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Leitthema

Z Rheumatol 2016 · 75:361–366 M. Wahle1 · E. Kling2


DOI 10.1007/s00393-016-0090-6 1
Sektion Rheumatologie und Klinische Immunologie, III. Medizinische Klinik, Klinikum Augsburg,
Online publiziert: 3. Mai 2016 Augsburg, Deutschland
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 2
Institut für Labormedizin und Mikrobiologie, Klinikum Augsburg, Augsburg, Deutschland
Redaktion
M. Fleck, Bad Abbach
T. Dörner, Berlin
Neue Immundiagnostik bei
Arthritiden

Die Entitätszuordnung von Arthritiden Autoantikörperdiagnostik bei sprechend modifizierten Proteine [13].
basiert neben dem Nachweis der Arthri- rheumatoider Arthritis Zielantigene von ACPA sind u. a. ci-
tis bzw. der entzündlichen Ursache ei- trulliniertes Filaggrin, Enolase, Kollagen
nes Gelenkschmerzes durch Tastbefund Antikörper gegen citrullinierte Typ II, Vimentin oder Fibrinogen. Einige
oder Bildgebung (z. B. Arthrosonogra- Proteine dieser Proteine werden auch im Gelenk
phie) auf der Vorgeschichte (z. B. Dy- exprimiert.
namik der Gelenkbeschwerden, Begleit- Die Entdeckung der Assoziation einer Der immunenzymatische Nachweis
symptomatik), dem klinischen Befund Bildung von Antikörpern (Ak) gegen ci- von ACPA wurde zunächst mit citrul-
(insbesondere Befallsmuster, Symmetrie, trullinierte Proteine (auch als ACPA be- linierten Varianten von Filaggrin und
Lokalisation, Zahl betroffener Gelenke), zeichnet) mit einer ca. 70 % der Betrof- Fibrinogen durchgeführt [10] und spä-
assoziierten Symptomen bzw. Befunden fenen umfassenden Subgruppe bei rheu- ter durch den Einsatz von zyklischen
(z. B. Hautveränderungen, Organbeteili- matoider Arthritis (RA) hat die Immun- citrullierten Peptiden (CCP) wesentlich
gung), der Bildgebung (osteodestruktive diagnostik dieser Erkrankung wesentlich verbessert [17]. CCP umfassen meist
vs. osteoproliferative bzw. gemischt os- bereichert. 12 Aminosäuren, enthalten Citrullin und
teodestruktive/osteoproliferative Verän- ACPA sind gegen Proteine oder Pep- lassen sich gut an Kunststoffoberflächen
derungen) und nicht zuletzt auf der la- tide gerichtet, in denen die Aminosäure binden. Moderne Enzymimmunoassays
borchemischen Diagnostik. Dabei spielt Arginin enzymatisch in Citrullin umge- (ELISA, Anti-CCP2- bzw. -CCP3-Test)
die immunologische Diagnostik zur Dif- wandelt wurde, kommen oft zusammen erreichen Sensitivitäten von ca. 70 % bei
ferenzierung der Arthritis eine besondere mit Rheumafaktoren (RF) vor, sind aber einer Spezifität von 97–98 % [17]. Bei
Rolle, ist jedoch – wie alle apparativen di- auch isoliert nachweisbar und zeigen eine anderen Arthritiden und Autoimmun-
agnostischen Verfahren – als Ergänzung deutliche Assoziation zu im MHC-Klas- erkrankungen kommen ACPA relativ
des klinischen Befundes zu betrachten se-II-Genabschnitt lokalisierten geneti- selten vor. Die Generation einer Autoan-
und hängt in ihrer Qualität v. a. von schen Risikofaktoren der RA (auch als tikörperbildung gegen citrullinierte Pro-
der Fragestellung ab, da der positive bzw. „shared epitope“ bezeichnet, einer cha- teine ist daher ein Charakteristikum der
negative prädiktive Wert einer immuno- rakteristischen Aminosäurensequenz im RA im Vergleich zu anderen Arthritiden.
logischen Diagnostik wesentlich durch Antigen bindenden Abschnitt der risiko- Pathophysiologisch von großem Interes-
die Prätestwahrscheinlichkeit beeinflusst determinierenden HLA-DR-Haplotypen se ist ferner der Nachweis von ACPA bis
wird. entsprechend). zu 15 Jahre vor dem klinischen Beginn
Die immunologische Diagnostik von In dieser Kombination stellen sie auch der RA [20]. Vom immunologischen
Arthritiden hat v. a. folgende Aufgaben: prognostisch ungünstige Faktoren dar Standpunkt aus betrachtet, beginnt die
4 Verifizierung der klinischen Ver- [12]. Die Citrullinierung von Proteinen RA daher deutlich vor dem klinischen
dachtsdiagnose, ist ein physiologischer Prozess, der auch Symptombeginn [13].
4 Abgrenzung von Differenzialdia- bei gesunden Individuen in vivo auftritt.
gnosen (z. B. infektiös bedingte
Arthritis),
Durch die enzymatische Umwandlung
der positiv geladenen Aminosäure Argi- »früherACPABiomarker
sind ein spezifischer,
für rheumatoide
4 prognostische Einschätzung, nin in neutral geladenes Citrullin ändert
4 Individualisierung von Therapiestra- sich die Ladung von Proteinen und Arthritis
tegien (z. B. Prädiktion des Therapie- damit deren räumliche Konformation.
effektes). Die physiologische Funktion der Citrul- ACPA sind daher als spezifischer, frü-
linierung besteht offensichtlich in der her Biomarker für RA häufig schon im
beschleunigten Degradation der ent- Stadium einer klinisch undifferenzierten

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Leitthema

Arthritis nachweisbar und ermöglichen können sie allen Ig-Klassen angehören, Da hochtitrige RF einen prognos-
eine frühzeitige Diagnostik und Thera- die ursprüngliche Beschreibung und die tischen Wert besitzen, der Nachweis
pieeinleitung. Die Bedeutung des geneti- am häufigsten verwendeten Nachweis- von RF bei grenzwertig nachweisbaren
schen Risikofaktors MHC-Klasse II und verfahren beziehen sich auf RF der IgM- ACPA zusätzliche Informationen liefern
des exogenen Risikofaktors Rauchen dif- Klasse. RF exprimierende B-Zellen las- kann und bei fehlender Möglichkeit der
feriert in Abhängigkeit des Vorhanden- sen sich bei vielen gesunden Individuen Bestimmung von RF aller Ig-Klassen
seins von ACPA, sodass die ACPA-posi- nachweisen, ihre physiologische Rolle mit gleichzeitigem Nachweis von ACPA
tive und ACPA-negative Population der liegt offensichtlich in der Optimierung einen hohen prädiktiven Wert für die
RA unterschiedliche Subentitäten der Er- der Antigenpräsentation und im ver- RA besitzen, erscheint die Bestimmung
krankung bilden und sich pathogene- besserten Abbau von Immunkomplexen von RF in der Immundiagnostik von
tisch und prognostisch voneinander un- [16]. Arthritiden vertretbar, wenn die Li-
terscheiden [13]. mitationen des positiven Testresultates

Antikörper gegen mutiertes »Rheumafaktoren


Bei Bestimmung der
müssen die
beachtet werden.

citrulliniertes Vimentin Neue Entwicklungen in der


Limitationen des positiven Antikörperdiagnostik bei
Neben dem Nachweis von ACPA mit An- Testresultates beachtet werden Arthritiden
ti-CCP-Ak-ELISA der 2. bzw. 3. Gene-
ration wird auch mutiertes citrullinier- Die immundiagnostische Differenzie-
tes Vimentin (MCV) als Zielantigen im Obwohl sich IgM-RF bei ca. 70 % aller rung von Arthritiden hat durch die
ELISA verwendet. Anti-MCV-Ak-Teste Patienten mit RA nachweisen lassen, ist Entdeckung von Antikörpern gegen
weiseneine ähnliche Sensitivitätund Spe- ihre diagnostische Wertigkeit aufgrund carbamylierte oder oxidierte Proteine
zifität im Vergleich zum Anti-CCP-Ak- der relativ geringen Spezifität des Nach- weitere neue Aspekte gewonnen.
Test auf [14]. Da einige RA-Patienten eine weises begrenzt. Bei zahlreichen Infekti- Eine Carbamylierung kann sich unter
Reaktivität im Anti-MCV-, nicht aber im onserkrankungen (z. B. Hepatitis C oder geeigneten Bedingungen an die Citrul-
Anti-CCP-Ak-ELISA aufweisen, erwei- Endocarditis lenta), malignen Lympho- linierung von Arginin anschließen und
tert der Anti-MCV-Test das Spektrum men und in steigender Frequenz mit zu- führt zur Bildung von Homocitrullinen.
der ACPA-positiven Subgruppe [17]. Da- nehmendem Lebensalter lassen sich IgM- Die Umwandlung von Arginin in Citrul-
her können MCV-Teste in der Immun- RF bei Individuen ohne RA nachweisen lin wird enzymatisch durch die Peptidyl-
diagnostik von Arthritiden in Ergänzung (bis zu ein Drittel der Patienten mit Endo- arginin-Deiminase (PAD) katalysiert. Im
zum Anti-CCP-Ak-Test eingesetzt wer- carditis lenta sind RF-positiv). Der Nach- Gegensatz zur Citrullinierung von Prote-
den, der diagnostische Zugewinn stellt weis von RF anderer Ig-Klassen (v. a. IgG inensind Carbamylierung und Oxidation
sich allerdings begrenzt dar [14, 17]. und IgA) in Kombination mit IgM-RF chemische Prozesse, wie die Citrullinie-
Zukünftige Entwicklungen werden im verbessert die diagnostische Treffsicher- rung kommen sie jedoch auch in vivo
Nachweis von Antikörpern gegen viele heit des Nachweises von RF deutlich, hat vor. Für die Umwandlung von Citrullinen
verschiedene citrullinierte Proteine, auch sich wegen des Aufwandes der Bestim- in Homocitrullin wird zusätzlich Isocya-
in Kombination mit anderen Biomarkern mung in der klinischen Routinediagnos- nat benötigt, das an Stellen vermehrter
wie Interleukin (IL)-6 durch proteomi- tik jedoch nicht allgemein durchgesetzt. Oxidation (Zigarettenrauch, Parodonti-
sche Verfahren zu sehen sein [21, 22]. Historisch begründet ist die Unterschei- tis, Infektionen) in höherer Konzentra-
Aufgrund ihrer Komplexität in Nachweis dung der RA in eine seropositive (positi- tion vorkommt. Auch im Gelenk lassen
und Datenanalyse haben sich diese Ver- ver Nachweis von RF) und seronegative sich carbamylierte Proteine nachweisen,
fahren bisher jedoch nicht in der Routi- (fehlender Nachweis von RF) Form, aller- für ihre Bildung sind zur Bereitstellung
nediagnostik durchgesetzt. dings wird die Unterscheidung der RA von Isocyanat sowohl Myeloperoxidase
in eine ACPA-positive und ACPA-ne- (MPO) als auch Hydrogenperoxid not-
Rheumafaktor gative Erkrankung unter pathophysiolo- wendig. Eine besondere Form des pro-
gischen, klinischen und therapeutischen grammierten Zelltodes von Granulozy-
Die Beschreibung von Serumfakto- Gesichtspunkten als sinnvoller betrach- ten, die NETose, spielt in diesem Zusam-
ren, die Immunglobulin (Ig)G-beladene tet [13]. Bei früher Arthritis ist der di- menhang ebenfalls eine wichtige Rolle.
Schaferythrozyten agglutinieren, ihre agnostische Zugewinn der Bestimmung Citrullinierte Proteine und PAD4 lassen
Benennung als Rheumafaktor (RF) und des RF zusätzlich zu ACPA vernachlässig- sich in NETose-Partikeln nachweisen, so-
die Beschreibung der Assoziation mit der bar [9]. Manche Autoren schlagen daher dass ein offensichtlicher Zusammenhang
rheumatoiden Arthritis datiert auf die vor, auf die Bestimmung des RF in der zwischen Infektion und Inflammation,
40er-Jahre des letzten Jahrhunderts zu- Labordiagnostik von Arthritiden gänz- PAD-Aktivierung sowie vermehrter Ci-
rück [16]. RF sind Autoantikörper, die an lich zu verzichten oder diese nur unter trullinierung bzw. Carbamylierung be-
konstante Regionen des Fc-Anteils von bestimmten Umständen durchzuführen steht [19].
IgG-Molekülen binden. Grundsätzlich [3].

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K
Zusammenfassung · Abstract

Der Nachweis einer Autoantikörper- Z Rheumatol 2016 · 75:361–366 DOI 10.1007/s00393-016-0090-6


antwort gegen carbamyliertes Protein bei © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016
der RA gelang durch eine Modifikation
von citrullinierten Proteinen [19]. Darü- M. Wahle · E. Kling
ber hinaus findet sich eine Antikörper- Neue Immundiagnostik bei Arthritiden
antwort gegen oxidiertes Kollagen Typ II
bei der RA [7]. Antikörper gegen carba- Zusammenfassung
mylierte Proteine lassen sich bei ca. 15 % Die Immundiagnostik von Arthritiden spielt Arthritiden eine eher untergeordnete Rolle.
eine wichtige Rolle in der Differenzialdiagnose Die indirekte Immunfluoreszenz stellt nach
der RA-Patienten nachweisen. Sie kön-
einer Arthritis, muss aber obligat im klinischen wie vor den Goldstandard in der Detektion
nen isoliert oder zusammen mit ACPA Kontext interpretiert werden. Der Nachweis von antinukleären Antikörpern (ANA) dar,
vorkommen und charakterisieren eine von Antikörpern (Ak) gegen citrullinierte positive Befunde sollten hinsichtlich der
von der ACPA-positiven Gruppe min- Proteine hat die Immundiagnostik von Ar- Antigenspezifität weiter untersucht werden.
destens teilweise differierende Popula- thritiden wesentlich bereichert, während die ANA sind nicht obligat mit Autoimmun-
Wertigkeit des Rheumafaktors aufgrund der erkrankungen assoziiert. Beispiele für
tion [7]. Der Nachweis dieser Auto-Ak
geringeren Spezifität abgenommen hat. Ak nichtpathogene ANA sind Anti-DFS70-Ak.
bereits deutlich vor dem klinischen Be- gegen carbamylierte bzw. oxidierte Proteine
ginn einer RA und tierexperimentelle Be- werden die Immundiagnostik der Arthritis, Schlüsselwörter
funde legen darüber hinaus nahe, dass die insbesondere der rheumatoiden Arthritis Rheumafaktor · Anti-CCP-Ak · Indirekte
Bildung von ACPA bzw. Anti-CarP-Ak zukünftig erweitern. Demgegenüber spielt Immunfluoreszenz · Antinukleäre Antikörper ·
die Bestimmung von Zytokinkonzentrationen Autoimmunerkrankungen
auch in der Pathophysiologie der RA eine
in Plasma oder Synovia in der Diagnostik von
wichtige Rolle spielt. Es besteht daher
die Hoffnung, dass die immundiagno-
stische Differenzierung von Arthritiden Novel immunodiagnostics for inflammatory arthritis
wie der RA durch den Nachweis von An-
tikörpern gegen posttranslational modi- Abstract
fizierte Proteine jenseits von ACPA auch Immunodiagnostics play an important role differential diagnostics of arthritis. Indirect
die pathophysiologischen, epidemiologi- in the differential diagnostics of arthritis immunofluorescence continues to be the
but the test results must be interpreted gold standard in the detection of antinuclear
schen und therapeutischen Überlegun- antibodies (ANA) and in the case of positive
with respect to the clinical context. The
gen bei ACPA-negativen RA-Patienten detection of antibodies against citrullinated results further testing for antigen specificity
stimuliert. proteins has significantly improved the should be carried out. The presence of ANA is
immunodiagnostics of arthritis, whereas the not necessarily associated with autoimmune
importance of testing for rheumatoid factor diseases. An example of a non-pathogenic
Zytokindiagnostik bei has decreased due to the low specificity. ANA is anti-DFS70 antibodies.
Arthritiden Antibodies against carbamylated or oxidized
proteins will expand the immunodiagnostics Keywords
Da die Pathophysiologie von Arthritiden of arthritis (especially rheumatoid arthritis) Rheumatoid factor · Anti-CCP-antibodies ·
wesentlich durch T- und B-Lymphozy- in the future. In contrast, the determination Indirect immunofluorescence · Antinuclear
ten, Granulozyten und Makrophagen of cytokine concentrations in plasma or antibody · Autoimmune diseases
synovial fluid plays a subordinate role in the
und die durch sie synthetisierten Zytoki-
ne dominiert wird, liegt die Überlegung
nahe, durch die Bestimmung von Zyto-
kinkonzentrationen im Serum oder in sich ihr Einfluss auf die Diagnostik, Diffe- lerdings ist die Abgrenzung zur Sepsis
der Synovia die Immundiagnostik von renzierung und Therapie von Arthritiden und anderen entzündlichen Erkrankun-
Arthritiden zu verbessern [5]. als begrenzt erwiesen. Dies hängt un- gen auch durch die Bestimmung von IL-
ter anderem mit den zahlreichen Prä- 18 wegen limitierter Sensitivität und Spe-

»bzw.DieAnti-CarP-Ak
Bildung von ACPA
spielt in der
test- und testspezifischen Einflussfakto-
ren der Bestimmung von Zytokinen und
zifität (78 bzw. 88 %) zwar statistisch sehr
gutmöglich, bleibtkasuistischjedochvon
ihrer hohen intra- und interindividuellen begrenzter Aussagekraft [18].
Pathophysiologie der RA eine Variation zusammen [6].
wichtige Rolle Die Detektion von Zytokinen in der Autoantikörperdiagnostik bei
Gelenkflüssigkeit stellt im Vergleich zur systemischen Autoimmuner-
Plasmabestimmung einen Fortschritt dar krankungen
Obgleich viele Zytokine im Serum von [6], bleibt derzeit aber letztlich auch auf
Patienten mit Arthritis in erhöhter Kon- spezielle Fragestellungen und Anwender Antinukleäre Antikörper
zentration vorkommen und bei der RA beschränkt.
v. a. Tumornekrosefaktor (TNF)-α, IL- Eine Ausnahme ist die Messung der Der Nachweis von Autoantikörpern ge-
1 und IL-6 mit erhöhten Serumspiegeln IL-18-Konzentration im Serum in der gen nukleäre bzw. zytoplasmatische An-
nachgewiesen werden können [6], hat Diagnostik des adulten Morbus Still, al- tigene durch den indirekten Immunfluo-

364 Zeitschrift für Rheumatologie 4 · 2016


Tab. 1 Immundiagnostik bei Arthritiden
Anti- Anti- RF Anti- ANA/ ANCA Anti- Zytokine Immu- Automa-
CCP MCV CarP ENA DFS-70 nomics tisierung
ACPA ANA/ENA
Basisdia- + + + +
gnostik
Erweiterte + + (+)
Diagnostik
Experimentelle + + + +
Diagnostik
Gegliedert in Basisdiagnostik (allgemein verfügbar), erweiterte Diagnostik (bei besonderen Fragestellungen oder am Beginn der Einführung in die Basisdia-
gnostik, derzeit nicht allgemein verfügbar) und experimentelle Diagnostik (zur Erweiterung des Verständnisses der Pathophysiologie von Arthritiden, nur
bei speziellen Untersuchern verfügbar). Die Bedeutung des Rheumafaktors in der Immundiagnostik von Arthritiden wird diskutiert.
Anti-CCP Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide, Anti-MCV Antikörper gegen mutiertes citrulliniertes Vimentin, RF Rheumafaktor, ANA antinu-
kleäre Antikörper, ENA extrahierbare nukleäre Antigene, ANCA Anti-Neutrophilen-zytoplasmatische Antikörper, Anti-CarP Antikörper gegen carbamylierte
Proteine, Anti-DFS70 Antikörper gegen „dense fine speckled protein of 70 kD“. ACPA Antikörper gegen citrullinierte Proteine

reszenztest (IFT) mit Hep2-Zellen (eine des Fluoreszenzmusters durch automa- Nachweises von ANA Ursache von Fehl-
humane Zelllinie, die von einem epi- tisierte Erkennung ist demgegenüber diagnosen sein kann [11].
thelialen Tumor ausgeht und durch ih- wesentlich komplexer, sodass die Ge-
re großen Zellkerne und die häufigen
Teilungsphasen in besonderer Weise zur
nauigkeit der Mustererkennung deutlich
geringer ist [4]. Werden ANA im IFT »DFS70-Ak
Der Nachweis von Anti-
kann eine wichtige
Erkennung von antinukleären Antikör- nachgewiesen, erfolgt die Ermittlung
pern [ANA] geeignet ist), seltener auch der dezidierten Antigenspezifität durch Zusatzinformation des
mit Gewebeschnitten (z. B. Rattenleber) ELISA oder Immunoblotverfahren mit Antikörperbefundes darstellen
wird derzeit nach wie vor als Goldstan- ENA bzw. doppelsträngiger DNA als
dard für die Detektion von ANA angese- Antigenen [1].
hen [1]. Nachteile des IFT sind der Auf- Da ANA auch bei gesunden Indivi- Einige Zielantigene von ANA zeigen kei-
wand in der Bestimmung und die letzt- duen mit steigender Frequenz in höhe- ne eindeutig erkennbare Assoziation zu
lich untersucherabhängige wie zeitauf- rem Lebensalter sowie bei Infektionser- Autoimmunerkrankungen. Insbesonde-
wendige Ermittlung des Ergebnisses am krankungen und Malignomen (v. a. ma- re die Detektion von Auto-Ak gegen das
Fluoreszenzmikroskop. Die Bestimmung lignen Lymphomen) nachgewiesen wer- DFS70 („dense fine speckled protein of
der ANA-Konzentration durch Titration den können, ist ein positiver Testbefund 70 kDa“)-Antigen, die im IFT mit Hep2-
verzögert die Ermittlung des Untersu- nicht mit der Diagnose einer systemi- Zellen ein „fein gesprenkeltes“ Fluores-
chungsergebnisses zusätzlich. Versuche, schen Autoimmunerkrankung gleichzu- zenzmuster aufweisen, kommen auch
die Diagnostik durch automatisierte, en- setzen. Trotz der teilweise hohen Fre- bei gesunden Individuen vor [2, 15].
zymimmunologische Verfahren (ELISA) quenz positiver ANA-Befunde bei ak- Bei inkonklusivem klinischem Kontext
mit aufgereinigten oder synthetisierten tiven Autoimmunerkrankungen ist da- und positivem IFT mit „fein gespren-
Kernantigenen (extrahierbare nukleäre her auch die diagnostische Qualität des keltem“ Fluoreszenzmuster kann daher
Antigene [ENA]) unter Umgehung des Nachweises von ANA abhängig von der der Nachweis von Anti-DFS70-Ak eine
IFT zu vereinfachen und zu beschleuni- Prätestwahrscheinlichkeit des Vorliegens wichtige Zusatzinformation zur Ein-
gen, konnten sich nicht durchsetzen, da einer Autoimmunerkrankung. ordnung des Autoantikörperbefundes
die indirekte Immunfluoreszenz wesent- Insbesondere maligne Lymphome darstellen [8].
lich mehr Antigenspezifitäten detektiert können neben der Induktion von ANA
und eine zytoplasmatische Fluoreszenz auch weitere Symptome von Autoim- Zusammenfassung: rationelle
(z. B. Anti-Jo1-Ak) gleichzeitig erkannt munerkrankungen, z. B. eines syste- Immundiagnostik bei
werden kann. mischen Lupus erythematodes (SLE), Arthritiden
Vielversprechender erscheinen die hervorrufen, sodass die unreflektierte
Versuche einer automatisierten Aus- Diagnose einer Autoimmunerkrankung Die diagnostische Qualität der Immun-
wertung des IFT mittels optischer Er- bei positivem ANA-Befund bzw. der diagnostik von Arthritiden zeigt eine es-
kennung der Fluoreszenzintensität und formalen Erfüllung der ACR (American senzielle Abhängigkeitvonderklinischen
des Fluoreszenzmusters [4]. Modernere College of Rheumatology)-Klassifikati- Fragestellung und insbesondere von der
Systeme erreichen dabei Erkennungs- onskriterien eines SLE (die ausdrück- Häufigkeit entzündlicher Gelenkerkran-
raten von ca. 95 % bezüglich der Un- lich nicht als diagnostische Kriterien kungen in der untersuchten Population.
terscheidung von ANA-positiven bzw. konzipiert wurden) einschließlich des Die Analyse von Anti-CCP-Ak bei ei-
-negativen Proben. Die Differenzierung ner Million gesunder Individuen wird

Zeitschrift für Rheumatologie 4 · 2016 365


Leitthema

bei einer Inzidenz der RA von 1/1000 4 Ähnliche Verhältnisse gelten für die sites of (pro)filaggrin by deimination of arginine
residues. J Immunol 162:585–594
pro Jahr, einer Sensitivität des Anti-CCP- Untersuchung von ANA, weshalb po- 11. Jesus AA, Jacob CM, Silva CA et al (2011)
Ak-Testes von 70 % und einer Spezifität sitive ANA-Befunde kritisch beurteilt Common variable immunodeficiency associated
von 97–98 % zur Identifikation von 700 werden sollten. with hepatosplenic T-cell lymphoma mimicking
juvenile systemic lupus erythematosus. Clin Dev
RA-Patienten (Neuauftreten der RA in- Immunol 2011:428703
nerhalb des kommenden Jahres), jedoch 12. Kaltenhäuser S, Pierer M, Arnold S et al (2007)
Korrespondenzadresse Antibodies against cyclic citrullinated peptide
gleichzeitig 20.000–30.000 falsch positi-
are associated with the DRB1 shared epitope
ven Befunden führen (Verhältnis 30–40:1 PD Dr. M. Wahle and predict joint erosion in rheumatoid arthritis.
zugunsten falsch positiver Befunde). Sektion Rheumatologie und Rheumatology 46:100–104
Gelingt es, durch die klinische Ein- 13. Klareskog L, Ronnelid J, Lundberg K et al (2008)
Klinische Immunologie,
Immunity to citrullinated proteins in rheumatoid
schätzung (z.B. Arthralgien oder Ar- III. Medizinische Klinik, arthritis. Annu Rev Immunol 26:651–675
thritiden in der Vorgeschichte, Unter- Klinikum Augsburg 14. Lee YH, Bae SC, Song GG (2015) Diagnostic
Stenglinstr. 2, 86156 Augs- accuracy of anti-MCV and anti-CCP antibodies in
suchung von Probanden mit positiver
burg, Deutschland rheumatoidarthritis:Ameta-analysis.ZRheumatol
Familienanamnese bezüglich RA) die matthias.wahle@klinikum- 74:911–918
Prätestwahrscheinlichkeit in der unter- augsburg.de 15. Mahler M, Meroni PL, Andrade LE et al (2016)
suchten Population um den Faktor 10 Towards a better understanding of the clini-
cal association of anti-DFS70 autoantibodies.
zu erhöhen, ändert sich das Verhältnis Autoimmun Rev 15:198–201
auf den Faktor 3–4:1 zugunsten falsch Einhaltung ethischer Richtlinien 16. Newkirk MM (2002) Rheumatoid factors: host
positiver Befunde, d. h. die Wahrschein- resistance or autoimmunity? Clin Immunol
Interessenkonflikt. M. Wahle und E. Kling geben an, 104:1–13
lichkeit eines richtig positiven Befundes dass kein Interessenkonflikt besteht. 17. Nicaise-Roland P, Nogueira L, Demattei C et al
steigt deutlich an. (2013) Autoantibodies to citrullinated fibrinogen
Ähnliche Verhältnisse gelten für die Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren comparedwithanti-MCVandanti-CCP2antibodies
durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren. in diagnosing rheumatoid arthritis at an early
Untersuchung von ANA. Insbesondere stage: data from the French ESPOIR cohort. Ann
bei unspezifischen klinischen Befunden, Rheum Dis 72:357–362
mehrdeutigen Befunden (z.B. Diskre- 18. Priori R, Colafrancesco S, Alessandri C et al
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panz zwischen dem Fluoreszenzmuster diagnosis between adult-onset Still’s disease and
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bzw. -Immunoblot), niedrigen ANA- assessment of autoantibodies to cellular antigens in the pathophysiology of rheumatoid arthritis.
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auffälligem Immunfluoreszenztest) oder LEDGFp75: an enigmatic autoantigen at the peptide and IgA rheumatoid factor predict the
asymptomatischen Patienten sollten po- interface between autoimmunity, AIDS, and development of rheumatoid arthritis. Arthritis
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gnostik in der Zuordnung von Ar- 41:85–88 12:318–322
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thritiden findet sich in . Tab. 1. Automated antinuclear immunofluorescence of rheumatoid arthritis: multivariate analysis of
antibody screening: a comparative study of six biomarkers. Biomarkers 13:88–105
computer-aided diagnostic systems. Autoimmun
Fazit für die Praxis Rev 13:292–298
5. Burgoyne CH, Field SL, Brown AK et al (2008)
4 Die Immundiagnostik von Arthritiden Abnormal T cell differentiation persists in patients
ist ein wichtiger Baustein in der Dia- with rheumatoid arthritis in clinical remission and
predicts relapse. Ann Rheum Dis 67:750–757
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die Wahrscheinlichkeit richtig positi- arthritis-associated antifilaggrin autoantibodies
ver Befunde deutlich an. are posttranslationally generated on various

366 Zeitschrift für Rheumatologie 4 · 2016

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