Sie sind auf Seite 1von 7

28 BLINDTEXT Deutsch perfekt

Deutsch perfekt TALENTE 29

Ich kann mehr,


als ich dachte!
Jeder Mensch hat unentdeckte Talente. Wie kann man sie entdecken? Mit dieser
Frage macht sich unser Autor auf eine Reise durch Deutschland – zu Neurologen,
Talentscouts und in seine eigene Vergangenheit. Er lernt: Es ist möglich, sich neu
zu entdecken. Von Daniel Müller und Sebastian Schwamm (Illustrationen)
MITTEL

D
er Tag, an dem mir ein ver- öffnete, blickte ich direkt in Baum-Jägers
verb¶rgen ¡xen
borgenes Talent das Leben Gesicht. Er war schockiert. Er sah nur auf , hier: nicht bekannt; , m auf Ex trinken =
rettete, liegt bald 25 Jahre Nils’ leere Dose, die schon am Boden lag, unentdeckt ohne Pause leer trinken
zurück. Wir waren 15 Jahre noch bevor Baum-Jäger seine ausgetrun- zur•ckliegen austrinken
alt. Bernd, Janosch, Khaled, ken hatte. Nils, der dünne, kleine Nils hat- , vor … gewesen sein , leer trinken

Nils und ich; Jungs mit großen Träumen te gegen den Giganten gewonnen. die J¢ngs Pl. das Gaumenzæpfchen, -
, m Jungen , ≈ Stelle ganz hinten im
und noch viel größeren Hosen. Eine Erst ein paar Tage davor hatte er ent-
oberen Teil des Mundes;
Kleinstadt im Mai 1997, ein Stadtfest als deckt, dass er sein Gaumenzäpfchen zur der Traum, ¿e
Uvula
, von: träumen; hier:
größtes Event des Jahres. Dieser Abend Seite legen konnte. Einfach so. Nils muss- Wunsch; Ideal schl¢cken
sollte den Rausch unseres Lebens brin- te beim Trinken gar nicht mehr schlu- , ≈ im Mund hergestelltes
… s¶llte br“ngen
gen. Und am liebsten einen intimen Kuss cken. Ein feines Talent ür diesen Abend Wasser, Getränke oder
, hier: wir hatten geplant,
Speisen durch den Hals
mit der schönen Julia. Wir tranken Bier, im Mai 1997, überlebenswichtig ür mich. dass … bringt
nach unten bringen
eines, zwei, drei. Und noch ein paar mehr. Sonst aber eigentlich: ohne Sinn. Oder? der Rausch ¢nseres
überlebenswichtig
Es war schon spät, als ich ihn sah, auf Am Anfang meiner Recherche über Lebens
, hier: wichtig, um weiter-
, der größte Rausch, den
einer Parkbank direkt vor dem Super- verborgene Talente musste ich zum ers- wir im Leben hatten / haben
leben zu können
markt. Diesen großen Mann mit den di- ten Mal seit langer Zeit wieder an diesen werden die Recherche, -n franz.
cken Armen. Er hatte keine Haare, aber Abend denken. Was ist das eigentlich, , hier: Suche nach genau-
(der Rausch, ¿e
en Informationen in einem
sehr viel Wut im Bauch. Er hieß Andreas Talent? Hat jeder von uns eines? Oder , hier: Zustand, wenn
speziellen Sektor / zu einem
Baum-Jäger (Name geändert). Jedem von zwei? Wer definiert eigentlich, ob jemand man sehr betrunken ist)
speziellen Thema
uns war klar, dass man ihn besser in Ruhe talentiert ist? Und wie entdeckt man Ta- der K¢ss, ¿e
br“ngen auf
, von: küssen
ließ. Und dass man ihn nie, wirklich nie lent – bei sich und bei anderen? Die Erin- , hier: machen, dass man
die Wut bekommt
„Baum-Jäger“ nennen durfte. Es dauerte nerung an diesen Abend brachte mich auf
, intensives Ge ühl von
keine zehn Sekunden, da schrie ich Idiot ein paar Ideen. das „bsolute Gehör
Ärger
, ≈ spezielles Talent:
laut: „Jungs, da hinten sitzt Baum-Jäger!“ Erstens: Ein Talent kann alles sein. Auf Man hört den genauen
das Kæppi, -s
Plötzlich stand er neben mir und nahm einem Bein rückwärts hüpfen, das absolu- , m ≈ sportlicher Hut, Unterschied von Tönen.
mir das Käppi vom Kopf. „Hör zu, du te Gehör, Budgets managen, trösten kön- der eng am Kopf liegt
(der Ton, ¿e
Sackgesicht“, sagte Baum-Jäger, „du hast nen, virtuos Klarinette spielen oder sein das S„ckgesicht, -er , hier: kleinster Teil einer
eine Chance, den Abend zu überleben. Gaumenzäpfchen zur Seite legen. , d a ≈ Idiot Melodie, den man hören
kann)
Wenn einer von euch Clowns es schafft, Zweitens: Nicht jedes Talent wird in überleben
, nicht sterben trösten , hier:
ein Bier schneller zu exen als ich, lasse ich der deutschen Gesellschaft geachtet. Die versuchen, einen traurigen
dich gehen.“ Frage ist nur: warum? ¡s sch„ffen, zu … Menschen mit Worten
, hier: damit Erfolg haben, wieder fröhlich zu machen
Es war Nils, der Dünnste von uns, Drittens: Millionen Talente sind ver- zu …
der sich die Dose griff. Drei, zwei, eins … borgen, weil die Menschen sie noch nicht „chten
, hier: ≈ wichtig/gut finden
Ich schloss die Augen. Als ich sie wieder in sich entdeckt haben.
30 TALENTE Deutsch perfekt

s“ch auskennen m“t bes¶ndere (-r/-s)


Viertens: Es ist nie zu spät, sich auf die Su- Ich hatte das nicht geübt. Es war einfach , Erfahrung haben mit; viel , spezielle (-r/-s)
che danach zu machen. da. Aber mit jedem dieser Autos wuchs wissen über
sehen „ls
Fünftens: Das werde ich nun tun. auch ein Problem: Nun bekam ich die der H„lt, -e/-s , meinen, dass … ist
Dies ist eine Reise durch Deutschland. ganze Zeit Spielzeugautos geschenkt, in , hier: Haltestelle; Station
der Nachfolger, -
Zu Menschen, die sich mit Talent ausken- allen Formen und Farben. Mein Vater sah die Leitung, -en , hier: Person, die den Job
nen. Und es ist eine Reise in meine Ver- mit mir Formel 1. Sein Tennisfreund, der , hier: Telefonverbindung weitermacht

gangenheit. Zu einem Menschen, der ich Chef einer Fahrschule, sah mich schon als der H“rnforscher, - „llzu ¶ft
, ≈ Neurowissenschaftler, , ≈ zu oft
vielleicht heute sein könnte, wenn nicht … seinen Nachfolger. Nur: Ich habe mich nie
der sich mit dem Gehirn
besonders ür Autos interessiert. die Vorstellung, -en
beschäftigt
, hier: ≈ Idee
Talente beginnen vor der Geburt „In unserer Gesellschaft werden Kin- (der W“ssenschaftler, -
die Bewertung, -en
Erster Halt: Göttingen oder besser: ein Te- der allzu oft zum Objekt von Erwartun- , Person, die ein Thema
, von: bewerten = sagen,
lefon in Göttingen. Es ist ja immer noch gen, Vorstellungen und Bewertungen systematisch untersucht)
ob etwas gut oder schlecht
Pandemie. Am anderen Ende der Leitung: der Erwachsenen. Das ist Talentkillerei“, (das Geh“rn, -e ist
, Organ im Kopf, mit dem
Gerald Hüther, Professor ür Neurobiolo- sagt Hirnforscher Hüther. Die extrinsi- die Tal¡ntkillerei
man denkt und ühlt)
gie, Hirnforscher und Gründer der Aka- sche Motivation, zum Beispiel in Form , m d gemeint ist
der Gr•nder, - hier: Methode, um Talente
demie ür Potentialentfaltung. Hüther von Belohnung (bei mir Spielzeug und , hier: Person, die eine kaputt zu machen
ist inzwischen 70 Jahre alt. Er erinnert der Stolz meiner Eltern), ist ein Problem: Akademie startet
die Belohnung, -en
sich aber noch sehr genau an den Mo- Sie tötet die intrinsische Motivation, ein die Potentialentfaltung , hier: ≈ Geschenk; ange-
ment der Schwäche, der seine vielleicht Talent wirklich zu entfalten. , von: das Potenzial/ nehmes Resultat, das man
Potential entfalten bekommt, weil man etwas
größte Stärke zeigte: „Ich konnte mir in Etwa 34 Jahre später stehe ich wieder
gut gemacht hat
der Schule nichts merken“, sagt er, „also vor dem Haus. Ich schließe die Augen (entf„lten
, hier: ≈ wirklich/kom- der St¶lz
habe ich mir Spickzet- und warte auf die ersten plett aktivieren; komplett , Freude; Glück
tel gemacht. Doch bald
wurde der Stoff zu um-
„Talent sieht Motoren. Ich kann kein
einziges Modell identi-
entdecken)
die Schwæche, -n
töten
, totmachen
fangreich.“ man nicht“, sagt fizieren. Ist mein Talent , hier: Sache, die jemand
nicht so gut kann
der Klavierstimmer, -
So entdeckte Hüther verloren? , Person, die ein Piano so
das Talent, das ür einen der Neurologe Vielleicht waren die der Sp“ckzettel, -
, hier: Zettel mit Notizen,
reguliert, dass seine Laute
genau richtig hoch sind
Wissenschaftler sehr
wichtig ist: komplexe
Gerald Hüther. Autos nur ein Symbol.
Mein Talent war mein
die man schnell lesen kann,
wenn man etwas nicht
der Dirig¡nt, -en
, Chef eines Orchesters
Dinge auf das Wich- Gehör: Ich konnte da- mehr weiß
der T„ktstock, ¿e
tigste zu kompensieren. Bei ihm passten mals sehr genau hören. Wäre das nicht d¶ch
, ≈ langes, dünnes Werk-
, hier: aber
damals Photosynthese und Differenzial- perfekt gewesen, um zum Beispiel Kla- zeug des Dirigenten
rechnung auf wenige Zentimeter große vierstimmer oder Dirigent zu werden? der St¶ff
trivial
, hier: Lerninhalt
Zettel. Heute kann er die komplexen Pro- Ich hatte nur nie die Chance, dieses Ta- , hier: ≈ in den Ideen
zesse in unseren Gehirnen sehr einfach lent zu entfalten. Kein Klavier, kein Takt- ¢mfangreich einfach; unwichtig
, hier: ≈ groß; viel
erklären. Zum Beispiel, woher Talent stock – nur Spielzeugautos. „ngelegt
darauf „nkommen , hier: schon da
kommt. Jimi Hendrix hätte ohne ein Instru- , hier: ≈ wichtig sein
Das Gehirn, erklärt Hüther, strukturiert ment das Gitarrenspiel nicht revolutio- „nderswo
, an anderen Orten; hier:
sich durch das, was es zu tun gibt. Und die niert. Die meisten Menschen kennen ihre in anderen Sektoren
An änge ür ein späteres Talent lernt es Potenziale wahrscheinlich gar nicht. Ich
schon vor der Geburt: „Man bringt das merke: Talente zu identifizieren und sie
Talent mit auf die Welt. Es kommt nur zu entfalten, ist keine triviale Sache.
darauf an, ob es auch erkannt wird.“ „Talent sieht man nicht“, sagt Hirn-
Als ich noch im Kindergarten war, zeig- forscher Gerald Hüther. „Es ist ein noch
ten mich meine Eltern ihren Freunden nicht realisiertes Potenzial, das in uns an-
manchmal wie ein Zirkustier. Der Junge gelegt, aber noch nicht entfaltet ist.“ Ich
hat ein besonderes Talent – wollt ihr mal glaube, dass Talente so komplex wie das
sehen? Dann gingen wir auf die Straße Leben selbst sind. Manche kennt man,
vor unserem Haus. Ich stand mit dem Rü- andere nicht. Und weil das Leben so viele
cken zur Fahrtrichtung. Als ich das erste Facetten mehr hat als nur uns Menschen,
Auto hörte, schloss ich die Augen. Nur mache ich mich anderswo auf die Suche
durch das Hören der Motoren konnte ich nach ihnen: bei großen, schwarzen Vö-
jedes Modell erkennen. geln, den Geradschnabelkrähen.
Das Talent von Tieren Werkzeuge benutzen, von Korallenfi-
Krähen sind intelligente Tiere. Dass sie schen und Border Collies, die fast 300 das Rätsel, - der [bschluss, ¿e
aber das Talent besitzen, gleich mehre- Wörtern Bilder zuordnen können. Kann , Aufgabe, die man durch , hier: Prüfung, mit der
Nachdenken lösen kann eine Ausbildung endet
re Werkzeuge zu kombinieren, um ans es da noch Menschen geben, die kein Ta-
der St¶ck, ¿e stattd¡ssen
Ziel zu kommen, hat mich dann doch lent haben?
, langer, dünner Gegen- , ≈ im Gegenteil dazu
überrascht. Als Forscher der University stand aus Holz
… s¶llte “m M“ttelpunkt
of Auckland vor etwa zehn Jahren sieben Jeder hat Talent die Schnur, ¿e stehen.
Geradschnabelkrähen auf der südpazifi- Warum wird trotzdem vielen Männern, , langes, sehr dünnes , Es wäre besser, wenn …
schen Insel Neukaledonien fingen, hatten Frauen und auch Kindern gesagt, dass sie Ding, ähnlich wie z. B. Wolle das Wichtigste wäre.

sie wenig Hoffnung, dass die Tiere ihr kein Talent haben? „Wir suchen Talente die R„tte, -n gest„lten
, graues oder braunes Tier, , hier: kreativ sein; eigene
Rätsel lösen würden. nur in Bereichen, die uns verwertbar er-
das oft im Müll lebt Ideen wirklich machen
In eine Kiste mit einem kleinen Loch scheinen“, sagt Gerald Hüther, „dort, wo
der Bereich, -e auf die Beine st¡llen
legten die Wissenschaftler ein Stück man Geld verdienen kann.“ Und das ängt , hier: Sektor; Teil des , hier: genau planen und
Fleisch. Um das zu bekommen, brauch- schon in der Schule an. Dort sind gute Lebens und Tuns dann auch machen
ten die Krähen einen langen Stock. Der Noten und Abschlüsse das Wichtigste. verwertbar vorgeben
lag aber in einer zweiten Kiste. Um diese „Stattdessen sollte die Freude am eige- , so, dass man es verwer- , hier: sagen, wer welche
ten kann bekommt
zu öffnen, brauchten sie einen anderen, nen Entdecken und Gestalten im Mittel-
kleineren Stock. Der hing an einer Schnur. punkt stehen.“ (verwerten der Dompteur, -e franz.
, brauchen; benutzen; , Person, die im Zirkus mit
Eine der Krähen schaute sich das etwas Ein Gedankenspiel: Zwei Grundschul- verwenden) wilden Tieren arbeitet, z. B.
weniger als zwei Minuten lang an. Dann klassen sollen einen Zirkus auf die Beine mit Tigern
erscheinen
begann sie. Es dauerte noch einmal fast stellen. In der einen gibt die Lehrerin , hier: so sein, dass man die Art“stin, -nen
zwei Minuten, bis sie das Fleisch hatte. die Rollen vor. Emma ist die Direktorin, denkt, dass etwas … ist , z. B. Akrobatin in einem
Zirkus
Wer einmal die Tierwelt genauer un- Jonah der Dompteur, Aaliyah die Artis-
tersucht, entdeckt sehr viele verborge- tin, Waldemar der Clown. In der ande-
ne Talente. Ich las von Ratten, die Auto ren organisieren sich die Kinder selbst.
fahren können, von Schweinen, die Weil Fatima merkt, dass keine ihrer
32 TALENTE Deutsch perfekt

vor„ngehen vorlesen
Mitschülerinnen vorangehen möchte, wirklich toll vorlesen, aber jetzt wollen , hier: ≈ als Erste dran sein , laut lesen
macht sie es. Julius nimmt sich die Bälle wir singen. Nimmst du bitte die Triangel jonglieren franz. ¡s g“ng ¢m
und übt das Jonglieren, Hannah und Lu- und bist leise?“ , ≈ mehrere Dinge eines , das Thema / der Inhalt
cia basteln den Schmuck ür die Manege. Schon mit sechs, sieben Jahren hatte nach dem anderen mit den war
Händen schnell in die Luft
In welcher Klasse würde man besser die ich eine tiefe Stimme. Neben all den hel- dazu tendieren
werfen und wieder fangen
, hier: meistens …
Talente sehen, die sich gezielt ördern len Stimmchen im Klassenzimmer sang die s“ch gezielt fœrdern
ließen? Gerald Hüther sagt: „Wir müssen also einer dazwischen immer ganz tief. hætte … bereichert
ließen
, Konj. II der Vergangen-
schon in der Schule die Frage stellen: Was Das wollte Frau S. nicht hören. So wuchs , die so sind, dass man
heit von: bereichern = hier:
sie ganz speziell ördern
will sich zeigen? Und nicht: Was können ich in dem Glauben auf, nicht singen zu könnte, um damit ein Ziel zu
glücklicher machen; besser
wir verwerten?“ können. machen
erreichen
Unser Hirn tendiert dazu, sich Lösun- der Kneipenchor, ¿e
(fœrdern
, Gruppe, die sich zum
Talent kann man auch kaputt machen gen statt Probleme zu merken. Deshalb , hier: durch Training un-
Singen in einer Kneipe
terstützen und verbessern)
Meine alte Grundschule ist leer. Die merkte ich mir: Wenn ich vorlese, mache trifft oder in Kneipen vor
Stellen, in die wir in den Pausen unsere ich den Menschen Freude. Wenn ich sin- die M¢rmel, -n Publikum singt
, kleiner Ball aus Glas in
Murmeln legten, sind noch immer da. ge, tue ich es nicht. Also sang ich nie wie- verschiedenen Farben
verdienen
, hier: bekommen
Der Fußballplatz ist genauso schlecht der, wenn mich jemand hören konnte –
der Staub
wie vor 30 Jahren. Die Türen sind zu, auf und besonders laut, wenn ich allein war. , ganz kleine schmutzige
den Fluren liegt Staub. Ich denke an einen Schon klar: So ein Weltstar wie der Sän- Stücke in der Luft
Schultag, es muss in der zweiten Klasse ger Dietrich Fischer-Dieskau wäre ich nie
gewesen sein, der Gerald Hüthers These geworden. Aber das ist ja auch gar nicht
bestätigt. Ich hatte gerade eine Geschich- wichtig. Vielleicht hätte es mein Leben
te vorgelesen. Wahrscheinlich ging es um enorm bereichert, in einem schlechten
Dinosaurier, in meiner Erinnerung ging Kneipenchor zu singen. Ohne Ambitio-
es damals immer um Dinosaurier. Nun nen, mit diesem ganz kleinen Talent Geld
war Musikunterricht. Und meine Leh- zu verdienen. Verdient hätte ich nur per-
rerin, Frau S., sagte: „Daniel, du kannst sönlich etwas, ganz allein ür mich.
Deutsch perfekt TALENTE 33

entw“ckelt die B„llmitnahme, -n


Talent entdecken „Wir versuchen nicht, den Spieler zu , hier: schon zu sehen; , Moment beim Nehmen
Meine Deutschlandreise ührt mich wei- finden, der jetzt im Moment der Beste schon stark des Balles mit dem Fuß,
in dem man den Ball vor
ter nach Freiburg. Aus meinem Gespräch ist, sondern der in drei Jahren der Beste die Fähigkeit
Spielern aus dem anderen
mit dem Hirnforscher Gerald Hüther sein könnte.“ Dies und das Vertrauen in , ≈ Können; Sache, die
Team schützt und ihn in die
man kann
weiß ich zwar nun, dass ein entwickeltes die Arbeit der eigenen Trainer, das Talent richtige Richtung bringt
p¡r Definition
Talent schon eine Fähigkeit ist. Und dass zu ördern, unterscheidet die Freiburger das Vertrauen “n
, ≈ so wird es z. B. im
, Glaube/Sicherheit, dass
das „verborgene Talent“ ein Pleonasmus Jugendarbeit fundamental von der der Wörterbuch erklärt
… gut ist
ist, da jedes Talent per Definition noch großen Klubs. Natürlich gibt es auch in die Tal¡ntschmiede, -n
das K.-o.-Kriterium,
nicht entdeckt ist. Trotzdem möchte ich Freiburg K.-o.-Kriterien. Wetzel-Veilan- , Schule oder Universität,
-Kriterien
den Ort besuchen, der ür mich das beste dics sagt: „Letztlich geht es um Technik, aus der viele talentierte
, hier: ≈ Kriterium, das
Künstler kommen
Beispiel da ür ist, was das Wort Talent- Spielintelligenz, Handlungsschnelligkeit man auf jeden Fall er üllen
das Nachwuchsleistungs- muss, damit man genom-
schmiede meint: das Nachwuchsleistungs- und Persönlichkeit. Wenn zwei der Krite- men wird
zentrum, –zentren
zentrum des SC Freiburg. rien nicht er üllt sind, wird es schwierig.“ , Personengruppe im
(erf•llen
Als der Sport-Club am Anfang der Bun- Der Scout beobachtet einen schwie- Verein, die sich um die
, hier: so sein, wie es
Suche und Förderung des
desligasaison 2 : 1 gegen einen der beiden rigen Trend in Deutschland, der Gerald Nachwuchses kümmert
gewollt wird)
Favoriten, Borussia Dortmund, gewann, Hüthers These bestätigt: Die stark durch- l¡tztlich
(der Nachwuchs
standen am Ende sechs Spieler aus der formatierte und auf ein klares Ziel fokus- , hier: ≈ eigentlich
, Kinder; hier: junge
eigenen Jugend auf dem Feld. Da waren sierte Förderung der Nachwuchsspieler Leute, die Fußballspieler die H„ndlungs-
Martin Schweizer und lässt keinen Raum mehr werden möchten) schnelligkeit
, Schnelligkeit im Reagie-
Christoph Wetzel-Vei- ür Kreativität. Es gibt der SC
landics stolz. Denn diese Ein Talent kann keinen Platz mehr ür
, kurz ür: Sport-Club
ren und in der Aktion
d¢rchformatiert
die B¢ndesligasaison, -s
Quote ist im Profifuß-
ball exzeptionell.
alles sein. Aber Chaos. Andere Länder
sind da besser, sagt Wet-
franz.
, Zeit im Jahr, zu der die
, hier: genau geregelt

fokussiert
Sie alle sind durch die nicht jedes Ta- zel-Veilandics: „Wenn Bundesliga spielt , konzentriert auf
Hände dieser beiden ich mir in Portugal oder (die B¢ndesliga, -ligen Raum l„ssen für
Männer gegangen. Wet- lent wird in der Frankreich Jugendspie- , ≈ Spielklasse der besten
Sportgruppen Deutsch-
, die Möglichkeit geben
ür/zu
zel-Veilandics hat sie als
Leiter des Nachwuchs-
Gesellschaft als le anschaue, wird mir bei
der individuellen Quali-
lands)
Mir w“rd schw“ndelig bei …
das F¡ld, -er
scoutings mit seinem
Team nach Freiburg
Talent gesehen. tät schwindelig, so gut
sind die.“
, hier: Fußballplatz
, Ich bekomme wegen …
das unangenehme Ge ühl,
dass sich alles im Kreis
der Profifußball
geholt. Schweizer hat bewegt.
, professioneller Fußball
sie als sportlicher Leiter mit ausgebildet. Wer Talent plant, der tötet es d¢rch die Hænde gehen
der Freiraum, ¿e
, Möglichkeit, eigene
Beide sind eigentlich Lehrer. Ich treffe Als ich am nächsten Morgen nach Berlin (v¶n)
Ideen wirklich zu machen
also zwei, die wirklich etwas von Talen- zurückfahre, denke ich über diesen Satz , hier: ge ördert werden
durch s“nnlos
ten verstehen. nach. Die jungen Spieler aus Frankreich , hier: ohne Grund
das Nachwuchs-
Der SC Freiburg hat einen der niedrigs- und Portugal sind wahrscheinlich auch
scouting, -s engl. der Zufall, ¿e
ten Etats in der Bundesliga. Für ihn ist die deshalb so gut, weil sie mehr Freiraum , ≈ Suchen von talentier- , hier: ungeplante Sache
Jugendarbeit noch wichtiger als ür ande- haben, sich selbst und ihr Talent zu ent- tem Nachwuchs
ausschalten
re Vereine. Aber auch dort wird das Geld falten. Wer Talent plant, der tötet es. der Etat ,-s franz. , hier: unmöglich machen
immer wichtiger, bekommen 16-Jährige Der sinnlose, typisch deutsche Fetisch, , hier: ≈ Geld, das ein
vorenthalten
Verein hat und ausgeben
sechsstellige Summen. Da können und den Zufall ausschalten zu wollen, hat der kann
, jemandem etwas nicht
geben
wollen sie in Freiburg nicht mitmachen – Welt einiges Gutes vorenthalten. Zum
s¡chsstellig
und müssen den Nachwuchs mit anderen Beispiel das Wissen, dass auch Dinge sogar
, mit sechs Ziffern
, ≈ auch
Argumenten überzeugen. Mit der Chan- verborgene Talente haben. Wie ein Me- überzeugen
einbrechen
ce auf einen einfachen Wechsel ins Profi- dikament, das vielen Männern ein wenig , hier: ≈ erreichen, das
, Türen oder Fenster
team. Mit einer Philosophie, in der nicht Lebensfreude zurückgab. Als der Phar- sich jemand ür den Verein
kaputt machen, um in ein
entscheidet
nur Leistung wichtig ist. makonzern Pfizer Ende der 90er-Jahre Haus zu gehen und dort
die Leistung, -en etwas stehlen
Wenn Wetzel-Veilandics auf Talentsu- ein Medikament gegen Herzkrankheiten
, hier: Erfolg; gutes
che geht, schaut er nach „der einen Waf- ausprobierte, waren die Resultate nicht Ergebnis
fe“, wie er es nennt, die kein anderer hat. besonders gut. Trotzdem wollten viele die W„ffe, -n
Einer Ballmitnahme, die er so noch nicht Testpersonen mehr Pillen haben. In das , Gerät zum Kämpfen,
gesehen hat. Oder einer Bewegung, die Pfizer-Labor wurde sogar eingebrochen z. B. Pistole; hier: spezieller
Trick
ein Spiel entscheidet. auf der Suche nach dem Medikament.
Durch Zufall erkannten die Forscher das große Freude. Frau K. sagte: „Daniel,
die Erektionsstörung, -en wagen
eigentliche Talent von Sildenafil: Die deine Kunst hat Wucht!“ Die anderen , Probleme, eine Erektion , riskieren; ohne Angst
Substanz half gegen Erektionsstörungen. lachten. Ich wusste nie genau, ob über sie zu bekommen etwas Neues oder Ge ährli-
ches versuchen
1998 kam Viagra in die Apotheken – Pfi- oder über mich. Oder über uns beide. Je- n„ckt
zer verdiente damit Milliarden. denfalls lachte ich bald mit und ließ den , ohne Kleidung der Rahmen, -
, hier: Umgebung; Raum
Der Zufall bringt mich zurück zum An- Lehm einfach Lehm sein. der Kreisverkehr, -e
, Platz, um den der Ver- s“ch schämen
fang meiner Reise, zurück zu Nils und sei- Die Pädagogin Andrea Landschof hat
kehr im Kreis geleitet wird , hier: sich schlecht
nem Gaumenzäpfchen. Und zu der Frage: ein Buch geschrieben, das mir sehr gehol- ühlen, weil man etwas
der T“schtennisschläger, -
Welche positiven Zu älle habe ich in mei- fen hat. Es heißt Das bin ich?! Verborgene Ta- , Sportgerät, mit dem
noch nicht gut kann
nem Leben gar nicht gemerkt? Welches lente entdecken und Veränderungen gestalten. man beim Tischtennis den die H¶lzplatte, -n
Talent habe ich vielleicht verpasst? In einem Interview sagte sie: „Es braucht Ball schlägt , flaches Stück aus Holz

Auf dem Gymnasium hatte ich eine Mut, die Komfortzone zu verlassen und h„lten für das d¶ppelseitige
, meinen, dass … ist Klebeband, ¿er
Kunstlehrerin, Frau K. Über sie wurde etwas Neues zu wagen. (…) Suchen Sie
, dünnes, langes Stück,
viel erzählt. Zum Beispiel, dass sie einmal sich einen Rahmen, in dem Sie sich aus- die W¢cht
das auf beiden Seiten klebt
, hier: große Energie;
nackt auf einem Kreisverkehr stand. Da- probieren können und keine Angst davor Dynamik; Kraft das Gesch¡nkband, ¿er
bei versuchte sie, mit Tischtennisschlä- haben müssen, sich zu schämen.“ , dünnes, langes Stück,
den Lehm Lehm sein l„ssen
gern den Verkehr zu regeln. Ich habe an Der Rahmen, in dem ich keine Angst das man zur Dekoration um
, sich nicht mehr mit
ein Geschenk macht
diese Geschichte zwar nie geglaubt. Aber habe, ist mein neues Zuhause. Ich liebe es. Lehm beschäftigen
die Pl¡xiglashaube, -n
ür etwas verrückt musste man sie auch Hinter dem Esstisch ist eine große weiße (der Lehm , hier:
, ≈ großer Hut aus
so halten. Einmal erzählte sie uns von Wand, die auf Kunst wartet. Ich habe eine Material, aus dem man
Plexiglas, mit dem man
Skulpturen machen kann)
Vampiren, die unter ihrem Bett wohnten. Holzplatte gekauft, doppelseitiges Klebe- etwas schützen kann, z. B.
der Mut vor Schmutz
Sicher ist nur: Frau K. sah etwas in mir. band, viel Geschenkband und eine große
, Angst
Ich konnte nie zeichnen oder malen, die- Plexiglashaube. Dinge, die mir dabei verspr¡chen
die Komfortzone verl„ssen , hier: sagen, dass etwas
ses Talent habe ich definitiv nicht. Aber helfen sollen, ein verborgenes Talent zu , hier: ≈ von den sicheren sicher … sein wird
Frau K. motivierte mich, es mit Skulp- entdecken. Was genau ich damit machen Routinen, bei denen nichts
turen zu probieren. Diese vielleicht will, sage ich hier nicht. Aber ich verspre- Neues passiert, weggehen
anarchischste Art der Kunst machte mir che: Es wird Wucht haben.

Das könnte Ihnen auch gefallen