Sie sind auf Seite 1von 23

Biologie gk 12.

1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

7. Erscheinungsbild und Erbgang von Merkmalen beim


Menschen

7.1. Das AB0-Blutgruppensystem


Im 19. Jahrhundert hatten Ärzte immer wieder versucht, Patienten nach größeren
Blutverlusten durch die Übertragung von Blutspenden das Leben zu retten. Die Statistik war
jedoch verheerend. Bis zum Jahr 1871 waren von etwas mehr als 260 solcher
Bluttransfusionen knapp 150 (!) für die Empfänger tödlich ausgegangen, weil sich schwere
Gerinnsel in ihren Gefäßen gebildet hatten. Daher wagte es kein Arzt mehr solche
Blutübertragungen durchzuführen, bis im Jahr 1901 der Österreicher Karl LANDSTEINER
herausfand, weshalb sich das Blut zweier Menschen manchmal „vertrug“ und manchmal
verklumpte.
LANDSTEINER mischte Blutserum (= Blutplasma ohne feste zelluläre Bestandteile und den
Gerinnungsstoff Fibrinogen) mit Erythrozyten (= rote Blutkörperchen) und untersuchte zum
ersten Mal systematisch, mit Hilfe so genannter Kreuztests, unter welchen Umständen solche
Gemische verklumpen.
Dabei entdeckte er die 4 Blutgruppen des AB0-Systems: A, B, AB und 0.

Exkurs:
Die Antigen-Antikörper-Reaktion
Kommt der Körper in Kontakt mit einem körperfremden Antigen (z.B. bestimmte Strukturen
auf der Oberfläche von Krankheitserregern oder sonstigen Partikeln) so kommt es zur
Produktion von spezifischen Antikörpern durch spezielle Zellen des Immunsystems (B-
Zellen), die genau zu dieser Antigen-Struktur passen. Diese Antikörper schließen sich mit dem
Antigen zu unlöslichen Antigen-Antikörper-Komplexen (Präzipitaten) zusammen. Dadurch
kommt es zu einer Verklumpung der Antigen-tragenden Partikel, die als Agglutination
bezeichnet wird. Die eingedrungenen Partikel sind somit bewegungsunfähig gemacht worden
und werden anschließend von Fresszellen (Makrophagen) vernichtet.

Schema:
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

- Exkurs Ende -
Die Vererbung der AB0-Blutgruppen
Das Gen für diese klassischen Blutgruppen liegt in drei Allelen (A, B und 0) vor. Immer wenn
ein Gen in mehr als zwei Allelen vorliegt, spricht man von multipler Allelie.
Die Allele A und B bewirken jeweils die Ausbildung eines spezifischen
Oberflächenantigens (A-Antigen bzw. B-Antigen) auf der Oberfläche der Erythrozyten.
Diese Oberflächenantigene werden vom Immunsystem erkannt und - falls es sich um nicht
körpereigene Antigene (z.B. falsche Blutgruppe bei einer Transfusion) handelt - mit
bestimmten genau darauf passenden Antikörpern bekämpft. Dadurch kommt es zur
Agglutination der Erythrozyten und es bilden sich lebensgefährliche Gerinnsel in den
Blutbahnen.
Das Allel 0 bewirkt keine Ausbildung eines Oberflächenantigens.

Schema:

Blutkörperchen
Antikörper

Die Allele verhalten sich nun wie folgt zueinander:


- Sowohl das Allel A als auch das Allel B sind dominant über das Allel 0
- Liegen die Allele A und B gemeinsam vor, so werden beide voll ausgebildet.
Die Erythrozytenoberfläche ist dann sowohl mit A- als auch mit B-Antigenen bestückt.
Man spricht in diesem Fall von Kodominanz der Allele A und B.
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Übersichtstabelle über die Verhältnisse beim AB0-Blutgruppensystem:

Genotyp Blutgruppen-Antigen Blutgruppe Gebildete Anti-Körper


AA / A0 A A Anti-B
BB / B0 B B Anti-A
00 keine 1) 0 Anti-A und Anti-B
AB AB AB keine 2)
1)
Menschen mit Blutgruppe 0 sind so genannte „Universalspender“, da ihre Erythrozyten keine
Blutgruppenantigene besitzen und somit nach einer erfolgten Transfusion nicht vom Immunsystem des
Empfängers bekämpft werden können.
2)
Menschen mit der Blutgruppe AB sind so genannte „Universalempfänger“, da diese keine Antikörper gegen
die Blutgruppenantigene A und B bilden können.
Diese Tatsache spielt bei heutigen Transfusionen jedoch keine Rolle mehr, da es immer wieder zu
Komplikationen kam.

Blutgruppenverteilung in Europa:
A = 42% 0 = 37%
B = 14% AB = 7%

Blutgruppenverteilung in Indien:
B = 41% 0 = 31%
A = 19% AB = 9%

Aufgabe:
Geburt von vier Kindern, deren Kennzeichnung verloren gegangen ist, mit folgenden
Blutgruppen: 0, A, B, AB
Die in Frage kommenden Elternpaare haben folgende Blutgruppen:
A x B, B x B, AB x 0, 0 x 0
Welches Kind gehört zu welchen Elternpaaren?

Lösung:
0 B AB A
0x0 BxB AxB AB x 0
Mögliche 00 x 00 BB x BB AA x BB AB x 00
Allelkombinationen BB x B0 AA x B0
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

B0 x B0 A0 x BB
A0 x B0

7.2. Die Vererbung des Geschlechts


Exkurs: Geschlechtsbestimmung
Fast alle Lebewesen besitzen eine bisexuelle Potenz, d.h. die Fähigkeit, sich in männlicher
und weiblicher Richtung zu entwickeln. Welches Geschlecht schließlich realisiert wird, darüber
entscheiden bestimmte Geschlechtsrealisatoren.
Man unterscheidet zwei grundlegende Formen der Geschlechtsbestimmung:
Die häufigste Form ist die

a) Genotypische Geschlechtsbestimmung
Hier sind Einzelgene bzw. Gengruppen als Geschlechtsrealisatoren wirksam. Da diese auf
den Geschlechtschromosomen liegen, spricht man auch von chromosomaler
Geschlechtsbestimmung.
Die Geschlechtsbestimmung demnach ist in diesem Fall ein Vorgang der Vererbung. Das
Geschlecht des neuen Lebewesens ist demnach mit der Befruchtung festgelegt.

Man unterscheidet verschiedene Systeme:


Das XY-System (Säugetiere)
Die Weibchen besitzen ein homologes Geschlechtschromosomenpaar XX, während die
Männchen ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom besitzen. Folglich können die
Männchen Gameten bilden die entweder ein X-Chromosom oder ein Y-Chromosom enthalten
(heterogametisch), während die Weibchen nur einen Typ von Gameten, nämlich mit einem
X-Chromosom, bilden können (homogametisch).
Die Gene welche die Ausprägung des männlichen Phänotyps (insbesondere die Ausbildung
der Geschlechtsorgane) enthalten, liegen alle auf dem Y-Chromosom.

Das ZW-System (Vögel, manche Fische, Schmetterlinge)


Hier sind die Weibchen das heterogametische Geschlecht. Um Verwechslungen mit dem
XY-system zu vermeiden werden die Geschlechtschromosomen hier mit Z und W bezeichnet.
Die Weibchen besitzen folglich den Geschlechtschromosomensatz ZW und bilden daher
heterogametische Eizellen die entweder das Z- oder das W-Chromosom tragen. Die
Männchen weißen den Satz WW auf und bilden daher homogametische Spermien.
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Das X0-System (Heuschrecken, Schaben)


Hier gibt es nur einen Typ von Geschlechtschromosomen, nämlich X.
Weibchen sind XX, Männchen sind X0, d.h. die Männchen besitzen nur ein
Geschlechtschromosom. Das Geschlecht der Nachkommen wird dadurch bestimmt, dass das
Spermium entweder ein X-Chromosom oder kein Geschlechtschromosom enthält.

Das haplo-diploide System (Bienen und Ameisen)


Hier gibt es keine Geschlechtschromosomen. Die Weibchen entwickeln sich aus
befruchteten Eizellen und sind daher diploid. Die Männchen entwickeln sich aus
unbefruchteten Eizellen und sind daher haploid. Sie haben daher keine Väter!
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

b) Phänotypische Geschlechtsbestimmung
Hier entscheiden Außenfaktoren oder stoffwechselphysiologische Bedingungen darüber,
welche sexuelle Potenz in den genetisch gleichen Zellen gefördert und welche unterdrückt
wird. Erbanlagen sind nur insofern an der Geschlechtsbildung beteiligt, als sie die Möglichkeit
zur Ausbildung beider Geschlechter sowie den Zeitpunkt bestimmen, in dem über das
zukünftige Geschlecht der Zellen entschieden wird.
Eine phänotypische Geschlechtsbestimmung durch Umweltfaktoren kommt bei allen
zwittrigen Pflanzen vor, die männliche und weibliche Fortpflanzungsorgane am selben
Individuum ausbilden. Die Prozesse die diese Entwicklung
steuern sind noch weitgehend unbekannt.
Bei Tieren ist die phänotypische Geschlechtsbestimmung
sehr selten.
Beim Igelwurm Bonellia viridis, einem marin lebenden
Wurm mit extremem Geschlechtsdimorphismus, schlüpfen
aus den Eiern zunächst geschlechtlich unbestimmte Larven.
Entwickeln sich diese freilebend am Meeresgrund weiter, so
entstehen daraus 15-20 cm lgroße Weibchen mit einem
über 1 Meter langen, am Ende gespalteten Rüssel. Setzt

sich eine freischwimmende Larve am Rüssel eines
Weibchens fest, so bildet sich daraus unter dem Einfluss der

Rüsselsekrete ein nur etwa 2mm großes Zwergmännchen.
Aus wieder abgelösten männlichen Tieren gehen je nach
Dauer des Rüsselparasitismus verschiedene „intersexuelle“
Bonellia viridis.
Zwischenstufen hervor.

- Exkurs Ende -
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Geschlechtsbestimmung beim Menschen


Beim Menschen findet sich wie bei allen Säugetieren eine genotypische
Geschlechtsbestimmung nach dem XY-System.
Die Gene welche die Ausprägung des männlichen Phänotyps (insbesondere die Ausbildung
der Geschlechtsorgane) enthalten, liegen alle auf dem Y-Chromosom.
Beim Menschen reguliert im Wesentlichen ein einziges Gen auf dem Y-Chromosom die
Entwicklung zum männlichen Phänotyp. Es handelt sich um das sry-Gen (sexdeterminating
region on y-chromosom), das den MIF-Faktor (muellerian inhibiting faktor) codiert. Der MIF-
Faktor ist ein Steuerprotein, das in der frühen Embryonalentwicklung (der Embryo ist in
diesem Stadium noch bisexuell angelegt!) die Ausbildung der Müllerschen Gänge (spätere
Eileiter bei der Frau) unterdrückt und dafür die Ausbildung der Wolffschen Gänge (späterer
Harn-Samenleiter beim Mann) fördert. Die Wolffschen Gänge steuern dann ihrerseits über
weitere Proteine und Hormone die Entwicklung des männlichen Phänotyps insbesondere die
Ausbildung der Hoden.

1949 entdeckte der Anatom Murray Barr am Rand von speziell angefärbten weiblichen
Zellkernen kleine dunkle Punkte, die später als Geschlechtschromatin benannt wurden.
Dieses tritt nur bei Frauen auf (Geschlechtschromatin positiv) nicht bei Männern
(Geschlechtschromatin negativ). Zu Ehren von Murray Barr wird dieses heute als Barr-
Körperchen bezeichnet.
Das Barrkörperchen wird als bei Sportveranstaltungen auch für den so genannten „Sextest“
herangezogen, um Frauen eindeutig als Frauen zu identifizieren.

1961 entdeckte Mary Lyon, dass es sich bei dem Barr-Körperchen um ein inaktiviertes X-
Chromosom handelt (während das andere aktiv ist). Welches der beiden X-Chromosomen in
den jeweiligen Zellen der Frau inaktiviert ist, hängt nur vom Zufall ab! (Lyon-Hypothese)
Frauen bzw. alle Säugerweibchen besitzen also zwei Sorten von Körperzellen in denen das
jeweils andere X-Chromosom aktiv ist. Man bezeichnet sie daher als genetische Mosaike.
Besonders schön kann man diese Mosaike bei einigen Katzenrassen erkennen.
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Die Mosaikbildung ist bei weiblichen Schildpattkatzen besonders schön zu sehen, da hier das Gen für die
Fellfarbe mit den Allelen orange bzw. schwarz auf dem X-Chromosom liegen. Männliche Schildpattkatzen sind
dagegen einfarbig schwarz oder orange (da nur 1 X-Chromosom!).
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

7.3. Chromosomenaberationen beim Menschen


Neben der krankhaften Veränderung einzelner Chromosomen (Chromosomen-Mutationen)
spielen numerische (zahlenmäßige) Veränderungen der Chromosomen eines
Chromosomensatzes für viele chromosomal bedingte Krankheitsbilder des Menschen eine
große Rolle. Solche Veränderungen werden als Genom-Mutationen bezeichnet.

Formen der Genom-Mutationen:

a) Völlige Polyploidie
Sämtliche Chromosomen liegen in überzähliger Zahl vor, z.B. triploider Zustand (3n) statt
dem normalen diploiden Zustand (2n)
 bei höheren Tieren (nicht bei Pflanzen!) immer letal (tödlich)!

b) Aneuploidie
Einzelne Chromosomen fehlen oder sind überzählig.
 oft Debilität
 manchmal letal
α) Nullisomie
Ein homologes Chromosomenpaar fehlt  immer letal

β) Monosomie
Es fehlt ein Chromosom eines homologen Chromosomenpaares
- autosomale Monosomie (Chromosomen 1 bis 22)  immer letal
- Y-Monosomie „Y0“ (X-Chromosom fehlt)  letal
- X-Monosomie „X0“  lebensfähig

γ) Trisomie
Ein Chromosom ist dreimal vorhanden
- Chromosom 1 bis 12  letal
- Chromosomen 13 bis 22 und Gonosomnen  mehr oder weniger schwere
somatische (körperliche) Schäden, Debilität
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Grund für diese Poly- bzw. Aneuploidien:


In der Anaphase I der Meiose I werden die beiden Homologen eines Chromosomenpaares
durch Fehler bei der Ausbildung der Teilungsspindel nicht auf die Tochterzellen verteilt.
Einen solchen Vorgang bezeichnet man als „non-disjunction“.

Mutterzelle

Tochterzellen

Schema: Vorgänge während der Meiose I mit „Non-Disjunktion“

Non-disjunction in der Meiose I: Eine Tochterzelle erhält beide Homologen, während die andere Tochterzelle „leer
ausgeht“.

(Seltener geschieht ein solches „non-disjunktion“ bei der Meiose II, so dass die beiden
Chromatiden nicht auf die jeweiligen Tochterzellen aufgeteilt werden können.)

Gonosomale Aneuploidien beim Menschen


Der häufigste Fall dieses Mutationstyps ist, dass die beiden X-Chromosomen (logischerweise
nur bei der Frau!) bei der Chiasmabildung in der Meiose I so fest zusammenhängen, dass sie
nicht mehr aufgeteilt werden können. Die Folge sind Eizellen die entweder beide X-
Chromosomen oder überhaupt kein X-Chromosom enthalten (im Verhältnis 1:1).

Die Befruchtung solcher Eizellen durch ein Spermium kann dann folgende
Chromosomenkombinationen erzeugen:
„0“-Eizelle + X-Spermium  Karyotyp: 44 Autosomen + X0 (Turner-Syndrom)
„0“-Eizelle + Y-Spermium  Karyotyp: 44 Autosomen + Y0  letal
XX-Eizelle + X-Spermium  Karyotyp: 44 Autosomen + XXX (Triplo-X-Syndrom)
XX-Eizelle + Y-Spermium  Karyotyp: 44 Autosomen + XXY (Klinefelter-Syndrom)

Definition „Syndrom“:
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Krankheitsbild, das aus mehreren Symptomen besteht, welche alle auf die gleiche Ursache
zurückzuführen sind und bei den einzelnen Patienten im Ausprägungsgrad und in der
Symptomkombination unterschiedlich sein können.
Turner-Syndrom „X0“
- Wahrscheinlichkeit 1:2500
- 45 Chromosomen, kein Barrkörperchen
- Karyotyp: 44 + X0

Schema:

Symptome:
- Genitale und Habitus weiblich
- Sexueller Infantilismus: keine Brustentwicklung, kaum Scham- und
Achselbehaarung, keine Menstruation
- Ovarien (Eierstöcke) sind unterentwickelt, keine Produktion weiblicher
Sexualhormone (Östrogene, Gestagene)  keine Eireifung  Sterilität (infertil)
- Auffälliger Kleinwuchs
- Lockere Nackenhaut  Flügelfell
- Eingesenktes Brustbein  „Schildbrust“
- Weit außen liegende, kleine Brustwarzen
- Osteoporose
- Deformation des Ellenbogengelenks
- Aortenveränderungen
- Geburtsgewicht unter 2500 g
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

- Im Allgemeinen geistig normal


- Auffällig gut ausgeprägter Brutpflegetrieb
- Libido extrem schwach ausgeprägt (bis zur Frigidität)
Behandlung:
Gabe von Östrogenen und Gestagenen ab dem 13. Lebensjahr
 Menstruation, Wachsen von Scham- und Achselhaaren

Triplo-X-Syndrom „XXX“
- Wahrscheinlichkeit: 1:1500
- 2 Barrkörperchen
- Karyotyp: 44 + XXX  Triplo-X-Frau

Schema:

Symptome:
- körperlich normal
- IQ meist unter 90, leicht debil
- Nachkommen meistens diploid
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Klinefelter-Syndrom „XXY“
- Wahrscheinlichkeit 1:500 der Männer
- Ein Barrkörperchen vorhanden
- Karyogramm: 44 + XXY
- Genitale männlich

Schema:

Symptome:
- kleine Hoden
- geringe Testosteron-Produktion
- Azoospermie (bewegungsunfähige Spermien)  Infertilität
- Impotenz
- Verspäteter Stimmbruch und Hodenabstieg
- Schambehaarung weiblichen Typus
- kaum Bartwuchs
- schwache Körperbehaarung
- oft starkes Unterhautfettgewebe
- Gynakomastie (Frauenbrustentwicklung)
- meist großer Körper, auffällig lange Gliedmaßen
- immer retardiert, manchmal debil
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Behandlung:
Testosteron-Gabe
Aber auch bei der Bildung von männlichen Keimzellen kann ein non-disjunction vorkommen.
So können z.B. Spermien, die 2 Y-Chromosomen enthalten, entstehen.
Kommt ein solches Spermium zur Befruchtung mit einer Eizelle, die ein X-Chromosom enthält,
so bildet sich ein Mensch mit dem Karyotyp 44 + XYY (Diplo-Y-Syndrom).

Diplo-Y-Syndrom „XYY“
- Wahrscheinlichkeit 1:1000 der Männer
- Kein Barrkörperchen
- Karyotyp: 44 + XXY

Schema:

Symptome:
- geistig schwach normal
- erhöhte Aggressivität  Neigung zu Gewalttaten (Vergewaltigung)
- auffallend groß (immer über 1,85 m)
- kräftiger Körperbau
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Autosomale Aneuploidien beim Menschen


Immer deutlich schwere Schäden als bei gonosomalen Aneuploidien!

Trisomie 21 / Down-Syndrom („Mongoloismus“)


Verursacht durch ein non-disjunction des Chromosoms 21 in der Meiose I (meist bei der Frau).
- Chromosom 21 liegt dreifach vor
- Karyotyp: 45 Autosome + XX bzw. XY

Symptome:
- geistig retardiert
- flache, breite Gesichter
- flacher Hinterkopf
- „Mongolenaugen“
- kleine Nase
- wulstige Lippen
- hängende Unterlippe
- um 30% zu große Zunge  geöffneter Mund
- unartikuliertes Sprechen
- fliehendes Kinn, Doppelkinnneigung
- Neigung zur Fettleibigkeit
- Schwach ausgeprägte Muskulatur
- Kurze Gliedmaßen
- Kleinwuchs (selten über 1,50 m)
- Häufig angeborene Herzfehler
- Erhöhte Infektionsanfälligkeit
- Leukämiedisposition (Neigung zur Leukämieerkrankung)
- Geringe Lebenserwartung
- Pubertät stark verzögert
- Mann: Mikrophallus, Hoden degeneriert  infertil
Frau: deformierte Schamlippen, unregelmäßige Menstruation, bereits frühe
Menopause (ca. 35 Jahre), fertil (!)
- Vier-Finger-Furche
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

7.4. Erbkrankheiten des Menschen


Die Mendelschen Regeln gelten natürlich auch für viele Erbgänge von Merkmalen beim
Menschen. Dabei kann es sich um harmlose, oft unauffällige Merkmale oder aber auch um
schwere Erbkrankheiten handeln.

7.4.1. Einige einfach beobachtbare Merkmale des Menschen


- 63 % aller Mitteleuropäer empfinden Phenylthioharnstoff (PTH) als deutlich bitter
(„Schmecker“), 37% können diesen Stoff nicht wahrnehmen („Nichtschmecker“)
- Etwa 70% der Menschen können beim freien Herausstrecken der Zunge deren seitliche
Ränder nach oben zu einer Röhre zusammenrollen („Roller“), die restlichen 30% nicht
(„Nichtroller“).
Betrachtet man diese Zahlenverhältnisse so liegt nahe, dass die Gene für Nichtrollen der
Zunge und Nichtschmecken von PTH rezessiv sind, wogegen die Gene für das Rollen der
Zunge und das schmecken von PTH dominant sind.
 Dominant-rezessive Erbgänge!

7.4.2. Autosomal bedingte Erbleiden des Menschen


Der Nachweis über die Dominanz oder Rezessivität des dafür verantwortlichen Gens wird über
Stammbaumuntersuchungen geführt.

Zur Aufstellung von Erbgängen und Familienstammbäumen orientiert man sich an einer
einheitlichen Symbolik:
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Bei autosomal bedingten Erbleiden liegen die krankheitsverursachenden Gene auf den
Autosomen (Nr. 1 bis 22), sie werden daher geschlechtsunabhängig vererbt.
Es gibt nun zwei Möglichkeiten bezüglich solcher Gene: Entweder ist die krankhafte Form
dominant oder sie ist rezessiv.

A) Autosomal dominanter Erbgang


Das krankhafte Allel ist in diesem Fall dominant, die gesunde Form ist rezessiv.
Das bedeutet, dass solche Krankheiten bereits bei Anwesendheit eines dafür verantwortlichen
Allels (heterozygoter Zustand) auftreten.

Schema des Erbgangs:


Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Bei etlichen dieser dominant vererbten Gene ist der homozygote Zustand (also AA) nicht
lebensfähig und führt zum frühen Tod des Embryos.

Beispiele:
- Marfan-Syndrom (Spinnenfingrigkeit): Häufigkeit 1,5 : 100.000.
Hochwuchs mit langen Extremitäten, Trichterbrust, Rippen- und Augapfelverformungen,
Schäden am Aortenbogen und den Gelenken.
- Chondrodystropher Minderwuchs: Häufigkeit 2 : 100.000:
Verkürzte Extremitäten durch Störung im Bereich der Knochenepiphysen
(Wachstumsfugen der Knochen), sattelförmige Nase, breite Stirn.
- Brachydactylie (Kurzfingrigkeit): Häufigkeit 1 : 200.000.
Einzelne Finger sind verkürzt.
B) Autosomal rezessiver Erbgang
Die krankhaften Allele sind in diesem Fall rezessiv und die Krankheit tritt nur dann auf, wenn
zwei rezessive Allele zusammentreffen (homozygot rezessiver Zustand). Heterozygote
Merkmalsträger sind gesund, können aber an ihre Nachkommen das krankhafte Allel
weitergeben.
Da daher bei Verwandtenehen im Vergleich zu Nichtverwandtenehen die Wahrscheinlichkeit
viel größer ist, dass zwei gleichartige rezessive Allele zusammentreffen, hat der Gesetzgeber
Verwandtenehen und Inzest (sexuelle Geschwisterliebe) verboten.

Schema des Erbgangs:


Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Beispiele:
- Albinismus: Häufigkeit 1,5 : 20.000
Fehlen von Pigmenten in der Haut und in den Haaren, rote Iris.
- Phenylketonurie: Häufigkeit 1 : 10.000
Durch eine überhöhte Menge an Phenylbrenztraubensäure wird bei unbehandelten
Patienten das Nervensystem vergiftet und es tritt geistige Behinderung auf.
- Mucoviscidose: Häufigkeit 1 : 1000
Funktionsstörung der endokrinen Drüsen mit fortschreitenden krankhaften Veränderungen
an Bauchspeicheldrüse, Lunge und anderen Organen.

7.4.3. Gonosomal bedingte Erbleiden des Menschen


Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchungen Mendels war, dass die Weitergabe von
Merkmalen unabhängig davon erfolgt, welcher der Merkmalsträger der väterliche oder
mütterliche Elternteil ist (Prinzip der Reziprozität). Der Grund für diese Beobachtung Mendels
ist, dass es sich bei der Gartenerbse um eine zwittrige Pflanze handelt, bei der die männlichen
und weiblichen Fortpflanzungsorgane an ein und derselben Pflanze (in ein und derselben
Blüte) ausgebildet werden. Die Geschlechtsbestimmung erfolgt bei der Gartenerbse daher
phänotypisch (siehe Kapitel 7.2.) und sie besitzt somit keine Geschlechtschromosomen. Daher
können hier keine Gene auf solchen Geschlechtschromosomen liegen und alle Merkmale
werden unabhängig vom Geschlecht vererbt.
Bei Lebewesen, deren Geschlechtsbestimmung genotypisch - also im Normalfall über
Geschlechtschromosomen (XY-, ZW-, X0-System) - erfolgt beobachtet man zahlreiche
Beispiele für Vererbung von Merkmalen, bei denen Reziprozität nicht gegeben ist.

Da beim Menschen auf dem Y-Chromosom, außer den wenigen Genen für die Realisation
des männlichen Genotyps, kaum Erbinformation enthalten ist, werden die
geschlechtsgebundenen Merkmale und Krankheiten nahezu ausschließlich über die X-
Chromosomen vererbt.
Man spricht daher auch von X-chromosomaler Vererbung.
Der Mann ist im Bezug auf die Gene des X-Chromosoms immer hemizygot, d.h. die Gene
dieses Chromosoms liegen nur in einfacher Ausführung vor (obwohl es sich um einen
diploiden Organismus handelt!).
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

A) X-chromosomal dominanter Erbgang


Nur wenige bekannt!
In diesem Fall sind auch heterozygote Frauen phänotypisch betroffen.

Beispiele:
- Zahnschmelz-Hypoplasie (gelbbrauner Zahnschmelz)  Diareihe, Arbeitsblatt
- Erblicher Nystagmus (ständiges Zittern der Augen)
- Nachtblindheit B

B) X-chromosomal rezessiver Erbgang


Die krankhaften Allele sind rezessiv und liegen auf dem X-Chromosom. Männer die ein
solchen X-Chromosoms mit dem krankhaften Allel besitzen, sind immer phänotypisch
Merkmalsträger, da es auf dem Y-Chromosom keine entsprechenden Allele gibt, die den
Defekt ausgleichen könnten.
Frauen dagegen besitzen 2 X-Chromosomen, so dass die Krankheit bei diesen nur im
homozygot rezessiven Fall auftritt (sie also Träger von zwei krankhaften Allelen sind).
Heterozygote Frauen sind phänotypisch gesund, sie vererben jedoch das krankhafte Allel auf
die Nachkommenschaft, sie sind so genannte Konduktorinnen (Überträgerinnen).
Konduktorinnen sind also Trägerinnen von rezessiven X-chromosomalen Allelen, die nicht
phänotypisch von dem Merkmal betroffen sind.
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Ein bekanntes Beispiel für einen X-chromosomal rezessiven Erbgang ist die Rot-Grün-
Blindheit.
 Testdias!

Rot-Grün-Blindheit
Die Rot-Grün-Blindheit tritt in Europa bei 8% der Männer und 0,4% der Frauen auf. Personen
mit Rot-Grün-Blindheit haben von den Farben einen anderen Eindruck als Normalsichtige.
Manche Rot- und Grün-, vor allem aber Orange-, Beige- oder Olive-Töne können nicht
unterschieden werden. Die Ursachen dieser Krankheit liegen in einer Störung des
Sehzapfenapparats in der Netzhaut. Das Farbensehen des Menschen kommt durch eine
Mischerregung von drei verschiedenen Zapfentypen (rot, grün, blau) in der Netzhaut zustande.
Bei Rot-Grün-Blinden können die zapfen für rot oder grün (oder beide) gestört sein.
Dementsprechend fällt auch die Art und Stärke der Farbstörung unterschiedlich aus.
Die Gene für die Bildung der Rot- und Grün-Zapfen liegen auf dem X-Chromosom. Das Allel
für Rot-Grün-Blindheit ist rezessiv, das Allel für die normale Farbwahrnehmung ist dominant.

Schema:
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Bluterkrankheit (Hämophilie)
Die Bluterkrankheit wird ebenfalls X-chromosomal rezessiv vererbt. Bluter leiden unter
häufigen Blutergüssen unter der Haut, vor allem im Gelenkbereich, offene Wunden bluten
überdurchschnittlich lange, bei größeren Wunden droht Lebensgefahr. Die Blutgerinnung ist
bei Blutern dadurch gestört, dass ein bestimmter Gerinnungsfaktor (von mehreren dafür
nötigen) fehlt. Bei der Hämophilie A ist dies der Faktor VIII, bei der Hämophile B fehlt der so
genannte Christmas-Faktor.

Ein bekannter Fall der Bluterkrankheit (Hämophilie A) ist der Stammbaum der Nachkommen
von Königin Victoria von England. Bei der Bildung der Keimzellen in der elterlichen Linie
von Queen Victoria, so ist man sich heute sicher, ist eine spontane Änderung (Mutation) des
Gens in seine krankhafte Form erfolgt, so dass Queen Victoria heterozygot in Bezug auf das
krankhafte Allel und somit Konduktorin wurde.
Biologie gk 12.1
Zellbiologische Grundlagen der Vererbung

Mutation!

Das könnte Ihnen auch gefallen