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Leitthema

Anaesthesist P. Möhnle · A. Humpe · G. Wittmann


https://doi.org/10.1007/s00101-018-0483-9 Abteilung für Transfusionsmedizin, Zelltherapeutika und Hämostaseologie, Klinik für Anaesthesiologie,
Universität München (LMU), München, Deutschland
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von
Springer Nature 2018

Wenn A nicht mehr A ist:


Schwierigkeiten und Fallstricke
bei der Blutgruppenbestimmung

Bluttransfusionen stellen einen Verzögerungen bei Transfusionen nalen IgM-Anti-D-Testseren und ggf.
bedeutenden Teil der klinischen können zu schwerwiegenden Folgen weitere Nachtestung (s. unten),
Tätigkeit in Anästhesie und In- führen [9]. Die rechtzeitige präoperati- 4 Bestimmung der Rhesus-Mosaik-
tensivmedizin dar. Die korrekte ve Bestimmung der Blutgruppe sowie Eigenschaften C, c, E, e sowie zusätz-
Blutgruppenbestimmung ist dabei die frühzeitige Anforderung von Blut- lich des Kell-Merkmals (mit jeweils 2
unabdingbar für die kompatible produkten im Bedarfsfall wirken dem Testseren),
Transfusion. In den allermeisten maßgeblich entgegen. Die Transfusi- 4 direkter Coombs-Test/Eigenkontrolle:
Fällen sind die Befunde der AB0- on von Erythrozytenkonzentraten der hier wird durch Zugabe von Coombs-
Blutgruppe, des Rhesus-Systems und Blutgruppe 0 ohne Ergebnis der Ver- Serum (Antihumanglobulin: An-
Kell auch im Notfall rasch verfügbar, träglichkeitsprobe sowie des Antikör- ti-IgG und Anti-Komplement)
eindeutig und ohne Interpreta- persuchtestes ist im Notfall ohne Zweifel überprüft, ob die zirkulierenden
tionsspielraum. Es kann jedoch in lebensrettend, sollte jedoch in elekti- Erythrozyten mit Antikörpern
Einzelfällen sowohl am Krankenbett ven klinischen Situationen möglichst oder Komplementfaktoren beladen
als auch im immunhämatologischen vermieden werden. sind, wie etwa bei einer (Allo-/
Labor zu verwirrenden Befund- Auto-)Immunhämolyse,
konstellationen kommen. Für den Bausteine der immunhämato- 4 Durchführung des Antikörper-
klinisch tätigen Arzt ist daher die logischen Diagnostik: Technik suchtestes mit 2 bis 4 Testzellen.
Kenntnis der Grundlagen der Blut- und Standards Mit diesem Test soll im Serum des
gruppenbestimmung als auch Empfängers das Vorhandensein ir-
der möglichen Fehlerquellen und Grundsätzlich und vereinfacht darge- regulärer Antikörper gegen weitere
Störeinflüsse von hoher Bedeutung. stellt, besteht die vollständige Blutgrup- Blutgruppeneigenschaften ausge-
penbestimmung im immunhämatologi- schlossen werden (es sind derzeit
Hintergrund schen Labor aus folgenden Schritten: 36 Blutgruppensysteme mit geklärter
4 Zentrifugation der Blutprobe und Genetik sowie weitere Blutgruppen
Die Blutgruppenbestimmung unterliegt somit Auftrennung in korpuskuläre mit komplexer Genetik und Synthese
aufgrund ihrer essenziellen Bedeutung in Anteile (Erythrozyten) und Serum/ mit insgesamt über 325 Einzelanti-
der Vermeidung potenziell letaler Trans- Plasma (je nach Probenmaterial), genen bekannt [10]). Im Gegensatz
fusionszwischenfälle besonderen regula- 4 Bestimmung der AB0-Eigenschaften zu den regelhaft vorkommenden
torischen Vorgaben [10]. Ziel ist die ein- auf den Erythrozyten über Reaktion Antikörpern wie den Isoagglutininen
deutige und zweifelsfreie Blutgruppen- mit entsprechenden Testseren (Anti- im AB0-System sind bei den meis-
bestimmung für die korrekte Zuordnung A, Anti-B), ten weiteren Blutgruppensystemen
kompatibler Blutkonserven. Die korrekte 4 Bestimmung der serologischen Ei- regelhaft keine Antikörper vorhan-
Zuordnung von Blutkonserve zu Emp- genschaften (d. h. Nachweis der im den; irreguläre Antikörper kön-
fänger kann in der Regel nur bei abge- AB0-System regelhaft vorkommen- nen jedoch durch Immunisierung,
klärten und als kompatibel bewerteten den Antikörper, Isoagglutinine) über z. B. nach früheren Transfusionen
Befunden bei Blutgruppenbestimmung Reaktion mit Testzellen (Erythrozy- oder Schwangerschaften, oder z. B.
(AB0, Rhesus, Kell) sowie unauffälliger ten der Blutgruppen A1, B, 0), durch Kreuzreaktionen mit Keimen
Eigenkontrolle, negativem Antikörper- 4 Bestimmung der Rhesus-D-Eigen- entstehen. Bei positivem Antikör-
suchtest und negativer serologischer Ver- schaft (RhD) der Erythrozyten über persuchtest muss die Abklärung
träglichkeitsprobe erfolgen. Reaktion mit mindestens 2 monoklo- bzw. Antikörperdifferenzierung mit
einem größeren Panel antigentypi-

Der Anaesthesist
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Abb. 1 8 a Dargestellt sind gängige Testseren zur AB0-Blutgruppenbestimmung (farbliche Kenn-


zeichnung, blau: Anti-A, gelb: Anti-B) sowie die Bestimmung der Blutgruppe (AB0 sowie RhD) im Röhr-
chentest mit klar erkennbarer Agglutination. b Im linken Beispiel ist die Blutgruppe A RhD-positiv, im
rechten Beispiel 0 RhD-positiv

Abb. 2 8 Blutgruppenbestimmung in der


sierter Testzellen, welche eine speziell durchführbare Kartentests zur Verfü- Gelkarte: im dargestellten Beispiel ist die Blut-
ausgewählte Palette definierter, un- gung (. Abb. 3). gruppe 0 Rh CcD.Ee, Kell-negativ; der direkte
Coombs-Test (DAT) ist negativ
terschiedlicher Antigene aufweisen, Für die Interpretation der Befunde
erfolgen. sind starke Reaktionen mit eindeuti-
4 Die serologische Verträglichkeitspro- ger Diskrimination zwischen positiven den können, wird die Blutgruppe als
be (Kreuzprobe) wird analog hierzu und negativen Reaktion gefordert, so- „vorläufig“ deklariert; dies ist u. a. bei
durchgeführt, nur nicht mit Testery- wohl bei automatisierten Verfahren wie Neugeborenen und Säuglingen in den
throzyten wie beim Antikörpersuch- auch bei den im Notfall meist durch- ersten 3 Lebensmonaten der Fall, da
test, sondern mit Erythrozyten aus geführten manuellen Testmethoden. sich die Isoagglutinine erst in dieser Zeit
der zu transfundierenden Konserve. Generell benötigen automatisierte Ver- ausbilden. Eine DiskrepanzzwischenAn-
fahren länger, jedoch müssen auch für tigenmerkmalen auf den Erythrozyten
Diese Untersuchungen werden grund- die manuelle Bestimmung der AB0- und und den korrespondierenden Isoagglu-
sätzlich über den Nachweis der Ag- Rhesus-Blutgruppe im Notfall und bei tininen ist immer ein Alarmsignal und
glutination mit verschiedenen immun- geeigneten Notfalltestsystemen mindes- erfordert dringend weitere Abklärung
hämatologischen Methoden durchge- tens 10–15 min einkalkuliert werden, [19, 27, 28].
führt. Das einfachste Verfahren ist der zuzüglich der für die Logistik des Pro- Bei der Bestimmung des Rhesus-D-
Röhrchentest (. Abb. 1). Hier werden bentransports und der Befundausgabe Merkmals (RhD) auf den Erythrozyten
vereinfacht alle benötigten Reaktions- benötigten Zeit. Eine korrekt durchge- ist die Untersuchung mit 2 unterschiedli-
partner (Patientenserum/-plasma bzw. führte serologische Verträglichkeitspro- chen monoklonalen IgM-Testseren vor-
Testserum, Erythrozytensuspension des be („Kreuzprobe“) benötigt im manu- geschrieben. Das Rhesus-D-Merkmal
Patienten bzw. von Testerythrozyten) ellen Notfallansatz mindestens 45 min, kann in Einzelfällen jedoch in quanti-
vermischt und das jeweilige Testresultat mit logistischem Vorlauf wie Proben- tativ abgeschwächter („weak D“) oder
nach Zentrifugation in verschiedenen transport etc. kann eine standardmäßig qualitativ veränderter („partial D“) Aus-
Testmilieus beurteilt. Für höhere Pro- mit entsprechenden Laborautomaten in prägung vorliegen. Eine atypische oder
benzahlen werden z. B. automatisierte größeren Serien durchgeführte Untersu- schwächere Ausprägung des D-Merk-
Mikrotiterplattensysteme verwendet, chung ca. 120–135 min benötigen. mals muss sicher erkannt werden; dazu
bei denen ebenso die jeweiligen Re- Die AB0-Blutgruppenbestimmung ist dient zusätzlich eine Testung mit einem
aktionspartner aufgetragen sind. Den nur dann vollständig, wenn sowohl die polyklonalen oder oligoklonalen IgG-
derzeitigen Standard stellen Festphasen- Antigenmerkmale auf den Erythrozyten Testserum im Coombs-Milieu und in
systeme, meist Gelkarten, dar. In diesen als auch die korrespondierenden Se- Zweifelsfällen die molekularbiologische
Karten bleiben nach Zentrifugation et- rumeigenschaften (die im AB0-System Untersuchung. Ein Blutspender ist auch
waige Agglutinate, bedingt durch ihre regelhaft beim Erwachsenen vorhan- bei rudimentärer oder zweifelhafter Aus-
Größe, oberhalb der Gelschicht hängen, denen Isoagglutinine) nachgewiesen prägung als RhD-positiv zu deklarieren.
nichtagglutinierte Erythrozyten können werden. Für den Fall, dass lediglich die Umgekehrt verhält es sich beim Emp-
die Gelschicht durchwandern (. Abb. 2). Erythrozyteneigenschaften, jedoch nicht fänger; hier ist im Zweifel die Blutgruppe
Für den Notfall stehen zudem rasch die Isoagglutinine nachgewiesen wer- als „RhD-negativ“ zu deklarieren. Dieses

Der Anaesthesist
Zusammenfassung · Abstract

Vorgehen dient zur Vermeidung einer Anaesthesist https://doi.org/10.1007/s00101-018-0483-9


Immunisierung des Empfängers mit Bil- © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
dung von Anti-D, etwa weil der Spender
falsch als RhD-negativ oder der Emp- P. Möhnle · A. Humpe · G. Wittmann
fänger falsch als RhD-positiv deklariert Wenn A nicht mehr A ist: Schwierigkeiten und Fallstricke bei der
wurde [10]. Blutgruppenbestimmung

Immunhämatologische Zusammenfassung
Die korrekte Blutgruppenbestimmung die immunhämatologische Diagnostik
Diagnostik: Limitationen und erschweren. Bestimmte Medikamente,
ist Voraussetzung für die Transfusion. Im
mögliche Probleme Regelfall stellt die Blutgruppenbestimmung wie z. B. Daratumumab, führen zu einem
kein Problem dar, jedoch können in deutlich erhöhten Aufwand im Labor. Nach
Probenverwechslung Einzelfällen verschiedene Faktoren die Massivtransfusionen können Erythrozyten-
Blutgruppenbestimmung erschweren und populationen unterschiedlicher Blutgruppen
Ein sehr hohes Gefahrenpotenzial stel- zu teilweise verwirrenden Befunden führen. bestehen. Eine blutgruppenungleiche
Zum besseren Verständnis sollte jeder klinisch hämatopoetische Stammzelltransplantation
len die Verwechslung von Proben auf
tätige Arzt über Kenntnisse in den Grundlagen führt zu einem Wechsel der Blutgruppe,
Station und im Labor und die Fehlzu- der Blutgruppenbestimmung verfügen. zudem kann ebenso ein Chimärismus mit
ordnung von Befunden vor der Trans- Die Blutgruppenbestimmung erfasst im unterschiedlichen Blutgruppen bestehen.
fusion dar [9]. Fehltransfusionen sind Regelfall die AB0-Blutgruppe, die Rhesus- und Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer
potenziell tödlich; im Hämovigilanzbe- Kell-Merkmale; zudem werden ein direkter seltener Ursachen für Schwierigkeiten bei der
Coombs-Test sowie ein Antikörpersuchtest Blutgruppenbestimmung, wie z. B. seltene
richt des Paul-Ehrlich-Instituts für das
zur Detektion irregulärer Antikörper beim Blutgruppenausprägungen oder krankheits-
Jahr 2015 sind für Deutschland 3 der Empfänger durchgeführt. Eine Verwechslung assoziierte Phänomene. Bei Problemen der
im Berichtsjahr gemeldeten Todesfälle von Patient, Probe, Befund oder Präparat Blutgruppenbestimmung ist für den klinisch
mit gesicherter Kausalität auf Fehltrans- kann zu einer Fehltransfusion führen und tätigen Arzt eine frühzeitige und enge
fusionen von Erthrozytenkonzentraten muss verhindert werden; die Durchführung Zusammenarbeit mit der Transfusionsmedizin
des AB0-Identitäts- oder Bedside-Tests am von essenzieller Bedeutung.
zurückzuführen [3].
Krankenbett ist unverzichtbar. Probleme bei
Die korrekte Identität bzw. die korrek- der Laboranalyse, ebenso wie patientenei- Schlüsselwörter
te Zuordnung der Probe zum Patienten gene Faktoren wie beispielsweise irreguläre Bluttransfusion · Blutgruppen · Transfusions-
muss vom klinisch tätigen Arzt sowohl antierythrozytäre Antikörper, können medizin · Blutbank · Blutgruppenbestimmung
beiBlutabnahme als auchbeiderTransfu-
sion immer gewährleistet sein. Eine Ver-
wechslung („falscher Aufkleber“) ist, v. a. When A is not A anymore: problems and pitfalls with blood group
bei einer Erstbestimmung, im immunhä- typing
matologischen Labor nicht zu erkennen
Abstract
und kann bei inkompatibler Bluttrans- can complicate the immunohematology
Correct blood group typing is a prerequisite
fusion schwerwiegende, potenziell leta- for transfusion. In most cases blood group diagnostics. Certain medications, such
le Komplikationen zur Folge haben. Bei determination is without problems; however, as daratumumab, lead to a significantly
unstimmigen Befunden im Vergleich zu in individual cases various factors can increased complexity in laboratory analyses.
Vorbefunden muss immer die Möglich- complicate blood group determination and Massive transfusions can lead to chimerism
sometimes lead to confusing findings. For with more than one population of circulating
keit einer Probenverwechslung bedacht red blood cells. Hematopoetic stem cell
a better understanding the clinician should
werden, da in der gesamten Prozesskette have basic knowledge of blood typing. Blood transplantation can also lead to a change
von der Blutabnahme bis in das immun- group determination usually covers the in blood groups as well as chimerism. In
hämatologische Labor hinein eine Ver- AB0 blood groups, Rhesus and Kell systems; addition, there are various other rare causes
wechslung immer möglich ist. Im Zweifel in addition, a direct Coombs test and an that can result in difficulties in blood group
antibody screening test for the detection determination, such as rare blood groups
muss zur Kontrolle eine erneute Proben- or rare disease-associated phenomena.
of irregular antibodies in the recipient are
entnahme erfolgen. Eine Verwechslung performed. Confusion of patients, blood In the case of problems in blood group
kann jedoch auch bei der Zuordnung des samples, results or preparations can lead to determination, early and close cooperation
fertigen Befundes zu dem einzelnen Pa- severe consequences due to incompatible with transfusion medicine is essential for the
tienten erfolgen; eine Kontrolle von Be- transfusion and must be prevented. In this clinician.
context, bedside blood type testing before
funden hinsichtlich der korrekten Zuord- Keywords
transfusion is of utmost importance. Problems
nung mit Namen, Geburtsdatum sowie in laboratory analysis as well as patient- Blood transfusion · Blood group antigens ·
ggf. interner Fallnummer ist essenziell. related factors, such as the existence of Transfusion medicine · Blood banks · Blood
Nicht ausschließen sollte man eben- irregular antibodies against red blood cells group determination
so, v. a. bei einer Diskrepanz zu Vorbe-
funden, eine falsch zugeordnete Patien-
tenidentität bei der Krankenhausaufnah-
me: Dies könnte beispielsweise bei Auf-

Der Anaesthesist
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teinämie. Bei dem dargestellten Karten-


system wird 1 Trpf. des Spenderblutes
zusammen mit 1 Trpf. isotonischer Koch-
salzlösung oder Wasser aufgetragen; in
anderenverfügbarenund gebräuchlichen
Systemen wird die Blutprobe in eine Flüs-
sigkeitskammer mit den spezifischen An-
Abb. 3 9 Karten- tikörpern in flüssiger Lösung injiziert,
system für rasche
bzw. notfallmäßi- was die Durchführung erleichtern kann;
ge Blutgruppenbe- hierbei ist auf das korrekte maximale Vo-
stimmung: Die Blut- lumen der Blutprobe zu achten.
gruppe im Beispiel
ist A Rh CCD.ee
Probleme aufgrund patienten-
eigener bzw. krankheitsassoziierter
nahme des Patienten unter Vorlage ei- Testverfahren die Zugabe bestimmter Faktoren
ner fremden Krankenversicherungskarte Reagenzien („low ionic strength soluti-
der Fall sein. Die Verwechslung der Pati- on“ [LISS], Coombs-Serum) notwendig, Antierythrozytäre Alloantikörper
entenidentität stellt den Ausgangspunkt um die Reaktion zu verstärken; als mög- (irreguläre Antikörper)
für schwerwiegende und potenziell töd- liche Folge eines Fehlers sind z. B. nicht- Irreguläre Alloantikörper finden sich zu
liche Komplikationen dar und darf in eindeutige Ergebnisse denkbar. Auch 0,9 % bei Blutspendern sowie bei durch-
ihrem massivem Gefährdungspotenzial können prinzipiell Abweichungen vom schnittlich 2,9–3,5 % aller Patienten: bei
nicht unterschätzt werden. Standard bei einzelnen Arbeitsschritten chirurgischen Patienten bei Erstaufent-
Die Tatsache, dass eine Verwechslung wie Zentrifugation und Inkubation zu halt in 0,9 %, bei hämatologisch-onkolo-
im Vorfeld nicht mit letzter Sicherheit ähnlichen Problemen führen. gischen Patienten in 9,0 % und bei Thalas-
ausgeschlossen werden kann, unter- sämie- oder Sichelzellpatienten in bis zu
streicht die zentrale Bedeutung des AB0- AB0-Identitätstest (Bedside-Test) 25–40 % aller Fälle. Die Bildung solcher
Identitäts(Bedside)-Testes unmittelbar Beim AB0-Identitätstest (Bedside-Test) irregulären Antikörper ist mit einer Rate
vor Transfusion als letzte Sicherungs- muss ebenso auf eine korrekte Durchfüh- von ca. 0,2 % nach EK-Transfusion sowie
maßnahme durch den transfundieren- rung geachtet werden. Vor der Durchfüh- von ca. 0,25 % nach Schwangerschaften
den Arzt [9, 10]. rung der AB0-Identitätstests muss sich oder Transplantationen zu erwarten; bei
In diesem Zusammenhang ist von der transfundierende Arzt über die zu hämatologisch-onkologischen Patienten
Bedeutung, dass die aktuelle Version erwartende Blutgruppe des Empfängers, trägt die Vielzahl der vorausgegangenen
der Hämotherapie-Richtlinie [10] für z. B. anhand eines Blutgruppenbefundes, Transfusionen zu der hohen Rate an Bil-
den transfundierenden Arzt vorsieht, informieren. Unstimmige Befunde er- dung von Alloantikörpern bei [4, 13, 14,
dass dieser sich über die Aufklärung fordern eine Überprüfung der Identi- 17, 22, 24, 26].
und Einwilligung ebenso wie über die tät des Empfängers, Wiederholung des Klinisch ist bei der Bestellung von
Identität des Patienten vor Einleitung Tests sowie ggf. frühzeitige Rücksprache Blutprodukten die korrekte Angabe der
der Transfusion zu versichern hat. Zu- mit dem immunhämatologischen Labor Transfusions- und Schwangerschaftsana-
dem gibt die Richtlinie vor, dass jeder zur weiteren Abklärung. Mögliche Feh- mnese, evtl. bekannter Antikörper und
blutprodukteanwendende Arzt die dafür lerquellen beim AB0-Identitätstest sind von Medikamentengaben wie beispiels-
erforderlichen Kenntnisse und ausrei- die auch hier Verwechslung der Patien- weise i.v.-Immunglobulin-Gabe, β-Lac-
chende Erfahrung besitzen muss sowie tenidentität, die Verwendung einer zu tamase-Inhibitoren sowie insbesondere
von einem Transfusionsbeauftragten in großen Probenmenge, die Vermischung Daratumumab wichtig. Die genannten
die einrichtungsspezifischen Abläufe und der Proben auf den Testfeldern beispiels- Medikamente können das Vorhanden-
Organisationsstrukturen dokumentiert weise beim Anrühren auf einem Karten- sein von Antikörpern vortäuschen bzw.
eingewiesen worden sein muss (z. B. in test oder die Verwendung Blut mit ho- maskieren. In diesen Fällen sind weitere
Form eines „Transfusionsführerschei- her Heparinbeimengung, beispielsweise Laboruntersuchungen notwendig.
nes“). aus einer arteriellen Schleuse, was auf- Für die immunhämatologische Dia-
grund derdanneinsetzendenGeldrollen- gnostik ist v. a. bei elektiven Eingriffen
Probleme bei der Durchführung bildung zur Verwechslung mit einer ech- ein ausreichender zeitlicher Vorlauf ein-
der Testverfahren ten Agglutination führen kann. Exempla- zuplanen, um bei etwaigen Problemen,
risch zeigt . Abb. 4 eine unspezifische Re- wie einem positiven Antikörpersuchtest,
Trotz standardisierter Abläufe der Test- aktion („Pseudoagglutination“) im AB0- weiterführende Untersuchungen durch-
verfahren im immunhämatologischen Identitäts-/Bedside-Test im Kontrollfeld führen zu können.
Labor sind Fehler bei der Durchfüh- und im Testfeld „B“ bei vorbekannter
rung denkbar, so ist z. B. bei bestimmten Blutgruppe A und ausgeprägter Parapro-

Der Anaesthesist
ik und bei Kell auftreten. Der Vergleich
zu Vorbefunden sowie die frühzeitige
Rücksprache mit dem immunhämatolo-
Abb. 4 9 a Unspe- gischen Labor werden empfohlen.
zifische Reaktion
(„Pseudoagglu-
tination“) im Kälteautoantikörper
AB0-Identitäts-/ Bereits klinisch irrelevante Kälteautoan-
Bedside-Test im tikörper vom Typ IgM, die aufgrund ho-
Kontrollfeld und her Titer oder einer sog. erweiterten Tem-
im Testfeld „B“ peraturamplitude auch bei Raumtempe-
bei vorbekannter
Blutgruppe A und ratur im immunhämatologischen Labor
ausgeprägter Pa- und auf der Bedside-Karte mit allen Test-
raproteinämie. b zellen reagieren und beispielsweise die
Die Kontrolle im Blutgruppe AB vortäuschen, können im
immunhämato- Labor und im Bedside-Test zu verwir-
logischen Labor
mit einem ande- renden Ergebnissen führen. Im Zweifel
ren Testsystem ist die Blutgruppenbestimmung bei 37 °C
ergibt eindeutig zu wiederholen [16].
Blutgruppe A
Transplantation hämatopoetischer
Behandlung mit Daratumumab sekundären Autoimmunhämolyse bei Stamm- und Progenitorzellen aus
Daratumumab ist ein monoklonaler bestimmten Grundkrankheiten, einer dem Blut oder dem Knochenmark
Antikörper gegen CD38 (welches auf unspezifischen Autoantikörperbeladung Eine besondere Herausforderung stellen
Myelomzellen überexprimiert wird) und bei vielen Autoimmunkrankheiten oder Patienten nach Transplantation hämato-
wird seit 2015 in der Therapie des multi- einer medikamentös verursachten Hä- poetischer Stamm- und Progenitorzellen
plen Myeloms eingesetzt. Daratumumab molyse. Klinisch und laborchemisch ist aus dem Blut oder dem Knochenmark
bindet auch an CD38 auf Erythrozyten; eine manifeste Hämolyse auszuschlie- dar. Aufgrund der natürlichen AB0-
dies führt im Antikörpersuchtest zu ei- ßen (z. B. Ikterus, Hb, Bilirubin, LDH, Blutgruppenverteilung in der Bevölke-
ner Panreaktivität und kann somit das Retikulozyten, Haptoglobin, Ausstrich rung erfolgt bei in der AB0-BG zufälliger
Vorhandensein von relevanten Antikör- usw.). Aufgrund der hohen Sensitivi- Zuordnung von Spender und Empfänger
pern maskieren [21]. Zur Durchführung tät der Untersuchungsmethoden sind rechnerisch in ca. 65 % eine nichtblut-
eines validen Antikörpersuchtests ist unspezifische Reaktionen häufig. Bei gruppengleiche Transplantation; auf-
bei Patienten unter Daratumumab eine der weiteren Abklärung im immun- grund der Stammzelltransplantation von
laboranalytisch aufwendige Vorbehand- hämatologischen Labor sind, analog Familienspendern liegt die reale Zahl
lung der Zellen mit Dithiothreitol (DTT) zur Abklärung irregulärer Antikörper, niedriger. Eine blutgruppenungleiche
notwendig. Für die Blutbank ist die früh- anamnestische Angaben zu Transfusi- Stammzelltransplantation führt beim
zeitige Information über die Behandlung ons- und Schwangerschaftsanamnese, Empfänger bei Transplantationserfolg
eines Patienten mit Daratumumab im spezifischen Vorbefunden und zu Medi- zum Wechsel der Blutgruppe mit Aus-
Rahmen der Blutgruppenbestimmung kamentengaben von Bedeutung [29]. bildung der Blutgruppe des Spenders. In
oder Bestellung von Blutprodukten es- den ersten Wochen nach Transplantation
senziell [11, 12]. Aktuelle Empfehlun- Vortransfusionen ist ein Chimärismus mit unterschiedli-
gen der Fachgesellschaften DGTI und Vortransfusionen, insbesondere Massiv- chen Populationen von Erythrozyten zu
DGHO sehen vor, dass vor der ersten transfusionen im Notfall mit Erythrozy- erwarten: Es können Erythrozyten der
Gabe von Daratumumab eine Blutgrup- tenkonzentraten der Blutgruppe 0, kön- ursprünglichen Blutgruppe sowie neu
penbestimmung sowie ein Antikörper- nen zu Problemen bei der Blutgruppen- gebildete Erythrozyten der Spenderblut-
suchtest durchgeführt und dokumentiert bestimmung führen. So ist es z. B. bei gruppe und die Erythrozyten aus zwi-
werden [1]. einem Patienten der Blutgruppe A unmit- schenzeitlicher Transfusion nachweisbar
telbar nach hohem Blutverlust und Mas- sein. Die Unterdrückung der gegen die
Positiver direkter Coombs-Test/ sivtransfusion mit Blutgruppe 0 denk- Spenderblutgruppe gerichteten Isoag-
positive Eigenkontrolle bar, dass die ursprüngliche Blutgruppe A glutinine des Empfängers geschieht,
Ein positiver direkter Coombs-Test bzw. nicht sicher oder nur sehr abgeschwächt beim für die Transplantation immun-
eine positive Eigenkontrolle kann durch nachweisbar sein kann: Somit kann zeit- supprimierten Patienten, langsam über
eine Antikörperbeladung der Erythro- weise ein Chimärismus mit verschiede- den Verlauf von etwa 100 Tagen. Die zu
zyten oder eine Komplementaktivierung nen Erythrozytenpopulationen bestehen. erwartenden Isoagglutinine des Spen-
verursacht sein, z. B. im Rahmen einer Dieses Phänomen kann natürlich auch ders werden oft vollständig oder teilweise
primären Autoimmunhämolyse, einer beim Rhesusfaktor, beim Rhesusmosa- unterdrückt, da der Empfänger z. B. auf

Der Anaesthesist
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Tab. 1 Übersicht der möglichen Probleme bei der Blutgruppenbestimmung, geordnet nach Häufigkeit
Problem/Limitation Detektion/Symptome Maßnahmen
Häufig
Erythrozytäre Alloantikörper Positiver Antikörpersuchtest Anamnese,
Positiver direkter Coombs-Test Vorbefunde
(Medikamente, z. B. Daratumumab)
Erythrozytäre Autoantikörper Positive Eigenkontrolle Anamnese, Hämolyseparameter
Positiver direkter Coombs-Test Laborabklärung,
Ausschluss AIHA (autoimmunhämolytische
Anämie)
Patientenverwechselung Falsche AB0-Blutgruppe oder falsche Rhe- Kontrolle mit neuem Material
Probenverwechslung, sus-Kell-Blutgruppen, Nachvollziehen des Verwechslungsmechanis-
falsche Zuordnung von Probe oder Befund AB0-Identitäts-/Bedside-Test, mus („clerical checks“)
Befundvergleich
Probleme bei der Durchführung Unklare Agglutinationen Geeignete Präanalytik, Probenmenge,
beim AB0 Identitäts-/Bedside-Test korrekte Durchführung
Massivtransfusionen Mischfeldagglutination Anamnese und Vorbefunde
Notfalltransfusionen Chimärismus
Kälteautoantikörper Unklare Ergebnisse bei der AB0-Bestimmung Wiederholung bei 37 °C
Blutgruppenwechsel nach hämatopoetischer Blutgruppenwechsel, Anamnese,
Stammzelltransplantation nicht zur Patientenblutgruppe komplementäre Vorbefunde,
Isoagglutinine, Mischfelder, Chimärismus Transfusionsempfehlungen
Selten
Blutgruppenabschwächung bei Leukämien Unklare Ergebnisse bei der AB0-Bestimmung Anamnese, Vorbefunde, Grundkrankheit
Polyagglutination Unklare Ergebnisse bei der AB0-Bestimmung Anamnese, Klinik (Bakteriämie, Sepsis)
Raritäten
Seltene AB0-Blutgruppen Unklare Ergebnisse bei der AB0-Bestimmung Vorbefunde, frühzeitige Rücksprache

seinem gesamten Gefäßendothel wei- mit Erythrozyten der BG 0 RhD-positiv körpersuchtest, die Antikörperdifferen-
terhin seine ursprüngliche Blutgruppe oder RhD-negativ, FFP AB, Throm- zierung und den direkten Coombs-Test
ausprägt. bozytenkonzentrate je nach Alter und verfälschen [6].
Für Patienten nach Transplantation Gewicht entweder AB (Kleinkind) und
hämatopoetischer Stamm- und Progeni- 0 (Erwachsener) auszuweichen. Es ist Blutgruppenabschwächung bei
torzellen wird im Regelfall ein Schema zu bedenken, dass bei einem Rezidiv Leukämien
für blutgruppenkompatible Transfusi- der malignen Grunderkrankung die ur- In seltenen Fällen ist bei Patienten mit
on erstellt, welches idealerweise für die sprüngliche Blutgruppe wieder auftreten Leukämien eine Abschwächung der anti-
gängigen Blutprodukte (EK/FFP/TK) für und auch in diesem Fall ein Chimärismus genen Eigenschaften meist der Blutgrup-
unterschiedliche Zeiträume vor, während bestehen kann [18, 20]. pe A sowie des Merkmals H, der Grund-
und nach der Transplantation Vorgaben substanz für die AB0-Blutgruppen, auf
für die individuell angepasste Transfusi- Polyagglutination den Erythrozyten beschrieben. Bei die-
on gibt. Bei Blutgruppenbefunden nach Das Phänomen der Polyagglutination be- sen Fällen sollte eine Diskrepanz zwi-
hämatopoetischer Stammzelltransplan- schreibt die unspezifische und somit blut- schen den erythrozytären Antigeneigen-
tation ist dringend darauf zu achten, dass gruppenunabhängige Agglutination von schaften sowie den beim Patienten nach-
die ursprüngliche und die nach Trans- Erythrozyten mit Serum, meist als Folge weisbaren Isoagglutininen auffallen; dies
plantation neu erworbene Blutgruppe von bakteriellen Infektionen: Bakteriel- betont die Bedeutung der Serumgegen-
angegeben und klare Transfusionsemp- le Enzyme können die Oberfläche von probe (d. h. der Bestimmung der Isoag-
fehlungen, angepasst an die jeweilige Erythrozyten verändern und „Kryptan- glutinine) bei der Bestimmung der AB0-
Phase nach Transplantation, ausgespro- tigene“ (v. a. T-Antigen: T, Tk, Tn) frei- Blutgruppe. Bei Diskrepanzen in den Be-
chen und mitgeteilt werden. Im Zweifel legen, welche nun mit ubiquitär vorhan- stimmungen werden weitergehende Un-
müssen Vorbefunde eingeholt sowie denen IgM-Antikörpern gegen diese an- tersuchungen, wie z. B. Untersuchung un-
eine frühzeitige Rücksprache mit der sonsten verborgenen Antigene reagieren. ter Verwendung anderer Seren oder mo-
Transfusionsmedizin und Transplan- Auch angeborene Formen treten auf, die- lekulargenetische Analyse angeschlossen
tationseinheit angestrebt werden. Sind se sind jedoch sehr selten. Das Phänomen [7, 8].
diese Randbedingungen nicht klärbar, der Polyagglutination kann die Blutgrup-
ist auf ein am ehesten verträgliches penbestimmung im Labor und im Bed-
Schema, wie beispielsweise Versorgung side-Test beinträchtigen sowie den Anti-

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Seltenere AB-Subgruppen Eigenschaften der Blutgruppen A, B und CIS-AB-, B(A)-Phänomen
Seltene angeborene Varianten der AB0- 0/H [25]. Eine sehr seltene genetische Variante
Blutgruppe können die Blutgruppen- Das gemeinsame Blutgruppenmerk- der Blutgruppe AB mit abgeschwächter
bestimmung erschweren. So finden mal H ist für Menschen mit Bombay- Expression der AB-Eigenschaft ist das
sich z. B. bei der A3-Blutgruppe deut- Blutgruppe ein Fremdantigen; die Be- CIS-AB-Phänomen. Als weitere sehr
lich weniger „A“-Antigen-Eigenschaften troffenen haben als Isoagglutinine neben seltene Blutgruppenvarianten sind das
auf den einzelnen Erythrozyten (A1: Anti-A und Anti-B auch ein hoch reakti- B(A)-Phänomen oder das A1(B)-Phäno-
ca. 800.000–1.200.000/Erythrozyt, A2: ves Anti-H. Patienten mit Bombay-Blut- men bekannt; eine Diskrepanz zwischen
ca. 230.000–240.000, A3: ca. 30.000), bei gruppe dürfen ausschließlich mit Blut Erythrozyteneigenschaften und Serum-
der Ax-Blutgruppe sind dies noch we- der gleichen Blutgruppe versorgt wer- eigenschaften, wie bei diesen Varianten,
niger exprimiert (ca. 4000/Erythrozyt), den; was für die Betroffenen eine Be- sollte im Regelfall im Labor bzw. in der
sodass bei Inkubation mit Anti-A-Se- vorratung entsprechender Blutprodukte Blutbank bei der Blutgruppenbestim-
rum eine Agglutination nicht bzw. nur bzw. die Spende und Kryokonservierung mung auffallen und muss sodann durch
sehr schwach auftritt; jedoch eine Ag- von Eigenblut zur Folge hat. Eine weitere weitere Testverfahren untersucht werden
glutination mit Anti-AB-Serum. Im Besonderheit ist die Parabombay-Blut- [28].
Zweifelsfall ist eine molekulargenetische gruppe: Die Betroffenen sind, analog zur
Bestimmung der Blutgruppe anzustre- Bombay-Blutgruppe, nicht in der Lage, Fazit für die Praxis
ben; im Notfall ist die Transfusion mit auf den Erythrozyten das Merkmal H zu
Erythrozytenkonzentraten der Blutgrup- exprimieren, jedoch ist das H-Antigen in In den meisten Fällen stellen die korrek-
pe 0 durchzuführen. Analog hierzu gibt diesem Fall als lösliches H-Antigen vor- te Blutgruppenbestimmung und Blut-
es Untergruppen der Blutgruppe B, handen. Die Versorgung von Patienten konservenzuordnung keine wesentliche
deren klinische Bedeutung jedoch ins- mit seltenen Blutgruppen erfordert eine Herausforderung für das immunhäma-
gesamt geringer ist [27]. (Übersicht über nationale sowie internationale Koopera- tologische Labor dar; in Einzelfällen
mögliche Probleme bei der Blutgrup- tion transfusionsmedizinischer Institute können jedoch durchaus Schwierig-
penbestimmung: . Tab. 1) (z. B. über DGTI Arbeitsgruppe Seltene keiten entstehen, welche sowohl zeit-
Blutgruppen, German Rare Donor Pro- aufwendige Nachuntersuchungen als
Raritäten gram [2]). auch hohe Sachkompetenz im Bereich
der Transfusionsmedizin erfordern. Für
Chimärismus Lebertransplantation den klinisch tätigen Arzt ergibt sich
Neben den oben beschriebenen Möglich- In seltenen Einzelfällen sind Blutgrup- daraus die Forderung nach einer früh-
keiten eines Blutgruppenchimärismus penwechsel nach Lebertransplantati- zeitigen Blutgruppenbestimmung, v. a.
durch Vortransfusion, hämatopoetische on beschrieben. Dieses Phänomen ist bei Patienten, bei denen im Verlauf eine
Stammzelltransplantation und Leber- durch die Übertragung hämatopoeti- Transfusion wahrscheinlich ist. Für die
transplantation kann auch eine Über- scher Stammzellen mit dem Spenderor- immunhämatologische Untersuchung
tragung maternalen Blutes an den Fetus gan in Kombination mit Immunsuppres- sind die Erhebung und Mitteilung der
zu einer Vermischung von Blutgrup- sion zu erklären; in Analogie zu einer spezifischen Anamnese (Vortransfusio-
penphänotypen führen. Zudem treten hämatopoetischen Stammzelltransplan- nen, Medikamente, Schwangerschaft)
sehr selten „echte“ Chimärismusformen tation [5]. v. a. bei Problemfällen essenziell. Auf
auf, welche durch intrauterinen Stamm- jeder Ebene sollten Kontrollen hinsicht-
zellaustausch bei zweieiigen Zwillingen „Acquired B“ lich der korrekten Identitätszuordnung
mit gemeinsamer Plazenta sowie durch Das Phänomen „acquired B“ kann bei (sowohl bei der Blutprobe als auch beim
Dispermie entstehen können [23]. Patienten mit Kolonkarzinom oder bei Befund) erfolgen. Der AB0-Identitäts-
gramnegativer Sepsis, bedingt durch Mo- oder Bedside-Test durch den transfun-
Bombay/Parabombay difikation des A-Antigens durch Bak- dierenden Arzt hat einen unverzichtbar
Eine weitere, sehr seltene, Besonder- terien, auftreten. In der Reaktion der hohen Stellenwert als letzte Sicher-
heit sind Patienten mit der Bombay- Erythrozyten mit Seren zur Blutgrup- heitsstufe vor Transfusion. Gerade in
Blutgruppe. penbestimmung, z. B. im Bedside-Test, Problemfällen ist eine frühzeitige und
Bei Menschen dieser Blutgruppe – kann eine „B-ähnliche“ Reaktion impo- enge Zusammenarbeit mit der Transfu-
regional gehäuft um Mumbai (ehemals nieren; wenn dieses Phänomen erkannt sionsmedizin unabdingbar.
Bombay), Indien, und meist der Volks- bzw. durch andere Testverfahren die Blut-
gruppe der Parsen angehörig (1:278, gruppe A gesichert wird, sind keine Pro-
Kaukasier: kleiner 1:1.000.000) – fehlen bleme bei der Transfusion zu erwarten
genetisch bedingt das Antigen H (das [15].
„Grundgerüst“ der AB0-Blutgruppenei-
genschaft) und damit auch die antigenen

Der Anaesthesist
Leitthema

with blood compatibility testing. Transfusion


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Der Anaesthesist

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