ie r u n g behandelte a u s ­


führlich J . M o ra v csik : D ie arch aisie re n d en N am en d e r U n garn in B y z an z ,
Byzan tinisc he Zeitschr. X X X . (1929— 30) S. 247— 53. und A m ag y ar történ et
b izán ci fo rrá sa i. A m ag y ar tö rtén ettu d o m án y kézikön yve (Die byzantinischen
Quellen der ungarischen Geschichte. H an d b u ch der ungarischen G e s c h i c h ts ­
wissenschaft B d . I. Heft 6 /b.). B u d a p e s t , 1934. S. 244— 9. Vgl. auch die dem
W erk beigef. T abelle. Über diese F r a g e s. noch E. D a r k ó : A m a g y a ro k ra
von atkozó népnevek a bizán ci író k n á l (Die auf die U n g a r n bezüglichen V o lk s *
namen bei den byzan tinischen V e r fa s s e r n ). B u d a p e s t , 1910 und B y z a n t i n i ­
sche Zeitschr. X X I . (1912) S. 472— 87.
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wachsen, daß seine Erziehung, seine Studien ihm beständig die


sprachlichen und stilistischen Regeln der griechischen K lassik er
vor A ugen hielten. Einen solchen V erfasser zwang sein angewöhn­
tes Sprach- und Stilgefühl mit unw iderstehlicher K raft dazu, in
seinem W erk kein einziges W ort zu dulden, durch d as er sich an
seinem sprachlichen und stilistischen Kanon hätte versündigen
können. Solange es irgendwie nur möglich war, verm ied er Benen­
nungen au s einer frem den Sprach e in sein W erk überzunehmen. A ls
ihm aber in seinem G eschichtsm aterial Orts- und Personennam en
begegneten, w ar er oft, eben durch seine A ufgabe a ls G eschichts­
schreiber dazu gezwungen, in seinem W erk frem dsprachliche N a­
men aufzuzeichnen. E r hielt es aber für seine Pflicht, diese N a­
men mit der m öglichst größten Geschicklichkeit, in gräzisierender
Form , mit einer gräzisierenden Endung in den T ext einzufüh­
ren. F ü r diese gezierte, pedante So rgfalt, dieses zimperliche Z au­
dern ist eine Äußerung A nna K o m n e n e s , " der gelehrten V er­
fasserin au s dem X II. Jah rh u n d ert sehr charakteristisch, also ge­
rad e jener G eschichtsschreiberin, deren archaisierenden V olksna­
m engebrauch wir in dieser A rbeit untersuchen wollen. A ls sie es
nicht unterlassen konnte, im Laufe der Erzählung über d as Landen
der K reuzfah rer von Bohemund zwei ,,barbarische‘’ Völkernam en
zu erwähnen, entschuldigte sie sich iolgenderw eise: ,,Es soll uns
niem and d afü r rügen, daß wir solche barbarische Namen gebrau­
chen, die gewiß den Sto ff der Geschichte besudeln: selbst Homer
weigerte sich nicht die Boioter und einige barbarische Inseln, um
in der Erzählung genauer zu sein, beim Namen zu nennen.“ 3 A u s
einer anderen Äußerung der V erfasserin werden wir bald klar e r­
sehen können, daß auch d as Aufzeichnen der frem dsprachlichen
Personennam en in ihr einen gleichartigen W iderw illen erweckte.
Die Früchte d ieser Bestrebung, die darin bestand, daß man die
tiefw urzelnde sprachliche Einheit und Stilharm onie des k la ssi­
schen griechischen W ortschatzes durch den Gebrauch barbarischer
A usdrücke nicht stören wollte, waren auch die in der byzantini­
schen Geschichtslitera.tur üblichen archaisierenden Volksnamen.

2 S ä m t l i c h e wicht igere A n m e r k u n g e n über d a s Le ben und W erk der


V e r fa s s e r in s. J . M o r a v c s i k : A m a g y a r történ et b izán ci fo r r á sa i, S. 183— 5
und d e r se l b e : B y z a n tin o tu rc ic a I. D ie b y zan tin isch en Q uellen d e r G esch ich te
d e r T ü rk v ö lk e r. [ M a g y a r - G ö r ö g T a n u l m á n y o k — O v y y q o s X ííj v iy ía l JV frZ é ritr 20.j.
B u d a p e s t , 1942. S. 107— 10.
;l A n n ae C om n en ae p o rp h y ro g e n ila e A le x ia s e x ree. A. Reifferscheidii,
L ip sia e , 1884. II 8 I 21—25: xai /uySelg >jfj.lt' r o io v c o m x ^ a t/ié v o te á v ú u u o i ßnu-
ßnQt-xolg x tti d<f’ dv $G%t tó vpos Tfja itstoqiccçi o c c riaftu U v e G & af ovfli} yà(t o $ â ' "O f/y ç o s
dyCrjfyxaOe JB o w r o v g ùvof/rlÇ eiv scr;i x iv a g ßagßaQo'röeii; nÿo'ovg d ià ttjv Tfjÿ tC 'io ç ia g d x q lß su x v .
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Die Volksnam enarchaisierung, deren Technik sich von der frühby­


zantinischen Zeit an bis zur Zeit A nna K o m n e n e s vollkommen
entwickelt hatte, erm öglichte es den G eschichtsschreibern klassi-
zisierenden Stils, die zeitgenössischen Begebenheiten genau auf-
zeichnen zu können, ohne dabei ein einziges dam aliges Volk bei
seinem eigenem, völkischen Namen zu nennen. D as bekannteste B ei­
spiel dieser Bestrebung ist das kurz vor der Geburt A nna K o m-
n e n es verfaßte Geschichtswerk von M ichael P s e 1 1 o s, der es
sich sozusagen als ein G esetz vorschrieb, die V ölker nicht bei ih­
rem wirklichen Namen zu nennen.4
Natürlicherw eise erschw ert uns diese volksnam enarchaisie­
rende Bestrebung bei einer G ruppe der byzantinischen V erfasser
den Gebrauch ihrer W erke a ls geschichtliche Quellen in hohem
G rade, sogar die Verwertung einiger Teile wird dadurch oft schein­
bar unmöglich. Viele sind geneigt den Quellenw ert der byantini-
schen Geschichtsw erke eben wegen des archaisierenden V olks­
nam engebrauchs zu unterschätzen. Eine wichtige A ufgabe der By-
zantinologie ist demnach, durch stufenweise A bschaffung der durch
die V olksnam enarchaisierung verursachten Schwierigkeiten, den u r­
sprünglichen historischen W ert der byzantinischen Quellen wie­
der herzustellen.
In den folgenden möchten wir es an einem B eispiel veran­
schaulichen, wieviel Schwierigkeiten und M ißverständnisse ein a r ­
chaisierender Volksname, dessen Sinn ungelöst geblieben ist, v e r­
ursachen kann, um dann durch einen methodischen Versuch
zweien archaisierenden Volksnam en A nna K o m n e n e s eine rich­
tige Deutung zu geben.

Anna K o m n e n e erzäh lt in ihrer die R egierun gs­


geschichte ihres V aters, des K aisers A lexios Kom nenos (1081—
1118). Im B and VI. behandelt sie die K äm pfe A lexios gegen R o ­
bert G uiscard und den seldschukischen Türken aus K leinasien. Am
Ende des Buches, im K ap itel 14. bemerkt sie, indem sie auf die E r ­
zählung eines neuen K rieges übergehen will:
'AXXù Tti-ol ttèv TovTftv dZis' -iovXo- ,,G e n u g a b e r von d iese n Din gen ;
fiévTt fié f it ir o T îo a r nctl nstÇovcc r fjç irooXce- d a ich je d o c h jetzt vo n einem a n d e -
ßovGTjs yccerä t rütr ' Potuaiav í í q x ë<po- ren Angriff, d e r g e g e n d a s r ö m isc h e

4 Vgl. M ichel P s e llo s : C h ro n o grap h ie ou h isto ire d ’un siè c le de B y z a n c e


(976— 1077), . . . p a r É. R en au ld . P ar is, 1928. II. S. 125. Anm. 1 .
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«Vor fit fj y i/Oft ff fr a i et g lip y rjv a v fr ig yutíkto t«> R e ic h g e r i c h t e t w u r d e und d e r g r ö ­


x ö v Z ó y o v üXXtt yito tht* áX X otg ifititlin ríi’ fri]- ßer und g e f ä h r l ic h e r w a r a l s d e r
ffav . yévog ti 2ïyivïbty.iiv tT.uuù n ô r Jí'a r o o - v o rig e, b e r ic h t e n will, n eh m e ich den
(la T v iv ycafr* éndo'x'tji' Oy-vXtsvófn: vöt á T t á v a r r a g Faden d e r E r z ä h l u n g w i e d e r von
■táti’ OÎK.OI. 'A.a'TfiXft'ov Ttoög T oy jJ d v o v ß t v . >■>< v o r n e auf, weil sich die R e ih e n d e r
ü è ripôÿ d v d y ivqg t 'r a VTOlg it t T á Tat r n crrá Geschehnisse w e l l e n a r t ig aufeinan­
Tn v ±d d v o v ß tv olxOVI'TIOt’ ÖTCtSÍOaOfrat, TOÓTOV der folgten. I r gen d ein sk y th is c h e s
o v v tió ^ n v T o g ittío tv t-:ig á u tX ta r ijX frov «ex« Volk, t a g t ä g li c h durc h die S a u r o m a -
■tôjv ev.v.oinrto r , ro v r e T f t r o v r o v a a i J ï a / . ft ten g e p lü n d e r t , m a c h t e sich a u s d e r
ô v o fia ^ o u é v o v vc.nl toO JS eo frÄ d ß o v v.fti rov H e i m a t au f den W e g und stieg zur
^ a -rÇ d / y o i y ù o v.ft\ r.fjg è X ta W ttla g a e /iv l}- D o n a u n ie d e r . D a sie g e z w u n g e n w a ­
o fh ti r & v year’ aV T ovg «o i'o 'rw r áv tioű tv, t-i ren ein Ü b e r e i n k o m m e n mit d e n e n zu
Kai. TÓ ff MU ft T /;s- itfTOQÎag TO VTOl g ît fXTCtfftCCÍ- schließen, w e l c h e die D o n a u g e g e n d
v treat), rov uèv rr/r -JoifS-roftr ‘A a x é y o v r o g , b e w o h n te n , b e g a n n e n sie, n a c h d e m
tm y iïi- rriv J i t r ^ i v a i ’ x a i ràX X a. o'TfetGdtjavot. sie d i e s un te r sich ein d eu tig b e s c h l o s ­
y o v r fitrr* a v rtà v dôé'tSg r o v X o ifto v rStcKfi- sen hat ten, mit d e r e n H a u p t le u t e n zu
(t&vx&g T ô t’ j J d v o v ß i v ê X rji,o rro xijV T fap an et- v e r h a n d e l n : mit T a t u ,5 den m a n auch
fié v ijy yotfta r , ôjg n u i T toX iyvid rt-vit yicccn- C h a lis nannte und mit S e s t h l a v o s und
Oyf-lv. y id i'x e v d ’t'v èxey tit-otar r e v à o'y ôvrtsi à o o - S a t z a s (wir m ü s s e n nämlich auch die
x ç t& v r s g ëO’s tssoov yiéyyçovg rtf - /« i rtv o o v g . N a m e n d e r M ä n n e r , die b e i den en
ei ne fü h r e n d e R o ll e sp ielten , e r w ä h ­
nen, w e n n g le ic h d a d u r c h d e r L e i b
d e r G e s c h i c h t e b e s u d e l t wird), von
d e n e n j e n e r in D r i s t r a befa hl, d ie se
a b e r in V itzin a und a n d e r e n O r t e s ,
N a c h d e m si e sich mit d e n e n geeinigt
hatten , fuhren sie a l s d a n n ruhig ü b e r
die D o n a u und p l ü n d e r t e n die sich
an ihr hin z ieh en de G e g e n d d e r m a ­
ßen, daß sie s e l b s t einige klein er e
S t ä d t e e r o b e r te n . A l s sie n ach h er zu
einem k u r z en W a ff e n s t il l s t a n d k a ­
men, pflü gten sie und s ä t e n H ir se und
W e i z e n .“ 8

D iesen Tatu, den L eiter von D ristra und die mit ihm in V er­
bindung stehenden Skythen au s der D onaugegend erw ähnen im Zu­
sam m enhang mit einem A u fstan d im Donaugebiet auch drei an ­
dere byzantinische G eschichtsschreiber. E in er von diesen, Michael
A t t a l e i a t e s beschreibt die Begebenheiten am ausführlichsten
in seiner in den Ja h re n 1079— 1080’ verfaßten "I<rvoot'a:

5 B e i A n n a K o m n e n e ist d e r N o m in a tiv d es N a m e n s Taroó T atu


(vgl. o. a. A u sg . I. S. 242i), w äh ren d die an der en V e r f a s s e r im allgemeine n
von T a t u s sprechen.
B O. a. A u sg . I. S. 2 22is —3 j .
* M ich ae lis A tta lio ta e H istó ria , rec. I. B e k k c r . Bonn, 1853. S. 204ia—6i«».
Über den V e r f a s s e r und sein W e r k s. J . M o r a v c s i k : a. a. O. S. 180— 1. und
B y z a n tin o tu rc ic a I. S. 258— 60.
'K v TOÚToig oäf nor ß atfiX in w v tpqov- „ W ä h r e n d sich d ie B e s t r e b u n g e n
rtOf.idTfov v / f ó v u o v , (id X X o v ó é tô>v t o v JVt- d e s K a i s e r s auf d i e s e D in g e r i c h t e ­
ntjtpàqo v S e iv & v ß o v X ev /td T to v o v v a y o fié v to v , ten, b e s s e r g e s a g t , w ä h r e n d sich die
ijqçuTtt u è v Û rtoqqetv ö o'lTog n u i n a T a X ijy e tv grausamen Pläne Nikephoros auf
•rá Tfjg ev frijvictg &ig ë v S e u tv , rjv ç av e ô è ü t<t>v d i e s e D in ge k o n z e n tr ie r te n , b e g a n n
vfoXXtîtv y o y y v c u ô g , n u l u.dXXov r ô r dycoißtög d a s K o r n zu v e r s c h w i n d e n und d e r
èTti.GTUfiéVfov t o (CTfKtoy, n u i iiOot T & v ytvo- W o h l s t a n d w u r d e schließlich in Not
ftëv to v n u n w v êyyvT éooj n u ib io -ru v ro . étïqvX - verw andelt. D as Murren der M enge
XelTo tfè n u i r ô Tfnpù r à v "Jtf% qov n a T o m o v v w u c h s von T a g zu T a g , b e s o n d e r s
fulE:oßdqßaqov. Tfuqd'xeil'TU t y ù o Tfj tty jh j t o v - d e r e r, w e l c h e die v e r k e h r t e n M a ß ­
to v TfoXXtti n u l fiey d X u t TtóXetg, f'n rtdtírjg n ah m e n g e n a u k a n n te n und d e r W i e g e
yXtôOOtjg fivv rjy ^iév ov ëyovout TtXfjfrog, nui d i e s e r Ü b el n ah e s ta n d e n . D ie h a l b ­
ff.T.Xrnnôv o v u in ç o v ih to xqéfpo vO u i. Tfqàg u lg barbarische Bewohnerschaft der D o­
<>i Tteqauo frévTeg S n v fra i t ô TtqÔTeqov tô v n a u g e g e n d b i l d e t e au ch einen G e g e n ­
21nvfhvUtv ÉTftxpéqovot ß to v . rfu n t'»v n u T u - stand d e s allgemeinen G e sp rä ch e s.
XtjtÇôf/evai., nui r ctg é n t& v ßurti/.rntov tu - A n d e r D o n a u u f e r lie g en n äm lic h viel
f.iisltov drfo<FTt'XXofiévag éTijGitog rptXoTiMtag große S t ä d t e , d e r e n z a h l r e ic h e E i n ­
07101)fif} to v jVmrj<pôqov TfeqtenérCTO v x o . nui wohnerschaft sich aus Elem enten
naT à to v r « tt.veg t & v to to v T to v TCôXeotv t't'g verschiedenster Sprachen zusam m en­
dvCoOmOtu i' ditüßX.H'yJiuv n u i eig t ô ë frv o g t<<> r s e t z t e und die ein nicht g e r i n g e s M i ­
/ ÎU T ^tvdntov Ttaq-fjyyeXXov. o'n /n jtdu ev oi <)' ’ of. litär erh alten . In d i e s e S t ä d t e b r a c h ­
■jfeoi t ô v ßaO tXctt OuTOÛTïtjV OTelXut t & v o in ei- ten die v o r h e r dorthin ü b e r g e s e t z t e n
OTÚTotv u v tcô , ëyvtoO u v n u T erfd v to t f,g _ / qi- S k y t h e n ihre eigene, s k y t h is c h e L e ­
fî’t q a g yetqoTO vfjOut JVëOTood rtv n Tto t o i r b e n s w e i s e . Durch d i e s e S k y t h e n g e ­
ßs-'OTna'/MV /tè v açititfiu T i Ttrrttr nquévov, te:fit plündert, mußten die S t ä d t e ü b e r ­
* lX7*V)qt.(bv óé tù yévog ë X n o v T a n u i tiovXo r d ie s noch, infolge d e r B e s t r e b u n g e n
jfnriH bo r yeyorÔ T u t o v ß n ö tX eöo VTog, o v n u i N i k e p h o r o s , jene G e s c h e n k e e n t b e h ­
■rfj to o 'u VT.tj Ttu»)Oug ó T tjv m a vt.u nqctT&V ren, die man ihnen früher jährlich
áq%Q, é&ccXétíTeiXe ft e r ù T tv & v -Joto'-ioijvot r aus dem kaiserlichen Schatz zu­
v rtio y v o v tté v <01 ’ Tip ß u o tX e l t í j v e ig to v to v s a n d l e . E in ige d i e s e r S t ä d t e b e g a n ­
to v n d rixq o v (te rd & e ffiv . th teX ffto v óé, nui nen d a h e r an einen A u f s t a n d zu d e n ­
Tt.vu yqóvov Ó trjvvntóg, evoiO ne uèv to v g k e n und s e t z t e n d a v o n die P e t s c h e -
éy ytoq io vg fit.nqóv t i jj o v ó é v tíjv t o v ßuOt- n e g e n in K e n n tn is. D i e U m g e b u n g d e s
Xétog t & v ‘P to fic ú m v nvotÓTij-i a thfiOTqe<potié- K a i s e r s h e g t e die A b s i c h t einen d e r
vovg, eig ó é t o v égdoyovTu t o ú t o jv (T rtT q v g vertrautesten G etreuen des K aisers
<íí nVTíő TfooOrjyoQÍu) t í j v tlgovo'/uv TÍ/g d n q a g a l s S t a t t h a l t e r dorthin zu sch ick en .
ftXoo'/eqMg dvntpéqovT u g. e lv e ó é <p<ißo> t o v - Es wurde beschlossen ir g e n d e in e n
t o iv ő JVéo'Tt'tq naT.uOtitxi frtíg , eÍT e t<t> ó u o tíu m N e s to r , d e r b e r e i t s die W ü r d e eines
t o v y é v o v g Tfjg é n e i vtov é q a tífr slg Tf.qomqiúetitg, V e s t a r c h e n trug, d e s s e n F a m i l i e von
v ît' én Ti'g nrtTuXaßoüO ijg u v tö v tptjttrjg Illyriern s t a m m t e und d e r ein v ä t e r ­
thj%freig t í j v iJ'v y ijv , !jn g $ v otg t í j v o i n í u r l ic h e r D ie n e r d e s H e r r s c h e r s war,
ti v t o v n a i t í j v o w i i a v t <o fi'ijttoG(<p éy yq dtpo vo i zum K a t e p a n o von D r i s t r a zu e r n e n ­
7(ftofpdoet to v u ij n u r u vtcXtbOut tó ó o fr é v nen. D i e s e n N e s t o r s a n d t e d e r d a m a ­
n-VTftt y q v o io v én t& v ßnGiXtntXtv frtjGuVq&v lige K a i s e r , au c h mit d i e s e r großen
eig ő é o v ( n a i yüQ ó v o u e v w g ëy to v jíq ö g u v t ö v W ü r d e a u s g e z e ic h n e t , in B e g l e i t u n g
fi JVinijr/ióqog i~?fouTTe to v to nuntög, Tfji ei niger B ü r g e r a u s D r istra , die d em
fpfróvio n u i Ttj n a n o ijfr e ift u ij T fqoT tfidv t ó K a i s e r v e r s p r o c h e n h a t t e n d ie I e-
ovinf:ét>ov eiSojg, n u i T tju o q âiv ért.tOfpaX&g t o v stung in N e s t o r s H ä n d e zu ge ben,
ttnqÍTijv, é v o-vtoí ü v y y ó o e t to>v ■rfqayttdTtov dahin. N a c h d e m er g e g a n g e n w a r
i~r.Tnq%óvTtov, n a i Ttqo t o v rfo vv u t X ó y o v Tfjg und einige Zeit b e r e i t s d o r t v e r b r a c h t
0t.ot.nt] Cferog), Tfjg uv-rTjg é n e i vöt g ß ovX fjg nui h atte, b e m e r k t e er, daß die Dortigen.
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y v iő fifjir fhfi O w tH /w u -i sea ) ô ii/ o » ,- tc o iv i* r ô * eigentlich g a r nicht gen e ig t sind die


ê%çrjf/dTMftt, •xa) TfoÙJÎ Tùg ânoP.oyiccÿ r a v r a ^ v.ni O b e r h e r r s c h a f t d e s r ö m isc h e n K a i ­
tô T w i' / /uTÇii'ci'A.i’1r g fïv o ; o v i'a Q ito o 'ríi/í'i'O j s e r s in E h r e zu halten, so n d e r n den
7 to X a u slv TtiTg ' p o tt/a io tÿ n t-r' nvxfftv dtírfóvöot B e f e h l d e r Z i t a d e l l e gänzlic h in die
t ~i t/dyrj o v ré frS T o . (Svyîuvt'jcitH’tg o v v yevo- Hände ih r e s O b e r h a u p t e s (namen s
u ë v i js TotuÔTit.j. tic tChpI tô v 7fôÀ/noy v.t’t T a t r y s ) g e b e n . N e s to r , e n t w e d e r weil
Tip' tIjS *t,o»tfàïa1'jS %0,(*a£ €7tti$qo[jrp' avTolg ihn d e r G eschehnisse wegen die
êS,tjorôf;TO F u r c h t ü b e r m a n n t hat, o d e r w e g e n
d e r G l e i c h g e s t e l l t h e i t se i n e r A b s t a m ­
m un g eine S y m p a t h i e für ihren E n t ­
schluß faßte, m öglicherw eise viel­
leicht au c h d e s h a l b , weil se in e S e e l e
d u rc h d ie N ach richt, daß m a n sein
H a u s und sein V e r m ö g e n zu G u n ste n
d e r S c h a t z k a m m e r e i n b e z o g e n hatte,
un te r d e m V o r w a n d er h a b e d a s
G e l d , d a s m an ihm a u s d e m k a i s e r ­
lichen S c h a t z zur V e r fü g u n g stellte,
nicht zu d e m n ö tig en Z w e c k e v e r ­
w e n d e t , v e r b i t t e r t w u r d e (diese N i e ­
dertracht h a t te näm lic h der ihm
feindlich g e s in n te N i k e p h o r o s b e g a n ­
gen, d e r in s e i n e m N e i d und s e i n e r
V e r w o r f e n h e i t d a s a l l g e m e i n e I n te ­
r e s s e nicht m ehr in E h r e n zu halten
v e r m o c h t e und sich am G r e n z v o g t
a u f so b e t r ü g e r i s c h e r W e i s e r äch en
wollte, b e v o r d i e s e r noch ü b e r se in e
R e g i e r u n g s t ä t i g k e i t R e c h e n s c h a f t ab-
le g e n kon nte, tr o tz d e m daß d ie L a g e
so v e r w ir r t war), b e g a n n so v o r z u g e ­
hen, w ie ein an ihren g e m e i n s a m e n
P l ä n e n und A b s i c h t e n d u rch V e r t r a g
und S c h w u r g e b u n d e n e r T e il n e h m e r ;
er g e w a n n für ihr B ü n d n i s auch d a s
V o l k d e r P e t s c h e n e g e n und einigte
sich mit ihnen darin, daß si e einen
unversöhnlichen Kampf gegen die
R ö m e r führen w e r d e n . N a c h d e m eine
d e r a r t i g e B e w e g u n g im G a n g war,
b e r e i t e t e m a n sich zum K r i e g und
zum A n f a ll d e s r ö m isc h e n G e b i e t e s
»4
vor.

A t t a l e i a t e s erzäh lt nachher, daß N estor mit den P e t­


schenegen M akedonien und Thrakien verheerte, in seinem L ager
vor B yzanz jedoch vergebens die A uslieferung des Eunuchen N i­
kephoros verlangte. Die Petschenegen, die in die S ta d t gingen, w ur­
den verdächtigt gegen N estor R änke geschm iedet zu haben. N e­
stor zog sich deshalb sam t seinem H eere von der S ta d t zurück
89

und ging, vereint mit den übrigen Petschenegen durch M akedo­


nien in die Donaugegend zurück.8
D as in der Zeitordnung folgende, auf den N estor-A uistan d
bezügliche byzantinische Geschichtsw erk ist der um nicht viel
sp äter verfaßte sog. S k y l i t z e s c o n t i n u a t u s. Die E rzäh ­
lung stim m t gehaltlich vollkommen mit dem von A ttaleiates
überein und ist nichts weiter, als ein A uszug aus dem angeführ­
ten A ttaleiates-Zitat:"

*AV îfè x n X i T t n q r t x e i i i e rí , <>■/!>■>, tov „ D a in den S t ä d t e n d e s D o n a u u f e r s


’ Iotçov 7tóltot Ttür üTorerroTotr f^ubiijfiérotv d ie S o l d a t e n v e r n a c h l ä s s i g t w u rde n ,
ola rSy fti/Ur rSioiityo'tv laußavörTotv, indem sie n äm lich nichts zu ihrer
OTéZZfíTai ô ßüOTiinyov XfsoKoo. tïovïo^ yc- V e r p f l e g u n g e r h a l t e n hat ten, s a n d t e
yovö>s tov Tft'Toö* vor ßaoiXöv»s, «ïovç To,r man d en V estarchen Nestor, der
JlanusToivtr övoftaüOet*, an) o v i n p o T o t sch o n im D ie n s t v o m V a t e r d e s K a i -
Tdrovi öttoyvojftovi. ! IrtT^ivdxot^ 7(Xtt- s e r s s t a n d und d e n m a n zum D u x d e r
oöiv ôrcXtGÜ'ÉvTGï «V Tfjr ßccoiXi-vovocer 7ruot- D o n a u g e g e n d ern an n te, dorthin; nach-
y é ro v T o . d e m sich d i e s e r mit T a t u s , als einem
Manne gleicher Anschauung, v erein ­
b a r t e , e r sc h ien er plö tz lic h mit d i e ­
se m und mit v ie l e n P e t s c h e n e g e n g e ­
r ü stet v o r d e r H a u p t s t a d t . “

In einigen Zeilen berichtet auch er darüber, daß N estor v er­


gebens die H erabsetzung des Eunuchen Nikephoros verlangte.
Da seine Leute Ränke gegen ihn schmiedeten, zog er sich von der
S ta d t zurück, verheerte M akedonien, Thrakien und die N achbar­
schaft von Bulgarien, und. fuhr in das Gebiet der Petschenegen.
W as Joh an n es Z o n a r a s nach 1118, in seinem, während der
Regierung des K a ise rs Joh an n es Kom nenos geschriebenen yEva-
rour; UrroQuhv über die Bew egung von N estor sagt, könnte man ge­
trost — dem Brauch entsprechend, dem Z o n a r a s auch an an d e­
ren Stellen folgte — als einen dem S k y l i t z e s c o n t i n u a -
t u s entnommenen Teil betrachten. Seine Erzählung zeigt nur
dadurch eine gew isse Selbständigkeit, daß er T atu s entschieden
den H äuptling der Petschenegen n en n t:10

8 O. a. A u sg . S. 2073i— 9 ^ .
9 E x c e r p ta ex B re v ia rio I listo ric o
Io an n is S k y litz a e c u ro p a la ta e . In d e r
von I. B e k k e r in B o n n 1839 ver öffe ntlichten K e d r e n o s - A u s g . II. S. 719h_i3.
Über die ses W erk vgl. J . M o ra v c sik , a. a. O. 181— 2, und B y z a n tin o tu rc ic a I.
S. 193— 4.
10 Io an n is Z o n a rae E p ito m ae H isto riaru m lib ri X I Í I — X V I I I . [ I l i ] ed. Th.
Biittner-Wobst. Bonn, 1S97. S. 713s—13. Über den V e r f a s s e r und sein W erk
s. J . M o r a v c s ik : a. a. O. S. 185— 7, und B y z a n tin o tu rc ic a I. S. 196— 200.
90

^/oOXog fié xtg rov Ttnxgôg roú rov ro i' „ I r g e n d e in D ie n e r v om V a t e r die-


a v x o w td x o q o g A'éOrt’jft fivotift, ßtsGrdoyt^ fii- s e s K a i s e r s , d e r N e s t o r hieß und d e r
rô «^trotta, Hoi'g rßtv /la çiG x çtto v rfooyatot- die V estarchenw ürde trug, führte,
ofraig qoev ÜTtXn ic a rù x o v ßaGiXäfog. ôttxxtytxift v n a c h d e m er zum D u x d e s P ar ist rio n s
yùo frëttw og uiSTft x tro g à o y y y o v llccrZi t'ciy.otv, ern an n t w u r d e , die W a ff e g e g e n den
ôg ix a it 'Ï T « T axovg, eig r i;v x& v Ttô/.&fjv K a i s e r . E r h a t te nämlich mit ir g e n d ­
ßnOtXnvovGnv T tao ey év ov ro xctl 7(-aqnv6ßaXov einem, T a t u s ge nannte n, P e tsc h e n e -
7C0 Ô revrfjg. g e n - H ä u p tli n g W a f f e n f r e u n d s c h a f t g e ­
s c h l o s s e n und sie e r sc h ien en p l ö t z ­
lich v o r d e r K a i s e r i n d e r S t ä d t e 11
und s ch lu gen ein L a g e r d a v o r a u f.“

Dann erzäh lt auch Z o n a r a s kurz den V erlauf der Unter-


nähmung.
Den N achklang der Em pörung der Donau-Skythen, d. i. die
Geschichte ihrer an den K aise r N ikephoros B otaneiates (1078—
1081) gesandten H uldigungsbotschaft erzäh lt M ichael Atta­
l e i a t e s : 1"
f ) i fit-' TCetfi r ö r "IG ro o v vfr a t uni. a v x o i ,,Die in d e r D o n a u g e g e n d w o h n e n ­
rtj fptjfvy ïÇ ÿ rov ß aG tX itag n v y ttsia g s.fti d en S k y t h e n s a n d te n auch von selbst,
ävfitfifti, v.a't xf;g GvGx(tt'(pOfiévi]g É7ty dufpöreqfX zur b e s s e r e n E insic h t gelangt, v o r ­
rfs^tág, fi io q tjfia v i nfjS 're VTtèq ro i v o im ir w v u n i n e h m e B o t e n zum K a i s e r , — al s sie
ô o q v â q é fio v o g z«7« rù tv ú v x ifr é x w v è.yiïo<l>v, von se in e m E d e l m u t und s ein er T ü c h ­
«Tg ó tM 'o in g GW & Xfrővxeg €'VG%ÿftovag ?foé- tigkeit N a c h ric h t erhalten h atte n und
Oßmg à7fé<ÎT>-û,rtv eig nvxóv, rá TtiGxá viai hö rten, daß se in e R e c h t e zu b e i d e n
o v r o ! xfjg êcevxtüv 7 fttq sy ô f/e v o i. y.fti D in gen r a s c h b e r e i t sei: -seine G e ­
r r jv :rX>,oo<pooi ft v eiG d y ov xeg o î 7to4Gßetg, y.fd tr e u e n zu b elo h n e n und sein em sich
xtvctg dTfoGxdxccg O vvôvdG ftt x o ïg I l a x ^ i v d x o i g ihm w i d e r s e t z e n d e n F e i n d die L a n z e
é rti rov TCooßeßctGtXevitöxog S tn y v fo G frév x a g z u zu w e rfen , — um d a d u r c h eine V e r ­
èVf'tTftor n v x o v Sü tt’tàg ytnrtjictGnVTo, r ô GyjGttn sich erun g auch ihres u n ter tän ig en
7 td v ro tg TCcepaôencvvoi'xeg sta l r ijv Ù7fy êw-i- G e h o r s a m s zu geb e n. Indem ihm die
vtrv 7 (q o < fn v fG rd x tp ’ lÎTfùGraGtv. ëy .xoxe r o i- G e s a n d t e n eine v ö llige G a r a n t i e b o ­
vw ovnéxt TfQÔg CTttSqouùg x fci âffT tay âg ten, v e r s p o t t e t e n sie g r a u s a m e r w e i s e
yoJ(tljGm uni rt rfo v * PMftrci'víwv 7fat>ttßXâih ctt a n g e s i c h t s d e s Kciisers einige A b ­
%MQÍf’iV êxôXtïtjGrt r. trünnige, ü b e r die es b e w i e s e n wurde,
daß sie. noch u n te r d e m v o rigen K a i ­
ser, mit den P e t s c h e n e g e n v e r h a n d e l t
h a t te n und le gten ihm so die T r e u ­
l o sig k e it und die g e g e n ihn g e p la n t e
E m p ö r u n g r e s t l o s v o r A u g e n . Von d a
a b u n t e r s t a n d e n sie sich nicht m ehr
Ü b e r f ä l le und R a u b z ü g e zu u n te r n e h ­
men o d e r s o n st in ir g e n d e i n e r F o r m
d em r ö m isc h e n R eic h zu s c h a d e n . “

D ie oben angeführte Stelle von A nna K o m n e n e und die


sich an diese anschließenden anderen vier A uktorstellen bergen
11 Be i B y z an z .
12 O. a. A u sg . S. 302m— 3s.
91

in sich, eben durch die in ihnen vorkommenden archaisierenden


Volksnam en —y.vïïcii und 2£avoo^iárai eine Problem engruppe ethni­
scher A rt, die zu einer äußerst interessanten, langw ierigen und
heftigen Polem ie V eran lassu n g, gab. Um jedoch d as bisherige be­
zügliche Schrifttum erfolgreich besprechen, au s ihr d as F rag e n ­
kom plex, d as sich an die obigen A uktorstellen knüpft, andeuten
und zur Lösung der Fragen gelangen zu können, m üssen wir erst
einen historischen Rahmen geben. A ls V oraussetzung ist die V er­
bindung von B yzanz mit den im D onaugebiet nacheinander au f­
tauchenden ,,barbarischen“ V ölkern: den Petschenegen, Uzen, Ku-
manen, bis zu dem Zeitabschnitt der uns interessiert, zu schil­
dern.1' 3 Dann muß auch das W esen und die geschichtliche Lage d er
D onaugegend (P aristrio n ), die zu dieser Zeit zum Sch auplatz den
Begebenheiten, die in den angeführten A uktorstellen erzählt w er­
den, diente, näher beleuchtet w erden.1"
Die Petschenegen lernte d as byzantinische Reich bereits am
Ende des IX. Jah rh u n d erts kennen. Die Petschenegen fuhren we­
gen des Druckes, den die Uzen auf sie verübten, im Ja h re 889 über
die W olga und zw angen auch die Ungarn zum W eiterziehen. D er
bulgarische Zar, Symeon, der 895 gegen den byzantinischen
K aiser Leon VI. und dessen Verbündete, die U ngarn käm pfte,
bediente sich der H ilfe der Petschenegen gegen die Ungarn. Der
gem einsam e A n griff der dam als schon zwischen dem Don und
dem D n jepr wohnenden Petschenegen und der Bulgaren zwang
das Ungartum zur Eroberung seiner jetzigen Heimat. So erstreckte

,1>a In d ie se r Z u s a m m e n f a s s u n g schild ern wir nur jen e wesentlichen B e g e ­


benheiten au s der G esc h ic h te d ie se r drei Völk er , welche d ie G e s c h i c h t s w is ­
senschaft, au f die A n g a b e n der byz antinischen , r u ssis ch en und an d eren ö s t ­
lichen und westlichen Quellen gestützt, bereits festsetzte. U n se r e Z u s a m m e n ­
fa ssu n g fußt au f den folgenden geschichtlichen B e a r b e it u n g e n : F. C h a la n d o n :
L e s C om nène. É tu d e s su r l ’em pire b yzan tin au X I e et X I I e siè c le s. I. E s s a i
su r le règn e d 'A le x is I er C om nène (1081 — 1118). P a r is, 1900; G. O s t r o g o r s k y :
G esch ich te d e s byzan tin isch en S t a a t e s (B y z a n tin isc h e s H an d b u ch im R ah m en
des H a n d b u ch s d er A l t e r t u m s w is s e n s c h a f t I. 2 ). München, 1940; B. K o s s á n y i :
Az úzok és kom án ok történ etéh ez a X I — X II. sz á z a d b a n , S z á z a d o k (Zur
G eschich te der Uzen und R u m ä n e n im X I — X I I . J a h r h u n d e r t . J a h r h u n d e r t e )
L V I I — V III . (1923— 4) S. 519— 37; C. N e c çu le scu : N ä v ä lir e a U z ilo r prin fä rile
rom án é in Im p e riu l B iz an tin , R e v is t a I s to r ic ä R o m á n a IX. (1939) S. 185— 206.
13 D ie se Z u sa m m e n fa ssu n g , die zum zweiten Teil d es historischen R a h ­
mens dient, ist eigentlich schon eine V o r b e h a n d lu n g der Nebe nfrage, die sich
an die oben an gefü hrten A u k t o r - S t e l l e n knüpft. Die u m fan g r e ic h e L i t e r a t u r
diese r F r a g e heben wir a u s der L i t e r a t u r d e r ethnischen P r o b l e m e n g r u p p e
hervor und geben sie nur im kurz en LTmriß bekannt, d a sie bei der L ö s u n g
unserer A u f g a b e keine en tsch eid en de R o ll e spielt.
92

sich d as Reich der Petschenegen vom Don bis zur unteren D o­


nau. A u f ihre Bedeutung weist schon K onstantinos P o r p h y r o-
g e n n e t o s mit dem größten N achdruck hin. B yzanz benützte
sie stän dig a ls V erbündete gegen seine jew eiligen Feinde im Nor­
den. D as Zusam m enwirken mit den Petschenegen w ar ein G rund­
prinzip der byzantinischen Politik im X. Jah rh undert. Die Petsche­
negen konnten gegebenenfalls die B ulgaren und Ungarn im Schach
halten und den R ussen den W eg nach B yzanz absperren. Im
H erbst 944 erschienen die Petschenegen a ls H ilfstruppe im an ­
greifenden H eer des russischen F ürsten Igor an der Donau. Im
Ja h r e 968 zwang der A ngriff der Petschenegen gegen K iev Sv ja-
to slav, der sich im entkräfteten Bulgarien, an der Donau, zur
H errsch aft einzurichten begann, zur Heimkehr. A ls dann Byzanz
d as bulgarische Reich eroberte, wurden die Petschenegen an der un­
teren Donau unm ittelbare N achbarn der Byzantiner. Ihre Raubzüge
richteten sich nicht mehr gegen die Feinde des Reiches, sondern g e­
gen seine eigenen Provinzen. U nm ittelbar nach dem Tode von Ba-
sileios II., im Ja h r e 1027, setzten sie über die Donau, erlitten aber
von Rom anos III. A rgy ros (1028— 1034) eine N iederlage. W ährend
der H errsch aft von M ichael IV .(1034— 1041) fuhren sie wieder über
die D onau und verw üsteten Thrakien. Byzanz vermochte es nicht
die durch die Donau einbrechenden Petschenegen-H orden in jedem
F a lle zurückzuw erfen. D er schw ache K onstantinos IX. M onom a­
chos (1042— 1055) beging den Fehler, daß er die A ngreifer zu
Grenzw achen machen wollte. Zu dieser Zeit führten nämlich die
Zw istigkeiten unter K egen und Tyrach, den H auptleuten der
Petschenegen-H orden zu einem endgültigen Bruch. K egen gelangte
mit zwei Stäm m en, ungefähr 20.000 Seelen, in der Nähe von S ilistria
(D ristra) zur Donau. M ichael, Sohn des A n astasio s, D ux von
P aristrion m eldete dem K aise r die A nkunft der Petschenegen.
D ieser ließ K egen in die H au p tstad t rufen und verlieh ihm
den P atrikiostitel, seine Petschenegen erhielten im Paristrion
Län dereien und drei Festungen unter der Bedingung, daß
sie die G renzen des Reiches beschützen werden. Kegen und
tausende der Petschenegen wurden auch getauft. Die neuen by­
zantinischen Grenzwachen, K egens Untertanen bemühten sich,
durch häufige Plünderungen sich an ihren Landsleuten, die auf
der Ebene, nördlich der Donau geblieben waren, zu rächen. T y ­
rach ließ vergebens durch seine Boten K onstantinos M onomachos
darum bitten, den Verw üstungen K egens einen Dam m zu stellen.
Endlich brach er an der Spitze eines riesigen H eeres in das
Reich ein, sein H eer wurde jedoch durch eine Epidem ie dezimiert.
93

Da streckte T yrach sam t seinen Getreuen, die ihm noch geblie­


ben waren, die W affen und huldigte dem K aiser. K onstantinos
Monomachos siedelte die Neuanköm m linge au f den unbewohnten
Gebieten von B ulgarien an. A ls ab er B yzanz sich Tyrachs
Petschenegen gegen die Seldschuken bedienen wollte, flohen diese
in ihre alte Heim at zurück und plünderten bereits 1050 w ieder
das Reich. K egens Petschenegen an der Donau erw iesen sich je ­
doch auch nicht für verläßlicher. Die byzantinische Regierung
war wiederholt gezwungen gegen ihre neuen U ntertanen zur
W affe zu greifen, weil diese die ihnen benachbarten Provinzen
des Reiches durch R aubzüge verheerten. K onstantinos M onom a­
chos erlitt von ihnen mehrere N iederlagen und w ar gezwungen,
das W ohlwollen ihrer H auptleute durch Geschenke, neue G ü ter­
schenkungen und hohe H ofsäm ter zu erkaufen. D as Aufhören der
Petschenegen-Einbrüche, d as bis 1059 währte, ist nicht so sehr
dieser Friedenspolitik, als dem V ordringen eines anderen V ol­
kes, dem der Uzen zu verdanken.
Die Uzen, dieses andere Türkenvolk, wohnten vor dem IX.
Jah rh u n d ert in M ittelasien, jen seits des U ral-F lu sses und des
K aspischen S e e s bis zum A ltaigebirge. B evor sie in E u ropa e r ­
schienen waren, teilten sie sich in zwei große Zweige: der eine
nahm seinen W eg nach W esten, der andere blieb in M ittelasien.
Die in A sien verbliebenen Uzen sind die V orfahren der seld-
schukischen Türken. Der andere Zweig, der durch d as heutige
Rußland nach dem W esten zog, setzte gegen d as Ende des IX.
Jah rh un derts über den U ral-Fluß. Sie verbanden sich mit den
C hazaren gegen die Petschenegen und eroberten ihr Land. Ein
kleiner Teil der Petschenegen huldigte den Uzen, ihre M ehrzahl
zog aber nach W esten weiter, die U ngarn vor sich drängend. Die
neue Heim at der Uzen, OütjLa schildert K onstantinos P o r p h y-
r o g e n n e t o s in der Nachbarschaft von T/ar^ivccxla, XaQaglu und
’ AXctvía. Sie bewohnten eine längere Zeit, bis ungefähr um das
Ja h r 1060 die den Petschenegen abgedrungene neue Heimat. Die
russischen Chroniken erwähnen sie oft als Torken. Sie sind 984 V la ­
dimirs, des K iever Fürsten Verbündete, im F eld zu g gegen die B u l­
garen, die zwischen der W olga und der K am a wohnten. D er U nter­
gang C hazariens, der im ersten Jah rzeh n t des X I. Jah rh u n d erts e r ­
folgt war, öffnete der weiteren westlichen Verbreitung der Uzen
auf K osten der R ussen und Petschenegen den Weg. 1054 grei­
fen die U z-Torken V selovod, den F ü rsten von P e r e ja sla v l’ an.
1055 haben sie a lso schon die D njepr-Linie erreicht und erstreck ­
ten sich bereits über diese. Im Ja h re 1060 verbanden sich die
94

russischen Fürsten gegen die Uzen. E s wurde gegen sie außer


des Landesheeres auch eine Flotte organisiert. Die Uzen flüch­
teten au s ihrer bisherigen Heim at und zogen weiter, der B alk an ­
halbinsel zu. Ihre N iederlassungen waren dam als auf dem Fluß ­
gebiet der Bug und der Sereth, zwischen den Südgrenzen der ru s­
sischen Fürstentüm er und der N ordgrenze des byzantinischen
Reiches. 1064 waren sie bereits bei der unteren Donau erschie­
nen um B yzanz anzugreifen.
Die Fortw anderung der Uzen wurde ohne Zweifel teilweise
auch durch d as Vordringen der Kum anen verursacht, welche die
selbe R olle den Uzen, wie diese den Petschenegen gegenüber
spielten. Die Kum anen (Polovcen) begannen sich auf der sü d ­
russischen Steppe fortzubewegen a ls die Uzen noch auf dem G ip ­
fel ihrer M acht standen. Im Ja h re 1061 käm pften sie zum ersten
M al mit den Russen. 1068 besiegten sie drei russische Fürsten,
erlitten aber noch im selben Ja h r eine N iederlage von Sv jatoslav.
G egen 1070 wenden sie sich nach Süden, der D njeprgegend, dem
früheren W ohnort der Uzen zu. 1071 käm pfen sie schon an der
südw estlichen Grenze des K iever Fürstentum s. A uf dem B alkan
tauchten sie aber erst 1078 zum ersten M al auf.
Je n e s Gebiet, auf dem die Byzantiner mit diesen drei V öl­
kern in unm ittelbare Berührung kamen, war die heutige Dob-
rudscha, welche die zeitgenössischen byzantinischen Quellen als
Paristrion, P aradanuvion, P arad u n avis (Donaugegend) erwähnen.
A ll das, w as heute die G eschichtsw issenschaft über das Paristrion
weiß, ist im allgem einen der eifrigen Forschungsarbeit dreier G e­
lehrten: N. B ä n e s c u , P. M u t a f c i e v und V. N. Z l a t a r s k i
zu verdanken. D as W esen des P aristrion begann zuerst der P ro ­
fesso r der Byzantinologie an der ehemaligen rum änischen U niversi­
tät von K olozsvár, N. B ä n e s c u aufzuklären und zu untersuchen,
m it H ilfe seiner langw ierigen, gründlichen Quellenstudien. E r hatte,
gleich als er sich mit der F rage des P aristrion zu befassen begann,14
festgestellt, daß d as P aristrion als m ilitärische und adm inistrative
Einheit der ,,D onaustädte und -G ebiete“ ein G renzdukat des by­
zantinischen Reiches war. Sein Gebiet begann westlich von Sili-
stria und reichte bis zur Donaumündung. Die R esidenz seines
Leiters, des byzantinischen Statth alters war das befestigte Sili-
stria (D ristra, D orostolon). D as „term inus post quem “ seine:*
Gründung mochte die Eroberung des bulgarischen Zarentum s von

14 C ele m ai vechi çtiri bizan tin e a s a p r a R o m ân ilo r d e la D u n área-d e- J o s ,


A n u a r u l Institutului de Isto rie Na^io nal a, U niversitäte n din Cluj, I. (1921— 2)
S. 135— 61.
95

Sam uel durch B asileios II. gew esen sein. D iesen G renzteil mußte
man befestigen, da er durch die Einbrüche der Petschenegen ge­
fährdet w ar und es wurde darau s, nachdem man es dem G ebiet des
alten B ulgarien s absonderte, ein G ren zdukat gebildet. E s w ar ihm
gelungen, durch die gew issenhafte Anw endung von A ngaben der
byzantinischen G eschichtsliteratur und der Sigillograph ie ein klei­
nes Verzeichnis der aufw eisbaren S tatth alter von P aristrion und
die Angaben, die sich au f die P erson und die T ätigkeit dieser
beziehen, zusam m enzustellen. In einem neueren, gehaltvollen A u f­
s a tz 1' befaßte er sich schon mit beiden balkanischen Provinzen
von Byzanz, die sich im Anschluß an die Eroberungen von K a i­
ser B asileios II. gestalteten, nämlich mit den Provinzen von B u l­
garien und P aristrion. E s w ar ihm gelungen, durch genaue U nter­
suchung der sich au f diesen Zeitabschnitt beziehenden byzanti­
nischen Quellen und mit H ilfe von den E rgebnissen der Sig illo ­
graphie au f die dunkelste Periode der B alkan h albinsel, auf ihre
Geschichte im X I. und X II. Jah rh u n d ert ein neues Licht zu w er­
fen. E r bewies die E xisten z einer abgesonderten B ulgaria-P ro-
vinz, die unter der Führung eines in S k o p lje residierenden
mocar^yoQ aínoy.oártno stand. D iese Provinz wurde bald nach der
Eroberung des bulgarischen Reiches eingerichtet und sie bestand
bis zur Gründung des A senidenreiches, westlich durch den Dyr-
rhachion-Strategat, östlich durch d as Paristrion begränzt. E s ge­
lingt ihm auch 12 Strategen der Provinz f e s t z u s t e l l e n .W a s die

13 C h an gem en ts p o litiq u e s d a n s le s B a lk a n s a p r è s la co n q u ête de l ’E m p ire


b u lg are de S a m u e l (1 0 1 8 ). N o u v e au x d u ch és b y z a n tin s: B u lg a rie et P a ristrio n ,
A c a d é m i e R oum ain e, Bu lletin de la S e c tio n H is to riq u e X. (1923) S. 49— 72.
E r faßte die E r g e b n i s s e dieser und sein er vorherigen A b h a n d l u n g auch it a l ie ­
nisch z u sam m en : L a ’R o m a nuova a lle fo ci d el D an u b io , L ' E u r o p a O rien tale
Ï 11. (1923) S. 580— 5. B à n e s c u kü n d e te die B e e n d u n g d ie se r A b h a n d l u n g
und ihre B e k a n n tg e b u n g an der R u m ä n isc h e n A k a d e m i e im F e b r u a r 1923,
in einer kurzen M itteil ung: E rg ä n z e n d e s zu ,, P a r istr io n “ , B y z a n t i n i s c h - N e u ­
griechische J b . IV. (1923) S. 252— 3 an.
1B B ä n c s c us E r ö r te r u n g e n über die P rovinz B u l g a r i e n interessieren uns
hier nur soweit, daß sie der — b e s o n d e r s in b u lg ar isch e n K r e i s e n — b ereits
fes tg ew orden en Ansicht, B u l g a r i e n sei (w en igst en s bis zur T h r o n b esteig u n g
von A l e x i o s K o m n e n o s) .auch unter byz an tin is c her O b e rh e rr sc h a ft einheitlich
geblieben und durch den D u x von S k o p l j e regiert worden, w id ersp rech en .
B ä n e s c u hat jetzt bewiesen, daß die E r o b e r u n g e n von B a s i l e i o s II. au f
a ltb u lg a r isc h e m G ebiet tiefgeher.de p o lit isch e V e r ä n d e r u n g e n mit sich b r a c h ­
ten. Der D u x von S k o p l j e w ar nur S t a t t h a l t e r einer byzanti nischen P ro v inzen
auf dem B a l k a n , näm lich der, die den N a m e n B u l g a r i e n bew ah rt hatte. W ir
werden sehen, daß die b u lg arisch e n G elehrte n d iese B e h a u p t u n g B ä n e s c us
heftig angreifen. Ihr A n g r iff e r str ec k t sich a b e r auch au f die E rgeb n isse,
die B ä n a s c u über d a s P a r is t r i o n bez üglich fe s tste llte und auch au f die
96

uns interessierende Paristrion-P rovinz (Paradanuvion, P arad u n a­


vis) anbelangt, betont B ä n e s c u seine vollkommen unabhän­
gige E xisten z von dem D ukat Bulgarien. E r beweist wider die
hierherbezügliche A u ffassu n g Z latarsk is,17 daß die byzantini­
sche H errsch aft im P aristrion keinesw egs eine nominelle war.
B yzanz übte dort tatsächlich H errscherrechte, vom U ntergang
des bulgarischen Reiches von Sam uel bis zur G estaltun g des
A senidenreiches. B asileio s II. hatte bereits in D ristra seinen Stra-
teg. Um 1030 wurde d as P aristrion, wegen der beständigen G e ­
fahr, zu einem G renzdukat organisiert, an dessen Spitze man e i­
nen K atepan o stellte. 1048 ließ man K egens Petschenegen in drei
Festungen des P aristrion, a ls Grenzwachen, hinein. Nach B ä-
n e s c u konnten sich die B ulgaren au f diesen oft verheerten
G renzgebieten nicht mehr in großer A nzahl aufhalten.
P. M u t a f c i e v , P rofesso r an der U niversität zu Sofia, äußerte
sich daraufhin auch über die F rag e der P aristrion- und B ulgaria-
Provinzen.1h E r legt B ä n e s c u klar, daß der russische Gelehrte,
N. S k a b a l a n o v i c 1" die E xistenz der beiden Provinzen, mit ih­
ren duces und mit ihren Grenzen, vierzig Ja h r e vor B ä n e s c us
„E n tdecku n g" allbekannt machte. A ls die Byzantiner d as bulga­
rische Reich erobert hatten, w ar die E rsch affun g der beiden P ro ­
vinzen keine „politische W andlung“ mehr, sondern nur eine a d ­
m inistrative Änderung. P aristrion s selbständige E xistenz ist auch
nicht von solcher Bedeutung, daß B ä n e s c u über eine ,,in
diesen Gebieten sich offenbarende politische Bew egung“ B etrach ­
tungen anstellen könnte. Um die A dm inistration und die V er­
teidigung der eroberten bulgarischen Provinzen erleichtern zu
können, wurden diese nach byzantinischem System in Provinzen,
Themen <Mruccrfc) eingeteilt. D as P aristrion w ar auch nichts wei­
ter als eine einfache byzantinische G renzprovinz (uy.oihy.ov
Nicht nur der K om m andant von P aristrion, sondern alle byzan­
tinische Them enkom m andanten w aren unm ittelbar dem K aiser
untergeordnet. M u t a f c i e v leugnet, daß d as Them a Paristrion
vom U ntergang des Reiches des Sam uel bis zur Staatsgründun g

H y p o t h e s e der dortigen, angeblich w la chis ch en B e v ö lk e r u n g . Wir w erd en in


den fo lgen d en vorw iegend d ie se r S e ite d er P o le m ik A u f m e r k s a m k e i t schenken.
17 Vgl. W, N. S l a t a r s k i ; G e sch ich te d e r B u lg a re n 1. ( B u l g a r is c h e B i b l i o ­
thek B d . V.). Le ipz ig, 1918. S. 91,
18 Zu den T hem en B u lg a rie n un d P a r istr io n . B y z a n tin i sc h e Zeitschr.
X X V I . (1926) S. 250— 1.
19 BH3 aHTincKoe rocy,iapcTBO h uepKOBb X I . b. S t.- P eter b u r g , 1884. S.
225. ff.
97

der A seniden ununterbrochen bestanden hätte. B yzanz hat diese


Provinz zweimal verloren: zwischen 1049— 1059 und zwischen
1074— 1091. E r bew eist überdies die E xisten z einer dritten P ro ­
vinz Sirm ium -B elgrad und setzt sich mit B ä n e s c u über die
Residenz des Them a B ulgarien auseinander.
N. B ä n e s c u erk lärt kurz darauf,"" daß er d as Buch von
S k a b a l a n o v i c nicht gekannt hatte, M u t a f c i e v habe hin­
gegen seine Erörterungen m ißverstanden und verspricht eine b al­
dige Antw ort auf M u t a f c i e v s K ritik. In dieser A n tw ort!1
beweist er mit Hinweis auf seine früheren Abhandlungen, daß
auch er P aristrion a ls einen einfachen byzantinischen Grenz-Du-
kat dargestellt, die Grenzen desselben richtig bestimm t und die
„d u ces“ von Sirm ium erw ähnt hätte. D er Zwischenraum von 10—
15 Jah ren , — meint B än escu — der sich in der A ufzählung der
,.duces“ von Paristrion zeigt, bedeute nicht so viel, daß der Du-
kat nicht ununterbrochen bestanden hätte, er, B änescu w ar je ­
doch bis dahin noch nicht im stande, säm tliche Quellen, welche
diese Lücke ausfüllen könnten, zu erschöpfen. W as d as W erk
von S k a b a l a n o v i c betrifft, ist die F rag e bei diesem nicht
eingehend behandelt. Im G anzen ist darin soviel zu finden, daß
in der A ufzählung der byzantinischen Themen P aristrion und B u l­
garien und der Nam e einiger ihrer ,,d u ces“ erwähnt werden.
B ä n e s c u erk lärt also, daß seine bisherigen Ergebnisse unan­
getastet auch weiterhin gültig bestehen.
In einem V ortrag, den er 1927 am II. internationalen byzan-
tinologischen Kongreß zu B elgrad über die byzantinische H err­
schaft an der unteren D onau hielt, bew eist B ä n e s c u , 2' daß in
D ristra ein S trateg at bereits seit dem Sieg des K aise rs Tzim iskes
über S v ja to sla v (972) bestand, und e s gelingt ihm auch für diese
Zeit einen Strategen von D ristra aufzuw eisen. Die E xisten z der
Paristrion-Provinz beginnt also schon mit dem Sieg von Tzim is­
kes. B änescu hält daran fest, daß die D onaustädte hier eine ört­
liche Autonom ie genossen haben. E r will beweisen, daß diese
Gegend auch zur Zeit der Einbrüche der Petschenegen und K u ­
manen w enigstens im X I. Jah rh un dert, ununterbrochen zu B y ­
zanz gehörte. Den B arbaren w ar es selbst im X II. Jah rh u n d ert

20 L e s thèm es de P a ristrio n et B u lg a rie , B y z a n tin i sc h e Zeitschr. X X V I .


(1926) S. 474.
21 A p ro p o s d es d u ch és b y zan tin s d e P a r istrio n et d e B u lg a rie , R ev u e
H is to rique de S u d - E s t E u r o p é e n III. (1926) S. 321— 5.
T~ L a d o m in ation b y zan tin e s u r le s rég io n s du B a s-D a n u b e , A c a d . R o u ­
maine, Bu lletin de la Sect. Hist. X I I I . (1927) S, 10— 22.
Arch. Eur. C.-O. 7
98

nicht gelungen, sich hier eine H errschaft einzurichten. Diese


H errschaft der Byzantiner wurde der Donau entlang vorzüglich
von der Flotte aufrecht erhalten und konnte höchstens am Ende
des X II. Jah rh u n d erts aufhören.
1929 schloß sich noch ein anderer P rofesso r der Sofioler U ni­
versität, V. N, Z l a t a r s k i der Polem ik an und suchte B ä n e s c u
gegenüber seine frühere Behauptung, daß Bulgarien unm ittelbar
nach der Eroberung von B asileios II. eine Zeitlang a ls V erw al­
tungseinheit innerhalb des byzantinischen Reiches verblieb, zu be­
kräftigen. D azu führt er noch an, daß zur selben Zeit auch die
bulgarische K irchenregierung unter der Leitung des autokepha-
len bulgarischen Erzbischofs eine Einheit bildete. Von da ab wurde
die Polem ik zwischen B ä n e s c u und Z l a t a r s k i über die
Personen und Titel der frühzeitigen Leiter des P aristrion s fort­
gesetzt. Z l a t a r s k i bezweifelte, daß diese L eiter ,,d uces“ ge­
wesen wären und wollte B än escu s A ngaben über die Personen
vor 1059 ungültig machen, um so die E rsten aus der Reihe der
,,d u ces“ streichen zu können. W ährend der langen A usein an der­
setzung, zu der sich nun auch andere gesellten,2'5 wies B ä n e s c u
die diesbezüglichen Gegenbew eise Z l a t a r s k i s zweifelsohne e r ­
folgreich zurück. E r konnte aber M u t a f c i e v s Berichtigung,2*
‘-:l Die sen letzten A b sch n itt d e r P o l e m i k s. in fo lgenden W erken : N.
B ä n e s c u : Un d uc b yzan tin du X I. siè c le : K a ta k a lo n K ék a u m en o s. A c a d . R o u ­
maine, Bulletin de la Se ct. Hist. XI. (1924) S. 25— 36; Ein n euer y.ctTETtáv<» JiovAyaqCag,
B y z a n tin i sc h e Zeitschr. X X V . (1925) S. 331 — 2 ; V. N. Z la ta r s k i : E/ma ^arnpaHa npn-
iiHCKa na rpT>UKH c p i a a T a Ha XI. b^icb, B y z a n t i n o s l a v i c a I. (1929) S. 22— 33; Mo-
TiHBÄOBy^i'bT'b na BecTa CnMeoHa, KaTenanib Ha ílo^yHaBHero, S i sic s v - S b o r n i k . Z a g ­
reb, 1929. S. 143— 8; S. B. Kugeas: ’l&rti r ov ßißAtoyqtttpinov otuaro^ rov v ;f'
äffifr. 263 Kotöhrtdrov -x.thtir/.oi, 'EXXíjvtuá III. (1930) S 458— 62; K. A m a n t o s :
llfxonöovvciSoi’, ’ KXXíjvtxá IV. (1931) S. 80; N. B ä n e s c u : U n b ek an n te S t a t t h a l­
ter d e r Them en P a ristrio n und B u lg a rie n : R o m an o s D io gen es und N ik ep h o ro s
B o ta n e ia te s, B y z a n tin isc h e Zeitschr. X X X . (1930) S. 439— 44; V. N. Z la ta r s k i :
Y CTpoHCTBO BoJirapiw h noJioaceme öo^rapcKa ro n a p o s a bt> nepßoe BpeMH n o c/i t no-
KopeHia hxt> BacHTiieM-b II. Eoyirapoóoímeio, Seminarium K o n da k o v ian u m IV. (1931)
S. 49— 68. Die B e w e isfü h ru n g d ie se r A b h a n d l u n g geht größtenteils auf eine
seiner früheren A rb eiten gleichen G e g e n s t a n d s z u rü ck : FIotihthmcckoto no^o-
uceme Ha ceßepHa B t ^ r a p u H n pe 3 i» XI. h XII. b í k o b c , S o n d erab d ru ck des Hsbccthh
na McTopHHecKoro JlpyiKecTBO Bib CocJíhh IX. (1929); F . D ö lg e r : Byz an tin isc h e
Zeitschrift X X X I . (1931) 443— 5; N. B ä n e s c u : L a q uestion du P a ristrio n ou
con clu sion d ’un lon g d é b at, B y z a n tio n V I I I . (1933) S. 277— 308; V. N. Z la ta r sk i:
McTopHH Ha oiï/irapcKaTa a^ p iK asa n pe 3 i> c p ’fe^HHT'fe b í k o b c II. So fia , 1934. S.
1— 2 2 1 ; N. B ä n e s c u : S c e a u in éd it de K a ta k a lo n , k a té p a n o d e P arad o u n av o n ,
Ech o s d ’Orient X X X I X . (1936) S. 405— 8; P a ra d o u n a v o n — P a ra d o u n a v is, B a l -
ca n ica I. (1938) S. 55— 8 .
24 B u lg a re s et R o u m ain s d a n s l ’h isto ire d e s p a y s d an u b ien s. So fia , 1932.
S. 340.
99

daß er für die O rganisation des P aristrion s den Term inus ,,duca-
tus" unrichtig gebrauchte, nicht in A brede stellen. D ieser w ieder­
spiegelt nämlich die spezifischen V erhältnisse des m ittelalterlichen
rom anisch-germ anischen W estens und ist keinesw egs mit dem
,,Them a“ -B egriff identisch, der nur dem byzantinischen Osten e i­
gene Elem ente enthält.
So en tfaltet sich vor uns d as W esen des Them a Paristrion,
seine Entstehungs- und Bestehungsgesichte. A u f dem Gebiet der
heutigen D obrudscha bestand einst der politisch bedeutendste
Teil des altbulgarischen Reiches. N ach dem Sieg des byzantini­
schen K aisers Joh an n es Tzim iskes, im Ja h re 972, gelangte das
Gebiet unter byzantinische Schutzherrschaft und wurde zu einem
Stratégai, mit D ristra a ls M ittelpunkt, um gestaltet. D as D asein
des Strateg ats wird aber erst durch die Eroberungen von B a s i­
leios II. gesichert. Wir kennen zwei führende byzantinische A m ts­
träger au s der Zeit des S trateg ats von P aristrion, namentlich die
Strategen Theodoros Prim ikerios (nach 972) und Tzitzikios (nach
1018). W egen der ständigen Petschenegen-G efahr wurde der Stra-
tegat von D ristra zu einem ,,T hem a“ erhoben und die Grenzprovinz
von nun an durch ,,d u ces“ regiert: 1. Sym eon vestes (um 1030),
2. K atak alon K ekaum enos (um 1043), 3. M ichael, Sohn des A na-
stasios (um 1048), 4. Rom anos Diogenes (um 1050), 5. B asileios
A pokapes m agistros (um 1059— 1065), 6. N estor veslarch es (um
1074), 7. Leon N ikerites (um 1091— 1092) und 8. K atak alon
(1094?). Inzwischen wurde die tatsächliche byzantinische H err­
schaft im P aristrion zweimal eingestellt: zwischen 1049— 1059
und zwischen 1074— 1091.
Nach diesem Aufriß des historischen Rahm ens werden wir
in den Folgenden in geschichtlicher Reihenfolge die bisherige L i­
teratur des ethnischen Fragenbereiches, der sich an die zitierte
Anna K o m n e n e-Stelle und an die mit dieser zusam m enhän­
genden vier A uktorstellen knüpft, eingehend besprechen. W ir
werden dadurch den F ragenkreis, der sich au s diesen Stellen e r ­
gibt, kennen lernen und den B eitrag der bisherigen Forschungen
zur Lösung der hier auf tauchenden F ragen sehen. E rst dann kön­
nen wir die Lösung dieser F ragen w eiter versuchen.
D er erste Forscher, der sich mit dieser Stelle der A le x ias
eingehender befaßte, w ar V. G. V a s i 1 j e v s k i j. In seiner
gründlichen A bhandlung25 über die Verbindung zwischen B yzanz
25 V. G. V a s i l jevsk ij : BH3 aHTisi m neMeHirn, ^KypnaJi t. MmmcTepcTBa HapoÆ-
Haro npocB-kmem« 164 (1872) II. S. 116— 65., 243— 332. D ie A b h a n d lu n g w a r
sp äte r in d er S a m m e l a u s g a b e von V a s i l j e v s k i j s Werken neu erschienen:
7*
100

und den Petschenegen schildert er vor allem auf Grund der oben
angeführten Stellen au s S k y l i t z e s c o n t i n u a t u s und M i­
chael A t t a l e i a t e s d as Z eitalter des byzantinischen K aisers
M ichael V II. D ukas P arap in ak es (1071— 1078), weil, seiner M ei­
nung nach, eine E pisod e um 1074 den einen Sch lüssel zur Lösung
der in F rag e stehenden Stelle von A nna K o r n n e n e bietet.
S ta tt des schwachen K aise rs leitete sein allm ächtiger Minister,
der Eunuch N ikephoros die Staatsangelegenheiten. Der energi­
sche G ünstling w ollte die M acht der oppositionellen Großgrund­
b esitzerk lasse durch V erstärkun g der B eam ten klasse, die sich um
dem Hof schaarte, brechen. E r erk lärte den G etreidehandel zum
staatlichen Monopol, ließ in R h aidestos staatliche K ornspeicher
bauen, wohin die Frucht abgeliefert werden mußte, und machte
den bis dahin freien G etreidehandel durch strenge Strafen un­
möglich. D adurch konnte eine absichtliche Teuerung erreicht w er­
den, so, daß man für den P reis, um den früher einen M etzen
W eizen bekommen konnte, von nun an nur ein Pinakion, den V ier­
telteil eines M etzens erhielt. Eben darum gab m an dem K aiser,
der die M aßnahmen des Eunuchen guthieß, den Spitznam en P a ­
rapin akes. Die Bevölkerung des ganzen Reiches w ar empört. Zu
den finanziellen M aßnahmen des Logotheten N ikephoros gehörte
noch, daß er die Flüssigm achung der Geldsum m en, die früher
den Grenzw achen des D onaugebietes jährlich zugeschickt wor­
den waren, einstellte. D as G renzm ilitär brach daraufhin jede V er­
bindung mit der Regierung ab und nahm allm ählich mit den N o­
m aden, die d as linke D onauufer bewohnten, die Fühlung auf. In
D ristra (S ilistria), d as vor der Eroberung B asileios II. eine der
bedeutendsten altbulgarischen D on austädte war, gelangte so ein
gew isser T atu s zur H errschaft. D ieser T atu s konnte seinem N a ­
men nach ein Petschenege gewesen sein. D ieser A bfallsversuch
der M ilitärgrenze zwang die byzantinische Regierung gew isser­
maßen zur Besinnung. M an sandte den V estarchen N estor, einen
V ertrauensm ann des K a ise rs in die nördliche Grenzprovinz des
Reiches, verlieh ihm den Titel eines K atepan os, um die Bewegung
zu bändigen. Durch seine slaw ische A bstam m ung schien er dazu
geeignet zu sein, die aufrührerischen slaw ischen Elem ente der
D onaustädte für sich zu gewinnen. Einflußreiche D ristraer B ü r­
ger, die sich in K onstantinopel au f hielten, versicherten gleichzei­
tig den K aiser, daß die S ta d t mit dem Erscheinen des ,,katepano“

Tpyabi B. T. BacHJibescKaro I. St .- P e t e r b u r g , 1908. S. 1— 175. D ie Überse tz ung


d e r an gefü hrte n S t e ll e n (Tpy/*t,i I. S. 34— 8 , 122 — 34) v e r d a n k e ich der L i e b e n s ­
w ü rdigkeit d es Her rn P r o f e s s o r s J u l i u s M o r a v c s i k .
101

N estor au f d as Bündnis mit den Petschenegen verzichten und die


H errschaft der byzantinischen Regierung anerkennen werde. Doch
erfolgte eben d as G egenteil alld essen . N estor w urde in D ristra
davon überzeugt, daß die Einwohner restlos gegen B yzanz ge­
stimmt sind. D er byzantinische Stellvertreter, der zu Beschw ich­
tigung des A ufruh rs au sg esan d t wurde, entschloß sich nun zu
einem eigenartigen politischen Schritt. E r kam mit den B e fe h ls­
habern der G renzw achenschaaren von D ristra und der anderen
Städ te überein, sich in jed er Hinsicht an ihre Seite zu stellen.
Gleichzeitig vereinbarten sie sich auch mit den Petschenegen und
beschlossen gegen K onstantinopel zu ziehen. D er eine G rund für
N estors plötzliche W endung w ar w ieder die H absucht des N i­
kephoros. Nachdem er die E rfolglosigk eit von N estors M ission
an der Donau erfahren hatte, w ollte er den B etrag, den man als
Ergänzung für den zurückgehaltenen S o ld der Grenzw achen N e­
stor mitgegeben hatte, der Sch atzkam m er so vergüten, daß er
N estors H aus in K onstantinopel konfiszieren ließ.
Die angreifenden V erbündeten erreichten die H auptstadt,
nachdem sie d as B alkan gebirge durchgequert und frei über A d ­
rianopel gezogen waren. D as belagerte B yzanz käm pfte bald mit
V erpflegungsschw ierigkeiten. Die em pörte Einw ohnerschaft, wie
auch N estor, der den A n griff führte, verlangten vom K aise r die
A uslieferung des gehaßten N ikephoros. G anz unerw artet ließ aber
M ichael seinen Günstling nicht fallen. E r wurde trotzdem von
der Belagerung durch den Zwist, der im L ag er der V erbünde­
ten entstand, befreit. Je n e Petschenegen nämlich, die sich in die
Stad t begaben um dort die Verhandlungen aufzunehmen, wurden
nach ihrer Rückkehr beschuldigt, gegen N estor R änke geschm ie­
det zu haben. Die Folge davon war, daß die Verbündeten die B e ­
lagerung aufgaben und Thrakien und M akedonien verw üstend in
das Donaugebiet zurückkehrten.
V a s i l j e v s k i j bespricht dann die Rolle, die die P etsch e­
negen in der U nterstützung der nacheinander auftretenden Thron­
prätendenten spielten. Am Ende dieser verw orrenen Epoche, bald
nach der Thronbesteigung des K aise rs N ikephoros B otaneiates
(M ärz 1078), kam eine G esan dtsch aft au s der D onaugegend nach
Konstantinopel. Die G esan dten versicherten den neuen K aise r
von der Huldigung und der Treue der Donaugegend. Ihre L a n d s­
leute, die sich 1074 mit den Petschenegen gegen d as Reich v er­
banden und mit ihnen an N estors F eld zu g teilnahmen, bran dm ark­
ten sie als Rebellen. Um dem K aise r und dem Reich Genugtuung
zu geben, brachten die Boten einige M änner mit sich, die an dem
102

A ufruhr von 1074 schuldig w aren und bestraften sie vor dem
neuen K aise r in einer beschäm enden W eise.
Vasiljevskij schreitet nun zur Prüfung der A lexias-
Stelle. Die darin erzählten Begebenheiten — so meint er — seien
im Ja h re 1084 vor sich gegangen. E r stellt es fest, daß die V er­
hältnisse der Donaugegend trotz der oben erwähnten G esan dt­
schaft unverändert blieben. A nna K o m n e n es Erzählung zeigt
die D onaustädte 1084 in derselben Lage, in der sie zehn Jah re
vorher, zur Zeit des 1074-er A ufruhrs waren, ln D ristra herrschte
Tatus, in Vidin Chali ( = O leg ?),'" V seslav und S ac a eroberten
sich andere Städte. Ununterbrochen ström ten neue M assen von
Siedlern der Donaugegend zu. A nna K o m n e n e spricht von
dem Erscheinen ,.irgendeines skythischen Stam m es“ . D ieser ver­
ließ seine Heimat, erschien an der Donau, von T atus und V seslav
freundlich em pfangen, setzte über den Fluß und eroberte hier e i­
nige kleinere Städte. V a s i l j e v s k i j hält es für offenbar, daß
es sich hier nicht um ein Nom adenvolk handle. D ieses Volk mußte
eine dauerhafte, seßhafte K ultur haben, da es sich mit dem A cker­
bau zu befassen begann und W eizen und H irsekorn erzeugte. Aus
diesem Z ivilisationsgrad der Ankömmlinge und au s dem Umstand,
daß zu A nfang des folgenden, X II. Jah rh u n d erts an der Donau
d as A uf tauchen russischer Siedler nachw eisbar ist, folgert V a-
s i l j e v s k i j , daß man unter dem bei A nna K o m n e n e e r­
wähnten „irgendeinen skythischen V olk“ russische Siedler verste­
hen m üsse.
V a s i l j e v s k i j versuchte später mit nachdrücklicheren A r ­
gumenten zu beweisen, daß das yévoç ri 2£y.vïïc/.ôv ein russisches
Volk gewesen sei, und er führte diese in dem zweiten Anhang

2B V a s i l j e v s k i j verw echselt hier Vicina, d a s man etwas westlich von


d e r D o n a u d e l ta , an d a s südliche D onau ufer, en St e lle d es heutigen Macin
zu versetzen pflegt, mit Vidin, d a s in der nordw es tlichen E c k e B u lga rien s
Kegt. Wir m ü ssen gleich hier au f einen an d eren Irrtum hinweisen: er macht
zwei verschie dene P erso n e n a u s T a t u s - C h a li s . D a s findet seine E r k l ä r u n g
darin, daß V a s i l j e v s k i j die P a r i s e r A u s g a b e der A n n a K o m n e r» e,
die P. P o s s i n 1651 h erau sg egeben hatte, gebrauchte, in der sta tt des rich­
tigen fterà . . . rov m Tarov rov XctXt ôvouaÇouérov (- mit T atu , den man auch
C ha li s nannte), mit A u s l a s s u n g des zweiten rov, aerà . . . rov re T«rov xai XaXfj
ôvouatouévov (— mit T a t u und einem, nam en s Cha lis) a b g e d r u c k t ist. Wir wer­
den sehen, daß derselb e F e h le r der B o n n er A u s g a b e noch eine ganze
Reihe der F o r s c h e r irreleiten wird. H ätte V a s i l j e v s k i j gewußt, daß der
durch ihn für einen P etsch en egen gehalten e T a t u s ein und dieselbe Person
mit C h a li s ist, w ü r d e er natürlich in dem N am en C h a li s nicht den russischen
N a m en Oleg gesucht haben.
103

(Russen an der D onau im X I. Jah rh u n d ert)“7 seiner A bhandlung


an. E r beruft sich dabei auf eine A ngabe der russischen J a h r ­
bücher, laut welcher K ij nach der G ründung K iev zur Donau
zog; dann auf eine A ufzählung russisch er S täd te, worin mehrere
Städte an der unteren Donau erw ähnt w erden; weiterhin auf die
diesbezüglichen Bew eisführungen von N a d e z d i n j und R.
R o e s l e r und endlich au f einige unsichere P h rasen des so ge­
nannten Igor-Liedes, wo der Nam e der D onau vorkommt. E r muß
jedoch selbst anerkennen, daß man eine russische Bew ohnerschaft
an der Donau mit Bestim m theit erst im X II. Jah rh u n d ert nach-
weisen kann. M it der angeführten S telle von M ichael A t t a ­
l e i a t e s beweist er, daß die Einw ohnerschaft der D onaustädte
in dem in F rag e kommenden Zeitabschnitt ein gem ischtes G e ­
präge hatte. D ieses gem ischte G ep räge en tstand vor allem durch
das Erscheinen der Petschenegen-Ylorde, die sich bereits 104S
mit der Erlaubnis des K a ise rs K onstantinos M onom achos als
Grenzwachenvolk zwischen der Donau und dem B alkangebirge
niederließ. D as H auptelem ent dieser Städ ten bildeten jedoch die
Slaw en. Desw egen w urde 1074 der slaw ische N estor a ls F rie d e n s­
stifter entsandt. A uch der rein russische Nam e des O berhauptes
einer der D onaustädte, Sesth lavo s V seslav beweist, daß unter
dem Stad tvo lk schon vor der A nkunft des jüngstens gekom m e­
nen „skythischen V o lk es“ R u ssen waren. D afü r spricht auch die T a t­
sache, daß der Nam e einer d ieser S tä d te : V itzina Bicinj in der
Form Dicinj auch in der A ufzählung russisch er S tä d te vor­
kommt.*s
E r gibt zu, daß man bei dem A usdruck A nna K o m n e n e s :
„irgendein skythischer Stam m “ an die Petschenegen denken
könnte, weil A nna K o m n e n e „besonders die Petschenegen
Skythen nennt.“ Die Unbestim m theit des A u sd ru ck s w eist aber
daraufhin, daß es sich hier doch nicht um die Petschenegen han­
delt, nachdem diese der V erfasserin wohlbekannt waren. Z o n a ­
r a s nennt die R ussen des X II. Jah rh u n d erts $&voç 2 'xv&ixóv
und außer ihm bezeichnen noch viele andere byzantinische V er­
fasse r die R ussen a ls Skythen oder Tauroskythen. Die N euan­
kömmlinge wurden au s ihrer alten H eim at durch die Saurom aten
verdrängt: diese identifiziert V a s i l j e v s k i j mit den Uzen.
A nna K o m n e n e nennt nämlich den B efeh lsh aber einer b a r ­
barischen Truppe von A lexios, U zas, der seinen Nam en von je-

21 TpyABi I. S. 122 ff
■8 Hier läßt er a l s o schon die irrtümliche V it zin a = V id in Identifizie rung
fallen.
104

nem Volk, dem er seiner A bstam m ung nach angehörte, erhielt,


einen Saurom aten. V a s i l j e v s k i j h ält die Uzen noch mit den
Kum an-Polovcen identisch. Von diesen konnten aber nur die R u s­
sen bedrängt werden, weil die Petschenegen dam als bereits inner­
halb der Reichsgrenze an gesiedelt waren.
Über V. G. V a s i l j e v s k i j s E rgebnisse ist zusam m enfas­
send also Folgen des zu sagen: seiner M einung nach w ar das
von A nna K o m n e n e erw ähnte „irgendein skythisches Volk“ ru s­
sische, T atu s und d as Grenzw achenvolk des Donaugebietes w a­
ren zum guten Teil Petschenegen, ab er in einem Teil der D onau­
städte ließ sich schon früher eine russische Bew ohnerschaft nie­
der (so z. B. in Vitzina unter der Leitung von Sesth lav). Die
Saurom aten der A nna K o m n e n e w aren Uzen (bei V. = K u ­
m anen). D as Gebiet zwischen dem B alkangebirge und der D o­
nau w ar eine byzantinische M ilitärgrenze, der A usbau einer
selbständigen H errsch aft durch T atu s und seiner G efährten dazu
eine Auflehnung gegen den K aise r und d as Reich.
P. G o l u b o v s k i j “1’ machte sich V a s i l j e v s k i j s A u ffa s­
sung zu eigen und versuchte sogar d as festzustellen, aus welchem
russisch-slaw ischen Stamm sich das y é v o g t i 2 y . v f t i x ó v rekrutierte.
Seine W ahl fiel auf die U licen und Tivercen, deren Siedlungen
sich bis zur Donau ausdehnen.
Auch J . K u l a k o v s k i j :!ü nahm V a s i l j e v s k i j s B e ­
weisführung gänzlich an. E r überbot ihn nur darin, daß er die
O berhäupter der D onaustädte ausnahm slos, auch T atus mitinbe­
griffen, für R ussen hielt. Die M itteilung von A t t a l e i a t e s
über die gemischte Einw ohnerschaft der D onaustädte deutete er
dahin, daß die Russen bereits vor der Ansiedlung des y é v o g t i
2 x v d - i x ó v den überwiegenden Teil der Bevölkerung der D onauge­
gend bildeten.
Nachdem die russischen G elehrten d afü r eintraten, daß das
y é v o g t i 2 'x v f t i y . ó v , ja sogar ein Teil der D onaugegendbevölkerung
russische gew esen sei, befaßte sich etwa zwei Jah rzeh n te hindurch
niemand eingehend mit den Fragen, die sich an die A lexias-
Stelle knüpf t e n . Gegen Ende des W eltkrieges wurde aber der
29 rieMeH'ferii, TOpKH h no/ioßubi no HauiecTßi« TaTapt. Kiev, 1884. S. 206— 8-
Se in e B e w e isfü h ru n g ist m ir a u s V. N. Z 1 a t a r s k is A b ha nd lu ng , über die
ich s p ä t e r berichten werde, bekannt. Vgl M3 BecTHH Ha McTopimecKoro ,Hpy»ecTBo
bt» CocJjhh X I — II. (1931— 2) S. 72.
;;0 Tais HaxoÆH.;iacb BuHMHCKan enapxin KoHCTaHTiiHonoyibicaio naTpïiapxaTa?
BH3 aHTÍMCKÍH BpeMeuHHKTb IV. (1897) S. 315— 30. Vgl. a. a. O.
31 F. C h a la n d o n : a. a. O. S. 116— 7. E r wies nur kurz d a r a u f hin, daß
T a t u s und seine U n te r t a n e n P etsch en ege n waren.
105

vorzügliche rum änische Byzantinolog und G eschichtsforscher N.


I o r g a auf diese Stelle bei A nna K o m n e n e aufm erksam .
A n fän glich 1" erw ähnt er au s dem X I. Jah rh u n d ert nur a ls einen
plötzlichen E in fall kurz d as Bestehen einiger rum änischen W oj-
wodschaften an der Donau, und zw ar unter der Führung von Ta-
tos und seiner Verw andten, Hali, Sacia, S esth lav und Salom on,
ohne seine Gründe, auf die er seine Annahm e stützte, näher zu
erörten. N. P e t r e s c u-C o m n e n , I o r g a s Landsm ann über­
nahm dessen E in fall noch in seiner rohen, unbegründeten Form
schnell in einer seiner P ro p ag an d asch riften .11 I o r g a selbst
schritt zwei Ja h re nach der G eburt des E in falls, nach Erforschung
der nötigen A rgum ente und nach den erforderlichen V orstudien,
zur ausführlichen A usarbeitung seiner E n tdecku n g.’4 E r geht von
der Beobachtung aus, daß laut der D arstellun g der A le x ia s im
politischen Rahm en des X I. Jah rh u n d erts an der unteren Donau
gewisse nach B yzanz blickende ,,S taatsb ild u n gen “ auftauchten.
Die V erfasserin erw ähnt nämlich im Zusam m enhang mit dem Pet-
schenegen-Krieg von 1059 des Isaak ios Kom nenos „ S tä d te “ und
„P rovinzen“ , die an der Donaulinie gestanden w ären.35 W ährend
der H errschaft von A lexios sucht sich der aufrührerische „M an i­
ch äer“ ( = Bogom ile) T rau lo s die U nterstützung der D onausky­
then und die ihrer H auptleute in G lavinitza und S ilistria (D ri­
stra) zu sichern.30 Iorga erw ähnt flüchtig d as yévog n 2xv&iy.ór und
sieht in den Saurom aten, welche dieses Volk aus seiner Heim at
vertrieben hatten, Kum anen. D a er den fehlerhaften T ext der
Bonner A usgabe benützte, m achte er aus Tatos'"7 und aus C halis
zwei verschiedene Personen. E r hebt hervor, daß die, „w elche ne­
ben der Donau wohnten“ , also die U ntertanen von T atu s mit den
Skythen nicht identisch seien. In den Folgenden faßt er, dem

32 D ro its n atio n a u x et p o litiq u e s d a n s la D o b ro g ea. Iaçi, 1917. S. 28— 30.


33 L a D o b ro a d g e a . L a u s a n n e , 1918. S. 26. Vgl. P. M u ta fc i e v : a. a. O. 244.
34 C ele d in táiu c r ista liz ä r i de S t a t a ie R o m ân ilo r, R e v is t a I s t o r ic ä V.
(1919] S. 103— 13. Id. fran z ö sisch : L e s p re m iè re s c r ista llisa tio n s d ’É ta t d e s
R o u m ain s, A c a d é m i e R o u m a in e, B u lletin de la S e c tio n H is to riq u e V — V I I I .
(1920) S. 33— 46.
35 O. a. Au sg. I. S. 115;ti >: vàg naçanetttévu$ TtôXmi xnl ycbca^. Obgleich
1 o r g a übera ll die v eraltete B o n n e r A u s g a b e zitiert, bringen wir ü b er all die
en tsp re chen de S t e ll e der R e if f e r s c h e i d - A u s g a b e .
30 A. a. O. S. 1 9 2 » - s : • •• tö>v to /Tttoiffrotov vtyoat i’ioi’ —v.i'tfo)>■ . . . fjycttôvaç
. . . r cor Äoyaihor . . ,
37 I o r g a nimmt irrtümlicher W e ise einen T a to s N o m inativ an, da doch
die N o m i n a tiv - F o r m d e s N a m e n s bei A n n a K o m n e n e — wie wir es bereits
gesehen haben — T «rov = T a tu (o. a. A u sg . I. S. 2 42 1) ist, bei den an deren
V e r fa s se r n , mit einiger B e t o n u n g s a b w e i c h u n g : T arovi = T a tu s, usw.
106

V ortrag der A le x ia s folgend, die Begebenheiten des skythischen


F eld zuges vom K aise r A lexio s Kom nenos zusam m en und meint,
diese hätten sich zwischen 1086 und 1091 abgespielt.
N ach der Schilderung der L age stellt I o r g a die zwei H aupt­
fragen: 1. W as w ar der politische, oder richtiger der nationale
C h arakter dieser Staatsbildungen in P aristrio n ? 2. W elcher N a­
tion gehörten S aca, Seslav, C halis und T ato s a n ? E r beginnt da-
mit, daß S eslav s Nam e lebhaft an den von Sen eslav erinnerte, der
gegen 1250 rum änischer W ojw ode von A rges w ar; im Nam en von
T atos hingegen, wenn er auch eine griechische Betonung aufweist,
sei der rum änische Nam e T atul ( < ta tá V ater ) verborgen; Sat-
zas en tspräche wiederum dem rum änischen Sacea. E r versucht
dann zu beweisen, daß A nna K o m n e n es ethnische Nomen­
klatur infolge eines inkonsequenten G ebrauches der arch aisie­
renden V olksnam en unbeständig und sich selbst w idersprechend
isi. E r behauptet, die V erfasserin nenne die Petschenegen abw ech­
selnd Saurom aten, M ysen und Skythen; die Kum anen wiederum
einm al Geten, an dersm al Saurom aten; die Serben käm en unter
dem Nam en D alm aten, aber auch unter ihrem eigenen Nam en vor;
die U ngarn seien bei ihr zw ar D aker, ihr L an d heiße jedoch
Ovyyoin. Sie nenne hingegen die B ulgaren nur bei ihrem natio­
nalen Nam en und unterscheide sie von den W lachen, die ihr wohl
bekannt seien. I o r g a hat noch den V erdacht, daß die beiden
G ünstlinge des K a ise rs Nikephoros B otaneiates, B orilos und Ger-
manos eb en falls balkanische W lachen gewesen seien, weil sie
von der V erfasserin bald Skythen bald Slaw en genannt werden.
W ären sie B ulgaren gewesen, hätte sie sie genau und eindeutig
bezeichnen können. I o r g a sucht sogar hinter dem V olksnam en
der A lan en und dem Beiw ort \ iot-turh’tot ‘kriegerisch* W lachen
bzw. Arum änen.
Nun übergeht er auf die Bestim m ung des V olkstum s der
H auptleute in den D onaustädten, sowie ihrer U ntertanen und be­
tont, daß sie keinesw egs mit den Skythen identisch sein können.
B ulgaren w aren sie gewiß nicht, weil A nna K o m n e n e genau
wußte, wer die B ulgaren seien und sie bei ihrem Nam en genannt
hätte. O rthodoxe byzantinische B ürger konnten sie auch nicht ge­
wesen sein, denn sie hätte dann sie als Untertanen, die sich gegen
den K aise r auflehnten, erw ähnt. Daß sie keine barbarischen
H auptleute waren, bew eist D ristras L age unter T atos, dessen V er­
teidigungsmaßnahm en, sowie d as ortsgebundene G epräge der K u l­
tur, deren T räg e r seine U ntertanen waren. Der Getreiden- und
H irsenbau war. hingegen lange Zeit die ch arakteristische W irt­
107

schaftsform der Rum änen. Die Petschenegen werden sich mit H ir­
senbau sicherlich nicht abgeben haben. Die Staatsbildungen des
T ato s und seiner Leute w ären also rum änische Staatsbildungen
gewesen, welche von den Petschenegen zur Sicherung ihrer Nah-
rungsm ittelversorgung unversehrt gelassen wurden. D iese S ta a ts ­
bildungen sollen sich Byzanz gegenüber auf einer gew issen S e lb ­
ständigkeit behauptet haben. Ihr Andenken werde heute noch im
Nam en eines rumänischen D onaudistriktes, V lasca W lachengebiet’
bewahrt. B ulgarische Staatsbildungen, meint Iorga, konnten diese
schon deshalb nicht gewesen sein, weil die bulgarischen S ta a ts ­
bildungen immer sogleich ein Streben nach dem Zarentum ver­
rieten. Diese Rumänen, die eine Staatsgrü n dun g anstrebten, konn­
ten sich auch vom dam aligen U ngarn kein B eispiel nehmen, da
dieses dam als seine endgültige Staatsfo rm noch selb st nicht fe st­
gesetzt hatte. Sie suchten demnach im Süden ein B eispiel und
gefielen sich in der Nachahm ung der byzantinischen G renzdukate.
I o r g a s Folgerungen können folgenderm aßen zusam m enge­
faßt w erden: die H äupter der D onaustädte, sowie ihre U n terta­
nen hält er entschieden für Rum änen, die in der A lex ias-S telle
erwähnten Saurom aten für Kumanen und läßt im yévog n 2xv&ixóv
unausgesprochen eben falls Rum änen ahnen; die Selb sto rgan isie­
rung der D onaustädte betrachtet er nicht a ls eine Auflehnung
gegen den K aiser, sondern a ls autonome rum änische Staatskeim e,
deren O rganisation von ihren Führern nach dem M uster der by­
zantinischen G renzdukate ausgebaut werden sollte.
D iese Theorie versuchte nun N. B ä n e s c u in einem Vor-
trag:;s an der rum änischen A kadem ie, auf breiterer G rundlage
noch eingehender zu begründen. E r h ält I o r g as Folgerungen
für sehr überzeugend und stellt sich die A ufgabe, diese durch
Bew eise au s anderen byzantinischen Quellen zu bestätigen.
Auch B ä n e s c u betrachtet die bei den vier griechischen
Autoren belegten Teert} v. Tcirovg. Tctxovq, Tfxcovç Namensformen
a ls griechische Umschreibungen des rumänischen Tatul. Von
ihm stam m t die Feststellu n g, daß die Nam ensform Tccrovg bei

:!H C ele m ai vechi çtiri b izan tin e a s u p r a R o m â n ilo r d e là D u n á r e a - d e - Jo s ,


A n u a r u l Institutului de Islo r ie Na^io nal ä, U n i v e r s it a t e a din Cluj, 1. (1921— 2)
S. 138— 61. D a s s e l b e w ar mit einigen, kleineren Erw eite ru n gen auch f r a n z ö ­
sisch erschienen: L e s p re m ie rs té m o ig n ag es su r le s R o u m ain s du B a s-D a n u b e ,
B y z an tin isc h - N eu gr iec h isc h e J b . III. (1922) S. 287— 310. Ein B r u c h s t ü c k d ie se r
A b h a n d lu n g w a r schon früher erschienen : P a ristrio n — un d u c a t de g ra-
n ifà in D o b ro g ea de az i, A n a l e l e D ob rog ei, C o n sta n ta, II. (1921) S. 313— 7.
108

A t t a l e i a t e s eigentlich ein palaeograph isch leicht erklärb arer


Schreibfehler (— rovg j> — vçvg) statt Tcerovg sei und den A bschrei­
bern zugesprochen werden m üsse. E r bekennt aber, daß allein die
Etym ologie des N am ens die ethnographische F rag e über den n a­
tionalen C h arakter der von A nna K o m n e n e erw ähnten kleinen
Staatsorgan isation en im P aristrion nicht zu lösen verm ag.
A u s der Schilderung der A le x ias geht nur das hervor, daß
die Bew ohnerschaft des P aristrion s nicht Skythen waren, welcher
archaisierende Volksnam e sich an der angeführten Stelle auf
die Petschenegen bezieht. Auch S k y l i t z e s spricht sich über
die H erkunft von T atu s nicht au s und auch bei ihm kann Tatus
mit den Petschenegen nicht verw echselt werden. Nur Z o n a r a s
sieht in T atu s einen Petschenegen-H äuptling. E s m ag jedoch sein,
daß er die archaisierenden Nam en seiner Quellen verwechselte,
denn selbst der wohlunterrichtete A t t a 1 e i a t e s nennt die
Einw ohnerschaft der D onaustädte Skythen, obwohl diese Benen­
nung auch bei ihm manchmal Petschenegen bedeutet. B ei den by­
zantinischen A utoren ist Skythe ein k lassisch er A usdruck zur
Benennung solcher V ölker (z. B. Petschenegen, Kum anen, R u s­
sen) , die von den unendlichen Steppen des herodotischen Sky-
thiens, jen seits der Donau kommen.
Nach der Beschreibung des A t t a l e i a t e s hatten die d a ­
m aligen D on austädte eine gemischte, vielsprachige Einwohner­
schaft. Sie bestand au s K riegsgefangenen und vielleicht au s B u lga­
ren, welche die blutigen Bulgarenverfolgungen der R ussen und B y ­
zantiner in den früheren Jahrzehnten überlebten, weiterhin aus den
Griechen der byzantinischen Besatzungen. Neben dieser Einwoh­
nerschaft ließen sich noch die Skythen, die vom linken D onauufer
kamen, nieder und gaben diesen Städ ten das G ep räge ihrer eige­
nen Lebensw eise. Nach B ä n e s c u besteht nun die H auptaufgabe
der Forschung darin, d as Volk, d as um 1070 unter dem Namen
Donauskythen mit eigenen H äuptlingen in den D onaustädten
herrschte, festzustellen. D as eine steht fest, daß sie nämlich
keine Byzantiner waren. Sie konnten auch keine Petschenegen
gewesen sein, da sie — nach B ä n e s c u , der hier auf die G e­
schichte der zu K aise r Nikephoros B otan eiates geführten G esand-
schaft hinweist — A t t a l e i a t e s von den Petschenegen a u s­
drücklich unterschieden hat. Auch A nna K o m n e n e sondert
nach B ä n e s c u die Einw ohnerschaft der D onaustädte von den
Petschenegen ab. Die Einwohner waren auch keine Kum anen, weil
diese d am als die Donau noch nicht erreichten und überdies keine
Neigung zu einem seßhaften Leben besaßen. B ulgaren waren sie
109

auch nicht, weil diese von den byzantinischen H istorikern mit ih­
rem nationalen Namen, oder als M ysen genannt werden.
Sie konnten nur Rum änen sein, sagt B ä n e s c u , d. h. die a l ­
ten eingeborenen Bew ohner des linken D onauufers, die bis d a ­
hin im barbarischen Völkergetüm m el, das an der N ordgrenze des
Reiches an prallte, für die byzantinischen H istoriker verschwunden
waren. Ihre Ü bersiedlung an d as rechte D onauufer ist leicht zu
erklären : sie suchten in den befestigten Städ ten des rechten U fers
Zuflucht und die Entw icklungsm öglichkeit ihrer seßhaften Leben s­
weise. D iese rum änischen Staatsgeb ild e hätten innerhalb des
G renzdukates die byzantinische A utorität, den D ux anerkannt und
gaben dem K aise r N ikephoros B otan eiates eine T reueerklärun g ab.
B ä n e s c u s w eitere zwei Bew eisgründe sind die folgenden:
1 . Je n e r w lachische H äuptling, nam ens P udilos, der nach der
Schilderung A nna K o m n e n es im Feld zug von A nchialos dem
A lexios die Nachricht bringt, daß die Kum anen die Donau über­
s c h r i t t e n , s e i wahrscheinlich eben falls au s P aristrion gewesen.
So gar jene W lachen, welche den Kum anen durch die E n g p ässe
des B alkan gebirges nach G oloe den W eg w iesen , 4 0 seien aus dieser
G egend der unteren Donau gekommen, weil die Kum anen diesm al
gerade im P aristrion die D onau übersetzten und so in d as Reich
zogen . 4 1 D iese W lachen seien also m it den Skythen der Städ te
am rechten D onauufer identisch. 2 . Zwei M enschenalter später,
1166 — dem Bericht von K i n n a m o s zufolge — , zu Beginn des
F eld zu gs gegen die Ungarn, bekam gleichzeitig mit dem Vor­
m arsch der A rm ee des P roto strators A lexio s Leon V atatzes, der
„an einem anderen O rt ein zw eites H eer von großer Stärk e sam ­
melte, sogar eine große Zahl von W lachen, von denen man sagt,
sie seien die alten Sied ler der Italier [vom K aise r M anuel Kom-
nenos] den Befehl, von der G egend des sogenannten Pontos
Euxeinos her in U ngarn einzufallen, von w elcher Seite her sie
[d. h. die Ungarn] bisher noch niemand angegriffen h atte“ .4" Die-

39 O. a. A u sg . II. S. 6129—31’. ‘àfVscTôg ôè x a xnXaßövxog JiovdiÄov xtrög ènnf.tixov


T ör fíXdytov ‘/Mt tí]v xß>r K.oudviav ütá ■rov ^Javovßeo>s SutTCeqaiatCiv drCnyysíXavxog . . .
40 A . a. O. 62a» _ 3,, ; tcôv yovv KoudvMV TtaQà xü»v fíXd yojv rág Óul rtàv icXciúov-
(hôv ÜTQctrCovg öv-nő röv Xvyöv őaSUoe, Óií-XtjZv fróxiov dtta r<3 %fj t'oXó^
7tQodTfeXdoai . . .
41 A . a. O. 60i9—an.
4,2 Io a n n is C in n a m i E p ito m e , ed, A . M ein ek e. B onn, 1836. S. 2 60?—n-
^íiovxn 8é xi.va Haxdxt,i)v êTtintXrjGiv ê-uSçco&ev GxqdxeVf^n éTtayófJUsvov d), Xo x i? Gvyióv uai
Si] a a l Bí.áyoiV rToXvv öfsiXov, oï x&r ’ fxaX ías őstoinoi ríáXni sírn i Xéyovxai, én x&>v
7tç>ôg xtp Kv'E.strio ttaAovfiév<p rtóvxcp %mqímv éfifiaXelv é*téA&vtv etg xijv Ovvvtwfjv, <>>'>£v
ovSelß ovâéTtors xoö Tfavxög ai&vog êstéÔQauç xovxotg.
110

ser A ngriff konnte auch nur vom P aristrion aus geschehen, die
A rm ee mußte demnach aus den W lachen dieser Gegend zusam ­
m engestellt worden sein . 4
Nach N. B ä n e s c u w aren also T atu s und die Skythen der
D onaustädte Rum änen und wenn er es auch nicht entschieden au s­
spricht, doch ahnen läßt, daß man unter dem yéroç n 2'y.vihxör
der A nna K o m n e n e vom linken D onauufer stam m ende R u m ä­
nen verstehen m üsse. Seiner A nsicht nach gründeten T atus und
seine G enossen zw ar mit Anerkennug der byzatinischen H err­
schaft, binnen dem Rahm en des byzantinischen G renzdukats P a ­
ristrion die ersten rum änischen Staatsorganisation en.
Bänescu sagt in seiner Abhandlung, in der er sich
mit den Provinzen B ulgarien und P aristrion befaßt , 4 4 über
die ethnische F rage in P aristrion wenig Neues. Die V erbin­
dungen, die zwischen den beiden Donauufern bestanden, der
Lebensstrom , der über die Donau kam, hätte die Entstehung der
ersten Staatsbildungen im P aristrion mit sich gebracht. D as we­
sentliche Elem ent jed er politischen Bew egung auf diesem G e­
biet — schreibt B ä n e s c u , ohne seine Bew eisgründe von neuem
anzuführen — konnte nur die uralte Bevölkerung der römischen
Kolonien gewesen sein, welche von den byzantinischen V erfas­
sern oft mit den dieses Gebiet überflutenden skythischen R assen
verm ischt würde.
A ls P. M u t a f c i e v 1925 d as Erscheinen der Abhandlun­
gen von I o r g a und B ä n e s c u über die ersten rumänischen
Staatsbildungen kurz ankündigte4"’ bemerkte er, daß die rum äni­
schen Gelehrten bisdahin die diesbezüglichen und sehr verläß li­
chen W erke V a s i l j e v s k i j s und K u l a k o v s k i j s außer
A cht gelassen hatten, sonst wären sie bestimmt nicht zu solchen
kühnen Folgerungen gekommen.

4:t B ä n e s c u m ach te am E n d e sein er A b h a n d lu n g zur U n terstü tzu n g


sein er H y p o th e se auch a u s den A u fzeich n u n gen d es berühm ten T o p a r c h a
G o t i c u s A rg u m e n te und v ersu ch te die ersten ru m än isch en S t a a t s b il d u n ­
gen im P a ristrio n zu beweisen. S p ä t e r jed o ch scheint er dennoch eingesehen
zu haben, daß sich d ie se A u fzeich n u n gen auf d a s K rim g eb iet beziehen und
m it dem P a r istrio n und den R u m än en n ich ts zu sch affen haben, denn, obgleich
er zw ischen den J a h r e n 1921— 38 eine g a n z e A r tik e lre ih e zur U n terstü tzu n g
sein er H y p o th e se erscheinen ließ, erw ähnte er d ie se s A rgu m en t nie wieder.
S o u n te rla sse n wir es auch, uns d am it ein geh en der zu b efassen .
44 C h an gem en ts p o litiq u e s d a n s le s B a lk a n s a p rè s la con qu ête de l'E m p ire
b u lg are d e S a m u e l (1 0 1 8 ). N o u v eau x d u ch és b y z an tin s: B u lg a rie et P a ristrio n ,
A c a d é m ie R oum ain e, B u lle tin d e la S e ctio n H isto riq u e X. (1923) S. 49— 72.
45 B y z an tin isch e Ztschr. X X V . (1925) S. 211.
Ill

D essen ungeachtet hält B ä n e s c u in seinem englisch v e r­


öffentlichten W erk4,: die Theorie über die rumänischen S ta a ts ­
keime innerhalb des paristrionischen Rahm ens aufrecht, sosehr,
daß er auf der beigefügten K a rte 4 7 über die ganze D obrudscha
die A ufschrift „R um änische Staatso rgan isatio n en “ setzte, und ne­
ben Macin (Vicina) kann man die A ufsch rift ,,Rum änischer Staat*'
lesen.
P. M u t a f c i e v widmete in einem 1927 erschienenen Buch , 4 8
d as die geschichtlichen Beziehungen der B ulgaren und der R u ­
mänen im Donaugebiet behandelt, ein besonderes K ap itel der
Theorie der angeblichen rum änischen Staatskeim e. In diesem K a ­
pitel, das den Titel „Rum änen oder P etsch en egen ?“ trägt, macht
er besonders I o r g as diesbezügliche Theorie zum G egenstand
seiner Kritik. E r geht au s der Zusam m enfassung der geschichtli­
chen V oraussetzungen auf Grund von V a s i l j e v s k i j s W erk
aus. In der byzantinischen Grenzprovinz P aristrion wurde ein Teil
der Bevölkerung in die Grenzw ache (ccxotrcci). die d am als gegen
die Einbrüche der Petschenegen des linken D onauufers die Sich er­
heit der G renze verteidigte, eingereiht. L au t der E rzäh lung von
K e d r e n o s baten, 1048, zwei Stäm m e der uneinigen P etschene­
gen um Einlaß in d as Reich. Nachdem sie in byzantinische D ien­
ste getreten waren, erhielten sie Grund und Boden. Die R egie­
rung von K onstantinopel überließ ihnen drei Festungen am rech­
ten D onauufer und sie erhielten die Rechte der Grenzw achenbe­
völkerung. Zügellos plünderten sie jedoch die benachbarten by­
zantinischen Provinzen, bis sie Isaak ios Kom nenos 1059 besiegte
und zum Teil im P aristrion w ieder a ls Grenzw achen anstellte.
Sie blieben aber auch fernerhin unverläßlich und wurden zu gu­
ten Verbündeten der bulgarischen O rtsbevölkerung gegen die V er­
treter der Reichsm acht. E in Teil der besiegten Uzen konnte, nach
dem E in fall von 1064, auch im P aristrion verbleiben und ver­
mischte sich mit seinen R assenverw andten, mit den P etschene­
gen. Außer ihnen waren hier wahrscheinlich auch R ussen und
Alanen. In den D onaustädten konnte man die V ertreter säm tli-

10 The h isto ric a l su rv ey of the R u m an ian p e o p le . B u c a re st, 1926. S. 9


ff. V gl. P. M u ta fc ie v : a. a. O. S. 338.
17 A. a. O. S. 12.
BijJirapM h pyMtHH bt> HCTopuHTa na /lyHaBCKHT'b 3ewH. Sofia, 1927. D ieses
W erk erschien s p ä te r mit einiger E rg ä n z u n g auch fran z ö sisc h : B u lg a r e s et
R ou m ain s d a n s Vh isto ire d e s p a y s d an u b ien s. S o fia , 1932. D a s in F r a g e s t e ­
hende K a p ite l (bu lgarisch e A u sg . S. 207— 22) bringen w ir au s d e r fr a n z ö s i­
schen A u sg a b e (S. 231— 59).
112

cher V ölker des skythisch-slaw ischen O stens vorfinden (vgl. die


Beschreibung von A t t a l e i a t e s ) . Von Zeit zu Zeit kamen
neue „skyth isch e“ B anden über die Donau in d as P aristrion und
führten hier ihr ,,skythisches Leben “ , mit all seiner U nbegrenzt­
heit weiter. Die Grenzw achen standen seit K egens Zeiten unter
der Führung ihrer eigenen H auptleute und diese hatten die B e ­
fehlsm acht in den D onaufestungen inne, sie waren ab er dem V er­
treter der byzantinischen Begierung, dem D ux von P aristrion un­
tergeben. Die A u torität des D ux w ar aber nur eine scheinbare.
D er Finanzm inister von M ichael V II. D ukas, der Eunuch N ike­
phoros, verursachte im bunten Heer der Grenzwachen, unter de­
nen zahlenm äßig die Petschenegen die führende R olle spielten,
durch die Einstellung der jährlichen Unterstützungen einen A u f­
ruhr. E s kam zum nestorschen A u fstan d : das P aristrion ging für
d as Reich von neuem verloren und blieb siebzehn Ja h re hindurch
(1074— 1091) in der M acht der Petschenegen. T atu s regierte bis
1090 in D ristra weiter, seine G efährten in den anderen Städten.
Inzwischen dauerte der A ndrang der B arb aren nach dem P a ri­
strion weiter. Gegen 1085 kam d as yévog t i 2?xvfhxóv, w ahrschein­
lich Uzen oder Petschenegen, welche von den Saurom aten bzw.
Rum änen aus ihrer H eim at verdrängt wurden. F ü r T atu s war dieses
„Sk y th en “ -Volk ein sehr willkommener V erbündete im bereits zehn
Ja h re währenden K am pf gegen d as Reich. Je tz t folgte der K rieg
des K aise rs A lexios Kom nenos gegen die M anichäer und gegen
die mit diesen verbündeten P aristrion er Skythen bzw. Petschene­
gen, zu deren Hilfe T atu s die Kum anen über die Donau berief.
A lexios konnte erst 1091, in der Schlacht bei Lebunion die
Petschenegen besiegen und bald d arau f wurde der Frieden auch
im Them a P aristrion hergestellt.
Nach der D arstellun g der L age schildert M u t a f c i e v
I o r g as Erörterungen und beginnt die W iderlegung seiner A r ­
gum ente: 1 . I o r g a will es nicht zugeben, daß die Einwohner der
D onaustädte B ulgaren oder Petschenegen gew esen sein konnten,
weil die byzantinische V erfasserin sowohl diese, a ls auch jene
wohl kannte und sie bei anderen Gelegenheiten beim Namen
nannte. I o r g a unterläßt es ab er zu erklären, w eshalb sie denn
die W lachen, — wenn diese Einwohner wirklich W lachen waren
— nicht bei ihrem Nam en nennt, w ar ihr doch dieser Nam e nicht
m inder bekannt, als der der B ulgaren oder Petschenegen. 2.
D iese „R um än en “ waren, trotz ihren „staatlich en O rganisationen“
— auch I o r g as A nsicht nach — den Petschenegen untertänig
und wurden durch diese nur deshalb geduldet, weil sie ihre N ah­
113
rungsversorgung sicherten. S o hätte T atus, ,,der erste rum änische
W ojw ode“ , ein U ntertan der Petschenegen sein m üssen. T atu s
wird aber statt dessen in A nna K o m n e n es Schilderung über
den unglücklichen K am pf von A lexios gegen D ristra und den d a r ­
auf folgenden Ereignissen a ls L eiter der Skythen bzw. P etsch e­
negen erwähnt, denn A nna K o m n e n e gebraucht im L au f der
langen Erzählung abw echselnd die Nam en „Sk y th en “ und
„Petschen egen“ zur Bezeichnung derselben B arbaren, gegen die
B yzanz im P aristrion und in Thrakien schwere K äm pfe fechten
mußte. Tatus, den V erw andten und Leiter der Petschenegen-Sky-
then, konnte nur ein befangener G eist zu einem W lachen und zum
W ojwoden der, man kann nicht wissen, w as für rum änischen F ü r ­
stentüm er im Paristrion, um gestalten. 3. Die Erzeugung der G e­
treide und H irse sei, laut Iorga, für die Rum änen ch arak teri­
stisch. A nna K o m n e n e berichtet jedoch, daß die H irse und
d as G etreide nicht von den Einwohnern des P aristrion s, die
I o r g a nach Rum änen sein sollten, angebaut wurden, sondern
vom yévog tl 2y.v&r/.óv, von dem I o r g a an einer Stelle behaup­
tet, es hätte mit den Rum änen nichts G em eines gehabt, ein an ­
deres M al aber dahinter Rum änen jen seits der Donau ahnen
läßt. M u t a f c i e v bew eist durch Beispiele, daß die Getreiden-
und H irsen-Erzeugung für säm tliche andere V ölker (z. B. B u lg a ­
ren, Kumanen, Petschenegen usw.) M itteleuropas und A sien s
ebenso bezeichnend war. 4. Die „S ta atsk ristallisatio n en “ von
I o r g a seien deshalb Schöpfungen der W lachen, weil sie keine
Bestrebung nach einem Zarentum aufw eisen, sondern die O rgani­
sation der byzantinischen Grenz-Them en in der Form des W oj-
wodentums nachahmen. W arum haben ab er dann sp äter — eben
nach I o r g a s Behauptung — 'die balkanischen W lachen d as
Tirnovoer Zarentum der A seniden gegrü n det? H ätten sie ihr a l ­
tes V orbild vergessen ? 5. Die Taxovg usw. N am ensform en können
dem rum änischen Nam en T atul nicht entsprechen, weil dieser
neulateinische N am e bei P risk os in genauer Umschreibung, in der
Form TaxovXog vorkommt. W enn der D ristraer H äuptling diesen
Nam en geführt hätte, würden ihn die byzantinischen V erfasser
des X I— X II. Jah rh u n d erts ebenfalls in der Form TccrovXog a u f­
gezeichnet haben. Der N am e T atu s kann w eder wlachisch, noch
slaw isch sein. E s gibt hingegen zahlreiche B eispiele für die im
Türkischen heimischen Nam en mit dem Stam m Tat-. M u t a f c i e v
erw ähnt das kumanische W ort tat- ‘Geschm ack, W ohlgefühl, S ü ­
ßigkeit* und die türkischen Personennam en Tatu, Tatun, T atu s
im Sinne ‘der Schmeckende*. E r zitiert aus einem, diesbezüglich
Arch. Eur. C.-O. 8
114

an ihn gerichteten B rief von Ju liu s N é m e t h die kirgisischen


und tschagataiischen W örter tati und tatu ‘Füllen, stark es P ferd',
die im Türkentum auch a ls Personennam en verbreitet waren. E r
erw ähnt d as tschagataiische, kirgisische und sagaiisch e W ort tatu
‘ruhig, ergeben -► Vergleich, Vereinigung, Bündnis, Freundschaft*
und bemerkt, daß der allgem ein gebrauchte Nam e taty der zum
Christentum bekehrten Kum anen in der K rim ‘unterworfenen
Frem den* bedeutet. Der N am e von T atu ist a lso ein diesem K reis
angehörender, turanischer Petschenegen-N am e. D er andere Name
von T atu s ist Chalis. D iesen verglich I o r g a selb st mit dem tür­
kischen Chalil, als einen ausgesprochenen turanischen N am en , 4 9
in der Annahme, daß es sich um zwei verschiedene Personen han­
delt. Wenn in C halis ein turanischer Nam e verborgen ist, so muß
auch der erste Nam e des D ristraer H äuptlings ebenso dem tu ra­
nischen Onomastikon angehören. 6 . I o r g a hat den Namen
SctrÇccg mit dem rumänischen S ac ce a < Isacce a verglichen, 11 ob­
wohl dieser N am e türkischen U rsprungs ist. D as Lautzeichen
kann keinesw egs die kc L au tgru p p e bezeichnen. 7. D er Nam e von
Sso&Xaßog, den I o r g a dem Nam en des w lachischen Fürsten
von Arge§, Sen eslav verglich, ist zw eifelsohne ein slaw ischer
Name. M an kann ihn entw eder mit dem Nam en des D orfes S e s ■
lavsti, in der Nähe von Sofia, oder mit dem N am en V seslav der
russischen Chroniken vergleichen. ^éo&Xa/Sog konnte a lso ein ein­
heim ischer B ulgare, aber auch ein dorthin verschlagener R usse
gewesen sein. 8 . Je n e r Solomon, den I o r g a eben falls unter die ru­
m änischen W ojw oden des P aristrion s einreihte , 5 1 ist kein P aristrio-
ner H äuptling, sondern Salam on, d er entthronte Ungarnkönig,
der, laut der Erzählung A nna K o m n e n e s , 5 2 zusam m en mit
dem Petschenegen-H äuptling T zelgu 1087 au f den B alk an einbrach
und dort ein einem K am pfe fiel.
P. M u t a f c i e v s Lösung w äre also die folgende: die S k y ­
then von A nna K o m n e n e seien im allgem einen Petschenegen,
d a s yévog n ^y.v^iy.óv bedeutet Uzen oder Petschenegen, die B e ­
w ohnerschaft des P aristrion s bestehe, unter der Leitung von T a ­
tus und S a tz a s in der M ehrzahl au s Petschenegen, zum kleine­
ren Teil, unter der Leitung von Sesth lavos au s Bulgaren oder
R ussen. D iese G renzw achenbefehlshaber d er S tä d te schüttelten
die byzantinische H errsch aft für eine Zeit durch einen A u fstan d ab.
49 D ro its n a tio n a u x . . . S. 29.
50 A. a. O.
51 A. a. O. S. 28.
52 O. a. A u sg . I. S. 227— 8.
115

A. S a c e r d o f e a n u mischte sich mit sprach w issen sch aftli­


chen Argum enten in die P olem ie , 0 8 indem e r den U rsprung des
Nam ens T atos von neuem untersuchte. Sein A rtikel ist auch d e s­
halb interessant, weil er darin auch säm tliche Äußerungen, die sich
au f den U rsprung d es N am ens beziehen, zusam m enfaßt. O. D e n -
s u § i a n u meint, der Nam e T atos sei frem d und habe keine
Beziehung zum rum änischen Tatul. G. G i u g l e a glaubt es auch
nicht, daß der Nam e T atos den rum änischen T atul decke, weil
man ihn dann griechisch Tarovlog hätte schreiben m üssen. V.
B o g r e a führt, au f Grund der E rk läru n g von V. T h o m s e n ,
den Namen auf d as türkische W ort tat persischen U rsprungs zu­
rück, w as d as Türkentum auf die ihm huldigenden V ölker im
Sinne ‘peregrini* anwendete. Schließlich w eist jedoch S a c e r d o -
t e a n u einen gem einsam en tat-Stam m bei den Arm eniern, Phry-
gen und Thraken au f und sieht au f diesem G rund im Nam en T atos
eine balkanisch-thrakische E rbschaft, die im K reise der h albbarba­
rischen Einw ohnerschaft P aristrion s von den rom anisierten E le ­
menten bew ahrt wurde.
N. B ä n e s c u verteidigte seine Behauptung 1931 in einem
neuen A rtik el . ’ 4 Im Zusam m enhang mit den V eränderungen, die
im von den Byzantinern eroberten B ulgarien vor sich gegangen
waren, — schreibt er — hätte er, indem er die häufige E rw äh ­
nung der W lachen zu r Zeit der K om nenos-D ynastie auf dem G e ­
biet zwischen dem B alkan gebirge und der Donaum ündung in B e ­
tracht zog, versucht festzustellen, daß die Nachkom men der alten
Sied ler der heutigen D obrudscha nicht bereits nach einigen J a h r ­
hunderten aus diesen G egenden verschwunden sein konnten. E r
behauptet au f G rund der Vergleichung von verschiedenen S te l­
len aus den zeitgenössischen byzantinischen H istorikern, bew ie­
sen zu haben, daß m an die P aristrion er S tä d te nur in den B e ­
sitz der autochthonen Bew ohnerschaft dieser G egende, in den der
Rum änen hinweisen könne. D er archaisierende V olksnam enge­
brauch der byzantinischen V erfasser erschw ert zw ar die Lösung
der F rage, die kritische U ntersuchung der Q uellen führte ab er
zu dem Ergebnis, daß von den Völkern, die zu d ieser Zeit an
der Donau au f getaucht waren, keines m it den „Sk y th en “ der
D onaustädte zu identifizieren ist. Infolgedessen mußten diese die
N achfolger der alten röm ischen Siedler, die W lachen gew esen
sein. E r ließ eine geraum e Zeit verfließen, dam it m an seine F o l­
03 D e sp re o rig in ea n um elui T a to s, R e v is t a I s to r ic ä X V . (1929) S. 13— 7.
54 E in eth n o g rap h isch es P ro b lem am U n te rla u f d e r D o n au a u s dem X I.
Ja h r h u n d e r t, B y z a n tio n V I. (1931) S . 297— 307.
8*
116

gerungen besprechen könne. E r stellt fest, daß man seine B e ­


weisführungen im allgem einen angenom m en hätte. Nur zwei G e­
lehrte erhoben Einw endungen: P. M u t a f c i e v , der ihm die d ies­
bezüglichen E rgebn isse von V a s i l j e v s k i j und K u l a k o v -
s k i j entgegenstellte und ein anderer seiner Rezensenten, J . B r e -
t e a u x , 5 5 d er es beanstandete, daß die im P aristrion tatsächlich
bestehende byzantinische H errsch aft die Entstehung unabhängi­
ger rum änischer Staatsorgan isation en geduldet haben würde.
V a s i l j e v s k i j w ollte beweisen, daß die Einw ohnerschaft der
P aristrion er S tä d te nur au s R ussen bestehen konnte. Seine B e ­
w eisgründe jedoch: die verschwom m enen Erzählungen der alten
russischen Chroniken, eine nicht authentische U rkunde und die
verworrenen P h rasen des m it A nachronism en gefüllten Igor-Liedes,
d as im XII- Jah rh u n dert, a lso sp äter a ls die Begebenheiten vor
sich gingen, entstanden w ar und in der auch die D onau erw ähnt
wird, können nicht bestehen. V. P e r e t z 5 6 h at es bereits bewie­
sen, daß in d er russischen V olksliteratu r die D onau fa st einen je ­
den Fluß bedeuten kann. Die byzantinischen Quellen, welche die
R u ssen sehr genau kannten, erw ähnten nie d a s A nström en ru ssi­
scher S ie d le r über die Donau, w as V a s i l j e v s k i j zu bewei­
sen sucht. D as yéroç re 2xv&ixóv sei rum änisch gewesen, weil die
Rum änen dem P aristrion näher wohnten und m an sie demnach in
die allgem eine ,, Skythen “ -Bezeichnung einschließen konnte. Die
Skythen von T atu s w aren w eder Rum änen, noch Petschenegen,
da A n na K o m n e n e sie von den Kum anen, A t t a l e i a t e s
hinegegen von den Petschenegen unterscheidet. Infolgedessen
konnten diese nur die Abköm m linge der römischen K olonisten
d ieses einst der röm ischen K olonisation stark ausgesetzten G e ­
bietes gew esen sein, die selbstverständlich in bedeutendem G rad e
mit den Slaw en, K riegsgefangenen, barbarischen Einw anderern
und byzantinischen K au fleu ten verm ischt w orden waren. Die ver­
altete A bhandlung K u 1 a k o v s k i js, auf die sich M u t a f c i e v
zum zweiten M al beruft, fußt vollkommen au f V a s i l j e v s k i j s
unhaltbarer Bew eisführung.
B ä n e s c u bekennt au f J . B r e t e a u x 's Einwendung, daß
der von ihm zu r Bezeichnung der rum änischen Staatsk eim e im P a ­
ristrion gebrauchte A u sd ru ck : ,, Staatsorgan isation en “ vielleicht
etw as anspruchsvoll sei, diesen habe ab er nicht er, sondern I o r g a
in U m lauf gesetzt. E r h at diesen A usdruck au f die befestigten

55 É ch o s d 'O rien t X X V I I . (1924) S. 255.


56 S Io v o o p o lk u igorevim . K iev , 1926. S. 304— 5.
117

D onaustädte angewandt, in denen d as autochthone rum änische E le ­


ment vorherrschend sein mußte. In den dam aligen verworrenen
Zeiten konnten die S täd te von Paristrion die Fahne des A u fstan ­
des gegen das Reich hissen. F ü r die E xistenz der autonomen G e ­
meinden im Reiche sei Übrigens die E pisode der zu Zeiten von
Konstantinos X. D ukas sich erhebenden W lachen von L arissa,
die unter der O berherrschaft der N ikulitza-Fam ilie standen, ein
B eisp iel / 7 E r erklärt endlich, daß er mit Recht bei seinem ersten
Ergebnis verbleibe.
E s ist interessant, daß I. F e r e n t gleichzeitig mit B ä n e s c u ,
in einem über das kumanische Bistum geschriebenen W erk 5 8 zu
beweisen trachtet, man habe unter dem yévog ti 'Sy.v&iy.óv die Ku-
manen zu verstehen, w as ab er T atus und seine U ntertanen anbe­
langt, so nahm er diesbezüglich die Folgerungen von Z 1 a t a r-
s k i und M u t a f c i e v für richtig an.
Nach solchen V oraussetzungen äußerte sich V. N. Z 1 a t a r-
s k i auch, und zw ar über die ethnische F rag e P aristrio n s . 5 9 Die
H auptfarge, au f die er zu antworten gedenkt, ist die folgende:
W elches V olk verstand A nna K o m n e n e unter dem yévog ti
2 xv&lxóv ? E r w eist die Theorie der russischen Forsch er sowohl,
a ls die von I o r g a zurück. D ieser „irgendein skythischer Stam m “
konnte kein russischer sein, weil, angenommen, daß d am als in
der Dobrudscha bereits russische Sied ler gewesen wären, wie es
die russischen Forsch er behaupten, w äre es unnötig gewesen, daß
dieser ,,russische Stam m “ mit seinen Volksbrüdern, die am rech­
ten D onauufer wohnten, eine Vereinbarung über d as A nsiedeln
treffe. E r findet es übrigens für zw eifelhaft, daß die russischen
Siedler zu so frühen Zeiten im P aristrion erschienen wären.. Die
Einwohnerschaft der rechten D onauufer w ar keine russische, sie
bestand au s Petschenegen und in großer A nzahl aus Bulgaren.
M u t a f c i e v hatte bereits bewiesen, daß das yévog ti 2 xv&móv
nicht rumänisch sein konnte. Die Petschenegen stehen aber auch
57 C ecau m en i S tra te g ic o n . . edd. B . W a ssilie w sk y — V. J e r n s te d t. P etro -
poli, 1896. S. 66— 75.
68 C um an ii §ti e p isc o p ia lor. B l a j, 1931. L e id e r blieb m ir d iese A rb eit
w egen der K r ie g sv e r h ä ltn isse unzugänglich. V gl. N ecçu lescu a A rtik e l in d e r
R ev ista I sto r ic ä R o m ä n ä V II. (1937) S. 136.
59 KaK-bBi. HapoÆ ce pa3ÔHpa y A im a KoMHHHa noa"b H3pa3a yévog tl ^xvâ-i-
ycôv? M3BecTHH Ha McTopnnecKoro XIpyiKecTBO bt> CocJjhh X I —XIÍ. (1931— 2) S. 71—
82. Den Artikel übersetzte mir Herr L a d isla u s H a d r o v i ^ s in lieb en sw ü rd ige r
W eise. Z l a t a r s k i faßte seine E r g e b n isse in d er H ctophh Ha öt-TirapCKaTa
^T>p3*caBa npe3T» cp-fe^HHT'fe B-fexoBe II. Sofia, 1934. S. 182— 4 neu zusam m en. Vgl.
noch S. 154— 9 und 192— 5.
118

außer Frage, denn diese hatten sich seit 1048 in der Dobrudscha
niederlassen und es gab zu jener Zeit, als der ,,skythische Stam m "
erschien, zwischen dem D n jepr und der Donau keine Petschene­
gen. Z l a t a r s k i schildert dann die Völkerbewegungen, die d a­
m als in Südrußland vor sich gegangen waren. Die Uzen (Tor-
ken) flüchteten nach ihrem großen balkanischen Einbruch von
1064 zum größten Teil in ihre Heimat zurück. Die Uzen an den
Steppen beim Schw arzen-M eer wurden ständig von den R um ä­
nen bedrängt, die seit 1071 ihre M acht westlich vom Don ent­
falteten. Die Uzen versuchten deshalb sich auf dem Gebiet des
K iever Fürstentum s niederzulassen, V ladim ir Monomachos be­
siegte sie jedoch 1080. S p äte r zeigten sich die Uzen nur als
Grenzw achensiedler des russischen Gebietes. Z l a t a r s k i meint
daher, daß man im yévog n 2y.v&ixóv nur Uzen suchen dürfte.
Ein Teil der Uzen, das yévog n 2xv\hxóv verließ, infolge der ku-
manischen und russischen A ngriffe seinen Wohnort, da es weder
die kumanische, noch die russische O berherrschaft anerkennen
wollte und traf ein Übereinkommen mit den im Paristrion selb­
ständig eingerichteten Petschenegen (Tatus, S atzas) und B u lga­
ren (S eslav ), deren Selbständigkeit dadurch erk lärt wird, daß
der K aiser A lexio s dam als mit dem K rieg gegen Robert G uiscard
beschäftigt war. Die Übersiedlung der Uzen au f d as Gebiet der
D obrudscha neben Vicina, das heutige Macin, an der unteren Do­
nau erfolgte zwischen 1082— 1085. Den N iederlassungsort der
Uzen kann man auf Grund der M itteilung der A lexias über Ozo-
limne, das, nach A nna K o m n e n e seinen Namen von den d a ­
neben lagernden Uzen erhielt , 0 0 genau feststellen. D as ist der heu­
tige R asim -See an der Donaumündung. Von da zogen später die
Uzen nach der südlichen Teil der Dobrudscha weiter, wo man
heute noch die Ruinen kleiner Festungen, welche die Uzen e r­
obert hatten, finden kann. E r betont, daß die U zen nicht so krie­
gerisch veranlagt waren, wie die Kum anen und die Petschenegen.
Sie führten schon auf der südrussischen Ebene eine halb seßhafte
Lebensw eise und setzten diese auch in der Dobrudscha fort. E r
polem isiert schließlich mit B ä n e s c u über die Behauptungen
in dessen letztem A rtikel, und hält sie für eine unbewiesene H y­
pothese. W äre dieser skythische Stam m ein w lachischer gewesen,
so würde ihn A nna K o m n e n e, der die W lachen bekannt w a­
ren, beim Nam en 'genannt haben.
P. M u t a f c i e v weist in seiner Rezension über Z l a t a r~

60 O. a. A u sg . I. S. 242i8— 320.
119

s k i s A bhandlung 1’ 1 darauf hin, daß auch er das yévog t i 2xvfhxóv


für Petschenegen oder Uzen hielt. Z l a t a r s k i s Bew eisführung,
nach der der ,,skythische Stam m “ nur au s Uzen bestehen könne,
sehe er aber nur schwach begründet. Seine G egenargum ente sind
die folgenden: 1 . E s sei nicht war, daß es nach 1048 zwischen dem
D n jepr und der Donau keine Petschenegen gegeben habe. B e ­
kanntlich zogen ein halbes Jah rh u n dert sp äter Petschenegen-M as-
sen über die Donau und brachen in Thrakien ein, wo sie dann
der K aise r Joh ann es Kom nenos bei Berrhoia besiegte. Zur E rin ­
nerung an diesen Sieg wurde jährlich in B yzanz der sogenannte
,,petschenegische F e ie rta g “ gefeiert. D er D ruck der Kum anen
lastete in jener Zeit sowohl au f den R esten der Petschenegen wie
auf den Uzen und die R este der Petschenegen w ären gezwungen
gewesen, ihren W ohnort auf der Ebene von Pontos den Kum anen
zu überlassen. 2 . Noch weniger könne Z l a t a r s k i s Behauptung,
daß sich das yévog t i 2xv&ixóv zu dieser Zeit, bzw. um 1082—
1085 bei Ozolimne, d as heißt in der N ord-D obrudscha nieder­
ließ, bestehen. Z l a t a r s k i wollte dadurch beweisen, daß die
Sied ler Uzen gew esen seien. A nna K o m n e n e spricht wirklich
von der A nkunft der uzischen H eere in dieser G egend und lei­
tet, indem sie aus dieser T atsach e ausgeht, den Nam en s0^o?Jfxvrj
au s Oit^o^ifxvrj (,,U zen-See“ ) ab. Sie sagt aber d aselb st au sd rü ck ­
lich, daß diese Begebenheit ,,ein st“ (TtoTé) erfolgt sei. Nachdem
die V erfasserin Ozolimne im Zusam m enhang mit einer 1086 [rich­
tiger: 1087] vorgegangenen Begebenheit erwähnt, könnte sie nicht
behaupten, daß der S ee seinen Nam en einst von den Uzen e r ­
hielt, wenn diese nur einige Ja h r e früher (1082— 1085) zu den
Nam engebern des S ee s gew orden wären. W ir m üssen also an ein
früheres Ereignis denken, an die große Invasion der Uzen in d as
P aristrion im Ja h r e 1064. Die W orte der V erfasserin können
sich, im Zusam m enhang mit Ozolimne, nur au f dieses Begeben­
heit beziehen.6" •
P. M u t a f c i e v widmete, a ls er sein bereits erwähntes
Buch, d as sich mit den bulgarisch-rum änischen Beziehungen be­
faßt, 1932 auch französisch veröffentlichte, a ls N achschrift ein
neues K ap itel der P aristrion er F r a g e , 0 3 diesm al hauptsächlich zu r
61 B y z a n tin isc h c Z tschr. X X X I I . (1932) S. 436— 8.
62 Im K a p it e l II. u n serer A rb e it w erd en w ir sehen, daß M u t a f c i e v s
B ew eisfü h ru n g hier nicht gan z stich h altig ist: au ch A n n a K o m n e n es Ozo-
lim n e-S telle ist nich so leicht zu erk lären .
63 B u lg a re s et R o u m a in s d a n s l ’h isto ire d e s p a y s d an u b ien s. S o fia , 1932.
S. 333— 66: E n co re au s u je t d e P a ristrio n .
120

W iderlegung von B ä n e s c us Ansichten. Die byzantinische The­


m en-O rganisation sei m it der E xisten z der in ihr vorkommenden
,,Staatsorgan isation en “ nicht in Einklang zu bringen. E s gab zu
dieser Zeit im P aristrion w eder „rum änische S ta a te “ , noch „ S ta a ts ­
organisationen“ . Die Begebenheiten, über die A nna K o m n e n e
und A t t a l e i a t e s berichten, sind nichts w eiter als ein A u f­
stan d gegen d as byzantinische Reich, den die „gem ischte B evöl­
kerung“ der P aristrion er S täd te anzettelte. Wenn aber T atu s und
seine G enossen A ufstän disch e wider d a s Reich w aren — wie
d as zuletzt B ä n e s c u selb st bekannte — konnten die durch
sie ins Leben gerufenen „kleinen S ta a te n “ keine „unter dem P ro ­
tektorat der byzantinischen M acht entstanden en“ , nach byzanti­
nischem M uster gestalteten rum änischen Saatskeim e gewesen sein,
wie er dies früher, in I o r g as Fuß stapfen tretend, behauptete.
E s ist ab er auch nicht möglich die E xisten z „autonom er G em ein­
den“ mit der E p isod e der W lachen von L a r issa zu beweisen.
Je n e w aren nämlich einfache, nom adisierende W lachen, die in
den Som m erm onaten mit ihren H erden in die hohen Berge von
Südw estm akedonien, im W inter hingegen au f die Ebene von T h es­
salien zogen und die sich gem einsam mit den B ulgaren gegen die
M acht der B yzantiner erhoben.
Indem er w iederholt beide diesbezügliche Stellen von A t t a ­
l e i a t e s durchgeht, w eist e r au f B ä n e s c us logischen W ider­
spruch hin. W enn T atu s und seine L eute Rum änen waren, konnte
d as yévog t i 2xv&iy.óv, d as beide V erfasser von diesen unterschei­
den, nicht rum änisch gewesen sein. W enn hingegen die Skythen,
die über die Donau gezogen sind, Rum änen w aren — wie d as
B ä n e s c u anderen O rtes behauptet — dann konnten die „k lei­
nen S ta a te n “ des T atu s und der seinigen nicht rum änisch sein.
W enn ab er beide V olkselem ente rum änisch waren, so ist es un­
erklärlich, w eshalb beide byzantinischen H istoriker die „Bew oh­
ner des P aristrio n s“ , die „d ortigen “ , von den „Sk y th en “ , die vom
ändern D onauufer kamen, unterscheiden?
Die W lachen w erden zur Zeit der Komnenen auf dem G e­
biet zwischen dem B alkan gebirge und der Donaumündung, d. h.
im P aristrion nirgends durch eine zeitgenössische Q uelle erwähnt.
Die W lachen, die A nna K o m n e n e im Zusam m enhang mit dem
K um anen-Feldzug von A lexio s im Ja h r e 1095 erwähnt, wohnten im
Balkangebirge. A n d ern falls w äre es unwahrscheinlich, daß sie die
P fad e des G ebirges so genau kannten, um die byzantinischen T ru p ­
pen, welche die P ä sse besetzten, zu überlisten und die Kum anen
durch d as G ebirge zu führen. Je n e W lachen aber, die K i n n a m o s
121

1166 im Zusamm enhang mit M anuels ungarischem Feld zug in dem


„von andersw o geworbenen“ byzantinischen H eere erwähnt,
konnte man ebensogut au s Thrakien, wie a u s der G egend des P in ­
dos oder aus dem B alkan gebirge zum Schw arzen-M eer, zu einem
A ngriff aus östlicher Richtung gegen U ngarn führen. Die V e rfa s­
ser erwähnen ab er bis zum X III. Jah rh u n d ert auch au f den E b e­
nen am linken D onauufer keine W lachen.
Anna K o m n e n e versteht unter der Bezeichnung der „ S k y ­
then“ Petschenegen und T atu s wird auch a ls „Sk y th en “ - bzw.
a ls Petschenegen-H äuptling erwähnt, Z o n a r a s nennt ihn dann
entschieden einen Petschenegen-H äuptling. A t t a l e i a t e s be­
stätigt / ’4 daß die Petschenegen in B yzanz „Sk y th en “ genannt w ur­
den und wenn er an der uns interessierenden Stelle die zwei
Volksnam en abw ächselnd gebraucht, so entspricht d as genau der
archaisierenden Schreibw eise der byzantinischen H istoriker. In
der Erzählung der G esan dtsch aft der „Skythen au s der D onau­
gegend“ an den K aise r B otaneiates, stellt er die „Skythen der
D onaugegend“ deshalb den Petschenegen gegenüber, weil d am als
im P aristrion schon zw eierlei Petschenegen lebten: 1 . die Nachkom ­
men der seit 1048 in d as P aristrion w iederholt eingelassenen, in das
G renzm ilitär eingereihten Petschenegen, die das H auptelem ent
des aus dem gemischten Donauvolk bestehenden G renzm ilitärs
bildeten und 2 . die neueren Petschenegen-H orden, die aus dem
Gebiet jen seits d er Donau gekommen w aren und ihre unruhige
„skythische Lebensw eise“ behaltend, d as P aristrion und selbst
die G renzm ilitärstädte, in denen die D isziplin nur durch den
jährlich au s B yzanz geschickten So ld aufrechterhalten wurde,
w iederholt plünderten. Die G renzw ache-Petschenegen kehrten in
dem Augenblick, d a ihnen der So ld nicht m ehr bezahlt wurde, zum
alten Petschenegen-Leben zurück und verbanden sich n atu rge­
mäß mit den N om aden-Petschenegen des P aristrion s. D as über­
wiegende Elem ent des G renzm ilitärs, d as au s gemischten Völkern
bestand und das man auch „Einheim ische“ (èyxcbQioi) nannte,
bildeten die Petschenegen. Sie konnten deshalb auch als „ S k y ­
then" bezeichnet werden, und auch darum , weil zum kleineren Teil
unter ihnen Russen, Uzen, vielleicht auch U ngarn und Kum anen ge­
wesen sein mochten, die bei den Byzantinern auch als „skythische“
V ölker galten. M an konnte sie dennoch von den übrigen „Sk y th en “ ,
die in der zweiten H älfte des X I. Jah rh u n d erts ununterbrochen in
d as P aristrion strömten, unterscheiden, weil sie bereits in die Grenz-

O. a. A u sg . 30-,.
12 2

wache eingereiht waren. D er A usdruck tyyiboioi paßte jedoch


auch au f die B ulgaren, die in großer A nzahl neben den P etsche­
negen unter den Bewohnern der D on austädte lebten. Den E in ­
wendungen B ä n e s c us gegenüber wird die russische Siedlung
an der Donau auch durch O rtsnam en bestätigt. F ü r die dichte
Bulgarenbevölkerung spricht auch die T atsach e, daß die sta a t­
lichen Zentren des alten B ulgarien s P lisk a und P re slav dort waren.
D er nächste Teilnehm er der Polem ik, der Sprach w issen sch aft­
ler N. D r ä g a n u," ’ stellt fest, daß die Iden tität des N am ens
T atu s mit dem rum änischen tat-, tatä-, tatul nicht eben einw and­
frei sei, da hier auch ein petschenegisches oder kum anisches Tat
in F rag e kommen kann, d as die T ürkvölker als Bezeichnung
der unter ihre H errsch aft gelangten frem den Elem ente zu gebrau ­
chen pflegten. Von den rum änischen T atu , T atul Personennam en
könnte m an eher eine T axo iUo£-Form erw arten. Z o n a r a s ' B e ­
merkung, daß T atu s ein H äuptling der Petschenegen war, sei auch
nicht außer A cht zu lassen, da e s bekannt sei, daß die P etsche­
negen eine gem einsam e Sp rach e mit den Kum anen gesprochen
hatten.
C. C. G i u r e s c u befaßte sich noch im selben Ja h re in sei­
ner zusam m enfassenden B earbeitung der rum änischen G e ­
schichte,(!(i mit der ethnischen F rag e P aristrion s. N ach ihm wäre
dies, wenn sich die B ehauptung von I o r g a und B ä n e s c u
für richtig erw eisen würde, eine T atsach e von größter Bedeutung
für die rum änische Geschichte, die Untersuchung der angegebe­
nen Quellen läßt jedoch die A ufrechterhaltung dieser B eh au p­
tung nicht zu. W as die A rgum ente von I o r g a und B ä n e s c u
an belangt, die a ls Bew eis des rum änischen C h arak ters der P ari-
strioner Gebilden angeführt werden, haben diese keine B ew eis­
kraft. D er Nam e T a tu (s) w ar auch bei den Bewohnern der Krim,
bei den Iraniern, den. T ataren der D obrudscha und den Völkern
persischer und kurdischer H erkunft, die den Türken untergeord­
net waren, im Gebrauch. Über die Bew ohner der D onaustädte
läßt sich im ganzen soviel behaupten, daß sie in ethnischer Hin­
sicht gem ischt waren. E s kann unter ihnen auch Rum änen gege­
ben haben, dies ist ab er noch kein Bew eis dafür, daß auch die
Staatsbildungen rum änisch waren. Der G etreiden- und H irsenan­
bau bew eist in ethnischer H insicht auch gar nichts. M an hat sich

65 R o m än ii in v e a c u rile I X — X IV p e b a z a top on im iei çi a o n o m asticei,


A c a d e m ia R o m á n a , S t u d ii çi c e r c e tä r i X X I . B u cu reçti, 1933. S. 181, 571— 3.
06 I s to r ia R o m â n ilo r I. B u cu reçti, 1935. S. 311— 3.
123

überdies irrtümlicher W eise auf dieses A rgum ent berufen, da


A nna K o r n n e n e k lar au ssagt, daß e s d as skythische Volk,
das jenseits der Donau herkam, war, d as sich mit A ckerbau zu
befassen begann und nicht die Untertanen von T atus und den
seinigen. Eben au s diesem Grund könne man eine einfache H y po­
these nicht a ls Gewißheit erscheinen lassen.
Im Ja h re 1935 nahm man auch von ungarischer Seite mit zwei
kurzen Äußerungen an der Polem ik teil: E. D a r k ó faßte, in­
dem er die französische A usgabe von P. M u t a f c i e v s erw ähn­
tem Buch rezensierte,'" die Argum ente, die M u t a f c i e v ge­
gen I o r g a anführte, zusammen, L. T a m á s 6 8 hob, sich au f die
kurze Besprechung der diesbezüglichen L iteratu r beschränkend,
hervor, daß die Theorie I o r g a s und B ä n e s u c u s selbst von den
rumänischen W issenschaftler skeptisch aufgenom men wurde und
diese die E rklärung der Nam en T atu s und S a tz a s in der türkischen
Sprache suchten.
N. I o r g a , der schon früher in mehreren W erken bei sei­
ner ursprünglichen Theorie festhielt,6<) widmete in seiner großen
rumänischen Geschichte, die 1937 gleichzeitig in rum änischer und
französischer Sprache erschienen war, ein besonderes K apitel
dem D ristraer „Rum änischen L an d “ . 7 0 E r beruft sich vor allem auf
die ,,in ganz B ulgarien wohnenden W lachen“ , die B asileios II.
in seiner Verordnung aus dem Ja h r e 1019 erw ähnt und auf die
W lach-Stellen bei A nna K o m n e n e. Die E xistenz des Them as
Paristrion, d as ihm nach beide U fer der Donau umfaßte (!), hat
die eingeborene Bew ohnerschaft dazu angeregt, die Gründung
eines selbständigen S ta a te s zu versuchen. D ieser selbständige
S ta a t konnte w eder ein petschenegischer, noch ein bulgarischer
oder russischer sein. Die ackerbauenden „Skyth en “ , die sich von

67 R om án te r je sz k e d é si tö rek v ése k a történ elem m e z e jé n , B u d a p e s ti


Sz e m le (R u m än isch e A u sb reitu n gsb estre b u n g en au f historisch em F e ld e , B u d a -
p e ste r R u n d sc h a u ), C C X X X V I I . (1935) S. 181— 200; den d iesbezü glich en T eil
s. S. 197— 8.
68 R ó m aia k , rom án ok és oláh o k D á c ia T r a já n á b a n (Röm er, R u m än en
und W lachen in D a c ia T r a ia n a ). B u d a p e st, 1935. S. 9— 10, 85.
69 Vgl. L e s L a tin s d 'O rien t. P a r is, 1921, S. 39; H isto ire d e s R o u m ain s et
de leu r civ ilisatio n . B u c a re st, 1922. S. 37. In d er rum änischen Ü b ersetzun g:
Isto r ia R o m ân ilo r çi a civ iliz a fie i lo r, sc h a lte t er so g a r ein b eso n d e re s K a p i ­
tel: „ V la ç c a “ lu i T a to s çi fo rm atiu n ile d o b ro g en e pe la 1000 zur A u fre ch ter­
haltung seiner T h eo rie ein.
70 Isto r ia R o m ân ilo r, vol. III. B u cu reçti, 1937. S. 61— 73: ,,V la$ ca“ de
la D râç to r = H isto ire d e s R o u m ain s et de la ro m an ité orien tale, vol. III. B u c a ­
rest, 1937. S. 77— 92: L a „ V la ç c a “ d e D u rosto ru m .
124

jenseits der Donau in der Nähe der autonomen S täd te an siedel­


ten, konnten auch keine Petschenegen sein. Die Leiter der Donau-
L iga waren T atos (dessen Nam e bei A nna K o m n e n e falsch
betont wird und den m an auch T atul nennen kann), S eslav (des­
sen Nam e an den von Sen eslav au s A rges erinnert), und S a tz a s =
S accea (welcher Nam e au f den alten N am en Isaccea w eist). D as
gegen sie käm pfende H eer von A lexio s sieht in der Nähe von
D ristra H irsensaaten. D iese konnten nicht von den Petschenegen,
die auf ihren Fuhrw erken wohnten, oder den Rum änen, die sich
bei Ozolimne niedergelassen hatten, herrühren. Die Gegner
des K a ise rs eroberten nach dessen M ißerfolg bei D ristra die
„benachbarten S tä d te “ , stellten dadurch die alten G ren zli­
nien der ständig ausw eisbaren Autonom ie (!) zurück und bauten
Hirse, d as traditionelle rum änische G etreide, an. Im L aufe des
K am pfes kam en auch die Kum anen und die U ngarn mit einem
„gem ischten" Heer, unter der Leitung des kumanischen Tzelgu und
eines H äuptlings, namens Solomon. D er biblische N am e dieses So­
lomons w eist au f die siebenbürgischen G ebiete: ein U ngam könig
trug diesen Nam en kaum zw anzig Ja h r e sp ä te r(!) und Sieben­
bürgen hat, sam t den benachbarten rum änischen Gebieten,
diese Neigung für alttestam entliche Nam en bis auf den heutigen
T ag bewahrt. I o r g a läßt wiederum seine L eser auch in Borilos
und G erm anos Rum änen ahnen. Je n e kriegerischen CA qei^iúvlol)
Bergbew ohner jedoch, die A lexios zu Hilfe eilten, bezeichnet er
w iederum a ls Arum änen. Ihm nach sollen die neben diesen e r ­
wähnten A lan en auch Rum änen gewesen sein. W ir haben e s also
hier nicht mit unbedeutenden Zw ischenfällen, oder kleinen ört­
lichen Begebenheiten zu tun — ist seine Schlußfolgerung — ,
sondern mit der Erhebung jener rum änischen Elem ente, welche
die K äm pfe, die die Byzantiner am anderen E nde der H albin­
sel, mit dem unrechtmäßigen „bulgarischen" Zaren gefochten
haben, nicht erschüttern und vernichten konnten. V laçcas erw ähn­
ter Nam e zwischen den beiden kum anischen Teleorm an zeige, daß
sich der W irkungskreis dieses G ebildes auf d as linke Donauufer
erstreckte. D iese Bew eise der rum änischen V italität werden auch
durch den F a ll vom „R ich ter der W lach en "(!), Pudilos, unter­
stützt, der 1095 dem K a ise r die F ah rt der Kum anen über die
Donau m eldete. Hier könne keine R ede von thessalischen W la­
chen sein, nur von solchen, die hier, in der Skythia M inor wohn­
ten, weil der Ü berfahrtsort der Kum anen hier gewesen war. D as
Bestehen des Them as P aristrion schließe die städtische A u to­
nomie nicht aus, d a z. B. in D alm atien die örtlichen Könige d as
125

P rotektorat sowohl des P ap stes a ls des K a ise rs annahmen. In sei­


ner Beweisführung, der schwer zu folgen ist, macht I o r g a nur
selten auf die erw ähnten Gegenansichten Anspielungen. S ta tt
dessen erk lärt er selbstbewußt, daß die ganze historische und phi­
lologische M etaphysik, die man so lange gegen die rum änische
Anteilnahm e am Leben dieser Autonomien in Bew egung setzte,
nun Zusammenstürzen m üsse.
Im Ja h r e 1937 befaßte sich wieder ein rum änischer G elehr­
ter eingehender mit der H ypothese der rum änischen S ta a tsb il­
dungen an der Donau: C. N e c § u 1 e s c u . T1 D as H auptverdienst
seiner Abhandlung ist die gründliche Untersuchung und Z u sam ­
m enfassung der diesbezüglichen byzantinischen A uktorstellen und
der w issenschaftlichen Literatur. E r w eist d arau f hin, daß nach
dem richtigen T ext der A le x ias T atu und C h alis eine und die­
selbe Person waren. E r identifiziert dann d as yévog n 2xv&ixóv mit
den Kum anen von Osul, die 1068 aus U ngarn vertrieben wurden
und für die nichts an deres als der W eg zur D onau übrig blieb.
Auch sie w urden durch den Ruhm des byzantinischen Reichtum s
angezogen. Nachdem sie sich mit T atu und seinen G efährten ver­
einbart hatten, pflügten die Kum anen in ihrer freien Zeit und
säten W eizen und H irse neben der autochthonen wlachischen B e ­
völkerung. T atu und seine Genossen, die L eiter der D on austädte
wären H äuptlinge barbarischer V ölker gewesen, weil die byzan­
tinische V erfasserin Bedenken hatte, den Leib der Geschichte
durch das Erw ähnen ihrer Nam en zu besudeln. Sie konnten nur
Nachkommen der Petschenegen sein, die sich dort unter K on ­
stantinos M onomachos ansiedelten. H ier schaltet N e c ç u l e s c u
die auf den N estor-A uftsand bezüglichen A uktor-Stellen ein, im
hier vorkommenden T atu s erblickten T o m a s c h e k , Engel
und C h a l a n d o n auch einen Petschenegen-H äuptling. E r faßt
hier auch säm tliche sprachw issenschaftliche Ansichten , die sich
auf den Namen von T atu s beziehen, zusam m en und vertritt auch
selbst die Ansicht, daß der N am e petschenegisch war. Indem e r
die Begebenheiten, die au f den A u fstan d von N estor folgten,
schildert, gelangt er zu dem Feldzug, den T zelgu und Solom on
gegen B yzanz führten, und betont, w ider I o r g as Behauptung,
der diesen Solomon seines biblischen N am ens halber früher zu
einem rumänischen W ojw oden m achte,7" daß Solomon keineswegs

71 lp o te z a fo rm a fiu n ilo r p o litic e rom án é la D u n are, ín sec. X I., R evista.


I sto r ic ä R o m á n a V II. (1937) S. 122— 51.
72 D ro its n atio n a u x . . a. a, O. S. 28— 30.
126

«in Rum äne war, sondern U ngarns gew esener König, den seine
N effen G eiza und L ad islau s entthronten (1074) und der, nach
seinem vergeblichen V ersuch mit H ilfe d es kumanischen K hans
den Thron wieder zu gewinnen, sich mit Tzelgu, dem K han der
Petschenegen verband, um in d a s byzantinische Reich einzufal­
len. N e c ç u l e s c u bew eist dann, jener Stelle der A lex ias fol­
gend, in w elcher der Petschenegen-K am pf von A lexios beschrie­
ben w ir d ,— ebenso wie früher M u t a f c i e v — daß hier A nna
K o m n e n e die Skythen w iederholt bei ihrem nationalen N a­
men, Petschenegen nenne. Demnach seien die Skythen von Anna
K o m n e n e Petschenegen.
N e c ç u l e s c u e rk lärt schließlich, daß die wlachischen W oj-
w odschaiten des P aristrion s im X I. Jah rh u n d erte G ebilde der
P h an tasie sind. Ihm nach kann natürlicherw eise kein G eschichts­
w issenschaftler die E xisten z einer ziemlich zahlreichen w lachi­
schen Bevölkerung au f diesem G ebiet bezweifeln, diese konnte
jedoch, gerade in diesem Zeitabschnitt, wegen der ungünstigen
äußeren U m ständen keine W ojw odschaften organisieren, weil die
D obrudscha d am als einer ziemlich bunten Bew ohnerschaft ein
O bdach geboten hatte. Neben den W lachen fehlten w eder die
B ulgaren, noch die Kum anen, Uzen, Petschenegen, R u ssen usw.
Eben deshalb dürfe man keine Illusionen hegen, m an m üsse die
nationale Geschichte nicht mit den Petschenegen von Tatu-Chali
beginnen, sondern man begnüge sich nur mit der Verkündung der
W ahrheit!
N. B ä n e s c u nahm von dieser W endung der Polemik
keine Notiz und wies im folgenden Ja h r zwei Entgegnungen
B r o m b e r gs, die inzwischen erschienen, zurück.7” B r o m b e r g
klage ihn und I o r g a ohne G rund an, sie hätten den H eereslei­
ter von A lexios, U zas, für einen U zen geh alten (!). I o r g a äußerte
sich über den in F ra g e stehenden H äuptling, er sei ein Kum ane
gewesen, er, B ä n e s c u hätte hingegen nur darüber geschrie­
ben, daß A t t a l e i a t e s die Kum anen zuweilen bei ihrem eige­
nen Namen, zuweilen aber U zen nannte.
Sow eit konnte man die L iteratu r des F ragen kreises der
yévog TL 2xv&ix0v-Stel\e verfolgen. D araus ergeben sich hinsicht­
lich der diesbezüglichen byzantinischen A uktor-Stellen folgende
F ragen :
1 . W elcher A rt w ar d as Volk, d as bei A nna K o m n e n e

73 F a n ta s ie s et r é a lité s h isto riq u e s. (R éponse a u x „T o p o n y m ic a l an d H isto ­


r ic a l m isc e lla n ie s“ d e M . B ro m b e rg ), B y z a n tio n X I I I . (1938) S. 73— 90; die
an s in te re ssie re n d e S t e lle s. S. 78— 80.
127

a ls yévog u Sxv&ixóv erw ähnt w ird ? Die bisherigen F orsch er hiel­


ten es für russisch ( V a s i l j e v s k i j , G o l u b o v s k i j , K u l a ­
k o v s k i j ), w lachisch (I o r g a, B ä n e s c u ) , petschenegisch
(M u t a f e i e v ) , uzisch ( Z l a t a r s k i ) und kum anisch (F e r e n t,
Necsulescu).
2 . W elches V olk m üssen wir unter den Saurom aten v erste­
hen, durch welche diese vertrieben w urden? N ach allen Forschern
die Kum anen, obgleich einige ( Z l a t a r s k i , N e c s u l e s c u )
auch auf die R ussen hingewiesen haben.
3. W elchem Ethnikum gehörte d as V olk an, d as unter der
Leitung von T atus und seiner G enossen im Paristrion, d as eine
gemischte Bevölkerung hatte, herrsch te? Die bisherigen A ntw or­
ten auf diese F rag e lauteten: Petschenegen ( N e c s u l e s c u ) ,
R ussen (Kulakovskij), W lachen ( I o r g a , Bänescu),
Petschenegen und R ussen ( V a s i l j e v s k i j , G o l u b o v s k i j ) ,
Petschenegen und B ulgaren oder R ussen ( M u t a f c i e v ) , P e ­
tschenegen und B ulgaren ( Z l a t a r s k i ) , Petschenegen und Bul-
gar-W lachen (T o m a s c h e k ) .
4. W aren T atu s und die seinen innerhalb der O rganisation
des Them as P aristrion die L eiter von Autonom ien örtlichen C h a­
rak ters oder A u frü h rer? V a s i l j e v s k i j , M u t a f c i e v , Z l a ­
t a r s k i und N e c s u l e s c u halten sie für A ufrührer, I o r g a
und B ä n e s c u für die L eiter örtlicher Autonomien.
Wenn wir die Feststellun gen der bisherigen Forscher, die
ziemlich bunte W idersprüche aufw eisen, überholen wollen, ste ­
hen zwei W ege vor uns: 1 . Die gründliche U ntersuchung des
V olksnam engebrauchs von A n na K o m n e n e , besonders die
Feststellu n g des ethnischen W ertes der archaisierenden V olk sn a­
men, w as restlos bisher noch von keinem einzigen F orsch er un­
ternommen wurde. 2 . W enn der erste W eg zu keinem beruhigen­
den E rfo lg führen sollte, m üssen wir, als Ergänzung, durch die
Einbeziehung säm tlicher Quellen und au f G rund einer Revision
der bisherigen Forschungsergebnisse, die dam alige geschichtliche
L age klären.
W ir können au f diese säm tlichen F ragen eine befriedigende
Antw ort geben, wenn es uns gelingt den genauen ethnischen W ert
der archaisierenden Volksnam en 2y.v&ai und 2avQO[iwtcii in der
A lex ias von A nna K o m n e n e festzustellen. Demgemäß m üssen
wir eine genaue Prüfung des ganzen V olksnam engebrauchs von
Anna K o m n e n e unternehmen. Nur au f diese W eise können wir
erfahren, ob A nna K o m n e n e s V olksnam engebrauch wirklich
unfolgerichtig, illcgisch und sich selbst w idersprechend ist, wie
128

dies I o r g a behauptete, oder a ls verläßliche G rundlage für die


Entscheidung unserer ethnischen F rag e dienen kann.
B evor wir zur A usführung dieser A rbeit schreiten, werfen
wir einen A usblick au f die ganze byzantinische L iteratu r und
zw ar von jenem G esichtspunkt aus, welche V ölker die b yzan ti­
nischen V erfasser im L au fe der Zeit mit den Volksnam en Hy.vScci
und 2ccvQo^drai bezeichnet haben? D ieser zusam m enfassende
Überblick 7 4 kann auch gewißermaßen als W egw eiser für die L ö ­
sung der F rag e dienen.
D er arch aisieren de G ebrauch des N am ens 2xv&ai begann be­
reits in der frühbyzantinischen L iteratu r: 1 . zur Bezeichnung der
Hunnen. Z o s i m o s , A g a t h i a s , T h e o p h a n e s , P r i s k o s ,
S u i d a s usw. nannten die Hunnen Skythen. Z o s i m o s 7 5 z. B.
sagt: Oijvvovg ô s rovxovg èy.dXovv, bXtb ßecoiXsiovg ctvrovg ôvo^idÇeiy
TiQoorjxsi 2xv&ag. 2 . Theophylaktos S i m o k a t t e s , S u i d a s , M a u -
r i k i o s und an dere nannten so auch die Türken des V I— V II.
Jah rh u n d erts. T heophylaktos S i m o k a t t e s 7 6 führt z. B. die
Identifizierung folgenderw eise durch: t o 2xv&ixdv t o èœov, ovg
ToÚQ'Aovg Xéysiv eleó&ccfxsv. 3 . S p ä te r w erden die Avarén durch
Euagrios, Maurikios, T heophylaktos Simokattes,
G eorgios P i s i d e s, M ichael G 1 y k a s und an dere „Skythen“
genannt. E u a g r i o s sa g t von den A v a ré n :'1 3'E&vog ôs 2xv&ixov
ol ^ßccpoi t(J)v dfxa^oßlfjüv T c b v VTtèo t ö v Kctvxaoov t u ênexsiva Ttsôia
v s ix o fu é v œ r . 4. T h e o p h a n e s und S y m e o n m a g i s t r o s
nennen auch die Chazaren so. 5. Die Bulgaren wurden im
Laufe des VIII— XIV. Jahrhunderts von einer ganzen Reihe
d er byzantinischen V erfasser (z. B. Theodoros S t u d i t e s , K on­
stantinos P o r p h y r o g e n n e t o s , G e o r g i u s c o n t i n u a-
t u s , T h e o p h a n e s c o n t i n u a t u s, Leon D i a k o n o s , M i­
chael P s e l l o s , Z o n a r a s usw.) „Sk y th en “ genannt. Nikepho­
ros G r e g o r a s schreibt über die B u lg are n : 7 8 t o t ű j v BovXyÚQcjv
fx sT siX rjcp so a v ö v ö d e t, 2xv&ai t o à o x rjg ô'vTsg. 6 . Leon D i a k o n o s

versteht auch die U ngarn unter diesem Namen. 7. M ehrere H isto­


riker d er X I— X IV . Jah rh u n derte ( S k y l i t z e s , A t t a l e i a t e s ,
Z o n a r a s , E p h r a i m usw. — A nna K o m n e n e , deren W erk
74 E s ist d e r verbin d lich en L ie b e n sw ü rd ig k e it d e s H errn P r o f e s s o r s J u l i u s
M o r a v c s i k , d e r d a s O n o m astik o n sein es d a m a ls noch im E rsch ein en b e ­
griffen en W e rk e s „ B y z a n t in o t u r c ic a “ z u r V erfü g u n g g e s te llt hatte, zu v e r d a n ­
ken, daß d ie se Ü b ersich t leicht d u rc h fü h rb a r gew o rd en ist.
75 E d . L. M e n d elsso h n . L ip sia e , 1887. S. 174 22—23*
76 E d . C. d e B o o r. L ip s ia e , 1887. S. 167io—n.
77 E d d . J . B id e z — L. P arm en tie r. L o n d o n , 1898. S. 196e—8.
78 E d . L. S ch o p en . Bon n , 1829. I. S. 2620 —21.
wir soeben untersuchen, wird hier absichtlich au sgelassen ) be­
trachteten und nannten die Petschenegen „Sk y th en “ . So sagt z.
B. eine Stelle bei Ioannes S k y l i t z e s : 7 9 t o è'&vog rœv TIcct'Qivú-
xœv 2xvíhxöv v7túo%ov ctTtö tűjv Xsyo^iévœv ßccoiAelcov JSxv&cőv. 8 . A ber
auch die Uzen erhalten diesen archaisierenden Nam en in dem
S k y l i t z e s c o n t i n u a t u s und in den W erken von Z o n a ­
r a s , E p h r a i m und Theodoros S k u t a r i o t e s . OtfÇcov t^vog
(yévog âè xcà ovtol 2xv&móv) steht über sie im S k y l i t z e s
c o n t i n u a t u s . 8 0 Nach A nna K o m n e n e s Z eitalter geben viele
H istoriker 9. den T ataren diesen Nam en (M axim os P l a n u d e s ,
G eorgias P a c h y m e r e s , N ikephoros G r e g o r a s , Deme trios
K y d o n e s, Joh an n es K a n t a k u z e n o s , D u k a s , M ichael
Kritobulos, G eorgios P h r a n t z e s , Laonikos C h a 1 k o-
k o n d y l e s , H i e r a x , die E k t h e s i s C h r o n i k e usw .),
aber auch 1 0 . die Osmanen erhalten diesen Nam en (G eorgios
P e l a g o n i o s , Laonikos C h a l k o k o n d y l e s ) .
M an könnte demnach die Folgerung ziehen, daß die byzan ­
tinischen V erfasser den archaisierenden V olksnam en nur
zur Bezeichnung der V ölker türkischer R a sse angew endet haben.
D ies w äre aber ein Irrtum, denn einige byzantinische V erfasser
bezeichnen außer diesen V ölkern einerseits die Gothen, an d rer­
seits die R ussen und andere Slaw en mit dem Nam en ,S1 A u s
der obigen Zusam m enfassung ist auch zu ersehen, daß derselbe
byzantinische V erfasser denselben arch aisierenden Nam en zur
Bezeichnung zw eier oder auch m ehrerer V ölker gebrauchte.
Den archaisierenden V olksnam en 2avQo^árca — wir lassen
Anna K o m n e n es N am ensgebrauch vorläufig außer Acht —
wandte zuerst M ichael A t t a l e i a t e s zur Bezeichnung der
Ungarn, ab er auch zu der der Deutschen a n , 8 2 sp äter identifi­
zierte G eorgios K 1 o n t z as die Saurom aten mit den Osmanen.
D er türkische T ypus wird hier a lso durch d as Vorkommen der
Deutschen unterbrochen.
B ei der U ntersuchung der V olksnam en von A nna K o in­
n e n e, wobei wir auch die U nterstützung der Ländernam en in
A nspruch nahmen, w ar unser Ziel die F eststellu n g, ob ihr V o lk s­
namengebrauch einheitlich und logisch oder folgew idrig sei. W ir
untersuchten daher überall, ob ein V olksnam e bei ihr nur einen

78 O. a. A u sg . S. 5 8 I 20—21.
fi0 A . a. O. S. 654ia.
81 V gl. J , M o ra v c sik : A m a g y a r tö rtén et b izán ci fo r r á s a i (Die b y z a n ti­
nischen Q u ellen d er u n garisc h en G e sc h ic h te ). S . 248.
82 J . M o ra v c sik : a. a. O. S. 181, 248.
130

ethnischen W ert besitzt oder m ehrere? Indem wir die A lex ias
au s diesem G esichtspunkt durchstudierten, erstrebten wir überall
aus dem Sinn des T extes, sozusagen au s inneren K riterien heraus
die ethnische Bedeutung eines jeden V olksnam ens an jed er B e ­
legstelle zu bestimmen und bedienten uns als Behelfs- und V er­
gleichsm ittel der Kenntnis der tatsächlichen völkischen und n a­
tionalen Einrichtungen im dam aligen E u ropa und A sien . 83 Die
Ergebnisse dieser Untersuchung geben wir in den folgenden. Wir
können hier selbstverständlich die V olksnam en A nna K o m n e n e s
nicht au s säm tlichen B elegstellen mitteilen, weil dies den Um fang
unserer A rbeit unnötigerw eise erw eitern würde. W ir teilen bei
jedem V olks- und Ländernam en in K lam m ern nur jene B elegs­
stellen mit (beigefügt ist die Seitennum m er und die Zeilennum­
m er der angeführten A u sgab e), die wir bei der ethnischen W ert­
bestimmung des betreffenden Volksnam ens als B eispiele oder B e ­
w eise benützen.
D as erste Ergebnis, d as sich naturgem äß ergibt, ist, daß sich
die Volks- und Ländernam en A nna K o m n e n e s in zwei G ru p ­
pen teilen. In die erste G ruppe gehören die eigentlichen, ech­
ten Volks- und Ländernam en, d. h. jene, die in griechischer U m ­
schreibung die d am als wirklich gebrauchten Nam en der betref­
fenden V ölker und L än d er enthalten. In die andere G ruppe ge­
hören die archaisierend gebrauchten V olks- und Ländernam en.
Ihr H auptm erkm al ist, daß sie bereits bei den antiken V erfas­
sern belegt sind und im V erhältnis zu ihrer alten Bedeutung im
G ebrauch A nna K o m n e n es einen Bedeutungsw andel aufw ei­
sen. N atürlicherw eise ist es sehr schwer, hier eine Grenzlinie zu
83 H ier geb rau ch ten w ir fo lgen d e W erk e zur Ü b erp rü fu n g: D ie A n m e r ­
ku n gen von D u C a n g e, im zw eiten B a n d d er B o n n e r A u s g a b e d er A le x ia s,
a u s dem J a h r e 1878; d ie A n m erk u n gen von B. L e i b , in d er n euesten A u s ­
g a b e d er A l e x i a s : A n n e C om n èn e A le x ia d e (R è g n e d e Vem p ereu r A le x is I
C om n èn e 1081— 1118), t. I, . . . p a r B . Leib. P a r is, 1937. (C ollection byzan tin e
p u b lié e so u s le p a tr o n a g e d e l'A sso c ia tio n G u illa u m e B u d é ) , von der bisher
nur d er e r ste B a n d erschien en ist (die B ü c h e r I— IV. d er A le x ia s ) ; F . Cha-
la n d o n : L e s Com nène. É tu d e s su r l ’em pire b y zan tin au X I e et X I I e siè c le s. I.
E s s a i su r le règn e d ’A le x is I er C om n ène (1081— 1118). P a r is, 1900; P. V ácz y :
A k ö z é p k o r tö rtén ete. M a g y a r S z e m le T á r s a s á g : E g y e te m e s T ö rtén et. II. (Die
G esch ich te d e s M itte la lte r s. G e s e lls c h a ft d er U n g a risch en R u n d sc h a u : U n i­
v ersalg esch ich te. B d . II). B u d a p e s t, 1936; A. M ik a : A h ű b ériség és a k e re sz te s
h a d já r a to k k o ra. N a g y K é p e s V ilág tö rtén et, szerk. M a r c z a K H enrik. (Die Zeit
d e s F e u d a lis m u s und d e r K re u z z ü g e . G roß e Illu str ie r te W eltgeschich te, her-
au sg. v. H. M a r c z a li), B d . V. T. 2. — S e lb stv e rs tä n d lic h w erden die A n gab en
d ie s e r W erk e nur dort an gefü hrt, wo d a s d u rch den G a n g u n serer B e w e isfü h ­
ru n g e r fo rd e r t wird.
131

ziehen, denn wir m üssen z. B. jene Volksnamen, die auch im


A ltertum gebraucht worden waren und zu A nna K o m n e n es
Zeiten auf griechischem Reichsgebiet tatsächlich im byzantini­
schen Gebrauch geblieben sind (z. B. Mccxsdóvsg)f wie auch die
antiken Volks- und Ländernam en, die sich auf antike Begeben­
heiten beziehen, a ls echte Volks- und Ländernam en betrachten.
Hingegen m üssen wir jene Volksnam en frühbyzantinischer H er­
kunft, die einen Bedeutungsw andel durchgem acht haben (z. B.
die Volksbezeichnung ’^lyaQrjvoi, die bei den frühbyzantinischen Ver­
fassern die A raber bedeutete, hier werden jedoch darunter
schon Seldschuken verstanden), unter die archaisierenden einrei­
hen. W ir schreiten bei der Besprechung beider Volks- und L än ­
dernam engruppen in we st-östlicher Richtung vorw ärts, indem
wir erst die west- und m itteleuropäischen Volks- und L än d e r­
namen besprechen, dann die Nam en der V ölker und V ölker­
teile, die dam als unter byzantinischer H errsch aft standen, en d­
lich die Namen der östlichen, vorwiegend asiatischen Völker und
Länder. W ir gewinnen auf diese W eise auch darüber ein Bild,
w as für B egriffe die V erfasserin über die ethnische, politische
bzw. geographische Gliederung der zeitgenössischen W elt besaß.
Von den dam aligen Staaten W esteuropas kommen in der A le ­
x ias die folgenden unter ihrem eigentlichen Namen vor: Von den
V asallenländern des zeitgenössischen Frankreichs <T>Iúvtqcc (I 243,4
24721 II 8 j 4 1 2 2 2 3 12724) = G rafsch aft Flandern, Noouavía (I 35 4
3622) = G rafsch aft Norm andie und Bçaxsvcbv (I 441(;) = G rafsch aft
Barcinon, vom Gebiet des dam aligen D eutschlands jedoch, das
dem Königreich von A relat angehörende ÜQsßsvr^a (II 8126 8221
8526) = Grafschaft Provence. Je n e NéfxirÇoi (I 8420 3 2 854—5 8 6 9) —
Deutschen, die im H eer des byzantinischen K aisers dienten,
stamm ten vom Gebiet des zeitgenössischen deutschen Reiches.
Ihr dem Slaw ischen entlehnter Nam e kam in die m ittelgriechi­
sche Sprache. W ir m üssen den Namen "IrccMcc (I 17712 1 3 1790),
der eher eine geographische Einheit bedeutet, als den eigentli­
chen Namen des dam als in Stücke zerfallenen Italiens betrachten.
Der eigene Volksnam e der 3IxaXoL (I 1920 1 77 1 5 1 9 1 79 5 8 II 16726
1711T) = Italiener, bezeichnet hingegen in zusam m enfassender
W eise Italiens dam alie Bewohner. Von den dam aligen Städten
Italiens kommen die folgenden vor: Tévovcc (II 14324 23429) = G e­
nua und seine Bewohner, die Tevoüoioi (II 136 3 2 1377 13 19 24 2s) =
Genueser, Mslcprj (I 44 1 0 154ia 2i 197,2) = Am alfi, seine Gegend und
seine Bewohner, die ^A^ialcprivoí (I 199a2) = A m alfienser, TILooa (II
9*
132

13219 14323 2342ö) = P isa und seine Bürger, die IhooaZoi (II 133t
21 23 25 29 1344_ 5) = P isan er (d as A ttribut niooaïxôs] bedeutet
Pisaner, z. B. II 13319), Bevsxía (I 1356 1 54^ 19523 1970 9 II
14324) = V enedig und seine Bürger, die B svetlkoi (I 133a und an
vielen a. O.) = V enezianer und schließlich ePd>^irj (I 43 7 _ 8 usw.)
= Rom. D ieser Nam e bedeutet an einer S telle (I 4429_ 31) entscheiden
den päpstlich en S ta at. Endlich kommen mit ihrem wirklichen N a ­
men von den größeren Gebietseinheiten Italiens die folgenden
vor: *A7tovXr]ta (I 49 8 3 0 54 9 1 3 13112 13212 19827) = A pulien, ein
Teil des norm annischen K önigreiches von R obert G u iscard in
Süditalien, sowie seine Bew ohner, die ’ AnovXrfCoi (II 17110) A pulier,
sowohl als auch SixsMa (I 17712 23) == Sizilien und seine Bewohner,
die 2ixeXoL (I 17714) — Sizilianer. A ll diese angeführten Volks- und
Ländernam en sind, in obiger Bedeutung, die selbstverständlich
nicht überall ethnischer N atur ist, eindeutig und einander nicht
widersprechend. W ir erwähnen den Volksnam en Nog^dvoi absicht­
lich am Ende, weil sein logischer G ebrauch bei A n na K o m n e n e
nicht konsequent durchgeführt wird. Die eine G ruppe der- B elege
des V olksnam ens N oq^iuvol (I 36x II 77 4 1 2 1 8 2 2 3 0 789) deckt en t­
schieden Norm annen au s der französischen Norm andie, w äh­
rend hinter der an deren G ruppe (II 17223 12832 12913) zw eifels­
ohne Lom barden zu suchen sind, welche von der V erfasserin also
nur au s Irrtum für Norm annen gehalten werden, da sich ihnen
m ehrere französische G rafen an gesch lossen hatten . 8 4 S o ist hier
a lso auch nur von einem Irrtum die R ed e und nicht von der ab ­
sichtlichen, illogischen Ü bertragung des Volksnam ens.
Von den Ländern, die nördlich des byzantinischen Reiches
liegen, finden wir 2sgßia (II 37 2 8 24011_ 12) = Serbien (Zeta und
Rascien), seine Bewohner, die 2 éçfioi (II 3712) = Serben und Oùyyçia
(I 17626 II 7627) = U ngarn. Von den Völkern, die nördlich des
Reiches lebten, w erden die Bdçayyoi (I 84lö 2 2 14125) = russisch-
norm annische und englisch-norm annische V aräg er skandinavischer
H erkunft im kaiserlichen Heere, bei ihrem ursprünglichen, nationa­
len Nam en genannt. (A nna K o m n e n e bezeichnet sie nach ihrem
eigenartigen B eil w iederholt mit den Um schreibungen oi TieXexvcpo-
QOi ßdoßaQOL, ot èrd tôjv (xtfxcov rcc tycprj xoaóaívovTSg. Ihr Hauptmann,
der am byzantinischen Hof für gewöhnlich die W ürde eines ,,Ako-
luthos“ trug, w ird einm al (I 23620) mit dem Nam en ô açxmv BaQayyíag
erwähnt, wo B açayyia kein Ländernam e ist, sondern nur die zusam-

H4 V gl. die A n m erk u n g en d e s D u C a n g e : A . a. O. II. S. 631 und F . C h a-


la n d o n ; A . a. O. S. 224— 6.
133

menf assende Bezeichnung der V aräger-G ruppe in K onstanti­


nopel und der Titel ist mit dem Ausdruck TteXexvcpôçcov èçàQyœv von
K i n n a m o s gleichwertig.) Von den Völkern, die an der N ord­
grenze des Reiches lagerten, werden die Kófxavoi (I 23416 242— 244
II 9— 19 60— 71 2401S 256— 261) = Kum anen und die OvÇoi (I
24229) — Uzen, sowohl wie auch die üaT^ivdy.oi (I 235t 2392t}
24026_27 24114 245;,8 2474 2482 II 107 1222 13a) = Petschenegen, die
bereits innerhalb der Reichsgrenze lebten, bei ihrem eigenen N a ­
men genannt. Zu der Besprechung dieser drei Völkernamen müs ­
sen wir sp äter noch zurückkehren.
Von den Völkern des Balkans, die unter byzantinischer H err­
schaft standen, nennt die V erfasserin die Bulgaren = BovXyaçoi (I
749 23512 13 II 8n 11 14 1720) und ihr a lte s Lan d BovXyaQÍa (II
192i), dessen Name hier mit dem Gebiet des Erzbistm us von Ach-
rida gleichbedeutend ist, bei ihrem nationalen Namen. Bei diesem
werden auch die Blúxoi (I 16923 II 712 6 130 6 228) = balkanische
Wlachen genannt und die "'A^ßctvoi (I 253s), sAQßavlrm (I 20217) =
A lbaneser, ebenso wie ein vorläufig näher nicht bestimmtes Sla-
wen-Volk, die S&XaßoyeveTg (I 5823 23517), unter welchem man —
wie wir es sp äter sehen werden — Bulgaren verstehen muß.
A nna K o m n e n e benützt auch die Religionsbezeichnung MavixaZoi
(I 1387 16022 18725 18817 u s w .) als Volksnamen. Mit diesem be­
zeichnet sie die von Johannes Tzim iskes besiegten und in der
Nähe von Philippupolis angesiedelten armenischen Bogomilen, die
sie auch P aulikianer nennt.
D as byzantinische Reich selbst und die Byzantiner bezeich­
net sie mit einem archaisierenden Namen, die zeitgenössischen
Griechen nennt sie jedoch, wenn sie ihre ununterbrochene sp rach ­
liche und kulturelle Verbindung mit dem antiken Grichentum
hervorheben will, wiederholt ''EXXrjveg (I 1292 18031 23516 II 56a
839 14116 17121 20628 217r> 29330) ; dieser Volksnam e zählt, in die­
sem Sinne gebraucht, zu den eigentlichen Volksnamen. Griechisch
sprechen heißt bei ihr êXArjviÇsiv (I 31S 235l0 II 28119 23930). Zur
Bezeichnung der byzantinischen Reichsuntertanen gebraucht sie
einheitlich die folgenden Volksteilnam en: ®Qäxsg = die Bewohner
von Maxeóóvsg =~ die Bewohner von Maysöovia, ©srzceXoL = die
Bewohner von ®sttccXícc, Kprjrsg = K reter, BiSvvoi — die Bewohner
von BiSvvla, KiXixsg = die Bewohner von KiÄixCa, IlcmcpvXioi — die
Bewohner von HafxcpvXia, Maçvavôrivoi = die Bewohner vom rechten
Flußufer des Sangaris, 2 vqol •— die Bewohner von 2vçia und
schließlich XM^azrjvoi = die Bewohner der Umgebung der phrygi-
schen S ta d t Chôma, Soldaten im kaiserlichen Heere. A ll diese
134

sind, oder waren Christenvölker unter byzantinischer Schutzherr­


schaft.
Bei ihrem eigenen Nam en werden von den Völkern und L än ­
dern, die sich östlich der dam aligen Reichsgrenze vorfanden, die
folgenden genannt: ’-AXavoí (I 663£ II 243 19310 25 26827) = A la ­
nen, 3'IßrjQOi (I 20721 II 2931X) — Iberer, ’ JLçiiévioi (I 6715 II 192
4613_i4 u s w .) = Arm enier, rEßocdoi (II 12323) = Jeru salem er Juden,
’'-Agaßeg (II 12332) = die zurückgebliebenen arabischen Untertanen
des B ag d ad er K alifats, aIvôoi (I 243a2) = Indier, Xdmoi (I 218tl
2r>) = die ism aelitischen A ssasin en im Dienste der Seldschuken.
Endlich bezeichnet der Volksnam e BctßvX(bvioi (II 12412 13 17 22
usv/.) die Seldschuken des B ag d ad er K alifats, TovQxofudvoi (II
24816) die eigentlichen Seldschuk-Türken, M ovoov^dvoi (II 23726
24814) die Seldschuken allgemein. D er Nam e Tovqxoi, der im W erk
an zahlreichen Stellen vorkommt, bedeutet, wenn er allein steht,
. ausnahm slos immer die Seldschuk-Türken.
Die Bezeichnungen A ïyvm og—-AiyvTinot, *Ivóixóg, ^Agaßict, Msao-
TtoTa^da, Aißvrj und werden von der Verfasserin ausschließlich
in geographischem Sinn gebraucht. Ein echter Landesnam e ist X o q o -
adv (I 2184 2194 u s w . ) = K horasan, d as Seldschuk-Sultanat.
W ir können es unterlassen, uns eingehender mit jenen a lte r­
tümlichen Volksnamen, die sich auf die Begebenheiten der anti­
ken Geschichte beziehen, zu befassen (z. B. Maxsôôveg I 24310 ~
die U ntertanen A lexan d ers des Großen, e'EXXr]vsg I 8924 = die H el­
lenen der homerischen Zeit usw.), die also auch als echte V olks­
namen betrachtet werden m üssen. Auch diese sind alle eindeutig.
A ls Ergebnis unserer bisherigen Untersuchungen können wir
a lso ruhig feststellen, daß uns A nna K o m n e n e s echte V olks­
namen keine Schwierigkeiten bereiten. W o A nna K o m n e n e die
V ölker bei ihrem richtigen, nationalen Nam en nennt, verrät sie in
der Anwendung dieser Nam en eine genaue geographische und poli­
tische Orientierung, sie w endet sie vollkommen logisch, eindeutig
an und schließt jed es M ißverständnis aus.
Schreiten wir nun au f dieselbe W eise zur W ertbestimmung
ihrer archaisierenden Volksnamen (aus dieser Untersuchung schlie­
ßen wir vorläufig die Volksnam en 2 xv&ccl, 2avQo^di:ai und den an
diese anknüpfende rércu, die unser Problem bilden, au s). In der Un­
tersuchung der archaisierenden Volksnamen, die sich auf die w est­
europäischen V ölker beziehen, bleiben wir gleich bei dem Namen
KsXrißrjgsg (II 17028), der nach dem entferntesten W esten zeigt, ste­
hen. D iese „K eltib erer“ erscheinen in Bohem unds Heer, das im
W esten geworben, 1107 bei D urazzo das Reich angegriffen hatte-
135

Der Name, der offenbar auf G rund der geographischen Identi­


tät gegeben worden war, weist au f d as Gebiet des heutigen S p a ­
niens, man kann e s aber nicht genau bestimmen, ob er U n terta­
nen von A ragonien, N av arra oder K astilien bezeichnet. D a e r je ­
doch nur an einer einzigen Stelle vorkommt, können wir nicht
von seiner w idersprechenden Anw endung reden, höchstens von
seiner unklaren Bedeutung, die man vielleicht m it H ilfe der zeit­
genössischer! westlichen Quellen, die sich auf Bohem unds H eer
beziehen, lösen könnte. U nter den Nam en rsQ^iavoi (II 14224) und
rsQtiavLxov yévog (II 17028) sind die Deutschen gemeint. ’^IXa^avíct
(I 44 3 1 45 7 47 2 1 I 2 O0 4 160— 163) bedeutet d as deutsche Reich H ein­
richs IV. U nter dem archaisierenden Nam en 2à%ovsg (I 47 1 2 _ 1 4 2 0
482) sind unverm uteter W eise, die U ntertanen des Schw abenher­
zogs Rudolf und des B ayernherzogs W elf zu verstehen.(frgceyyícc (II
74 1 9 79 1 6 11921 143tn) ist eindeutig d as dam alige Frankreich. U n ­
tersuchen wir ab er die B elegsstellen des archaisierenden V olksn a­
mens OçdyyoL und des daraus abgeleiteten Attributs &()ccyyixógs, sehen
wir, daß ein Teil der B elege (II 73 2 6 75 2 9 8014 94 2 4 1 2 0 (i
14225 17025) zw eifellos Franzosen, oder w enigstens solche G ru p ­
pen bedeutet, die ein französisches Übergewicht zeigen. E s wirkt
auch nicht überraschend, daß ein an derer Teil der B elege (II 992l
12420 12729 137t 2098 227,9 228s 2413]) im allgem einen die T eil­
nehmer des ersten K reuzzuges bedeutet, weil es bekannt ist, daß sie
in überwiegender M ehrheit vom G ebiet des dam aligen Frankreichs
auszogen, um d as Heilige L an d zurückzugewinnen. W ir sind aber
mit Recht bestürzt, wenn wir sehen, daß eine dritte B elegsgru ppe
(I 2318 2 0 2 4 1 34 7 _ 8 13813 17029) Normannen, die im kaiserlichen
H eere dienten, bzw. U ntertanen von R obert G u iscard bedeutet,
eine vierte G ruppe (II 23522 23830) sich jedoch auf eine F lo tte
bezieht, die au s P isaner, G enueser und süditalienischer Schiffe
bestand. D er V olksnam e tDgdyyoi, (Dpayyixóg'1 hat demnach in A nna
K o m n e n e s Volksnam en gebrauch drei Bedeutungen: 1 . Franzose,
2 . Normanne, 3. Italiener. W ir machen bei der W ertuntersuchung

des V olksnam ens K s Xtoí dieselbe Erfahrung. Eine G ruppe der


B elege bezieht sich au f die Normannen (I 10s 189 2 0 2 1 140x 144—
151 156— 188 196— 198 p assim ), eine zweite (II 73— 78 89 92)
auf die Franzosen und (II 1 0 0 1 0 1 — 1 1 2 240— 243) im allgem ei­
nen auf die ersten K reuzzügler, eine dritte jedoch (II 2368 1 6 i 9 22)
auf die M annschaft der bereits erwähnten, italienischen Flotte.
Die Bedeutung des V olksnam ens K eXtoí, KsXnxóg* ist a lso die­
selbe, wie die von OQayyoi: 1 . Normanne, 2 . Franzose, 3. Italiener.
Eine G ruppe der B elege des V olksnam ens A cctTvol (I 120, 13132
136

14614 1478 14813_ 16 164— 176 186 p assim 22416 22529 23610 usw.)
bedeutet die Normannen, eine andere (II 74 1 8 767 77 4 79 3 83— 85
87— 91) die Franzosen, bzw. (II 97— 99 104— 105 12728 22920 2 4 )
die ersten K reuzzügler im allgem einen, zwei Stellen jedoch (I
19917 II 2397) die Italiener. D araus, daß die V erfasserin
diese zur Bezeichnung derselben V olks- bzw. M enschengrup­
pen abw echselnd gebraucht, kann man klar ersehen, daß in
der Sprach e der A le x ia s die V olksnam en Ooáyyoi, KsXxoi, ylazïvoL
mit einan der vollkomm en gleichw ertig sind und ‘1. Franzosen, 2 .
Normannen, 3. Italien er’ bedeuten. D as sahen wir bereits im F alle
der erw ähnten vereinigten italienischen Flotte, wir könnten je ­
doch auch den F a ll der K reuzzügler von Bouillon G ottfried, dem
H erzog von Lotharingien erwähnen (II 87— 91), die von der V er­
fasserin abw echselnd A cctZvoi und KsXroi genannt werden oder, daß
sie Bohem unds K reuzfahrer, die in Laodikeia bedrängt wurden und
ihren B efreier, abw ächselnd mit den drei V olksnam en (II 138—
139) bezeichnet. H ier zeigt sich also in der Eindeutigkeit des
archaisierenden V olksnam engebrauchs der V erfasserin eine große
Unterbrechung, die es bewirkt, daß m an bei Episoden, die durch
den V ergleich mit anderen Q uellen näher nicht untersucht w er­
den können, nicht festzustellen verm ag, ob der V olksnam e &Q(iyyoi,
Aarivoi bzw. K sXtoí Franzosen, Norm annen oder Italiener bezeich­
net. W ir können nur d as eine feststellen, daß A nna alle drei a r ­
chaisierende V olksnam en zur Bestim m ung eines T ypus angewen­
det hat. Sie bezeichnete dam it die V ertreter des ihr bekannten
T ypu s der westlichen, röm isch-katholischen W elt, mit ihrer feu­
dalen G esellsch aftssordnung.
D er archaisierende Landesnam e Aoyyißaoöia, der in der A le ­
x ias an vielen Stellen vorkommt, zeigt auch einen interessanten
B edeutungsw andel: er bedeutet nicht die Lom bardei, sondern K a ­
labrien und einen Teil der C am pagna, die, zusam m en mit A p u ­
lien, den N orm annenstaat Sü ditalien s bildeten. Dem entsprechend
bezeichnet der V olksnam e Aoyyißaoöoi die B ürger dieses Staates.
Den Nam en 3larcvyia hingegen, gebraucht A nna K o m n e n e, mit
regelm äßiger A rchaisierung, zur Bezeichnung eines T eiles von
A pulien (I 5027).
Von den Län dern und Völkern nördlich der Reichsgrenze
kommen die folgenden mit arch aisierendem Nam en vor: ©oiUry
(I 8419 90lo II 1702(i) = die U rheim at der V aräger-Söld n er, S k an ­
dinavien. Daß m an unter dem V olksnam en AäxFg der A lex ias die
U ngarn verstehen muß, bezw eifelte bisher, wenn man von Iorgas
Fragezeichen absieht, noch kein W issenschaftler. A nna K o m -
137

n e n e erw ähnt sie an sechs Stellen : 1. I 11518_ 20: bezieht sich


auf den A ngriff der U ngarn gegen d as Reich im Ja h re 1059;
2. I 2275_ 6: die U ngarn nehmen im F rü h jah r 1087 an der g e­
meinsam en Unternehm ung des entthronten K önigs Salom on und
T zelgus gegen B yzan z teil; 3. II 7432: 1096 ziehen die K reu zfah ­
rer von P eter v. A m iens über U ngarn auf byzantinisches G ebiet; 4.
II 22129_ 31: 1108 unterzeichnen der G esp an P eri(s) und Simon, als
Bevollm ächtigte des Ungarnkönigs, den F rieden zwischen A lexios
und Bohem und; 5. II 24012_ i 4: bei der A nkunft der ersten K re u z­
zügler überwachten im D onaugebiet einzelne T ruppen von A le-
xios die Einbrüche der Ungarn und K um anen; 6. II 25819: die
Ungarn wohnen nördlich des H aem us. U nter dem archaisierenden
Namen Oüvvoi versteht A nna K o m n e n e die U zen (I 24227_ 2„
243o). E s ist nicht geklärt, wen sie unter den TavQoi aal 2xv&cu,
die einst P hilippupolis plünderten (II 2572), versteht. D a m ehrere
byzantinische V erfasser die R ussen Tauroskythen nennen, könn­
ten wir hier vielleicht an d as einstige H eer von S v ja to sla v den­
ken.85 AaXixdTcu (I 576_ 7 14120 25225 II 19lt 14 2024 2r> 378 5325 1554
17218) und AaXfxaría (I 57,! 14027 usw.) bedeuten immer die Zetaer
bzw. R ascier Serben von K onstantin Bodin, M ichael und U lkan
und dieselben serbischen Staatsbildungen. D er N am e ist also mit
2sQßoi und 2saßia identisch. Von den anderen, nicht griechischen
Völkern des B alk an s erscheinen die V ardarioten-T ürken a ls oi tceqX
tt]v ’Ayoïâà) Tovqkoi (I 1383) und unter dem arch aisierenden N a ­
men Oúérovsg (II 17119 25128) ist d as slaw ische P iratenvolk aus
N arenta zu verstehen.
Die Byzantiner selbst bezeichnet A nna immer mit dem archa­
isierenden Namen cP(o^aioi und 'PcofAaCxog (passim). In diesem Sinne
bedeutet byzantinisch-griechisch sprechen: QœiiatÇsiv (I 2499_ 10),
das byzantinische Reich jedoch 'Pœ ^avia (I 1093O II 14221 21313 2393).
Von den V ölkern des O stens bezeichnet A n na K o m n e n e
die Seldschuk-Türken eindeutig auch mit den archaisierenden
Nam en 2aç>ctxr]voi, Tléçacci, *-AyaorjVOt, *1(j^iccrjXïrcti, oi tov 3I<juctrjX, oi èx.
tov "IoyiarjX, die sie oft miteinander und mit dem Namen T ovqxoi a b ­
wechselnd zur Bezeichnung der Seldschuken anw endet. A usnahm s­
w eise bezeichnet sie, wie dies au s dem Textzusam m enhang k lar
zu ersehen ist, die Seldschuken mit dem A usdruck ot vo^dösg 2xv&ai
(I 22214). D er Landesnam e Ilsgoig ist auch eindeutig d as Seld-
schuk-Reich. E s ist aber schwer zu entscheiden, w elches V olk von

85 V gl. D ie a ltru ssisc h e N esto rch ro n ik P o v e st’ vrem enn ych let. In Ü b er­
setzu n g b rsg. von R. T rau tm an n . L e ip z ig , 1931. S. 48i3—15.
138

Arm enien oder P aphlagonie n sie unter dem Nam en XxiXvßsg (II
2584) versteht.
Die Untersuchung der archaisierenden Volksnam en von A nna
K o m n e n e kann m an daher mit dem E rgebn is abschließen, daß
neben einigen archaisierenden Volksnam en, deren Bedeutung un­
klar ist (KeXrißrjQsg, T ccvqol xal 2xvt)ai und XaXvßeg), die V erfasse­
rin unter drei anderen archaisierenden V olksnam en (0Qäyyoi, K bXtoí,
vI cctïvoi) nicht ein bestim m tes V olk versteht, sondern m indestens
drei (Franzosen, Normannen, Italien er), die in einen Typus, den
T ypus der abendländisch-christlichen R ittervölker gehören. P rin ­
zipiell m üssen wir daher annehmen, w as I o r g a behauptet hatte,
daß der arch aisierende V olksnam engebrauch der V erfasserin nicht
immer eindeutig ist. Die bisher wahrgenommene Verwirrung ist
ab er bei weitem nicht so groß, wie er sie bei ihr entdecken wollte.
B etrachten w ir nun näher die F ra g e der archaisierenden
V olksnam en 2x.v3ca und 'SavQo^iáxai, die wir bisher absichtlich außer
acht gelassen hatten.
Den G ebrauch des V olksnam ens 2xv&aL haben wir bisher an
zwei Punkten berührt. W ir sahen nämlich, daß die Bezeichnun­
gen TavQoi xal 'Sxvd'ai (II 2572), die entschieden zusam m engehö­
ren, gewißermaßen statt eines zusam m engesetzten W ortes stehen
und d arau s der N am e 2xv&ai selbst nicht w egzudenken ist; die B e ­
zeichnungen enstprechen dem V olksnam en Tavgooxv&cu, der bei
den an deren byzantinischen V erfassern vorkommt, und wahr­
scheinlich R u ssen bedeuten. E s ist uns nicht entgangen, daß sich
die ol vofÄccösg 2xv&ai Bezeichnung an einer Stelle (I 22214) ent­
schieden au f die Seldschuk-Türken bezieht. A ber auch hier han­
delt es sich um denselben F all, wie bei der Benennung Tccvqol xal
2xüSai. Keine der beiden Bezeichnungen gehört näm lich in die
K ategorie des alleinstehenden V olksnam ens.
W ir stützen uns in der U ntersuchung des alleinstehenden
archaisierenden V olksnam ens 2 xv&cil, der in der A le x ias sehr oft
vorkommt, nur auf die Textbedeutung und verm eiden anfänglich
die Anw endung äußerer H ilfsm ittel und historischer Vergleiche.
W ir untersuchen, ob der T ex t solche innere K riterien aufw eist,
die an den B elegsstellen d as zeitgenössische Volk, welches von
Anna K o m n e n e unter 2'xv&ccl verstanden wurde, hervortreten
lassen. Je tz t w ird es klar, wie vorteilhaft e s ist, daß die V erfasserin,
wenn auch antike B eispiele nachahm end, sich au f d as B eispiel H o­
m ers berufend, der die Boioter, sowie einige barbarische Inseln bei
ihrem echten N am en nannte, wegen ,,der G enauigkeit der E rzäh ­
lung“ , dennoch auch echte, wirkliche, m oderne Volksnam en ge­
139

brauchte. Ihre Erzählung w eist näm lich w iederholt solche A bschnitte


auf, in welchen der arch aisieren de Nam e 2xv&cu zur Bezeichnung
einer und derselben M enschengruppe abw echselnd mit einem echten
V olksnam en gebraucht wird, so wie sie dies bereits bei Anw en­
dung an d erer arch aisierender Nam en getan hatte. Die T atsache,
daß sie dieselbe M enschengruppe einm al a ls 2x4&aiy dann wieder
a ls einen Teil eines bei seinem echten N am en genannten V olkes
bezeichnet, ist ein inneres K riterium des T extes, mit dessen Hilfe
wir mit zw eifelloser Bestim m theit festzustellen können, welches
zeitgenössische Volk A nna K o m n e n e in irgendeinem Zeitab­
schnitt der Erzählung einzelner Begebenheiten mit dem Nam en
2xv&cci bezeichne te.
Betrachten wir einen solchen Abschnitt, auf den schon m eh­
rere Forsch er hingewiesen hatten und versuchen w ir die Lösung.
D er K aise r A lexio s Kom nenos w ar gezwungen, wie wir dies be­
reits gesehen hatten, einen großen und langw ierigen K rieg gegen
die Skythen zu führen. A nna K o m n e n e erzäh lt einen A b ­
schnitt dieses K rieges im dritten K ap itel des V II. Buches ihrer
A le x ias (I 233— 240). D er K aiser befürchtete, d as skythische
Heer w erde ihn, wegen der Abw eisung ihrer Boten, angreifen
und zog den Vitzina-Fluß, P liskov und Sym eons-H ügel, der von
den Einheimischen R a tsp latz der Skythen genannt wurde, strei­
fend über d as S id era-T al zu einem Fluß ufer unweit von D ristra,
wo er sein L ag e r aufschlug. Die Skythen beunruhigen mit ihren
A ngriffen d as L ager. D as kaiserlich e H eer begibt unter D ristra
und nimmt die S ta d t nach kurzer Belagerung. Die V erw andten
von T atus verteidigen ab er die beiden Zitadellen der S ta d t noch
weiter, während sich T atu s schon frühzeitig entfernte, um von
den Kum anen für die Skythen H ilfe zu bringen. D er K a ise r
zieht nun sein Heer in die G egend eines Flußes, nahe der
Donau, zurück, und hält einen K rieg srat ab, ob die Skythen a n ­
gegriffen werden so llen ? Von seinen H auptleuten sind P alaiolo-
gos und G regorios M aurokatakalon der Ansicht, man m üsse die
Schlacht mit den Petschenegen (I 235t) verschieben und sich nach
G roß-Preslav zurückziehen. Wenn uns die Skythen so in Sch lach t­
ordnung fortziehen sehen — sagten beide H auptleute — werden
sie ihren K am pfm ut verlieren, G roß -P raslav w ird uns hingegen
Sicherheit gewähren, weil wir von dort mit w iederholten A n g rif­
fen auf die Skythen, sie sogar von der M öglichkeit der N ahrungs­
m ittelbesorgung abschneiden. D er K aise r hörte ab er auf die hitzi­
geren H auptleute, die zum K am pf rieten und stellte sein H eer
am folgenden M orgen in Schlachtreihe. A uch die Skythen stell-
140

ten sich von einer W agenburg unterstützt au f und griffen d as


kaiserliche Heer, d as den Befehl erhielt, die Skythen ganz nahe
zu lassen, an. Die Skythen erschienen mit W agen, F rau und
Kind. D er blutige K am pf w ährte den ganzen T ag: die Skythen
töteten Leon, D iogen es’ Sohn; A drian os, der B ru d er des K a i­
sers drang bis zu den W agen vor und kehrte nur mit zwei G e ­
nossen a u s dem G em etzel der Skythen zurück. W ährend der
Schlacht kamen d a an dere Skythen-H äuptlinge an, die aus grö­
ßerer Entfernung eine V erstärkun g von ungefähr 36.000 Mann
m itbrachten, w orauf d as byzantinische H eer weichen mußte. Nur
d er K a ise r und seine Umgebung hielt sich noch. D rei Skythen
stürzten sich zu Fuß au f den K aiser, der den einen Skythen e r­
schlug und dadurch sich auch von den übrigen befreite. A ls ihn
die Skythen noch kühner angreifen, denkt auch A lexios an die
Flucht. A u f eine SkythenSch.a.r w eisend ru ft e r seinen Leuten
zu: W ir m üssen bei jenen Skythen durchbrechení — und stürzt
sich feurig auf die Skythen. S o schlagen sie sich durch die skythi-
sche Schlachtreihe und gelangen auf die S telle hinter den S k y ­
then. W ährend ihrer Fluch t stoßen sie w ieder au f Skythen. Ein
Skythe w ollte N ikephoros D iogenes von hinten erm orden, doch
kam ihm N ikephoros D iogenes, durch die M ahnung des K aisers
au fm erksam gemacht, zuvor. D er K a ise r sagte sp äter oft seiner
Tochter, der V erfasserin : „H ätte ich an jenem T ag nicht die
Fahne gehalten, w ürde ich mehr Skythen erschlagen haben, a ls
ich H aare am K op f h abe“ . W eil sich ab er ein starker Wind erho­
ben hatte und er auch von den Petschenegen (I 23926) angegriffen
wurde, konnte er die Fahne kaum mehr halten. D azu schlug ihm
ein Skythe mit seiner langen Lanze noch auf die Hand. D a ver­
barg er die Fahne in einem Dickicht und flüchtete sich nachts
mit den seinigen nach Goloe.
A u s dem ausführlich geschilderten A bschnitt über den sky-
thischen F eld zu g A lexios', au s der Beschreibung der N iederlage
bei D ristra geht es a lso offenbar hervor, daß in diesem Abschnitt
die Nam en Sxú&ai, 2xv&ixóg3, (I 23313 24 s0 2 3417 30- 3i 235;{ 20
23 6 22 30 34 2 3 7 4 8 n—12 14 24 2387 20 26 2S 80 32 239, 8 lx 19 27—28) Pet~
schenegen bedeuten, weil die Verfasserin dieses im Laufe der Erzäh­
lung zweimal (I 235, 2392(i) bei ihrem nationalen Nam en UaxQivdaoi
nennt.
Im folgenden A bschnitt werden die Skythen (I 2402t, 241., fl
22 2 s). die nach der Schlacht bei D ristra den Feldh errn Palaiolo-
gos verfolgen, w ieder zweim al (I 24026. 27 241,4) bei ihrem echten
Namen Petschenegen genannt.
14i

D er folgende, längere A bschnitt erzählt, daß die Skythen von


den Kum anen (ü berall: Kófxavoi), die mit T atu s e rst nach d er
Schlacht von D ristra erschienen waren, der Beute wegen an ge­
griffen, besiegt und bei Ozolimne eine W eile um schlossen geh al­
ten wurden. Endlich ziehen die Kum anen wegen M angel an N ah­
rungsm itteln heim, doch mit d er Drohung, sie w erden die Skythen
w ieder angreifen. Die Skythen ziehen dann über die E n g p ässe d es
B alkan gebirges zwischen Goloe und D iam polis nach M ark ella und
schlagen dort ihr L ag er auf. D er K aiser, der die Rückkehr der
Kum anen befürchtete, schließt mit ihnen au f die V erm ittlung
von Synesios einen Frieden, um sie sp äte r gegen die Kum anen
einsetzen zu können. Die Kum anen kehren auch wirklich zurück,
wenden sich jedoch gegen die Skythen. Sie bitten A lex io s um
die Erlaubnis, auch über die P ä sse des B alk an s ziehen zu d ü r­
fen. D er K aise r bewog sie ab er zur Rückkehr. D a begannen die
Skythen w ieder zu plündern. D er K aise r führte, von Philippupo-
lis bis K y p se lla ziehend, einen G uerillen krieg gegen die Skythen.
In einem d ieser G uerillenkäm pfe w urde der Sohn M igidenos’,
eines byzantinischen Soldaten, der die Petschenegen heftig an ge­
griffen hatte, von einem skythischen W eibe erm ordert. A lex io s
schloß mit den Skythen von neuem einen Frieden, sie eroberten
jedoch trotzdem noch Taurokom os. Sie überw interten d aselb st
und plünderten die G egend. E s ist a lso offenbar, daß die in d ie­
sem A bschnitt auftauchenden -5xi5#«t-Stellen (I 2424 1 3 , 5 24322 3 2
2446 1 2 i» 2 s 27 3 2 24515 1 7 2 8 — 9 2464) eb en falls Petschenegen
bedeuten, weil sie die V erfasserin an einer Stelle (I 2452s) Har^i-
vccxoL nennt.
A nna K o m n e n e setzt die Geschichte vom Skythen-K rieg
ihres V aters for und erzäh lt den weiteren V erlau f in den F o l­
genden: Die Skythen eroberten Rhusion und lagerten dann ne­
ben Polyboton. A lexio s zog aus K onstantinopel in die N ähe von
Rhusion. Die V orposten der Skythen ernteten einen kleineren
Sieg und zogen dann au s Polyboton nach einem an deren Ort, n a ­
mens H ades. Ein Skythe, nam ens N eantzes, der früher zum K a i­
ser übergegangen war, versuchte einen V errat am kaiserlichen
Heere, ein h albbarbarischer S o ld a t jedoch, der skythisch ver­
stand, entlarvte ihn, w orauf N eantzes zu den Skythen zurück­
kehrte. In dem darauffolgenden G efecht siegten die durch N ean t­
zes unterrichteten Skythen. D er K a ise r zog zum Fluß, der neben
Rhusion fließt und stellte dort sein mit den Bewohnern von
Rhusion v erstärk tes H eer auf. E s kam aber zu keiner Schlacht,
weil keiner der beiden P arteien den A n griff w agen wollte. In ­
142

zwischen vereinten sich in Rhusion auch die zerstreuten Truppen


des K aisers. T atran es, ein anderer übergegangener Skythe, e r­
teilt dem K aiser einen guten R at und dann flüchtet er sich zu
den Skythen zurück und versucht sie vom K am pfe abzuraten. D er
K a ise r ließ durch die R eiter von M on astras und U zas die wei­
denden P ferd e der Skythen zusam m enfangen, w ährend er die
Skythen von vorne angriff. Sein H eer siegte: viel Skythen wur­
den erschlagen, viele ertranken w ährend der Flucht im Fluße.
D er K aise r zog nach Tzurulon. Die Skythen gingen ihm nach und
lagerten bei dem neben Tzurulon fließenden Xerogypson-Fluß.
D er K aise r erntete, mit H ilfe einer kriegstechnischen Neuerung,
einen großen Sieg und besiegte die angreifenden Skythen auch am
folgenden Tag. D a schlugen die Skythen ihr L ag er neben Klein-
N ikaia an d Bulgarophygon auf, A lexios ab er kehrte in die H aupt­
stad t zurück, den zurückgelassenen Teil des H eeres loannakes
und N ikolaos M aurokatakalon anvertrauend. E r erheilt jedoch
nach kaum sieben T agen die Nachricht, daß die Skythen Choiro-
bakchoi bedrohen. E r kam ihnen eilend zuvor und schloß sich
mit fünfhundert Reitern in die F estun g von Choirobakchoi ein.
Ein Teil der Skythen besetzte den Hügel neben der Festung, ge­
gen 6.000 Skythen zogen jedoch aus, um aus Dekaton N ahrungs­
mittel zu holen. A lexios brach m it seiner Sch ar au s der Festung,
überraschte und tötete die Skythen, die auf dem Hügel waren,
dann ließ er seiner Sch ar die K leid er der Skythen anlegen und
die skythischen P ferd e besteigen, so überrum pelte und besiegte
die übrigen Skythen. D er erste Teil des kaiserlichen H eeres kam
in S kyt he ntr acht gekleidet, mit skythischen K riegszeichen voran,
dann folgten die skythischen K riegsgefangenen, zuletzt schritt en d ­
lich der K aise r mit seiner Schar, au f den Lanzen mit gesteckten
S k y thenh'áuptem: so zogen sie au s Choirobakchoi nach Byzanz,
mit diesem Soldatensch erz überall Furcht und H eiterkeit erregend.
Die Skythen überschwemmten aber den ganzen W esten, plünder­
ten, nahmen Festungen ein und w aren auch in unm ittelbarer Nähe
der H auptstadt, in B ath ys R y ax erschienen. A lexios zog nach
A inos und von dort in die Nähe von Choirenoi. H ier schlug er
zwischen dem Fluß und dem Sum pf sein L ag er auf, hinterließ
dort seine T ruppen und kehrte selbst nach A inos zurück. H ier
wurde ihm gem eldet, daß sich ein großes Skythen-H eer dem L a ­
ger von Choirenoi nähere. D er K aise r eilte in d as L ag er zurück.
Eine große K um anen-Schar kam auch in der N ähe an (immer:
Kój-iavoi). D er K aiser sicherte sich mit geschickter Diplom atie das
Bündnis der Kum anen gegen die Petschenegen. E r ließ eine Brücke
143

schlagen und setzte mit seinem H eer über den Fluß. A uch M e­
lissenos erschien mit dem neugeworbenen Heer. N ach einem k lei­
nen Zusammenstoß mit den Skythen zogen A lexio s und sein Heer
nach Lebunion, N eantzes flüchtete sich w ieder mit einigen S k y ­
then zu ihnen herüber, der K aise r ließ ihn jedoch diesm al gefan ­
gennehmen. V or der Schlacht versuchten die Skythen, die K u ­
manen zu ihren Verbündeten zu gewinnen. Die Kum anen m eld e­
ten ab er dem K aise r die Versuche der Petschenegen und fo rd er­
ten von ihm den K am pf gegen die Skythen. A lexios, au s Furcht,
die Petschenegen könnten die Kum anen dennoch verleiten und
sie gegen ihn wenden, entschied sich zur Schlacht. In dieser
berühmten Schlacht bei Lebunion wurde d as Skythenvolk vom
byzantinischen H eer mit H ilfe der Kum anen vernichtet. Die g e ­
fangengenommenen Skythen wurden in der folgenden N acht vom
byzantinischen H eer niedergem etzelt.
E s ist also klar, daß auch in diesem langen Abschnitt des Sky-
//zen-Krieges der sehr häufig vorkom m ende N am e 2xv&at, ^xvfhxóg3
(I 254— 263 und II 1— 18 p assim ), wie d as durch die ungestörte
Linienführung der E rzählung und durch d as innere K riterium
am Ende des A bschnitts, d. h. weil die Skythen am Ende des
A bschnitts dreim al (II 107 1222 13 3) U cctC)ivúy.oi genannt sind, b e ­
zeugt wird, au f allen B elegsstellen Petschenegen bedeutet.
E s bleibt nur noch übrig, dieses Ergebnis, d as durch die D eu­
tung des T extes, au f G rund von inneren K riterien .gewonnen
wurde, auch weiterhin geltend zu machen, vorläufig jedoch noch
immer ohne Inanspruchnahm e der äußeren, historischen V erglei­
chung. W ir könnten dieses Ergebnis am besten so form ulieren, daß
im überwiegenden Teil der Erzählung des Skyth en-K rieges in
der A lex ias — wir haben bisher nur die V oraussetzungen der
Erzählung und den ersten A bschnitt nicht b esp roch en — d er Sky-
f/zen-Krieg eindeutig a ls ein Petschenegen-K rieg erscheint. W ir w ol­
len jetzt die V oraussetzungen und den Beginn des Skythen-hZrie-
ges des A lexios in der Reihenfolge von A nna K o m n e n es E r ­
zählung näher betrachten. A n der Stelle, wo sie zum erstenm al
auf den Skythen-F eld zu g ihres V aters hinweisit, ist davon die
rede, daß A lex io s im K rieg gegen R obert G uiscard, da die S ch atz­
kam m er leer war, au s den geweihten Kirchengefäßen G eld p r ä ­
gen ließ, um ein H eer au fstellen zu können. E r nahm von die­
sem M ittel auch sp äter einm al G ebrauch — berichtet die V er­
fasserin — ,,als er bereits N achricht davon erhalten hatte, daß
eine andere Feindesw olke, ich meine die Skythen, gegen ihn in
144

Bewegung kam " (I 159?_ 3).8} Dies ist eine so klare Anspielung
auf den Petschenegen-Krieg von A lexios, daß die 2xv&ai — Petsche­
negen Identifizierung ruhig auch hier durchgeführt werden kann.
A lexios wurde wegen dieser Zwangsmaßnahme, zu welcher er im
K rieg gegen Robert G uiscard greifen mußte, von kirchlicher Seite
oft angegriffen. A ls er dann, am Ende des Feldzugs gegen R o ­
bert G uiscard, endlich zu A tem kam, berief er den S ta a tsra t und
verteidigte sich gegen die Anklagen, die inzwischen wegen der
Beschlagnahm e der geweihten Gefäße wider ihn erhoben wur­
den. E r rief dem R at die großen G efahren in Erinnerung, die
dem Reich beim Ausbruch des K rieges gegen Robert G uiscard
von Seiten der P erser ( = Seldschuken), Skythen ( = Petschene­
gen) und Longobardien ( = Robert G uiscard) drohten (I 1901S).8,
W ir m üssen daraus, in Sinne des oben gesagten, die Folgerung
ziehen, daß die Petschenegen bereits vor dem Petschenegen-Krieg
von A lexios, d as Reich bedroht hatten. D er Petschenegen-Krieg
von A lexios begann eigentlich damit, daß sich die kriegs- und
raublustigen M anichäer Bogom ilen), die in der Gegend von
Philippupolis wohnten, unter der Leitung von T raulos gegen den
K aiser erhoben. T raulos eroberte mit seinen M anichäern Veliatova
und sie plünderten zwischen V eliatova und Philippupolis die G e­
gend. „T rau los begnügte sich aber nicht damit, er verband sich durch
einen V ertrag mit den Skythen, die im Paristrion wohnten, er
gewann die H auptleute der G egend von G lavinitza und D ristra
und der N achbar gebiete, heiratete gleichzeitig die Tochter eines
der Skythen-H äuptlinge. E r bemühte sich mit ganzer K raft, den
K aiser mit Hilfe der Skythen zu bedrängen.“ (I 19221-^)**
A lexios versuchte den gefährlichen T raulos mit Versprechungen,
bekräftigt durch ein Chrysobullon, sich zu gewinnen. „D er K rebs
jedoch kann es nicht lernen, auf geradem W ege zu gehen: er
blieb, w as er gestern und vorgestern gewesen war, er lockte die
Skythen von ihren Gebieten zu sich und plünderte wiederholt die
ganze G egend“ (I 192o2— 1933).89 Man sieht, daß diese Skythen-

86 ércei yr.nl aüfhg äXXo vé'pos ây&Q&v, xovg ^ytv&ag Wfti, year' avxov è^oou&v fjôrj
u£[ja9'7jitoi.
87 . . . Tág xß>v JOycvfrwv é'xőoo/nág . . .
88 ô dè T ç av X à g xovxoig ui] dqycov^evog OTtovóág fte x á xeov xö I Ja ç ia r q io v v cu ou év tav
^ytvd '& v éTtoieZco xovg Tteol xrjv T % aß ivixt,av ytal ^1 q io x q a v tfyefiôvag v a l x à x a v x a ig Ttaqa-
ycelfisva vrCorCoio vfievog, u v^OxevOci uevog ciuct éavxtîi v.al xGtv Xoydôiov JZxv&dôv êvàg & vya-
xéçct, GtCsv Ôîov ôZy %Eiçl XvrCfjôai x à v avxoyrqdxoqa Su t x1)g x6>v -Z'jtUD-fov érCeXevGEfùg.
80 d X V ô yiaqycivog ÔQfrà ßaSit,SLV o v u ê f i d v & a v e v ô a v x à g S è ?}v ô yfrèg x a l TCqôxqixa
x ovg x 6 JS x v fr a g vtCotColo v ftsv o g seal T tX siovag ê x x & v G<pexéqfov ftcxaT íSfiT tó/jerog yjoocüv yral
XqÇô/LCSVOg x ù T taq ay c siu sv a ü i t a v x a .
145

Häuptlinge (T raulos heiratete die Tochter eines von ihnen) von


Glavinitza, D ristra und der Umgebung, keine anderen sein können
als T atus und seine Genossen, ihre Untertanen, die im Paristrion
wohnenden Skythen hingegen nur dieselben Skythen, die sp äter
durch d as yévog 'Sy.vÜiy.óv vermehrt wurden und gegen die A le ­
xios seinen Skythen-, bzw. Petschenegen-Feldzug führte. Wenn also
die au s dem T ex t geschöpften inneren Bew eise stimmen, so waren
auch die Skythen au s dem Paristrion, T atus, seine G enossen und
ihre U ntertanen Petschenegen.
A nna K o m n e n e erzäh lt dann, wie der K rieg gegen Robert
G uiscard beendet wurde und wie sich die Seldschuken in K lein ­
asien verbreitet hatten. Ihr Sultan w arb in einem B rief für sei­
nen ältesten Sohn um die H and der Tochter des A lexios. E r habe
gehört — schreibt er — daß der K aise r vom lateinischen K rieg
( — Robert G uiscards A ngriff) kaum befreit, von den Skythen be­
droht werde (I 12610) .!)0 W ieder ein k larer Hinweis auf den
Petschenegen-K rieg von A lexios.
A nna erzäh lt noch den Feldzug A lex io s’, den er zu führen g e­
zwungen war, um die Seldschuken in K leinasien zurückzudrängen
und dann bereitet sie sich zu einer längeren Erzählung vor: sie be­
tont, daß sie die Geschichte des neuen K rieges wegen der Überfülle
der Ereignisse von A nfang an beginnen wolle. Nun sind wir bei der
yévog n -Sxví^xoV-Stelle ! D as yévog %i 2 tcv&lxóv erreicht die Donau
und muß mit jenen, — ergänze: Skythen, w as A nna K o m n e n e
unterläßt — die in der Donaugegend wohnten, eine Vereinbarung
treffen. Von den H auptleuten der letzteren erw ähnt sie T atus
von D ristra auch dem Nam en nach. A n statt G lavinitza, ihres a n ­
deren H auptortes erw ähnt sie hier Vitzina. Der jüngstens ein­
getroffene ,,Skythen-Stam m “ setzt über den Fluß und läßt sich
nach einigen Unruhen im P aristrion nieder. A ls T raulos und seine
M anichäer, die sich in V eliatova festgesetzt hatten, hörten, w as
bei den Skythen vor sich ging, riefen sie die Skythen zur Hilfe.
Die Skythen bestiegen die E n g p ässe und schlugen ihr L ager hin­
ter V eliatova auf. Die kaiserlichen H eeresleiter Pakurianos und
\ ranas stellen sich gegen die überm ächtigen Skythen und. beide
fallen in der Schlacht. D as kaiserliche H eer von Tatikios und
Humbertopulos zieht daraufhin au s A drianupolis nach V lisnos vor
Philippupolis, liefert dort den Skythen ein Gefecht, daß sie die
Flucht ergreifen müssen. T atikios bereitete sich in Philippupolis
zu einem neuen K am pfe gegen sie vor, weil sich die Skythen,

90 . . . o i í t a r á Gov ütői /.táí,o vrai .

Arch. Eur. C .-0. 10


146

die in der G egend von V eliatova plünderten, P hilippupolis näher­


ten. T atikios setzt mit seinem H eer über die M arica. Beide Heere
stehen w ährend zwei T age in Schlachtreihe einander gegenüber,
aber keines w agt den A ngriff. Endlich ziehen die Skythen in d as
Sid era-T al, T atikios jedoch nach A drian upolis, wo e r sein H eer
hinterläßt, und sich nach B yzanz begibt, ln diesem Abschnitt der
Erzählung bezeichnen die B elege der Nam en Sxti&cUf 2xv&iy.óg3 (I
223 Q g 2 i 2 7 1*1 224ls 2 i 2 7 2 8 225h 2 0 2 5 2 0 226jj i^j die Sky then von

Paristrion (— Petschenegen), sowie das neuangesiedelte yévog ti


^ xvfhxóv, wenn dieses — w as sehr wahrscheinlich ist — gleich­
zeitig m it ihnen in den K am pf zog. Die V erfasserin erw ähnt allen ­
fa lls diese Neuanköm m linge bei den sp äteren P aristrion er E reig­
nissen nie gesondert. D er neuangekommene Skythen-Stam m un­
tergeht also in A nna K o m n e n es E rzäh lung in d er Menge der
Skythen von P aristrion.
Je tz t folgt eine kurze Episode, in d er die bisher w ahrge­
nommene und auch sp äter erscheinende Petschenegen-Bedeutung
des N am ens 2xv&ai nicht vorkommt, d a sich der Nam e hier als
Sam m elnam e erw eist. Im d arau f folgenden F rü h jah r erscheint der
skythische F eld h err T zelgu mit einem gemischten H eer von 80.000
Mann, in welchem neben Skythen auch Saurom aten und D aker
( = U ngarn) w aren; die letzteren unter Solom ons Leitung. D as
H eer dringt über C hariupolis bis Skoteinos vor. D as byzantini­
sche H eer zieht unter N ikolaos M aurokatakalon und Vebetziotes
über Pam phylon bis K ule. Die Skythen begeben sich hinter das
byzantinische H eer und folgen ihm nach. A ls M aurokatakalon die
M enge der Skythen sieht, wird ein K rieg srat abgehalten, ob den
Skythen eine Schlacht geliefert werden soll. Sie entscheiden sich
für den K am pf und ernten einen Sieg; T zelgu selb st bleibt auf dem
Schlachtfelde. Viele Skythen fallen w ährend der Flucht zwi­
schen K ule und Skoteinos. D as byzantinische H eer kehrt nach
K onstantinopel zurück. In diesem A bschnitt beziehen sich die B e ­
legsstellen der Nam en 2xv&ai, 2xv&ixógs (I 2273 4_ G 19 2282 7 iG)
a ls Sam m elbezeichnung auf die Petschenegen, Saurom aten und
Ungarn.
N ach d ieser kleinen Unterbrechung knüpft sich der folgende
A bschnitt der Erzählung w ieder an jene großen Abschnitte, in
denen die V erfasserin die Skythen w iederholt HccrÇivàxoi nennt.
Die au s M akedonien verdrängten Skythen kehren wieder in das
P aristrion zurück und plündern von dort au s d as Reichsgebiet.
D er K a ise r will es nicht dulden, daß die Skythen auf byzantini­
schem Boden unabhängig leben. E r zieht deshalb über A drianu-
147

polis nach L ard ea, w ährend er G eorgios Euphorbenos mit der


Flotte au f der Donau nach D ristra befiehlt. E r bespricht im K rie g s­
rat mit seinen H auptleuten, ob sie d as B alkan gebirge besteigen
sollen. Sie beschließen, den K am pf m it den Skythen in P aristrion
aufzunehmen. A ls die Skythen vom Annahen der F lotte und des
liaiserlichen H eeres hören, senden sie Boten zum K aiser, bitten
tun F rieden und versprechen 30.000 R eiter für d as kaiserliche
Heer. A lexios benützte die ihm früher angekündigte Sonnenfin­
sternis, um den Boten der Skythen einen Streich zu spielen,
w eist ihre bitte ab und läßt sie nach K onstantinopel führen. Die
Boten entfliehen jedoch unterw egs und kehren in d as Skythen-
L ager zurück. H ier knüpft dieser A bschnitt dem ersten s b espro­
chenen an, der dam it begann, daß der K aiser, au s Furcht, das
Skythen-H eer w ürde ihn wegen der A bw eisung seiner Boten a n ­
greifen, nach D ristra zog. Die V erfasserin nennt — wie wir d as
bereits gesehen haben — in der Beschreibung der Schlacht von
D ristra die Skythen w iederholt Petschenegen, darum m üssen wir
säm tliche B elegsstellen des N am ens (I 22826 2297 8 10 2i
-.it— 2 2 2 0 23012_ 13 231 2 3 2322 7 12 2 2 3 1 ) auch in diesem A bschnitt
auf die Petschenegen beziehen.
A u s der Textbedeutung und darau s, daß der Nam e Har^ivtxxoi
stellenw eise statt angew endet wird, gelangen w ir zum E r ­
gebnis, daß in einem sehr langen A bschnitt der A le x ias (I 159—
263, d. h. bis zum Ende des ersten B an d es und II 1— 18), der
häufig vorkommende, arch aisierende V olksnam e 2xvxhxóg*
die Bedeutung ‘Petschenegen hat. N äh er betrachtet bedeuten diese
zahlreichen ^ x ^ « t- B e le g e die P aristrion er Petschenegen d es T a ­
tus, sowie d a s unter ihnen an gesiedelte yévog ti 2 xv&itcóv. A u f die
genauere Deutung des yévog ti 2-avÜiv.óv w erden w ir noch zurück­
kehren, wir geben jedoch schon hier unserem V erdach t A usdruck,
daß man auch unter diesem Petschenegen verstehen m üsse. A u s
den vielen 2x?69ai B elegsstellen dieses A bschnittes m üssen wir
nur drei hervorheben. Die erste sahen w ir bereits: die V olksbe­
zeichnung oi vofxúósg I 22214 bezieht sich nach der klaren
•Textbedeutung auf die Seldschuken. Die zw eite Stelle ist jener
Abschnitt (I 227;{ 4 _5 19 2282 7 i6). in dem der archaisierende
V olksnam e 2x{>&ctL ein zusam m enfassender, gem einsam er N am e der
Petschenegen, Saurom aten und U ngarn ist. D iese w erden wir s p ä ­
ter noch ausführlicher untersuchen. D ie dritte (I 2 5 19) erw ähnt
gew isse Skythen im kaiserlichen H eer von K onstantinos D alasse-
nos, das in K leinasien käm pfte. V orläufig lassen wir auch diese
F rage offen.
10*
148

A bgesehen von diesen drei Stellen ergibt sich, auf Grund


der inneren Bew eise des T extes au s den zahlreichen ^nvSai-S te l­
len des ganzen großen Abschnitts, a u s der überwiegenden M ehr­
heit der 2xó&cu-B elege in der A lexias, die Bedeutung ‘P etsche­
n e g e n . W ir wollen jetzt die historische K ontrolle mit Einbezie­
hung der übrigen byzantinischen Quellen durchführen.
Außer A nna K o m n e n e wird der Skythen-Feldzug des ,
A lexio s Kom nenos noch von zwei byzantinischen H istoriken erzählt.
D er eine ist Joh an n es Z o n a r a s . W ährend A nna K o m n e n e
in der A lexias, die sie einzig nur der Regierungszeit ihres V aters
gewidmet hatte und darin von den früheren Begebenheiten nur
jene erwähnt, die mit der Person ihres V aters, oder mit der G e­
schichte der K om nenos-Fam ilie irgendwie im Zusammenhange
stehen, den S&y//ze/z-Feldzug von A lexios sehr ausführlich und
weitschweifend behandelt (I 222— II 18), konnte sich Z o n a r a s ,
dessen 'E tíito^ Unoouln? von der W eltschöpfung bis 1118, dem Tode
A lexios ersteckt, mit diesem K rieg nur sehr kurz befassen. A us
der langen Erzählung d er A le x ia s treten zwei E reignisse hervor:
die N iederlage des A lexio s bei D ristra und sein großer Sieg bei
Lebunion. D iese kann man auch in der kurzgefaßten Erzählung des
Z o n a r a s erkennen, der den V erlauf des K rieges folgenderm a­
ßen m itteilt:91 ,,In jener Zeit [d. h. w ährend der Regierung von
A lex io s Kom nenos, als d as große Erdbeben war] erfolgte auch
die Bewegung des Petschenegen-Volkes, d as von seinem eigenen
W ohnort auf röm isches G ebiet w anderte und ganz Thrakien und
M akedonien plünderte. D er K aiser zog gegen sie ins Feld, seine
Soldaten w aren jedoch übermütig, und er mußte eine schmäch-
liche N iederlage erleiden. Dann zieht e r noch einm al gegen die
B arbaren und liefert dem Feind, nachdem sein H eer in sich
kehrte und sich ganz au f G ott verließ, eine Schlacht. D er Feind
ließ den A ngriff nicht zur E ntfaltung kommen, sondern w arf seine

91 O. a. Ausg. III. S. 740s— 15 : K a rà TovTovg T o vg yqôvovg xal to v t iov

lia T ^ L V d x t a v ë& vovg G v y x iv q G ig yéyovev, tx Tßtv OfpetéqMV rf&ûiv fiera v a G T S V C a v T O g e ig yuíiqav

' Poifiaïxrjv x a l t íjv 0 q d x 7 jv T tä G a v xal t íjv J V Z a x e ö o v ía v Arji^oftévov. xarà tovtcov èxO T qa-

rev G ag ô ß a G ile v g , tm v G x q a x ita T & v d /L aÇ o vevo fiévcov, aiG y q ojg -fjTTijTO. e h ’ a v fr iç ürceiGi

xaT à t&v ß aq ß d q tav , TctTCeivai&eiGrjç Tfjg G T q aT iäg xal tö 7tft v Tfjg fr e ia g éÇaqTiôGijg qo7tf}g,

x al TiqoGßdXXet Tolg T to le filo ig . oi ôè ovôè T fjv ë (p o S o v irrto u elv a. v r e g t à HtcX u xaT à yfjg èqqi-

TtT ovv xal o ia o iy a ïg to v s 'P o o fia to v g ê ^ e x a lo v v T O 7tqàg êZeov. ù tle x o fiè v ovv 7toXv tl tov

2 J x v & ix o v , ol Xotrrfol ôè G v v e la /jß d v o v T o nai f)G av vtCù ÔeGfioîg xal eig d o v le ic c v oi a i% fia -

Z ioT evG avTeg avT ovg d jt e ô i S o v T o . ô ô’ a v T o x q d T to q 7 tltf& o g àT to Z e ^ d fiev o g G(pqiycovT(ov nul

qtoftaX étov eig tù t&v JS io y lé v to v & é fia TOVTOvg G vv yvvacÇ l v.nl T é x v o ig xaT cp xiO e x a l t d y ( t a

T0VT0Vg xaxeGT-ijG ev iôiaÙ TaTO V oï xal fiê% qi tov S e tiq o xarà ô ta ô o y à g ô ia f ié v o v G iv , Eig £7ti-

&BTOV GyóvTe-i tov TÓ7ÍOV, êv o» x aT c ú x íG frrjG av , v.ctl H a T ^ iv d x o i- M oy Z evÎT C ti se aX o v u e v o t.


149

W affen zu B oden und flehte jam m ernd die R öm er um G n ade an.


Infolgedessen w urde ein großer Teil des skythischen H eeres v e r­
nichtet, die übrigen w urden gefangengenom men, gefesselt und
a ls Sklaven verkauft. D er K aiser w ählte die stärksten und rü stig ­
sten von ihnen aus, siedelte sie mit W eib und K ind im Them a
M oglena an und bildete von ihnen eine besondere Abteilung.
D iese bestehen durch Erbfolge bis auf den heutigen T ag und
führen a ls Benennung den Nam en des O rtes, wo m an sie ange-
siedelt hatte, man nennt sie demnach M oglenaer-Petschenegen."
D er geistliche V erfasser rechnet die N iederlage bei D ristra dem
Hochmut der Sold aten zu, w ährend e r den Sieg von Lebunion
ihrer Demut zuschreibt. D iese S te lle vom W erke Z o n a r a s ’ ist
übrigens selbständig, d. h. er schöpft aus einer uns bereits unbe­
kannten Quelle. Die E pisod e d er M oglenaer-Petschenegen bedeu ­
tet einen Zugabe im V ergleich zu A nna K o m n e n e s Erzählung.
M ichael G l y k a s , der vollendes aus Z o n a r a s schöpft, erzählt
dieselbe Geschichte noch kü rzer,92 er nennt d as Volk, w elches den
A lexio s zu erst besiegte und dann von ihm eine N iederlage erlitt,
nur Har^Lvccxoi.
W ie w ir sehen, wird es auch durch andere byzantinische
Q uellen bestätigt, daß A lexio s den Skythen-K rieg gegen die
Petschenegen führte, bzw. daß in diesem großen A bschnitt der
A le x ias (I 159— 263 II 1— 18), abgesehen von den drei erw ähn­
ten Ausnahm en, je d e r 2xv& ai-B eleg Petschenegen bedeutet. D ie­
sen K rieg hat übrigens ein je d e r ernster B earbeiter d er byzanti­
nischen Geschichte als einen F eld zu g des A lexios gegen die
Petschenegen aufgefaß t.
D ie E rzäh lung der A le x ia s hat jedoch noch einen anderen
Skythen-A bschnitt; die darin vorkom menden Skythen w aren nach­
w eisbar eben falls Petschenegen. A n na K o m n e n e erzäh lt von den
glänzenden E rfolgen ihres V aters, die er noch vor der Thronbestei­
gung geerntet hatte, so z. B. wie er a ls bevollm ächtigter F eld h err
des K aisers N ikephoros B otan eiates (1078— 1081), den D ux von
Dyrrhachion, N ikephoros Bryennios, d er sich gegen B otan eiates
auflehnte, besiegte. V or dem E ntscheidungskam pf ste llte N ik e­
phoros Bryennios die Sch ar seiner skythischen V erbündeten ne­
ben seinem eigenen H eer in einer Entfernung von ungefähr zwei
Stadien auf. Den V erbündeten gab Bryennios den Befehl, bei
Beginn der Schlacht dem H eer von A lex io s in den Rücken zu
fallen. A lexios gab hingegen seinen H ilfstruppen, die au s Cho-

02 M ic h ae lis G ly c a e A n n a le s, rec. I. B e k k e r . Bonn, 1836. S. 620is— 1?


150

m aern und Seldschuken bestanden, den Befehl ihre ganze A u f­


m erksam keit auf die Skythen des Bryennios zu richten. In der
Schlacht w urden die Chom aer von den Skythen angegriffen und
mußten die Fluch t ergreifen. In ihrer unbändigen Beutengier
küm m erten sich die Skythen jedoch nicht m ehr um den weiteren
A u sgan g der Schlacht, sondern begannen zu plündern. Die plün­
dernden Skythen erschreckten die N achhut ih res Verbündeten,
Bryennios, dessen H eer infolgedessen in V erw irrung geriet. Die
mit B eute beladenen Skythen kehrten heim und schwächten d a ­
durch die K riegslage des Bryennios. A lexio s konnte seinen Sieg
dadurch den Skythen des Bryennios verdanken. A nna nennt in
diesem A bschnitt die barbarische H ilfstru ppe des Bryennios über­
all (I 2 0 5 8 0 4 21 2 2 - 2 3 2 7 si 2 2 x) und so bietet ihr T ex t in
sich allein keinen A n haltspunkt für die Identifizierung dieser
Skythen.
A nna K o m n e n e hat die Beschreibung der Schlacht, in der
A lexio s Kom nenos noch a ls F eld h err des K a ise rs Nikephoros
B otan eiates den Thronbew erber N ikephoros B ryennios besiegte,
dem zeithistorischen W erk ihres G atten N ikephoros B r y e n n i o s ,
K a isa r und Enkel des D ux von Dyrrhachion, der sich dam als
um den Thron bewarb, entnommen. A u s dem W erk von B r y e n-
n i o s erfah ren wir auch, wie diese Skythen in den D ienst se i­
nes G roß vaters gelangten. N ikephoros Bryennios, D ux von D yr­
rhachion schlug sein H auptquartier, nachdem ihn seine Getreuen
Nikephoros B otan eiates gegenüber zum K a ise r ausgerufen hat­
ten, in A drian upolis auf. E r sandte von A drian upolis einen Teil
seines H eeres unter der Leitung seines B ru d ers Joh an n es B ryen ­
nios vor B yzanz, um die dortige L age auszuforschen. Auch ein
großes H eer der Skythen zog m it Joh an n es, nicht die frem den Sky-
f/ren-Söldner, sondern solche, die län gst au f byzantinisches R eichs­
gebiet herübergekomm en waren. ’* S p ä te r erzäh lt er, daß Jo h a n ­
nes Bryennios die erfolglose B elagerung von B yzan z gerne au f­
gegeben hätte. Die Nachricht, daß eine Skyth en -Schar den H ae­
mus bestieg und in der N ähe von C hersonesos senge und brenne,
diente ihm dazu a ls willkom mener Vorwand. E r gab die B e la ­
gerung auf, zog gegen die Skythen, besiegte sie und führte die
G efangenen zu seinem B ru d er nach A drian upolis. Durch die V er­
mittlung d er G efangenen schließt N ikephoros B ryennios mit den
Skythen ein festes Bündnis, gibt ihnen die Gefangenen zurück

93 N ic e p h o ri B ry e n n ii C o m m en tarii, rec. A. M ein ekc. Bonn, 1836. S.


114i2
151

und erh ält an statten G eisel von ihnen.94 A ls es dann zwischen


dem Thronbew erber N ikephoros Bryennios und dem kaiserlichen
Feldherrn A lex io s Kom nenos zur Schlacht kommt, stellt N ikepho­
ros Bryennios seine skythischen H ilfstruppen am äußeren linken
F lü gel auf, m it dem Befehl, den F ein d mit großem G eschrei a n ­
zufallen. A lexio s stellt ihnen die Seldsch uken und Chom atenen
gegenüber. D ie Skythen schlagen die Chom atenen in die Flucht,
statt ab er sie zu verfolgen, werfen sie sich au f die Nachhut des
Bryennios, plündern und kehren heim. Die Skythen verw irrten
dadurch die Schlachtordnung von B ryennios und erm öglichten den
Sieg des A lexios Kom nenos.95
Die Q uelle A nna K o m n e n es, d as historische W erk ihres
Gatten, N ikephoros B r y e n n i o s v errät bereits, daß d er Thron­
bewerber N ikephoros B ryennios schon zur Zeit, a ls er sich in
A drian upolis festsetzte, eine skythische H ilfstru ppe besaß und
dazu sich w ährend seines A u fen th altes zu A drian upolis neue
skythische V erbündete erw arb. Auch er sagt es jedoch nicht, wer.
diese Skythen waren.
M ichael A t t a l e i a t e s aber, der diese E reign isse unabhän­
gig von der E rzählung A nna K o m n e n es und des N ikephoros B r y ­
e n n i o s , selbständig und mit einigen Abweichungen mitteilt, e r ­
hellt auch diese F rage. A ls die Petschenegen (HccTfyväxoi) hör­
ten, daß sich N ikephoros Bryennios, mit U nterstützung der M a-
kedonen, a ls Thronbew erber gegen den K a ise r M ichael V II. D u ­
kas erhob, belagerten sie N ikephoros B ryennios in A d rian u p o­
lis. Bryennios zahlte den Petschenegen eine große K riegssteu er,
w orauf sich die Petschenegen mit ihm vereinbarten und die B e ­
lagerung aufhoben.96 D arau s ist zu ersehen, daß N ikephoros B ry ­
ennios bereits gegen Ende seines ersten A u fstan d es gegen M i­
chael V II. D ukas mit den Petschenegen in Verbindung trat.
S p ä te r erzäh lt A t t a l e i a t e s , daß N ikephoros Bryennios, der
auch dem K a ise r N ikephoros B otan eiates gegenüber ein Thron­
bewerber blieb, m it dem H eer des kaiserlichen Feldherrn,
A lexios Kom nenos einen K am pf bestehen mußte. A lex io s hatte
seldschukische, Bryennios petschenegische (TIct%Çivày.oi, 2 kvïïiy.ôv)
H ilfstruppen. Bryennios verlor die Schlacht eben wegen der
grenzlosen B eutengier seiner petschene gischen H ilf struppen.97
Ähnlich wird die Beziehung des Bryennios zu den Petschenegen

M A . a. O. S. 117s—12.
95 A . a. O. S. 136i4— 407.
96 O. a. Ausg. S. 261 io— 2so.
97 A. a. O. S. 290,1-2?.
152

in S k y l i t z e s c o n t i n u a t u s 's und auch von Z o n a r a s


e r z ä h lt.'1 D a die skythischen Verbündeten des Thronbewerbers
Bryennios, die bei N ikephoros B r y e n n i o s und A nna K o m-
n e n e erw ähnt sind, bei A t t a l e i a t e s , S k y l i t z e s c o n t i ­
n u a t u s und Z o n a r a s ausgesprochen als naxfyváxoi bezeich­
net werden, so steht es über jeden Zweifel fest, daß die bei
A nna K o m n e n e (I 20— 22) erw ähnten Skythen ebenfalls
Petschenegen waren.
D ie bisherige Untersuchung zeigt demnach, daß A nna K o m-
n e n e mit dem archaisierenden Volksnamen 2xú&cu, 2y.v&ixóg?’ die
Petschenegen bezeichnete.
D ie L age ist jedoch bei weitem nicht so einfach. Die A lexias
hat nämlich zwei Stellen, wo sich die Bezeichnungen 2y.v&rjg,
2xv&at bestimmt auf die Kum anen beziehen, obwohl A nna K o m ­
n e n e die Kum anen im allgem einen bei ihrem nationalen Namen
Kö^iavoi zu nennen pflegt. A n beiden Stellen d er A lex ias, wo Anna
den Nam en 2y.v&ai den Kum anen verleiht, ist von jenem kum a­
nischen F eld zu g die Rede, den die Kum anen im Bündnis mit Leon,
dem Thronbew erber und Pseudo-D iogenessohn, gegen den K a i­
ser A lex io s Kom nenos führten. D ie Kum anen (Kó^avoi) setzten
im P aristrion über die Donau, zogen dann unter T ogortaks L ei­
tung gegen A drian upolis. Die W lachen führten die Kum anen
über die E n g p ässe des B alkan gebirges. Von den Bewohnern der
S ta d t G oloe w urden sie au f genommen. Die Kum anen griffen
A nchialos erfo lglos an, dann belagerten sie A drianupolis. A lexios
schickte der S ta d t unter Leitung von K onstantinos Euphorbenos
K atak alo n eine Hilfe, die Kum anen entdeckten ab er vorzeitig
diese Sch ar und es kam zu einem heftigen Gefecht. In dieser
Schlacht stieß K atak alo n s Sohn, N ikephoros, der G atte M arias,
A n nas Schw ester, mit seiner L an ze einen Skythen nieder. Ob­
gleich die Kum anen im ganzen A bschnitt (II 62s 13 25 28 32 63..
7 ti is io 2 5 6422 65n 2H 33 663 G_T) a ls Kö^iavoL erscheinen, bezeich­
net A nna dennoch am E n de des A bschnittes einen kumanischen
K äm pfer a ls (II 6518).
A nna erzäh lt weiter, daß ein G etreue ihres V aters, A lka-
seus, Leon, den Pseudo-D iogenessohn durch L ist in eine Festung,
nam ens P u tza lockte und dort gefangennahm . Die Kum anen, die
Leon begleitet hatten, zerstreuten sich unter Putza. A lexio s zog
nach K lein-N ikaia und bestand sp äter einen K am pf mit den Ku-

98 O. a. A u sg . S. 730.3— ls.
0 O. a. A u sg . III. S. 717a—u .
153

manen des K itzes, der in der Nähe von Taurokom os herum ­


streifte. A lexio s setzte zu Beginn der Schlacht seine Seldschuk-
H ilfstruppe ein, tun die Kum anen zu reizen. Sie wurden von den
Kum anen auch angegriffen und bis zum byzantinischen H eer ver­
folgt; die Kum anen rüsteten sich sogar, d as H auptheer von A le ­
xios zu befallen. Ein Kum ane näherte sich dem H eer des
A lexios, a ls ob er einen Zweikam pf bestehen wünschte. Diesen
Kum anen tötete A lexios selbst und hob dadurch den M ut seiner
Soldaten, erw eckte jedoch gleichzeitig Furch t bei den Skythen.
In der Schlacht, die mit A lexios' Sieg endete, fielen viele K um a­
nen. Die Kum anen flüchteten sich dem Zygon zu, d er K aise r
folgte ihnen jedoch nach Skutari und A gathonike. D as H eer der
Kum anen lagerte in A vriievo. In der neuen Schlacht siegte w ie­
der der K aiser und die Kum anen flüchteten sich durch den Sidera-
P ass. In diesem ganzen iangen A bschnitt w erden die Kum anen
im allgemeinen bei ihrem nationalen Nam en als Kó^iavoi (II 6 6 , 9 6715
si 6 8 1 7 2 4 2 7 2 9 697 g 1 0 ítí 2i 2 4 7 0 r,_a 2 3 2 7 3 0 3 4 / I 5 1 6 2 <> 2 s)* ein­

mal hingegen (II 703) entschieden als bezeichnet. D araus ist


k lar zu ersehen, daß A nna K o m n e n e mit dem archaisierenden
Volksnam en 2xv&ca außer den Petschenegen an zwei Stellen auch
die Kum anen bezeichnete (II 6518 703).
Die B elegsstellen der Bezeichnung weisen jedoch in
der A lex ias auch eine solche G ruppe auf, die sich zw eifellos auf
die Bulgaren bezieht. A nna K o m n e n e spricht näm lich an meh­
reren Stellen von den zwei Günstlingen des K a ise rs B otaneiates,
von B orilos und G erm anos und nennt auch diese Skythen. A ls
sie diese zum erstenm al erwähnt, redet sie davon, daß ,,die B a r ­
barendiener des K aise rs (sie w aren nämlich Skythen, B orilos und
G erm an os)“ G eorgias M onom achatos, den D ux vom Them a Illy-
rikon, den N achfolger des aufstän disch en B asilak io s, vor dem
K aiser B otaneiates verleum det hatten (I 54 2 0 - 2 t ) 100 In den fo l­
genden erw ähnt sie diese nur a ls Skythen (I 54 2 9 3t 55 7 1 B - 1 6 63d).
A ls sie aber inzwischen erzählt, daß diese beiden M änner den
Zorn des K aise rs N ikephoros B otan eiates gegen A lexios und Isaa-
kios Komnenos, die d am als bereits hohe Hof- und M ilitärw ürden
trugen, erregt hatten, nennt sie die beiden B arb aren einfach ,,S l a ­
wensöhne“ , ^^Xaßoysvslg (I 5823— 5 9 ,).101 Die Volksbezeichnung 2-9-Xa-
ßoysvsXg ist von A nna K o m n e n e auch an einer anderen Stelle,

100 . . . o? ye ßdQßccoot- fiovZ oi tov ccvtokqútoqos (2ty cv9'ai ydç ïo a v BoqTX ós Te xcel
J'eo fic c v ô s) . . .
101 . . . iïvo ß a ftß d o o iv SSd-Xaßoyevßt't’, tov Te IioçtiX ov (píjfii ita l tov ren u avov.
154

die uns a ls A usgangspunkt für die N ationalitätenbestim m ung von


B orilos und G erm anos dienen wird, gebraucht. A ls sie nämlich
von G roß -Preslav, A ltbulgarien s H au p tstad t redet, erzählt sie,
daß diese berühmte D on austad t einst keinen barbarischen Namen
hatte, sondern eine griechische S ta d t m it griechischen Nam en
(MsydXrj IlóXig) war. Seitdem aber d er Bulgarenkönig M okros
(o rcov BovXydycov ßctoiXevg) und seine N achfolger, sowohl a ls auch
Sam uel, d as letzte M itglied der bulgarischen D ynastie (o TsXsvratog
t rjg BovXyccoiy.f:g äwaoreiag) d ieses nördliche G ebiet erobert hatten,
benannten sie die S ta d t mit einem griechischen W ort, und mit
einem aus der Sprache der „Slaw ensöhne“ (rrjv árcö ttöv 2dXaßoyevä)v
éTtLOVQO^iévrj Xéfyv) MeydtXrj ÜQiG&Xdßcc.1 0 2 D iese Stelle m acht bereits
wahrscheinlich, daß A n n a K o m n e n e unter d er Bezeichnung
2&XccßoysvsTg B ulgaren verstand. W ir haben ab er auch andere
B ew eise für die bulgarische A bstam m ung von B orilos und G er­
m anos und auch dafür, w arum sie A nna K o m n e n e dennoch
Skythen nannte. D a s historische W erk ihres Gatten, Nikephoros
B r y e n n i o s , diente — wie wir es bereits w issen — A nna K o m-
n e n e a ls Quelle. Auch B r y e n n i o s spricht w iederholt von
den zwei G ünstlingen des K a ise rs B otaneiates. E r erzäh lt an einer
S te lle: „B o tan eiates san d te seinen treuesten und vertrautesten
Mann, obgleich dieser ein Skythe oder ein My se w ar (sein Name
w ar B o rilo s ) “ 1 0 3 aus, um den von A lexio s Kom nenos gefangenge­
nommenen N ikephoros Bryennios in E m pfan g zu nehmen. D a
jedoch B r y e n n i o s die Petschenegen im allgem einen Skythen,
die B ulgaren hingegen Mvooi nennt, gebrauchte auch A nna K o m-
n e n e zur Bezeichnung der bulgarischen Günstlinge sowohl den
V olksnam en 2x.v&cci, a ls auch S&Xccßoysvstg, der letztere diente bei
ihr a ls literarischer N am e der BovXyagoi.104
D ie Untersuchung von A nna K o m n e n e s V olksnam en führt
a lso zum Ergebnis, daß im V olksnam engebrauch der V erfasserin
der archaisierende V olksnam e 2xv&cu drei Bedeutungen hat: 1 .
Petschenegen, 2 . Kum anen, 3. B ulgaren. A nna K o m n e n e ge­
braucht dem nach den Nam en Sxü&ai zur Bezeichnung der Völker,
die dem türkischen T y pu s angehören. Diesem T ypu s entfallen

10a I. S. 235s—is-
103 O. a. A u sg . S. 1 4 6 io -n : - • • vtiOTÓTaTov nal olxeiÓTctTov ävSoa, síre
si ts JMvaàv (lioçtZccs ÿv tovtm to övofia) . . .
104 D aß BoçzZoç CN3 BoQiXas ein b u lg a risc h e r P e rso n e n n a m e w ar, w ird auch
d a d u rc h bew iesen, daß s p ä t e r (1207— 1218) ein b u lg a risc h e r Z ar m it d em selben
N am en benannt w urde. V gl. G e o rg io s A k ro p o lite s, ed. A. H eisen b erg, S. 24r,
usw.
155

auch die B ulgaren nicht, obgleich sie in ihrer Zeit bereits einen
slaw ischen C h arakter hatten. Den N am en täai, der sich auf den
türkischen R eitem om ad en -T ypu s bezieht, gebrauchte A nna K o in­
n e n e zur Bezeichnung der B ulgaren nur deshalb, weil sie ihn
in ihrer Quelle, im W erke ihres G atten, bereits so vorfand. D ie­
ser dritte B edeutungsw ert gehört a lso g ar nicht dem V olksnam en­
gebrauch A n n a K o m n e n es an, sondern muß a ls eine Ü ber­
nahme betrachtet werden. — D a jedoch in der überw iegenden M eh r­
zahl der bestim m baren F ä lle 2xv&ai Petschenegen bedeutet, m üs­
sen wir behaupten, daß A nna Kom nene den Volksnam en
im allgem einen zur Bezeichnung der Petschenegen benützte.
Bei den anderen Belegsstellen des Volksnam ens 2xv&ai, 2xv&ixóga
geben w eder die A lex ias, noch die anderen byzantinischen Q uel­
len so bestim m te A u fsch lü sse für die ethnische W ertbestim m ung
des V olksnam ens, wie die obigen. A n diesen Stellen, die w ir eben
darum nur der V ollstän digkeit halber kurz zusam m enfassen,
m üssen wir uns mit der F eststellu n g d er W ahrscheinlichkeiten
auf Grund der Textbedeutung und der historischen L ag e begnü­
gen. D rei solche 'Sy.vSai-Stellen (II 37s 25124 2527) w eisen noch
auf den Petschenegen-KrieQ des A lexio s hin. W ir w issen a u s den
abendländischen Quellen, die sich au f den ersten K reuzzug b e­
ziehen und a u s dem bisher über die R olle der Paristrioner-
und M ogleniten-Petschenegen G esagten, daß A lexio s nach sieg­
reicher Beendung des Petschenegen-K rieges die am Leben ge­
bliebenen Petschenegen w ieder in d as kaiserliche H eer einteilte.
E r benützte in seinem H eer oft barbarische H ilfstruppen (oî ê&vixoi)
und diese bestanden m eistens au s Skythen, d. h. w ahrscheinlich
aus Petschenegen. Solche Skythen fielen 1107, nach dem A ben ­
teuer von Isaak io s K ontostephanos in Otranto, in die H ände von
Bohem unds Truppen. D iese G efangenen führte Bohem und vor den
P a p st und benützte sie a ls P ropaganden m ittel gegen den ,,heid­
nischen“ A lex io s (II 16717 2 7 83). S ie w aren a lle r W ahrscheinlich­
keit nach Petschenegen-K.'ànipîer. Je n e Skythen, die 1108 im k ai­
serlichen H eer des K antakuzenos, neben den alanischen und
seldschukischen H ilfstruppen dienten (II 193lt 1 8 19522 2 5 29), kön­
nen auch Petschenegen gew esen sein. Solche Skythen-P etschene­
gen * und N orm annensöldner käm pften auch 1 1 1 2 im H eer des
E ustathios K am ytzes, D ux von N ikaia, gegen die Seldschuken
(II 24523 24613_ 14). A uch im letzten, gegen die Seldschuken g e­
führten F eld zu g des A lexio s w aren Skythen im kaiserlichen
H eer (II 2765 2833 6 1 5 22). Von diesen Skythen-Petschenegen, die
im kaiserlichen H eer dienten, fanden manche ihr G lück au f der
156

m ilitärischen Laufbahn. Der Skythe K a ra tz a s wurde z. B. in die


W ürde eines ^éyaç êrmosidçxVS erhoben (II 2 0 ;! 7113). D er S k y ­
the P itikas wird a ls ein B efehlshaber der kaiserlichen Arm ee e r ­
wähnt (II 27628). W ir begegnen solchen S&y//zen-Petschenegen auch
a ls L äu fer (II 17239), D iener (II 17526 3 0 17718) und Schüler (II
29329). Endlich hören wir noch von einer Skythen-Scha.r, die zu
Zeiten des K a ise rs Joh an n es T zim iskes (969— 976) über d as B a l­
kangebirge drang, d as L an d verheerte und gegen die Tzim iskes
die kriegerischen M anichäer (II 258!t 2 2 29) ansiedelte. Anna
K o m n e n e behauptet, K aiser A lexios h ätte diese Skythen sp ä ­
ter vollkomm en vernichtet, demnach m üssen wir jed er W ahr­
scheinlichkeit nach auch hier an Petschenegen denken . 1 0 5
Indem wir nun au f unsere zweite H auptfrage, auf die eth­
nische W ertbestimmung des archaisierenden Volksnamens 2ccvQo^idrm
übergehen, m üssen wir entschieden gegen die Annahm e der bis­
herigen Forscher, die mit weniger Ausnahm e in dem Volksnamen
Savpoftdrcci Kum anen erblickten, Stellung nehmen. D er eine Grund
d ieser allgem einen A u ffassu n g w ar ohne Zweifel V a s i l j e v s k i j s
Stellungsnahm e, d er die Saurom aten A nna K o m n e n es mit
den Kum anen identifizierte. D er an dere G rund w ar der Umstand,
daß die 2avQO/xdrcei an zwei Stellen der A le x ia s a ls die H ervorru­
fer, bzw. H auptbew eger einer größeren, der Donaulinie nahen­
den Volksbew egung erscheinen. Die Forsch er m einten; indem
sie die völkischen N iederlassungen und die M achtlage der zwei­
ten H älfte des X I. Jah rh u n d erts in B etrach t gezogen hatten, das
H ervorrufen einer solchen größeren Volksbewegung sei dort und
dam als einzig den Kum anen möglich gewesen. F ü r die Kumanen-
Theorie ist drittens der U m stand günstig, daß unser K önig S a lo ­
men, der in seiner Unternehmung gegen B yzanz in der A lex ias
außer den U ngarn und den Petschenegen mit Saurom aten e r ­
scheint, nach den Aufzeichnungen der ungarischen Chroniken im
Bündnis m it den Kum anen käm pfte.
D er erste F eh ler en tstand dadurch, daß die F orsch er anfangs
die Kum anen und Uzen für ein und d asselbe V olk hielten: nicht
V a s i l j e v s k i j allein, sondern auch B ä n e s c u w ar noch die­
ser A nsicht und dies entging den späteren Forschern, obgleich
J . M a r q u a r t die Benennungen beider V ölker schon früher von
einander geschieden hatte. Dennoch war es V a s i l j e v s k i j ,
105 D ie B ezeich n u n gen wie ,,S k y th e n - L a n z e “ (II 199io) o d e r län glich er
„sk y th is c h e r “ S c h ä d e lb e u (I 101 10—11) sind b e re its rein lite ra risch e Elem en te.
S o sp rich t z. B. M ic h ae l P s e 1 1 o s au ch in einer L e ic h e n re d e vom skythischen
S c h ä d e lb a u (ed. K. N. S a t h a s : MeoauaviKi) V. V en etia, 1876. S. 68).
157

der den richtigen A usgangspunkt zur E rklärung des Volksnam ens


^avQo^dzai bei A nna K o m n e n e entdeckt hat. E r ging von jener
Stelle aus, wo A nna K o m n e n e über U zas, einen barbarischen
F eld h erm d es A lexios, sagt, er habe ,,den Namen, den e r trug,
nach seiner A bstam m ung erhalten '. D iesen U zas nennt jedoch
Anna K o m n e n e sonst einen Saurom aten. Die Schw ierigkeit
entstand nur, a ls V a s i l j e v s k i j , auf Grund der dam aligen
Forschungsergebnisse die U z e n = K u m a n e n = P o l ovcen sogleich
identifizierte und somit zum Ergebnis gelangte, daß U zas ein Uze,
bzw. Kum ane war, der Nam e ^avQo^idTca m üsse demnach die K u ­
manen bedeuten.
Die fragliche Stelle bei A nna K o m n e n e soll einer einge­
henden Betrachtung unterzogen werden. A ls der Normannen-
K rieg von A lexios 1089100 im vollen G ang war, wurde von Bohe-
mund auch L a rissa gefährdet, obwohl R obert G uiscard nach Ita ­
lien zurückkehren mußte. Die S tad t wurde zw ar von Leon Kepha-
las tapfer verteidigt, A lexios sah sich aber dennoch genötigt ihm
mit seinem E ntsatzheer zur H ilfe zu eilen. Bohemund lagerte zw i­
schen zwei Bergen in einer W aldenge, die durch einen Fluß und
durch Süm pfe geschützt war. D er K aiser gab dem P halangar-
ches, M ichael D ukas den Befehl, nicht d as ganze kaiserliche H eer
zum Eingang der T alsenge zu führen, sondern dieses draußen
in Schlachtordnung stehen zu lassen und nur einige Seld sch u ­
ken und Saurom aten, die d as Pfeilschießen wohl verstehen, a u s­
zuwählen und diese in die Enge zu schicken. Auch diesen mußte
er befehlen, keine andere W affe, als ihre P feile zu benützen. In
der Schlacht, die sich in der T alsenge entfaltete, zeichnete sich
U zas, ,,der den Namen, den er trug, nach seiner A bstam m ung
erhielt“ durch T apferkeit besonders aus. E r eroberte Bohem unds
Fahne und schlug dadurch Bohem unds Sch ar in die Flucht (Í
17429— 176,,).107 Schon Du C ange stellte fest, A nna K o m n e n e
wies hier darau f hin, daß U zas den U zen entstam m e . 1 0 8 D ieser
U zas spielte im kaiserlichen H eere von A lexio s auch sp äte r eine
bedeutende Rolle. In der Schlacht bei D ristra, die im H erbst 1087

106 In den folgen d en nehm en wir in d er Z eitan g ab e d e r E re ig n isse ü b e r '


all F . C h a l a n d o n s auch V a s i l j e s v k i j s E rg e b n isse verw erten de Z e itb e ­
stim m ungen zum G ru n d .
107 D ie zwei wichtigen A b sch n itten : I 175n—r>: ôliyovg ôè ôu-Zsîv Tovçxatv
iMcl 2,'aVQOfiaTûiv t ijg xoÇeiccg elôrffiovag yutl rovroig Ttaqaytoq^OnL Tfjg eiGóSov . . . und
29—3qî Ov£,äg ôè tíjv ïtjLfjGiv <psçcôvvuov éa tov yévovg Zayotv, wo nach éx tov yévovg
ist die Ergänzung éx tov yévovg (sc. t&v Ovla>v) erford erlich .
108 D u C a n g e: a. a. O. S. 529.
158

gegen die Petschenegen gefochten wurde, w aren U z as und K a ­


ra tzas oi S av p o p ärai die F ü h rer der barbarischen H ilfstruppen,
die im kaiserlichen H eere käm pften (I 23615). W ir sahen bereits,
daß d ieser K a ra tz a s ein einer anderen S te lle a ls Skythe bezeich­
net wird, folglich mußte e r höchstw ahrscheinlich ein Petschenege
gew esen sein. H ier bezieht sich d as A ttribut SavQOfxdrai nur d es­
halb au f beide, weil U zas, des Saurom aten N am e an e rste r Stelle
steht. In der Beschreibung d er Sch lach t bei A vrilevo, die 1095
gegen die K um anen gefochten wurde, offenbart sich dies ganz
klar. A lex io s ließ vor d er Schlacht „d ie F ü h rer der barbarischen
H ilfstruppen, U z a s (dieser w ar einer von den Sau rom aten ),
K a ra tz a s den Skythen und M on astras, den H albbarbaren“ (II
71 1 2 - 1 4 ) zu sich rufen . 1 0 9
U zas also , ,,der einer von den Saurom aten w ar“ und der ,,den
Namen, den er trug, nach seiner A bstam m ung erh ielt“ , erscheint
an allen drei Stellen a ls H äuptling d er Saurom afen-H ilfstruppe,
die im kaiserlichen H eer diente. W elcher N ation alität m ag diese
Saurom aten -H ilfstru ppe angehört haben? W ir sahen bereits, daß
unter den barbarischen H ilfstruppen des A le x io s nach Besiegung
des P etsch en egen-A ufstandes oft Petschenegen-H ilfstruppen e r ­
schienen waren, die jedoch immer a ls ihre H äuptlinge als
bezeichnet wurden. H ätte a lso diese Saurom aten-A btei­
lung au s Petschenegen bestanden, w ürde sie A n na K o m n e n e
nicht 2avQoiA,dzca, sondern 2 y.v3 ui genannt haben. Die Saurom aten-
S ch ar konnte jedoch auch au s Kum anen nicht bestehen. D ies ist der
Punkt, wo sich a lle irren, die für eine kum anische Lösung ein-
treten. Die byzantinischen H errscher konnten bis zum E n de der
Epoche, die für uns in F rag e kommt, a lso bis zum T ode des
K a ise rs A lex io s Kom nenos (1118) keine G elegenheit haben, k u ­
m anische H ilfstru ppen zu organisieren. D en Byzantinern w aren
die Kum anen bis 1078 unbekannt, weil sie au f dem Reichsgebiet
g ar nicht erschienen. Ihr e rste r kurzer A u ftritt au f dem B alkan
erfolgte 1078, im ersten R egierungs jah r von N ikephoros Botaneia-
tes, zur Zeit d er Erhebung des B asilak io s, D ux von Dyrrhachion.
W ährend die kaiserlichen T ruppen m it d er N iederw erfung des
Fein d es in T hessalonike besch äftigt w aren, benützten die P etsch e­
negen ihre A bw esenheit und griffen, von den Kum anen unter­
stützt, A drian upolis an. B ei der raschen A nkunft des k aiserli­
chen H eeres flüchteten sich jedoch die B arbaren und „w agten es

109 . . . xovg x6>v ê & v ïx & v àqynqyovg, r ó v x s OvÇûv (èix. 2Jav(>0(iax6>v ôè o v x o g j x a l


K aqax^ûr tô î JS x v & tjv îca l x ö v (li^oßdoßaQ ov M o v a G x q d v . . .
159

nimmermehr, die römischen G renzen anzugreifen .110 Um dieselbe


Zeit verband sich Leon D iabatenos, Statth alter von M esem bria,
mit den Petschenegen und K um anen.111 Die Kum anen drangen
aber trotzdem nicht in d as Reichsgebiet ein. A u s diesen zweim al
erwähnten Kum anen, den Verbündeten seiner aufständischen B e ­
amten, konnte der K a ise r schon deshalb keine H ilfstruppen o rg a ­
nisieren, weil diese nur ein einzigesm al au f den B alk an einbra­
chen und sich sofort w ieder zurückzogen. Zwischen 1078— 1087
w aren südlich der Donau keine K um anen erschienen. W ir sahen,
daß sie im H erbst 1087 au f den R uf des T atu s und seiner G e ­
nossen sp ä t angekommen w aren und von den Petschenegen den­
noch ihren A nteil von d er Beute forderten. Die Petschenegen
schlugen diese Forderun g ab. Sie griffen daher die P etschene­
gen an und bedrängten sie eine W eile au f die U fer d er Ozolimne
zurück. W egen M angel an N ahrungsm itteln w urden ab er die K u ­
manen zur Heim kehr gezwungen. S ie drohten jedoch den P etsch e­
negen mit ihrer Rückkehr. 1089 erschienen die Kum anen w irk­
lich von neuem und baten den K aise r um die E rlaubn is, durch
die E n g p ässe des B alkan gebirges ziehen zu dürfen, um sich an
den verhaßten Petschenegen zu rächen. A lexio s fürchtete sich
ab er vor den Kum anen und bewog sie mit geschickter D iplom a­
tie zur Heimkehr. Im Frühling 1091 erschienen die K um anen unter
der Leitung von T ogortak und M aniak wirklich von neuem, d ies­
m al ungefähr 40.000 M ann stark. A lex io s m achte sie diesm al ta t­
sächlich zu seinen V erbündeten und besiegte mit ihrer H ilfe am
29. A p ril 1091. in der Sch lach t bei Lebunion die Petschenegen.
Die darauffolgende Schreckensnacht, in der d as byzantinische
Heer die gefangenen Petschenegen niederm etzelte, flößte d er gan ­
zen K um anenschar ein d erartiges E ntsetzen ein, daß sie sich nach­
hause flüchtete. Den versprochenen B euteanteil mußte ihnen
A lexios an d er D onau nachsenden. Im Ja h r e 1095 traten die
Kum anen als A n greifer gegen A lexio s auf, der K rieg endete
jedoch mit der Flucht d er Kum anen durch d as S id e ra -T a l.112 1114
setzten die Kum anen w ieder mit A n griffsabsich ten über die D o­
nau, a ls sie aber N achricht erhielten, daß der K aise r nach Vidin

110 M ich ae l A t t a l e i a t e s : O. a. A u sg . S. 3002i — le. S k y l i t z e s c o n -


t i n u a t u s e rz ä h lt d ie B e g e b e n h e it g le ic h la u te n d : O. a A u sg . S. 741a—s.
111 S k y l i t z e s c o n t i n u a t u 6: O. a. A u sg . S. 743s—4.
112 Z o n a r a s sc h ild e rt den K u m a n e n - K r ie g d e s A le x io s a u s dem J a h r e
1095, in d em er a u s ein er uns u n b ek an n ten Q u elle sch ö pft, seh r bü n dig, a b e r
mit dem gleichen In h alt: O. a. A u sg . S. 744 s—is. M ich ae l G l y k a s sc h ö p fte
ab g ek ü rzt a u s seinem W e rk : O. a. A u sg . S. 621 15—0.
160

gekommen sei, flohen sie wieder an d as andere D onauufer zurück.


Die byzantinische Schar, die der K aise r über die Donau sandte,
verfolgte die Kum anen drei T age am linken Donauufer, diese en tk a­
men jedoch, indem sie au f F lö ssen über einen Nebenfluß der
Donau setzten.113 D arau s ist ersichtlich, daß A lexios Komnenos
daran gar nicht denken konnte, au s den Kum anen H ilfstruppen
zu organisieren. E s ist auch zu betonen, daß die Kumanen, zwei
Stellen ausgenommen, jedesm al bei ihrem nationalen Namen, a ls
Ko[xávoi erscheinen. A n diesen zwei Stellen werden sie jedoch auch
nicht ^uvQOf-iuTai, sondern Sxv&cci genannt.
Kum anische H ilfstruppen konnten demnach in der byzanti­
nischen Arm ee, bis zum Ja h r e 1118, nicht gedient haben. D as G e­
genteil kann w eder durch Angaben bewiesen noch durch die R olle
der Kum anen am B alk an zugelassen w erden.114 W ir haben hin­

113 A le x ia s : O. a. A u sg . II. S. 256— 61.


114 In d er F a c h lite r a t u r habe ich zw ei A n g a b e n gefunden, die meinem
E rg e b n is sch ein b ar w id ersp rech en . G. O s t r o g o r s k y b eh au p tet (a. a. O.
S. 261), daß sich u nter den m an n ig fach en frem d en V olk selem en ten , d ie zu
Z eiten A l e x i o s ’ im b y zan tin isch en H e e r dienten, au ch K u m a n e n vorgefunden
haben. O s t r o g o r s k y sch reibt dies, indem er sich au f zw ei D ip lo m e d es
K a i s e r s A le x io s und au f einen A rtik e l A . A . V a s i l i e v s stützt. U n ter den
frem d en E lem en ten d es b y zan tin isch en H e e re s w erd en je d o c h in V a s i l i e v s
an gefü h rten A r tik e l nicht K u m an e n , so n d e rn U zen erw ähnt (vgl. Sem in ariu m
K o n d a k o v ia n u m IX . [1937] S. 58— 9 ). Im D ip lo m A l e x i o s ’ a u s dem J a h r e
1088 w erd en in d e r A u fz ä h lu n g auch kein e K u m a n e n erw ähnt (vgl. F . M iklo-
sich— J . M ü lle r: A c ta et D ip lo m a ta G r a e c a M ed ii A e v i V I. V in dobonae, 1890.
S . 47). In d er a n d e re n von O s t r o g o r s k y erw äh n ten U rk u n d e d es A lex io s, au s
dem J a h r e 1086 (G. R o u illa r d — P. C o llo m p : A c te s d e L a v ra I. S. 111) w er­
d en bei d er A u fz ä h lu n g d er S o ld a te n K u m a n e n eb e n fa lls nicht erwähnt.
N ur in einer U rk u n d e d er an ge fü h rten U rk u n d en sam m lu n g kom m en K u ­
m anen vor (a. a. O. I. S. 125s 28 1265«), ab er au ch d ie se sin d keine S o ld a te n ,
so n d ern tran sh u m ieren d e H irten a u s d em T h e m a M o g le n a , D ie betreffen d e
U rk u n d e stam m t j a g a r nicht a u s d e r Z eit d e s A le x io s, son dern, wie wir d a s
von F . D ö l g e r w issen (B y z. Z eitschr. X X X I X . [1939] 26 und 34— 5) au s
dem Jah re 1199. — K. Schünemann: U n g a risch e H ilfsv ö lk e r in
d er L ite r a tu r des d eu tsch en M itte la lte rs, U n g a risc h e Jb . IV. (1924)
fü h rt S. 104— 5 zw ei A n g a b e n darüber an, daß die ersten K reu z-
z ü gler, d ie über B u lg a rie n s G eb ie t zogen, von B u lg a re n , K um anen.
U n g a rn und P etsch en egen , die in byzan tin isch en D ien sten standen,
a n ge griffen w urden. E in e sein er A n gab en , au f d ie er sich im Z u sam m en h an g
m it einer d e ra rtig e n B egeb en h eit a u s dem J a h r e 1101 beru ft (M G . S S . V I,
S . 2202o), erw ähnt nur P etsch en egen , kein e K u m an en . S e in e a n d e r e A n g a b e
erw ähnt, daß d ie K r e u z fa h r e r P e te r s von A m ien s im S o m m e r 1096, in der
N ä h e von N is, von B u lg a re n , K u m an en (C o m a n ita e ), U n ga rn und P e tsc h e ­
negen, “ q u i con ven tion e so lid o ru m a d u rb is d efen sio n em co n v en eran t" (M igne
P L . 166, S . 396), an g e g riffen w urden. H ie r w ird a ls o kein e k u m an isch e A b te i­
lung, d ie in d er k aiserlich en A rm e e regelm äß ig D ien st leistete, erw ähnt, wel-
161

gegen m ehrere Bew eise, daß m an auf dem B alkan gebiet Uzen a n ­
siedeln ließ und, daß im kaiserlichen H eer H ilfstruppen der Uzen
dienten.
Die Uzen, die in B yzan z seit den Zeiten von K onstantinos
Porphyrogennetos bekannt waren, brachen, vierzehn Ja h r e vor
dem ersten Erscheinen der Kum anen, w ährend der Regierung
von K onstantinos X. D ukas (1059— 1067), auf *den B alk an ein.
Sie setzten über die Donau, besiegten die Sch aren der D uces B a s i­
leios A p o k ap es und Nikephoros B otan eiates und erstreckten ihre
M acht über die Ebene des rechten D onauufers. D er schwache
K aiser sandte mit G old und G eschenken beladene Boten an die
U zen-H äuptlinge, tun sie zur Rückkehr zu bewegen. E r se lb st zog
nur mit einer kleinen S ch ar von hundertfünfzig M ann bis Choiro-
bakchoi. Dahin kehrten die kaiserlichen Boten mit der u n erw ar­
teten, guten N achricht zurück: die vornehmen U zen seien, nach
Em pfang der Geschenke, an d as linke D onauufer zurückgekehrt,
die M ehrheit des U zen-H eeres sei durch eine Seuche, die infolge
des M angels an N ahrungsm itteln ausbrach, befallen worden. Einen
großen Teil der entkräfteten U zen vernichteten die B ulgaren
und Petschenegen. E in Teil von ihnen flüchtete über die D onau.115
D iese zogen zu dem F ü rsten der ,,M yrm idonen“ , der sie in se i­
nen G ren zstädten an siedelte.116 B é la K o s s á n y i hat e s in über­
zeugender W eise bewiesen, daß der F ü rst der ,,M yrmidonen'*
entweder der russische F ü rst von Kiev, oder der von P e r e ja s la v l’
war, weil die russischen Jah rb ü ch er die gegen 1080 um die bei­
den Fürstentüm er an gesiedelten Torken ( = Uzen) bereits als
„ P e r e ja s la v le r “ erw ähnen.117 Ein an d erer Teil der am Leben ge­

che die d rei m itgeteilten ^av^o^A xai-S te lle n d e r A n n a K o m n e n e d eck en


könnte, son d ern eine bunte G e le g e n h e itssö ld n e r- S c h a r , d ie in den D ie n st d e s
S tr a te g e n von Ni§, bzw. in den d e s D u x von B u lg a r ie n g etreten w ar. Ü b e r ­
dies ste llt S c h ü n e m a n n in seinem an ge fü h rten A r tik e l (S. 104, A n m . 7)
se lb st fest, daß in d e r w estlich en L ite r a t u r d e s M itt e la lt e r s d ie U z en und
die K u m an e n im allgem ein en fü r id en tisch g a lte n u n d nur eine Q u e lle n ste lle
die beiden V ö lk e r von e in a n d er u n tersc h eid et. E s ist d em n ach leicht m öglich,
daß d ie se C o m a n ita e von N is d es um 1125 sch reib en d en A lb e rtu s (A lb e ric u s)
A q u e n s i s au ch U zen w aren.
113 M ich ael A t t a l e i a t e s : O. a. A u sg . S. 83io— 613 ; S k y l i t z e s
continuatus: O. a. A u sg . S. 654io— 623 ; Z o n a r a s : O. a. A u sg . S.
678i — 9i4; G 1 y k a s: O. a. A u sg . 6 0 5 3 - i b .
116 A t t a l e i a t e s : S. 87t»-ie.
117 B. K o s s á n y i: A z úzok é s k om án ok tö rtén etéh ez aX I— X II. sz á z a d ­
ban (Zur G esch ich te d e r U zen u. K u m a n e n im X I — X I I . J a h r h u n d e r t ) . S z á z a d o k
(Ja h r h u n d e rte ) L V I I — V I II . (1923— 4) S. 519— 37; vgl. S. 524— 5.
Arch. Eur. C.-O. 11
162

bliebenen Uzen trat hingegen in den D ienst des byzantinischen


K aisers, erhielt in M akedonien einen Boden, schwor den B yzan ­
tinern Treue ,,und wurde ihr V erbündeter bis auf den heutigen
T a g “ — berichtet A t t a l e i a t e s — , einige erhielten sogar hohe
Hof- und M ilitär würden.118 Von diesen Uzen wurde demnach eine
solche M ilitärkolonie gegründet, wie sp äter von den Mogleniten-
Petschenegen. Zu Zeiten von Rom anos IV. Diogenes (1067— 1071)
finden wir bereits die Uzen, Seite an Seite mit den Petschenegen
im byzantinischen Heer, a ls die V ertreter des leichten R eitervol­
kes, au s dem die barbarischen H ilfstruppen bestanden. S k y l i t ­
z e s c o n t i n u a t u s 119 und Z o n a r a s 120 erwähnen wiederholt
die uzischen H ilfstruppen des H eeres von Rom anos vor und wäh­
rend der Schlacht bei M antzikert (1071). Auch die arabischen
V erfasser erwähnen die uzischen H ilfstruppen des K aisers.121 Ob­
wohl die Schlacht ein tragisches Ende nahm und ein großer Teil
der uzischen H ilfstruppe zu den Seldschuken überging, wurden
die H äuptlinge der Uzen, die im byzantinischen H eer geblieben
waren, sogleich zusam m engerufen und dazu bewogen, ihren T reue­
schwur dem Reiche gegenüber zu erneuern. Die Uzen haben dann
diesen neuen Schw ur wirklich gehalten.
N ach all dem ist nichts wahrscheinlicher, als, daß die Uzen-
Kolonie in M akedonien auch für die A rm ee von A lexios H ilfs­
truppen lieferte. D er Leiter dieser uzischen H ilfstruppe w ar U zas,
der seinen Nam en nach seiner uzischen Abstam m ung erhielt.
E s wird dadurch offenbar, daß der Nam e 2avQO[idzcu, den Anna
K o m n e n e an drei Stellen (I 17514 23615 II 7112_ 14) im Zusam ­
menhang mit diesem U zas erwähnt, die Uzen bedeutet.122
W ir m üssen auch betonen, daß die Annahme, d as ,,ganze
V olk“ der Uzen sei bei dem balkanischen Einbruch vom Ja h re
1064 vernichtet worden, übertrieben sei. W ir finden solche Über­
treibungen bereits in den Beschreibungen der byzantinischen H isto­
riker über die A nzahl der U zen; nach ihnen seien die Uzen mit
ihrem ganzen V olk (rtayysvsi) über die Donau gefahren und die

118 A t ta le ia te s : S. 87io—22; S k y litz e s con tin u atu s: S. 65023— 1\.


119 O. a. A u sg . S. 6684 , 6 8 O17—8, 6 9 I 22, 692io, 695e, 6964 .
120 O. a. A u sg . S. 6992—5.
121 V gl. C. C ah en : L a cam p agn e d e M an tz ik e rt d ’a p rè s le s so u rc e s m u su l­
m an es. B y z a n tio n IX . (1934) S. 629.
122 D er G ru n d d afü r, daß A n n a K o m n e n e den P etsch en egen den an ti­
ken N am en J£*cv&ai gab und die U zen JSavço párat. benannte, muß g ew isser­
maßen in d er östlich -w estlich en L a g e beid er V ö lk e r zu ein an der zu suchen
sein. D ie V e r fa s se r in fan d d ieselb e L a g e d er 2 *v& ai und 2 avqo^drai bei H erodot.
163

Zahl der M änner allein w äre gegen 60.000 gewesen. Die Über­
treibung der Zahlangaben über die B arbaren diente in der offi­
ziellen byzantinischen Geschichtsschreibung oft zur Begründung
der beschämenden N iederlagen, die man von den Barbarenvöl-
kem erlitten hatte. Die H istoriker wollen dadurch die N iederlage
und G efangenschaft der byzantinischen Feldherrn, beim Einbruch •
der Uzen in d as Paristrion, im Ja h re 1064, verschönern. Obgleich
die Uzen von 1060 an durch zwei triftige Gründe der B alk an ­
halbinsel zugetrieben wurden, nämlich durch die große N ieder­
lage, die sie von den russischen F ü rsten erleiden mußten und
durch die Verbreitung der Kumanen, ist es dennoch nicht w ahr­
scheinlich, daß 1064 das ganze Uzen-Volk über die untere Donau
gesetzt hätte.123 Nur ein Teil von ihnen nahm seinen W eg der
Donau zu. Ein anderer, ziemlich bedeutender Teil, konnte unter
der H errschaft der verschiedenen russischen Fü rsten verbleiben.1“*
W ir sahen, daß nach dem großen V erfall von 1064 ein Teil der
am Leben gebliebenen Uzen in byzantinische Dienste trat, ein
anderer Teil sich hingegen mit der Zeit a ls Grenzwache am R and
der russischen Fürstentüm er von K iev und P e re ja sla v l’ nieder­
ließ. Diese friedliche Siedlung erfolgte jedoch nicht von einem
Ja h r auf d as andere. B éla K o s s á n y i hat es mit geistreicher
Beweisführung festgestellt, daß jenes Volk, d as im Ja h re 1068,
zu Zeiten des Königs Salom on, von Osten her nach Siebenbürgen
eindrang und in der sogenannte Schlacht von Cserhalom eine
N iederlage erlitt, nur d as Uzen-Volk gewesen sein konnte, trotz­
dem, daß die B i 1 d e r-C h r o n i k, die P r e ß b u r g e r - und M ü n ­
c h e n e r - C h r o n i k es a ls Kum anen und die P r e ß b u r g e r
J a h r b ü c h e r und K é z a i als Petschengen bezeichnen.126 Nach
ihm mochten die Uzen in Etelköz, an der M oldauer Ebene gehaust
haben, vielleicht bis 1080, denn die russischen Chroniken begin­
nen sie zu dieser Zeit w ieder zu erwähnen. Von der M itte der

123 A u f die L a g e d e r U zen und K u m an en im X I. Ja h r h u n d e r t bezüglich


lagen uns hier und in den w eiteren zwei z u sa m m e n fa sse n d e W erk e zum
G ru n d : der an gefüh rte A rtik e l von B. K o s s á n y i und eine A rb eit C. N e c § u-
1 e s e u s : N ä v ä lire a U z ilo r prin fä rile rom án é ín Im p e riu l B iz an tin , R e v ista
Isto ric ä R o m ä n ä IX . (1939) S, 185— 206, die m it d er nötigen K r itik b eh an d elt
sehr gut zu gebrauchen ist. B e id e haben d a s V e rd ie n st den durch die ru ssi­
schen Chroniken gelieferten S to ff zur G eltu n g geb rach t zu haben.
124 Vgl. C. N ecç u lescu : a. a. O. S. 195.
125 B. K o s s á n y i: a. a. O. S. 532— 3. D ie ü b erzeu gen d e B ew eisfü h ru n g
K o s s á n y is, die au f d e r zeitgen ö ssisch en L a g e d er drei V ö lk e r fußt, hat
auch V alen tin H ó m a n angenom m en: M a g y a r T ö rtén et (Die G esch ich te U n ­
g a rn s), I3. B u d a p e st, 1935. S. 270— 1.
11*
164

siebziger Ja h re des X I. Jah rh u n d erts an begannen die hierherge­


langten Kum anen die U zen zu verdrängen. W ir sahen, daß sich
die R este der Uzen zu dieser Zeit als Grenzw achen der ru ssi­
schen Fürstentüm er verdingten, die kum anischen A ngriffe ließen
sie jedoch auch dort nicht zur Ruhe kommen. Ein Bruchteil der
U zen tauchte infolgedessen im V orfrühling des Ja h r e s 1087 wie-
«► der im B alkan gebiet auf.
Über d ieses E reign is berichtet A nna K o m n e n e : ,,Bei F rü h ­
lingsankunft zog T zelgu durch die T äler, die über der Donau
lagen (dieser T zelgu w ar oberster F eld h err des skythischen H ee­
res), brachte ein gem ischtes Heer von ungefähr 80.000 Mann, das
au s Saurom aten und Skythen bestand, mit sich, auch au s dem
dakischen H eer kam en viele M änner mit, deren Füh rer der so­
genannte Solom on war, und plünderte die Städ te, die in der G e­
gend von C hariupolis lagen “ .120 D as weitere haben wir bereits
gesehen: T zelgus H eer drang über C hariupolis bis Skoteinos vor.
D as byzantinische H eer zog unter der Führung von N ikolaos
M aurokatakalon und V ebetziotes über Pam phylon bis K ule. Die
Skythen zogen hinter d as byzantinische Heer und folgten ihm nach.
A ls M aurokatakalon die große Zahl der Skythen erfuhr, hielt er
K rieg srat darüber, ob e r die Skythen an greifen sollte. Sie en t­
schieden sich für den K am pf und gewannen ihn auch. Tzelgu
selbst w ar gefallen. V iele Skythen fielen während der Flucht zwi­
schen K ule und Skoteinos. D as byzantinische H eer kehrte nach
K onstantinopel zurück.
In dieser Erzählung bedeuten ,,die T äler, die über der Donau
lagen “ die T alsen gen des Balkangebirges. W ir sahen, daß die
ganze Unternehmung nur eine E p isod e des Petschenegen-Feld-
zugs des A lexios war. D a e s nicht erw ähnt wird, daß T zelgu vom
linken D onauufer her über den Fluß gekommen w äre, sondern
nur, daß er über die E n g p ässe des B alkan gebirges drang, war
sein A usgangspunkt zw eifellos d as P aristrion. D a T zelgu a ls F e ld ­
herr der „skythischen A rm ee“ erw ähnt wird, wo außer den S k y ­
then auch Saurom aten und D aker ( = Ungarn) waren, m üssen
wir ihn als einen Führer der P aristrion er Skythen bzw. Petsche­
negen betrachten, weil sich im A bschnitt nur die anderen B elegs­
stellen (I 22719 2282 7 i6)d e s V olksnam ens a ls Sam m elnam e

126 I. S. 2 27i_7 ". "EaQog Sè értupavévTog őieZi9á>v ô TteXyov rà VTtEQxeifiEva tov


zJavovß i(og TéuTtrj ( ÿyeftà)v ôè oVTog VTteçéyMV tov JS x v &mov OTçaTEVfxccTog) GvuuiytTov
êrCayôfisvog GTçdTSVfia <î>oel ycXidôag ôyôofjv.ovTa ëx t e 2£avç>ouaT&v xori 22xv-9"ß>v y,a l ârCb
tov <4aycLKOV OToctTSvuaTos ow c ôXCyovg, Av ô ovto> ycaXov/uevog JZoXoficov 8r}[iaya>yàg fjv,
Tág ycaxà ttjv X açioxntoX iv rCaçaueiftévag TtóXeig éXtfÇeTo.
165

auf die G esam theit der Petschenegen, Saurom aten und D aker
beziehen, auch diese wahrscheinlich nur deshalb, weil die M ehr­
heit des H eeres au s Petschenegen bestand. T zelgu w ar demnach
ein Füh rer der P aristrion er Petschenegen, m öglicherw eise der
O rtshäuptling von G lavinitza, den A nna K o m n e n e bisher nicht
dem Nam en nach erw ähnte. E s ist aber auch nicht ausgeschloßen,
daß er H äuptling der neueren Petschenegen-Schar war, die m an im
neuangekommenen yévog tl '2y.v3 iy.0v verm uten kann.
W er konnten aber die in seinem H eer erw ähnten Sau ro m a­
ten gewesen sein und wie w aren sie in d as P aristrion gekom m en?
Unseren bisherigen Erfahrungen nach bezeichnete A n na K o m-
n e n e die Uzen mit dem Nam en 2avQo^idxcti. Wir müssen also an­
nehmen, daß sie Uzen w aren und w ahrscheinlich von den G e­
bieten nördlich der Donau, m it den U ngarn Salom ons, m it dem
sie bereits nördlich d er D onau in V erbindung getreten waren, in
d as P aristrion eindrangen. K um anen konnten diese Saurom aten
schon deshalb nicht gew esen sein, weil die K um anen e rst im
H erbst 1087, nach der Sch lach t bei D ristra, über die D onau setz­
ten. A nna K o m n e n e hebt es hervor, daß diese Kum anen a u s­
drücklich au f den besonderen R uf von T atu s gekommen w aren und
sie nennt diese schon zu Beginn Kó/.iavoi. Nur an zwei Stellen ge­
braucht sie zu ihrer Bezeichnung arch aisierende Namen, dann e r ­
wähnt sie diese jedoch auch nicht als Saurom aten, sondern a ls
2 y\)$(x,i. A nna K o m n e n e s ganze V ortragsw eise ist eine Versiche­
rung dafür, daß die 2avQo^iáxaL ein an deres, von den Kum anen
abweichendes V olk waren.
W ir m üssen dem nach annehmen, daß die hier erw ähnten
Saurom aten Uzen waren. M it d ieser A nnahm e steht das, w as
unsere Chroniken über Salom ons R olle auf dem B alk an berich­
ten, in entschiedenem G egensatz. U nsere Chroniken sagen über
diese Begebenheiten im allgem einen soviel, daß sich Salom on,
nachdem er au s seiner G efangensch aft zu V isegrád, am 20. A u gu st
1083, befreit wurde, eine W eile noch in der Umgebung des K ö ­
nigs L ad islau s aufhielt, sp äter sich jedoch zum kumanischen
H äuptling K utesk flüchtete. W ir w issen aus an deren Quellen, daß
er zuerst nach R egensburg zu seiner G attin, bzw. zu Heinrich
IV. fuhr und nur a ls d ieser ihm seine H ilfe versagte, sich nach
K utesk begab. D ieses Ereignis, näm lich den A n griff von K utesk
und Salom on gegen U ngarn, können wir ohne w eiteres auf d as
Ja h r 1085 verlegen. Salom on soll nämlich, wie es die Chroniken
berichten, K u tesk unter E id versprochen haben, wenn e r ihm
gegen L ad isla u s beistehe, ihm ganz Siebenbürgen abtrete und
166

seine Tochter heirate. K utesk bew illigte ihm seine Hilfe. Sie dran­
gen auf dem selben W eg nach U ngarn ein, au f dem die Uzen
1068 kamen. L ad islau s besiegte sie jedoch: Salom on und K utesk
mußten fliehen. U nsere Chroniken berichten im Zusammenhang
m it diesen Begebenheiten, daß Salom on nachher mit einer kuma-
nischen Räuberhorde nach B ulgarien und an die griechische
Reichsgrenze gelangte, vom H eer des griechischen K aisers jedoch
eine schwere N iederlage erleiden mußte. Die leichtbewaffneten
Kum anen konnten rasch au s der Schlacht entfliehen, Salom on
ab er und die seinigen, die durch die L a st ihrer W affen gehin­
dert waren, konnten den fliehenden Kum anen nur langsam nach-
folgen. E s w ar W inter und sie verirrten sich im dichten Schnee­
gestöber. F ü r einen T ag fanden sie in einer leeren Festung Un­
terkunft, sie w urden jedoch hier durch die G riechenschar umzingelt.
A u s Furcht einer A ushungerung brachen sie aus der Festung:
viele erlagen, Salom on aber flüchtete sich m it einigen Getreuen
an der eingefrorenen Donau weiter. A m linken D onauufer kamen
sie in einen W ald. H ier trennte sich Salom on von den seinigen
und verschw and für immer. Die frommen Chroniker glauben zu
wissen, daß sich Salom on bekehrte, ein P ilgerleben führte und
einm al sogar in Ungarn, zur Zeit der H errsch aft L a d isla u s bzw.
Kolom ans, a ls B ettler gesehen wurde. Die auslän disch en Chro­
niken behaupten aber, er sei 1087 gestorben, und zwar, nach der
einen Chronik w ährend seines balkanischen Unternehmens gegen
den griechischen K aise r.127
Ju liu s P a u l e r128 sah sowohl in den Kum anen von K utesk
und in denen von der balkanischen Unternehmung Salom ons, wie
in den Kum anen des Einbruchs vom Ja h r e 1068 Petschenegen, da,
nach ihm, die klügelnden Chroniker vom E n d e des X II. Ja h r ­
hunderts an, als d as selbständige Petschenegenvolk bereits erlo ­
schen war, die früheren T aten der Petschenegen auf die K um a­
nen übertrugen. Seiner A nsicht nach m üsse m an bis 1091 über­
all, wo die W iener B i l d e r - C h r o n i k Kum anen erwähnt,

127 Bernoldus monachus S. Blasii a d annum 1087, M G H . P ertz, S S . V.


p. 446: S a lo m o n q u o n d am r e x U n g a ro ru m , sc ilic e t a L a t is la o iam dudum regno
p r iv a tu s et in exiliu m e x p u lsu s, dum q u id d a m fo rtiter co n tra regem G recoru m
m olitu r, p o st in cred ibilem h ostiu m stra g e m et ip se v iriliter occubuit. — Anna-
lista Saxo a d annum 1087, M G H . P ertz, S S . V I. p. 724: S a la m a n U n g a ria e
q u o n d am r e x et K n u t re x D a n o ru m a su is o c c isi sunt.
128 V gl. J . P a u le r : A magyar nemzet története az Árpádházi királyok
alatt (Die G esch ich te d e r u n garisch en N a tio n u n ter den Á r p á d é n ) , I2. B u d a ­
pest, 1899. S. 115— 6 und 151— 3 u n d d ie A nm . 236, 302, 306 au f S. 433 und
444— 5.
167

Petschenegen vermuten. E r erblickt deshalb auch in Tzelgu einen


Petschenegenhäuptling und begründet dies auch dadurch, daß
man bei Anna K o m n e n e unter dem Namen der Saurom aten
Petschenegen verstehen müsse. Im G egensatz zu ihm nimmt Hein­
rich M a r c z a l i , sowohl bei der Begebenheit von 1068, wie bei
denen von den Jah ren 1085— 1087, den in der B i l d e r - C h r o ­
n i k angegebenen Volksnam en an und hält demnach Salom ons
Verbündete, die Untertanen von Kutesk, für Kum anen.129 V alen­
tin H ó m a n erblickt in den Verbündeten Salom ons ebenfalls K u ­
manen.130 D. A. R a s o v s k i j s Ansicht ist auch dieselbe.131
Wir sahen jedoch, daß K o s s á n y i und au f Grund seiner
Beweisführung H ó m a n das im Jah re 1068 eingedrungene Volk
für Uzen hielt. Betrachten wir nun die Volksnamen, die unsere
Chroniken zur Bezeichnung des Volkes, welches in beiden G e­
schehnisgruppen erscheint, gebrauchen:

In 1068: In 1085— 1087:


Preßburger Jahrbücher: 132
Bessern
K ézai:133 B es si
W iener Bilder-Chronik:134 Cuni Cuni
Preßburger Chronik:135 Cuni
Münchner Chronik:136 Cuni Cuni
Heinrich von Mügeln
(deutsche Fassung) : 137 T atter (Heyden) Heyden
Heinrich von Mügeln
(Reimchronik) :.138 T artari

Wenn wir also im 1068 angreifenden Volk, d as die B i l d e r -


C h r o n i k und die M ü n c h n e r C h r o n i k Cuni benannte,
Uzen erblicken, besteht prinzipiell keine Schwierigkeit, daß wir
auch hinter dem Volksnam en Cuni, der in der B i l d e r - C h r o -
129 A magyar nemzet története (Die G esch ich te der u n garischen N atio n ).
H erau sg. v. A. S z ilá gy i. II. B u d a p e st, 1896. S. 80— 1 und 134— 6.
130 A. a. O. I. S. 277.
131 IIoTioBixbi IV. A n n ales de l'In stitu t K o n d a k o v X I. (1939) S. 81— 128; die
in F r a g e stehende S t e lle s. S. 91.
132 E. Sz en tp étery : Scriptores rerum Hungaricarum. B u d a p e st, 1937. I, S
I 263 —5.
133 A. a. O. I. S. 182n —5.
134 A. a. O. I. S. 366i— 8ie und 408i2— IO25.
135 A. a. O. II. S. 3823— 9i4.
130 A. a. O. II. S. 7 5 i 9 - 3i und 78io—is.
137 A. a. O. II. S. 176i— 72i und 1902o— Im.
138 A. a. O. II. S. 26940— 702«.
168

n i k und in der M ü n c h n e r C h r o n i k im Zusammenhang mit


den Begebenheiten der Ja h re 1085— 1087 steht, Uzen suchen. D as
können wir umsomehr tim, weil bei den abendländischen V erfassern
des M ittelalters die Uzen mit den Kum anen allgem ein für identisch
gehalten werden und weil Heinrich von M ü g e 1 ns deutsche Chro­
nik neben der Identifizierung des 1068 erschienenen V olkes mit
den T ataren, sowohl die „K um an en“ von Cserhalom , wie auch
die „K um an en“ von K utesk, „H eyden “ nannte, dieser Nam e be­
zeichnet aber bei ihm außer den Kum anen und Petschenegen
auch die U zen.139 D er Volksnam engebrauch der Chroniken erlaubt
die Annahme, daß die einzelnen Chroniker die T aten des we­
nig bekannten U zenvolkes den Petschenegen ( P r e ß b u r g e r
J a h r b ü c h e r , K é z a i ) , andere den Kum anen ( B i l d e r c h r o ­
n i k , P r e ß b u r g e r C h r o n i k , M ü n c h n e r C h r o n i k ) , wie­
der andere den T ataren (die Chroniken von Heinrich von M ti­
g e 1 n) zuschrieben. Obwohl wir die Siedlungen der Uzen in den
Jah re n 1085— 1087, nach den A ngaben der russischen Jahrbücher
bereits auf den Randgebieten der Fürstentüm er von K iev und Pere-
jasla v l' annehmen müssen, ist es nicht ausgeschlossen, da es sich
hier um die T eile eines zersplitterten Nom adenvolkes handelt,
daß eine ihrer Scharen — vielleicht den Kum anen untertänig —
in die W alachei gelangt oder in der M oldau geblieben war. Hier
mochte Salom on mit K utesk, in dem wir einen Uzenhäuptling
erblicken, in Verbindung getreten sein. K utesk unterstützte per­
sönlich mit seinen U zen d as Eindringen Salom ons nach Ungarn,
in der Hoffnung, daß ihm sein Eidam im F a lle eines Sieges S ie ­
benbürgen überlassen werde, wohin er sich mit seinen uzischen
Untertanen vor den Kum anen zurückziehen könne. D as U nter­
nehmen mißglückte und Salom on flüchtete mit den R esten des
ungarischen und uzischen H eeres in d as P aristrion zu den P etsche­
negen. D iese Petschenegen standen bereits seit 1074 im K am pfe
mit dem Reich. D er Petschenegenhäuptling Tzelgu konnte dem­
nach im Vorfrühling des Ja h r e s 1087 au s dem P aristrion mit
einem solchen gemischten Heer, in dem sich außer seinen eige­
nen Petschenegen die U ngarn ( = D aker) Salom ons und die mit
diesem verbündeten Uzen ( = Sau rom aten ), deren Führer Anna
K o m n e n e unerwähnt läßt, vorfanden, gegen das Reich ziehen.
In jenen 2avQOfxdraL, die d as yévog ti Sxv&ixóv (d as wir für
Petschenegen h alten ), vertrieben hatten, m üssen wir ebenfalls

139 V gl. K . Sch ü n em an n : A . a. O. S . 104, Anm . 7 und E. Sz e n tp é te ry :


A. a. O. II. S. 10949 —51.
169

Uzen erblicken. W ann erfolgte die A nkunft des yévog n 2 y.v3 iy.0v
in das P aristrio n ? Die in der G egend von P hilippupolis wohnen­
den M anichäer erhoben sich unter der Leitung von T rau lo s im
Ja h r e 1084 gegen A lexios. 1085 hausten sie bereits in V eliatova
und plünderten die G egend. Zu dieser Zeit hörte T raulos, a ls
E id am eines P aristrion er Petschenegenhäuptlings, daß die P etsch e­
negen au s P aristrion durch die dortige Siedlung des yévog xi 2 yv3 lyov
v erstärk t w orden waren. D a d as H erabsteigen d ieses V olkes an
die Donau, die V erhandlungen m it T atu s und seinen G enossen,
die F ah rt über die Donau, die Plünderungen d er ersten Zeit und
d er Beginn der Feld arb eiten m indestens ein J a h r in A nspruch
genommen hatten, m üssen wir die A b fah rt des yévog n 2 yv3 lyóv
von seiner H eim at b esten falls an den A n fan g d es Ja h re s 1084
verlegen. Bekanntlich haben die russischen Chroniken von 1080
an, mit den uzischen G renzw achen von K iev und P e r e ja sla v l’, auch
die Petschenegen w ieder zu erw ähnen begonnen. D iese Petsche-
negenschar brachten die U zen m it sich an die russisch e G ren ze.11 ’
Je n e 2cevQo^dxai also , von w elcher d as yévog n 2y.v JLY.6v von T ag
zu T ag geplündert wurde, w aren die Uzen, die an die G renzen
d er russischen Fürstentüm er zogen, d as yévog ti 2 yv&lyóv w ar hin­
gegen ein Bruchteil des Petschenegenvolkes, der sich bereits frü ­
her vor den Kum anen, au f den nördlich des Schw arzen-M eeres
dahinziehenden Steppen unter den Schutz der U zen gestellt hatte.
Nun lebten diese Petschenegen in der N ähe ihrer V olksbrüdern
im Paristrion, sie wollten sich d er lästigen K nech tsch aft en tle­
digen und flohen von den U zen an die D onau und ließen sich,
nach dem Abschluß eines V ertrages, im P aristrion , zw ischen ihren
V olksbrüdem , den U ntertanen von T atu s, die hier ein teilw eise
seßhaftes Leben führten, nieder. H ier w urden sie, nach einigen
Unruhen in der G egend von drei Festungen seßhaft und führ­
ten die Lebensw eise der H albbauer weiter, die sie sich in der
N ach barsch aft der U zen und R ussen angeeignet hatten.
Die Untersuchungen über die Bedeutung des archaisierenden
V olksnam ens 2avooixáraLÍn der A le x ia s zeigen, daß die fünf B e le g s­
stellen (I 17514 22222 2274 23615 II 7113) des V olksnam ens, a lle r
W ahrscheinlichkeit nach Uzen bezeichnen. E s gibt jedoch in der
A lex ias eine sechste B elegsstelle der 2 ccvqo^lútccl (I 1152i), welche
diese einheitliche Bedeutung des V olksnam ens stört. D iese Stelle
bezieht sich jedoch auch nicht auf die Kum anen, sondern auf
die Petschenegen. S ie ist eine A usnahm e, durch welche die R egel

140 V gl. B . K o s s á n y i: A . a. O. S. 529.


170

nicht geschw ächt wird, weil sie eigentlich gar nicht dem V olks­
nam engebrauch der A n na K o m n e n e gehört, sondern dem ihrer
Quelle. D ies ist ein ähnlicher F a ll, wie jener, den wir beim
Volksnam en 2xv&cu inbezug au f die B ulgaren Borilos und G e r­
m anos sahen, welche Bezeichnung A n n a K o m n e n e dem W erk
von N ikephoros B r y e n n i o s entnahm und der demnach die
R egel der Bedeutung — ‘P etschenegen (an zwei Stellen :
K um anen), -► ein berittener N om adentypus* auch nicht durchbricht.
A nna K o m n e n e erw ähnt, im Zusam m enhang m it der F röm ­
m igkeit ihrer Großm utter A nna D alassen a, die zu Ehren der M är­
tyrerin T h ekla erbaute Kirche. B ei dieser Gelegenheit erstreckt
sie sich auf die E pisode, derzufolge K a ise r Isaak io s Kom nenos
(1057— 1059) diese K irche erbauen ließ. ,,D a näm lich die H aupt­
leute der D a k e r den F ried en svertrag, der seit langer Zeit zwi­
schen ihnen und den Röm ern bestand, nicht w eiter einhalten
wollten, sondern den F ried en in verräterisch er W eise brachen
und nachdem dies auch den S a u ro m a te n , welche von den A lten
M ysen genannt wurden, bekannt wurde, wollten sich auch diese
nicht ruhig zwischen ihren Grenzen verhalten (sie bewohnten
näm lich früher jene Gebiete, welche die Donau vom Reich d er
R öm er trennte), sondern erhoben sich in einer M asse und über­
siedelten auf unser Gebiet. D er G rund d ieser Ü bersiedlung w ar
die unversöhnliche F ein dseligkeit mit den Geten. D iese waren
ihre N achbarn und plünderten sie. Sie lauerten deshalb au f den
richtigen Zeitpunkt und a ls sie sahen, daß die Donau eingefro­
ren war, zogen sie, wie über ein F estlan d , von drüben zu uns
herüber, d as ganze V olk stürzte sich au f unsere Grenzen und
plünderte grausam die benachbarten S tä d te und G ebiete“ (I
11518_ S2) -141 Dem K aiser, nachdem er die östlichen B arbaren
( = Seldschuken) in ihrer Unternehmung verhinedrt hatte, w ar
auch dieser Streich leicht gelungen: e r zog gegen sie, tun sie von
den römischen G renzen zu vertreiben. A ls die S a u ro m a te n sahen,
daß der K a ise r mit seinem H eer ihnen bis T riad itza entgegenzog,

141 êrCel yàQ ä g rCdXat eT%ov o l x<7>v ^Jayc& v dçyrrjyéxai. (jtexà x fà v ' P fo u a lc o v OVCovôàç
x rjq e îv e lo é x i ovic 1j&eXov, dXXà TtaqaGTCovôr^Octvxeg ô iéX v G av , x o v x o v ô è ôrfXov x o ïg 2 a v ç o -
fidxccig y sy o v ó x o g , o î rCçôg x & v 7t d X a i JYTvgoI TCçoGrjyoqevovxo, ovôè a v x o l xotg lô lo ig ô ç fo ig
ê u fié v o v x e g fj& eX o v fjGvjrdÇeiv, v e fió u e v o i tC qóxeqov ôrcôO a ö "iG x ço g rtçô g x ijv x & v "P c o /ia tto v
ôioçfÇ ei •fjy su o v ia v , d X X ’ dd -qô ov d rC av aO x d v x sg 7Cçôg x rjv ’fjfieôa7C7]v yf]v usxcpytlo& rjôav. a l x l a
ô è xi]g x ov xco v ftexoiictfoecog x & v JT ex& v x o t’ avx& v àG rCovôog éy& qa ôuoçovvxcov fiè v
ê x e tv o ig , t o v x o v g ô è X rjG xevôvxcav. ô i à x a v x a x a i ç à v êT C ixr^ovvxeg, êrCel x à v ” iG x q o v drto-
x ç v o x a X X io & é v x a sT ôov, &G7teq fptetQcp xo v xm yrq-rjodfievoi é x e t& e v rCqög rffißg /x e x a v iG x a v x a t
ô X o v ë frv o g x o ïg fjtxexéqoig èrCupoQXi.od'èv ôo io ig ycal ô e iv & g êXtfÇovxo x à g T C aqaxE iftévag TCôXeig
x a l %(ù()ag.
9

171

gerieten sie untereinander in Streit. D er K a ise r vertraute ihnen


aber nicht, sondern führte seine A rm ee gegen ihre m ächtigste Schar.
Die Saurom aten ersch racken vom H eer Isa a k io s’, kündeten, in­
dem sie sich lan gsam zurückzogen, den A n griff au f den d rit­
ten T ag an, d a entflohen sie jedoch. Ihr L ag e r w urde B eute des
K aisers. A u f seinem Rückzug w urde d as H eer des K aise rs durch
einen großen Sturm verw üstet: ein B aum w äre fa st au f den K a i­
ser gestürzt. Isaak ios tat d am als ein G elübde und ließ sp äter
dem zufolge die Thekla-K irche erbauen (I 11532— 11716).
In der byzantinischen G eschichtsliteratur, welche die T ra d i­
tionen in Ehre hielt, überging diese E p isod e nach dem folgenden
Stem m a von einem V e rfasse r auf den anderen:
P sellos II 124— 125 A ttaleiates 6620— 674

Sk y litzes continua tus 64518_ 22


______________________________________________ I____________________
I 4 4'
A nna Kom nene I 11518 32 Z on aras III 6715_ 7 G ly k as 6028

Um den ethnischen W ert der archaisierenden N am en A nna


K o m n e n e s bestimm en zu können, m üssen wir dieser W an de­
rung der E p isod e folgen. P s e l l o s (o. a. A usg. II 124— 125,
L X V IIj—je) erzählt sie folgenderm aßen: ,,Indem der K aiser den
Verblichenen durch einen solchen N achfolger beehrte [den ver­
storbenen P atriarch en M ichael K eru llario s nämlich, durch die E r ­
nennung von K onstantinos Lichudes zu seinem N achfolger], nach­
dem e r die Unternehmungen der östlichen B arb aren vereitelte —
und d ieser Streich erw ies sich a ls leichte A u fgabe für ihn —
zog er mit seinem ganzen H eer gegen die w estlichen B arbaren,
welche von der alten W elt M ysen genannt w urden und die m an
sp äter au f den Nam en um taufte, m it dem man sie noch heute
bezeichnet. D iese bewohnten jene G egende, welche die Donau
vom römischen Reich trennt, m achten sich mit ihrer ganzen M asse
au f den W eg und zogen au f unser Gebiet. D er G rund ihrer Ü ber­
siedlung w ar d as Getenvolk, d as ihnen benachbart wohnte, sie
stän d ig plün derte und sie durch die P lünderungen sogar zum
Ü bersiedeln zwang. Sie zogen deshalb über die eingefrorene
Donau, wie durch ein F estla n d zu nus herüber, d as ganze V olk
stürzte sich au f unsere G renzen und konnte sich w eder ruhig ver­
halten, noch der Plünderung derer entsagen, mit denen sie in
N achbarschaft gekommen w a r."142 Dann folgt die C h arakter!sie-
142 T oiovtco T o ty a q o v v d v S q l töv d rC sA rjlv 9 -óto. T iu ijG aç ö ß x ö ile i)? , êrCeiSrj Toi)g ê<ôov$
172

rung des V olkes (II 125— 127): Die Beschreibung ihrer W affen,
ihrer K am pfw eise, ihrer barbarischen Gewohnheiten, ihrer grau ­
sam en W ildheit. B ei der A nsicht des kaiserlichen H eeres wurden
sie durch A n gst gepackt und flohen H als über K opf von dannen.
D as siegreiche H eer von Isaak ios w urde vom Sturm verwüstet.
P s e l l o s erw ähnt a lso keine D aker, nur d a s Volk, d as man
früher M y sen nannte und die Geten, welche dieses V olk verfolgt
hatten. D iese beiden /■ V olksbezeichnungen hat A nna K o m n e n e
von ihm übernommen, m it dem Unterschied, daß sie die M ysen
überdies auch a ls S a u ro m a te n bezeichnete. Sie hat übrigens P s e l ­
l o s ’ T ext fa st wörtlich übernommen.
A t t a l e i a t e s (o. a. A usg. 6620— 674) teilt die E pisode fol­
genderm aßen mit: „D a die gegen Sonnenuntergang wohnenden
S a u ro m a te n und mit ihnen auch die S k y th en der Donaugegend, die
von d er M enge P e tsc h e n e g e n genannt werden, unruhig wurden,
beschied der K aise r die röm ische K riegsm ach t gegen sie zu füh­
ren. N ach den nötigen K riegsvorbereitungen und der m ilitäri­
schen W erbung zog er, in jed er Hinsicht stark, ins F eld . Nach
Sard ik e gelangt, jag te e r den S a u ro m a te n Fu rch t ein und zwang
sie zu einem Freundsch aftsverh ältn is. E r sicherte den Frieden
durch einen V ertrag, und dann zog e r m it seiner A rm ee weiter
gegen d as andere V olk — ich meine die S k y th e n “ , 143 Ihre H äupt­
linge baten auch a lle um Frieden, S eite allein bestand einen
K am pf mit dem K aiser, er w urde jedoch besiegt. B ei Lovitzon
wurde d as kaiserliche H eer durch einen Sturm verw üstet: ein
Baum w äre fast au f den K aise r gestürzt (67r,— 8 14).
S k y l i t z e s c o n t i n u a t u s (o. a. A usg. 64517_ 22) folgt
in allem der Beschreibung von A t t a l e i a t e s , nur die archai-

ßaq3dqovs t& v è rC iye iQ iju d T o iv dveTçÇe, xal to vto ô ij d rC o ay fjo v éG T aT o v avTrS éysyóvei tô

■t ft tf u a , T C avG TçaTia è r tl t o í) s êGrtEQÎovç y to çet, ovg M v G o v ç f*é v ô T td X a i yqô vo g d>v6(xat,ev,


eîxce âè e l$ ö XéyovTai ^STOiVO udG frnqGav v s fió u s v o í ôè brCÓGa ö " I g tqos Ttqôg ttjv t&v

"P c o u a lw v ô io çlÇ ei -fjy e u o v ia v , d fr ç ô o v ts d ita v é G T T jO a v x a l rcçtôg t íj v 'fjf/.zôaTC'ijv y fjv fiSTCoxi-


G fr r jG a v a lxC a ôè a v T o tg t f]s ditavaG TáG ecog tô t &v T et& v ë frv o g , ô fio ço vvT E g f iè v éxE Îvo ig ,
ZrjG TevovTsg ôè to vtovç x a l IrjiÇ ô fte v o i, x a l TCçtôg t íj v u E T O ix s G ía v éxfiiaÇ ôfXE VO f ô ià tuvtu

drC oxçvO TaXX cofrévTi rCoTè t <5> ’ ' I gtqoj &G7taçi y ç rjG d fis v o i, é x s îfrE V tCqôç fifi& s (i e t u v î -
G T a v T a i, ô X o v ë frv o g Toîg ijfie T éçoig érCupooTiafrévTEg ô o ioiç, xal ovx ëyovTEg o v f r ’ ôrCatç û v
'fjçe/j.IjO aiev, óvd"’ őrCcog tovg oïg T to o G ijyytG av (ír j ô yX fjG aiE v.
141 T & v ôè Ttoôg f/Xiov ôvvovT a JS a v ç o fia t & v TaçaTTO/uévcjv, Gvv avroTg ôè xal t&v

tCeqI tôv ,,I gtoov 2 x v 9-&v, ovg IlaT ^ iv d x o v g tô 7tIf]frog xixXrjGxovaiv, ëyvco Xovrtôv ô ßaGi-
Xevg Tàg 'JPatfiaïxàg ôvvdfteig érCeveyxelv x « t ’ aVT&v. x a l tù 7tçôg tôv tCôXeliov éÇaçTÔOag,
x a l tôv gtqcctuotixôv xaTdXoyov 7toi7]Gafievog, TtaGtçQMfjog ëÇeiGi. xal ftéyçt Tfjg JZaçôixfjg
ysvóuEvog x a l xaiarcX rfeag tov g JSav qo p d T ag eig (piXiav êXfrelv GWrjvdyxaGE, x a l avvfrrjxaig
èTCiçQ&Gas tô slq rjv aîo v fieraGTQ a to tCeôevel 7tçôg tov g dXXoyevelg, tov g 21x vfrag <prjfil.
173

sierenden V olksnam en w erden bei ihm durch echte V olksnam en


ersetzt: ,,D a die U ngarn den F rieden mit den Röm ern brachen
und sich auch die Petschenegen au s ihren Höhlen, in die sie sich
zurückgezogen hatten, hervor schlichen und d er benachbarten G e ­
gend einen Sch aden zufügten, zog der K aiser, nachdem er seine
nötigen Vorkehrungen getroffen hatte, in jed er Hinsicht stark,
nach T riad itza. D aselb st em pfing er die Boten der Ungarn und
brachte den F rieden mit ihnen nach M öglichkeit w ieder zur G e l­
tung, dann zog er gegen die Petschenegen“ .144 Die übrigen Petsche-
negenhäuptlinge versöhnten sich a lle m it dem K aiser, nur Seite
allein bestand mit ihm einen K am pf, wobei er eine N iederlage e r ­
litt. B ei Lovitzon w urde diis H eer des K aisers, am T a g d er hei­
ligen Thekla, durch einen großen Sturm verw üstet, ein B aum
wäre fast au f Isaak ios gestürzt. Infolge seines G elü bdes von d a ­
m als ließ er im V lachernai-V iertel die T h ekla-K irche erbauen
(64522 76) .
A ls A nna K o m n e n e die E p iso d e beschrieb, lagen ihr a lle
drei vorhin untersuchten T exte vor. A u s der Schilderung des
S k y l i t z e s c o n t i n u a t u s konnte sie wohl ersehen, daß d as
Reich zu dieser Zeit, a lso 1059 durch zwei V ölker angegriffen
w urde: durch die U ngarn und die Petschenegen. D a sie jedoch
die V ölker nur ungern bei ihren eigenen Nam en nannte, ge­
brauchte sie an S te lle d es N am ens U ngarn, den von ihr zu ihrer
Bezeichnung regelm äßig angew andte Nam en Aäxss, zur B ezeich­
nung der Petschenegen jedoch, obgleich sie diese sonst 2xú&cu zu
nennen pflegte, w andte sie hier unw illkürlich den Nam en ^ccvQo^idxai
an, weil ihr dieser im T ex t von A t t a l e i a t e s vorlag — wenn­
gleich er bei A t t a l e i a t e s zur Bezeichnung der U ngarn gedient
hatte. Sie übernahm hingegen jene F eststellu n g P s e i l o s ', daß die
Petschenegen früher Mvaoi genannt wurden, auch den N am en Térai,
der dem Volk, d as die Petschenegen zur Ü bersiedlung zwang,
gehört und der die U zen deckt, hat sie fertig von ihm übernommen.
S o entstand, halbw egs au s Versehen, unter A n n a K o m n e n e s
F e d e r die einzige 2avQO[xdxai-Stelle, die sich nicht au f Uzen, son­
dern au f Petschenegen bezieht. Sie ist zugleich auch die einzige

144 T & v Ovyyqtov xijv Ttçôç 'PcouaCovg slq ’fjvrjv SiaXvGdvxMv, ical x& v l i a cÇivdicojv
ôè êçeçTtVGdvxojv x&v <fxoXe&v olg ävstcqvßrjGav, v.al XTtv TCaqaxsifiévrjv %ooqav Oiv ô v x o jv , x à
rtqôg xi]V èxG xqaxstav ê^aqxvGag ô ßaGiXevs ëÇsiGi TCaGíqqcofiog s i g T qidôixt,av. èv-sloé x s
Ttqüoßsis 7(qós x&v Ovyyç>Mv (Ovyydçcov ed., corr. J . M o ra v c sik , B Z . 29 : 289) ôeÇdfie-
vos, xfjV fisx’ avx&v slqrjvrjv xvqcoGag êvfjv, èrrCl xovg HaxÇivdicovs ê^&qfirjGe.
174

Stelle, wo die Petschenegen mit einem archaisierenden Namen


nicht 2y.v&ai, sondern 2avQO(j.dzai genannt werden«
Z o n a r a s (o. a. A usg. III 6715— 67210) und G 1 y k a s (ou
a. Ausg. 6 0 2 8 _ 2 o) schöpften auch aus dem S k y l i t z e s c o n t i ­
n u a t u s und teilen den V erlauf des K rieges in gleicher Weise
mit und bezeichnen die Gegner des K aisers Isaakios aus dem
Ja h re 1059 eindeutig a ls die Völker Oi)yyQoi und üctr^Lvaxoi. 1 4 5
Die Untersuchung der 2avgo^dzai-B elegsstellen der A lexias
schließt mit dem Ergebnis, daß der Nam e in fünf F ällen (I 17514
2 2 2 22 2274 23615 II 7113) die Uzen bezeichnet, an einer Stelle
jedoch (I 11521) die Petschenegen; Anna K o m n e n e verfaßte
aber diese einzige Stelle aus Versehen, indem sie einer anderen
Quelle folgte.
W ir müssen noch auf eine wahrscheinliche Entgegnung ant­
worten. Wenn Anna K o m n e n e unter dem Namen ^avQo^idxai
regelmäßig die Uzen verstand, warum identifizierte sie die Uzen
mit den Hunnen [ —Oüvvol] an der einzigen Stelle, wo sie die
Uzen bei ihrem nationalen Namen nannte (I 24227_20) ? Wir kön­
nen auch diese F rage beantworten, wenn wir diese Belegsstelle
näher untersuchen.
Wir haben bereits öfter erwähnt, daß die Kumanen, die in
der Begleitung von T atus verspätet zu der Schlacht bei Dristra,
die im Herbst 1087 stattgefunden hatte, gekommen waren und
stritten sich mit den Petschenegen der Kriegsbeute wegen. Sie
griffen die Petschenegen an, besiegten sie und hielten sie eine
Weile neben dem Ozolimne-See umzingelt. Nachdem Anna K o m-
n e n e diese Begebenheit erzählt, gibt sie die folgende E rk lä­
rung für den Namen des S e e s:146 ,,Der See, der bei uns jetzt Ozo-

145 In den kleineren W erken des M ichael P s e i l o s sind übrigens noch


m ehrere Stellen, die sich auf diesen F e ld z u g des I sa a k io s beziehen. A n d ie­
sen Stellen bezeichnet P s e l l o s die Petschenegen a ls vfrai oder oi ßdqßaqoi:
M ich aelis P se lli sc rip ta m inora, edd. E. K u rtz — F , D rexl, I. M ilano, 1936. S.
4783— 884; II. M ilano, 1941. S. 178is— 834; K . N. S a th a s : Meaaioivix^ BißXiod-^nr]
V. Venetia, 1876. S. 300— 4, 315— 6, 416— 9.
140 fj S è v v v rC aç’ i} tx.lv ’ OÇoXlfiv-q aarovo/LiaÇouévr} fieyíG Ti] f i é v ê o n i t a l t t j v S id ft e-
tq ó v tg i t a l T teq lfieT q o v i t a l t & v ÖTtov ôrjTtOTS <pijfii£ofiéva>v rC aq à t o is yecoyqdtpois X ifiv & v
fi7}Sefii& s e ls ft e y é fr o v s X ô y o v èXXeirCovGa • a e l T a i Sè t& v ’E aaT Ô v lio v v & v v rte q & e v i t a l e ls
avT 7 ]v fiéy iG T o i t e i t a l adXXiGTO i GvqqéoVG i T t o r a f i o l• i t a l it a T à v ó t o v TtoXXdg Te it a l fie y d X a s
i t a l tpoçT vjyovs èO Tiv dvé% oV G a v fja ç , & s e lv a i it d v r e v & e v S fjX o v t ö ß d & o s Tfjÿ X lfiv rjs ôtCôGov
tt êG Tiv. ’ O t,oXlfivr] Sè x a T o jv ó fia G T a i, ov% ő ti ataytov ßaqvöSuov dvaSiScoGiv
T iv o g m ai
drCcxpoQdv, d lX * S t i O v v v i a f js 7tOT6 G t q u ti& s êrCKpoiTTjGdOrjs t fj X lfivrj ( t o v t o v s Sè t o í) s
Ovvvovs O vÇ ovg ■fj iS i& T is drCeicdXeOe y X & T T a) i t a l TCeql t o v s ôy^&ovg t î ) s Xlftvrjs a v X iG a fié v rjs
O v Ç o X lfiv rjv T7]V TOiavTTjv TtqoG TiyoqevxaG i Xifivrjv f ie T à TCqoG9,rjnr]s o l f i a i m al 't o v V tpiov^ev-
175

limne genannt wird, ist, w as seinen D urchm esser und seinen U m ­


fang anbelangt, sehr groß und bleibt an Größe hinter keinem See,
welchen die G eographen bisher wo und wann im m er beschrieben
hatten, zurück. E r erstreck t sich über den H undert H ügeln und
es münden sehr große und schöne F lü sse in ihn. D ieser See trägt
in seinem südlichen Teil viele und große Schiffe, so gar Lastschiffe,
so, daß es auch d arau s offensichtlich ist, wie groß seine Tiefe
ist. E r wird Ozolimne genannt, nicht a ls ob er schlechte D ünste
mit schwerem Geruch ausström en würde, sondern, weil einst ein
Hunnen-Heer zu diesem S ee gelangte (diese Hunnen nennt die
V olkssprache U zen) und am U fer des S ees lagerte, darum wurde
der See Uzolimne genannt, ich glaube durch die Zugabe des
y-Selbstlautes. In den alten Geschichtsw erken ist es nirgends zu
finden, daß dort, wann immer, ein hunnisches H eer zusam m en­
gekommen wäre, dam als, zu Zeiten des K aisers A lexios jedoch
kamen sie von allen Richtungen her und gaben dem Ort diesen
Namen. Die mit dem See verbundenen Dinge stehen demnach
folgenderm aßen; diese sind Dinge, die wir als erste erzählen, um
darauf hinzuweisen, daß w ährend der vielen und nach vielen
Richtungen geführten Feldzügen von A lexios die O rtschaften, teils
von ihm, teils von dem gegen ihn versam m elten Feind, neue Nam en
erhielten. Soviel ich weiß, waren dergleichen Dinge auch zu Zei­
ten des m akedonischen K önigs A lexan d er vorgekommen. E in er­
seits hat ja das egyptische A lexan dreia, an d rerseits das indische
A lexan d reia seinen Nam en nach ihm erhalten und wir wissen, daß
man Lysim achia nach einem Soldaten seiner Umgebung, namens
Lysim achos, benannte. E s würde mich also nicht wundernehmen,
wenn der K aiser A lexios, mit A lexan d er w etteifernd, den O rt­
schaften, teils von den Völkern, die sich gegen ihn zusam m en­

Tog. n a i d rtö fiè v t& v T ta la i& v G v y y q a fjfid T o iv o v y e v o rjT a i 7 to > G v v e X a d -è v ê v T a ü & a Ovvvi-
n ö v G T ç td T S V fx a , é rti ô è to v avT o n q d T o q o g ’^ iX e fy o v tó ts T td v T e g á T ta v T a y ó & e v é n e ïo e G vvsq-

qcoyÓ Teg T<p T Ó T C cfl Ó G Ó cónaG i T o v v o fta . tő , fiè v o v v rte q l T fjg X lfiv r jg (L ó é tC tj é y é T to , [& G 7t e q J

7t a q ’ r jfi& v v ü v 7t q u > T ( ú s iG T o q o V fié v a , Tv' é v ö e i^ a ifj,e 9 ,a , ő ti to v a v T o n q d ro q o g ’^AXegloV T a íg

TtoXXaig n a i T ta v T a y o ü G T q a T r jy ia ig v v v tx é v d tp ' éaV TO V , vöv ô è á rtà t& v é T tiG V q q v é v T c o v

ê y & q & v TtoXXàç iXdfißavov o i tó tC o l T tq o G r jy o q ia g ' to io v to v óé t i n a i ’AXeÇdvôqov t o v


é rti

t& v J V T a n e ó ó v ta v ß a G tX ä to g n a T a f/a v & d v o ). n a i y á q Ő7tov u è v ’^dXeÇdvôqeia -fj j w t ’ u á i y v -


tC to v , Ö T to v ôè ' -AXe^áv ó q e i a k o t’ ’Ivóovg d v t’ è n e iv o v á v ó fia G T a i, ÏG fis v ôè n a i á itö u Iv g i-

fid y o v évög t& v d (A .(p ’ a vT Ö v G T q a T ic o T & v u lv G ifia y la v n a T o v o fid ^ e G & a i. o v n ü v o v v & a v (z a -

G a ífir jv , e i n a i ó ß a G iX s v g 'u á lé & o g t,i]Xov ’AXeÇdvôqeiov d v a X a ß & v őrtov (iè v ég èd'v&v fj

G v q q a y é v T o iv 1) 7t q o G n e n X r jfié v c a v rta q ’ a v T o v r te q i^ ijje to i g T Ó T to ig ô vo u dTcov n a iv Ó T ijT a g fj d tp '

& v avTÖ g n a T E T tq á lg a T O T fjg éaV ToH r tq o G r jy o q la g to tg T Ó r to ig [ x ,e T é ô c o n e . TO G avTa fiè v T te q l T fjg

d v a t& s v e lq r jfié v r jg ’ O t,o X ((x v r jg è ite q q i(p & to ÍO T o q in & T s q o v .


176

scharten, teils von denen, die seinem R uf folgten, neue Namen


gegeben und einigen jener Örter, die er seiner M acht unterwarf,
seinen eigenen N am en verliehen hätte. Soviel stehe denn hier
über den oben erw ähnten See in einer dem H istoriker besser en t­
sprechenden W eise, au s dem Stegreif geschrieben“ (I 2421S— 24320).
Z l a t a r s k i h atte — wie wir uns dessen noch erinnern kön­
nen — diese Stelle als H auptargum ent zur U nterstützung der
Annahm e angeführt, daß d as yévog xi 2xv&ixóv aus uzischen Volks­
splittern bestand. Ihm nach ging die Ü bersiedlung zwischen 1082—
1085 vor sich und die Sied lu n gsstelle dieser uzischen V o lk ssplit­
ter w ar neben dem Ozolimne ( = R asim , R azelm -See), weil, laut
A nna K o m n e n e , der S ee seinen N am en von den Uzen, die
neben ihm lagerten, erhielt. W ir können uns auch dessen erinnern,
daß M u t a f c i e v sich bestrebt hatte, diese Bew eisführung Z 1 a-
t a r s k is durch chronologische G egenargum ente zu erschüttern:
A n na K o m n e n e sa g t ausdrücklich, daß dieses Ereignis ,,ein st“
(Ttoxé) vorsichgegangen war. Z l a t a r s k i hatte e s vergessen, die­
ses W ort zu übersetzen und zur G eltung zu bringen. D a die V er­
fasserin den O zolim ne-See im Zusam m enhang mit der Begeben­
heit von 1086 [richtiger 1087] erw ähnt, könnte sie e s nicht be­
haupten, daß der S ee seinen N am en ,,ein st“ von den U zen erhielt,
wenn dieses e rst einige Ja h r e früher (1082— 1085) zu den N a­
m ensgebern des S e e s gew orden wären. N ach M u t a f c i e v m üs­
sen wir a lso an eine frühere Begebenheit denken, an den großen
Einbruch der U zen im Ja h r e 1064. Die W orte der V erfasserin
können sich nur au f diese beziehen.
M u t a f c i e v s Bew eisführung ist jedoch an zwei Stellen
verfehlt: 1. A nna K o m n e n e e rk lärt es deutlich, daß der See
seinen N am en „d am als, zu den Zeiten des K a ise rs A le x io s“ von
einem Volke, d a s sich von jed er Richtung her hier versam m elte,
erhalten hatte. 2. Die V erfasserin behauptet, daß m an den See
jetzt, zu ihrer Zeit — A nna K o m n e n e schrieb die A lex ias
zwischen 1136— 1148 — Ozolimne nenne, e r w urde jedoch einst
(d. h. im Ja h r e 1087) Uzolim ne benannt, weil ein Uzenheer neben
ihm lagerte. 1087 war, im V ergleich zu der W irkungszeit der V er­
fasserin zwischen den Ja h re n 1136— 1148, bereits rtoxé.
D er T ex t A nna K o m n e n es w äre som it dem W ortlaut nach
zu verstehen. In diesem F a lle w ürde jedoch eine Unterbrechung
in der Bedeutung der E rzäh lung A nna K o m n e n e s erfolgen.
E s w ürde sich näm lich heraussteilen , daß jene JSxti&eu, die Anna
K o m n e n e sp äte r TJax'Qiváy.oi nennt und welche die Kum anen
177

1087, nach der Schlacht bei D ristra, an den See drängten, —


Uzen waren. W enn wir daher diese Stelle, die den Nam en O zo­
limne zu erk lären bestrebt, ernstlich dem W ortlaut nach anneh­
men wollten, so w ürde sich nicht nur d as heraussteilen, w as Z l a ­
t a r s k i bew eisen wollte, nämlich, daß d as yévog rt 2xv&ixóv au s
Uzen bestand, sondern auch, daß die Skythen au s P aristrion a lle
Uzen w aren und der Skythen-Feldzug von A lexio s gar nicht ge­
gen die Petschenegen, sondern gegen die Uzen geführt wurde.
D agegen sprechen jedoch außer den an deren Quellen, die en t­
schieden von Petschenegen reden, auch der V olksnam engebrauch
der A nna K o m n e n e selbst, die den N am en Sxti&ai in diesem
ganzen A bschnitt zw eifellos zur Bezeichnung der Petschenegen
gebrauchte.
Die A n alyse des T extteiles zeigt e s jedoch, daß m an diese
Behauptungen A nna K o m n e n es nicht dem W ortlaut nach a n ­
nehmen darf. Die V erfasserin berichtet, daß man den S ee zu
ihrer Zeit ’OÇoM^vrj nannte und daß die dam alige öffentliche M ei­
nung diesen Namen des Sees mit der Etym ologie eines Gemeinwortes
[ö%si = es hat einen Geruch, es stinkt) zu erk lären suchte. Nun rückt
A nna K o m n e n e mit der neuen Erklärung, die auf ihrer eigenen
Meinung beruht, hervor (,,diese sind Dinge, die wir jetzt a ls erste
erzählen“ , ferner: ,,ich glaube“ ) : Der See erhielt seinen Nam en vom
Volk der OüÇol = Oiïvvoi, d as einst in großer M enge neben dem
See lagerte. D a jedoch die alten H istoriker, im Zusam m enhang
mit dem See, keine derartige Begebenheit erwähnen, mußte dies
zu den Zeiten von A lexios vor sich gegangen sein, weil es sich
dam als wirklich ereignete, daß m an ein ganzes V olk für eine W eile
an d as U fer des S ee s drängte. Sie gibt auch darüber Aufschluß,
weshalb sie dieser neuen E rklärun g bedurfte. Die großen H err­
scher, wie z. B. A lexan d er der Große, pflegten sich in den O rts­
namen ein Denkm al zu stellen. So w äre es nicht zu wundern,
wenn dies auch dem großen A lexios begegnet wäre. Auch ist
diese Nam enserklärung ["O^oXifxvr] = . Oî>^oU(,ivrj ■= See der Uzen)
einem H istoriker viel würdiger, a ls die E rklärun g des „Stinkenden
S e e s“ der allgem einen A u ffassu n g!
Der ganze Teil ist a lso nichts weiter, a ls ein literarisches
Zierat, d as A nna K o m n e n e zur Verherrlichung ihres V aters
selbst erfunden hatte. Sie ließ in der A le x ias keine einzige G e­
legenheit unbenützt, wenn sie dadurch die Größe ihres V aters
hervorheben konnte. So behauptete sie z. B. neben vielem an d e­
ren, d as byzantinische Orphanotropheion (Stadviertel, wo die
Arch. Eur. C .- 0 . 12
178

Arm en und W aisen gepflegt wurden) habe A lexio s gegründet,


obwohl e s bekannt ist, daß dieses bereits vor ihm bestanden hatte.
Hier wollte sie w iederum ihren V ater an dem Ruhm der O rts­
namengebung, ähnlich A lexan d er dem Großen teilhaftig werden
lassen, sie erfan d die neue N am en serklärun g einzig zu diesem
Zweck. Sie konnte den IlccT^ivaxoi — 2xv&ai Nam en der P etsche­
negen keinesw egs mit dem des "OÇoXiycvrj in V erbindug bringen, der
Nam e hingegen bot sich für eine gekünstelte E rklärun g von
selb st dar, weil m an sich von 1087 bis um d as Ja h r 1148 durch
einen m ittelgriechischen ov > o Lautw andel die G estaltung von
3OQoXl^ vtj aus dem Nam en O^'ÇoXiyivrj noch ganz leicht vor stellen
konnte.147 Unbeküm m ert dessen, daß zu Zeiten des F eldzuges
ihres V aters die Petschenegen an den 3OC,oÄlyivr] gedrän gt wurden,
zog sie zur N am enserklärung trotzdem die U zen heran. D a sie
jedoch eines ov im A n lau t bedurfte, gebrauchte sie hier den natio­
nalen Nam en der Uzen und benützte a ls archaisierenden Namen
den V olksnam en Ofivvoi, statt des sonst durch sie gebrauchten 2ccv-
QOfxÚTai, dam it ihre naive W orterklärung sowohl in der vulgarischen,
wie in der klassizisieren den Sp rach e G ültigkeit erlange. Ihre N ai­
vität wird auch dadurch offenbar, daß sie hier wiederum annahm,
der N am e ^O^oXifxvrj sei dam als, 1087, bereits vorhanden gewesen
und m an h ätte ihn, nachdem die Uzen dort gelagert hatten, nur
durch einen y-L au t erw eitern m üssen, dann w äre d as anlautende
u bis zu ihren Zeiten zu einem o-Laut geworden.
E s ist dem nach klar, daß der an W idersprüchen reiche Teil
nichts w eiter a ls ein erdichtetes, literarisches Elem ent ist. Die Ar-
chaisierung des V olksnam ens OiïÇoi — Oftvvoi, die darin vorkommt,
läßt daher die Gültigkeit der Lösung ^ccvgo^drai — Uzen unberührt.148

147 Vgl. J . C zeb e: und Ovyyqía, E gy etem es Philol. Közi. (Archívum


P h ilolo gicu m ) X L I I . (1918) S. 163— 5.
148 Ü brigens, ab geseh n davon , ob sie d ie V erb in d u n g mit den U zen für
richtig hielten o d e r nicht, v e ru rsa c h te d ie g e o g ra p h isc h e Id en tifizieru n g des
O zo lim n e den F o r sc h e r n große Sch w ierigkeiten . D ie d a r a u f bezü glich e L i t e ­
r a tu r faß te C. N e c ç u l e s c u in seinem an gefü h rten A r tik e l zu sam m en : R e-
v ista I sto r ic ä R o m ä n ä IX . (1939) S. 200— 2 . D a s eine steh t fest, daß er einer
d e r S e e n an der u n teren D o n au , in d e r G e g e n d von S ilis tr ia war.
179

III.

N achdem wir den ethnischen W ert der arch aisierenden V o lk s-


namen A nna K o m n e n e s gründlich untersuchten, die histori­
sche R olle der unter den arch aisierenden N am en verborgenen
V ölker bisw eilen durch Einbeziehung an d erer Quellen, klärten
und die E rgebnisse der bisherigen Forschung an einigen Stellen
berichtigten, bleibt uns nichts w eiter übrig, a ls die au f diese W eise
gewonnenen Ergebnisse benützend, die F ragen, die im Zusam m en­
hang mit der erörterten Stelle A n na K o m n e n e s auftauchten,
zu beantworten.
W ir m üssen au f vier H auptfragen antw orten: 1. W elches Volk
ist unter dem von A nna K o m n e n e erw ähnten yévog ti 2xv£hxóv
zu verstehen? 2. W elchem V olk gehörten die Saurom aten an, von
welchen jene vertrieben w urden? 3. W elches Ethnikum wies das
Volk auf, d as unter der Leitung von T atu s und seinen G enossen im
Paristrion, d a s eine gem ischte Bevölkerung besaß, h errsch te? 4.
W aren T atu s und seine G enossen innerhalb des Them as P aristrion
die Leiter örtlicher Autonom ien oder A u fstän d isch e?
1. W as die ethnische Bestim m ung des yévog n 'Sy.vS iy.óv a n ­
belangt, muß m an vor allem eine T atsach e betonen, au f die bisher
kein Forsch er genug scharf hingewiesen hatte. A ls A nna K o m-
n e n e die Geschichte vom Skyth en -Feldzu g ihres V aters vom
Anfang an zu erzählen beginnt, fängt sie dam it an, daß sich „ ir ­
gendein skythisches V olk“ einen neuen W ohnort suchte. Im A u s­
druck yévog tl '2kv# iy.óv der A n na K o m n e n e erw eckt d as unbe­
stimmte Fürw ort tl, sowohl durch den gram m atischen A u fbau des
S atzes als durch den sem antischen W ert des unbestimmten F ü r ­
w ortes TÍg, tL im L eser d as Gefühl der Unbestimmtheit. „ Irg en d ­
ein skythisches V olk “ oder ,,irgendein skythischer Stam m “ : diese
unbestimmte A b fassu n g w eist k lar au f eine T atsach e hin: au f die
nämlich, daß A nna K o m n e n e selb st e s nicht genau bestim ­
men wollte, w elches V olk od er welcher V olk ssplitter an die Donau
gelangt war. Sie w ollte nur d arau f hinweisen, welchem T ypus
der ihr bekannten V ölkerschaften dieses V olk angehörte, mit
welchem der von ihr öfter erw ähnten V ölker es am leichtesten
in Verbindung gebracht w erden könnte. Sie benützte dazu den
a u s dem archaisierenden V olksnam en 2y.v&ai gebildeten Beinam en,
der bei ihr zur Bezeichnung d er Neuanköm m linge dient. Sie bie­
tet dadurch ihren L esern einen A nhaltspunkt dazu, zu welchem
V olkstypus sie diese zählte und wohin ihre L ese r d a s neuange­
12*
180

kommene V olk ungefähr einreihen können. W ir dürfen uns d es­


halb nicht durch die Übertreibung verleiten lassen, m it unfehlba­
rer Pünktlichkeit feststellen zu wollen, w elches V olk A nna K o m-
n e n e unter dem A u sd ru ck yévog tl 2 xv&lxóv verstanden hatte.
Auch im besten F a ll kann m an nur darüber sprechen, welchem
T ypus sie dieses V olk zuteilte und dazu bietet der Beinam e 2xv-
fhxóv einen A nhaltspunkt. D arüber hinaus können wir höchstens
die F eststellu n g dessen unternehmen, w as die zeitgenössische histo­
rische L ag e und die Einrichtung d er V ölker für wahrscheinlich
erscheinen läßt, w elches von den Völkern, die dem 2 x v&ixóg-
T y pu s angehörten, gegen 1084, um die E rlau b n is gebeten haben
konnte, über die D onau ziehen zu dürfen.
Untersuchen wir die V ölker der Reihe nach, die zu dieser
Zeit au s diesem G esichtspunkt in B etrach t kommen können, indem
wir beide Prinzipien zur K on trolle geltend machen.
A u s R u ssen konnte d as yévog tl 2 xv&lxóv nicht bestehen, weil
A nna K o m n e n e , abgesehn von der B ulgaren = Skythen Iden­
tifizierung, die sie der Term inologie des N ikephoros B r y e n ­
n i o s entnommen hatte, nur R eiternom adenvölker türkischer R asse
in den 2xv&ixóg-Typus einreihte. W enn sie an russisch e V olk ssp lit­
ter gedacht hätte, w ürde sie yévog tl T clvqooxvS lxov, oder yévog tl
Tccvqlxov xcci [oder ^'] 2xv&ixóv geschrieben haben. Die dam alige
geschichtliche L ag e spricht jedoch auch gegen die Annahme, daß
d as yévog tl 2 xv&lxóv russisch gew esen w äre. Die russischen F ü r­
stentüm er w aren d am als schon entstanden; selbst der D rang der
Kum anen konnte die w ehrhaften russischen Stäm m e von ihrer
Stelle nicht verdrängen. In den russischen Jah rbüch ern wird auch
keine Erw ähnung getan, daß sich ein russisch er Stam m zu dieser
Zeit eine neue H eim at gesucht hätte. Die D on austädte konnten viel­
leicht von früher her einige seß haft gew ordene russische Bew oh­
ner haben, die diesbezüglichen A ngaben sind jedoch eher a llg e ­
meine R edensarten, die nichts zu bew eisen vermögen.
«
Die Neuanköm m linge konnten, a u s ähnlichen Gründen, auch
keine W lachen gew esen sein. Die W lachen w erden zw ar von A nna
K o m n e n e , der allgem einen A nsicht entsprechend, a ls ein N o­
m adenvolk ch arakterisiert, ihre nom adisierende Lebensw eise wich
jedoch von der r*es Typus 2xy^Lxóg A nna K o m n e n e s bedeutend
ab. Je n e W lachen, die sie kannte, nom adisierten in den Bergen
A ltbulgariens, begleiteten ihre w eindenden H erden zu Fuß
und waren keinesw egs türkischer R a sse. Zum T ypus 2xv&Lxóg von
Anna KxO m n e n e gehörten ab er R eiternom adenvölker türkischer
181

R asse, die au f ihren P ferd en und W agen rasche Streifzü gler der
Steppen und T ieflän d er waren. Ü brigens zeigt auch der V olk s­
nam engebrauch der A le x ias, daß A nna K o m n e n e die W lachen
immer bei ihrem echten Nam en a ls BÄd%OL erw ähnte. Sie hielt die
A rchaisierung ihres N am ens gar nicht für notwendig, weil die
Anw esenheit der W lachen für B yzanz eine d erart gewohnte und
bekannte B alkanerscheinung war, daß die Aufnahm e ihres N a ­
mens in ihr W erk au s byzantinischem G esichtspunkt ebensow e­
nig eine stilistische Unebenheit bedeuten konnte, wie der öftere
Gebrauch des Namens BovXyaçoi. W enn demnach A nna K o m n e n e
an eine A nkunft der W lachen gedacht hätte, w ürde sie diese
unbedingt a ls yévog t i Bla^iy-óv bezeichnet haben. Die L age der
dam aligen V ölker erlaubt jedoch auch die A nnahm e nicht, daß
um 1084 W lachen au s dem N orden zur D onau hätten gelangen
können. W ir w ollen hier nicht versuchen, die A rgum ente gegen
die Theorie der dakorum änischen K o n tin u tä f zu wiederholen.
W enn wir jedoch die oft w iderlegten und unannehm baren A n ­
gaben der N e s t o r-C h r o n i k und der Chronik von A n o n y ­
m u s unbeachtet lassen, dann wird von D akiens Räum ung im Ja h r e
271 n. Chr. bis zu einem P atent des K ön igs A n d reas II. im Ja h r e
1222, ein nördlich der Donau herum schweifender, neulateini­
scher bzw. w lachischer V olksteil von einer einizgen Quelle, vom
historischen W erk des N ik etas C h o n i a t e s im Zusam m enhang
mit einer Begebenheit vom Ja h r e 1164 an den Südgrenzen von
G alizien erw ähnt.149 D a jedoch diese A ngabe die W lachen ach t­
zig Ja lire nach dem in F ra g e stehenden Zeitpunkt au f einem
Gebiet nördlich der Donau erw ähnt und sich ausdrücklich nur
auf balkanische W lachen bezieht, die mit dem byzantinischen K a i­
ser in Verbindung stan den und nur ihre H erden d aselb st w eide­
ten, kann sie die E xisten z der W lachen am linken D onauufer
um 1084 nicht beweisen, nur soviel, daß nach dem V erlauf von
achtzig Jah ren , — das im Leben und in der W eidenausw ahl eines
Nom adenvolkes eine lange Zeit ist — ein Teil der balkanischen
W lachen bereits auch die G egende nördlich der Donau besuchte.
A uf Grund beider G esichtspunkte m üssen wir daher die schüch­
ternen A nspielungen I o r g a s und B ä n e s c us au f den an geb­
lichen wlachischen C h arakter des yévog t i 2xv3iy.óv zurückweisen.
Die historische L ag e w ürde e s erlauben, in dem neuangekom-
menen V olk U zen zu vermuten. D a im V orfrühling des Ja h r e s

140 E d . I. B e k k e r. B on n , 1835. S. 171s—io.


182

1087, ein uzischer V olkssplitter in V erbindung mit Salom on, au s


einem nördlich der Donau liegenden G ebiet kommend, im Pari-
ßtrion erscheinen konnte, hätte dies auch drei Ja h r e früher, gegen
1084 geschehen können. Auch der 2xv&Lxóg-T ypu s A nna K o m n e -
n e s w ürde diese Annahm e zulassen, ihr V olksnam engebrauch
innerhalb dieses T ypus müßte jedoch derselben widersprechen,
denn w ollte sie hier ein U zenvolk ahnen lassen, dann w ürde sie
dieses eher a ls yévog tl 2 ccvqo[acitlxóv oder Oúvvlxóv bezeichnet
haben. D ieser Annahm e w ider spricht übrigens auch die Tatsache,
daß die neuen S ie d le r gerad e durch die Saurom aten bzw. Uzen
zur Ü bersiedlung gezwungen w orden waren.
W ir könnten im Rahm en von A nna K o m n e n es 2xv&Lxóg-
T ypus auch Kum anen vermuten. D iese Annahm e würde auch der
N am ensgebrauch innerhalb des T y p u s unterstützen, nachdem wir
bereits gesehen haben, daß A nna K o m n e n e die Kum anen an
zwei Stellen 2xv&ccl nannte, wenngleich nur darum , um ihren Stil
gew isserm aßen abw echslungsreicher zu gestalten. D a sie jedoch
die Kum anen sonst überall bei ihrem nationalen Nam en erwähnt,
ist e s wahrscheinlicher, daß sie, w ollte sie die A nkunft des Ku-
m anenvolkes andeuten, eher yévog t l Ko^iavixóv geschrieben hätte.
Die historische L ag e spricht auch gegen die Annahme, weil e s zu
d ieser Zeit au f dem in F ra g e stehenden G ebiet kein V olk gab,
d as über solche M acht verfügt hätte, die es erm öglichen konnte,
die K um anen von ihren N iederlassu n gen zu vertreiben. D ies war
selb st den R ussen nicht gelungen, um so weniger hätten es also
die Saurom aten bzw. die U zen vermocht.
Die w ahrscheinlichste Lösung wird daher durch die Annahme
gegeben, daß A nna K o m n e n e unter dem A usdruck yévog tl
S xv&lxóv V olkssplitter d er Petschenegen meinte. W ir sahen bereits,
daß die Petschenegen die H aupt- und fa st A llein vertreter des
2xv&ixóg-T y p u s waren. D er U m stand, daß sie für die Neuanköm m ­
linge — obgleich sie ihre Iden tität nicht entschieden bezeichnen
wollte — das aus dem Volksnam en 2 xú&ccl gebildete Attribut an­
wandte, wo doch d ieser V olksnam e bei ihr mit fast ausschließlicher
G ültigkeit die Petschenegen bezeichnete, spricht dafür, daß sie die
neuen Sie d ler innerhalb des -Sxv^ocog-Typus m it den Petschenegen
in V erbindung bringen wollte. D iese Annahm e wird auch durch
die dam alige geschichtliche L ag e unterstützt. W ir sahen, daß es
sich seit 1048, a ls man zwei P etschenegen-Stäm m e zur B ew a­
chung d er Grenzen im P aristrion ansiedelte, öfter ereignete, daß
neue Petschenegen-W ellen vom linken D onauufer au f d as G e­
183

biet des rechten U fers zogen. Im W inter 1048/49 kamen die krie­
gerischen Petschenegen von Tyrach herüber, ihre Nachkommen
ließ man zwischen Sofia, Nis und Sk o p lje, als M ilitärkolonie an ­
siedeln. 1059 ging ein neuer großer Petschenegen-Um zug vor sich.
Die erzählung von A t t a l e i a t e s läßt auch darau f schließen,
daß bis zum N estor-A uf stand im Ja h r e 1074, von Zeit zu Zeit,
neue Skythen- ( = Petschenegen) B anden von den Gebieten jen ­
seits der Donau in das P aristrion zogen und ihr „Skythenleben“
d aselb st weiter führten. E s w äre ein Irrtum zu glauben, daß durch
diese Um siedlungen bereits d as ganze Petschenegenvolk au f den
B alkan herüberkam. Bekanntlich griff auch im nächsten J a h r ­
hundert eine große Petschenegenschar über die Donau setzend
d as Reich an. D er K aiser Joh an n es Kom nenos besiegte sie im
Ja h re 1124. D a die russischen Jah rbü ch er von dem Ja h re 1080
an, im Zusamm enhang mit den Uzen, die sich in der Randgegend,
der Fürstentüm er von K iev und P e re ja sla v l' niedergelassen h at­
ten, auch die Petschenegen, welche von den Uzen hieher ver­
schleppt wurden, zu erwähnen beginnen, scheint die Annahme,
ein Petschenegen-V olkssplitter, der sich von diesen Uzen befreien
wollte, habe sich gegen 1084, bis zur Donau niederlassen, eine
gew isse W ahrscheinlichkeit zu besitzen. Hier begannen diese neu-
angekommenen Petschenegen Unterhandlungen mit den im A u f­
stand begriffenen H äuptlingen ihrer V olksbrüder, die seit 1048
in das Paristrion nacheinander eingew andert waren und dort ein
halbwegs seßhaftes Leben führten. D iese sahen dem notwendigen
K raftzuw achs mit F reu de entgegen und erteilten die Erlaubnis
zur Überfahrt. Die neuangekommenen Petschenegen benahmen sich
als richtige Nom aden: sie plünderten vor allem d as südliche G renz­
gebiet des P aristrions, dann nahmen sie drei Festungen ein und
begannen, nachdem sie zu einiger Ruhe gelangt waren, gemäß
der Gewohnheit der anderen Türkvölker, die au s M ittelasien
hervorströmten, H irse und Korn zu bauen, um dadurch ihren
eigenen B ed arf zu sichern. D er U m stand, daß sie sich unter den
P aristrioner Petschenegen sogleich zurechtfanden und daß Anna
K o m n e n e sie gar nicht w ieder erwähnt, um sie von den U n­
tertanen von T atu s und seinen G enossen zu unterscheiden, spricht
auch dafür, daß sie Petschenegen waren.
2. W elches Volk m üssen wir unter den Saurom aten, die das
yévog n Sxvfhxóv vertrieben hatten, verstehen? H ier erlaubt uns
die Terminologie der V erfasserin keine weitere W ahl. A nna K o m-
n e n e wendet d!ie Bezeichnung 2avQO[uhai nur ein einzigesm al
184

für die Petschenegen an, diese zeigt jedoch nicht ihren eigenen
Volksnam engebrauch, sondern stam m t von einer ihrer Quellen.
Im übrigen bezeichnet sie die Uzen a ls Saurom aten. Innerhalb
dieses Rahm ens erlau bt die historische L age nur die Annahme,
die Uzen, die in russischen G renzw achendienst getreten waren,
hätten die m itgeschleppte P etschenegenschar so lange bedrängt,
bis diese die Fluch t ergriffen hatten und in P aristrion, unter ihren
V olksbrüdern tun Einlaß baten.
3. W elches Ethnikum wies d as V olk auf, d as unter der L ei­
tung des T atu s und seiner G enossen im P aristrion zur Zeit der
A nkunft des yévog xi 2 y.v3 iy.0v h errsch te? A uf G rund unserer
bisherigen Ergebn isse m üssen w ir entschieden behaupten, daß es
Petschenegen waren. Die Petschenegen-G renzw ache aus Paristrion,
die 1048 gegründet und seither fortw ährend durch neue Petsche-
negen-Anköm m linge verstärk t wurde, bildete die B esatzu n g ver­
einzelter Festungen, sowie ihrer G egenden. Ihre L eiter waren
dem byzantinischen D ux untergeordnete Petschenegenhäuptlinge.
D ieses seit längerer Zeit in byzantinischen Diensten stehende M i­
litärvolk, d as zum größten T eil au s Petschenegen bestand, e r ­
schien bei unseren V erfassern unter dem Nam en ,,Paristrioner
Skyth en " oder einfach die ,,dort zu stän digen “ (èyxcijQioi), im G e ­
gensatz zu den sp ä te r in d as P aristrion gekommenen P etschene­
gen, die einige Q uellen bei ihrem nationalen Nam en als U cctÇivùyoi
bezeichnen. Um 1074 setzte sich d as petschenegische M ilitärvolk,
unter d er Leitung des T atus, wegen der Einstellung seines jäh r­
lichen So ld es, in Bew egung und schloß sich seinen Volksbrüdern,
die im P aristrion ein nom adisierendes Leben führten, enger an.
D er au s B yzanz au sgesan dte neue Dux, N estor, sah die gänzlich
au ssich tslose L ag e und schloß mit beider G ruppe der Petsche-
gegen ein Bündnis, um sich w enigstens an dem ihm verhaßten
Eunuchen N ikephoros rächen zu können. Seine Unternehmung
gegen B yzan z mißlang, die B yzantiner m achten ihn durch R änke
von einem Teil d er Petschenegen abneigend. N estor kehrte mit
dem Petschenegen-H eer in d as P aristrion zurück und verschwand
dort — wahrscheinlich durch die R ache der verdächtigten P etsch e­
negen. Die nunmehr ohne D ux gebliebenen zw eierlei Petschene-
gen-G ruppen setzten jedoch ihre Feindseligkeiten gegen d as Reich
fort. W ir finden sie in dieser verw orrenen Zeit im H eer eines
jeden Thronprätendenten. E rst erscheint im H eer von Johann es
Bryennios, dem B ru d er des Thronprätendenten, eine P etschene­
genschar, nicht von den frem den, sondern von jenen, die schon
früher in d as Reich der R öm er Einlaß gefunden hatten. Dann
185

drang cine neue P etschenegen-Schar aus dem P aristrion in das


Innere des Reiches. D iese wurden teils durch den S ie g von J o ­
hannes Bryennios, teils durch die Freigebigkeit von N ikephoros
Bryennios der Sach e des Thronbew erbers gewonnen. Inzwischen
gelangte 1078 jedoch trotzdem N ikephoros B otan eiates zur H err­
schaft. D a legte die eine G ruppe der Petschenegen, die soge­
nannten ,,P aristrion er Skythen“ , d as heißt, die in Grenzw achen
organisierten Petschenegen, eine große R eue an den T a g und v e r­
sicherten den neuen K aise r durch eine G esan d tsch aft ihrer Treue
und baten ihn um Vergebung dafür, daß einige von ihnen, im
Ja h r e 1074, unter dem vorigen K a ise r m it den freien P etsch en e­
gen gehalten hatten. D iese Reue w ar jedoch nicht aufrichtig, da
in der Schlacht gegen den kaiserlichen Feldherrn, A lex io s K om ­
nenos, im H eer von N ikephoros Bryennios, der seinen A nspruch
au f den Thron auch gegen B otan eiates aufrech t erhielt, w ieder
eine Petschenegen-H ilfstruppe käm pfte. A ls sich nach der B e ­
siegung von N ikephoros Bryennios nun B asilak es, D ux von
Dyrrhachion, erhob, gewann auch e r die U nterstützung der
Petschenegen w ider den K a ise r.150 W ährend die kaiserlichen T ru p ­
pen mit der N iederw erfung von B asila k e s besch äftigt waren, grif­
fen die Petschenegen m it den Kum anen A drian upolis an .151 A ls
die M anichäer der G egend von P h ilippupolis unruhig wurden,
flüchtete sich ein M anichäer, nam ens Lek as, dank seiner Ver-
W andschaftsbeziehungen, zu den Petschenegen. E r eiferte die
Petschenegen zu einem A u fstan d an, sie unterw arfen sich jedoch
bald, a ls sie die N achricht erhielten, daß sich der K a ise r zum
K rieg rüstete.162 Endlich verband sich Leon D iabatenos, S te llv e r­
treter von M esem bria, mit den Petschenegen und Kum anen gegen
K aise r B otan eiates.153 W ährend die V e rfasse r über diese fort­
w ährenden Petschenegen-Unruhen berichten, unterlassen sie, nach
und nach, die U nterscheidung beider Petschenegen-Schichten.
Dies findet seine E rk läru n g darin, daß die beiden Schichten im
L au fe des A u fstan d es einan der nähergebracht wurden. D er A u f­
stand hörte indessen auch nach der Thronbesteigung von A lexios
(Í082) nicht auf. A lexios, der selb st a ls P räten den t den Thron
bestiegen hatte, kam zu Beginn seiner H errsch aft wegen des N or­
m annenangriffs und dem V ordringen der Seldschuken in K lein ­

150 A t ta le ia te s : O. a. A u sg . S, 298io—is, S k y litz e s c o n tin u atu s: O. a


A u sg . S. 739 i 7—8, Z o n a ra s: O. a. A u sg . S. 723io—3.
151 A t t a le ia t e s : S. 30021— lo, S k y lit z e s c o n tin u atu s: S, 741a—s.
152 A t t a le ia t e s : S. 302i —13, S k y litz e s c o n tin u a tu s: S. 741i7— 22.
153 S k y litz e s co n tin u atu s 7432—4.
186

asien nicht dazu, die aufstän disch en P aristrion er Petschenegen zu


bändigen, obgleich e r sich d er G efahr, die von ihrerseits dem
Reiche droihte, bewußt war. D esh alb konnte der aufstän dische
T raulos, der sich 1084 an die S p itze seiner M anichäer stellte, mit
dem H äuptling der P aristrion er Petschenegen — dem B eispiel
seines V orgängers, des M anichäers L ek as folgend — Bündnis
und V erw andtschaft schließen. B ei der A nkunft des neuen petsche-
negischen V olks teiles 1084, w ar noch immer der Petschenegen-
H äuptling T atus, der d as Steu er 1074 an sich gerissen hatte, F ü h ­
rer der Petschenegen von D ristra. Z o n a r a s nennt ihn unmiß­
verständlich den H äuptling der Petschenegen-Schar. Neben ihm
spielten S atz as, der türkischer H erkunft w ar und Sesth lavos, der
einen slaw ischen N am en führte, eine R olle. Im Ja h r e 1085 rief
sie T raulos, der es vernommen hatte, daß sie durch eine neue
Petschenegenschar verstärk t w orden waren, zur H ilfe gegen den
K aiser. W ährend des neuen, langw ierigen und großzügigen Petsche-
negen-K rieges w urde im V orfrühling des Ja h r e s 1087 Tzelgu ge­
legentlicher F ü h rer der in A n griff gestürzten Petschenegen. E s
ist nicht ausgeschlossen, daß er F ü h rer des neuangekommenen
V olkssplitters w ar. A n seiner Seite käm pfte unser gew esener K ö ­
nig Salom on mit seinen ungarischen und uzischen Getreuen. N ach­
dem diese besiegt w urden und zum größten Teil fielen, drang
A lexio s bis D ristra vor. W ährend T atu s auszog, um die Hilfe d er
Kum anen zu gewinnen, besiegten seine Petschenegen A lexios, der
die Petschenegen nur nach langen und abw echslungsreichen K äm p ­
fen mit kum anischer Hilfe, e rst 1091 in der Schlacht bei Lebunion
besiegen konnte. Um die K ra ft der am Leben gebliebenen und
besiegten Petschenegen zu schwächen, siedelte er einen Teil von
ihnen im Them a M oglena an. E r st dann konnte e r daran den­
ken, in d as pazifizierte Them a P aristrion in P erson von Leon Ni-
kerites einen neuen D ux zu ernennen, dessen letzter V orgänger
ungefähr 20 Ja h r e zuvor N estor gew esen war.
W ir m üssen uns g ar nicht auf die E rgebn isse der Sp rach ­
forscher berufen, die aus den mit -e gräzisierten Namen von Tatus und
S a tz a s die türkischen Nam en T atu und S a c a erkannten. Die V er­
kettung der E reignisse spricht k la r für sich: im Paristrion, d a s
eine gem ischte Bevölkerung hatte, herrschten von 1074 bis 1091,
unter der Leitung von T atu s und S a tz a s die Petschenegen. E s
w ar keinem russischen F orsch er gelungen für d as Ende des XI.
Jah rh u n d erts im P aristrion dichte russische Siedlungen zu
beweisen.
ISI

D er V erlauf unserer E rörterung bew eist genügend, daß d as


herrschende Elem ent kein w lachisches sein konnte. E s ist unnö­
tig von neuem zu erwähnen, daß A nna K o m n e n e in diesem
F a lle von P aristrion er Bld%oi gesprochen hätte. E s gehört eine
gewisse N aivität dazu, in der Scyth ia Minor, im späteren P a r i­
strion, d as vom Beginn der V ölkerw anderung an eine ,,V ölker­
straß e“ war, von einer K ontituität der Nachkom men der röm i­
schen Sied ler zu sprechen. Um die W iderlegung zu vervollkom -
nen, wollen wir hier säm tliche B elege der balkanischen Wlachen,
sam t ihrer geographischen Lokalisierung, bis A nna K o m n e n e der
Reihe nach anführen.
1. S k y l i t z e s erw ähnt a ls erster, daß D avid, B ru d er des
Zaren Sam uel von Bulgarien, zwischen K asto ria und P resp a, an
einem Ort, namens die ,,Schönen Eichen“ von „fahrenden W la­
chen“ erm ordet w urde.154 2. K e k a u m e n o s erw ähnt in den
Jah ren 980 und 1066 zweimal die W lachen des Them as H ellas
( = Südgriechenland mit T hessalien und Euhoia ab er ohne Aeto-
lien und A k am an ien ), die sich gegen B yzanz erhoben und in der
Gegend von L a rissa hausten.155 3. B asileio s II. unterstellt 1020 in
einer Novelle, die e r nach der Eroberung B ulgarien s herausgab,
die ,,in ganz Bulgarien zerstreu t“ wohnenden W lachen der D iö­
zese von A chrida. D ieser A u sdru ck bezog sich jedoch nicht auf
das Paristrion, d as gerade durch diese N ovelle von der autoke-
phalen bulgarischen E rzdiözese getrennt wurde, ohne jedoch die
dortigen W lachen zit erw ähnen.156 4. A nna K o m n e n e erw ähnte
im Zusam m enhang m it einer Begebenheit, aus dem Ja h r e 1083.
auf der Linie T rik ala-L arissa d as w lachische D orf E zev a.157 5. Sie
w ar es auch, die am E nde d es P etschenegen-Feldzugs (1091) d as
Einreichen der W lachen au s Bulgarien, (wahrscheinlich au s dem
M aritza-T al), in d as byzantinische H eer erw ähnte.158 6. W ie­
derum sie w ar es, die uns mitteilte, daß die Kum anen im Ja h re
1095 von den W lachen des B alkan gebirges durch die E n gp ässe
geführt wurden, und darüber berichtete, daß P u dilos die F ah rt
der Kum anen über die D onau dem K aiser A lexio s m eldete.159 7.

154 S k y litz e s : O. a. A u sg . II. S . 4 3 5 i 3—5


155 C ecau m en i S tr a te g ic o n et in certi sc r ip to r is d e o ffic iis re g iis lib e llu s,
edd. B . W a ssilie w sk y — V. J e r n s t e d t . P e tro p o li, 1896. S. 6619— 7 5 i 2, 962 —24.
158 E d . H. G eizer, B y z a n tin isc h e Z tschr. II. (1893) S. 4 6 5 - 24.
167 I. S. 16918“*" 28.
158 II. S. 7 3o— 8i4.
160 II. S. 61 10— 3i.
188

Eine U rkunde au s dem Ja h r e 1105 erw ähnt W lachen au f der


H albinsel Chalkidike, in der N ähe des A th o s-B erges.160
E s ist a lso klar, daß keine Q uelle zu dieser Zeit W lachen im
P aristrion erw ähnt, I o r g a und B ä n e s c u haben es vergebens
versucht, d as eine od er andere A rgum ent au f d as P aristrion au s­
zulegen.
E s w äre ein au ssich tslo ses Unternehmen — d a uns die u r­
kundlichen A ngaben und die siedlungsgeschichtlichen Denkm äler
fehlen — zu versuchen, die V olkszugehörigkeit d er gemischten
Einw ohnerschaft des P aristrion, außer dem zahlreichsten Petsche-
negen-Elem ent, d a s hier die H auptrolle spielte, festzustellen.
4. W aren T atu s und seine G enossen innerhalb des Them as
P aristrion L eiter örtlicher Autonom ien oder A u fstän d isch e? A ll
das, w as B ä n e s c u über d as Gebiet, die O rganisation, die unge­
fähre Z eitspanne des Bestehens und der Reihe der ,,D u ces“ vom
P aristrion, dem byzantinischen Grenz-Them a, festgestellt hatte, ist
— mit A usnahm e seiner ethnischen Behauptungen — ein richt­
i g e s Ergebnis ern ster Forschungsarbeit. E r hat sich dabei nur in
einem geirrt: die P aristrion er S tä d te w aren keine kleinen A u to­
nomien, ,,S taatsk eim e“ , sondern N iederlassungen, M ittelpunkte der
Them en-Besatzung. Die B efeh lsh aber dieser P etsch en egen-B esat­
zungen, T atu s und seine G enossen, mußten dem D ux Gehorsam
leisten. A ls sie diesen im Ja h r e 1074 verw eigerten und dabei bis
1091 verblieben, überdies noch d as Reich angriffen, wurden sie
A ufstän disch e. »
E s konnte demnach im P aristrion von keinen wlachischen
Staatskeim en die R ede sein, auch von keinen Autonomien, ge­
schweige denn von W ojw odschaften, die nach byzantinischem
M uster durch Nachahmung der Them en-O rganisation entstanden
worden wären. E s ist nichts weiter geschehen, a ls daß sich die
Petschenegen-Grenzw achen, die in den S täd ten P aristrion s und
in deren G egend wohnten, gegen d a s byzantinische Reich erhoben
und, daß e s d er zentralen R egierung zwischen den Jah re n 1074—
1091 nicht gelang, diese zu unterdrücken.

160 V gl. P. M e y e r: D ie H a u p tu rk u n d en fü r d ie G esch ich te d e r A th o s-


k lö ste r. L e ip z ig , 1894. S. 163— 84 und F . D ö lg e r : R e g e ste n d e r K a ise r u r k u n ­
den d e s O strö m isch en R e ich e s, N. 1226.

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