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DEUTSCH
LERNEN
Learn German
Estudiar alemán
Apprendre l’allemand
Imparare il tedesco
Учим немецкий 

AUGUST 2016

,
Ohne Worte
So sprechen die
Deutschen mit
den Händen
,
Besuch aus
der Wüste
München und
die arabischen
Touristen

Deutschland,
deine Provinz
Deutschland € 7,90 CH sfr 13,00 A · B · E · F · FIN · GR · I · L · P (cont) · SK · SLO: € 9,00 GB £ 6,90

Dorf-Geschichten: Wie die Menschen in Rettenbach,

Thier und Wies leben
Schriftstellerin
Juli Zeh im Interview
„Exzentriker
leben heute
lieber auf dem
Dorf“
 Als Deutsch-perfekt-Abonnent

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 Spielend Berlin
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 EDITORIAL  3

„Ein paar Fotos, okay,

aber dann wollten Johanna und entdecken und
Mette lieber inlineskaten.“
Deutsch lernen!
M > MITTEL

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ie beiden Mädchen auf dem Titel hatten prach
der Titel, - ,  hier: erste in 11 S S,
es ein bisschen eilig: Johanna (rechts) FR, IT, E
Seite DE, GB, R , CN,
R U , T
und Mette (beide 6) ließen sich zwar fo- PL,
Nur so viel: …  JP, AE
tografieren. Dann aber gingen sie gleich ,  hier: Wir wollen jetzt nur
inlineskaten. Das geht in dem Dorf, in dem Johanna das sagen: …
wohnt, nämlich wunderbar: Dort kommt nur selten die L„ndlust-Zeitschrift,
ein Auto, sodass es für die Kinder nicht gefährlich ist. -en ,  Zeitschrift, die das
idyllische, romantische
Die deutsche Provinz: Auf diesen weniger bekann- Leben auf dem Land zum G EN
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ten Teil Deutschlands konzentrieren wir uns diesen Thema hat

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Monat. Unsere Reporterinnen Eva Pfeiffer, Anna

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Schughart und Veronika Widmann, die alle einmal ,  hier: beschreiben; zeigen
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6

viel: Es ist anders, als die in Deutschland so populä- s“ch w“dmen  2

,  hier: arbeiten an
7

ren Landlust-Zeitschriften es darstellen (ab Seite 14). 3

Auch unsere Berlin-Korrespondentin Barbara bem¡rken 

8

,  hier: fühlen; merken

4

Kerbel ist in der Provinz aufgewachsen, wie übri-

9

die Verænderung, -en 

5

gens sehr viele unserer Mitarbeiter. Für dieses Heft

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hat sie sich einem Thema gewidmet, das in ganz

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Deutschland ähnlich ist: Was bedeuten die Gesten

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der Deutschen (ab Seite 38)? Als sie fertig war, be-
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merkte Kerbel Veränderungen an sich selbst: „Seit ich

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mehr und sorgfältiger“, sagt sie. Auch bei anderen

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Menschen achtet die studierte Psychologin jetzt viel zu Ende gemacht hat
stärker auf die Gestik. die Sympathie
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Dass sie zweisprachig aufgewachsen ist, half gew“nnen m“t 

,  ≈ der Grund sein, warum Das Spiel zur Stadt – für Deutschlerner
unserer Autorin Dunja Ramadan bei der Arbeit an andere einen sympathisch
und Berlin-Fans!
ihrem Artikel über München als Lieblingsziel vie- finden
ler Touristen aus den Golfstaaten (ab Seite 34). Die die Seifenoper, -n 
Verbessern Sie Ihre Sprachkenntnisse in einer
,  ≈ sehr einfache
kurzweiligen Spielerunde! Grundkenntnisse in
Tochter eines Ägypters und einer Deutschen spricht Deutsch reichen schon aus, um mitmachen zu
Fernsehserie
einen ägyptischen Dialekt. Damit gewann sie die können.
Sympathie ihrer Interviewpartner: „Ägypten ist verf¶lgen 
,  hier: zusehen und Für 2-5 Spieler ab 14 Jahren. Mit 50 Bildkarten
das arabische Hollywood – alle denken sofort an die zuhören zu den Sehenswürdigkeiten, 590 Fragen in
Seifenopern, die die ganze arabische Welt vor dem der Ch¡fredakteur, -e
Deutsch und einem Stadtplan als Spielfeld.
Fernseher verfolgt.“ franz. 
,  Leiter von allen Journa- In Zusammenarbeit mit:
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4  DIE THEMEN DES MONATS AUGUST 2016  Deutsch perfekt

In diesem Heft:
THEMEN 17 SEITEN SPRACHE & SERVICE

30 DEBATTE 38 SPRACHFEATURE
Fahrtest für Senioren? Wenn Hände reden

32 WIE DEUTSCHLAND ATLAS DER

43 
FUNKTIONIERT ALLTAGSPRACHE
Der Müll-Mikrokosmos 10.15 Uhr

37 MEIN ERSTES JAHR 44 WÖRTER LERNEN

Adebayo Waidi Gbenro Olympische Spiele

58 ÜBER WEN 45 ÜBUNGEN ZU DEN

DEUTSCHLAND THEMEN DES MONATS
SPRICHT Mehr Sicherheit
Teil 4 der Serie mit Wörtern und Texten

62 GESCHICHTEN 46 G
 RAMMATIK

14
AUS DER GESCHICHTE Dativ: Wem oder was?
„Ich bin Natascha Kampusch“
48 DEUTSCH IM BERUF
68 WIE GEHT ES Jeans oder Anzug?
EIGENTLICH DEM ...
Lotto? 51 
SCHREIBEN /

74 FLIEGENDER
SPRECHEN /
VERSTEHEN Deutschland,
WECHSEL
Kriminelle interessieren
Sammelkarten:
Zusammenfassung /
deine Provinz
sich für Bienen Small-Talk über Sport /
Idylle, Ruhe und Natur –
Olympische Sportarten
so stellen sich viele Menschen das Leben
in Deutschlands Dörfern vor. Ist das
STANDARDS 53 DEUTSCH IM ALLTAG
wirklich so? Wir haben uns drei kleine
Guck mal!
Orte genauer angesehen.
6 Deutschland-Bild
8 Panorama 54 RATEN SIE MAL!
13 Die deutschsprachige Rätsel zu den Themen
Welt in Zahlen des Monats
64 Kulturtipps
71 Kolumne: Alias Kosmos 55 WORTKOMPASS
72 Reisetipps EXTRA-SERVICE
76 D-A-CH-Menschen Übersetzungen in
Englisch, Spanisch,
Französisch, Italienisch,
Polnisch, Russisch,
Ungarisch
34
Besuch aus
der Wüste
Titelfoto: xxxxxxxx; Fotos: xxx xxxxxxxxx

Jeden Sommer wird

München zu einer Oase
für arabische Touristen.
Wie passen die
Bayern und die Araber
zusammen?
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DIE THEMEN DES MONATS 5

26
„Exzentriker
Lernen mit
DEUTSCH-PERFEKT-PRODUKTEN

DEUTSCH PERFEKT
leben auf dem Dorf“ AUDIO
der Trainer für Hörverstehen
Die Schriftstellerin Juli Zeh
und Aussprache,
im Interview: Macht das Leben
auf CD oder als Download.
in der Provinz Menschen
Achten Sie im Heft auf
kreativer? Warum träumen so
dieses Symbol:
viele Deutsche davon, auf dem
Zu diesen Artikeln können
Dorf zu wohnen?
Sie Texte und Übungen auf
Deutsch perfekt Audio
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DEUTSCH PERFEKT
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24 Seiten Übungen und
Tests zu Grammatik,
Vokabeln und mehr. Achten
Sie im Heft auf dieses
Titelfoto: Stephan Minx; Fotos: Stephan Minx; ddp; picture alliance/dpa Symbol:
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DEUTSCH PERFEKT
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Deutsch perfekt abonniert
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38
Ohne Worte
Noch mehr Informationen und Übungen:
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L > LEICHT M > MITTEL S > SCHWER GER: Gemeinsamer

Wenn Hände reden: Gesten Texte auf Stufe Texte auf Stufe Texte auf den Stufen europäischer
sind ein wichtiges Mittel der A2 des GER B1 des GER B2 bis C2 des GER Referenzrahmen

Kommunikation. Nur: Sie sind

in jeder Kultur ein bisschen m lockere Umgangssprache ↔ Gegenteil von ...
anders. Interpretieren Sie das d negativ o langer, betonter Vokal
Körper-Deutsch richtig? a Vorsicht, vulgär! ¢ kurzer, betonter Vokal
≈ ungefähr, etwa , ¿er Plural-Formen
6 DEUTSCHLAND-BILD   AUGUST 2016  Deutsch perfekt
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEUTSCHLAND-BILD   7

L > LEICHT

Elegant
nach Rio
Volle Konzentration. Die deutschen Was-
serspringerinnen Maria Kurjo und My
Phan dürfen jetzt an nichts anderes den-
ken. Nur an die richtige Körperspannung,
das genaue Timing, die Sekunden, bis sie
im Wasser sind. Das Publikum kann jetzt
sehen, wie gut das elegante Duo zur Ar-
chitektur des London Aquatics Center
passt. Die bekannte Architektin Zaha
Hadid (1950 - 2016) hat die Wassersport­
arena mit ihren extravaganten Lampen
geplant. Aber auch wenn die zwei ele-
ganten Athletinnen wenig Muße für die
originelle Architektur hatten: Vergessen
werden sie das London Aquatics Center
nie. Denn dort sind sie im Mai Europa-
meister geworden. Zuerst waren sie Vier-
te. Aber dann sind sie im letzten Durch-
gang noch Erste geworden. „Eigentlich
ist das unmöglich“, sagte die 26-jährige
Kurjo. Vor zwei Jahren waren sie noch
Zweite. Kurjo ist ab dem 17. August auch
bei Olympia in Rio de Janeiro dabei. Am
18. August findet für sie das Halbfinale
und das Finale statt. Bei einem Salto kann
Kurjo dann den Himmel sehen – denn die
Arena dort hat nämlich ein offenes Dach.

v¶ll ,  hier: komplett; ganz die Muße ,  hier: freie

die W„sserspringerin,
-nen ,  Frau: ≈ Sie macht
Akrobatik und fliegt durch
die Luft ins Wasser.
Zeit für eine Besichtigung
ohne Stress
der Europameister, - 
,  Beste(-r) in Europa

die Kœrperspannung  der D¢rchgang, ¿e ,  hier:

,  ≈ Halten von allen eine von mehreren Phasen
Muskeln am Körper bei einem Turnier
(der M¢skel, -n  sagte ,  Prät. von: sagen
,  ≈ elastischer Körperteil
bei Mensch und Tier) der S„lto, S„lti ,  ≈ Ak-
robatik: Man macht in der
das Duo, -s ,  hier: zwei Luft mit dem ganzen Körper
Wasserspringerinnen: Sie
Foto: Getty Images

einen Kreis.
machen immer zusammen
Sport.
8 PANORAMA   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

Fotos: Die kulturellen Erben e. V.; Getty Images; Alexander Jennewein

GRAFFITI-KULTUR Bilder gegen

Bilder gegen Nazisymbole

das Hakenkreuz, -e 

Nazisymbole , Swastika; hier: Symbol

der Nationalsozialisten
r¡chte (-r/-s) ,  hier:
Wenn Ibo Omari in Berlin ein Hakenkreuz oder an- extrem nationalistisch
dere Nazisymbole sieht, nimmt er eine Spraydose.
der K•nstler, - , Person:
Und dann macht er aus dem rechten Symbol etwas Sie macht ästhetische
anderes – zum Beispiel einen Moskito. Dieser Akti- Dinge, z. B. Bilder oder
Skulpturen.
on hat er den Namen „Paint Back“ gegeben. Allein ist
Omari auch nicht mehr: Viele Graffiti-Künstler aus bevor ,  in der Zeit vorher
der Hauptstadt helfen ihm. Auf Instagram (#paint- verschw“nden ,  hier:
nicht mehr zu sehen sein
back) kann man immer wieder neue Bilder sehen.
Bevor Omari und seine Kollegen mit einem Graffiti Vorher – nachher:
Aus Nazisymbo­len
anfangen, fragen sie um Erlaubnis. Die bekommen macht Ibo Omari
sie immer. Denn alle sind froh, wenn die Nazisym- zusammen mit
Kollegen lustige
bole wieder aus Berlin verschwinden.
Bilder.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 PANORAMA  9

L > LEICHT b > AUDIO

ANTHROPOLOGIE Herzlich oder höflich?

Herzlich oder höflich? das Læcheln ,  von: lächeln

= ein bisschen lachen

Nicht jedes Lächeln ist echt. Leipzig. Die Forscher haben ¡cht ,  ↔ falsch

Das merken Menschen sehr
früh: Schon ab dem Alter
von drei Jahren beginnen
viele Kinder, zu unterschei-
den: Ist ein Lächeln herzlich,
falsch oder vielleicht nur
168 Mädchen und Jungen
im Alter zwischen zwei und
fünf Jahren Fotos gezeigt. Auf
den Bildern haben Personen
einmal spontan und einmal
auf Kommando gelächelt. In
unterscheiden ,  hier: den
Unterschied sehen
der F¶rscher, - , Person:
Sie macht systematische
Untersuchungen.
deutlich ,  hier: viel
3 FRAGEN

Der Gewitter-
höflich? Das ist das Resul- Tests haben die Kinder deut-
Metal-Mythos trifft
tat einer Untersuchung des lich länger auf das Gesicht Provinz
Max-Planck-Instituts für evo-
lutionäre Anthropologie in
mit dem echten Lächeln ge-
sehen.
h„rt ,  hier: laut
klein „nfangen ,  m
Pilot
hier: wenige Besucher
haben Markus Duwe fliegt dahin, wo kein anderer
Heavy-Metal-Fans beim
Festival in Wacken der Zaun, ¿e , Konstruk­ sein will: ins Gewitter. Dort soll er sich um
tion aus Holz oder Metall: besseres Wetter kümmern.
Sie zeigt, wo die Grenze von
einem Stück Land ist.
Herr Duwe, Piloten mögen Gewitter
gerade ,  hier: seit kurzer
Zeit eigentlich nicht. Sie aber starten nur,
wenn das Wetter extrem schlecht ist.
der Gr¢nd, ¿e ,  hier:
Motiv: Warum soll man Warum?
etwas tun? Weil es mein Job ist. Ich bin Hagelpilot
ausflippen ,  m enthusi­ und soll im Sommer starke Hagelstürme
astisch werden; ≈ sich sehr verhindern. Vor drei Jahren hatten wir
freuen
hier in Reutlingen in Baden-Württem-
die J¢ngs Pl. ,  m Jungen
berg 14 Zentimeter große Hagelkörner.
Das ist sehr gefährlich. Und leider typisch
Der Gewitter-Pilot
für die Region: Hier gibt es Berge und da-
FESTIVAL der Hagelsturm, ¿e , ≈ vor eine sehr ebene Fläche. Wenn sich
sehr starker Wind mit Hagel
Metal-Mythos trifft Idylle (der Hagel ,  Regen aus
dort warme und kalte Luft treffen, gibt es
schnell extreme Wetterphänomene.
Hagelkörnern)
Natur, Rinder, ein paar Vereine – die meiste Zeit im Jahr ist Wa- (das Hagelkorn, ¿er 
cken ein ziemlich normales 1800-Einwohner-Dorf in Schles- ,  ≈ kleiner, harter Eisball) Und was genau machen Sie dagegen?
wig-Holstein. Jetzt kommt das Aber. Dieses Aber ist Invasion, verh“ndern , machen, Ich fliege mit meinem Flugzeug direkt
Metal-Mythos, Kommerz, Camping und sehr viel Bier: das dass … nicht passiert unter die Gewitterwolke, wo die Luft
Wacken Open Air. Vom 4. bis 6. August findet wieder das größ- eben ,  hier: ohne Berge nach oben steigt. Dort entzünde ich Sil-
te Heavy-Metal-Festival der Welt statt. Drei Tage lang feiern die Flæche, -n ,  hier: berjodid. Der Wind transportiert das in
85 000 Fans harter Musik Bands wie Iron Maiden, Therapy? Region die Gewitterwolke. Am Silberjodid ge-
und Whitesnake. Das Wacken hat 1990 klein angefangen – mit steigen ,  hier: gehen friert das Wasser dann zu Eiskristallen.
sechs Bands und 800 Besuchern. Thomas Jensen und Holger entz•nden ,  hier: ≈ sehr Das Resultat sind sehr viele kleine Hagel-
Hübner aus dem Dorf hatten die Idee an einem Abend in der heiß machen, sodass es ein körner – und die sind ungefährlich.
Feuer und Rauch gibt
Kneipe. Sie organisieren das Festival bis heute. Nur ist jetzt alles
ein bisschen größer – nämlich 220 Hektar. Der Zaun rund um das S“lberjodid , che­ Aber gefährlich kann es für Sie und Ihr
mische Kombination aus
das Festivalareal ist mehr als 40 Kilometer lang. Für die Besu- Silber und Jod; AgI Flugzeug werden, oder?
cher gibt es mehr als 1000 Toiletten. Und eine Kirche ist auch im (das S“lber , Metall) Das Timing ist sehr wichtig. Ich darf nicht
Angebot. Die Euphorie der Wacken-Fans ist so extrem, dass sie zu früh unter der Wolke sein, aber auch
gefrieren ,  extrem kalt
alle Tickets in weniger als 24 Stunden gekauft haben. Da war das und hart wie Eis werden nicht zu spät. Wenn man zu lange wartet,
Wacken 2015 gerade erst vorbei. Für Hübner ist das alles kein tr¡ffen ,  hier: direkt
ist der Hagel nämlich schon da. Und der
Grund zum Ausflippen. In einem Interview hat er gesagt: „Wir kommen auf trifft dann natürlich auch mein Flugzeug.
sind die Jungs vom Dorf, und die wollen wir auch bleiben, auch die Scheibe, -n ,  hier: ≈ Da hat es auch schon kaputte Scheiben
wenn wir ein bisschen älter geworden sind.“ Fenster gegeben.
10 PANORAMA
DEUTSCHLAND UND POLEN
Ein Schulbuch
für zwei Länder
Es ist eine politische Sen-
sation: Das erste gemeinsa-
me Schulbuch Polens und
Deutschlands. Sein Name:
Europa. Unsere Geschichte oder
auch Europa. Nasza Historia. Es
soll jetzt in beiden Ländern im
Geschichtsunterricht benutzt
werden – in zwei sprachlich
verschiedenen Varianten, aber
mit identischem Inhalt. Deut-
sche und polnische Schüler
sollen „die gemeinsame Ge-
schichte aus gleicher Pers-
pektive kennenlernen“, sagt
Polens Außenminister Witold
Waszczykowski. Die Idee hat-
te der deutsche Außenminis-
ter Frank-Walter Steinmeier.
TOURISMUS
Vorsicht,
Deutsche!
Endlich Urlaub. Aber bitte
ohne Menschen aus dem ei-
genen Land. 14 Prozent der
Deutschen suchen sich für
ihre Reise gezielt einen Ort,
an dem so wenig wie möglich
andere deutsche Touristen
sind. Nur sechs Prozent wol-
len genau da Urlaub machen,
wo sie viele Leute aus der
Heimat treffen. Das ist das
Resultat einer Umfrage der
Reisesuchmaschine Kayak.
de. 18 Prozent haben bei einer
Reise ins Ausland auch schon
einmal versucht, so zu tun, als
wären sie keine Deutschen.
Ein Schulbuch für zwei
Länder
gemeinsam ,  hier: für
beide zusammen
die Gesch“chte , Historie
der Außenminister, – 
,  Minister: Er kümmert
sich um die politischen
Kontakte mit dem Ausland.
Vorsicht, Deutsche!
gezielt ,  ≈ so, dass man
einen Plan hat
die }mfrage, -n , syste­
matisches Fragen
wären ,  Konj. II von: sein
Wenige Praktika
der M“ndestlohn, ¿e 
,  Lohn: So viel muss
jemand mindestens
bekommen.
die Personalvermittlung,
-en ,  Firma: Sie hilft an­
deren Firmen, Angestellte
zu finden.
der Personalchef, -s 
,  Chef: Er kümmert sich
um die Administration von
allen Angestellten von einer
Firma.
der Gr¢nd, ¿e ,  hier: ≈ Er­
klärung: Warum ist das so?
kœnnte sein ,  hier:
≈ wahrscheinlich sein
g¡lten ,  hier: ≈ schriftli­
che Norm sein
der Praktik„nt, -en  Deutschland erzählen (www.crowdspondent.de).
,  Person: Sie macht ein
Praktikum.
  AUGUST 2016  Deutsch perfekt
L > LEICHT b > AUDIO
WAS HEISST beobachten ,  hier:
Was heißt Hängepartie? sehen, dass etwas passiert
die Leine, -n , sehr
dünnes, langes Stück aus
Eine Partie kennt man aus dem Sport. „Lust auf eine Plastik, z. B. Nylon: Daran
Partie Tennis?“, kann Andre Agassi zum Beispiel sei- hängt man Wäsche.
ne Frau Steffi Graf fragen. Aber vielleicht wollen die die B¢ndesregierung 
,  hier: deutsche
beiden nach ihren langen Karrieren lieber eine ruhi-
Regierung
ge Partie Karten spielen. Beide Aktivitäten sind aber
der Regierungssprecher, - 
keine Hängepartie. Dass etwas hängt, kann man bei ,  Person von der Regie­
nasser Wäsche beobachten: Damit sie trocken wird, rung: Sie gibt offizielle Infor­
mationen an die Medien.
lässt man sie an der Leine hängen. Aber auch einen
Menschen kann man hängen lassen – wenn man
sich nicht um ihn kümmert und ihm nicht hilft. Das
Wort „Hängepartie“ beschreibt die Konsequenz: sehr
langes Warten. Ein Warten, bei dem nichts passiert
und alle passiv sind. „Die Bundesregierung will keine
Hängepartie“, hat Regierungssprecher Steffen Sei-
bert gesagt. Was er damit meint? Den Brexit, also den
Plan Großbritanniens, kein Teil der EU mehr zu sein.
Die Politiker in London sollen nach Meinung der
deutschen Regierung nämlich nicht zu lange damit
warten, den Brexit konkret zu machen.
CROWDFUNDING recherchieren franz. , ge­
Zwei für Deutschland naue Informationen suchen
interagieren ,  ≈ Kontakt
haben; in Interaktion gehen
Die beiden jungen Journalistinnen Lisa Altmei-
er und Steffi Fetz arbeiten nach einem speziellen s“ch m¡lden bei ,  hier:
eine Nachricht schicken
Prinzip: Sie sammeln über Crowdfunding Geld und
recherchieren dann das, was ihre Fans interessiert.
Über das Internet kann jeder mit den Reporterinnen
interagieren. So sind sie schon durch Brasilien und
Japan gereist. Ab August wollen sie durch Deutsch-
land fahren. Und wenn jemand eine Idee oder eine
Frage hat, kann er sich bei ihnen melden. Natürlich
ist es auch interessant, zu sehen, was die beiden über
ARBEITSWELT
Weniger Praktika
8,50 Euro pro Stunde sind seit 34 Prozent. Auch sind die Praktika
Januar 2015 in Deutschland der kürzer geworden. Ein Grund dafür
Mindestlohn. Eine Konsequenz könnte sein: Für Praktika mit einer
daraus ist, dass Firmen weniger Dauer von weniger als drei Mona-
Praktikumsplätze anbieten. Das ist ten gilt der Mindestlohn nicht. In
das Resultat einer Untersuchung der Untersuchung haben 22 Pro-
des Ifo-Instituts und der Personal- zent der Personalchefs gesagt, dass
vermittlung Randstad. Rund 1000 der Mindestlohn direkte Konse-
Personalchefs haben daran teilge- quenzen für das Praktikumsange-
nommen. Von ihnen haben vor dem bot hat. Vor dem Mindestlohn hat
Jahr 2015 70 Prozent Praktika ange- es in Deutschland viele unbezahlte
boten. Seit 2015 sind es nur noch Praktikanten gegeben.
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016 PANORAMA  11

Foto: Prisca Martaguet

Aus alten Telefonzellen

hat eine Berliner Firma
kleine Discos gemacht.

BERLIN Party intim

Party intim die Telefonzelle, -n 

,  ≈ offizielles Telefon auf
der Straße

Keine Lust auf anonyme Discoräume mit Hunder-
ten von tanzenden Menschen? In Berlin gibt es die
Mini-Disco-Variante: Eine Firma hat aus einer alten
Telefonzelle eine Partykabine gemacht. In dieser
„Teledisko“ gibt es alles Wichtige zum Feiern auf we-
niger als einem Quadratmeter: Musik über Spotify,
eine Nebelmaschine, ein Stroboskop für die Licht­
effekte und eine Discokugel. Besucher können in
der Teledisko auch ein Foto oder ein Video von sich
machen. Der Spaß kostet mindestens zwei Euro. Die
Idee hatte vor zwei Jahren Benjamin Uphues. „Das die D“scokugel, -n 
,  ≈ kleiner Ball mit Spie­
ist wie Berlin in einer Box. Drinnen passieren Emo- geln: Er reflektiert das Licht.
tionen“, sagt der 39-Jährige. In der Party-Metropole
die B¶x, -en ,  hier:
gibt es heute zwei Telediskos. Außerdem reist Uphu- großer Kasten
es mit mehreren mobilen Teledisko-Kabinen durch (der K„sten, ¿ ,  Ding aus
Deutschland und in andere Länder. „Eine Teledisko Holz oder Plastik: Man kann
darin etwas transportie­
war sogar schon in Mexiko“, erzählt er. Neun Gäste
ren.)
gleichzeitig in der kleinen Disco – das war bis jetzt
sogar , auch
der Besucherrekord. Viel intimer geht Disco wirklich
nicht.

Frankenstein
Das Wort Die meisten
Menschen denken sofort an
das Buch von Mary Shelley:
Der junge Viktor Franken-
stein erschafft darin ein
Monster.
NAVIGATOR
DIESEN ORT GIBT ES WIRKLICH
Der Ort Frankenstein ist
eine Gemeinde in Rheinland-
Pfalz. Sie liegt im Naturpark
Pfälzerwald. Circa 1000
Menschen leben dort – aber
keine Monster. Es gibt auch
keine Verbindung zwischen
dem Namen des Ortes und
dem Buch von Mary Shelley.
Frankenstein heißt so, weil es
dort die Burg Frankenstein
gibt. Auf der Burg hat die
aristokratische Familie der von
Frankensteins gewohnt. Heute
ist sie eine Ruine. Trotzdem
ist der Ort eine gute Kulisse.
Wenn Produzenten wissen
wollen, wie es dort aussieht: Im
Galgental der Gemeinde gibt
es eine Webcam.
ersch„ffen ,  ≈ neu
machen
die Gemeinde, -n , Kom­
mune
die B¢rg, -en ,  ≈ großes,
massives Schloss
die Kul“sse, -n ,  hier: Ort:
Dort findet ein Film statt.
das G„lgental ,  hier:
Platz zwischen Bergen:
Dort war in historischer Zeit
der Galgen.
(der G„lgen, - 
,  ≈ Holzkonstruktion: Da­
ran hat man in historischer
Zeit Menschen am Hals
gehängt, bis sie tot waren.)
12 PANORAMA
L > LEICHT b > AUDIO
Den Text „Der Pflanzendoktor“ können
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MÜNCHEN
Polizei sucht Instrument
Sie ist etwas ganz Besonde-
res: 248 Jahre alt und mehr als
118 000 Euro wert. Sie gehört
einem Musiker vom Sympho-
nieorchester des Bayerischen
Rundfunks. Seit April hat er
mithilfe der Polizei danach
gesucht – nach seiner Lan-
dolfi-Geige. Eine Frau aus der
Familie des Musikers hatte die
Geige in der S-Bahn vergessen.
Kamerabilder zeigen, dass ein
Mann das Instrument kurz
danach mitgenommen hat.
Um das teure Instrument zu
finden, hat die Polizei Bilder
von ihm publiziert. Jetzt hat
der Mann es zurückgegeben.
Der Münchener sagt, dass er
den großen finanziellen Wert
der Geige nicht gekannt hat.
Vielleicht gibt es für ihn trotz-
dem Konsequenzen. Denn
jetzt entscheidet die Justiz, ob
sie ihm das glaubt.
WIRTSCHAFT
Weniger Einkaufslust
Die Deutschen kaufen we-
niger oft als früher Essen ein.
228-mal gehen sie pro Jahr
in einen Lebensmittelladen.
Vor vier Jahren waren es nach
Auskunft des Instituts GfK
noch 241-mal. Besonders viele
Kunden verloren haben Fach-
geschäfte wie zum Beispiel
Bäckereien, Fleischereien und
auch Märkte.
die Fleischerei, -en ,  Geschäft: Dort
werden Fleisch und Wurst verkauft.
Polizei sucht Instru-
ment
das Bes¶ndere ,  hier:
spezielles Ding: So etwas
gibt es nicht oft.
wert (sein) ,  teuer sein;
kosten
der Bayerische R¢nd-
funk ,  Fernseh- und
Radiostation aus Bayern
die Geige, -n , Musikins­
trument in der Form eines
kleinen Cellos
der Wert, -e ,  hier: Preis
entscheiden ,  hier:
sagen, ob es eine Sanktion
gibt
Der Pflanzendoktor
w„rnen vor ,  sagen, dass
man gut aufpassen soll oder
dass etwas gefährlich ist
der ]rnteausfall, ¿e 
,  hier: Verlieren von Ernte
(die ]rnte, -n ,  hier: Obst
oder Gemüse: Man hat es
gesammelt.)
häufig , oft
der G„rtenfreund, -e  pflanze unter
,  Person: Sie liebt Gärten.
erk¡nnen ,  hier:
≈ verstehen; sehen
die Wærme ,  von: warm
dazulernen , mehr
Erfahrung bekommen
die F¶rschungsarbeit, -en  Pflanze – und weiß dann sofort, dass Licht
,  systematische Untersu­
chung für mehr Wissen
der Kohlenstoff , chemi­
sches Element: C
der Boden, ¿ ,  Ort: Da­
rauf geht und steht man.
vor {rt ,  m hier: in
Brasilien
relativ , ziemlich
der Schädling, -e , Pa­
rasit; kleines Tier: Es
macht z. B. Pflanzen oder
Lebensmittel kaputt.
der M„rktführer, - , Fir­
ma: Sie steht in einem
speziellen wirtschaftlichen
Sektor an erster Position.
START-UP DES MONATS
Der Pflanzendoktor
Die Idee Eine intelligente Die häufigste
App analysiert, wie es Pflanzen
Krankheit einer
geht.
Warum braucht die Welt das?
Tomatenpflan-
ze in deutschen
Die App hilft, Pflanzen wieder
gesund zu machen – und Gärten ist ei-
gentlich keine.
warnt vor Krankheiten in der
Region. So gibt es weniger
Sie ist ein Feh-
Ernteausfälle.
Der schönste Moment? ler der Garten-
freunde. „Wir
Die erste Version der App ha-
haben mehrere
ben im letzten Jahr mehr als
20 000 User benutzt. Und: Das
Fotos bekom-
Team hat finanzielle Hilfe von
men, auf denen
der Regierung bekommen.
die Tomaten-
einer Treppe zu
sehen war“ er-
zählt Pierre Munzel von der Firma Peat.
„Aber da kommt natürlich viel zu wenig
Sonne hin.“ Die Plantix-App der Firma
erkennt das. Sie analysiert das Bild der
und Wärme fehlen. „Und mit jedem Foto
lernt die Software dazu“, erklärt Munzel.
15 000 Bilder haben Gartenfreunde in
Deutschland letztes Jahr geschickt. Es
war ein erster Test.
Auf die Idee für die App ist das Team
bei Forschungsarbeiten über Kohlenstoff
in brasilianischen Böden gekommen.
„Den Leuten vor Ort war der Kohlenstoff
aber relativ egal. Sie haben immer gefragt:
Was hat meine Pflanze? Wieso sieht sie
so kaputt aus? Wie kann ich ihr helfen?“,
erzählt der 32-Jährige. Zurück in Deutsch-
land hat das Team dann sein Start-up ge-
gründet.
  AUGUST 2016  Deutsch perfekt
Die App Plantix
analysiert, wie es
Pflanzen geht.
Dieses Jahr soll die intelli-
gente App auch in Brasilien
und Mali starten. „Ab August
schicken wir Teams in die
Länder. Sie suchen zusammen
mit den Menschen vor Ort
Bildmaterial“, erklärt Munzel.
Die App soll später nicht nur
helfen, Krankheiten zu erken-
nen. Sie soll auch vor Krank-
heiten warnen. „Die User schi-
cken anonym mit jedem Bild
GPS-Daten“, erklärt Munzel.
„Wenn es dann plötzlich in
einer Region einen Schädling
öfter gibt, kann die App andere
warnen.“
Nicht immer muss man ge-
gen Schädlinge sofort Pestizi-
de nehmen. Munzel und sei-
ne Kollegen mögen toxische
Mittel nicht. Deshalb zeigt die
App ökologische Alternativen,
die gegen Schädlinge helfen.
Kostenlos ist Plantix für die
User auch. Finanzieren sollen
die Idee andere Firmen, die die
App für ihre eigenen Angebo-
te nutzen. „In den nächsten
fünf Jahren möchten wir mit
Fotos: picture alliance/dpa; plantix
der App in mindestens 15 Län-
dern sein – und Marktführer
dieser Technik“, sagt Munzel.
Ein sehr ambitionierter Plan.
Aber: Es ist wahrscheinlich,
dass er funktioniert.
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DIE DEUTSCHSPRACHIGE WELT IN ZAHLEN  13

L  >  LEICHT

30  000 000
 

Von Fisch-
Eine Übung zu
diesem Text finden
Sie auf Seite 45.

Mythos bis HAUSTIERE leben in Deutschland.

Star-Katze
Haustiere sind für viele
Deutsche ein Teil der Familie –
und sie sind wichtig für die
Wirtschaft. Was heißt das in
Zahlen?
27
PROZENT der Haustiere
in Deutschland sind Kat-
zen. Sie sind die populärs-

207
ten Haustiere im Land.
MINUTEN sehen Auf Platz zwei sind Hunde
Haustierbesitzer mit 21 Prozent, dann kommen
in Deutschland Fische (9 Prozent), Vögel (6 Pro-
jeden Tag fern. zent) und andere Tiere (9 Prozent).
Das sind 22 Mi- der Pl„tz, ¿e 

nuten weniger als bei Menschen ohne
Tiere. Das gilt aber nur für Besitzer von
Hunden und Katzen. Vogelbesitzer se-
hen nur eine Minute weniger fern als
Menschen ohne Tiere.
4 560 000 000
,  hier: Position
der Haustierbesitzer, - 
,  Person: Ihr gehört ein
Haustier.
EURO Umsatz haben Geschäfte für Heimtierfutter und g¡lten für ,  hier: stim-
­-artikel im letzten Jahr in Deutschland gemacht.

186
men; richtig sein

0,2
MILLIGRAMM schwer ist ein
wenig populäres Haustier:
EURO kostet in Mainz die Jah-
ressteuer für einen Hund. Die
Stadt ist einer der teuersten Orte
für die Besitzer der Tiere. Es gibt
auch hundesteuerfreie Kommu-
nen, zum Beispiel Windorf in
der Nähe von Passau. Eine Steu-
er muss man in Deutschland nur für Hunde zahlen – Katzen, Vögel,
der }msatz, ¿e , Summe
von allen Verkäufen in einer
speziellen Zeit
das Heimtierfutter , Es-
sen für Haustiere
der Artikel, - ,  hier:
Produkt
saugen ,  hier: heraus-
holen
ziehen ,  hier: mit der

der Floh. Der Parasit saugt
Blut von Menschen – und
manchmal auch von Tieren.
Gerne sieht man den Floh
meistens nur an einem Ort:
in einem Flohzirkus. Wie in
dem Foto oben ziehen die
Parasiten dort Objekte, die
20 000-mal so schwer sind
wie sie selbst. Sie können
außerdem bis zu 20 Zenti-
meter hoch und 35 Zenti-
Fotos: iStock (2); picture alliance/dpa
3
Fische oder auch Ponys leben steuerfrei. Das finden manche Hunde-
besitzer ungerecht.
SEKUNDEN lang kann sich ein Goldfisch
an etwas erinnern – stimmt das? Nein!
Über das älteste Haustier der Deutschen
hat man lange Zeit einen Mythos erzählt.
Experten sagen: Ein Goldfisch kann sich
bis zu drei Monate erinnern.
Energie vom eigenen Kör-
per von einem Ort zu einem
anderen bringen
spr“ngen ,  hier: schnell
hoch in die Luft gehen
h¢ndesteuerfrei , so,
dass man keine Hundesteu-
er bezahlen muss
¢ngerecht ,  hier: nicht
richtig
der G¶ldfisch, -e , kleiner
Fisch mit gelber bis roter
Farbe (s. Foto)

meter weit springen. Es gibt

in Deutschland nur noch
sehr wenige Flohzirkusse.
In einen bekannten kann
man auf dem Oktoberfest
in München gehen.
Wie ist
es hier?
Die 14 deutschen Städte mit mehr als
500 000 Einwohnern kennt fast jeder.
Und die 8218 Gemeinden mit weniger als
5000 Einwohnern? Wir wollten wissen:
Wie ist das Leben eigentlich dort?
Unsere Reporter haben drei Dörfer
besucht – und viel darüber erfahren.
Von Jörg Walser, Anna Schughart, Veronika Widmann
und Eva Pfeiffer
Foto: Stephan Minx
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEUTSCHLAND, DEINE PROVINZ  15

Die Texte zum Thema

16 Essay:
Die deutsche Provinz

19 Thier:
Das boomende Dorf

20 Wies:
Das einsame Dorf

25 Rettenbach:
Das autarke Dorf

26 Juli Zeh:
Die Schriftstellerin über
ihr Leben auf dem Dorf
16  DEUTSCHLAND, DEINE PROVINZ   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

P
rovinz! Dieses Wort ist „Provinz“ ist nur noch eine Bezeichnung
großzügig  der Landkreis, -e , meh-
wirklich seltsam – ist es für eine abstrakte Region; auch aus die- ,  hier: ≈ tolerant rere Kommunen mit ge-
doch so klar und gleich- sem Grund ist sie besonders oft ein Ziel eine Ausnahme m„chen , 
meinsamer Administration
zeitig so gar nicht klar. Für von Interpretationen und Klischees. Mit hier: nicht als Provinz sehen die Bezeichnung, -en 
manchen Berliner ist ganz „Provinz“ kann man wirklich alles asso- (die Ausnahme, -n  , Name

Restdeutschland Provinz. ziieren. ,  ↔ Regel) das Prov“nzkaff, -s/¿er 

,  m d langweiliger,
Ist er sehr großzügig, macht er vielleicht Mehr als das: Wer heute „Provinz“ schließlich ,  hier: ≈ denn
isolierter, kleiner Ort
noch bei Hamburg, München und Köln sagt, kann das kaum noch neutral sa- keine 50 Kilometer 
,  hier: weniger als 50 wœrtlich gen¶mmen 
eine Ausnahme; schließlich wohnen in gen. „Provinz“, das meint oft „klein“ und ,  in der Original-Bedeu-
Kilometer
jeder dieser Städte mindestens eine Mil- „unwichtig“. Da ist das böse Wort vom tung des Wortes
]s kœnnte … weitergehen 
lion Menschen. Provinzkaff nicht weit – ein Wort, das l¢ftig ,  hier: ungenau
,  Man könnte … weiter-
Für manchen Münchener ist schon fast nur Einwohner von Großstädten machen „nderswo ,  an anderen
Augsburg Provinz, keine 50 Kilometer benutzen. Menschen in Metropolen einfach ,  hier: wirklich Orten; hier: in anderen
von der bayerischen Millionenmetropo- sind es auch, die von „denen da in der Ländern
neutral 
le entfernt, fast 300 000 Einwohner, aber Provinz“ sprechen und sich dabei so ,  hier: objektiv; nicht dezentral 
,  weit weg vom Zentrum
nicht per S-Bahn zu erreichen. viel mehr wert fühlen. Und so wird das positiv und nicht negativ
Und für die Augsburger? Vielleicht P-Wort ganz schnell zu einem polemi- der Begr“ff, -e , Wort der Kiez, -e norddt.,
berlin.  , Stadtteil
Heidenheim an der Brenz (47 000 Ein- schen Begriff. der Verw„ltungsbezirk, -e 
wohner, wenig darum herum)? Oder Dann ist da noch dieser Aspekt: Wer ,  Region mit eigener die Peinlichkeit, -en 
Administration ,  Sache, die einem vor
Pfullendorf (13 000 Einwohner, noch weit weg von den Städten lebt, lebt „auf anderen unangenehm ist
weniger darum herum)? dem Land“. Wörtlich ge- der Römer, - 
,  hier: Einwohner des stehen für 
Es könnte immer so wei- Wer heute nommen, ist auch das eine historischen Roms ,  hier: ≈ bedeuten
tergehen: Provinz, das sind „Provinz“ ziemlich luftige Sache.
das Gebiet, -e , Region die Gemeinde, -n 
die anderen. Die armen sagt, kann das Sicher ist: Die meisten
genau gen¶mmen 
, Kommune
Menschen in diesen Orten, Deutschen leben irgend-
kaum noch ,  ≈ eigentlich
wo die aktuelle Mode, die
neueste Musik und einfach
neutral sagen. wie in der Provinz – und
doch ist der Unterschied
das B¢ndesland, ¿er 
,  Teil einer föderalisti-
alles, was Trend ist, immer zwischen Hauptstadt und schen Republik
erst mit Jahren Verspätung ankommt. Provinz in diesem Land viel kleiner als weiterhelfen 
Wo abends nichts mehr los ist – ganz be- anderswo. Denn so wichtig wie Paris für ,  helfen, ein Problem
zu lösen
stimmt gar nichts mehr los ist! Frankreich, Rom für Italien und Peking
Und das alles, obwohl „Provinz“ ety- für China ist, ist Berlin für die Deutschen
mologisch ein ganz neutraler Begriff ist. nun wirklich nicht. Es gibt nicht die eine
Ein Verwaltungsbezirk, nicht mehr und Hauptstadt, die alles dominiert und den
nicht weniger als das, war eine Provinz Rest des Landes zur Provinz macht. Es
schon vor 2000 Jahren bei den alten Rö- gibt viele Zentren. Damit liegen wenige
mern. Raetia zum Beispiel, ein Gebiet so Orte wirklich dezentral.
groß wie Österreich mit Augusta Vin- Übrigens: Manche Leute finden auch
delicorum als Hauptstadt (im moder- Berlin ziemlich provinziell, weil vielen
nen Deutschland besser bekannt unter Berlinern der eigene Kiez, Wilmersdorf
diesem Namen: Augsburg). Bis heute ist oder Reinickendorf, so viel wichtiger
eine Provinz, genau genommen, nichts ist als der Rest der Stadt. Und weil eine
anderes als eine Region. Weltstadt sich eigentlich keine Peinlich-
Aber da hört es mit der Genauigkeit keiten erlauben kann wie zum Beispiel
auch schon wieder auf. Eine Region, das einen Flughafen, der nie fertig wird. Aber
kann alles sein. Eine Stadt und die Orte das ist eine andere Geschichte.
darum herum (Region Unna), genauso Sicher ist: Wenn Provinz für „klein“
gut aber ein großer Teil eines Bundes- stehen soll, dann ist Deutschland, geo-
landes (Oberbayern). Auch die moderne grafisch gesehen, ziemlich provinziell.
Foto: Stephan Minx

Verwaltungssprache hilft nicht weiter. Neun von zehn Gemeinden zwischen

Denn Deutschland hat zwar 16 Bun- Alpen und Nordsee haben weniger als
desländer, 19 Regierungsbezirke und 10 000 Einwohner. Irgendwie ist fast
295 Landkreise – aber null Provinzen. überall Provinz in Deutschland.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEUTSCHLAND, DEINE PROVINZ  17

Die Milch direkt beim Bauern kaufen –

in vielen Dörfern ist das Alltag.
Die Bushaltestelle: Treffpunkt vor der Schule und abends vor
dem Ausgehen. Hier beginnt manche Romanze.
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEUTSCHLAND, DEINE PROVINZ  19

b > AUDIO
THIER

Das
boomende
Dorf
...................................................................................................................................
...................................................................................................................................

Plötzlich wird die Straße einspurig. Der

Bus muss halten, um ein Auto vorbei-
zulassen. Dann fährt er durch den Wald
– und endlich: hinein nach Thier. 43 Mi-
nuten dauert die Fahrt vom nächsten
Bahnhof hierher ins Bergische Land im
Osten von Köln. Eine Kirche, einen Fried- Kleiner Ort Da ist zum Beispiel der neue Kunstra-
einspurig ,  mit nur einer ganz groß: We-
hof, einen Briefkasten und einen kleinen Spur
senplatz des Sportvereins, Kosten:
gen seiner hohen
Laden. Das gibt es hier. Also ein Dorf wie (die Spur, -en ,  hier: Lebensqualität 300 000 Euro. Die Kleinstadt Wipper-
jedes andere? Nicht ganz. Teil einer Straße, auf der ist Thier im fürth, zu der Thier gehört, wollte nur zwei
Thier nennt sich „Golddorf“. Bei dem alle Autos in eine Richtung Bergischen Land Drittel davon bezahlen. Also bezahlten
fahren) ein „Golddorf“.
letzten nationalen Wettbewerb „Unser die Thierer die fehlenden 100 000 Euro
der Friedhof, ¿e ,  Ort, an
Dorf hat Zukunft“ hat es nämlich eine selbst. Auch das Pflaster rund um den
dem die Toten liegen
Goldmedaille gewonnen. Dazu muss die Rasen legten sie selbst. Oder die Sache
der W¡ttbewerb, -e 
Lebensqualität in einem Dorf besonders ,  ≈ Suche nach den Besten
mit dem katholischen Gottesdienst: Seit
hoch sein. Und dieser Triumph ist nicht ein paar Jahren hat Thier keinen eige-
leer stehend ,  hier: so,
der einzige: Insgesamt 22-mal gewann dass niemand darin wohnt nen Pfarrer mehr. Deshalb gibt es in der
Thier bei ähnlichen Wettbewerben oder etwas anderes damit Dorfkirche nur wenige offizielle Gottes-
gemacht wird
Gold, Silber oder Bronze. Viele Dörfer in dienste. Kein Problem: Eine Gruppe von
Deutschland kämpfen mit dem Problem, bes¶ndere (-r/-s) ,  hier: Frauen aus dem Dorf organisiert selbst
≈ spezielle (-r/-s); typische der G¶ttesdienst, -e 
dass zu viele Leute wegziehen. Anders (-r/-s) ,  religiöse Feier, speziell jede Woche eine Andacht.
dieses: Dort sieht man nicht ein leer ste- in einer christlichen Zwar hat auch Thier ein paar der ty-
die Gemeinschaft  Kirche
hendes Haus. Im Gegenteil: Immer wie- ,  Zusammensein; Zusam- pischen Probleme, wie viele Dörfer sie
der Pf„rrer, - , Mann,
der kommen junge Familien in den Ort. menleben kennen. 2008 schloss die Grundschule
der in einer Kirche religiö-
Was macht dieses Dorf besser als andere? das M“teinander ,  hier: se Aufgaben hat im Ort, 2012 die letzte Bäckerei. Aber die
„Das Besondere an Thier ist die Ge- Zusammenleben; Arbeiten Thierer reagieren auf Dinge wie diese. Sie
im Team die [ndacht, -en 
meinschaft, das Miteinander“, sagt ,  ≈ religiöse Meditation überlegen sich etwas Neues. Zum Bei-
Andreas Bosbach. „Man bekommt immer der Vorsitzende, -n , Per- spiel den selbst organisierten Dorfladen,
son, die einen Verein leitet schließen ,  hier:
Hilfe, wenn man fragt.“ Der 48-Jährige ist aufhören, einen Service bei dem viele Dorfbewohner mitmachen.
“noffiziell ,  nicht offiziell anzubieten
seit März Vorsitzender des Bürgervereins Bosbachs Lieblingsprojekt ist aber
und damit so etwas wie ein inoffizieller die ]cke, -n ,  hier: Platz; der D¶rfbewohner, -  nicht der Laden. Wer nicht weiß, was es
Straße; Stadtteil ,  Person, die in einem
Bürgermeister. Dorf lebt
ist, kommt kaum darauf. Plötzlich bleibt
s“ch lohnen ,  hier:
Bosbach ist ein ruhiger, pragmatischer er auf einer Straße stehen. Sie sieht aus
finanziell interessant sein, k¶mmen auf … ,  hier:
Mensch. Eigentlich mag er es nicht, sich dass man etwas macht einfallen, was … ist wie jede andere. „Früher war hier nur ein
und seine Leute selbst zu loben. Aber bei der K¢nstrasenplatz, ¿e  ¢ngeteert , ≈ ohne
ungeteerter Weg. Jeden Winter wurde
seinem Ort kann er nicht anders. Denn zu ,  ≈ Rasen aus Plastik, auf Asphalt er total matschig, aber der Stadt war das
jeder Ecke im Dorf gibt es irgendetwas dem Ballspiele stattfinden egal“, sagt er. Also lösten die Thierer auch
Fotos: Stephan Minx; Andreas Bosbach

total ,  hier: m sehr

Positives zu erzählen. Obwohl gar nicht (der Rasen ,  grüner Platz dieses Problem selbst.
mit sehr gepflegtem Gras) m„tschig ,  mit viel
alles positiv ist. In ein kleines Dorf wie nasser, schmutziger Erde In der Nachbarstadt wurde gerade eine
gehören zu ,  ≈ ein Teil
Thier mit seinen 637 Einwohnern wird sein von der Dr¡ck  Straße neu gebaut. Ob sie das alte Pflas-
von außen nämlich kaum investiert. Die ,  m ≈ Schmutz ter haben könnten? Das bekamen sie,
das Pfl„ster ,  Straße aus
Kommunen haben kein Geld, für Firmen speziellen Steinen raussuchen  und dazu sehr viel Dreck. „Wir haben fünf
lohnt es sich nicht. Wer Lebensqualität ,  m hier: heraus- Wochenenden lang die Steine aus dem
holen
will, muss selbst etwas dafür tun. Dreck rausgesucht“, erzählt Bosbach.
20  DEUTSCHLAND, DEINE PROVINZ   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

Die Firmen aus dem Dorf halfen mit Ma- Bieneen“. Er betreibt die Institution. der F¡nsterladen, ¿ 
schinen, Lkw und Expertise, die Bürger „Die Bewohner wurden sofort in den ,  Konstruktion, meistens
aus Holz, außen an beiden
mit ihren Händen. Kurze Zeit später war Alltag integriert“, sagt Röckerath. „Sie
Seiten des Fensters
die Straße fertig. Selbst machen – das ist kaufen im Laden ein, sind im Sportver-
stattd¡ssen ,  hier: ≈ im
in Thier Dorfphilosophie. ein und gehen auf die Dorffeste. Eigent- Gegenteil dazu
Nicht weit entfernt von dieser Straße lich werden sie vom ganzen Dorf mit-
das Zuhause , Haus;
liegt das wahrscheinlich schönste Gebäu- betreut.“ Mehr als 50 Arbeitsplätze sind Wohnung
de im Ort. Es steht direkt in der Dorfmit- durch „Noh Bieneen“ entstanden. Und auf dem L„nd 
te, gegenüber der Kirche. Das Gebäude die frühere Dorfschule stand nicht lange ,  ↔ in der Stadt
ist ein alter Bauernhof mit grauem Dach, leer: Sie gehört inzwischen auch dazu. gr•nden , starten
weißen Fenstern und grünen Fensterlä- Mal ehrlich, bei dem vielen Miteinan- betreiben , Adminis­
den. Schweine und Hühner leben dort der, geht man sich da nicht manchmal tration und wirtschaftliche
aber schon seit langer Zeit nicht mehr. auf die Nerven? Bosbach lacht bei dieser Aktivitäten erledigen
Stattdessen ist der Hof seit 2003 das Zu- Frage. Natürlich gibt es mal Streit. Natür- m“tbetreuen ,  sich auch
hause von 22 jungen Erwachsenen mit lich ist er manchmal ärgerlich, wenn er kümmern um

Behinderung. Natürlich waren es wieder zum fünften Mal um etwas bitten muss. entstehen d¢rch ,  hier:
da sein wegen
einmal die Thierer selbst, die das organi- Aber nach einem gemeinsamen Bier auf
sierten. Menschen wie Inge Röckerath. dem Schützenfest ist der Ärger meistens s“ch auf die N¡rven
gehen ,  m stören;
Der Sohn der 65-Jährigen hat das wieder vorbei. Gemeinsam feiern: Auch ärgerlich machen
Downsyndrom. Röckerath wollte, dass er das ist wichtig fürs Zusammenleben. Der
das Sch•tzenfest, -e 
als Erwachsener selbstständig leben, aber Dorfkalender ist voll mit Festterminen. ,  Fest mit Turnier im
trotzdem auf dem Land bleiben kann. Und an den beiden Bänken auf der Dorf- Sportschießen
Also gründete sie mit anderen Eltern von wiese hängen zwei Flaschenöffner. Fürs die D¶rfwiese, -n 
behinderten Kindern den Verein „Noh Feierabendbier. ,  großer Platz mit Gras
und Blumen, meistens in der
Dorfmitte

WIES Eigentlich hatte Dieter Miss sein Arbeits-

Das
der Kaufmann, Kauf-
leben als Kaufmann schon beendet. Sein leute ,  Person, die im
Schuhgeschäft würde die Tochter über- Einkauf/Verkauf arbeitet

einsame nehmen, er selbst wollte sich auf andere

Dinge konzentrieren. Aber daraus wurde
w•rde … überneh-
men ,  hier: es war schon

Dorf
...................................................................................................................................
...................................................................................................................................
erst mal nichts.
Jemand aus dem Dorf erzählte nämlich
entschieden, dass … als
Chefin weitermacht mit
Daraus w¢rde ¡rst mal
dem Bürgermeister: Da ist einer, der hat n“chts. ,  Dieser Plan wur-
Erfahrung mit Einzelhandel. Und schon de erst mal nicht realisiert.  
war Miss mitten im Projekt „Dorf­laden“. der Einzelhandel ,  hier:
In den Monaten danach kostete es ihn Verkauf von Waren in einem
Laden
1250 Stunden praktische Arbeit und au-
ßerdem sehr viel Überzeugungsarbeit. die Überzeugungs-
arbeit ,  hier: viele
Denn nicht allen in Wies und seinen Gespräche, mit denen
Nachbardörfern gefiel die Idee. man erreicht, dass andere
Wies: Wer es besuchen möchte, fährt mitmachen

auf engen Straßen an wilden Bächen, der B„ch, ¿e , kleiner

dunklen Bäumen und grünen Wiesen
vorbei. Der Schwarzwald ist hier am
schönsten. Aber diese Schönheit gibt es
Fluss
die Wiese, -n , großer
Platz in der Natur, wo Gras
Fotos: Stephan Minx; Anna Schughart

wächst
nur zusammen mit der Einsamkeit. In gehören zu ,  ≈ ein Teil
Deutschland leben durchschnittlich 229 sein von
Menschen auf einem Quadratkilome- die Gemeinde, -n , Kom-
ter. Im Kleinen Wiesental, zu dem auch mune
Wies gehört, sind es 37. Acht Dörfer sind
Der Dorfladen ist für das soziale Leben zusammen die Gemeinde mit dem glei-
von elementarer Wichtigkeit. chen Namen. Sie liegen, getrennt durch
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEUTSCHLAND, DEINE PROVINZ  21

Die Distanz zwischen den Dörfern kann ziemlich groß sein.

Deshalb ist Mobilität ein wichtiges Thema.
 Egal, ob für Sport, Musik oder Tradition –
Vereine bringen auf dem Dorf Jung und Alt zusammen.
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEUTSCHLAND, DEINE PROVINZ  23

die Berge des Schwarzwalds, in verschie-
denen Tälern. Tälern, von denen die Men-
schen sagen: Sie sind so steil, dass man
sogar das Hühnerfutter annageln muss.
In dieser Umgebung ist ein Dorfladen
so viel mehr als ein Laden im Dorf. Er ist
Treffpunkt, Café, Kneipe, Nachrichten-
zentrale – für das soziale Leben von ele-
mentarer Wichtigkeit. Aber 2008 schloss
der letzte Dorfladen im Kleinen Wiesen-
tal, in Wies sogar schon 2007. „Die Leute
haben gesagt: Seit es den Dorfladen nicht
mehr gibt, weiß man nicht mal mehr, ob
der Nachbar noch lebt“, sagt Miss. Denn
obwohl hier jeder jeden kennt, weiß man
von den Nachbarn nicht viel Aktuelles,
wenn man nicht vor die Tür geht.
„Pessimismus in unserem Tal hat eine
mehr als 200 Jahre alte Historie“, sagt
Miss. Als Schüler verliebte er sich in das
Tal, als Erwachsener zog er mit seiner
Familie her. Durch die nicht ganz frei-
willige Zusammenlegung der Dörfer zur
Gemeinde Kleines Wiesental 2009 wur-
de dieser Pessimismus bei vielen stärker.
Sie fanden die Idee, in dem ganzen Trubel
auch noch einen Dorfladen aufzumachen,
Fotos: Stephan Minx; mauritius images/Daniel Schoenen
Viele Men-
schen gibt
es nicht im
Schwarzwald-
Dorf Wies.
steil ,  so, dass es stark
nach oben geht oder nach
unten fällt
sogar , auch
das Hühnerfutter , Essen
für Hühner
„nnageln ,  mit einem
Nagel stabil machen an …
und hofften auf freiwillige Helfer. Da es
der Tr¡ffpunkt, -e , Ort,
keinen passenden Ladenraum gab, muss-
an dem man sich trifft
te ein Gebäude abgerissen und ein neues
die Nachrichtenzentrale,
gebaut werden. So war schon – bevor das -n ,  hier: Ort, an dem man
erste Geld in der Kasse lag – Teamarbeit sich Neuigkeiten mitteilt
gefragt. Der Bauer, der Förster, der Hand- schließen ,  hier:
werker, alle mussten mithelfen. aufhören, einen Service
anzubieten
Miss zeigt einen Film von den Bauar-
beiten. Immer wieder drückt er auf Pause, s“ch verlieben “n , begin-
nen, zu lieben
um zu erklären, was gerade passiert oder
die Zus„mmenlegung 
wen man sieht. Er könnte das noch viel
,  von: zusammenlegen =
öfter tun, denn zu allem gibt es eine Ge- hier: aus mehreren Dörfern
schichte. Da ist der starke Mann, der beim eine Gemeinde machen
Abreißen des alten Gebäudes mit seiner der Trubel ,  ≈ sehr
Körperkraft Regenrinnen zusammenfal- unruhige Situation
tet. Die Großmutter mit ihrem selbst ge- größenwahnsinnig , so,
backenen Kuchen. Und der kleine Junge, dass man glaubt, alles zu
können und alle Möglichkei-
der unbedingt mithelfen wollte. Er war ten zu haben
dann der Erste, der im fertigen Laden
so weit sein ,  hier: eine
stand. Mit jedem Meilenstein wurden die Phase erreichen
Menschen in Wies und den Nachbardör-
wagen ,  ohne Angst
fern weniger skeptisch. Und am 7. Mai etwas Neues versuchen
2009 eröffnete der Laden wirklich.
Sieben Jahre später. An diesem Don-
nerstagabend ist im Laden wenig los. Ger-
trud Gempp füllt die Brotbestellung aus. auch eine gute Möglichkeit, um sich zu
Die 58-Jährige weiß genau, wer welches inte­grieren: Ben Meech kommt aus Eng-
die Gen¶ssenschaft, -en 
,  Verein, mit dem Ziel,
das einzelne Mitglied wirt-
schaftlich zu unterstützen
„breißen ,  hier: kaputt
machen
der Fœrster, - , Person,
die sich beruflich um einen
Wald und die Tiere dort
kümmert
die Regenrinne, -n 
,  langes Ding aus dünnem
Metall in der Form von
einem Halbkreis, das außen
an einem Dach ist: Dort
sammelt sich Regenwasser
und geht nach unten in
die Erde.
zus„mmenfalten ,  ≈ klein
machen
¢nbedingt ,  auf jeden Fall
der Meilenstein, -e 
,  hier: erreichtes Ziel
erœffnen ,  zum ersten
Mal öffnen
rauschen ,  Laute machen,
wie wenn sich Wasser
schnell bewegt
der/die Zucchini, - 
,  mediterrane, grüne
Gemüsepflanze
w¶rtlos zunicken , den
Kopf kurz nach oben und
unten bewegen, ohne
etwas zu sagen
die Kassiererin, -nen 
,  Frau, bei der man bezahlt
schwætzen süddt. 
,  sich unterhalten
s“ch b“lden ,  hier: sich
formen; ≈ eine Gruppe
machen

größenwahnsinnig. Aber es gab auch Ar-
gumente dafür: „Ich habe immer gesagt:
Wenn wir mal so weit sind, dass wir gar
nichts mehr wagen, dann können wir bald
alle hier wegziehen“, sagt der 57-Jährige.
Ganz unrecht hatten die Kritiker aber
nicht: Das Projekt war ambitioniert. In
der Vergangenheit hatte sich gezeigt,
dass niemand von dem Dorfladen leben
konnte. Deshalb entschieden sich die
Einwohner für eine Genossenschaft,
Müsli und wer welches Brot will. Auf der
Terrasse sitzen zwei Männer und trinken
ihr Feierabendbier, unter ihnen rauscht
der Bach. Eine Frau kommt herein, sie
kauft Zucchini, Joghurt und Wurst.
Wortlos der Kassiererin zunicken,
das geht hier nicht. Es wird gelacht und
geschwätzt. Wer in den Laden kommt,
wird mit Namen begrüßt. Immer wie-
der bilden sich kleine Gruppen, die über
Neuigkeiten sprechen. Der Dorfladen ist
land und wohnt jetzt mit seiner Familie
im Kleinen Wiesental. „Im Laden mitzu-
helfen, ist der schnellste und beste Weg,
um die Leute kennenzulernen. Sie mich
und ich sie“, sagt der 42-Jährige.
Dieter Miss steht stolz im Laden. „Das
alles war nur möglich, weil die Leute soli-
darisch waren“, sagt er. Weil sie auch wirk-
lich immer wieder dort einkaufen. Auch
die, die am Anfang nicht an das Projekt
glaubten.
Natur und Idylle sind schön und gut. Aber den Kontakt zum
Rest der Welt will man auch nicht verlieren.
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEUTSCHLAND, DEINE PROVINZ  25

die Gemeinde, -n , Kom-

mune
bes¶ndere (-r/-s) , ≈
spezielle (-r/-s); anders als
der Durchschnitt
die [nlage, -n ,  hier: gro-
ße technische Konstruktion
produzieren , machen;
herstellen
hinzukommen ,  hier:
außerdem hergestellt
werden
die Biomasse ,  hier: z. B.
Biogas, Teile von Pflanzen
den Strombedarf
d¡cken ,  ≈ machen,
In Rettenbach dass genug Strom für den
– ein Vorbild“, erzählt Friedl. Wilhelm Fi- Strombedarf da ist
RETTENBACH AM AUERBERG sind auf fast 80

Das
scher, damals Bürgermeister, machte den Prozent der Dächer (der Strombedarf 
Anfang: Er baute auf dem Dach seines Fotovoltaik-Kon­ ,  Strom, der nötig ist)

autarke
Hauses eine Fotovoltaik-Anlage. Friedl struktionen.
gegen den W“llen seiner
war der Zweite. Dann gab es einen Do- B•rger ,  ohne dass seine

Dorf
Bürger das wollten
minoeffekt: Immer mehr Einwohner bau-
ten Anlagen auf ihren Dächern. Es wur- aufbauen ,  hier: eine
neue Infrastruktur, Adminis-
...................................................................................................................................
................................................................................................................................... den so viele, dass Rettenbach bis heute in tration … machen
der Solarbundesliga viermal die Nummer
das Vorbild, -er ,  hier:
eins war. Während dieser Zeit kamen au- ideales Beispiel
„Wenn viele Menschen etwas kleines Gu- ßerdem immer mehr Firmen ins Dorf. Es die Solarbundesliga , Lis-
tes tun, können wir gemeinsam die Welt wurde für die Wirtschaft interessant. Die te, die die Reihenfolge
besser machen.“ Es ist ein schöner Satz, Gemeinde wächst bis heute. der Kommunen zeigt, die
besonders viel Solarenergie
den der Bürgermeister Reiner Friedl da Und es gibt noch etwas Besonderes in benutzen
sagt. Auch, weil er ihn wirklich so meint. Rettenbach: eine eigene Währung. Ein
die Währung, -en 
Denn genau das ist passiert in Retten- bisschen Humor steckt natürlich auch in ,  ≈ Geld eines Landes
bach am Auerberg (Bayern). Die kleine der Idee. Aber sie funktioniert. Mit den st¡cken ,  hier: sein
Gemeinde mit nur 838 Einwohnern ist Weichbergtalern können die Einwohner
der Taler, - ,  früher Geld-
ein besonderer Ort: Rettenbach ist fast zum Beispiel im Gemeindeladen bezah- stück in Deutschland
energieautark. Auf fast 80 Prozent der len. Ein Weichbergtaler sind fünf Euro. sch¢ldenfrei , ohne
Häuserdächer sind Fotovoltaik-Anlagen. „Der Weichbergtaler symbolisiert, dass Schulden
3594 Megawattstunden Strom pro Jahr das Geld im Ort bleibt“, erklärt Friedl. (die Sch¢lden Pl. 
werden damit produziert. Hinzu kom- Die finanzielle Lage ist auf jeden Fall gut: ,  Geld, das man von einer
Person oder einer Bank
men 1257 Megawattstunden aus Biomas- Rettenbach ist schuldenfrei. geliehen hat)
se. Und so deckt das idyllische Dorf rund
Im Zentrum
86 Prozent des eigenen Strombedarfs. fast jeder
Das gibt es nicht oft in Deutschland. Dorf-Infrastruk-
Fotos: Stephan Minx; mauritius images/Christian Bäck; ddp

Die Geschichte hinter den Zahlen ist tur steht eine

Kirche, so auch
eine vom Verlieren und Wiederaufste- in Rettenbach.
hen. 1978 wurde Rettenbach gegen den
Willen seiner Bürger Teil der Gemeinde
Stötten. Erst Ende 1993 wurde es wieder
selbstständig. Die Menschen mussten
nun ein eigenes Dorf aufbauen. Es gab
nicht einmal einen Raum, wo sie sich tref-
fen konnten. Die Rettenbacher sahen das
Diesen Text können Sie mit einem
als Chance. „Wir haben uns gesagt, dass Premium-Abo hören:
wir anders werden müssen als andere www.deutsch-perekt.com/service
 Fast zufällig ist die
Bestsellerautorin Juli
Zeh vor neun Jahren in
eine sehr einsame Re-
gion in Brandenburg
gezogen – heute ist sie
dort sehr glücklich.

die Belletr“stik ,  ≈ Unter-

haltungsliteratur
teilweise ,  hier: immer

„Exzentriker leben heute

nur für ein paar Wochen
oder Monate
eher ,  hier: ≈ mehr

auf dem Land“

eine These aufstellen , ≈
behaupten
Da tobt ja das Leben. , m
Da ist viel los.

Die Schriftstellerin Juli Zeh im Interview: Macht das Leben in der

Provinz Menschen kreativer? Warum träumen so viele Deutsche davon, auf dem
Dorf zu leben? Und wie ist es dort wirklich?
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016 INTERVIEW  27

S > SCHWER PLUS

Sieben von den zehn erfolgreichsten
Schriftstellern auf der aktuellen Spie-
gel-Bestsellerliste Belletristik leben we-
nigstens teilweise in der Provinz. Eine
von diesen sieben sind Sie. Ist die Pro-
vinz inspirierender als die Großstadt?
Das glaube ich nicht. Ich würde eher die
These aufstellen, dass Schriftsteller, an­
ders als Angestellte, einfach die Möglich­
keit haben, aufs Land zu ziehen und das
deshalb auch machen. Diesen Wunsch
haben ja sehr viele Menschen. Aber das
ist schwierig für Leute, die morgens um
9 Uhr im Büro sein müssen.
Kleine Gegenthese: Kinder werden
kreativ, wenn sie sich langweilen. Nun
ist auf dem Land ja viel weniger los als
in der Stadt. Sind Sie kreativer, seit Sie
in Ihrem Dorf leben?
Nein, das kann ich so nicht sagen. Ich
schreibe eher weniger als früher. Ich finde
es lustig, dass Sie überhaupt diese Frage
stellen, die Provinz als inspirierend zu be­
trachten. Ich bin vor zehn Jahren immer
ganz selbstverständlich gefragt worden:
Ich würde ja in großen Städten leben und
das sei bestimmt auch deswegen, weil die
Großstadt für den Autor inspirierend ist.
Da tobt ja das Leben, darüber kann man
schreiben. Ich habe damals schon gesagt,
dass es für meine Arbeit nicht so einen
großen Unterschied macht, wo ich bin.
Sie sind 2007 von Leipzig in ein kleines
Dorf in Brandenburg gezogen. Hat Ih-
nen die Stadt nicht mehr gefallen?
Tatsächlich hat mir Leipzig damals nicht
mehr gefallen. Trotzdem wollte ich nicht
aufs Land. Mein Mann und ich wollten
nach Berlin ziehen, wie das damals viele
taten. Bei der Wohnungssuche sind wir
auf dieses Haus in Brandenburg gestoßen
– und haben es einfach gekauft. Das war
eine sehr wenig durchdachte Entschei­
dung. Die entsprach überhaupt nicht
dem, was wir uns vorgenommen hatten
fürs Leben.
Wie wurden Sie aufgenommen?
Supergut. Wir haben wirklich massive
Sorgen gehabt, dass wir aus ganz ver­
Foto: Thomas Müller
Zwei Faktoren haben uns alle Ängste wie­ Ganz klar ja. Es gibt auf dem Dorf nicht
der genommen. Wir erfuhren, dass in dem die Möglichkeit zur Harmoniesucht.
Dorf und in der Region viele homosexu­ Wenn Menschen sich gegenseitig auf
elle Paare leben, ohne irgendwelche Ak­ die Nerven gehen, muss man sich in ir­
zeptanzprobleme. Da haben wir gedacht: gendeiner Weise damit auseinanderset­
Super! Wenn die Menschen gegenüber zen und Lösungen finden. Das führt ein­
Homosexuellen so tolerant sind, dann fach dazu, dass Menschen auch in Bezug
können wir als Künstler auch nicht an­ auf die eigene Belastbarkeitsgrenze viel
ecken. Das andere war: Unsere Nachbarn entspannter werden. Mein Eindruck ist,
erzählten uns sehr bald, dass sie am An­ dass wir extrem empfindlich geworden
fang Angst vor uns hatten. Weil sie dach­ sind: Jeder Mensch hat das Gefühl, die
ten, dass wir mit diesem L auf dem Auto­ Welt muss eigentlich nach seinen Be­
nummernschild – L wie Leipzig – Sachsen dürfnissen gestrickt sein – die Welt als
sein könnten. Und wenn es eines gibt, wo­
rauf die Brandenburger keine Lust haben,
dann sind das Sachsen!
Es gibt auch Dörfer, in denen Fremde die Belletr“stik ,  ≈ Unter- unglaublich ,  hier: m
nicht sehr willkommen sind. War das haltungsliteratur besonders
vielleicht einfach ein bisschen Glück? teilweise ,  hier: immer verl¡rnen ,  ≈ Können
nur für ein paar Wochen verlieren
Das fragen wir uns auch. Aber wir hören
oder Monate
auch viel von Menschen aus anderen austragen ,  hier: zu Ende
eher ,  hier: ≈ mehr oder zur Entscheidung
Dörfern. Ich habe von diesen typischen bringen
Schwierigkeiten, die das Vorurteil na­ eine These aufstellen 
,  ≈ behaupten die Harmoniesucht 
helegt – alles voller Nazis und fremden­ ,  krankhafter Wunsch,
Da tobt ja das Leben. 
feindlich –, aus den Erzählungen oder den ,  m Da ist viel los.
das alles immer harmonisch
sein soll
eigenen Erlebnissen nichts mitbekom­
stoßen auf , zufällig
men. Das heißt nicht, dass es das nicht s“ch gegenseitig auf die
finden
N¡rven gehen ,  m einer
gibt. Aber das ist als Phänomen wohl doch den anderen stören oder
durchd„cht ,  sehr gut
viel punktueller, als man glaubt. überlegt ärgern
Mit Ihrem neuen Buch Unterleuten ha- entspr¡chen ,  hier: s“ch ausein„ndersetzen
ben Sie einen komplexen Gesellschafts- passen zu m“t ,  sich beschäftigen
mit
roman geschrieben. Wie komplex ist so s“ch vornehmen , planen
eine Dorfgemeinschaft denn wirklich? “n Bezug auf , sich
massiv ,  hier: sehr groß beziehend auf
Als Gemeinschaft finde ich sie nicht so
der Reiz, -e ,  hier: ≈ die Bel„stbarkeitsgrenze 
unglaublich komplex. Weil dort einfach Grund für Interesse ,  Grenze, wie viele Kon-
alle an einem Ort leben, ohne dass sie sich darstellen ,  hier: sein flikte und Probleme jemand
als Nachbarn ausgesucht haben. Das kann aushält
der W¡ssi, -s ,  m Be- (aushalten  ,  hier: Un-
man nicht sehr leicht ändern. Gerade das wohner der früheren Bun- angenehmes akzeptieren,
macht es aber so spannend. Das Groß­ desrepublik Deutschland wie es ist)
stadtleben kann oft einfacher sein: Wenn der F„ktor, Faktoren  entsp„nnt ,  hier: ohne
einem etwas nicht gefällt, zieht man eben , Komponente Sorgen; unkompliziert
einfach weg. Die meisten Menschen in „necken ,  hier: m einen empf“ndlich 
den deutschen Städten sind Mieter. Die negativen Eindruck machen ,  hier: so, dass man sich
schnell beleidigt fühlt
können ziemlich leicht die Wohnung nahelegen ,  hier: vermu-
ten lassen nach … gestr“ckt
wechseln. Das ist im Dorf gar nicht so.
v¶ller ,  hier: voll von sein ,  m genauso
Die Menschen, die dort wohnen, gehen machen, wie es zu … passt
im Normalfall so schnell nicht weg. Sie m“tbekommen ,  hier:
erfahren das Bed•rfnis, -se 
sind gezwungen, Konflikte tatsächlich ,  ≈ Wunsch
zu leben. Das ist etwas, was wir als Ge­ punktu¡ll ,  hier: so,

dass es nur manchmal an

schiedenen Gründen dort für die Men­
schen einen negativen Reiz darstellen
könnten. Wir waren nicht nur Städter,
sondern Wessis und auch noch Künstler.
sellschaft in der letzten Zeit ein bisschen
verlernt haben.
Können Menschen auf dem Land Kon-
flikte besser austragen?
manchen Orten passiert
Unterleuten ,  eigentlich:
unter Leuten = in der Gesell-
schaft von Leuten
28 INTERVIEW AUGUST 2016  Deutsch perfekt

gemeinschaftsorien- der/die Zugezogene, -n 

Wunschkonzert. Das macht einen zum
gefährlichen Konfliktpartner. Menschen
auf dem Land habe ich viel weniger ego­
zentrisch erlebt, gemeinschaftsorien­
tierter und auch viel toleranter. Deshalb
ziehen besonders viele Exzentriker aufs
Land – so exotische Menschen, von de­
nen man immer eher glaubte, die trifft
man mitten in Berlin, Londons oder New
York. Meine Erfahrung ist: Die leben in
der tiefsten Provinz, weil die Städte eine
ziemlich gleichgeschaltete Angelegenheit
geworden sind.
Was ist der größte Unterschied zwi-
schen Dorf und Stadt?
So wie ich das im Buch baue, leben die
Dorfbewohner mit ihrer Mentalität noch
im 20. Jahrhundert. Sie haben einen inne­
ren Kern von fester Identität und glau­
ben an bestimmte Prinzipien. Anders die
Städter, die mehr fürs 21. Jahrhundert ste­
hen: Sie spüren alle ein Loch in ihrer Mit­
te. Die haben einen Identitätskonflikt. Sie
drehen sich stark um sich selbst, um Fra­
gen wie: Wer bin ich? Wie will ich leben?
Muss ich mich ändern? Was will ich über­
haupt? Sie kämpfen mit Fantasien, die sie
von sich selbst haben – und mit der Frage,
ob sie erfolgreiche Menschen sind oder
nicht. Das sind so typische innere Bewe­
gungen, mit denen wir alle kämpfen.
Wie idyllisch ist das Landleben denn
wirklich?
Die Idylle, die viele Städter mit dem Land
assoziieren, kommt ja am ehesten von
Landlust-Magazinen. Das sind Publika­
tionen mit extrem großen Auflagen, viel
höher als die Auflagen von Magazinen
wie Stern oder Spiegel. Die sehen im Pro­
vinzleben vor allem so eine ästhetische
Oberfläche. Da geht es um schöne alte
Bauernhäuser, alles so ein bisschen Vin­
tage, aber gleichzeitig sehr kreativ. Das hat
mit dem Leben im realen Dorf absolut gar
nichts zu tun. Das ist auch ein Grund, wa­
rum Zugezogene mit ihrem Traum von
der Selbsterneuerung in der ländlichen
Idylle grandios scheitern. Was sie erwar­
ten, das finden sie nicht.
Sie da nicht mal ein bisschen Angst, mit
tiert ,  interessiert und
Ihrem Roman zu spät zu kommen? bereit, in der Gemeinschaft
Schon. Aber nicht so sehr aus Angst vor zu helfen
diesen Magazinen, sondern weil in den die tiefste Prov“nz ,  m
letzten zehn Jahren auch viele andere Orte, die sehr weit entfernt
von einer Stadt sind
Dorfromane erschienen sind. Davor hat­
gleichgeschaltet ,  hier:
te ich zwischendurch schon große Angst.
d so, dass alle auf gleiche
Woher kommt dieser Literaturtrend?
Art leben
Diese Frage wird die Germanistik einmal
die [ngelegenheit, -en 
beantworten. Meine Vermutung ist, dass , Sache
die Literatur da etwas nachzeichnet, was
der K¡rn, -e ,  hier:
wir alle spüren: diese Sehnsucht, diesen Charakter
neuen Eskapismus, diesen Wunsch da­ stehen für ,  hier: ≈
nach, eine komplexe Welt zu verlassen. Symbol sein für
Können Sie sich umgekehrt vorstellen, „m ehesten ,  m hier:
sehr wahrscheinlich
Ihre Dorfwelt einmal zu verlassen und
wieder in die Stadt zu ziehen? das L„ndlust-Magazin, -e  Detail beschreiben
,  Zeitschrift, die das
Momentan tatsächlich nicht, weil ich idyllische, romantische
wirklich sehr froh bin, wo ich lebe. Aber Leben auf dem Land zum
die Gegend, in der wir leben, ist eine ver­ Thema hat
gessene Region. Es gibt keine Ärzte, keine die Auflage, -n ,  hier:
Einkaufsmöglichkeiten. Es gibt wirklich Menge der gedruckten
Zeitschriften
gar nichts. Das ist für alte Leute eine Tor­
die Oberfläche, -n ,  hier:
tur. Deshalb könnte ich mir schon vor­ alles, was man von außen
stellen, dass wir in der weiter entfernten sieht
Zukunft einmal sagen: Wir gehen jetzt
wieder in eine Stadt. Interview: Jörg Walser
Juli Zeh studiert werden kann. Als Schrift-
stellerin wurde Juli Zeh mit Ro-
manen wie Adler und Engel (2001)
Die Tochter eines Direktors beim und Spieltrieb (2004) berühmt.
Deutschen Bundestag wurde Bekannt ist sie auch, weil sie
1974 in Bonn geboren. 1998 regelmäßig öffentlich ihre Mei-
machte sie das beste Jura-Exa- nung zu politischen Themen sagt.
men in ganz Sachsen. Parallel zu Die Autorin lebt mit ihrem Mann
ihrer Beschäftigung mit diesem und ihren beiden Kindern in
,  Person, die nicht in der
Gegend aufgewachsen ist,
in der sie wohnt
die S¡lbsterneuerung 
,  von: sich selbst erneuern
= hier: versuchen, ein neues
Leben zu beginnen und da-
durch ein anderer Mensch
zu werden
scheitern ,  keinen Erfolg
haben
zwischend¢rch ,  hier:
immer wieder
die German“stik 
,  ≈ systematisches Studie-
ren der deutschen Sprache
und Literatur
nachzeichnen ,  hier: im
die Sehnsucht , starker
Wunsch
¢mgekehrt ,  genau das
Gegenteil
momentan , zurzeit
eine Tortur sein für ,  m
extrem anstrengend sein für
der Dir¡ktor beim Deut-
schen B¢ndestag , Chef
der Verwaltung des
deutschen Parlaments
Jura ,  Wissenschaft, die
sich mit Recht und Gesetz
beschäftigt
der Adler, - , großer
Vogel mit sehr guten Augen,
der kleine Tiere frisst
der ]ngel, - ,  in vielen
Religionen eine fiktive
Person, die den Menschen
Nachrichten von Gott
bringt
der Spieltrieb , natür-
liche Lust und Freude am
Spielen
Unterleuten , eigentlich:
unter Leuten = in der Gesell-
schaft von Leuten
Foto: Thomas Müller

Sie haben zehn Jahre an Unterleuten ge-
arbeitet. Genau in dieser Dekade ist das
Landleben zu diesem großen gesell-
schaftlichen Thema geworden. Hatten
Fach studierte sie am Deutschen
Literaturinstitut in Leipzig, einer
von ganz wenigen universitären
Institutionen in Deutschland,
an denen literarisches Schreiben
einem kleinen Dorf in Branden-
burg. In so einem Dorf spielt auch
ihr aktueller, 640 Seiten dicker
Gesellschaftsroman Unterleuten,
der zum Bestseller wurde.
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30 DEBATE   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

Sollten auch diese

Damen in Tests zeigen,
dass sie noch sicher
Auto fahren können?

Fotos: Getty Images; Deutscher Anwaltsverein; ADAC

S > SCHWER

Fahrtest
beteiligt sein „n ,  hier:
Unfallverursacher oder
Unfallopfer sein

für Senioren?
Im Alter ist die Gefahr groß, an einen Unfall beteiligt zu sein.
Daran schuld zu sein, auch. Gleichzeitig gibt es immer mehr
ältere Menschen im Land. Was also tun? Hilft vielleicht ein
Gesundheitscheck speziell für Senioren, um das Autofahren
sicherer zu machen?
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEBATTE  31

Ja „Für Lkw-Fahrer sind Gesundheitstests ab

dem 50. Lebensjahr schon jetzt Pflicht.“ Nein „Senioren sind am Steuer sehr
sicher unterwegs.“

Jeder kennt ältere Personen, die noch
Auto fahren, obwohl sie es wegen ihres
Alters nicht mehr sollten. Und alle
wissen, wie schwer es ist, zum Beispiel
dem dementen Vater das Autofahren zu
verbieten. Leider siegt bei einer Krank-
heit die Vernunft nicht. Meistens wird
das Argument genannt, die Erfahrung
der älteren Autofahrer mache das wieder
wett.
Aber nach Auswertungen des Statisti-
schen Bundesamtes sind über 75-Jährige hängig von einer Krankheit
bei drei Vierteln ihrer Unfälle die Verur- die Ausfallserscheinung,
sacher. 46 Prozent der Geisterfahrer sind -en ,  plötzlich entstehen-
über 65 Jahre alt. Es darf nicht übersehen des, körperliches Problem
werden, dass ältere Verkehrsteilnehmer
krankheitsbedingte Ausfallerscheinun-
gen haben können und auch grundsätz-
lich in ihrer Reaktionsgeschwindigkeit
und ihrem Blickfeld eingeschränkt sind.
Dies ist leider biologisch determiniert.
Zwar ist die Unfallbeteiligung von Se- ,  bestimmter Teil einer
nioren im Vergleich zu ihrem Bevölke-
rungsanteil unterdurchschnittlich. Das
liegt aber an der geringeren jährlichen
Fahrleistung. Jüngere fahren einfach viel
mehr als Senioren.
Für Lkw-Fahrer sind Gesundheit-
stests ab dem 50. Lebensjahr schon
jetzt Pflicht. Es geht nicht darum, mit
Pflichttests allen über 75-Jährigen die
Fahrerlaubnis wegzunehmen. Es geht
um die Verkehrssicherheit für alle. Eine
wachsende Gruppe von Senioren ist
offensichtlich alters- oder gesundheits-
bedingt nicht fahrtüchtig. Wir meinen,
dass dieser Gruppe, wie in den meisten
anderen europäischen Staaten auch,
durch Prüfung einer objektiven Stelle
das Fahren von Kraftfahrzeugen verbo-
ten werden muss. Ab welchem Lebens-
jahr die Prüfung bei Senioren Pflicht
werden soll, ist diskutabel. Ab dem
75. Lebensjahr aber sollten regelmäßige
Tests zur Vorschrift werden.
w¡ttmachen ,  eine nega-
tive Sache kompensieren
die Auswertung, -en 
,  hier: Analyse von
Unfallzahlen
der Geisterfahrer, -  Unfallstatistiken in Deutschland zeigt,
,  Autofahrer, der auf der
Autobahn in die falsche
Richtung fährt
übersehen ,  hier: nicht
berücksichtigen
kr„nkheitsbedingt , ab-
das Bl“ckfeld, -er , Be-
reich, den man sehen kann,
ohne sich von der Stelle zu
bewegen
einschränken , reduzie-
ren; limitieren
der Bevœlkerungsanteil  Erfahrung, Besonnenheit und Ruhe
Bevölkerung
die Fahrleistung ,  hier:
Menge der gefahrenen
Kilometer
¶ffensichtlich ,  wie man
deutlich erkennt
fahrtüchtig ,  so, dass
man sicher fahren kann
das Kr„ftfahrzeug, -e  verkehr ist nicht das Lebensalter oder
Ein Elefant bei einer
,  z. B. Auto, Lkw, Bus,
Zirkusvorstellung – ist
Motorrad
das bald Geschichte?
diskutabel ,  hier: so,
dass man noch darüber
diskutieren muss
der Vorsitzende, -n 
,  Person, die einen Verein
leitet
Immer, wenn ein schwerer Verkehrs-
unfall passiert, den ein älterer Mensch
verursacht hat, werden verpflichtende
Gesundheits- oder Fahreignungstests
für Senioren gefordert. Ein Blick auf die
dass eine pauschale und verallgemei-
nernde Beurteilung älterer Autofahrer
dem ganzen Thema nicht gerecht wird.
Senioren sind am Steuer sehr sicher
unterwegs: Sie sind im Vergleich
zu ihrem Anteil in der Bevölkerung
wesentlich seltener Unfallverursacher.
Ältere Autofahrer haben eine lebens-
lange Fahrpraxis. Außerdem sind sie
im Umgang mit dem Fahrzeug sehr
verantwortungsvoll. Altersbedingte
Leistungseinbußen, wie schlechter
werdende Sehkraft oder Reaktions-
fähigkeit, können meistens durch
kompensiert werden.
Daher gibt es keine überzeugende
Begründung für Forderungen nach
einem verpflichtenden Fahreignungs-
test ab einem bestimmten Lebensalter
oder sogar einem zeitlich befristeten
Führerschein. Entscheidend für eine
unfallfreie Teilnahme am Straßen-
ein Testergebnis, sondern neben dem
aktuellen Gesundheitszustand des
Fahrers auch die Fähigkeit, Risiken im
Straßenverkehr richtig zu beurteilen.
Der ADAC lehnt daher die immer
wieder erhobenen Forderungen ab, das
Fahren ab einem bestimmten Alter nur
mit einem „Leistungszertifikat“
zu erlauben. Jedes Testergebnis ist im-
mer nur eine Momentaufnahme und
kann deshalb auch zu falschen Beurtei-
lungen führen. Der ADAC appelliert
an die Eigenverantwortung
jedes Autofahrers – auch, aber nicht
nur der älteren.
„m Steuer , beim
Autofahren
(das Steuer ,  hier: ≈ Rad,
mit dem man z. B. bei einem
Auto die Richtung ändert)
der Fahreignungstest, -s 
,  Test, der zeigen soll, ob
man sicher fahren kann
pauschal ,  so, dass etwas
ohne Unterschiede für
alle gilt
verallgemeinern 
,  behaupten, dass alle
… sind
die Beurteilung, -en 
,  hier: ≈ Aussage; Urteil
ger¡cht werden ,  hier:
eine passende Lösung
sein für
der }mgang ,  hier: Art,
etwas zu benutzen
die Leistungseinbuße, -n 
,  ≈ Schlechterwerden
einer Leistung
die Reaktionsfähigkeit 
,  ≈ Können, schnell zu
reagieren
die Bes¶nnenheit ,  von:
besonnen = genau überlegt
ADAC , kurz für:
Allgemeiner Deutscher
Automobil-Club
erheben , verlangen
die Mom¡ntaufnahme, -n 
,  hier: Zeigen einer
Leistung in einem speziellen
Moment
der Vizepräsident, -en 
,  ≈ zweiter Präsident

Jörg Elsner ist Vorsit-

zender der Arbeitsge- Klaus Becker ist Vize-
meinschaft Verkehrs- präsident für Verkehr des
recht des Deutschen Allgemeinen Deutschen
Anwaltvereins. Automobil-Clubs.
32    AUGUST 2016  Deutsch perfekt
WIE DEUTSCHLAND
FUNKTIONIERT
Der Müll-
Mikrokosmos
An einem typischen Samstag treffen sich
sehr viele Menschen an diesem speziellen
Ort: auf dem Wertstoffhof. Was sie dort tun?
Müll abgeben – und Spaß haben.
M
anchmal gibt es Stau vor dem Eingang.
Chaos bei der Suche nach dem besten
Parkplatz. Aggressive Diskussionen mit
den Angestellten. Denn das Thema ist
etwas sehr Elementares: Müll. Aber kein normaler
Müll, sondern Wertstoffmüll zum Recyceln. Wenn
man den in Deutschland korrekt abgeben will, fährt
man zum Wertstoffhof.
Schon sind wir mittendrin im System der deut-
schen Mülltrennung. Müll und Müll können
nämlich ganz verschiedene Dinge sein. Und die
Deutschen haben die Trennung dieser Dinge sehr
detailliert organisiert. Das ist nicht nur für Ausländer
ein komplexes Thema. Auf den Websites vieler Kom-
munen gibt es deshalb zum Beispiel Abfall-Lexika.
Sie informieren von A bis Z über verschiedene Müll-
kategorien und das korrekte Wegwerfen.
Karton, Elektroschrott, Holzstücke,
Sperrmüll, Gartenabfälle und Styropor
sind typische Kandidaten für den Wert-
stoffhof. Dort geben Menschen den
alten Computer ab, die kaputte Wasch-
maschine oder die Reste des billigen
Kleiderschranks – manchmal aber auch
ganz andere Dinge: „Besucher haben bei
uns schon große Mengen Zyankali oder
Teile von Flugzeugen abgegeben“, erzählt
Richard Matzke vom Abfallwirtschafts-
betrieb München (AWM). „Einmal war in
einem Container ein Objekt, das aussah
wie eine Handgranate. Zum Glück war es
dann aber ein Feuerzeug“, sagt er.
Ein Besuch auf dem Wertstoffhof ist
auch ohne Handgranate eine emotionale
Sache. Aufräumen und alte Dinge weg-
werfen, das ordnet Wohnung, Keller und
Kopf. Man fühlt sich danach besser. Man-
che Menschen sind explizite Wertstoff-
hof-Fans. Der Besuch auf dem Hof ist für
sie ein wichtiger Teil des Wochenendes.
Das zeigen auch die Zahlen. Beispiel Gel-
senkirchen: Die Stadt registriert in ihren
Wertstoffhöfen pro Jahr mehr als 200 000
Müll-Anlieferungen – bei nicht ganz
260 000 Einwohnern. München zählt
auf seinen zwölf Wertstoffhöfen genau-
so viele Anlieferungen wie Einwohner:
nämlich 1,5 Millionen. Das sind 80 000
Tonnen Wertstoffe pro Jahr.
Besonders viel los ist auf den Höfen im
Frühling und im Herbst. Dann geben Be-
sucher große Mengen Gartenabfälle ab.
„Gartenfans sind Stammgäste auf den
Wertstoffhöfen“, sagt Matzke. Aber Vor-
sicht: Es gibt Regeln! Die Besucher dürfen
nicht zu viel Müll abgeben. In München
sind zwei Kubikmeter das erlaubte Ma-
ximum am Tag. Für größere Anlieferun-
gen muss man zu einem speziellen Wert-
stoffhof fahren und bezahlen. Außerdem
dürfen nur Einwohner der bayerischen
Metropole die Münchener Wertstoffhö-
fe benutzen. Denn in Deutschland orga-
nisiert jede Kommune die Höfe selbst.
Die Münchener Höfe sind alle zwi-
schen 1990 und 1997 eröffnet worden.
Vor zwei Jahren waren sie das Setting
für einen großen Wertstoffhof-Korrupti-
onsskandal. Angestellte hatten Müll
verkauft. Das ist illegal. „Hausmüll ist
der Wertstoffhof, ¿e 
,  ≈ spezieller Müllplatz: Dorthin bringt man
Wertstoffe.
(der Wertstoff, -e ,  Material: Man kann
es ein zweites Mal benutzen und etwas
Neues daraus herstellen.)
der Stau, -s ,  zu viele Autos auf der
Straße: Sie können nicht weiterfahren.
mittendr“n ,  im Zentrum von
die M•lltrennung ,  Sammeln von
Müll: Der Müll wird in Materialgruppen
geordnet und in verschiedenen Containern
gesammelt.
das Thema, Themen ,  hier: Frage;
Problem
das L¡xikon, -ka/-ken 
, Enzyklopädie
informieren ,  Informationen geben
der Karton  ,  Packung aus dickem, hartem
Paiper
der El¡ktroschrott ,  alte und kaputte
Elektrogeräte
der Sp¡rrmüll ,  sehr große und schwere
Dinge: Man kann sie nicht zum normalen
Müll tun, z. B. Möbel
das Styropor ,  ≈ weißes, leichtes Plastik
der Kandidat, -en ,  hier: m Material:
Es ist erlaubt, es auf den Wertstoffhof zu
bringen.
der R¡st, -e ,  hier: Stück vom Ganzen
das Zyankali ,  stark giftige Substanz;
KCN
der [bfallwirtschaftsbetrieb, -e , Firma:
Sie kümmert sich um den Abfall in einer
Kommune.
die [nlieferung, -en ,  von: anliefern =
bringen
genauso viele ,  die gleiche Zahl von
der St„mmgast, ¿e ,  Person: Sie kommt
regelmäßig.
(regelmäßig ,  immer wieder, z. B. einmal
pro Woche)
die Regel, -n ,  ≈ Norm: Sie sagt, was
verboten und was erlaubt ist.
erœffnet ,  Part. II von: eröffnen = zum
ersten Mal öffnen
h„tten … verkauft ,  Plusquamperfekt
von: verkaufen
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Elektroschrott
Fotos: iStock; Shutterstock; mauritius images/Jochen Tack; Robert Haas/Sueddeutsche Zeitung Photo; picture alliance/ SZ Photo
Eigentum der Kommune“, erklärt Helga Seitz vom
AWM. Als Konsequenz waren vier Höfe für mehrere
Wochen geschlossen – und das im Frühling. Für viele
Münchener war das keine einfache Zeit.
Legal Müll mitnehmen darf man auf manchen
Wertstoffhöfen in der Fundgrube. Dort können
Besucher gut erhaltene Dinge abgeben und andere
mitnehmen. In vielen Städten gibt es außerdem Ge-
brauchtwarenkaufhäuser. Dort kann man Möbel und
andere Dinge von den Wertstoffhöfen zu günstigen
Preisen kaufen.
Aber auch in Deutschland gibt es für manchen
Müll unkonventionelle Lösungen: Einige Menschen
stellen alte Möbel, Bücher und Elektrogeräte einfach
an die Straße und legen einen Zettel daneben: „Zu
verschenken!“ Oft sind die Sachen schon nach kurzer
Zeit nicht mehr da. Eva Pfeiffer
WIE DEUTSCHLAND FUNKTIONIERT   33
Sperrmüll Karton
das Eigentum ,  Sache: Sie gehört
jemandem.
die F¢ndgrube, -n ,  Ort: Dort findet man
wichtige oder interessante Dinge.
gut erh„lten ,  hier: original und ohne
kaputte Stellen
das Gebrauchtwarenkaufhaus, ¿er 
,  Geschäft: Dort kann man gebrauchte
Produkte kaufen.
(gebraucht ,  nicht mehr neu; schon
benutzt)
einige , manche
einfach ,  hier: nur
Zu versch¡nken! ,  hier: ≈ Das kann man
mitnehmen, ohne dafür etwas zahlen zu
müssen!
34  MÜNCHEN UND DIE ARABER   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

M > MITTEL

Besuch aus
der Wüste
Jeden Sommer wird München zu
einer Oase für arabische Touristen
aus den Golfstaaten. Passen die
Bayern und die Araber zusammen?
Von Dunja Ramadan
einfliegen 
,  mit dem Flugzeug
liefern lassen
gemeinsam haben 
,  hier: bei … gleich sein

aufstellen 
,  hier: an einen speziel-
len Platz stellen
der Pl„tz, ¿e 
,  hier: Position

W
der Wiederholungs-
as haben ein Beduinenzelt vor sowie die Nähe zur Alpenregion“, sagt Ohlmann. täter, - 
,  Person, die zum zwei-
einem Fünfsternehotel, ein 7er- Im Jahr 2015 wurden 683 123 arabische Gäste regis­
ten Mal eine kriminelle
BMW in einer Flugzeugnase und triert. Das sind 14-mal so viele wie im Jahr 1994. Im Sache macht; gemeint ist
japanisches Essen, eingeflogen aus Durchschnitt bleiben die Araber zwölf Tage. hier: Gast, der schon ein
paar Mal da war
Asien, gemeinsam? Es sind alles reale Extrawün- „München hat beides, Hightech und Lederhose“,
sche reicher arabischer Golf-Touristen. Münchener sagt Frank-Ulrich John vom Bayerischen Hotel- und der H„ndelsverband, ¿e 
,  Organisation für die
Hotels stellen vor ihren Gebäuden Beduinenzelte Gaststättenverband Bayern. Das macht die Stadt für Interessen von Händlern
auf, sie organisieren den Transport von Sportwagen die Araber interessant, meint er. Sie schätzen die (der Hændler, - , Ver-
über den Luftweg oder bestellen Lebensmittel aus Kombination von Tradition und Moderne. Bayern käufer; Ladenbesitzer)
Japan, um ihren Gästen authentischen Geschmack steht für Innovation, Internationalität, Automobil- schætzen 
zu garantieren. Für die ist dieser Luxus normal. Das industrie – aber auch für bayerische Gemütlichkeit, ,  hier: sehr gern mögen

wahrscheinlich teuerste Hotel der Welt, Burj Arab, Natur und Berge. Auch die Araber sind traditions- sowie , und
liegt ja auch am Golf, in Dubai. bewusst: Familie, Religion, Kultur – das ist ihnen stehen für 
Sehr viele Touristen aus den Golfstaaten besu- wichtig. Gleichzeitig fahren sie mit den neuesten ,  ein Symbol sein für
chen die bayerische Metropole jedes Jahr. Besonders Autos, telefonieren mit den modernsten Handys traditionsbewusst 
populär sind die Monate August und September. In und tragen die aktuellste Mode. ,  so, dass man sehr auf
Tradition achtet
Dubai, Katar oder Saudi-Arabien ist es jetzt über 40 Davon profitiert Bayern, aber auch der Einzelhan-
Grad warm. In München sind es meistens angeneh- del und die Gastronomie, weil viele Touristen mit profitieren v¶n 
,  Vorteile haben
me zehn Grad weniger. In Deutschland ist die Stadt ihren Familien reisen. Wie eine Untersuchung der
der Einzelhandel 
das populärste Reiseziel für Touristen aus der Regi- BBE-Handelsberatung zeigt, kommen mehr als 80 ,  alle Geschäfte, in
on, direkt vor Frankfurt und Berlin. In Europa steht Prozent der arabischen Touristen nach München, denen man Waren kaufen
München auf Platz zwei, nach London und vor Paris. um Urlaub zu machen. 17 Prozent reisen nach Mün- kann
„Die Zahl der Wiederholungstäter steigt“, sagt chen, um sich medizinisch behandeln zu lassen. s“ch beh„ndeln l„ssen 
,  eine ärztliche Therapie
Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. Die Fragt man Münchener, wie sie den Besuch der
machen lassen
Mehrheit der arabischen Touristen war schon min- arabischen Gäste finden, kommen unterschiedli-
das Geschæft beleben 
destens neunmal in der Stadt. „Die Araber schätzen che Reaktionen. Eine junge Frau sagt: „Sie beleben ,  ≈ machen, dass man
Foto: ddp

vor allem die Sicherheit und Sauberkeit in München das Geschäft. Ich arbeite im Einzelhandel, und wir mehr Geld verdient
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 MÜNCHEN UND DIE ARABER  35

freuen uns über den guten Umsatz.“ Ein

Mann sagt: „Die starken Parfümwolken
der arabischen Touristen finde ich ge-
wöhnungsbedürftig, aber wir Münche-
ner kennen das inzwischen.“ Wie die
BBE-Untersuchung zeigt, kleiden sich
sieben von zehn arabischen Touristen
nach westlichen Maßstäben modern,
vor vier Jahren waren es rund zehn Pro-
zent weniger. Viele Frauen lüften schon
am Flughafen den Gesichtsschleier.
Fragt man arabische Touristen, er-
zählen ein paar von Vorurteilen, die ih-
nen begegnet sind. Eine Studentin aus
Dubai möchte zwar ihren Namen nicht
nennen, aber sagen will sie schon etwas:
„Viele denken, wir sind ungebildet und
unterdrückt. Aber wenn sie mit uns
ins Gespräch kommen, merke ich, wie
sie ihre Meinung ändern.“ Ein Mann
aus Katar sagt: „Wir schätzen die Gast-
freundlichkeit der Münchener. Viele
Verkäufer sprechen ein paar Worte Ara-
bisch. Das zeigt uns, dass wir auch will-
kommen sind.“
Taschen von Dior, Louis Vuitton und
Hermès – nicht selten sieht man jetzt
wieder Frauen in langen, schwarzen
Gewändern damit durch München lau-
fen. Shopping ist noch vor Sightseeing
die Lieblingsaktivität der arabischen

der }msatz, ¿e  das Vorurteil, -e 

,  Summe aller Verkäufe ,  hier: negative
in einer speziellen Zeit Meinung, die man über
jemanden hat, den man
die Parfümwolke, -n 
nicht gut kennt
,  ≈ große Menge Parfüm
begegnen ,  hier: hören;
gewöhnungsbedürftig 
gesagt bekommen
,  so, dass man sich an
etwas gewöhnen muss ¢ngebildet 
(s“ch gewöhnen „n  ,  ohne gute Ausbildung;
,  hier: etwas so oft rie- ohne Kenntnisse
chen, bis man es normal unterdr•ckt 
findet) ,  hier: so von Männern
der Maßstab, ¿e  dominiert, dass Frauen
,  hier: Kriterium; Norm nicht frei sprechen und
reagieren können
l•ften ,  hier: (kurz)
wegnehmen “ns Gespräch k¶mmen 
,  ein Gespräch beginnen
der Ges“chtsschleier, - 
,  dünnes Stück Stoff, die G„stfreundlichkeit 
das eine Frau vor dem ,  Mentalität, dass
Gesicht trägt (s. Foto) man Gäste besonders
freundlich empfängt
das Gew„nd, ¿er 
,  ≈ langes, weites
Kleidungsstück
36  MÜNCHEN UND DIE ARABER
Gäste, sagen Experten. Dafür fahren sie
auch längere Strecken zu Outlets nach
Österreich und Ingolstadt. Pro Tag gibt
ein arabischer Tourist durchschnittlich
367 Euro fürs Einkaufen aus. Besonders
populär ist Kleidung, außerdem werden
gern Drogerieartikel wie Parfüm sowie
Schuhe, Lederartikel, Uhren, Schmuck
und Spielzeug gekauft.
Da in den letzten Jahren immer mehr
Bürger aus der Mittelschicht vom Golf
nach München reisen, hat sich das
Kauf­interesse geändert. Auch wenn das
Klischee die Araber als Kunden der Lu-
xusboutiquen in der noblen Maximili-
anstraße sieht – 97 Prozent kaufen nicht
dort, sondern in der Fußgängerzone in
internationalen Modegeschäften ein.
Das Café und Restaurant Italian 5 ist
einer der Orte, wo sich arabische Touris-
ten nach ihren Shoppingtouren erholen.
Es liegt etwas versteckt mitten in der
Fußgängerzone. „In den Sommermona-
ten sind 99 Prozent der Gäste arabische
Touristen“, sagt die Chefin, Rediana
Sternbacher. Auf der Speisekarte finden
sich Nudeln, indische Currys und Stein­
ofenpizzen. Ein typisches Element der
deutschen Küche fehlt: Schweinefleisch.
„Das hat sich in den letzten Jahren so ent-
wickelt“, sagt Sternbacher. Immer weni-
ger Gäste bestellten Schweinefleisch, also
wurde die Speisekarte geändert.
Besonders populär sind indische Ge-
richte. Deshalb experimentieren im Ita-
lian 5 zwei indische Köche mit orientali-
schen Gewürzen. Einmal hat Sternbacher
Zum Arzt nach München
Neben vielen Läden haben auch
die Münchener Kliniken und Ärzte
Vorteile von dem Tourismus aus den
Golfstaaten. Tausende Menschen aus
der Region reisen aus medizinischen
Gründen nach Bayern. „Wir kommen
jedes Jahr hierher. Meine Tochter hat
orthopädische Probleme, und wir
versuchen, ihr den Aufenthalt so schön
wie möglich zu gestalten“, erzählt
eine Mutter aus Saudi-Arabien, die
ihre Tochter im Rollstuhl schiebt. „In
München können wir das Notwendige
  AUGUST 2016  Deutsch perfekt
einen arabischen Kellner eingestellt, um
die Str¡cke, -n  der Gewohnheitsmensch,
mit den Gästen leichter ins Gespräch zu , Weg -en ,  Person, die in ihrem
kommen. Ein Fiasko: Gäste beschwer- Lebensrhythmus wenig
der Drogerieartikel, - 
ten sich. Der Grund? Sie fühlten sich spontan ist und immer das
, Drogerieprodukt
Gleiche haben möchte
beobachtet. Jetzt aber ist der arabische (die Drogerie, -n 
genießen 
Kellner weg, und die Kunden vom Golf ,  Geschäft, in dem man
z. B. Sachen für Kosmetik ,  ≈ Freude haben an
sind wieder da. Und wie, sagt Rediana
und zum Putzen kaufen der Gebetsteppich, -e 
Sternbacher: „Ich kenne kein Volk, das so kann) ,  Teppich, auf dem man
lange sitzen und quatschen kann wie die das Spielzeug  kniet, wenn man die Gebete
Araber.“ ,  Ding zum Spielen spricht
So gut wie kaum ein anderer in Mün- (das Gebet, -e 
die M“ttelschicht 
,  Worte, mit denen man
chen kennt Hosam Osman aus Ägypten ,  soziale Klasse, der es
Gott um etwas bittet oder
finanziell ziemlich gut geht
die Wünsche der arabischen Gäste. Im ihm für etwas dankt)
Luxushotel Mandarin Oriental ist er für nobel  (knien ,  auf den Knien auf
,  hier: elegant dem Boden sitzen)
sie der erste Ansprechpartner. „Araber
sind Gewohnheitsmenschen, sie wollen verst¡ckt ,  hier: nicht der Pfeil, -e ,  hier: Signal,
leicht zu finden das die Richtung zeigt
München genießen, aber am Abend nach
die Steinofenpizza, der S¡nder, - 
Hause kommen“, sagt er. -pizzen/-pizzas  ,  Station, die Fernsehsen-
Osman hat darauf geachtet: In jedem ,  Pizza, die in einem Herd dungen macht
der 73 Zimmer liegt ein Gebetsteppich. aus Stein gebacken wird
¢nbedingt ,  auf jeden Fall
Ein grüner Pfeil an der Decke zeigt die s“ch entw“ckeln 
,  hier: ≈ langsam „nrichten 
Richtung nach Mekka. Außerdem gibt es ,  hier: auf Tellern
passieren
rund 100 arabische Sender, 35 arabische dekorieren
einstellen ,  hier: eine
Zeitungen und orientalische Desserts auf Arbeitsstelle geben s“ch vornehmen 
den Zimmern. In jeder Abteilung arbeiten ,  hier: planen, dass man …
s“ch beobachtet fühlen  ganz sicher machen will
Arabisch sprechende Angestellte, um den ,  das Gefühl haben, dass
Gästen das Gefühl zu geben, sie wären andere genau zusehen, was bieten 
man macht ,  hier: etwas Spezielles
wirklich zu Hause. anbieten
„Einmal wollte ein arabischer Gast }nd wie! ,  m hier: Und
das sehr intensiv!
unbedingt ein Gericht aus Japan haben“,
erzählt Osman. Deshalb ließ er die Le- qu„tschen ,  m reden;
sich unterhalten
bensmittel frisch aus Japan einfliegen
der [nsprechpartner, - 
und von einem japanischen Koch in
,  Person, die bei Fragen
München anrichten. Untypisch ist das und Problemen hilft
nicht, wie Osman erklärt: „Wir haben uns
vorgenommen, unseren Gästen alles zu
bieten, was sie wollen.“
gest„lten 
mit dem Angenehmen verbinden. ,  hier: machen
Ein Sommer ohne München ist für der R¶llstuhl, ¿e 
uns kein Sommer“, sagt sie und lacht. ,  Stuhl auf Reifen für
Sichere Statistiken gibt es zu dem Phä- Menschen, die nicht
gehen können
nomen nicht. Experten von der Hoch-
notwendig , nötig
schule Bonn-Rhein-Sieg glauben aber,
das N¡tzwerk, -e 
dass im letzten Jahr mehr als doppelt
,  hier: Gruppe von
so viele Patienten aus den arabischen Menschen, die sich
Golfstaaten für eine ärztliche Therapie gegenseitig unterstützen
nach München kamen wie vor fünf der Dienstleister, - 
Jahren. Ein wichtiger Grund für diesen ,  Firma, die eine Dienst-
leistung anbietet
Erfolg ist ein Netzwerk-System aus
(die Dienstleistung, -en 
Kliniken, Ärzten, Hotels und Dienst- ,  hier: Serviceangebot)
leistern, die den Gästen eine intensive
Unterstützung möglich machen.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016
ADEBAYO WAIDI
GBENRO
Heimat: Nigeria
Alter: 37 Jahre
Beruf: Student, Buchhalter
Erster Monat: Februar 2016
Hobbys: Reiten
WITTEN
Bundesland
Nordrhein-
Westfalen
Einwohner-
zahl  98 000
Was interessant ist: erste
deutsche Privatuniversität,
liegt in der früheren Indus-
trieregion Ruhrgebiet am
Fluss Ruhr, Zeche Nachtigall,
Marktkirche
MEIN TIPP
Der „Tatort“ ist ein wichtiger
Teil des Sonntagabends in
Deutschland. Auch wenn ich
bei dieser Krimiserie nicht
alles verstehe, sehe ich die
Sendung mit meinen Mit-
bewohnern und Freunden
an. Die „Tatorte“ spielen in
verschiedenen Regionen in
Deutschland. Das macht sie
noch interessanter. Nur vom
Münchener Tatort haben
meine Freunde gesagt, dass
ich ihn nicht ansehen soll.
Dort sprechen sie Bayerisch.
 
Eine Übung zu
diesem Text finden
Sie auf Seite 54.
  37
MEIN
ERSTES JAHR L > LEICHT b > AUDIO
„Man macht einen Termin aus. Mehrere
Tage vorher. Ziemlich verrückt!“
E
ine Freundin hat mich überzeugt, nach Wit-
ausmachen ,  hier: Adebayo Waidi Gbenro
ten zu kommen. Ich hatte schon lange den vereinbaren; verabreden
der Buchhalter, - , Per-
Wunsch, PPE zu studieren. Das ist kurz für
überzeugt ,  Part. II von: son: Sie kümmert sich um
Philosophy, Politics, Economics. So heißt mein Mas- überzeugen = hier: mit die Dokumentation der
terstudiengang. Mehrere Universitäten bieten ihn Argumenten erreichen, Finanzen von einer Firma.
dass jemand … macht
an. Also habe ich mir die Universitäten und ihre Orte reiten ,  auf einem Tier
im Internet genau angesehen. Über einen Ort habe der Masterstudiengang, (z. B. Pony) sitzen und sich
¿e ,  Ausbildung: Man von ihm tragen lassen
ich gar nichts gewusst: Witten. Er ist klein, genau wie macht sie an der Universität
die Universität. Aber was ich gelesen habe, hat mir in einem speziellen Sektor.
sehr gefallen. Am Ende bekommt man
Witten
den Titel Master.
Mit meiner Freundin habe ich dann über Witten die Z¡che, -n ,  ≈ techni-
„ngesehen ,  Part. II von:
gesprochen. „Du hast recht. Es ist ein kleiner Ort“, hat sich ansehen = hier: genau
sche Konstruktionen unter
sie gesagt. „Aber ich glaube, er passt sehr gut zu dir. der Erde für den Bergbau
sehen auf; ≈ prüfen
Er ist ein bisschen anders.“ Ich habe auf sie gehört (die Erde , braune
hören auf … ,  den Rat von oder schwarze Substanz:
und es nicht bereut. Schon der Kontakt in der Bewer- … akzeptieren Pflanzen brauchen sie zum
bungsphase war persönlich. Seit Anfang des Jahres (der Rat ,  Tipp; Hilfe; Leben.)
Vorschlag)
studiere ich an der Privatuniversität Witten-Herde- (der B¡rgbau , Suchen
bereuen ,  ≈ leidtun, dass und Herausholen von
cke. Ich bin der erste Stipendiat im Programm für
man etwas gemacht hat Mineralien oder Metallen
Studierende aus Niedriglohnländern. aus der Erde)
der Stipendiat, -en , Per-
In meiner Heimat habe ich bei einer Nichtregie-
son: Sie bekommt Geld,
rungsorganisation und als Buchhalter gearbeitet und damit sie ohne finanzielle
einen Bachelor in Ökonomie gemacht. Die Kommu- Probleme studieren kann. Mein Tipp  
nikation an den Universitäten ist in Deutschland wäre ,  Konj. II von: sein der Tatort, -e ,  Ort: Dort
ist eine kriminelle Sache
aber ganz anders als in Nigeria. Hier gibt es viel mehr und¡nkbar ,  so, dass man passiert.
Interaktion zwischen den Studenten und dem Pro- es sich nicht denken kann
die Kr“miserie, -n , Serie
fessor. Man kann ihn spontan etwas fragen, wenn die Vorlesung, -en  von Kriminalfilmen
man ihn trifft. Und weniger als eine Stunde später ,  Unterrichtsform an der
Universität „nsehen ,  als Publikum
bekommt man eine E-Mail von ihm mit mehr Infor- sehen
mationen. In Afrika wäre das undenkbar. vorbereitet ,  hier: so,
dass man schon viel gelesen der M“tbewohner, - 
Auch die Vorlesungen sind anders. Hier setzen hat ,  Person: Sie wohnt in
sich die Studenten nicht nur in den Raum und hö- der gleichen Wohnung/im
das Thema, Themen  gleichen Haus.
ren dem Professor zu. Man muss vorbereitet sein, die ,  hier: Inhalt von einer
spielen ,  hier: stattfinden
Texte zum Thema schon vorher gelesen haben. Nur Vorlesung
Fotos: mauritius images/Hans Blossey; Uni Witten-Herdecke
dann kann man mit den anderen Studenten und dem ¢nangekündigt ,  so, dass
Professor wirklich darüber diskutieren. man vorher nicht gesagt
hat, dass man kommt
Im Privatleben sind die Deutschen anders als wir.
das Ziel, -e ,  hier: Resul-
Auch gute Freunde besucht man nicht unangekün-
tat: Das will man erreichen.
digt. Man macht einen Termin aus. Mehrere Tage
zur•ckkehren , zurück-
vorher. Ziemlich verrückt! gehen
Sie wollen auch von
In den nächsten Monaten will ich mich wirk-
vor„nbringen  Ihrem ersten Jahr in
lich auf mein Studium konzentrieren – und auf das ,  ≈ machen, dass z. B. Deutschland, Österreich
oder der Schweiz erzäh-
Deutschlernen. Das sind meine großen Ziele. Nach die Wirtschaft in Zukunft
len? Schreiben Sie einfach
besser wird
dem Studium will ich wieder nach Afrika zurückkeh- eine kurze E-Mail (Name,
(die Zukunft , die Nationalität, Ort) an
ren. Ich möchte mein Land voranbringen – mit dem
nächste Zeit) redaktion@deutsch-
Wissen aus Deutschland. Aufgeschrieben von Tanja Haas perfekt.com.
 38 SPRACHFEATURE
Schauspielerin und Model
Wanda Badwal,
E !
T
B I T
RU H E
W
enn sie im Alltag mit den Fin-
gern zählen will, muss Pamela
Perniss manchmal kurz über-
legen: Soll sie mit dem Daumen beginnen
oder mit dem kleinen Finger? „Ich muss
mich dann selbst daran erinnern, je nach
Sprache die passende Geste zu verwen-
den“, erzählt die Linguistin. Spricht sie
Deutsch, beginnt das korrekte Finger-
zählen mit dem Daumen. Spricht sie Eng-
lisch, wie meistens in ihrer Wahlheimat
Brighton, gilt das Gegenteil: Der kleine
Finger steht für die Eins.
In dem Film Inglourious Basterds von
Quentin Tarantino bekommt ein briti-
scher Agent durch die kulturspezifische
Art, zu zählen, sogar ein großes Problem:
Als er im von Nazideutschland besetzten
Paris in einer Kneipe drei Gläser Whis-
key bestellt, hebt er Zeige-, Mittel- und
Ringfinger, während sein Daumen den
kleinen Finger festhält. Ein SS-Offizier
erkennt ihn durch diese Geste sofort als
Nichtdeutschen. Denn ein Deutscher
hätte Daumen, Zeige- und Mittelfinger
gehoben, um die Zahl Drei zu symboli-
Fotos: ddp (2)
sieren. Sein Fehler geht für den Agenten
und seine Partner nicht gut aus.
  AUGUST 2016  Deutsch perfekt
SCHWER
Das Auge
hört mit
Wenn Hände reden: Gesten sind ein
wichtiges Mittel der Kommunikation.
Nur: Sie sind in jeder Kultur ein bisschen
anders. Interpretieren Sie das Körper-
Deutsch richtig? Von Barbara Kerbel
Diese Geste lernen Kinder schon im ausgestreckt ,  lang und
gerade
Kindergarten: Der ausgestreckte Zei-
der Zeigefinger, - 
gefinger wird auf die Lippen gelegt.
,  ≈ zweiter der fünf Finger
Das heißt: Der Mund bleibt zu – und
die L“ppe, -n , weicher,
alle in der Gruppe oder im Klassen- oberer oder unterer Teil des
zimmer sollen leise sein. Mundes
der Daumen, -  gehörlos 
Solche Unterschiede und Beobachtun-
,  erster und stärkster, ,  so, dass man nichts
gen faszinieren Pamela Perniss. „Gestik kurzer Finger, den man hören kann
ist ein Teil der Sprache“, sagt die Lingu- gegen die anderen vier
die Gebärdensprache, -n 
Finger drücken kann
istin. Sie ist bilingual aufgewachsen und ,  Sprache von Gehörlosen:
hat die Wichtigkeit von Gesten für die je nach ,  hier: passend zu Man spricht mit spezieller
Mimik und mit den Armen
Kommunikation schon als Kind direkt die Wahlheimat 
und Händen.
,  Ort, der nicht die Heimat
erlebt. Damals zog sie mit ihren Eltern für
ist, an dem man sich aber zu der F¶rschungsschwer-
einige Jahre von Deutschland in die USA. Hause fühlt punkt, -e 
In der High School ging sie mit einem ge- ,  zentrales Thema einer
stehen für 
Forschungsarbeit
hörlosen Mädchen in eine Klasse. Perniss ,  hier: ≈ Symbol sein für
lernte die amerikanische Gebärdenspra- verz“chten auf 
bes¡tzt 
,  hier: freiwillig nicht
che, später auch die deutsche und die bri- ,  hier: von Militär in Besitz
benutzen
genommen
tische – und machte das Thema Gestik zu
vermeiden 
ihrem Forschungsschwerpunkt. der SS-Offizier, -e 
,  hier: nicht entstehen
,  Offizier der Schutzstaf-
„Gestik scheint etwas Universelles lassen
fel, einer Kampforganisati-
zu sein“, sagt die Expertin. Bis heute ist on der früheren Nationalso- deuten , zeigen
weltweit keine Sprachgemeinschaft be- zialistischen Arbeiterpartei
ausgestreckt 
Deutschlands
kannt, die auf Gesten verzichtet. Aber es ,  lang und gerade
(der Offizier, -e 
gibt kultur- und sprachspezifische Unter- ,  Person mit hoher Positi- der Zeigefinger, - 
schiede, wie Gesten verwendet werden. on beim Militär) ,  ≈ zweiter der fünf Finger;
Finger neben dem Daumen
Unterschiede, die Lerner kennen sollten, n“cht gut ausgehen 
um Missverständnisse zu vermeiden. ,  schlimme Konsequenzen
haben
So gibt es überall Zeigegesten, mit
denen man auf eine Sache oder auf sich faszinieren 
,  hier: interessant finden
selbst deutet. In den deutschsprachigen
bilingual 
Ländern benutzt man dafür den ausge-
,  so, dass man zwei
streckten Zeigefinger der rechten oder Muttersprachen hat
linken Hand; in anderen Kulturen deutet
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 SPRACHFEATURE  39

man mit der ganzen, flachen Hand auf

die fl„che H„nd 
sich selbst. Aber Vorsicht: Wie in vie-
,  Hand, bei der alle Finger
lang und gerade gehalten len anderen Ländern gilt es auch in den
werden deutschsprachigen Ländern als unhöflich,
peinlich  in der Öffentlichkeit mit dem Zeigefinger
,  unangenehm vor auf eine Person zu zeigen, die das auch
anderen
sehen kann. Wer solche Konventionen
die G„lloromanistik 
kennt, vermeidet peinliche Situationen.
,  ≈ systematisches
Studieren der französischen Deshalb rät Reinhard Krüger, Professor
Sprache und ihrer Literatur für Galloromanistik an der Universität
s“ch verstændigen  Stuttgart, beim Lernen einer Fremdspra-
,  mit jemandem sprechen che auch die passende Gestik mitzuler-
und ihn verstehen
nen. „Die Körpersprache gehört dazu,
der St“nkefinger, - 
wenn man sich in einer fremden Kultur
,  m eine beleidigende,
vulgäre Geste, bei der verständigen will“, sagt er. Auch Krüger
der mittlere Finger lang ist fasziniert von der Bedeutung von
gemacht wird
Gesten. Vor Kurzem hat er ein Buch über
das L¡xikon, -ka/-ken  den Stinkefinger (siehe nächste Seite)
, Enzyklopädie
geschrieben; zurzeit arbeitet er an einem
der Kulturraum, ¿e 
Lexikon der europäischen Körpersprache.
,  ≈ Gebiet, in der es eine
gleiche Kultur gibt Nicht nur die Bedeutung einzelner
der Prob„nd, -en  Gesten kann sich je nach Sprach- und Kul-
, Testperson turraum unterscheiden. Sondern auch die
sparsam ,  hier: wenig Häufigkeit, mit der Sprecher beim Reden
das H„ndgelenk, -e 
gestikulieren – und wie viel Platz sie da-

Schauspieler
Daniel Brühl,
,  ≈ bewegliche Verbin- bei brauchen. Das hat die Linguistin und
dungsstelle zwischen Hand Kulturwissenschaftlerin Cornelia Müller
und Unterarm
1998 mit deutschen und spanischen Pro-
der ]llenbogen, -  banden untersucht. Sie kam zu einem
,  bewegliche Verbin-

dungsstelle zwischen
Unterarm und Oberarm
die Sch¢lter, -n  Nordeuropäer, bestätigte sich nicht. Die
,  Körperteil zwischen Hals
und Arm
auffallen  schen bewegten sich aber sparsamer:
,  deutlich gesehen werden
„ngeboren sein  die fl„che H„nd , Hand,
,  von Geburt an da sein
der W¡ttkampf, ¿e 
,  sportlicher Kampf, bei
dem man feststellt, wer die/
der Beste ist
überraschenden Ergebnis: Das Klischee,
dass Südeuropäer mehr gestikulieren als
deutschen Probanden gestikulierten ge-
nauso oft wie die spanischen. Die Deut-
Zum Beispiel zeigten sie mehr Gesten
aus dem Handgelenk heraus. Die spani-
schen Testpersonen benutzen dagegen
beim Gestikulieren oft die Ellenbogen
und Schultern – sodass ihre Gesten stär-
ker auffielen.
Eines aber scheint in allen Kulturen zu
gelten: Kinder beginnen zu gestikulieren,
sobald sie zu sprechen beginnen. Und die
Verwendung von bestimmten Gesten ist
vermutlich sogar angeboren. Darauf hat
unter anderem eine Untersuchung mit
blinden und sehenden Sportlern aus dem
Jahr 2008 hingewiesen: Sowohl blinde als
auch sehende Athleten machten nach ei-
nem Wettkampf dieselben Sieger- und
Verliererposen – Gewinner heben die
Arme nach oben, Verlierer lassen die
Schultern hängen.
WINKEN
bei der alle Finger lang und
gerade gehalten werden
die H„ndfläche, -n  Hand neben oder über den Kopf, die
,  Innenseite der Hand
das Her„nwinken ,  von:
heranwinken = durch
Winken zeigen, das seine
andere Person näher kom-
men soll
der Zeigefinger, -  auf Bauchhöhe mit der Handfläche
,  ≈ zweiter der fünf Finger
die Sch¢lter, -n , Körper-
teil zwischen Hals und Arm
Eine Bewegung mit der flachen Hand
kann verschiedene Bedeutungen
haben. Für einen Gruß hebt man die
Handfläche zeigt nach vorne. Zum
Heranwinken hebt man die Hand
mit der Handfläche nach innen und
bewegt die Finger (oder nur den Zei-
gefinger) auf sich zu. Wer die Hand
nach vorne von sich wegdrückt, sig-
nalisiert: Stopp! Und wer die Hand
mit der Handfläche nach innen schnell
nach hinten über die Schulter bewegt,
winkt ab, meint also: „Vergiss es.“ Die-
ses Abwinken wird im Deutschen
auch eine „wegwerfende Handbewe-
gung“ genannt.
 40 SPRACHFEATURE   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

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der Daumen, - 
,  erster und stärkster,
kurzer Finger, den man
gegen die anderen vier
Finger drücken kann
der Zeigefinger, -  etwas oder jemanden zu bewerten.
,  ≈ zweiter der fünf Finger;
Finger neben dem Daumen
Gut oder schlecht?
Auch in deutschsprachigen Ländern
wird der Daumen dazu benutzt, um
Zeigt er nach oben, wird gelobt; zeigt
er nach unten, ist die Bewertung ne-
gativ. „Daumen hoch“ ist deshalb eine
Redewendung, die auch schriftlich
verwendet wird.

Angela Merkel,
der Daumen, - , erster
Bundeskanzelerin
und stärkster, kurzer Finger,
den man gegen die anderen
Kaum eine Politikergeste ist so vier Finger drücken kann
populär wie die typische Handhal-

DIE HÄNDE
bewerten ,  sagen, ob
tung von Bundeskanzlerin Angela etwas gut oder schlecht ist
Merkel: Die Hände liegen vor dem die Redewendung, -en 

DER MACHT
Bauch, die Daumen und Zeigefin- ,  idiomatischer Ausdruck
ger formen ein spezielles Viereck,
die Raute. Vielen ist die Geste als
sogenannte Merkel-Raute bekannt.
Die Kanzlerin selbst hat eine einfache Erklärung für die Geste, über die Körper-
Ja oder Nein?
sprache-Experten schon sehr viel nachgedacht haben. In einem Interview sagte sie, Die einfachste Art, jemandem zuzustim-
es gehe um die Frage: „Wohin mit den Händen?“ – und die Geste sei symmetrisch. men oder etwas abzulehnen, besteht dar-
in, den Kopf zu bewegen: von oben nach
unten heißt Ja, von links nach rechts
heißt Nein. Das gilt in allen deutschspra-
Wer jemandem eine die Faust, ¿e , geschlos- chigen Ländern.
Marie Nasemann,

Faust zeigt, aus der sene Hand

der Mittelfinger nach den Vogel zeigen , mit zustimmen ,  Ja sagen
Model

oben zeigt, meint dem zweiten Finger der
nichts Gutes. Laut Hand an den Kopf zeigen
und so sagen: „Du bist
dem Wörterbuch Du- verrückt! Das ist Quatsch!”
den bedeutet der soge-
nannte Stinkefinger, dass man sehr schlecht
über jemanden denkt und von diesem in
Ruhe gelassen werden will. Die Geste ist
außerdem ein sexuelles Symbol und gilt
überall in Europa und Amerika als sehr ag-
gressiv. In Deutschland kann es juristische
Konsequenzen haben, wenn man jemandem
den Stinkefinger oder den Vogel zeigt. Laut
Reinhard Krüger wurde der Stinkefinger in
bestehen “n ,  hier: sein
Keine Ahnung
Der Sprecher zieht die Schultern schnell
in Richtung Kopf, oft macht er dazu auch
ein skeptisches Gesicht. Meistens will
er damit sagen, dass er etwas nicht weiß.
Dieses Schulter- oder Achselzucken kann
aber auch „Ist mir egal“ bedeuten. Die
Geste wird überall im westlichen Kultur-
kreis verwendet.

DIESER
Fotos: picture alliance/dpa (2); ddp; imago

den letzten Jahren so häufig benutzt, dass

die Sch¢lter, -n , Körper-
er etwas von seiner negativen Wirkung
teil zwischen Hals und Arm

FINGER
verloren hat. „Zum Beispiel in bestimmten
Segmenten der Rockkultur, vor allem Punk
und politisch motivierter Rockmusik, ist der

STINKT Finger ein gemeinsamer Gruß und keine Be-

leidigung“, sagt der Professor.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 SPRACHFEATURE  41

DU BIST JA
VERRÜCKT
Lena Meyer-Landrut,
Sängerin

Ein Herz für die Welt Es ist keine nette Bewegung,

der Zeigefinger, - 
,  ≈ zweiter der fünf Finger
Die Daumen berühren sich und zei- die die beiden Experten Pa- die St“rn, -en ,  Teil des
gen nach unten, die anderen Finger mela Perniss und Reinhard Gesichts zwischen Augen
berühren sich an den Nägeln. Es heißt, Krüger sofort nennen, wenn und Haar
dass die US-amerikanische Sängerin sie nach einer „typisch der Ursprung, ¿e 
, Beginn
Taylor Swift die erste Person war, die deutschen“ Geste gefragt
so mit ihren Händen ein Herz ge- werden: Wer sich mit dem das M“ttelalter , histori-
sche Zeit von ungefähr 500
formt hat. Die Geste wurde durch das Zeigefinger seitlich an die bis 1500 nach Christus
Internet vor allem bei Jugendlichen Stirn tippt, zeigt seinem Gegenüber, dass er es für verrückt oder
das N¡st, -er , Wohn-
sehr schnell populär und wird auch in dumm hält. „Die Geste hat ihren Ursprung in einer Theorie aus platz, den ein Vogel für
den deutschsprachigen Ländern als dem Mittelalter“, sagt Krüger. „Damals dachte man, dass im seine Eier baut
Symbol für Sympathie, Liebe und ein Kopf von Verrückten Vögel ihr Nest gebaut haben.“ die fl„che H„nd , Hand,
gutes Gefühl benutzt. Besonders po- Dieselbe Bedeutung wie der Zeigefinger an der Stirn hat es bei der alle Finger lang und
gerade gehalten werden
pulär ist die Geste auf Musikfestivals, auch, wenn man die flache Hand vor der Stirn hin- und herbe-
bei Sport- oder anderen Großveran- wegt; auch diese sogenannte Scheibenwischer-Geste ist laut Pa- der Scheibenwischer, - 
,  ≈ Gerät, das bei Regen
staltungen: Sobald sich eine Kamera mela Perniss typisch deutsch. Zu beobachten ist sie besonders das Wasser auf den Auto-
auf das Publikum richtet, halten viele häufig unter aggressiven Autofahrern. fenstern zur Seite schiebt
ihre zum Herz geformten Hände nach
oben.

der Daumen, - , erster Kopf ab die fl„che H„nd 

,  Hand, bei der alle Finger
und stärkster, kurzer Finger,
Die flache Hand bewegt sich energisch horizontal vor dem Hals: lang und gerade gehalten
den man gegen die anderen
werden
vier Finger drücken kann Ab und zu zeigen Fußballer auf dem Platz einem Mitspieler oder
Fans diese Geste. Das führt meistens zu einem Skandal und zu die Drohung, -en 
s“ch r“chten auf ,  hier:
,  hier: Geste, die zeigt,
aufnehmen und zeigen Strafen für den Spieler. Denn die Geste ist sehr aggressiv und dass man jemandem etwas
wird als Drohung verstanden. Schlimmes tun will

Wir telefonieren
Die Hand liegt am Kopf neben dem Die Geste ist weltbekannt, aber der Teufel
Ohr, der Daumen zeigt nach oben, der steckt im Detail: Zeige- und Mittelfinger
kleine Finger zum Mund. „Lass uns formen ein V, die Handfläche zeigt nach
telefonieren“, heißt das. Oder auch: vorne. Das Victory-Zeichen wurde wäh-
„Wir bleiben in Kontakt.“ Manche Se- rend des Zweiten Weltkriegs beliebt, als
nioren malen als Symbol für das Tele- Symbol für den Sieg gegen die National-
fonieren mit dem Zeigefinger einen sozialisten und für den Frieden. In den
Kreis in die Luft. Diese Geste kommt deutschsprachigen Ländern ist es heute
noch aus der Zeit, in dem es nur Tele- als Siegergeste populär. Hinter den Kopf
fone mit einer runden Scheibe zum von jemandem gehalten, kann man mit
Dieter Hallervorden,

Wählen gab. dem Victory-Zeichen auch sogenannte

Hasenohren bilden – ein häufiger Scherz
Schauspieler

der Daumen, - , erster von Kindern und für Fotos.

und stärkster, kurzer Finger,
den man gegen die anderen
Der Teufel st¡ckt “m die H„ndfläche, -n 
vier Finger drücken kann
Detail.  ,  Innenseite der Hand
der Zeigefinger, - 

SIEG UND
,  hier: ≈ Wenn man auf das Hasenohr, -en 
,  ≈ zweiter der fünf Finger; die Details bei der Geste ,  langes Ohr eines kleinen
Finger neben dem Daumen achtet, wird es kompliziert. Tiers, das springen kann
die Scheibe, -n , flaches, der Zeigefinger, -  b“lden ,  hier: machen
rundes, drehbares Stück aus

FRIEDEN
,  ≈ zweiter der fünf
Plastik mit Löchern Finger der Sch¡rz, -e , Spaß
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Deutsch perfekt  AUGUST 2016 ATLAS DER ALLTAGSSPRACHE  43

L > LEICHT
○ HAMBURG
Viertel nach zehn
viertel elf
Viertel ab zehn
Viertel über zehn

○ HANNOVER viertel elf ○ BERLIN

Viertel
nach zehn

○ LEIPZIG

○ KÖLN

○ FRANKFURT

○ STUTTGART

○ MÜNCHEN
Viertel
über zehn ○ WIEN

○ SALZBURG
○ BASEL ○ ZÜRICH

Viertel ○ GRAZ
ab zehn

○ GENF n“cht ¢nbedingt 

,  ≈ wahrscheinlich nicht

die Entf¡rnung, -en 

,  Distanz

schwierig ,  ↔ leicht
nun ,  hier: ≈ eigentlich
Wo spricht man wie? sich der Hamburger entscheidet: Er kommt zu s“ch entscheiden für 
, wählen
10.15 Uhr spät. Gemeint ist nämlich 10.15 Uhr. Für den Ham-
burger ist das aber „Viertel nach zehn“. Und in Tei- die v¶lle St¢nde 
,  die ganze Stunde
Wenn sich ein Ostdeutscher len Österreichs heißt die gleiche Uhrzeit „Viertel (z. B. 1 Uhr, 2 Uhr …)
mit einem Norddeutschen ver- über zehn“, in der Schweiz „Viertel ab zehn“.
so gar n“cht ,  m absolut
abreden will oder ein Berner mit Bei den Viertelstunden vor oder nach einer nicht
einem Wiener, kann das kompliziert werden. Das vollen Stunde sind sich die Deutschsprecher so s“ch einig sein 
Problem ist nicht unbedingt die Entfernung zwi- gar nicht einig. Wer auf keinen Fall zu einer Ver- ,  ≈ die gleiche Meinung
schen den Orten. Schwierig kann es bei der Uhr- abredung zu spät kommen will, verabredet sich haben; gemeint ist hier
auch: die gleichen Wörter
zeit werden. Ein Dresdener will sich zum Beispiel also besser zu einer vollen oder halben Stunde. Zu benutzen
um „viertel elf“ mit einem Hamburger treffen. Was der sagt man zwischen Flensburg und Kärnten
heißt ¡s … 
heißt das? Meint der Sachse nun 15 Minuten vor gleich. Oder aber man benutzt die offizielle Uhr- ,  hier: sagt man …
elf Uhr oder 15 Minuten nach elf Uhr? Egal, wofür zeit. Dann heißt es korrekt: 10.15 Uhr.

Quelle: Atlas zur deutschen Alltagssprache (Elspaß/Möller) Fotos: iStock

44  WÖRTER LERNEN   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

Olympische
Spiele
PLUS

❶ der Athlet, -en

❷ das Trikot, -s franz.
❸ die Fahne, -n
(auch: die Fl„gge, -n)
❹ die ol¥mpischen
R“nge Pl.
❺ die F„ckel, -n
❻ der St„ffelläufer, -
(hier auch:
der F„ckelläufer, -)
❼ die Schale, -n
❽ das Feuerwerk, -e
❾ die Tribüne, -n
10 der K„mpfrichter, -
11 die Tænzerin, -nen
12 der T¢rnschuh, -e (auch:
der Sp¶rtschuh, -e)

LÖSUNGEN

② 1.B 2.D 3.A 4.F 5.C 6.E

Feuer
4. Schale, olympische
3. Staffelläufer, Fackel
① 1. Athleten, Fahne

L Eröffnungsfeier 1 M Wer macht was? 2

Was passiert alles auf der Eröffnungsfeier? Was machen diese Personen bei der Eröffnungsfeier?
→ Setzen Sie ein! → Verbinden Sie!

Athleten | Kampfrichter | Schale | Fahne | 

Fackel | olympische Feuer | Staffelläufer
①  Die Sänger a fi
 lmt die komplette
Eröffnungsfeier.
②  Die Tänzer
B singen die Nationalhymne
① Die der verschiedenen Länder ③ Der Kameramann des Gastgeberlandes.
marschieren ins Stadion. Jede Gruppe trägt ④  Der Kommentator C schreibt über die Feier
die ihres Landes.
⑤ Der Berichterstatter für eine Zeitung.
② Ein Athlet, ein Trainer und ein Kampfrichter
sprechen den olympischen Eid: Sie versprechen, ⑥  Das Staatsoberhaupt D tanzen in einer
(also der Chef) des großen Show.
dass sie fair sein werden.
Gastgeberlandes E eröffnet die
③ Am Schluss läuft ein mit einer
Olympischen Spiele.
lllustration: Christine Rösch

brennenden ins Stadion.

F kommentiert das
④ Ein anderer nimmt sie und läuft Ereignis für Radio
zur , um das und Fernsehen.
zu entzünden, also anzumachen.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 ÜBUNGEN ZU DEN THEMEN DES MONATS  45

ÜBEN SIE HIER ZU TEXTEN AUS DIESEM HEFT!

L Haustiere
HaustiereDIE DEUTSCHSPRACHIGE WELT IN ZAHLEN: S. 13 11 M
S Alles verstanden? D-A-C-H MENSCHEN: SEITE 76 22

Was wissen Sie über Haustiere in Deutschland? In der Prüfung Goethe-Zertifikat B1, Lesen, Teil 2, sollen Sie
→ Verbinden Sie! einen Text verstehen. Üben Sie hier! Was passt: A, B oder C?
→ Kreuzen Sie an!

① Die populärsten a Floh.

Haustiere in Deutschland sind ① Frau Grimmenstein … ④ Frau Grimmenstein …
B Katzen.
  A ist Postbotin.   A ist sehr optimistisch.
② Eine Steuer muss man
in Deutschland nur für
C Fische.   B ist Musiklehrerin.   B wird die Klage

d Vogel besitzen.   C ist 55 Jahre alt. wahrscheinlich

③ Ein unbeliebtes Haustier, das nächstes Jahr
bis zu 20 Zentimeter hoch und e Hunde zahlen. ② Sie … einreichen.
35 Zentimeter weit springen   A sammelt Briefmarken.   C hat sehr viele
kann, ist der   B fährt gern Fahrrad. Musikschüler.
④ Haustiere, die in einem Aquari-   C bekommt sehr

um leben, sind zum Beispiel viele Briefe.

⑤ Menschen, die ein Haustier ③ Um CETA zu stoppen, …

haben, sehen weniger fern   A hat sie einen Juraprofessor
als andere Menschen. Dieser um Unterstützung gebeten.
Unterschied liegt aber nur bei
  B will sie zuerst TTIP stoppen.
einer Minute bei Menschen,
die einen
  C geht sie jeden Monat ein-
mal auf die Straße, um zu
protestieren.

LÖSUNGEN
S Partizip als Adjektiv WIE GEHT ES EIGENTLICH DEM LOTTO? SEITE 68 3

jackpots..
Das Partizip I kann auch als Adjektiv verwendet werden. → Lesen Sie die Sätze, und
stabilisierenden Euro­
Idee des den Umsatz
Gesellschaften auf die formen Sie sie um! Verwenden Sie dazu den fett gesetzten Ausdruck, und bilden Sie das
5. 2013 kamen die Partizip I! Achten Sie auch auf den Satzbau!
Tippscheine.
ist viel populärer als

① Lotto ist ein Geschäft, das sich lohnt.

erholende Onlineverkauf
von starken Verlusten
4. Der sich nur langsam  Lotto ist ein sich lohnendes Geschäft.
Weltmonopol illegal sei.
dass das damals geltende ② Die Zahl der Menschen, die Lotto spielen, lag im letzten Jahr bei 17,6 Millionen pro
Woche.
das Verfassungsgericht,
3.Vor zehn Jahren urteilte
Millionen pro Woche. 

③ Vor zehn Jahren urteilte das Verfassungsgericht, dass das Wettmonopol, das damals
im letzten Jahr bei 17,6
spielenden Menschen lag
③ 2. Die Zahl der Lotto galt, illegal sei.
② 1.B 2.C 3.A 4.A 

④  Der Onlineverkauf, der sich nur langsam von starken Verlusten erholt, ist viel
①  1.B 2.E 3.A 4.C 5.D

populärer als Tippscheine.



⑤ 2013 kamen die Gesellschaften auf die Idee des Eurojackpots,

der den Umsatz stabilisiert.

46 GRAMMATIK   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

L > LEICHT PLUS

Wem oder was?

Dativ oder Akkusativ? Die richtige
Antwort ist auch für Lernende mit guten
Deutschkenntnissen oft nicht leicht. Diese
Regeln zum Dativ helfen.

FUNKTION DER DATIV BEI PRÄPOSITIONEN

DER DATIV ALS OBJEKTKASUS Der Dativ steht immer
bei diesen Präpositionen:
Der Dativ ist ein Kasus. Am Kasus kann
man die Funktion der Satzteile im Satz ab, aus, bei, mit, nach, seit, von, zu
erkennen. Akkusativ und Dativ ergänzen Die Funktion der Präpositionen kann
ein Verb. Meistens nennt der Akkusativ den Auch ein paar
unterschiedlich sein, zum Beispiel Adjektive stehen in der
Gegenstand des Tuns, also das direkte Ob- temporal, modal oder lokal: prädikativen
jekt (Wen oder was?). Der Dativ nennt dann Verwendung mit dem
Wir fahren nach dem Frühstück Verb sein mit dem Dativ:
den Adressaten (also den Empfänger) oder
mit dem Bus zum Stadion. Bist du ihr böse, weil sie
das Ziel des Tuns (Wem oder was?): nicht zum Spiel
Bei diesen Präpositionen steht der Dativ, mitkommt?
Ich gebe meiner Freundin die Eintrittskarte für das wenn sie auf die Frage „Wann?“ oder „Wo?“
Stadion. antworten:

an, auf, hinter, in, neben, über, unter,

Der Dativ steht zum Beispiel
vor, zwischen …
mit diesen Verben:
anbieten, bringen, empfehlen, erklären, Wann ist das Basketballfinale der Männer? –
geben, leihen, schenken, schicken, schreiben, Am Sonntag.
wünschen, zeigen … Wo findet die Eröffnungsfeier statt? –
Der Dativ Plural endet
Im Maracanã-Stadion. auf -n, außer bei Nomen,
Ein paar Verben haben nur eine Ergänzung deren Plural im Nominativ
(Aber: Wohin fahren wir? – Ins Stadion.)
mit Dativ. Leider gibt es keine Regel dafür, auf -en endet, und bei
Nomen auf -s:
welche Verben das sind. Aber hier ist eine
die U-Bahnen → mit den
kleine Hilfe: Oft ist das Objekt eine Person! FORMEN U-Bahnen
die Autos → mit den Autos
ARTIKEL
Kannst du mir bitte helfen,
den Weg zu unseren Plätzen zu suchen? Nominativ Singular der / ein Bus das / ein Flugzeug die / eine U-Bahn
Gefällt dir Rio? Nominativ Plural die / - Busse die / - Flugzeuge die / - U-Bahnen
Dativ Singular dem / einem Bus dem / einem Flugzeug der / einer U-Bahn
Verben mit einer Ergänzung im Dativ
Dativ Plural den / - Bussen den / - Flugzeugen den / - U-Bahnen
sind zum Beispiel:
antworten, gefallen, gehören, gratulieren,
helfen, passen, schmecken, zuhören … PRONOMEN

Nominativ Dativ Nominativ Dativ

ich mir wir uns

du dir ihr euch
er/es/sie ihm/ihm/ihr sie /Sie ihnen/Ihnen
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016 GRAMMATIK  47

M Geburtstagsgeschenk 2
Ergänzen Sie im Dativ!

①  Was hast du (du) zum Geburtstag

gewünscht?
Ich habe (ich) eine Reise gewünscht.
Wie muss es hei- Johannes und ich fliegen nach Brasilien.
ßen? Mit den oder
mit dem Taxi zur ②  Das ist ja toll! Ich wünsche (ihr) eine
Sprachschule? tolle Reise!
Danke! Wir schreiben (du) eine
Postkarte.
L Kasus 1 ③  Ben und ich fliegen in die Türkei.
Johannes war da doch schon einmal. Meinst
Welcher Satzteil steht im Dativ? → Unterstreichen Sie!
du, er kann (wir) Tipps geben?
Achtung: Manchmal stehen auch mehrere Satzteile im Dativ!
 atürlich! Es hat
N (er) dort sehr gut
gefallen. Ich werde ihn sofort fragen.
① Wir sind mit der Straßenbahn zu meinen Eltern ④  Danke, dass du (ich) hilfst.
gefahren.

② Mein Vater hat im Garten mit meinem Freund

gesprochen, meine Mutter und ich waren im
Wohnzimmer vor dem Fernseher.
M Gesundheit 3
③ Dann haben wir zusammen in der Küche etwas
gegessen. Ergänzen Sie im Dativ!
④ Nach dem Abendessen sind mein Freund und ich
noch ins Kino gegangen. ① Der Arzt hat meiner Frau (meine Frau)
gesagt, dass sie mehr Sport machen soll,
⑤ Um 23 Uhr sind wir mit dem Taxi nach Hause weil sie zu schwer ist.
gefahren.
② Jetzt macht sie bei (ein Sportpro-
gramm) mit.

③ Und sie fährt immer mit (das

Fahrrad) in die Arbeit, nicht mehr mit
(das Auto).
LÖSUNGEN
④ Mit (ihre Freundin) spricht sie oft
3. dem Fahrrad, dem Auto
2. einem Sportprogramm

über gesunde Ernährung.

Fotos: Getty Images; iStock

Freund, im Wohnzim-
mer, dem Fernseher
2. im Garten, meinem
1. der Straßenbahn,

4. dem Abendessen
5. dem Taxi, Hause

⑤ Und
5. unseren Kindern

(unsere Kinder) hat sie keinen

meinen Eltern

4. ihrer Freundin

Kuchen zum Geburtstag gebacken, sondern

3. der Küche

2. euch, dir
3. uns, ihm
1. dir, mir

Obst gekauft.
4. mir
1

3
48  DEUTSCH IM BERUF
Jeans oder
Anzug?
T-Shirt oder Hemd? Hose oder Rock?
Was anziehen im Job? Nicht immer ist
es einfach, eine gute Antwort auf diese
Frage zu finden. Aber es gibt Regeln.
Fragen nach der passenden Kleidung
stellen sich viele Arbeitnehmer immer
wieder, vor allem vor wichtigen Präsenta-
tionen oder vor Vorstellungsgesprächen.
Wer die Kleiderordnung kennt, hat da ei-
nen klaren Vorteil.
Kleiderordnung
Wie Sie möchten
Der Ausdruck „Casual“ steht für die lock-
erste Stufe der Kleiderordnung. Bei die-
sem Dresscode können Sie Freizeitklei-
dung tragen, das heißt: Auch T-Shirt und
Jeans oder ein Sommerkleid sind erlaubt.
Aber Vorsicht: Nackte Beine (bei Män-
nern) und Flip-Flops sind trotz heißen
Wetters nicht gern gesehen. Denken Sie
immer daran, dass das Büro kein Garten-
lokal ist.
Sportlich-elegant
Der Name für den sportlich-eleganten
Look ist „Smart Casual“. Auch dabei han-
delt es sich noch um Freizeitkleidung,
diese ist aber etwas formeller als beim
Casual-Look. Für Frauen heißt das zum
Beispiel: Hose mit Blazer oder Twinset
(Pullover und Jacke aus dem gleichen
Material und in gleicher Farbe). Männer
tragen vielleicht Hemd und Baumwoll-
hose oder auch ein Sakko. Aber Vorsicht:
Jeans sind nicht erlaubt.
  AUGUST 2016  Deutsch perfekt
S > SCHWER PLUS
Casual
Tipp: Wenn Sie nicht
wissen, welche Kleider-
ordnung gefragt ist, raten
Experten: lieber etwas
mehr. Denn ein Sakko
kann man schnell auszie-
hen. Haben Sie aber kein
Sakko dabei, können Sie
es nicht einfach anziehen.
gefragt ,  hier: gewünscht
das/der S„kko, -s , ≈
Anzugjacke
die Kleiderordnung, -en 
,  ≈ Regeln für die Kleidung
stehen für ,  hier:
≈ bedeuten
l¶cker ,  hier: nicht for-
mell; ≈ frei; unkompliziert
n„ckt ,  ohne Kleidung
die Baumwollhose, -n 
,  Hose aus Baumwollstoff
(die Baumwolle  , Pflan-
ze, deren weiße,
wollige Frucht man für die
Herstellung von Kleidung
verwendet)
das/der S„kko, -s 
,  ≈ Anzugjacke
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Edler Business-Look
Bei „Business Casual“ sollten Männer
einen Anzug mit Hemd tragen – auf eine
Krawatte können sie jedoch verzichten.
Für Frauen ist zum Beispiel ein Hosen-
anzug mit Blazer passend. Ein Kostüm
ist kein Muss.
Bei formellen Veranstaltungen wie
Meetings mit Kunden, Vorstellungsge-
sprächen, Konferenzen, Geschäftsessen
und Empfängen muss man schicke Ge-
schäftskleidung tragen. Herren müssen
dann in vielen Branchen eine Krawatte
tragen, Frauen können zum Beispiel ein
Kostüm anziehen.
Abendkleidung
Wenn um Abendkleidung gebeten wird,
sollten Männer einen dunklen Anzug
mit Krawatte tragen. Von Frauen wird
erwartet, dass sie das sogenannte „klei-
ne Schwarze“ anziehen, also ein dunkles,
knie­langes Cocktailkleid.
Elegante Abendkleidung
Wenn der Dresscode „Black Tie“ verlangt
wird, müssen Sie zwar keine schwarze
Krawatte tragen, aber Männer sollten im
Smoking mit weißem Hemd mit Man-
schettenknöpfen und schwarzer Fliege
und Frauen mit langem Abendkleid oder
elegantem Kostüm, Schmuck und Ma-
ke-up kommen. Das ist zum Beispiel bei
Anlässen wie Opernbesuchen oder sehr
förmlichen Abendessen der Fall. Wichtig
für Frauen: Anfangs sollten die Schultern
nicht frei sein, sondern bedeckt.
Der höchste Dresscode
„White Tie“ ist der Ausdruck für die edels-
te Kleiderordnung, zum Beispiel für eine
Einladung auf große Bälle. Frauen sollten
hier in großer Abendrobe kommen und
Männer einen Frack mit weißer Fliege
Foto:s Getty Images
tragen. Die Frau sollte auch in diesem Fall
am frühen Abend die Schultern bedecken.
Außerdem greift sie zu Schmuck statt zur
Uhr.
DEUTSCH IM BERUF  49
Tipp: Wenn auf einer
Einladung kein konkreter
Kleidungswunsch ge-
nannt wird, gilt trotzdem:
Abends trägt man dunkle
Farben, wie Dunkel-
grau, Dunkelblau oder
Schwarz. Braun ist dann
tabu, und das gilt sowohl
für Kleidung als auch für
Schuhe!
edel ,  hier: elegant; von
guter Qualität
die Kraw„tte, -n , langes
Kleidungsstück für Männer,
das sie über dem Hemd um
den Hals tragen
verz“chten kœnnen auf 
,  hier: nicht tragen
müssen
der Hosenanzug, ¿e 
,  Kleidung für Frauen, die
aus einer langen Hose und
passender Jacke besteht
das Kostüm, -e , Rock
und passende Jacke in Elegante Abendkleidung
formellem Stil
der Smoking, -s engl. 
,  festlicher, schwarzer Business Casual
Anzug
der Mansch¡ttenknopf, ¿e 
,  Knopf zum Schließen
des Ärmels direkt über der
Hand
(der Ærmel, - ,  Teil an
einem Kleidungsstück, das
man über den Arm zieht)
die Fliege, -n ,  hier: ≈
Stück Stoff, das in beson-
derer Form als Schmuck
über dem Hemd um den
Hals liegt
der [nlass, ¿e ,  hier:
gesellschaftliches Ereignis
fœrmlich , offiziell;
formell
die Sch¢lter, -n , Körper-
teil zwischen Hals und Arm
bed¡ckt ,  hier: so, dass
Stoff darüberliegt
die Abendrobe, -n , fest-
liches, langes Abendkleid
der Fr„ck, ¿e , sehr
festlicher, schwarzer Anzug
für Männer
greifen zu ,  hier: tragen 
50  DEUTSCH IM BERUF   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

Freitags
In manchen Firmen gibt es den soge-
nannten „Casual Friday“, an dem man
sich lockerer kleiden kann. Doch in Unter-
nehmen mit gehobenem Kleidungsstil ist
oft auch der Freitag nicht wirklich locker.
Jeans und Turnschuhe gehen nicht. Aber
Männer müssen zum Beispiel keine Kra-
watte tragen.
Ungeschriebene Gesetze
An vielen Arbeitsplätzen wird der Dress-
code nicht explizit genannt. Ärzte, Piloten
und Polizisten haben es leicht. Für ande-
re Berufsgruppen ist es leider oft nicht so
einfach. Es gibt ungeschriebene Gesetze,
die sagen, was passend ist und was nicht. Tipp: In gewissem
Rahmen kann der Arbeit- das Unternehmen, - 
Das hängt natürlich auch von der Branche geber dem Arbeitnehmer , Firma
ab, in der Sie arbeiten. In der IT-Branche sagen, was er anziehen
muss, zum Beispiel, gehoben ,  hier: elegant;
ist die Kleiderordnung zum Beispiel lo- wenn es um Sicherheit von guter Qualität
ckerer als bei Unternehmensberatern. geht oder um Rücksicht
der T¢rnschuh, -e , leich-
auf Kunden. Aber diese
Vorschriften dürfen auf ter Sportschuh
keinen Fall diskriminie-
¢ngeschrieben ,  hier:
rend sein.
Signale von allen akzeptiert, aber
nicht schriftlich dokumen-
Kleidung sendet Signale und repräsen-
tiert
tiert etwas. Sie ruft bei anderen Men- “n gew“ssem Rahmen  repräsentieren ,  hier: ein
schen Reaktionen hervor, also zum Bei- ,  hier: ≈ in bestimmten Symbol sein für
spiel Respekt, Sympathie, Vertrauen oder Branchen; in bestimmten
Fällen hervorrufen , verur-
auch Misstrauen. Deshalb ist es natürlich sachen
vor allem in Firmen wichtig, bei denen die der Resp¡kt ,  hier: ≈
Arbeitnehmer viel Kundenkontakt ha- Akzeptanz einer Person
ben, dass die Mitarbeiter gut und gepflegt
gekleidet sind.

ÜBUNGEN

S Kleiderordnung 1 S Gut gekleidet 3

Wie heißen die Stufen der Kleiderordnung auf Was passt?  → Ergänzen Sie!
Deutsch?  → Verbinden Sie!
anziehen | tragen | greifen | verzichten | verlangen

① Business A Freizeitkleidung

② Casual B Geschäftskleidung ① Beim sportlich-eleganten Look können die Frau-

en zu Blazer und Hose . Männer
③ Black Tie C Sportlich-elegant
tragen zum Beispiel Jackett, Hemd
④  Smart Casual D Elegante Abendkleidung und Baumwollhose.
② Ist lockere Geschäftskleidung gefragt, dürfen
Männer auf eine Krawatte .
M Männer und Frauen 2 Frauen können zum Beispiel einen Hosenan-
zug .
Was tragen Männer (M), was tragen Frauen (F)?
→ Kreuzen Sie an! ③   die Gastgeber elegante
Abendkleidung, tragen Frauen lange Abendklei-
der und Männer einen Smoking.
M F
① der Smoking
② das Sommerkleid
③ die Krawatte
LÖSUNGEN
④  das Kostüm
2. verzichten,

⑤ der Blazer
3. Verlangen
anziehen
1. greifen

⑥ die Manschettenknöpfe
5. M, F
1. M

3. M

6. M
3. D
4. C
2. A

4. F
1. B

2. F
①

③
M > MITTEL Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Zusammen- ALLGEMEINES
fassung , Jede Zusammen-
fassung ist viel
Eine Zusammenfassung soll kürzer als das
Original! Der Inhalt
den Leser genau informieren
wird auf das Wich-
– egal, ob es die Inhaltsanga-
tigste reduziert.
be eines Films, eines Buchs,
eines wissenschaftlichen , Meistens wird das
Textes oder die Zusammen- Präsens benutzt.
fassung von einem Meeting , Die Sprache ist
ist. präzise (= genau),
objektiv, neutral
und gut zu verste-
Eine Zusammenfassung ist ein neutraler
Text. Eigene Meinungen, Interpretationen hen.
oder Urteile sind nicht erlaubt!
L > LEICHT PLUS Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Beim Sport ALLGEMEINES
live dabei – ,H
 ast du … gesehen?
,H
 ast du dir … ange-
oder vor dem schaut (≈ im Fernse-
Fernseher hen gesehen)?
, I ch hatte leider keine
Zeit, … anzusehen.
Nicht alle können live bei den
Olympischen Spielen dabei , I ch habe … leider
verpasst.
sein. Aber viele sehen sich das
Sportereignis im Fernsehen ,W
 ollen wir uns … zu-
an. Ob live vor dem Fernseher sammen anschauen?
oder am Tag danach im Büro , I n … zeigen sie das
oder im Café: Im August ist Fußball-Finale. Wollen
Sport eines der populärsten wir hingehen?
Small-Talk-Themen.
S > SCHWER Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Olympische SOMMERSPORT­
Sportarten ARTEN
das D“skuswerfen , Sport-
Manche Sportarten heißen art, bei der man versucht,
einen Diskus so weit wie
in vielen Sprachen ähnlich,
möglich zu werfen
Basketball oder Volleyball
der Dreisprung , Disziplin,
zum Beispiel. Andere haben bei der dreimal gesprungen
aber sehr unterschiedliche
wird, bevor man im Sand
landet
Namen. Hier eine kleine
Orientierung, um problem- das Dressurreiten , Dis-
ziplin im → Reitsport, bei
los die Olympischen Spiele
dem das Pferd schnell auf
im deutschen Fernsehen zu Kommandos reagieren und
verstehen. gymnastische Übungen
machen muss
,D
 er Originaltext
sollte in eigenen
Worten zusam-
mengefasst
werden. Wichtige
Wörter und Fach-
begriffe aus dem
Text können aber in
der Zusammenfas-
sung stehen.
VORBEREITUNG
,L
 esen Sie bei länge-
ren Texten zuerst
das Inhaltsver-
POSITIVE KOMMEN­
TARE
,D
 as war ein tolles
Spiel gestern!
,W
 as für ein klasse
Sprung (≈ kurzes
Fliegen durch die
Luft)!
,D
 as war ein spannen-
der (≈ interessan-
ter) Wettkampf
(= sportlicher
Kampf um die Bes-
te / den Besten)!
(reiten ,  auf einem Pferd
sitzen und sich von ihm tragen
lassen)
das F¡chten ,  Disziplin, bei
der mit langen Stoßwaffen
(z. B. einem Degen) gekämpft
wird
das Gew“chtheben
(das Gew“cht, -e , Sportart,
bei der man versucht, Gewich-
te in die Höhe zu bewegen
hier: schweres Sportgerät für
das Krafttraining)
das H„mmerwerfen , Dis-
ziplin, bei der man eine
Metallkugel an einer langen
Metallschnur nach mehreren
Sammelkarte Schreiben
zeichnis, Einlei- ,E
 inleitung – Haupt-
tung und Ende.
So können Sie
teil – Schluss
,E
 inleitung – These
einen Überblick als und Argumente –
Orientierungshilfe Fazit/Schluss
bekommen. Trotz-
,F
 ragen – Material/
dem gilt allgemein:
Methoden/Versu-
Lesen Sie immer
che – Ergebnis und
den ganzen Text!
Diskussion
,A
 chten Sie auf
,M
 arkieren Sie
die Struktur des
wichtige Wörter im
Textes: Wie ist er
Text. Notieren Sie
geschrieben? Diese
diese in Stichpunk-
Alternativen gibt
ten.
es zum Beispiel:
Sammelkarte Sprechen
, So ein fantastischer NEGATIVE KOMMEN­
Wurf (= von: wer-
fen)!
TARE
, I ch fand das Spiel
, … finde ich einfach
faszinierend.
gestern einfach
langweilig.
, … war wirklich toll. ,S
 o ein enttäuschendes
, … war in Topform! (= so, dass es ein
bisschen traurig
, … ist wirklich fit. macht) Ergebnis
, Er/Sie wird bestimmt (= Resultat). Ich
gewinnen! hatte gehofft, dass
, … hat einen Welt­ … gewinnt.
rekord aufgestellt , … hat mir (überhaupt)
(≈ gemacht)! Kaum nicht gefallen.
zu glauben!
Sammelkarte Verstehen
Kreisbewegungen des Körpers das K¢nstturnen , Sport,
weit wirft
der Hochsprung ,  von: hoch
bei der man gymnastische
Übungen an Geräten macht
springen der L„ngstreckenlauf ,  z. B.
5000-Meter-Lauf und
der H•rdenlauf ,  Sport, bei
10 000-Meter-Lauf
dem Läufer über Konstruktio-
nen, z. B. aus Holz, springen die Leichtathletik ,  z. B.
Laufen, → Weitspringen, →
das Kugelstoßen , Sportart,
Diskuswerfen
bei der man eine schwere
der Reitsport , Sportdiszip-
Kugel von sich wegstößt
linen auf einem Pferd
das K¢nst- ¢nd T¢rmsprin-
gen ,  Disziplin, bei der das Rudern ,  Disziplin, bei
man von verschieden hohen der ein Boot mit Körperkraft
Türmen ins Wasser springt und durchs Wasser bewegt wird
während des Sprungs gym-
nastische Übungen macht.
Sammelkarte Schreiben
EINLEITUNG
In der Einleitung sollten diese
Informationen stehen: Textsorte/
Medium, Titel, Autor, Thema.
, In dem Kommentar „Umweltpolitik“
von Heribert Naumann geht es um
die aktuelle Frage, ob …
, Dr. Gudrun Schäfer behandelt in ihrer
Dissertation „Lernen lernen“ das
Thema „Lernstrategien“.
STRUKTUR
Beschreiben Sie die Textstruktur,
also den Aufbau, und die Argu-
Sammelkarte Sprechen
LIVE KOMMENTIEREN
,E
 s geht los!
(m = Es fängt an!)
,D
 as heißt noch gar nichts! / Das
ist noch nicht gesagt! (= Da
kann sich noch viel ändern.)
 ie holt auf! (= Sie kommt
,S
den anderen, die besser
sind, immer näher!)
,…
 liegt jetzt ganz vorn.
(= … ist im Moment auf dem
ersten Platz.)
,G
 leich hat er es geschafft!
(= Gleich ist er im Ziel.)
Sammelkarte Verstehen
das Segeln ,  Sport bei dem man mit
einem Schiff fährt, das ein großes Stück
Stoff hat, das vom Wind bewegt wird
der Siebenkampf ,  Disziplin für Frauen:
Sie ist eine Kombination aus → Hürden-
lauf, → Hochsprung, → Kugelstoßen,
200-Meter-Lauf, → Weitsprung, →
Speerwerfen und 800-Meter-Lauf.
das Speerwerfen ,  Disziplin, bei der man
einen langen, dünnen Gegenstand so weit
wie möglich wirft
das Spr“ngreiten ,  Disziplin, bei der man
auf einem Pferd über hohe Konstruktionen
springt
der Stabhochsprung ,  Disziplin, bei der
man mit einem langen Stab über eine hohe
Konstruktion springt
mentation des Originaltextes mit
Ihren eigenen Worten:
, Das Buch ist in drei Kapitel gegliedert.
Teil 1 erklärt …  Beispiel „dass“-Sätze und den
, Die Autorin eröffnet ihren Kommen-
tar mit der Beschreibung von …
, Schäfer vertritt die Ansicht/Mei-
nung, dass …
, Er/Sie begründet seinen Standpunkt
mit dem Argument, dass …
, Die Autorin beschließt ihr Buch mit …
, Am Ende kommt er/sie zu dem
Schluss/Ergebnis, dass …
ANFEUERN (≈ durch lautes
Rufen jemandem, der Sport
macht, helfen)
,L
 os!
,S
 chneller!
, J etzt lauf schon/doch!
(≈ Lauf schneller!)
,M
 ach schon/doch!
(≈ Beeil dich!)
,D
 u schaffst es!
(= Du wirst Erfolg haben!)
(der Stab, ¿e ,  hier: langer, dünner
Gegenstand)
der St„ffellauf ,  Disziplin, bei der jedes
Team vier Läufer hat. Ein Läufer hält
einen Stab in der Hand und gibt ihn an den
nächsten Läufer weiter.
(der Stab, ¿e ,  hier: kurzer, dünner
Gegenstand)
der Weitsprung ,  von: weit springen
der Zehnkampf ,  Disziplin für Männer:
Sie ist eine Kombination aus 100-Me-
ter-Lauf, → Weitsprung, → Kugelsto-
ßen, → Hochsprung, 400-Meter-Lauf,
→ Hürdenlauf, → Diskuswerfen, →
Stabhochsprung, → Speerwerfen und
1500-Meter-Lauf.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016
EINE FREMDE MEINUNG NENNEN
Um eine andere Meinung wie-
derzugeben, benutzen Sie zum
Konjunktiv. Damit klar wird, dass
dies nicht Ihre eigene Meinung ist,
sondern die des Autors oder der
Autorin, können Sie außerdem
Ausdrücke verwenden wie:
, Der Autor ist der Auffassung, dass …
, Die Autorin meint / ist davon über-
zeugt, dass …
, Der Verfasser behauptet, dass …
Deutsch perfekt  AUGUST 2016
NERVOSITÄT UND ÄRGER
ZEIGEN
, I st das spannend!
,D
 as sieht nicht gut aus!
(= Ich glaube nicht, dass
mein Favorit noch gewinnt.)
,O
 h nein, was macht der denn?
,W
 arum schwimmt die nicht
schneller?
,D
 as gibt’s doch nicht! / Das kann
doch nicht wahr sein! (= Das
gefällt mir gar nicht.)
 o wird das nie was! (m = So
,S
funktioniert das nicht.)
Deutsch perfekt  AUGUST 2016
SPORTGERÄTE UND MEHR
das B„nd, ¿er ,  hier: langes Stück Stoff
an einem Stab für gymnastische Übungen
für Frauen
(der Stab, ¿e ,  hier: langer dünner
Gegenstand)
der B„rren, - ,  ≈ Turngerät für Männer
mit zwei langen Stäben, die parallel zum
Boden sind
der B¶ck, ¿e ,  schmales Turngerät für
Sprungübungen
der Degen, - ,  ≈ langes Messer
das Gewehr, -e ,  lange Schusswaffe
der K„sten, ¿ ,  breites Turngerät für
Sprungübungen
ZUSAMMENFASSUNG
Eine Zusammenfas-
sung ist ein neutraler
Text. Eigene Meinun­-
gen, Interpretationen
oder Urteile sind nicht
erlaubt!
Um die Meinung von
anderen wiederzuge-
ben, benutzt man sehr
oft die indirekte Rede
mit dem Konjunktiv I:
Die Autorin meint, das
Sprachenlernen sei für
Kinder leichter als für
Erwachsene.
SPORT
 as soll das denn sein? (= Was
,W
macht er/sie da nur?)
, Oh nein! Das geht in die Hose!
(m = Das funktioniert
nicht.)
FREUDE ZEIGEN
, Wahnsinn! / Toll! / Klasse!
, Super gemacht!
, Hurra! / Juhu! (= Ruf, der
Freude zeigt)
, (Wir haben) Gewonnen!
, Er/Sie hat es geschafft!
SPORTARTEN
die Keule, -n ,  Gerät aus Holz in
Flaschenform für gymnastische Übungen
für Frauen
die L„tte, -n ,  langes, dünnes Stück Holz
oder Plastik, über das man springt
das Pferd, -e ,  Turngerät mit zwei Grif-
fen für gymnastische Übungen für Männer
das R¡ck, -e/-s ,  hohe Stange für
gymnastische Übungen für Männer
(die St„nge, -n ,  langes, dünnes
Metallstück)
der Reifen, - ,  großer Ring für gymnasti-
sche Übungen für Frauen
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 DEUTSCH IM ALLTAG  53

M > MITTEL PLUS

Guck mal!
In der gesprochenen Sprache verwenden die Deutschen oft
andere Verben als in der Schriftsprache. Manche Verben haben in
Gesprächen auch einfach eine andere Bedeutung als in geschrie-
benen Texten. Damit die mündliche Kommunikation auch bei
Ihnen klappt – gucken Sie mal hier!

BEISPIELDIALOGE total ,  hier: m sehr

v¶ll ,  hier: m sehr
GRATULIERE! DIE ARME! ¶ffenbar ,  hier: ≈ so, wie
es aussieht
 ab ich dir eigentlich schon erzählt, dass es
H  estern hab ich mich mal wieder mit Susi
G
mit meiner Deutschprüfung geklappt hat? zum Quatschen getroffen. die Mahnung, -en ,  hier:
Brief mit der deutlichen
 e, hast du noch nicht. Ich wusste, dass du
N  ie hab ich schon lange nicht mehr gesehen.
D Bitte, pünktlich zu kommen
das hinkriegst! Gratuliere! Wie geht’s ihr denn?
 anke! Ich freue mich total. Ich hatte viel
D  icht so gut, leider. Ihr Chef hat sie rausge-
N
zu wenig Zeit und dachte, dass ich nie fertig schmissen. Als sie mir das erzählt hat, hat sie
werde – und dann war ich sogar die Beste voll angefangen zu heulen.
der Klasse! Ich habe eine Eins gekriegt. Oje, die Arme! Was ist denn passiert?
Toll! Und wie war die mündliche?  enau hab ich es auch nicht mitgekriegt. Das
G hinkriegen =
 a war ich schlechter. Ich war total nervös,
D Problem war offenbar, dass sie trotz Mah- m eine schwierige
weil ich so lange warten musste. Ich bin erst nungen immer zu spät gekommen ist. Und Aufgabe gut machen
mitkriegen =
als Letzte drangekommen. dann ist sie immer mit derselben Entschul-
m hören und sehen
 as ist ja blöd. Ach, guck mal, da vorne ist
D digung angekommen, nämlich „Meine Katze
Ulrich! Hey, Uli! war krank“ oder so. Das hat ihr ihre Firma
ankommen = m oft
nicht abgekauft. sprechen wollen über
Lass uns doch rübergehen und Hallo sagen.
drankommen = m der/
die Nächste sein

M Synonyme 1 S Mit Präfix 2

Welches Synonym haben die alltagssprachlichen Präfixe geben Verben verschiedene Bedeutungen.
Verben in diesem Kontext? → Verbinden Sie! Welches Verb passt? → Ergänzen Sie in der korrek-
ten Form. Vorsicht: Die Verben sind trennbar!

① Ich habe Blumen gekriegt!

①  hinkriegen | mitkriegen
② Ida ist hingefallen und hat a   glauben
geheult. b   schauen  A Ihr seid nicht mehr zusammen? Oh, das habe ich
③  Tina wurde rausgeschmissen. c   bekommen irgendwie gar nicht .
B Ach, macht euch keine Sorgen! Das
④ Ich habe drei Stunden mit d   kündigen 
Leon gequatscht. ihr schon !
e   weinen
⑤  Das hast du ihm abgekauft? f  sich unterhalten
② ankommen | drankommen
⑥ Was guckst du denn so böse? 
A Puh, ich warte jetzt schon vierzig Minuten!
LÖSUNGEN Hoffentlich ich jetzt auch mal
.
2. A komme

B  bloß nicht schon wieder

B Komm
1. A mitge-

B kriegt

… dran
kriegt

damit ! Ich kann es nicht mehr hören!

… hin

… an
3. D

5. A
6. B
2. E

4. F
①

②
54  RATEN SIE MAL!   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

S TIERISCHES CHAOS KOLUMNE: SEITE 71 1

ö = oe
ü = ue
Um einem Freund beim Deutschlernen zu helfen, versucht es Alia Begisheva mit einer Esels- ß = ss
brücke. Welche besonderen Komposita sind hier gesucht?→ Bringen Sie die Buchstaben in die
richtige Reihenfolge, und finden Sie die Wörter! Ein Tipp: Der erste Teil jedes Wortes ist der
Name für ein Tier, der zweite der für einen Körperteil.

Beispiel: Name eines Kartenspiels: Schopfkaf → der Schafkopf

1. Ecke einer Buchseite, die eine starke Kurve zur Seitenmitte macht: Oselsehr
→ m das
2.  leine, schmerzende Stelle auf den Füßen, wenn die Schuhe zu eng sind: Heuhneruega
k
→ das
3. gelbe Blume, die Blätter mit kleinen Ecken hat: Laewonzehn
→ der
4. Nachteil an einer Sache, den man nicht gleich erkennt: Pfurdefess
→ der
5. f laches Gebäck aus zwei aneinandergelegten Spiralen: Schwoeniehr
→ das
6.  leiner Gegenstand aus Plastik, der z. B. am Fahrrad Licht reflektiert : Ketzanuega
k
→ m das

L EIN BISSCHEN ANDERS MEIN ERSTES JAHR: SEITE 37 2

Auf die Empfehlung einer Freundin ist Adebayo Waidi Gbenro nach Witten gekommen. Die-
ser Ort in Nordrhein-Westfalen ist zwar nicht so groß – das ist aber nicht schlecht, findet der
Masterstudent. Mit welchem Ausdruck kann man das im Deutschen sagen?→ Ändern Sie die
gesuchten Wörter, und finden Sie die Lösung!

LÖSUNGEN

Klein, aber fein

Lösung:
Kreis, Gabel, Wein;
②

2 = L, 5 = N
/1, 5 = R 1=F
6. Katzenauge
5. Schweineohr
4. Pferdefuss
3. Loewenzahn
LÖSUNG: _ _ _ _ _, _ _ _ _ _ _ _ _
Fotos: iStock

2. Huehnerauge
1. Eselsohr
Das heißt: Auch wenn etwas nicht groß ist, ist es sehr gut. ①
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016 WORTKOMPASS  55

„Mein Lieblingswort des Monats ist

die Geburtsurkunde. Ein schöneres
Dokument gibt es nicht!“
Marcel Burkhardt ist Deutsch-perfekt-Kor-
respondent in der Region Frankfurt am Main

Die polyglotte Seite

DEUTSCH ENGLISCH SPANISCH FRANZÖSISCH ITALIENISCH UNGARISCH POLNISCH RUSSISCH

RUND UM DIE EINBÜRGERUNG, TEXT: KOLUMNE   SEITE 71

die Geburtsurkunde birth certificate la partida de naci- l’acte de naissance il certificato di születési anyakönyvi akt urodzenia свидетельство о
miento nascita kivonat рождении
die Einbürgerung naturalisation la naturalización la naturalisation la naturalizzazione honosítás przyznanie obywa- прием в гражданство
telstwa
die Staatsangehö- citizenship la nacionalidad la nationalité la cittadinanza állampolgárság przynależność гражданство,
rigkeit państwowa подданство
die Ausländerbe- foreigners’ registra- la oficina de ext- l’administration des l’autorità competen- idegenrendészeti urząd ds. cudzo- ведомство по делам
hörde tion office ranjería étrangers te per gli stranieri hatóság ziemców иностранцев
mit Migrationshin- migrant background de origen inmigrante issu de l'immigration immigrato migrációs hátterű tło emigracyjne миграционный фон
tergrund
der Personalausweis identification card el documento de la carte d'identité la carta d’identità személyi igazolvány dowód osobisty удостоверение
identidad личности
der Integrationskurs integration class el curso de integ- le cours d'intégration il corso di integra- integrációs tan- kurs integracyjny интеграционный курс
ración zione folyam
die Aufenthaltsge- residence permit el permiso de le permis de séjour il permesso di tartózkodási zezwolenie na pobyt вид на жительство
nehmigung residencia soggiorno engedély
das Aufenthalts- right of residence el derecho de le droit de séjour il diritto di soggiorno tartózkodási jog prawo pobytu право жительства
recht residencia
der Einbürgerungs- naturalisation test el examen de natura- le test de naturali- il test di naturaliz- állampolgársági test przed nadaniem экзамен для
test lización sation zazione teszt obywatelstwa соискателей
гражданства

RUND UM DIE UNIVERSITÄT, TEXT: MEIN ERSTES JAHR   SEITE 37

der Hörsaal lecture hall el aula l’amphithéâtre l’aula előadóterem sala wykładowa аудитория
die Vorlesung lecture la clase le cours magistral la lezione (egyetemi) előadás wykład лекция
das Stipendium scholarship la beca la bourse d'études la borsa di studio ösztöndíj stypendium стипендия
der Studiengang university course la carrera le cursus il corso di studi egyetemi szak / kierunek studiów курс обучения
képzés
das Studenten- dormitory (dorm) la residencia de la résidence étu- la casa dello kollégium akademik студенческое
wohnheim estudiantes diante studente общежитие
das Studienfach subject la asignatura la matière la materia di studi egyetemi szak przedmiot na учебный предмет
studiach
die Einschreibung enrollment la matrícula l’inscription l’iscrizione beiratkozás immatrykulacja зачисление
die Seminararbeit seminar paper el trabajo académico le devoir de sémi- la tesina szemináriumi praca seminaryjna работа в рамках
naire dolgozat семинарских занятия
der Dozent lecturer el profesor univer- le professeur d'uni- il docente docens wykładowca доцент
sitario versité
der Kommilitone fellow student el compañero de le camarade il compagno évfolyamtárs kolega ze studiów приятель (по учебе)
estudios
der Abschluss degree el título le diplôme il titolo di studio diploma, végzettség dyplom здесь: диплом,
окончание

RUND UM DAS DORF, TEXT: IST DA JEMAND?   SEITE 14 - 25

die Landwirtschaft agriculture la agricultura l’agriculture l’agricoltura mezőgazdaság rolnictwo сельское хозяйство
das Nutztier livestock el animal de granja l’animal de rente l’animale da alleva- haszonállat zwierzę użytkowe сельскохозяй-
mento ственное животное
die Nutzpflanze crop la planta útil la plante cultivée la pianta commes- haszonnövény roślina użytkowa техническое растение
tibile
Fotos: Gert Krautbauer, iStock

der Fensterladen window shutter la contraventana le volet la persiana ablaktábla okno wystawowe ставень
anbauen to cultivate cultivar cultiver coltivare termeszteni uprawiać пристраивать
die Erde soil la tierra la terre la terra föld ziemia земля
das Feld field el campo le champ il campo (szántó)föld pole поле
wachsen to grow crecer pousser crescere növekszik, terem rosnąć расти
der Bauer farmer el agricultor le fermier il contadino paraszt, földműves rolnik крестьянин, фермер
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58  ÜBER WEN DEUTSCHLAND SPRICHT
M > MITTEL
Yusra Mardini
wird in Rio
für das
internationale
Refugee-Team
schwimmen.
Yusra Mardini:
Die ambitionierte Neuberlinerin
Yusra Mardini steigt in diesem Sommer
in ein spezielles Schwimmbecken. Es
steht in Rio de Janeiro (Brasilien). Dort
startet die 18-Jährige aus Syrien bei den
Olympischen Spielen. Sie startet nicht für
Syrien. Aber auch nicht für Deutschland,
wo sie seit September 2015 wohnt. Mit
neun anderen Sportlern ist sie Mitglied
eines internationalen Refugee-Teams.
Das Internationale Olympische Komi-
tee hat den Start erlaubt. „Rio ist mein
Ziel, und dafür arbeite ich sehr hart“, sagt
  AUGUST 2016  Deutsch perfekt
ÜBER WEN
DEUTSCHLAND
SPRICHT
Kaum zu
glauben
Für eine 18-Jährige aus Berlin
wird diesen Monat ein modernes
Märchen Realität. Im vierten Teil
unserer Serie stellen wir sie vor
– genau wie drei andere Men-
schen, die zurzeit wichtig sind.
Von Katja Riedel
sie. Mit ihrer Schwester hat sie einen
das Schw“mmbecken, - 
schweren Weg geschafft. Sie ist vor dem ,  ≈ Schwimmbad; Swim-
Krieg in Syrien geflohen, auch über das mingpool
Meer. Viele Flüchtlinge können nicht h„rt ,  hier: körperlich
schwimmen. Anders Yusra Mardini und sehr viel
ihre Schwester: Sie haben das Boot, mit sch„ffen ,  hier: bis ans
dem sie von der Türkei auf die griechische Ziel gehen
Insel Lesbos gefahren sind, vom Wasser fliehen vor ,  hier: wegge-
hen wegen
Fotos: Getty Images; picture alliance/dpa
aus an Land gezogen. Seit sie in Berlin ist,
trainiert Yusra wieder. Unterstützung der Fl•chtling, -e 
,  Person, die aus
bekommt sie vom Verein Wasserfreunde religiösen, politischen oder
Spandau, der ihr im Klubhaus eine kleine ethnischen Gründen aus
Wohnung gegeben hat. Auch wenn sie in ihrer Heimat weggegangen
ist / weggehen musste
Rio keine Medaille gewinnt, werden viele
Menschen über sie sprechen.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Matthias Müller:
Der energische Krisenmanager
Matthias Müller ist kein junger Mann
mehr, er ist 63 Jahre alt. Und doch steht
er vor viel Neuem. Im Herbst 2015 wur-
de bekannt, dass Volkswagen  (VW) bei
Emissionen seiner Autos getrickst hat.
Die Autos sind viel schmutziger, als VW
angegeben hatte. Der alte Chef musste
gehen, Müller kam. Eigentlich war er
schon da: Schon früher war er bei VW
in Wolfsburg (Niedersachsen) ein wich-
tiger Manager. Aber jetzt ist er der Chef,
der VW aus der schwersten Krise seiner
ÜBER WEN DEUTSCHLAND SPRICHT  59
Kein leichter
Job: Matthias
Müller soll VW
aus der Krise
holen.
Geschichte holen muss. Fast jeden Tag
d¶ch ,  hier: trotzdem
muss Müller dabei mit neuen schlechten
tr“cksen ,  ≈ mit illegalen
Nachrichten umgehen. Und trotzdem
Methoden arbeiten
darf er nicht nur zurückschauen. Er muss
„ngeben ,  hier: nennen,
VW neu erfinden: Denn Autos, die mit um eine Information zu
Diesel oder Benzin fahren, sind schlecht geben
für das Klima, für die Natur, für die Men- ¢mgehen m“t ,  hier:
schen. Deshalb will VW jetzt mehr Elek- leben mit und reagieren auf
troautos bauen und ganz neue Dinge neu erf“nden , ändern,
probieren. Müller kann also nicht Ferien um etwas Neues zu machen
machen, er muss arbeiten. Auch privat ist verliebt sein , lieben
bei ihm übrigens viel neu: Der Manager
ist seit einem Jahr verliebt. Die neue Frau
an seiner Seite ist auch bekannt. Es ist die
frühere Tennisspielerin Barbara Rittner.
60  ÜBER WEN DEUTSCHLAND SPRICHT   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

Kann Sigmar Ga-

briel, der oberste
Sozialdemokrat,
seine Partei
wieder populärer
machen?

Sigmar Gabriel: Popmusik zuständig und ein bisschen

Der kämpfende Politiker
Für den Chef der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands (SPD) ist es keine
gute Zeit. Seine Partei regiert zwar mit
– aber für die Zukunft sieht es nicht gut
aus. Nur noch etwas mehr als 20 Prozent
m“tregieren ,  hier: auch
auch für einen Eisbären. Viel ist in den regieren
letzten Monaten über ihn gesprochen
die M„cht ,  hier: politi-
worden. Zuerst hatte er eine Krankheit, sche Kontrolle
dann wurde erzählt, dass Gabriel nicht
der M“ttelpunkt, -e 
mehr SPD-Chef sein will. Stimmt nicht, ,  hier: Zentrum des
sagte der. Jetzt muss er allen zeigen, dass öffentlichen Interesses
er weitermachen will und seiner Partei der Vizekanzler, -  ist / weggehen musste
,  ≈ zweiter Kanzler
¡s geht ¢m … 
,  das Thema / der Inhalt
ist …
der Fl•chtling, -e 
,  Person, die aus
religiösen, politischen oder
ethnischen Gründen aus
ihrer Heimat weggegangen
Fotos: laif/Hans Christian Plambeck; ddp

der Deutschen wollen die SPD wäh-
len. Eigentlich wäre Gabriel (56) gern
Bundeskanzler. Er mag Macht. Und der
Mann aus Niedersachsen steht gern im
Mittelpunkt. Im Moment ist er Wirt-
schaftsminister und Vizekanzler. Früher
hatte er auch lustige Ämter: Er war für
eine neue Macht-Perspektive geben die Riesensch„nde 
das [mt, ¿er ,  hier: ,  großer Skandal
kann. Vielleicht tut er das auch wieder mit
offizielle Position
einem großen Interview. Jeden Sommer
zuständig sein für , sich
gibt er dem Fernsehen eines. Letztes Jahr
kümmern um
ging es dabei um Flüchtlinge. Eine „Rie-
der Eisbär, -en , großes,
senschande“ nannte er damals die Politik weißes, gefährliches Tier:
der Europäischen Union. Es lebt in der Arktis.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Gina-Lisa
Lohfink hat jetzt
selbst Ärger mit
der Justiz.
Gina-Lisa Lohfink:
Das unglückliche Model
Bekannt geworden ist Gina-Lisa Lohfink
als Model – vor allem, seit die 29-Jährige
in der Fernsehsendung „Germany’s next
Topmodel“ mitgemacht hat. Aber dass
jetzt alle über die blonde Frau mit den
vielen Schönheitsoperationen reden, hat
einen anderen Grund. Lohfink sagt, dass
zwei Männer sie vergewaltigt haben. Es
gab einen Prozess. Aber ein Richter hat
ihr nicht geglaubt. Jetzt gibt es einen
zweiten Prozess – gegen sie: Lohfink soll
eine Strafe bekommen, weil sie dies über
die beiden Männer gesagt hat. Viele wol-
len ihr jetzt helfen, vor allem im Internet
bei Twitter und Facebook. Sie glauben
der Frau, nicht dem Richter oder den bei-
den Männern. Denn in einem Video, das
die Männer in der Nacht gemacht haben,
sagt sie Nein zu ihnen. Es ist nicht klar,
wer die Wahrheit sagt. Aber klar ist: Die
Politik reagiert auf die Geschichte mit
Lohfink. Bis jetzt reichte ein Nein nicht,
damit Sex juristisch als Vergewaltigung
gesehen werden konnte. Dafür musste
sich eine Frau körperlich gegen unfreiwil-
ligen Sex gewehrt haben. Bald gilt: „Nein
heißt Nein.“ Ein Wort, nicht eine Tat.
ÜBER WEN DEUTSCHLAND SPRICHT  61
vergew„ltigen , mit die Gesch“chte ,  hier:
Gewalt erreichen, dass man m Sache; Ereignis
mit jemandem Sex hat
reichen ,  hier: genug sein
(die Gew„lt ,  z. B.
Aggression, Schlagen) s“ch wehren ,  hier: kämp-
fen, um sich zu schützen
der Proz¡ss, -e ,  hier:
≈ Untersuchung in einer g¡lten ,  hier: die Norm
offiziellen Institution, ob sein
jemand eine kriminelle die Tat, -en , Tun
Sache gemacht hat
der R“chter, - , Person,
die eine öffentliche Position
beim Staat hat; sie spricht
z. B. Strafen aus oder ent-
scheidet bei einem Streit,
wer recht hat
62  GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE
der Kriminalfall, ¿e 
,  kriminelle Sache, die unter-
sucht werden muss
der R•ckblick, -e 
,  ≈ Erinnerung
verl„ssen ,  hier: hinausgehen
aus
gegen ,  hier: ungefähr um
sauer ,  hier: m ärgerlich
der Straßenrand, ¿er 
,  äußerer Teil der Straße
bem¡rken ,  hier: sehen
tödlich ,  so, dass man
sterben muss
das Verbr¡chen, - , kriminelle
Sache; kriminelles Tun
verschw¢nden ,  Part. II von:
verschwinden = hier: weg sein
und nicht zurückkommen
trauern ¢m ,  sehr traurig sein,
weil jemand gestorben ist
der Nachrichtentechniker, – 
,  Techniker für den Sektor
Telekommunikation
das Verlies, -e , dunkler
Raum unter der Erde
das Hochbett, -en , Bett
auf einer hohen Konstruktion,
sodass man nah unter der
Zimmerdecke liegt
das W„schbecken, – 
,  ≈ Gegenstand im Bad oder in
der Küche, in dem man sich die
Hände wäscht
sch„llisoliert ,  hier: so, dass
Laute außerhalb des Raums
nicht zu hören sind
verschl¶ssen , geschlossen
die Sklavin, -nen ,  Frau, die
nicht frei ist, sondern einer
anderen Person gehört und für
sie arbeiten muss
missh„ndeln ,  hier: ≈ jeman-
dem wehtun
der Entführer, - ,  Person, die
einen Menschen gegen seinen
Wunsch an einen Ort bringt
saugen ,  mit einem
elektrischen Gerät Schmutz
wegmachen
¢m sein Leben r¡nnen , so
schnell wie möglich laufen, um
nicht totgemacht zu werden
die Fl¢cht, -en  arbeitslose Nachrichtentechniker Wolfgang
,  das Weglaufen
M > MITTEL b > AUDIO
„Ich bin Natascha
Kampusch“
Im März 1998 ist eine Zehnjährige in Wien auf dem Weg
zur Schule – dort wird sie aber nie ankommen. Vor
zehn Jahren steht sie, inzwischen eine junge Frau, plötzlich
in einem Garten. Was ist passiert?
D
ie junge Frau sagt nur vier Worte.
Aber dieser Satz ist eine Sensation:
„Ich bin Natascha Kampusch.“ Es ist
Mittwoch, der 23. August 2006. Einer
der schlimmsten Kriminalfälle Österreichs ist
zu Ende.
Rückblick. Am 2. März 1998 verlässt Nata-
scha gegen sieben Uhr morgens ihre Wohnung
in Wien-Donaustadt. Die Zehnjährige ist sauer,
gerade noch hat sie mit ihrer Mutter gestritten.
Nur ein paar Hundert Meter sind es bis zur
Schule. Sie ist schon mehr als die Hälfte des We-
ges gegangen, als sie den weißen Lieferwagen
am Straßenrand bemerkt. Natascha überlegt:
Sollte sie besser die Straßenseite wechseln?
Aber da ist es schon zu spät. Ein Mann öffnet
die Tür, zieht das Mädchen zu sich ins Auto.
Eine andere Schülerin sieht noch, wie der Wa-
gen wegfährt. Dann ist sie nicht mehr da.
Als die Zehnjährige am Nachmittag nicht
nach Hause kommt, informieren die Eltern
die Polizei. Es beginnt die größte Suchaktion
der österreichischen Geschichte. Die Polizei
sucht mit Hunden, Helikoptern, Infrarotka-
meras. Schon bald vermuten die Beamten ein
tödliches Verbrechen. 700 Besitzer weißer
Lieferwagen werden kontrolliert. Ohne Erfolg
– das Mädchen wird mehr als acht Jahre lang
verschwunden bleiben.
Während die Polizei nach ihr sucht, die Me-
dien über sie berichten und ihre Eltern um sie
trauern, ist Natascha in dem Örtchen Strasshof,
rund 20 Kilometer von Wien entfernt. In einem
Einfamilienhaus mit großem Garten hat der
Přiklopil unter der Garage ein Verlies gebaut:
einen nicht ganz sechs Quadratmeter gro-
ßen Raum mit Hochbett, Tisch, Plastiksessel,
Waschbecken, Toilette und Fernseher. Ein 50
  AUGUST 2016  Deutsch perfekt
mal 50 Zentimeter großes Loch führt in den
Raum ohne Fenster. Der Eingang ist mit einer
schallisolierten Tür verschlossen. In diesem
Raum wird das Mädchen die nächsten Jahre
verbringen.
Přiklopil hat sein Verbrechen bis ins Detail
geplant. Er macht die Zehnjährige zu seiner
Sklavin. Immer wieder misshandelt er sie –
auch sexuell. Das Verlies unter der Garage darf
sie jahrelang nicht verlassen. Zu anderen Men-
schen hat Přiklopil nur wenig Kontakt. Seine
Mutter kommt jede Woche zum Putzen ins
Haus. Während der Suche kontrollieren Po-
lizeibeamte auch ihn – wegen seines weißen
Lieferwagens. Die Beamten besuchen ihn zu
Hause. Přiklopil sagt, dass er den Lieferwagen
für Renovierungsarbeiten braucht. Die Polizis-
ten glauben ihm. Niemand merkt etwas.
Mit der Zeit wird Přiklopil weniger vorsich-
tig. Immer öfter darf Natascha ins Haus und in
den Garten, wo sie ihm bei der Arbeit helfen
muss. Er nimmt sie zum Einkaufen mit und
einmal auch zu einem Skiausflug. Am Ende lebt
sie bei ihrem Entführer oben im Haus.
Am 23. August 2006 muss die inzwischen
18-Jährige in der Garage Přiklopils Auto putzen.
Als sie gerade die Sitzbank saugt, klingelt sein
Mobiltelefon. Weil der Staubsauger so laut ist,
geht er zum Telefonieren nach draußen. Nicht
mehr als vier Minuten dauert das Gespräch.
Als er zurückkommt, ist Natascha Kampusch
verschwunden.
Die junge Frau rennt um ihr Leben. In einem
Garten in der Nähe klopft sie an ein Fenster.
Eine Frau öffnet ihr und ruft die Polizei. „Ich
bin Natascha Kampusch“, sagt die 18-Jährige.
Foto: action press
Sie ist in Sicherheit.
Wolfgang Přiklopil reagiert sofort auf die
Flucht. Er ruft einen Freund an, fährt mit ihm
Deutsch perfekt  AUGUST 2016
durch Wien. Er erfährt, dass die Polizei auch
sein Auto kennt. Da weiß er, dass seine Flucht
keinen Sinn hat. Am Abend legt er sich in Wien
vor einen Zug. Der 44-Jährige ist sofort tot.
Natascha Kampusch ist ihrem Entführer
entkommen. Aber jetzt beginnt ihre zweite
Flucht: vor der Öffentlichkeit. Ein Team aus
Ärzten, Psychiatern, Juristen und PR-Experten
schützt die stark traumatisierte junge Frau vor
der Öffentlichkeit. Medien in der ganzen Welt
berichten über sie – und bieten viel Geld für Fo-
tos und Interviews.
Natascha Kampusch kämpft nicht nur um
ihr neues Leben. Sie kämpft auch um ihr Bild
in der Öffentlichkeit und um ihre Privatsphä-
re. Mehrere Wochen nach ihrer Flucht gibt sie
erste Interviews, auch im Fernsehen. Man sieht
eine beeindruckende junge Frau, die sich sehr
gut ausdrücken kann und trotz ihrer Trauma-
tisierung stark wirkt.
Zwei Jahre nach ihrer Flucht kauft sie das
Haus, in dem sie gefangen war, und das Auto
ihres Entführers. Das Verlies im Keller lässt
sie später zuschütten. Gemeinsam mit einer
GESCHICHTEN AUS DER GESCHICHTE  63
Natascha Kampusch
lebt – im August
2006 berichtet
nicht nur die öster-
reichische, sondern
die Weltpresse.
erfahren ,  hier: eine
Information bekommen
entk¶mmen ,  (mit Erfolg)
weglaufen vor
die Œffentlichkeit ,  hier:
Medien und ihr Publikum
bieten ,  ≈ anbieten
die Privatsphäre ,  ≈ alle
persönlichen/privaten Dinge;
auch: private Daten
beeindruckend ,  hier:
≈ interessant; intelligent
s“ch ausdrücken , sagen,
was man fühlt und denkt
zuschütten ,  (mit Erde) füllen
die Gef„ngenschaft, -en 
,  Situation, dass man in einen
Raum geschlossen ist
s“ch beschæftigen m“t ,  hier:
≈ studieren; untersuchen
der Zweifel, - , Gefühl,
dass etwas nicht wahr oder
richtig sein könnte
zur•ckgezogen ,  hier:
Autorin schreibt sie ein Buch über ihre Ge-
so, dass sie nicht viele Kontakte
fangenschaft. Es heißt 3096 Tage und kommt hat; so, dass sie nicht viel in die
2010 auf den Markt. Drei Jahre später gibt es Öffentlichkeit geht
das Buch auch als Film. s“ch engagieren für , sozial
Bis heute fehlen aber Antworten auf meh- aktiv sein
rere wichtige Fragen: Hat Wolfgang Přiklopil klagen gegen ,  hier:
sich bei einer offiziellen Stelle
das alles wirklich alleine getan? Warum hat die
beschweren, damit es nicht
Polizei so viele Fehler gemacht? War Přiklopils publiziert wird
Tod wirklich ein Suizid? Mehrere Untersu-
chungskommissionen beschäftigen sich über
Jahre mit diesen Fragen – und Zweifel bleiben,
noch immer.
Zehn Jahre nach ihrer spektakulären Flucht
lebt Natascha Kampusch zurückgezogen in
Österreich. Die 28-Jährige engagiert sich für
soziale Projekte. Zu ihren Eltern hat sie kaum
Kontakt. Manchmal gibt sie Interviews in Zeit-
schriften oder im Fernsehen.
Jetzt hat sie ein neues Buch geschrieben, in
dem sie von ihrem Leben in Freiheit erzählt.
Gegen ein anderes Buch hat sie geklagt; es
berichtet über bis jetzt unbekannte, intime
Details der Entführung. Aber die Klage hatte
keinen Erfolg.  Barbara Kerbel
64 KULTURTIPPS   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

M > MITTEL

Ausstellungen
Neue Perspektive
Der deutsche Weltstar Georg Baselitz ist
unbequem – und hat genau deshalb die
Kunst revolutioniert. Jetzt feiern ihn zwei
Museen mit großen Ausstellungen.

Kaum ein Künstler lebt noch, wenn seine Gemälde

¢nbequem ,  hier: so,
für Millionen verkauft werden. Bei Georg Baselitz dass man durch seine Art
ist das anders. Er ist einer der wenigen Maler und anderen Probleme oder
Bildhauer, die weit über die deutschen Grenzen hi- Unruhe macht
naus berühmt sind. Der postmoderne Expressionist das Gemälde, - , Bild,
z. B. in Öl
ist aber nicht nur für seine Kunst bekannt, sondern

1
auch für seine Freude an der verbalen Provokation der B“ldhauer, - , Künst-
ler, der Skulpturen macht
und für seine Thesen, zum Beispiel: Frauen würden
schlechter malen als Männer. Der 78-Jährige ist wie wütend ,  sehr ärgerlich

seine Bilder: oft wütend und irritierend – aber immer irritierend ,  so, dass
etwas nervös oder unsicher
voller Kraft und nie langweilig. macht
Geboren wurde der Künstler 1938, kurz vor Be- Das Frankfurter Städel
v¶ller ,  hier: mit viel Museum zeigt mehr als 70
ginn des Zweiten Weltkrieges, im Dorf Deutsch- Bilder und Arbeiten von
erleben ,  hier: ≈ die
baselitz in der Nähe von Dresden. Als Kind erlebt Georg Baselitz.
Erfahrung machen
Hans-Georg Kern, so sein wirklicher Name, die
die Teilung ,  von: teilen =
Dämonen des Krieges. Nach der Kapitulation und hier: aus einer Nation zwei
Teilung Deutschlands wächst er in der Deutschen machen
Demokratischen Republik (DDR) auf. 1956 beginnt die }nreife ,  von: unreif =
er in Ostberlin sein Studium an der Kunsthochschu- hier: nicht erwachsen
le. Schon in dieser Phase ist er anders als die meisten. die Stilrichtung, -en  Westberliner Galerie ausstellt, werden einige davon
Baselitz mag keine Ideologien und zeigt dies auch ,  spezieller Stil; Trend konfisziert, weil sie unsittliche Dinge zeigen. Zeitun-
mit seinem Aussehen: Seine Haare lässt er lang das Jahrh¢ndert, -e , Zeit gen schreiben über den Skandal – und plötzlich dis-
von 100 Jahren
wachsen. Auch im Sommer trägt er einen schwarzen kutiert die ganze Kunstszene über seine Bilder, vor
Mantel. Nach zwei Semestern muss er wegen „gesell- das W¡rk, -e ,  hier: allem über „Die große Nacht im Eimer“. Das Gemäl-
Produkt eines Künstlers
schaftspolitischer Unreife“ gehen. de zeigt eine masturbierende Figur mit gigantischem
Der 19-Jährige wechselt an die Kunstakademie einige ,  ein paar Phallus. Damals ist das Bild ein Skandal – heute wird
Westberlin. Plötzlich lebt er in einem ganz anderen ¢nsittlich , unmoralisch; es im Museum Ludwig in Köln ausgestellt.
≈ sexuell
politischen System, das demokratisch organisiert Mit 27 Jahren arbeitet Baselitz mit enthusiasti-
ist. Als Künstler fühlt er sich fremd. In der DDR re- die K¢nstszene ,  ≈ alle scher Produktivität an einer monumentalen Serie,
Menschen, die im Sektor
giert der Sozialistische Realismus: eine ideologische Kunst arbeiten die als „Heldenbilder“ bekannt wird. Mit Wunden,
Stilrichtung der Kunst des 20. Jahrhunderts, die eine passiv und in großer Not stehen die Männer auf den
der H¡ld, -en , Mann,
Fotos: Städel Museum; Salzburg Museum

starke Wirklichkeitsnähe ohne Abstraktion versucht. der ohne Angst gefährliche Bildern da: ein extremer Kontrast zur konventionel-
Anders in Westdeutschland: Dort ist abstrakte Kunst Aufgaben löst len Idee von einem Helden. Man sieht Emotionen
populär. die Verl¡tzlichkeit ,  von: zwischen Aggression und Verletzlichkeit. Die Bilder-
Der junge Student ist aber kein abstrakter Künst- verletzlich = leicht zu serie wird zu einem zentralen Werk der deutschen
verletzen
ler, sein expressiver Figurenrealismus wird im Wes- Kunst der 60er-Jahre.
s“ch beschæftigen m“t 
ten wie eine Provokation gesehen. In Erinnerung Baselitz’ Arbeiten haben viele Facetten. Er malt
,  hier: als Thema nehmen
an seine alte Heimat gibt er sich 1961 den Namen expressive erotische Motive, später beschäftigt er
Georg Baselitz. Als er 1963 seine Werke in einer sich mit vielen unterschiedlichen Stilrichtungen
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 KULTURTIPPS  65

2
der Fl•chtling, -e , Per-
son, die aus religiösen,
politischen oder ethnischen
Gründen aus ihrer Heimat
weggegangen ist / wegge-
hen musste
der R¶llstuhl, ¿e , Stuhl
auf Reifen für Menschen,
die nicht gehen können
das Zuhause , Wohnung;
Haus
die W•rde ,  ≈ persönliche
Qualität, die man als
Mensch hat und die andere
akzeptieren und tolerieren
sollen
die F¶lge, -n ,  hier:
Konsequenz
die Ges¡llschaft, -en  Spaziergang an der West-Side-
,  hier: Organisation
Fotos für den Frieden
Mit Fotos und Texten appelliert
die Ausstellung „War on Wall“
direkt auf der früheren Berliner
Mauer an den Frieden. Der Foto-
journalist Kai Wiedenhöfer hat
ein Jahr lang syrische Flüchtlinge
fotografiert. Sie sitzen heute
im Rollstuhl, es fehlen ihnen
Arme oder Beine, viele haben
Angehörige verloren – und fast
alle ihr Zuhause. Aber aus den
Augen der körperlich und seelisch
verletzten Männer, Frauen und
Kinder spricht auch Würde, Kraft
und Stolz. Wiedenhöfers Fotos
und Bilder aus der syrischen Stadt
Kobane lassen die Folgen moder-
ner Kriege erkennen. Bei einem
Gallery ist diese Ausstellung der
Gesellschaft für Humanistische
Fotografie bis 25.9. Tag und Nacht
gratis zu sehen.

der Schauplatz, ¿e , Ort Salzburgs Geschichte

(meistens historisch),
an dem etwas Spezielles Seit dem Jahr 1816 ist Salzburg
passiert ist österreichisch. Immer wieder
war die Stadt Schauplatz von
das W¡ltkulturerbe  Kriegen, immer wieder hat sich
,  Gebäude und Städte
dort etwas geändert. Seine inter-
in aller Welt, die man für
essante Geschichte hat Salzburg
die Menschen in Zukunft
zum UNESCO-Weltkulturerbe
schützen soll
gemacht. „200 Jahre Salzburg bei

aufhängen ,  an die Wand
hängen
verkehrt her¢m ,  hier:
z. B. so, dass der Kopf eines
Menschen unten ist
übermalen ,  hier: so viel
Farbe darübermalen, dass
man das Bild darunter nicht
mehr sehen kann
die S¶nderausstellung, -en 
,  ≈ Extraausstellung;
Spezialausstellung
z¢m Teil ,  hier: nicht alle,
aber manche
3
die Sch„tzkammer, -n  Österreich“ ist eine Reise durch
,  Raum mit Gegenstän- die Kunst- und Kulturgeschichte
den, die viel wert sind (z. B. der letzten 200 Jahre (salzburg-
Gold und Silber) museum.at, bis 30.10.). Die Aus-
die K¶stbarkeit, -en  stellung besteht aus drei Teilen:
,  Gegenstand, der viel „Schatzkammer Salzburg“ zeigt
und integriert diese in seine Werke. Typisch für ihn wert ist Kostbarkeiten aus europäischen
Museen, die früher in Salzburg
sind Figuren, die grotesk sind und provozieren. Die die Sagenwelt, -en  zu Hause waren. In „Erzähl mir
Formen und intensiven Farben sind nicht real. ,  ≈ alle alten Erzählungen
Salzburg“ kann man Geschichten
eines Volkes
Seit 1969 hängt Baselitz seine Bilder verkehrt aus der Sagenwelt, Literatur, Mu-
sik und Politik hören. Im dritten
herum auf: Das wird typisch für ihn. 1979/80 macht
Teil, „Am Schauplatz“, machen es
er seine erste Holzskulptur. 2005 beginnt er, frühere Videoanimationen von Fotogra-
Werke mit Schwarz zu übermalen. fen möglich, historische Orte zu
besuchen.
Bis zum 15. August zeigt eine Sonderausstellung
im Schloss der Stadt Dachau bei München mehr als
200 Werke aus den letzten 20 Jahren. Sie sind zum
Teil mehr als zwei Meter groß – und man konnte sie
bis jetzt nur selten sehen. Aber das ist nicht die ein-
zige Baselitz-Ausstellung in diesem Sommer: Rund
70 Gemälde und Arbeiten auf Papier zeigt bis zum
23. Oktober das Frankfurter Städel Museum. Als
spezielles Highlight sind dort, 50 Jahre nach ihrer
Geburt, auch die „Helden“ ausgestellt. Auf der Mu-
seums-Website (www.staedelmuseum.de) gibt es
interessante Texte, Audiosequenzen und viele Bilder
von und über Baselitz. Andrea Bischhoff
   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

4
66 KULTURTIPPS

M > MITTEL
Winfried (Peter Simonischek)
will in Ines’ (Sandra Hüller)
Leben eine Rolle spielen –
wenn es sein muss, als Toni
Kino Erdmann.

Angst vor der dunklen Wolke zu kæmpfen haben m“t 

,  hier: Probleme haben
Die Neutralität ihres Landes ist für viele
mit
Schweizer sehr wichtig. In Heimatland (ab
28.7.) sieht man über der Schweiz aber die Unternehmensbera-
plötzlich eine gigantische, dunkle Wolke. Die terin, -nen ,  Frau, die
Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf beruflich Firmen berät
die wahrscheinliche Apokalypse: Ein paar kau- der Sch¡rzartikel, - 
fen die Supermärkte leer, andere verstecken ,  kleiner Gegenstand, mit
sich, manche bewaffnen sich, wieder andere dem man Aktionen zum
feiern. Viele sehen nur eine einzige Möglich- Spaß machen kann
keit: schnell ins Ausland – in die Europäische
Union. Der Thriller ist eine Arbeit zehn junger gen¡rvt sein , ärgerlich
sein; hier auch: sich gestört
Schweizer Regisseure, über die sicher noch
fühlen
lange diskutiert werden wird. Denn was
passiert in den Köpfen der Schweizer, wenn s“ch verkleiden , ein
ihr schlimmster Albtraum wahr wird: vom Kostüm anziehen
Ausland abhängig zu sein?
die Per•cke, -n , falsches
Haar
leerkaufen ,  so viel der Regisseur, -e franz.  mutig ,  ohne Angst

6
kaufen, dass nichts mehr ,  Leiter, der Schauspielern
da ist Instruktionen gibt peinlich , unangenehm

s“ch verst¡cken , an
einen geheimen Ort gehen
der [lbtraum, ¿e 
,  Träumen von schlimmen
Ereignissen
Vater und Tochter vor anderen
s“ch näherkommen 
,  besser bekannt werden;
s“ch bew„ffnen , Waffen Die Komödie Toni Erdmann beginnt mit einem hier: sich besser verstehen
kaufen wahr ,  hier: real; wirklich
(die W„ffe, -n ,  z. B.
traurigen Vater, der ganz allein ist – und endet mit der Preis, -e ,  hier: Geld
oder Gegenstand, das/den
Pistole, Messer …) einer extravaganten Party.

5
Was ist geblieben?
1988 fliegt die 20-jährige Finnin Kirsi Marie
Liimatainen in die Deutsche Demokratische
Republik und studiert an der internationalen
Jugendhochschule die Theorien von Marx
und Lenin. Die Studenten kommen aus mehr
als 80 Ländern und träumen von einer besse-
ren Welt. Aber der real existierende Sozialis-
mus macht sie unsicher, ob Theorie und Praxis
zusammenpassen. Im Sommer 1989 endet
ihr Studienjahr – wenige Monate danach ist
die Berliner Mauer weg. 25 Jahre später sucht
Liimatainen ihre Studienfreunde in verschie-
denen Ländern. Für ihren Film Comrade, where
are you today? (ab 18.8.) will sie wissen, was von
den Idealen der Revolution geblieben ist.
die Jugendhochschule, -n  (der Verb„ndsfunktio-
, ≈ hier: Institution, in när, -e ,  Mitglied einer
der Deutschen Demo- Organisation mit wichtiger
kratischen Republik zur Funktion)
Ausbildung von Verbands-
existieren ,  da sein
funktionären
ein Gewinner bekommt
den W„ld vor lauter
Außer seinem alten Hund hat der Musiklehrer Winfried (Peter Bäumen (n“cht sehen) 
Simonischek) keinen Freund. Der 65-Jährige trägt das typische
,  ≈ durch eine zu starke
Konzentration auf Details
emotionale und neurotische Gepäck, mit dem viele Menschen das Ganze nicht erkennen
seines Alters zu kämpfen haben. Seine Tochter Ines (Sandra Hül- (lauter ,  m nichts als;
ler) ist ganz anders: Sie will als Unternehmensberaterin Karriere viele)
machen und reist um die Welt, von einem Projekt zum nächsten. der Generationen­
konflikt, -e 
Für ihren Vater interessiert sie sich nicht. ,  Konflikt zwischen Eltern
Als Winfrieds Hund stirbt, überrascht er seine Tochter mit und Kindern
einem Besuch in Bukarest, wo sie für eine deutsche Firma arbei- die Auswirkung, -en 
tet. Winfrieds großes Hobby sind Scherzartikel. Ines ist genervt: , Effekt
von den Anekdoten ihres Vater und von seiner Kritik an ihrem
konservativen Leben. Die Tochter will, dass er zurück nach Hau-
se fährt. Aber Winfried verkleidet sich – und steht wieder vor
ihrer Tür. Sein zweites Ich nennt er Toni Erdmann und sagt Ines’
Kollegen, dass er der Personal Coach vom Chef ist. Mit künstli-
chen Zähnen, lustiger Perücke und im Anzug ist Toni Erdmann
viel mutiger als Winfried und bringt die ambitionierte Ines in
ihrer Businesswelt in peinliche Situationen. Jeden Tag streiten
sich Vater und Tochter – und denken dadurch natürlich viel über
Fotos: Ilanga Films; Toni Erdmann Film; anjazwei.de

den anderen nach. Mit dem Effekt, dass die beiden sich langsam
wieder näherkommen.
In Cannes feierte der Film seine Weltpremiere, die Kritiker im
Publikum waren enthusiastisch. Toni Erdmann gewann den Preis
als bester Film und wurde sofort in 55 Länder verkauft. Nach Der
Wald vor lauter Bäumen (2003) und Alle anderen (2009) ist dies der
dritte Film der 39-jährigen Maren Ade. Die Komödie – seit 14.
Juli im Kino zu sehen – ist auch ein Drama um Generationen-
konflikte und die Auswirkungen der globalisierten Wirtschaft
auf die individuelle Zufriedenheit.
Deutsch perfekt  AUGUST 2016 KULTURTIPPS  67

Buch
Berliner Mythen
Einer der besten deutschen Comiczeichner
erzählt kuriose und lustige Geschichten aus
der Hauptstadt.

Wer weiß am meisten über eine

Stadt? Journalisten? Politiker?
Touristenführer? Die richtige
Antwort: Taxifahrer. Das findet
der Comiczeichner Reinhard
Kleist. Und deshalb ist es logisch,
dass der Taxifahrer Ozan durch
die Comicanthologie Berliner
Mythen führt. Sie zeigt, warum
Kleist schon viele wichtige Preise gewonnen hat
und einer der besten Comiczeichner Deutschlands
ist. Der 46-Jährige kombiniert Geschichte, Legen-
den, Anekdoten, Fantasie – und Humor. So erzählt
die Figur Ozan zwei Fahrgästen von David Bowies
und Iggy Pops Zeit und Inspiration in der Metropo-
le. Oder von dem Raub im Luxuskaufhaus KaDeWe
im Januar 2009, über den viele Medien berichtet
haben. Auch weniger bekannte Kapitel aus Berlins
Geschichte haben ihren Platz in der Anthologie. Am
Anfang jedes Comics gibt es eine kurze Zusammen-
fassung des Inhalts. Das hilft beim Verstehen – und
macht Lust aufs Weiterlesen. So beginnt der Text
über den Hauptstadtflughafen, der seit Jahren nicht
fertig wird, mit den Worten: „Zum neuen Haupt-
stadtflughafen BER möchte man als Berliner eigent-

7
lich nichts sagen, das ist echt zu peinlich.“
Ein anderes Buch von Kleist aus dem letzten Jahr
ist heute immer noch sehr aktuell: Der Traum von
Olympia erzählt die reale Geschichte der Sportlerin
Samia Yusuf Omar aus Somalia. Um an den Olympi-
schen Spielen in London teilzunehmen, flüchtet sie
über das Mittelmeer in Richtung Europa. Ihre Rei-
se endet tragisch. Für den Comic hat Kleist viel mit
Samias Schwester und ihren Freunden gesprochen.
Die Texte in beiden Büchern sind meistens ziemlich
schwer, aber die Bilder helfen beim Verstehen.

der Preis, -e ,  hier: Geld oder das Kap“tel  ,  hier: Zeit
Gegenstand, das/den ein Gewinner
¡cht ,  hier:  m wirklich
bekommt
peinlich ,  unangenehm vor
der Fahrgast, ¿e ,  Passagier in
anderen
Bus, Bahn oder Straßenbahn
der Traum, ¿e ,  von: träumen
der Raub ,  von: rauben ≈ plötzlich
kommen und Geld oder Dinge fl•chten ,  hier: aus politischen
wegnehmen Gründen aus der Heimat weggehen
WIE GEHT ES EIGENTLICH DEM...
Lotto?
Die Deutschen und ihr Lotto: eine alte Beziehung,
viel älter als die Bundesrepublik. Der Traum vieler
Menschen von den plötzlichen Millionen finanziert
bis heute wichtige gesellschaftliche Projekte. Aber die
Symbiose ist nicht mehr so eng wie früher. Ist das das
langsame Ende einer alten Liebe?
S
elbst kurz vor seinem Tod hatte
Gotthold Ephraim Lessing nichts
Besseres zu tun, als Lotto zu spie-
len. Noch im Sterbebett liegend, wenige
Foto: picture alliance/dpa
Stunden vor dem Ende seines Lebens im
Februar 1781, diktierte er seinem Freund
Alexander Daveson dafür Nummern.
Die 52 war dabei, denn dieses Alter hatte
er jetzt erreicht und mit dieser Ziffer hoff-
Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Eine Übung zu
diesem Text finden
Sie auf Seite 45.
S > SCHWER
te er zu gewinnen. Der größte deutsche
Dichter der Aufklärung war ein Spieler.
Ihn hatte das erste große Lottofieber ge-
packt, wie so viele Bürger und Intellektu-
elle zur damaligen Zeit.
Nicht lange nach Lessings Tod ver-
schwand die Lotterie wieder aus dem öf-
fentlichen Leben der Deutschen. Ab 1800
blieb Lotto nördlich des Mains für 150
Jahre verboten, „zum Schutze des Volkes
vor großen finanziellen Verlusten“.
Lotto und die Deutschen, das ist eine
lange Beziehung. Mit dem Wiederaufbau
der Bundesrepublik nach 1945 legten sei-
ne Erfinder auch die Basis für das System
Lotto, wie man es heute kennt: 6 aus 49,
die rosé-orangefarbenen Tippscheine
und die Rubbellose, mit dem Zauber der
plötzlichen Million. Ein System, mit dem
die Bundesländer seit den 50er-Jahren
sehr viel Geld verdienen. Geld, das in der
Nachkriegszeit sonst gefehlt hätte. Vor al-
lem für die Veranstalter ist Lotto nämlich
ein sehr lohnendes Geschäft: Die Hälfte
der Einsätze bleibt bei ihnen. Jedes Bun-
desland hat eine eigene Lottogesellschaft
mit eigener Verwaltung, eigenen Preisen
und Regeln für die Verwendung der Spiel­
einsätze.
Diese Länder-Lotto-Symbiose hat das
gesellschaftliche Leben geprägt. Die Lot-
tomilliarden haben Sportvereine, Muse-
en und Kulturstiftungen unterstützt.
Sie haben Altenheime, Krankenhäuser
und Wohlfahrtsvereine ausgestattet. „In
West- und Süddeutschland finden Sie
kaum ein Denkmalschutzprojekt, in dem
keine Lottogelder stecken“, sagt Martin
Stadelmaier, Leiter des Berliner Büros
des Deutschen Lotto- und Totoblocks
(DLTB).
Spielgeld soll Gutes tun, das ist einer
der zentralen Gedanken des staatlichen
Lottomonopols: Bis auf wenige Ausnah-
men darf nur der Staat Lotterien ver-
anstalten; dafür verspricht er, mit dem
zusätzlichen Geld das Gemeinwohl zu
fördern. Lotto ist so etwas wie eine Steuer
auf den Traum vom Millionärsleben.
Aber so gut wie früher funktioniert es
heute nicht mehr. Die Beziehung zwi-
schen Bürger und Staatslotto ist gestört
durch Spielhallen und Spielautomaten.
Deren Umsätze haben sich innerhalb
von zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Private Anbieter haben dem Lotto-Un-
ternehmen Oddset das Geschäft mit den
Sportwetten gestohlen. Online-Rou-
lettetische, virtuelle Pokerrunden und
einarmige Banditen auf Smartphones
spielen heute eine wichtige Rolle in dem
Geschäft. Außerdem sind es private Ver-
mittler, die aus dem Ausland Wetten auf
deutsche Lottozahlen anbieten – soge-
nannte Zweitlotterien, mit den gleichen
Zahlen und Jackpots zu besseren Preisen.
Das meiste davon ist illegal.
17,6 Millionen Menschen haben in
Deutschland im letzten Jahr pro Woche
an staatlichen Lotterien teilgenommen.
Das beliebteste Spiel bleibt der Klassiker
„6 aus 49“: 22,7 Prozent der Befragten ha-
ben in den letzten 12 Monaten mindes-
tens einmal getippt. Männer spielen viel
häufiger als Frauen.
Fast 7,3 Milliarden Euro haben die
Deutschen im letzten Jahr für 6 aus 49,
Glücksspirale oder Super 6 ausgegeben,
etwa 90 Euro pro Person. Zwei große
Jack­pots stärkten die Einnahmen. Denn
wenn mehr Geld im Topf liegt, fangen
mehr Menschen an zu spielen. Vor zehn
Jahren aber, als die Lottowelt noch fast
ungestört war und die Menschen sich
erst langsam ans Glücksspiel im Internet
gewöhnten, lagen die Umsätze im DLTB
noch um mehr als zehn Prozent höher.
6 aus 49 hat seit 2005 mehr als 20 Prozent
seiner Einsätze verloren. Wenn man alles
zusammenzählt, auch Fernsehlotterien,
Gewinnsparen und die Einnahmen der
staatlichen Spielbanken, haben die Län-
der in dieser Dekade etwa 17 Milliarden
Euro verloren. Geld, das jetzt in Turnver-
einen und Museen fehlt.
Wie passend, dass selbst die Lotto-
fee nur noch eine historische Figur ist.
Viele erinnern sich noch gut an Karin
Tietze-Ludwig, die den Deutschen 31
Jahre lang das Glück in die Wohnzimmer
brachte. Aber die Zeit, zu der die weißen
Kugeln in der Trommel fielen und die
Menschen mit feuchten Fingern vor dem
Fernseher saßen, ist seit 2013 endgültig
vorbei. Im ZDF werden die Lottozahlen
nur noch kurz gezeigt, in der ARD darf
WIE GEHT ES EIGENTLICH …?  69
Dies ist eine einfachere Version eines Textes aus
der Süddeutschen Zeitung.
die Aufklärung ,  hier:
Epoche zwischen 1600
und 1800 in Europa, in der
rationales Denken und Tun
zum Ideal wurde
das L¶ttofieber 
,  ≈ krankhafter Wunsch,
Lotto zu spielen
p„cken ,  hier: bekommen
verschw“nden ,  hier:
nicht mehr da sein
der Wiederaufbau ,  von:
wiederaufbauen = hier:
ein vom Krieg zerstörtes
Land wieder in einen guten
Zustand bringen
der T“ppschein, -e 
, Lottoschein
(t“ppen ,  hier: Ziffern
raten)
das R¢bbellos, -e  von mehreren Phasen beim
,  ≈ Lotterielos, bei dem
man ein spezielles Papier
wegmachen muss, das über
den Ziffern ist
(das Lotterielos, -e 
,  kleiner Zettel mit Zahlen,
mit dem man an einer Lotte-
rie teilnehmen kann)
der Zauber , Magie
der Einsatz, ¿e ,  hier:
Betrag, den man fürs
Lottospiel ausgibt
die L¶ttogesellschaft, -en 
,  offizielle Institution, die
Lotterien veranstaltet
prägen ,  hier: formen;
organisieren
die Kulturstiftung, -en 
,  Verein mit dem Ziel,
Kunst und Kultur zu
unterstützen
der Wohlfahrtsverein, -e 
,  Organisation, die Men-
schen in sozialer Not hilft
ausstatten ,  hier: alles
geben, was sie brauchen
st¡cken ,  hier: sein
der Deutsche L¶tto- ¢nd
Totoblock , Organisation
aller deutschen Lotteriege-
sellschaften zur Veranstal-
tung von Glücksspielen
(das Gl•cksspiel , Spiel,
bei dem sich zufällig ent-
scheidet, ob man gewinnt
oder verliert)
(das Toto, -s , Glücks-
spiel, bei dem man eine
Prognose macht, wer bei
einen sportlichen Kampf
gewinnt)
b“s auf ,  hier: außer
zusätzlich ,  hier: so, dass
es noch dazu kommt
das Gemeinwohl , Zu-
friedenheit und positive
Entwicklung aller Mitglieder
einer Gesellschaft
fœrdern ,  hier: finanziell
helfen, damit sich etwas
entwickelt
der }msatz, ¿e , Summe
aller Verkäufe in einer
speziellen Zeit
das Unternehmen, -en 
, Firma
die Sp¶rtwette, -n , ≈
Zahlung für eine Prognose,
wer bei einem sportlichen
Kampf gewinnt
die Pokerrunde, -n , eine
Pokerspiel
der einarmige Bandit, -en 
,  mechanischer oder
elektronischer Glücks-
spielautomat
der Verm“ttler, - ,  hier:
Firma
die Einnahme, -n , Geld,
das man bekommt
das Gew“nnsparen 
,  Kombination aus dem
Sparen von Geld bei einer
Bank und der regelmäßigen
Teilnahme an einer Lotterie
die Spielbank, -en , Ka-
sino
der T¢rnverein, -e 
, Sportverein
die L¶ttofee, -n 
,  m Frau, die im Fern-­
sehen die Ziehung der
Lottozahlen ansagt
(die Ziehung, -en ,  von:
ziehen = hier: zufällig
entscheiden)
die Kugel, -n ,  kleiner Ball
die Tr¶mmel, -n , Rhyth-
musinstrument, auf das
man schlägt; hier: großer,
sich drehender Ball, durch
den man durchsehen kann
das ZDF ,  kurz für: Zwei-
tes Deutsches Fernsehen
die ARD ,  kurz für:
Arbeitsgemeinschaft der
öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten der Bun-
desrepublik Deutschland
= Gruppe von Radio- und
Fernsehsendern
70  WIE GEHT ES EIGENTLICH …?   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

die P¢tzkraft, ¿e ,  Person, die durch

sie Franziska Reichenbacher samstags Solche Gesetzesänderungen passieren immer nur
Putzen Geld verdient
wenigstens noch vortragen. Nur im In- dann, wenn der Staat zu ihnen gezwungen wird. Zum
das Trägermaterial ,  ≈ Gegenstand, der
ternet gibt es die Ziehung noch live. Beispiel vom Verfassungsgericht. Vor zehn Jahren ur- etwas transportiert
Der Zauber des Zufalls ist deshalb so teilte es, das damals geltende Wettmonopol sei ille-
sozial definiert ,  hier: abhängig von der
interessant, weil man kein Spezialwissen gal. Der Staat hatte die Wahl: Entweder liberalisiert er gesellschaftlichen Gruppe
braucht, um Lottomillionär zu werden. Veranstaltung und Vertrieb von Sportwetten, oder er der Gen¢ss, ¿e ,  hier: schöne Erfahrung;
Bei Sport- oder Pferdewetten, Roulette bleibt beim Monopol – dann aber mit einer juristisch ≈ Freude
oder Poker helfen Kenntnisse, um das sehr guten Begründung. Damit das Monopol auch in der gl•cksspielrechtliche Rahmen 
Glück zu beeinflussen. Beim Lotto aber Zukunft bestehen kann, müsste der Staat die Wer- ,  ≈ Glücksspielgesetze
können selbst die klügsten Statistiker bung für Glücksspiele stark reduzieren und die Spiel- motiviert sein aus ,  gemacht werden
ihre Chancen nur minimal erhöhen: eins sucht intensiver bekämpfen, urteilte das Gericht. wegen
zu 140 Millionen, dabei bleibt es, ein Jack- Weil sie keine Konkurrenz um das Lottogeld ak- stets , immer
pot ist seltener, als dass jemand vom Blitz zeptieren, schrieben die Länder ein neues Gesetz. der Bed„rf ,  alles, was nötig ist
getroffen wird. Das definiert den Schutz der Bürger vor Sucht als generieren ,  hier: schaffen
Typisch für das Lotto ist das Verspre- Ziel. So muss heute jedes Lotto-Werbeplakat geneh-
das Verf„ssungsgericht ,  Gericht in
chen, dass auch jene Menschen gewinnen migt werden. „Der Kardinalfehler war damals, harm- Deutschland, das bei einem Streit über die
können, die nicht mit den besten Voraus- lose Lotterien ohne Not auch unter das Paradigma Verfassung entscheidet
setzungen ins Leben starteten. Vor den der Suchtprävention zu stellen“, sagt Magnus von (die Verf„ssung, -en ,  schriftliche Form
für die politischen und rechtlichen Grundre-
Lottozahlen sind alle gleich. Es spielen Zitzewitz, Vorstand von Lotto 24, einem der letzten
geln in einem Staat)
Professoren und Arbeitslose, Handwer- privaten Lotterievermittler in Deutschland. „Gleich-
der Vertrieb , Verkauf
ker und Beamte, Manager und Putzkräfte. zeitig hat der Bund die Regeln für Automatenspiele
die Spielsucht ,  ≈ krankhafter Wunsch,
„Das Los ist nicht nur ein Stück Papier“, gelockert, das gemäß Suchtstatistiken gefährlichste
um Geld zu spielen
schreibt der Soziologe Mark Lutter, „es Spiel. Das passt offensichtlich nicht zusammen.“
die Konkurr¡nz ,  hier: andere Firmen, die
wird zum Trägermaterial sozial definier- Die Konsequenz war ein Internetverbot aller auch Glücksspiele anbieten
ter Traumvorstellungen." Für Spieler ist Glücksspiele, zu einer Zeit, in der die ersten Smart-
der Kardinalfehler, - ,  schwerer, schlim-
es ein Genuss. phones verkauft wurden. Lotto im Internet war bis mer Fehler
Hinter diesem Genuss wird viel ge- 2012 fast vier Jahre lang verboten. Also spielten die h„rmlos , ungefährlich
kämpft, aber das erfährt nur selten je- Menschen einfach woanders, steckten ihr Geld in
ohne Not ,  ohne notwendig zu sein
mand. Glücksspielmilliarden sind auch Spielautomaten statt in soziale Projekte.
die S¢chtprävention ,  hier: Informa-
für private Firmen interessant, wenn Während Tippscheine unmodern werden, erholt
tionen, um zu verhindern, dass jemand
auch etwas anders als für den Spieler. Der sich der Onlineverkauf nur langsam. Der Blick ins Spielsucht bekommt
Veranstalter gewinnt immer. Heute und Ausland zeigt, wie viel die Bundesländer verpassen: st¡llen ¢nter ,  hier: ≈ zeigen als
in Zukunft bemühen sich In Frankreich, Italien oder Großbri-
der Vorstand, ¿e ,  hier: Mitglied der
die Länder, ihr Monopol Die Geschichte der tannien steigen die Lottoeinnah- Gruppe, die eine Organisation leitet
mit Gesetzen und vor Ge- bundesdeutschen Lot- men seit Jahren fast kontinuierlich. der B¢nd ,  hier: Staat
richten vor diesen Firmen terien kann man nur In Deutschland haben die Gesell-
l¶ckern ,  hier: einfacher machen
zu schützen. schaften 2013 die Preise für 6 aus 49
verstehen, wenn man gemäß , laut
Die Geschichte der erhöht. Sie haben den Eurojackpot
weiß, wie heilig das ¶ffensichtlich ,  wie man deutlich erkennt
bundesdeutschen Lotte- erfunden, das hat den Umsatz we-
Lottomonopol ist.
rien kann man nur verste- nigstens stabilisiert. kontinuierlich ,  hier: so, dass etwas im
immer gleichen Rhythmus stattfindet
hen, wenn man weiß, wie Aber es täuscht nicht darüber hin-
heilig das Lottomonopol ist. Jedes Jahr weg, dass die Lotto-Liebe der Deutschen schwächer n“cht darüber hinw¡gtäuschen , nicht
schaffen, dass man etwas nicht merkt
zahlt der Lottoblock etwa 2,8 Milliarden wird. Nur wenn der Jackpot voll ist, packt sie das Lot-
die Verlobte, -n ,  von: sich verloben = sich
Euro an den Staat. 16,6 Prozent bekom- tofieber wie zu Zeiten Lessings. Der Schriftsteller be-
versprechen, dass man sich heiraten wird
men die Bundesländer, 20 bis 22 Prozent nutzte nicht nur in seinen Werken Glücksspiele als
wahrlich , wirklich
werden zu Fördergeldern für Sport, Kul- Motiv. Er wettete auch auf sein privates Liebesglück.
tur und soziale Organisationen. „Die Än- Mit seiner Verlobten Eva König spielte er Lotto, um schl¡chterdings , überhaupt

derungen am glücksspielrechtlichen Rah- ihrer Ehe eine finanzielle Basis zu geben. Nach einem
men waren stets und vor allem motiviert gemeinsamen Gewinn schrieb er ihr 1771: „Ich kom-
aus dem Bedarf des Staats, zusätzliche me auf unser gemeinsames Projekt, glücklich – wollte
steuerähnliche Mittel zu generieren“, sagt ich sagen, reich zu werden. Wahrlich, Sie sind, sehe
ein früherer Lotto-Chef. Es ist nur leider ich, eine Frau, mit der man schlechterdings nichts
immer weniger Geld. verlieren kann.“ Jan Willmroth
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Alia Begisheva wurde in
Moskau geboren. Heute
lebt die 41-Jährige mit
ihrem kanadischen Mann
und ihren zwei Kindern in
Frankfurt am Main und weiß
viel besser als viele ihrer
deutschen Nachbarn, dass
man Papier und Glas nicht
in dieselbe Mülltonne wirft.
Jeden Monat schreibt sie
diese Kolumne.
Foto: Stephan Sperl
 
Eine Übung zu
diesem Text finden
Sie auf Seite 54.
KOLUMNE –
ALIAS KOSMOS
Deutschwerden für Anfänger
Den deutschen Pass haben – das
ist keine schlechte Idee, findet ein
Bekannter unserer Lieblingsrussin.
Aber bevor es die neue Staatsange-
hörigkeit gibt, muss der Integrati-
onstest bestanden werden. Und der
kann ganz schön schwierig sein.
Seit einiger Zeit schmückt Wer-
bung mit dem Slogan „Warum soll
ich deutsch werden?“ Frankfurter
U-Bahn-Züge. Die Stadt will ihre
Bürger ohne deutschen Pass dazu
motivieren, Deutsche zu werden.
Mein brasilianischer Freund Luiz,
der seit fünf Jahren in Frankfurt lebt,
hat sie erhört. „Warum eigentlich
nicht?“, fragte er rhetorisch zurück.
Zusammen haben wir uns die
Website angeschaut. „Wir stellen
bewusst diese Frage, über die Sie
vielleicht schon selbst nachgedacht
haben“, schreiben dort Doktor Nar-
gess Eskandari-Grünberg und Pro-
fessor Doktor Daniela Birkenfeld
zur Begrüßung. Man könnte zwar
denken, dass das eine Aufforde-
rung ist, Mitglied der Anonymen
Alkoholiker zu werden. Die Frauen
sind aber Frankfurter Politikerin-
nen und werben für die deutsche
Staatsangehörigkeit. Um alle, aber
wirklich alle, zu erreichen, sprechen
sie von „Frankfurterinnen und
Frankfurtern“, von „Bürgerinnen
und Bürgern“ und sogar von „Ein-
wohnerinnen und Einwohnern mit
Migrationshintergrund“.
Die Blüten, die die Political Cor-
rectness in Deutschland treibt, in-
teressierten Luiz weniger. Aber der
Einbürgerungstest interessierte ihn.
Dieser ist nicht nur eine Falle für alle
Brasilianer, sondern auch für die
meisten Deutschen. So muss man
unter anderem aus vier Möglich-
keiten wählen, was am 17. Juni 1953
in der Deutschen Demokratischen
Republik passierte (Streiks und ein
Volksaufstand), Hessens Wappen
S > SCHWER
identifizieren (einen gestreiften Lö-
wen mit sehr langer Zunge) und den
Autor der deutschen Nationalhym-
ne nennen (August Heinrich Hoff-
mann von Fallersleben).
Luiz hatte schon Schwierigkei-
ten mit den deutschen Bundeslän-
dern. Warum gibt es neue und alte?
Und dann musste er sie auch noch
lernen. Ich versuchte es mit einer
Eselsbrücke: Neue Bundesländer
enden zweimal auf „-burg“, enthal-
ten zweimal „Sachsen“, und dann
gibt es noch Thüringen. Luiz war
begeistert: „Baden-Württemberg“,
rief er als ich ihm zum wiederholten
Male die vier Möglichkeiten bei der
Testfrage nannte. „Das endet auf
‚-berg’ und nicht auf ‚-burg’!“, sagte
ich. Und dann musste ich feststel-
len, dass meine Eselsbrücke nicht
perfekt war: Denn es gibt auch bei
den alten Bundesländern eins, das
„Sachsen“ enthält (Niedersachsen!).
So ist das, wenn zwei Ausländer das
Deutschsein üben.
Für die Einbürgerung interes-
sieren sich sogar Bürger der Euro-
päischen Union (EU). Sehr viele in
Deutschland lebende Briten haben
in den letzten Monaten die deutsche
Staatsangehörigkeit beantragt – aus
Angst vor dem Brexit, dem EU-Aus-
tritt Großbritanniens. Mit dem Bre-
xit werden sie wahrscheinlich ihre
Privilegien verlieren, etwa die Mög-
lichkeit, in Deutschland frei arbeiten
zu können. Ich hoffe, sie werden die
Frage nach der Zahl der EU-Mit-
gliedstaaten richtig beantworten
(28 – inklusive Großbritannien).
Luiz hat seinen Test inzwischen
gemacht und wartet auf das Ergeb-
nis. Jetzt lernt er den Text der deut-
schen Nationalhymne. Er hat gehört,
dass die Ausländerbehörde alle neu-
en Bürger zu einer offiziellen Feier
einlädt und sie dabei gemeinsam die
deutsche Hymne singen müssen.
Den Autor kennt er ja schon.
  71
PLUS b > AUDIO
motivieren zu … 
,  machen, dass jemand
Lust bekommt, … zu tun
erhören ,  tun, worum
jemand bittet
bew¢sst ,  hier: gut
überlegt
w¡rben für … ,  hier: zu
erreichen versuchen, dass
Menschen … bekommen
wollen
m“t Migrationshinter-
grund ,  ≈ mit ausländi-
schen (Groß-)Eltern
Blüten treiben , Blüten
(aus einem Baum) wachsen
lassen; hier: eine (seltsame)
Entwicklung zeigen
die Einbürgerung 
,  von: einbürgern = einem
Ausländer, der schon
lange in einem Land lebt, die
Staatsangehörigkeit dieses
Landes geben
die F„lle, -n ,  hier: Sache,
bei der man leicht einen
Fehler macht
der V¶lksaufstand, ¿e 
,  ≈ sehr großer Bürger-
protest
das W„ppen, - 
,  ≈ Emblem
gestreift ,  mit langen,
schmalen Linien
der Löwe, -n , wilde,
große, gelbbraune Katze,
die vor allem in Afrika lebt
die Z¢nge, -n ,  Organ im
Mund für das Schmecken
die Eselsbrücke, -n ,  m
Hilfe, um sich etwas leichter
zu merken, oft in Versform
(der Esel, - ,  graues Tier,
einem Pferd ähnlich)
begeistert sein ,  (es) toll
finden
der Austritt ,  von: austre-
ten aus = hier: erklären,
dass man nicht mehr
Mitglied sein will
die Ausländerbehörde, -n 
,  Amt, wo man z. B. eine
Aufenthaltserlaubnis
bekommt
72 REISETIPPS   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

1
Das Deutsche Eck am Abend.

L > LEICHT
[lles Käse! ,  m Alles
BREGENZERWALD
Unsinn!

Alles Käse! der H„ndwerker, - 

,  Person: Sie arbeitet
beruflich mit Händen und
22 Dörfer liegen im Bregenzerwald – typisch für alle Werkzeugen.
sind ihre alten und neuen Holzhäuser. Architekten „ltmodisch , unmodern
und Handwerker kooperieren dort, im Westen Ös- der Genießer, - ,  hier:
terreichs: Die Orte sollen ihren Charakter behalten, Person: Sie liebt schöne

2
Architektur und/oder gutes
aber nicht altmodisch sein. Das sieht man auch an Essen und gute Getränke.
kleinen Dingen: Wer in Krumbach auf einen Bus
die Sennerei, -en 
wartet, kann sich freuen. Das Bushäuschen hat ein ,  ≈ kleines Geschäft: Dort
modernes Design aus Holz. stellt man aus Milch Butter
und Käse her.
Nicht nur die Architektur ist etwas für Genießer. Der DEUTSCHES ECK
der Kaiser, – , oberster
Bregenzerwald ist bekannt für seinen aromatischen die [lp, -en westösterr., Union in Koblenz Monarch
schweiz. 
Bergkäse. Kleine Sennereien stellen ihn auf der Alp ,  Region auf dem Berg mit
Am Deutschen Eck in Koblenz
der Staat, -en , Land
her, und viele Läden verkaufen ihn. Eine gute Adres- viel Grün für die Tiere wird aus Rhein und Mosel ein
Fluss. An dieser Stelle erinnert der Zweite W¡ltkrieg 
se für Genießer ist der Käsekeller in Lingenau. Dort der Laib, -e , rundes eine Statue an den populären ers- ,  ≈ Streit zwischen vielen
liegen mehr als 32 000 Laibe. Roboter bringen den Stück Käse oder Brot ten deutschen Kaiser. Wilhelm I. Nationen 1939 - 1945
Käse zum Lagern immer wieder an eine andere Stel- der Bauernhof, ¿e  hat viel dafür getan, dass es nicht
le, damit er am Ende gut schmeckt. ,  Ort: Dort wohnt und mehr viele kleine Staaten gibt,
arbeitet eine Familie. Sie sondern die deutsche Nation. Die
Wenn man nicht genug hat vom Käse, kann man auf stellt Lebensmittel her, z. B. 44 Meter hohe Statue von dem
der Käsestraße gehen. An der Route liegen Senne- Kartoffeln und Gemüse, Monarchen ist eine Rekonstruk-
reien, Restaurants und Bauernhöfe mit Läden. Dort und/oder hat Tiere, z. B. tion. Das Original ist im Zweiten
Rinder und Schweine. Weltkrieg kaputtgegangen.
trifft man die Menschen, die vom Käse leben. Öfter
Heute erinnert das Monument an
trifft man aber Rinder. Im Bregenzerwald gibt es eine andere Union: die von West-
nämlich mehr Rinder (35 000) als Menschen (30 000). und Ostdeutschland.

BREGENZERWALD TOURISMUS TOURIST-INFO KOBLENZ

Tel. +43 (0) 55 12 / 23 65 Tel. +49 (0) 26 1 / 1 94 33
www.bregenzerwald.at www.koblenz-touristik.de

OSTSEE der Str„ndkorb, ¿e 

3
Ein Bett am Strand
Er ist typisch für die deutschen
Strände: der Strandkorb. Von mor-
gens bis abends kann man vom
Korb auf den Strand sehen – ohne
zu viel mit Sand, Sonne oder der
,  ≈ großer Stuhl mit einem
Dach aus Korb: Wind und
Sonne können nicht hinein.
(der K¶rb ,  hier: Material
von einem Baum)
der S„nd , gelbbraune,
trockene Substanz (z. B. am
Fotos: gauls DIE FOTOGRAFEN; Bregenzer Wald Tourismus

kalten Meeresluft konfrontiert zu

sein. Ein bisschen spießig ist das
schon, aber trotzdem praktisch.
Jetzt bekommt der Korb noch
eine Funktion. Seit diesem Som-
mer stehen an neun Stränden
Schleswig-Holsteins spezielle
Varianten des Klassikers: Sie sind
umgedreht und wie Betten. Zwi-
schen 29 und 95 Euro zahlt man
für eine Übernachtung.
Strand oder in der Sahara)
spießig ,  ≈ langweilig und
konservativ
¢mdrehen ,  die Position
von etwas um einen Halb-
kreis ändern

Aus dem Bregenzerwald OSTSEE-HOLSTEIN-TOURISMUS

kommt viel Käse. Tel. +49 (0) 45 03 / 88 85 25
www.ostsee-schleswig-holstein.de
73  IM NÄCHSTEN MONAT   AUGUST 2016  Deutsch perfekt

im September
Heft 9/2016 gibt es ab dem 31. August
Klein Deutschland Kein W¢nder! 
,  hier: Das ist keine
Seit 30 Jahren entscheiden Überraschung.
Bürger in einem Ort in prägen 
Rheinland-Pfalz mit ihrem ,  hier: einen Effekt
Einkauf, was es später im haben auf
ganzen Land zu kaufen
gibt und was nicht. Denn
dieses Haßloch, so glauben
Experten, ist typisch deutsch.
Warum das?

Mythos Wird mein Zeugnis

akzeptiert?
der [bschluss, ¿e ,  hier:

Wald Wer in Deutschland arbeiten

Zeugnis, das man nach
dem Ende einer Ausbildung
bekommt
Die meisten Deutschen will, muss nicht dort studiert
„nerkennen ,  ≈ akzep-
lieben ihn. Kein Wunder: Ein oder einen Beruf gelernt tieren
Drittel des Landes ist Wald. haben. Für manche Berufe s“nnvoll ,  so, dass es hilft
Warum ist er ein Mythos? muss ein ausländischer und ein positives Resultat
Wie prägen die Bäume die Abschluss aber offiziell an- hat
Gesellschaft? Und leben erkannt werden. Sinnvoll ist die Vorschrift, -en ,  hier:
eigentlich noch Menschen das auch bei vielen Berufen, schriftliche Regel, die sagt,
was gültig ist
im Wald? bei denen es nicht Vorschrift
ist. Warum? Und wie geht das?

IMPRESSUM
Herausgeber Rudolf Spindler
Chefredakteur Jörg Walser
Art Director Michael Scheufler
Redaktion Barbara Duckstein
(in Elternzeit), Katharina Heyden-
reich, Sonja Krell, Claudia May,
Cornelia Osterbrauck, Eva Pfeiffer,
Janina Schalkhaußer (in Eltern­zeit),
Sabine Weiser
Bildredaktion Sarah Gough,
Judith Rothenbusch
Redaktionelle Mitarbeit
Tanja Haas
Autoren Andrea Bischhoff, Anne
Wichmann
Korrespondenten
Marcel Burkhardt (Mainz), Joseph
Gepp (Wien), Barbara Kerbel
(Berlin), Astrid Labbert (Bremen),
Swantje Zorn (Zürich)
Gestaltungskonzept ErlerSkibbe-
Tönsmann, Hamburg
Gestaltung Nerina Wilter
Produktionsleitung Ingrid Sturm
Leitung Redaktionsmanagment
Thorsten Mansch
Litho Mohn Media Mohndruck
GmbH, 33311 Gütersloh
Druck Vogel Druck & Medien-
service GmbH, 97204 Höchberg
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Verlag und Redaktion
Spotlight Verlag GmbH
Fraunhoferstraße 22,
Geschäftsführer
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Leiter Lesermarkt
Holger Hofmann
Vertriebsleitung
Monika Wohlgemuth
Leserservice Birgit Hess
Leitung Marketing B2C & PR
Heidi Kral
Leitung Marketing B2B &
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Vertrieb Handel MZV, Ohmstraße 1,
85716 Unterschleißheim
Bankverbindungen
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SWIFT (BIC) DRESDEFF300
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IBAN CH1204835055483341000,
SWIFT (BIC) CRESCHZZ80C
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74 KRIMINALITÄT
L  >  LEICHT
Fliegender Wechsel
Viele Imker in Deutschland haben ein Problem:
Ihre fleißigen kleinen Tiere sind so populär, dass
sich Kriminelle dafür interessieren.
D
as Wetter war schlecht an
diesem Tag. Schon wieder Ge-
witterwolken über Hamburg.
Und bei Gewitter, das wissen
Imker, sind Bienen aggressiv. Keine gute
Zeit, um Honig zu schleudern. Also hat
Winfried Knaack, der Erste Vorsitzende
des Imkereivereins Hamburg-Bramfeld,
die Aktion um eine Woche verschoben.
Aber auch am Wochenende nach dem
Gewitter konnten die 50 Teilnehmer des
Imkereikurses keinen Honig schleudern.
Denn der war nicht mehr da.
„Jemand hatte die vollen Rahmen ge-
gen leere ausgetauscht“, erzählt Knaack.
„Das war sehr geschickt. Denn so hat
man nicht sofort gesehen, was passiert
ist.“ 75 Kilogramm Honig im Wert von
1115 Euro – plötzlich weg. Nur der 1,25
Meter hohe Maschendrahtzaun, der den
Weg zu den Bienen blockiert hat, war et-
was kaputt. Aber wer denkt da sofort an
eine illegale Aktion? Knaack weiß: So ge-
schickt macht das nur jemand, der Erfah-
rung mit Bienen hat. „Es muss ein Imker
gewesen sein“, sagt der 63-Jährige. Das
glaubt er nicht nur wegen der Sache mit
dem Rahmen. „Ohne eigene Schleuder
kommt man nämlich auch nicht an den
Honig“, erklärt Knaack.
Wenigstens sind die Bienen noch da.
Bei fünf Kollegen des Imkervereins Ham-
burg-Altona war das anders. Von ihren
Bienenkörben waren 20 plötzlich weg.
„Auch das war eine geplante Aktion“, sagt
Knaack. „Niemand nimmt bei einem Spa-
ziergang spontan 20 Bienenkörbe mit.“
Warum aber stehlen Menschen Bienen
und ihre Körbe? Seit ein paar Jahren liest
man in Polizeiberichten immer wieder
davon. Manchmal sind 20 Völker plötz-
lich weg, manchmal nur eins. Winfried
Knaack kennt die Antwort: „Imkern ist
in Deutschland aktuell sehr populär“, sagt
er. „Und es fehlen Bienenvölker. Manche
Menschen organisieren die dann illegal.“
Es ist also das Prinzip von Angebot
und Nachfrage. Und besonders hoch ist
die Nachfrage bei Hobbyimkern, die kei-
ne große Erfahrung mit Bienen haben.
„Viele Leute denken, dass Bienen einfache
Tiere sind, in die man wenig Arbeit inves-
tieren muss“, erklärt Knaack. „Aber es ist
nicht so, dass man im Internet schnell ein
bisschen über Bienen liest und dann im-
kern kann.“ Genau bei diesen Hobbyim-
kern, denen das Wissen fehlt, sterben
die Völker schnell. Ein großes Problem
sind Krankheiten. Denn Bienen sind wie
Kinder auf einem Spielplatz. Sie treffen
sich auf einer Blume, haben Körperkon-
takt und fliegen gern auch mal in einen
fremden Bienenkorb. „Und wenn ein
Volk durch Krankheit schwächer wird,
bedienen sich andere Bienen gern am
Honig“, erklärt Knaack. „Das ist nämlich
viel weniger Arbeit, als von einer Blume
zur nächsten zu fliegen.“
Krankheiten kommen so schnell von
einem Bienenkorb in den nächsten. Spe-
ziell in Regionen, in denen es viele Im-
ker gibt. „Bei mir im Garten stehen acht
Völker“, sagt Knaack. „Im Umkreis von
500 Metern gibt es noch 50 andere.“
Deshalb muss man jedes Bienenvolk
offiziell beim Veterinäramt anmelden.
Dann kann dieses Amt nämlich andere
Imker warnen, wenn es in der Region eine
  AUGUST 2016  Deutsch perfekt
fliegender W¡chsel  der M„schendrahtzaun,
,  ≈ schnelles Wechseln
einer Sache oder Person mit
einer anderen
der |mker, - ,  Person: Sie
kümmert sich um Bienen
(s. Foto).
(die Biene, -n , sehr
kleines Tier: Es stellt Honig
her.)
(der Honig, -e 
,  gelbe oder braune, süße
Substanz)
schleudern ,  hier: ≈ mit
einem Gerät den Honig aus
den Rahmen herausholen
(der Rahmen, - ,  hier:
Konstruktion aus vier
Holzstücken: Zwischen den
Holzteilen legen die Bienen
den Honig ab, s. Foto.)
der Erste Vorsitzende 
,  Person: Sie ist Chef eines
Vereins oder Meetings.
der Imkereikurs, -e 
,  Kurs für Imker
(die Imkerei, -en ,  ≈ klei-
nes Geschäft: Es hat Bienen
und stellt Honig her.)
austauschen gegen  einer Region.
,  hier: die vollen Rahmen
wegnehmen und leere
hineintun
gesch“ckt ,  so, dass man
etwas gut und schnell
machen kann
“m Wert ,  zum Preis
¿e ,  Konstruktion aus lan-
gen, dünnen Metallteilen:
Sie markiert z. B. die Grenze
von einem Garten.
m¢ss … gewesen sein 
,  war wahrscheinlich …
k¶mmen „n , bekommen
der Bienenkorb, ¿e 
,  ≈ Holzkonstruktion:
Dort lebt ein Bienenvolk
(s. Foto).
(das Bienenvolk, ¿er 
,  ≈ Kolonie von Bienen)
stehlen ,  Dinge oder Geld
wegnehmen
der Polizeibericht, -e 
,  ≈ schriftliche Informa-
tion von der Polizei über
alle kriminellen Sachen
von einer Region in einer
speziellen Zeit
die Nachfrage , Kaufin-
teresse
s“ch bedienen „n 
,  hier: ≈ essen von
“m }mkreis v¶n ,  ≈ in der
Distanz von
das Veterinäramt, ¿er 
,  offizielle Administration:
≈ Sie kümmert sich um die
Gesundheit von Tieren in
w„rnen ,  sagen, dass
man aufpassen soll oder
dass etwas gefährlich ist
Foto: Getty Images
 Deutsch perfekt  AUGUST 2016
Sind seine Bienen bald
nicht mehr da?
Krankheit gibt. Aber viele Hobbyimker
melden ihre Völker nicht an. In der frei-
en Natur ist das kein so großes Problem:
Meistens sind Bienenvölker keine direk-
ten Nachbarn, sondern leben in einer Di-
stanz von zwei bis drei Kilometern.
Aber was ist schon normal? Die Biene
arbeitet seit vielen Tausend Jahren für die
Menschen. Neben dem Rind und dem
Schwein ist sie in der deutschen Land-
wirtschaft eines der drei wichtigsten
Nutztiere. Ist das Wetter optimal, fliegen
Bienen am Tag 30 Mal aus ihrem Korb –
und besuchen jedes Mal 200 bis 300 Blu-
men. Sie bestäuben 80 Prozent der Nutz-
pflanzen in Deutschland. Und nur durch
die Arbeit im Team wird ein 500-Gramm-
Glas Honig für den Frühstückstisch voll.
Eine Biene müsste dafür nämlich dreimal
um die Erde fliegen.
Winfried Knaack wird die Rahmen
des Imkervereins Hamburg-Bramfeld
jetzt mit einem Stempel markieren –
damit jeder sofort sehen kann, wem sie
gehören. Mit Bienen funktioniert das
natürlich nicht. Ein paar seiner Kollegen
arbeiten deshalb mit GPS-Trackern. Die-
se schicken eine SMS, wenn jemand den
Bienenkorb transportiert. Andere haben
Kameras installiert. Aber auch die neh-
men Kriminelle gern mit.
„Vor 200 Jahren war das einfacher“,
sagt Knaack. „Zu der Zeit waren die Bie-
nen noch aggressiv, nicht auf Sanftmut
gezüchtet wie heute.“ Wenn vor 200
Jahren also jemand an einen Bienen-
korb gegangen ist, haben die Bienen das
absolut nicht lustig gefunden. „Man hat
sich damals mit sehr viel Kleidung schüt-
zen müssen, auch das Gesicht“, erklärt
Knaack. Da hat natürlich jeder sofort
gewusst: Diese Person da geht an einen
Bienenkorb. Und wehe, das war nicht ihr
eigener. Claudia May
die freie Natur  die N¢tzpflanze, -n
,  ≈ ziemlich großes Areal:
Dort stehen keine Häuser.
neben ,  hier: außer
die L„ndwirtschaft 
,  ≈ Agrarwirtschaft
das N¢tztier, -e ,  Tier: Es
gibt dem Menschen z. B.
Milch oder Honig oder hilft
ihm bei der Arbeit.
bestäuben ,  hier: ≈ Pollen
von einer männlichen Blüte
zu einer weiblichen Blüte
tragen und so machen,
dass es neue Blüten und
Früchte gibt
(der P¶llen, - , extrem
kleines Stück: ≈ Die Blüte
von einer Pflanze stellt
es her.)
(die Blüte, -n ,  Teil von
einer Pflanze: Meistens hat
er eine schöne Farbe und
riecht gut.)
KRIMINALITÄT  75
 
,  Pflanze: Der Mensch
bekommt daraus z. B. Essen
für sich oder für Nutztiere.
m•sste ,  Konj. II von:
müssen
die Erde ,  hier: Planet:
Dort leben wir.
die SMS, - ,  kurz für:
Short Message Service
= kurze Nachricht: Man
schreibt sie auf dem Handy.
installieren ,  mit Werk-
zeugen stabil machen an
die S„nftmut 
,  ↔ Aggressivität
z•chten auf ,  ≈ eine
Tierkategorie mit speziellen
Charakteristika herstellen
sch•tzen ,  hier: helfen,
dass man nicht verletzt wird
}nd wehe … ,  hier: Und
sie wird Ärger bekommen,
wenn …
76    AUGUST 2016  Deutsch perfekt
Marianne Grimmenstein
aus Lüdenscheid (Nord-
rhein-Westfalen) organisiert
die größte Bürgerklage in
der deutschen Geschichte.
Das Ziel der 70-jährigen Mu-
siklehrerin: CETA stoppen,
den Vertrag zwischen der
Europäischen Union und
Kanada.
In Deutschland, Österreich
und der Schweiz (D-A-CH)
leben 98 Millionen Menschen.
An dieser Stelle interviewen
wir jeden Monat einen davon.
D-A- CH-MENSCHEN –
EINE VON
98 MILLIONEN
„Es gibt immer noch eine Chance“
Frau Grimmenstein, mag Sie Ihr
Postbote noch?
(lacht) Der hat wegen mir auf jeden
Fall sehr viel Arbeit! Er kommt
schon lange nicht mehr mit dem
Fahrrad, sondern mit einem kleinen
Lkw. Denn in den letzten Monaten
habe ich jeden Tag viele Kisten voll
mit Briefen bekommen. Es war ein
totales Chaos. Oft waren falsche
Briefmarken darauf, oder meine Ad-
resse war nicht korrekt. Angekom-
men sind sie trotzdem. Wahrschein-
lich bin ich bei der Post inzwischen
gut bekannt: Es sind insgesamt fast
70 000 Briefe!
Die Briefe haben Ihnen Deut-
sche geschickt, die bei Ihrer Ver-
fassungsbeschwerde gegen das
Freihandelsabkommen CETA
zwischen der EU und Kanada mit-
machen wollen?
Genau. Diese Bürger wollen offizi-
ell mit mir vor dem Bundesverfas-
sungsgericht in Karls­ruhe klagen.
Mein Mann und ich haben wirklich
jeden Brief geöffnet und jeden Na-
men in ein Word-Dokument ge-
schrieben.
Mit der Verfassungsbeschwerde
wollen Sie CETA stoppen?
Ja, und TTIP, das Freihandelsab-
kommen zwischen Europa und den
USA, natürlich auch. Aber jetzt kon-
zentriere ich mich auf CETA.
Was ist Ihre Kritik an CETA?
Die Politiker nehmen sich mit dem
Abkommen selbst die Macht und
geben sie den Konzernen. Diese
bekommen ein Klagerecht gegen
Staaten. Aber Staaten können nicht
gegen die Wirtschaft klagen. Das ist
absurd! Außerdem macht CETA die
Umwelt kaputt und gibt den Bür-
gern nicht genug Rechte. CETA ist
gegen die Demokratie.
Sie haben vor zwei Jahren schon
einmal versucht, CETA vor dem
Bundesverfassungsgericht zu
stoppen. Warum hat das damals
nicht geklappt?
Es war noch zu früh. Denn es gab
noch keinen Text, den das Gericht
prüfen konnte. Jetzt unterstützt
mich der Juraprofessor Andreas Fi-
sahn. Außerdem konnte ich durch
das Petitionsportal change.org Geld
für die Klage sammeln. Damit be-
zahle ich Professor Fisahn und ein
paar Kolleginnen, die mir bei der
Büroarbeit helfen.
Haben Sie nie ans Aufhören ge-
dacht?
(lacht) Nein, nie! Mein Motto ist:
Solange noch nicht alles verloren
ist, gibt es immer noch eine Chance.
Das ist optimistisch.
Ja, natürlich! Ich kämpfe für eine
bessere Welt. Die neoliberalisti-
schen Strukturen machen unsere
Gesellschaft kaputt. Und es ist eine
Motivation für mich, dass mich so
viele Menschen unterstützen.
Wenn Sie nicht gerade für eine
bessere Welt kämpfen, arbeiten
Sie als Musiklehrerin, oder?
(lacht) Ja, ich bin Querflötenleh-
rerin und habe ein paar Schüler.
Aber die Klage gegen CETA ist ein
Vollzeitjob. Dabei hilft mir mein ju-
ristisches Wissen. Ich komme aus
einer Juristenfamilie. Schon mein
Großvater war Jurist.
Wann werden Sie Ihre Klage vor
dem Bundesverfassungsgericht
einreichen?
Das hängt von den aktuellen Er-
eignissen ab. Wenn das Datum fest-
steht, an dem der EU-Ministerrat
über CETA berät, reiche ich die Kla-
ge ein. Das wird wahrscheinlich im
Herbst diesen Jahres sein. Ich glau-
be, dass wir Erfolg haben werden.
Probleme sind dafür da, um sie zu
lösen. Und bei der ganzen Arbeit ist
mir eine Sache extrem wichtig: Man
darf seinen Humor nicht verlieren.
Interview: Eva Pfeiffer
Eine Übung zu
diesem Text finden
Sie auf Seite 45.
M > MITTEL
die B•rgerklage, -n 
,  offizielle Beschwerde
von Bürgern bei einem
Gericht
(die Beschwerde, -n 
,  von: sich beschweren) 
(das Ger“cht, -e ,  hier:
öffentliche Institution: Dort
wird entschieden, ob ein
Vertrag sich an den Regeln
des Staates orientiert.)
der P¶stbote, -n 
,  m ≈ Person, die Briefe
bringt
die Verf„ssungsbe-
schwerde, -n , offizielle
Beschwerde, dass etwas
gegen die Verfassung ist
(die Verf„ssung, -en 
,  schriftliche Form für die
Regeln in einem Staat)
das Freihandelsabkom-
men, - ,  ≈ Vertrag zwi-
schen Staaten, der den Kauf
und Verkauf von Waren
leichter machen soll
das B¢ndesverf„ssungs-
gericht , spezielle
Institution in Deutschland,
die bei einem Streit über die
Verfassung entscheidet
die M„cht , Möglichkeit,
zu regieren; ≈ Kontrolle in
einem Land
der Konz¡rn, -e , Gruppe
von Firmen mit gemeinsa-
mer Leitung
das Klagerecht 
,  ≈ Garantie und Möglich-
keit, zu klagen
sol„nge ,  hier: wenn
die Querflötenlehrerin,
-nen ,  Frau, die unterrich-
tet, wie man mit dem Mund
in ein Musikinstrument aus
Metall oder Holz Luft stößt
der V¶llzeitjob, -s , Job,
bei dem man zwischen 35
und 42 Stunden pro Woche
arbeitet
einreichen ,  zu einer
Fotos: picture alliance/dpa (2)
offiziellen Stelle bringen
der EU-Min“sterrat 
,  m oberstes Komitee
der Europäischen Union
 Verlangen Sie bei einem

französischen Coiffeur bitte niemals

de vous laver les chevaux mais

de vous laver les cheveux.

Französisch besser sprechen und verstehen

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