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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6 Erkrankungen mit Befall der Glomerula


6.1 IgA-Nephropathie 6.1.4 Definition
Thomas Rauen ● Die Diagnose einer IgAN kann nur durch eine Nieren-
biopsie gestellt werden (▶ Abb. 6.1):
○ Nachweis einer mesangioproliferativen Glomerulo-
6.1.1 Steckbrief nephritis mit diffusen, mesangialen Immunglobulin-
Die IgA-Nephropathie (IgAN) ist die häufigste primäre A-Ablagerungen (IgA-Ablagerungen);
○ darüber hinaus häufig zusätzlicher Nachweis der
Glomerulonephritis in der westlichen Welt. Häufig bleibt
die IgAN unentdeckt, da sie in den meisten Fällen oligo- Komplementfaktoren C 3 und C 1q und der Immun-
symptomatisch bzw. nur mit minimalen Urinbefunden globuline IgM und IgG.
IV ● Nach heutigem Standard sollte die histopathologische
(Mikrohämaturie und/oder geringer Proteinurie) verläuft.
In 20–30 % jedoch kann die Erkrankung in einer termina- Diagnose nach der Oxford-MEST-C-Klassifikation for-
len Niereninsuffizienz münden. Das Ausmaß der Nieren- muliert werden (▶ Tab. 6.1) [3].
funktionseinschränkung, der Proteinurie, der tubuloin-
terstitiellen Fibrose zum Zeitpunkt der Diagnosestellung 6.1.5 Epidemiologie
sowie das Vorliegen einer arteriellen Hypertonie stellen
ungünstige Prognosefaktoren dar. Zunächst stehen bei al- ● Exakte Angaben zur Prävalenz liegen nicht vor, da bei
len Patienten supportive Therapiemaßnahmen (v. a. eine oligosymptomatischem Verlauf mit nur minimalen
antihypertensive und antiproteinurische Therapie) im Urinbefunden entsprechend der gängigen Biopsiepraxis
Vordergrund. Obwohl sich Hinweise auf eine (auto)im- in den meisten Ländern keine Nierenbiopsie zur Diag-
munologische Komponente in der Krankheitsentstehung nosesicherung erfolgt und die Krankheit somit häufig
der IgAN ergeben, bleibt derzeit der Stellenwert einer zu- unentdeckt bleibt.
sätzlichen immunsuppressiven Therapie höchst umstrit- ● Geschätzte Prävalenz in der westlichen Welt von etwa
ten. 1–2 % (anhand von Autopsiestudien bzw. „Stunde Null“-
Transplantatbiopsien); regional stark unterschiedliche
Prävalenzraten (besonders hoch in asiatischen Ländern,
6.1.2 Aktuelles sehr niedrig in Afrika).
● 2015 wurde die STOP-IgAN-Studie in im New England
● Erste Symptome (z. B. Mikrohämaturie, geringe Protei-
Journal of Medicine publiziert [2]: nurie) meist im jungen Erwachsenenalter.
○ Vergleich einer optimierten Supportivtherapie mit
● In der kaukasischen Bevölkerung sind Männer etwa
zusätzlicher immunsuppressiver Therapie versus rein doppelt so häufig betroffen wie Frauen.
supportiver Therapie bei proteinurischen IgAN-Pa-
tienten über 3 Jahre. 6.1.6 Ätiologie und Pathogenese
○ Beide Gruppen zeigten einen vergleichbaren Verlust

an Nierenfunktion (um etwa 1,5 ml/min/Jahr). ● Genetische Komponente:


○ Die jüngsten genomweiten Assoziationsstudien
○ Unter der Immunsuppression wurden deutlich mehr

Nebenwirkungen (Infektionen, Diabetes mellitus, Ge- (GWAS) konnten eine Vielzahl definierter IgAN-Sus-
wichtszunahme) beobachtet. zeptibilitätsgene identifizieren, u. a. in Genloci für
● Die 2012 publizierten KDIGO (Kidney Disease: Impro- Wachstumsfaktoren, Zytokine, Moleküle des alterna-
ving Global Outcome)-Leitlinien fassen die aktuellen tiven Komplementwegs, der Antigenpräsentation und
Behandlungsempfehlungen für IgAN-Patienten zusam- der intestinalen Mukosaabwehr.
men [1]. ● Immunologische Veränderungen:
○ Produktion von untergalaktosylierten IgA1-Molekü-

len mit autoantigenem Potenzial (Bildung von Auto-


6.1.3 Synonyme antikörpern gegen untergalaktosyliertes IgA1) → Bil-
● Immunglobulin-A-Nephropathie dung und Zirkulation von Antigen-Antikörper-Im-
● IgA-Nephropathie munkomplexen → mesangiale Ablagerung dieser Im-
● IgAN munkomplexe → Aktivierung/Proliferation von Me-
● Morbus Berger (Erstbeschreibung 1968) sangialzellen, Komplementaktivierung und Podozy-
tenschädigung.

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6.1 IgA-Nephropathie

a b

Abb. 6.1 IgA-Nephropathie. Zytologischer Befund; sämtliche Abb. in 40-facher Vergrößerung. (Die Bilder wurden freundlicherweise
von Prof. K. Amann, Erlangen zur Verfügung gestellt)
a PAS-Färbung mit Nachweis der mesangio-proliferativen Hyperzellularität. (Quelle: Prof. K. Amann, Erlangen)
b Immunhistologie mit Nachweis IgA-haltiger Immundeposits. (Quelle: Prof. K. Amann, Erlangen)
c Immunhistologie mit Nachweis von C 3-Ablagerungen. (Quelle: Prof. K. Amann, Erlangen)

Tab. 6.1 Histopathologische Oxford-MEST-C-Klassifikation der 6.1.7 Klinik


IgAN.
● Die IgAN stellt eine im klinischen Bild sehr heterogene
Grad 0 Grad 1 Grad 2
Erkrankung dar.
(M) – Mesangiale < 50 % > 50 % ● Erste Symptome können eine oft zufällig im Rahmen
Hyperzellularität
einer Routineuntersuchung festgestellte, neue Mikrohä-
(E) - Endokapilläre Proliferation Nein Ja
maturie, rezidivierende Makrohämaturie-Phasen oder
(S) – Segmentale Nein Ja eine Proteinurie unterschiedlichen Ausmaßes sein.
Glomerulosklerose ● In seltenen Fällen kommt es zu einem nephrotischen
(T) – Tubuläre Atrophie und 0–25 % 26–50 % > 50 % oder nephritischen Syndrom bzw. akutem Nierenver-
interstitielle Fibrose
sagen mit rapid-progressivem Verlauf.
(C) – Glomeruläre Halbmonde/ 0% 1–24 % ≥ 25 % ● Eine Makrohämaturie tritt oft wenige Tage nach einem
Crescents
Infekt der oberen Atemwege auf und bildet sich in der
In der Biopsie müssen mindestens 8 Glomeruli ausgewertet Regel nach etwa 2–3 Tagen wieder zurück.
werden
● Darüber hinaus können auch gastrointestinale Infekte,
Atemwegsinfekte oder eine Mononukleose Makrohä-
maturie-Episoden bei IgAN-Patienten triggern.
● Im Intervall persistiert oft eine Mikrohämaturie und/
oder milde Proteinurie.

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6.1.8 Diagnostik Labor


Diagnostisches Vorgehen ● Mögliche Laborbefunde bei IgAN-Patienten umfassen:
○ eine asymptomatische Mikrohämaturie (Nachweis
● Entscheidend ist bei Patienten mit bioptisch gesicherter von Erythrozyten, dysmorphen Erythrozyten und/
IgAN ist eine frühe Abschätzung des Risikos für ein ter- oder Erythrozytenzylindern im Urinsediment),
minales Nierenversagen (End Stage Renal Disease, ○ etwa 40 % mit episodischer Makrohämaturie, zumeist
ESRD) anhand etablierter Risikofaktoren: kurzfristig nach respiratorischen oder gastrointesti-
○ ausgeprägte Proteinurie (> 1 g/Tag),
nalen (Mukosa-)Infekten (in aller Regel spontan re-
○ eingeschränkte Nierenfunktion bereits zum Zeitpunkt
gredient nach wenigen Tagen),
der Erstdiagnose, ○ eine in aller Regel milde, selten nephrotische Protein-
○ arterielle Hypertonie,
urie (meist < 2 g/Tag),
○ Nierenbiopsie mit > 25 % Tubulatrophie und intersti- ○ eine reduzierte Nierenfunktion bereits zum Zeitpunkt
IV tielle Fibrose (T-Wert der Oxford-MEST-C-Klassifika- der Diagnosestellung,
tion). ○ sehr seltene Verlaufsform mit nephrotischem Syn-
● ▶ Abb. 6.2 schlägt einen pragmatischen Algorithmus drom (etwa 5 %).
zur Risikostratifizierung, Diagnostik und Behandlung
von IgAN-Patienten vor.
Histologie, Zytologie und klinische
Pathologie
Anamnese
● Letztlich ist die Diagnose einer IgAN nur mittels Nieren-
● Sehr variables klinisches Bild; häufig asymptomatisch;
biopsie (Lichtmikroskopie und Immunhistologie bzw.
keine pathognomonische Klinik.
Immunfluoreszenz) zu stellen (▶ Abb. 6.1).

Körperliche Untersuchung
6.1.9 Differenzialdiagnosen
● Arterielle Hypertonie.
● Lupusnephritis (hierbei in aller Regel „Full House“-
Nachweis von IgA, IgG, IgM, C 3 und C 1q im Biopsat),
● Purpura Schoenlein-Henoch (vaskulitische Verlaufs-
form mit extra-renalen Manifestationen, Kap. 6.13),
● Poststreptokokken-Glomerulonephritis (wobei die Hä-
Hinweise auf eine IgA-Nephropathie
maturie hierbei etwas später, 6–21 Tage, nach dem
• Mikrohämaturie
• rezidivierende Makrohämaturie(n), Streptokokkeninfekt auftritt).
z.B. nach Atemwegsinfekten ● Verschiedene Autoimmun- und Infektionserkrankun-
• Proteinurie gen können mit der IgAN assoziiert sein, z. B.:
• reduzierte Nierenfunktion ○ Rheumatoide Arthritis,
• neue arterielle Hypertonie ○ Ankylosierende Spondylitis,

○ Zöliakie,

Ausschluss von Differenzialdiagnosen ○ alkoholische Lebererkrankung, NASH,

• systemischer Lupus erythematodes (SLICC-Kriterien) ○ Sarkoidose,


• Purpura Schönlein-Henoch (extrarenale Manifestationen) ○ monoklonale IgA-Gammopathie,

○ HIV-Infektion,

Diagnosesicherung durch Nierenbiopsie bei ○ Hepatitis-B-Virusinfektion,

• signifikanter Proteinurie (z.B. > 0,5 g/Tag) ○ Brucellose.


• GFR-Verlust

6.1.10 Therapie
Ausschluss von sekundären IgAN-Formen
(primär anamnestisch, invasiv nur bei begründetem Verdacht): Therapeutisches Vorgehen
• Zöliakie, chron. entzündliche Darmerkrankungen
• Leberzirrhose, alkohol. Lebererkrankung, NASH ● Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sollte eine Stratifi-
• chronische Infektionen, insbes. Tbc oder Hepatitis zierung nach dem Risiko für einen progredienten
• monoklonale IgA-Gammopathie Krankheitsverlauf vorgenommen werden. Diese sollten
• Autoimmunerkrankungen (rheumatoide Arthritis/ sich vorrangig an der Nierenfunktion, dem Ausmaß der
ankylosierende Spondylitis, Lupus, Schilddrüse etc.)
Proteinurie, dem Vorliegen einer arteriellen Hypertonie
• Sarkoidose
und der Histologie (v. a. T-Wert entsprechend der Ox-
• Brucellose
ford-MEST-C-Klassifikation, ▶ Tab. 6.1) orientieren.
● ▶ Abb. 6.3 gibt neben der Risikostratifizierung auch ei-
Abb. 6.2 IgA-Nephropathie. Diagnostisches Vorgehen.
nen Therapiealgorithmus für IgAN-Patienten.

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6.1 IgA-Nephropathie

Risiko für einen progredienten Verlauf/ESRD

niedrig mittel hoch

Mikrohämaturie und/oder geringe Proteinurie >0,5–1 g/Tag und/oder akuter oder schneller
Proteinurie, normale GFR, Normotonus GFR↓ und/oder Hypertonie GFR-Verlust

Kontrollen alle 1–2 Jahre supportive Therapie


(GFR, Proteinurie, Urinstatus, Blutdruck) über 3–6 Monate optimieren

GFR >50 ml/min GFR 30–50 ml/min GFR ≤30 ml/min nephrotisches AKI (Makro-
Syndrom hämaturie oder
oder RPGN andere Ätiologie)
Protein- Protein- supportive supportive
urie urie Therapie Therapie
<1 g/Tag ≥1 g/Tag Immunsuppression keine Immunsuppr.
supportive supportive
+ GFR n. ± GFR↓ kritisch abwägen (Ausnahme RPGN)
Therapie Therapie

+ Immun-
sup- sup- evtl. suppression
portiv portiv
6 Monate 6
Steroide

Abb. 6.3 IgA-Nephropathie. Algorithmus zur Risikostratifizierung und Therapie der IgA-Nephropathie (AKI: acute kidney injury,
RPGN: rapid progrediente Glomerulonephritis).

Allgemeinmaßnahmen ○ Für diejenigen Patienten, die trotz optimierter Sup-


portivtherapie nach 3–6 Monaten noch eine Protein-
● Bei allen IgAN-Patienten sollte urie > 1 g/Tag bei erhaltener Nierenfunktion
○ eine konsequente Blutdruckkontrolle mit einem sys-
(GFR > 50 ml/min/1,73 m2) haben, schlägt die aktuelle
tolischen Zielwert < 130 mmHg erfolgen, Leitlinie eine 6-monatige Steroidtherapie vor (z. B.
○ die Eiweißaufnahme auf etwa 0,8 g/kg Körper-
nach dem „Manno-Schema“ mit Prednison in einer
gewicht/Tag reduziert werden. Dosis von initial 0,8–1,0 mg/kg/Tag für 2 Monate,
● Bei allen Patienten sollte(n) – soweit möglich anschl. monatliche Dosisreduktion um 0,2 mg/kg/Tag
○ die Kochsalzaufnahme < 6 g/Tag gesenkt werden,
über 4 Monate).
○ eine strikte Nikotinkarenz angestrebt werden.
● Für Kombinationstherapien, die Steroide mit weiteren
Immunsuppressiva (z. B. Cyclophosphamid, Azathioprin
Pharmakologische Therapie oder Mycophenolatmofetil) verbinden, gibt es derzeit
keine ausreichende Evidenz (Ausnahme: sehr seltene
● Entsprechend den aktuellen KDIGO-Leitlinien sollten
„Halbmond-IgAN“ mit RPGN-Verlaufsform und sehr ra-
zunächst alle IgAN-Patienten eine optimale Supportiv-
scher Verschlechterung der Nierenfunktion).
therapie erhalten:
● Fischöl (Omega-3-Fettsäuren):
○ Diese umfasst insbesondere für Patienten mit einer
○ Omega-3-Fettsäuren können bei Patienten mit persis-
Proteinurie > 1 g/Tag (mit etwas schwächerer Evidenz
tierender Proteinurie > 1 g/Tag eingesetzt werden.
gilt dies bereits für Patienten mit einer Protein-
○ Letztlich existiert aktuell auch hier noch keine ausrei-
urie > 0,5 g/Tag) eine Langzeitbehandlung mit einem
chend gesicherte Evidenz.
ACE-Hemmer oder einem Angiotensin-Rezeptorblo-
○ Bei weitgehend guter Verträglichkeit stellt Fischöl für
cker (ARB).
einige IgAN-Patienten möglicherweise eine geeignete
○ Angepasst an den Blutdruck sollte eine Dosiseskalati-
therapeutische Option dar.
on dieser Medikation angestrebt werden:
● Bei allen Patienten sollten:
– Zielblutdruck < 130/80 mmHg (bei einer Protein-
○ bei persistierender Proteinurie > 1 g/Tag primär ACE-
urie < 1 g/Tag) bzw.
Hemmer bzw. AT 1-Rezeptorantagonist als Monothe-
– Zielblutdruck < 125/75 mmHg (bei einer Protein-
rapie bis zur Maximaldosis ausgereizt werden (lang-
urie > 1 g/Tag).
sam hochtitrieren, bei Hyperkaliämie Hinzunahme
○ Die Empfehlungen zur Supportivtherapie sind oben
von Schleifendiuretika),
zusammengefasst [2].

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○ zur Blutdruckkontrolle Diuretika, Kalziumkanalblo-


cker vom Nicht-Dihydropyridin-Typ, Beta-Blocker
und ggf. Aldosteronantagonisten eingesetzt werden,
Praxistipp
Das Risiko, nach einer Nierentransplantation eine rekur-

Z
○ alle Komponenten eines metabolischen Syndroms
rente IgAN in der Transplantatniere zu entwickeln, wird
kontrolliert werden (inkl. Statintherapie zum Errei- mit bis zu 50 % angegeben. Diese hohe Rate verwundert
chen eines Serumcholesterinwerts < 200 mg/dl), insofern nicht, als dass nach einer Transplantation die zu-
○ bei Niereninsuffizienz Natriumbikarbonat gegeben
grunde liegende systemische Glykosylierungsstörung
werden (unabhängig vom Vorliegen einer metabo- nicht aufgehoben ist. Eine rekurrente IgAN ist mit einem
lischen Azidose), erhöhten Risiko für einen Verlust der Transplantatfunk-
○ ein Vitamin-D-Mangel, eine Hyperphosphatämie und
tion assoziiert. Etwa 5 % der aufgrund einer IgAN nieren-
ein Hyperparathyreoidismus behandelt werden. trasnplantierten Patienten haben nach 5 Jahren infolge
● Zu vermeiden sind: einer Rekurrenz der Grunderkrankung keine ausreichen-
IV ○ Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ, sofern
de Transplantatfunktion mehr.
diese nicht zur Blutdruckkontrolle unbedingt erfor-
derlich sind,
○ nichtsteroidale Analgetika und andere Nephrotoxine,

○ lang anhaltende Hypokaliämien. 6.1.12 Literatur


● Nicht empfohlen wird der Einsatz von Thrombozyten- [1] Cattran DC, Feehally J, Cook HT et al. Kidney disease: Improving glo-
aggregationshemmern. bal outcomes (KDIGO) glomerulonephritis work group. KDIGO clini-
cal practice guideline for glomerulonephritis. Kidney International
Supplements 2012; 2(2): 139–274
Operative Therapie [2] Floege, J. and Eitner, F. Current therapy for IgA nephropathy. J Am Soc
Nephrol 2011; 22, 1785–1794
● Nicht empfohlen wird die Durchführung einer Tonsill- [3] Trimarchi H, Barratt J, Cattran DC et al. Oxford Classification of IgA
ektomie zur Behandlung der IgAN. nephropathy 2016: an update from the IgA Nephropathy Classifica-
tion Working Group. Kidney international 2017; 91: 1014–1021

6.1.11 Verlauf und Prognose Weiterführende Literatur


[4] Rauen T, Eitner F, Fitzner C et al. Intensive Supportive Care plus Im-
● Insbesondere die Patienten, bei denen aufgrund eines
munosuppression in IgA Nephropathy. N Engl J Med 2015; 373:2225-
oligosymptomatischen Verlaufs eine IgAN nur vermutet 2236
oder aber als Zufallsbefund diagnostiziert wird, neh-
men in den meisten Fällen einen benignen Verlauf mit
geringer Wahrscheinlichkeit, eine terminale Nierenin- 6.2 Minimal-Change-
suffizienz zu entwickeln. Die Spontanremissionsrate
dieser Patienten (mit Mikrohämaturie und nur geringer
Glomerulopathie
Proteinurie) liegt bei 10–20 %. Martin Kimmel
● Bestimmte Risikofaktoren sind jedoch mit einem pro-
gredienten Krankheitsverlauf assoziiert.
○ Diese Patienten können innerhalb von 20 Jahren in 6.2.1 Steckbrief
bis zu 20 % der Fälle eine terminale Niereninsuffizienz Die Minimal-Change-Glomerulopathie (MCG) ist die häu-
entwickeln. figste Ursache eines nephrotischen Syndroms (NS) im
○ Dies unterstreicht einmal mehr die besondere Bedeu-
Kindesalter, sodass bei Kindern meist keine Biopsie
tung einer initialen Risiko-Stratifizierung bereits zum durchgeführt wird. Die sichere Diagnose dieser Podozyto-
Zeitpunkt der Erstdiagnose einer IgAN. pathie kann bioptisch nur in der Elektronenmikroskopie
● Etablierte Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf gestellt werden. Therapeutisch kommen primär Steroide
der IgAN sind zum Einsatz, darunter findet sich in der Regel ein gutes
○ eine ausgeprägte Proteinurie (> 1 g/Tag),
initiales Ansprechen, bei Erwachsenen kommt es aber
○ eine eingeschränkte Nierenfunktion bereits zum Zeit-
häufig zu Rezidiven.
punkt der Erstdiagnose,
○ eine arterielle Hypertonie,

○ der Nachweis von > 25 % Tubulatrophie und intersti- 6.2.2 Synonyme


tieller Fibrose in der Nierenbiopsie (T-Wert der Ox- ● Minimal-Change-Glomerulopathie (MCG)
ford-MEST-C-Klassifikation), ● Minimal-Change-Glomerulonephritis
○ eine Hyperurikämie und
● Glomeruläre Minimalveränderungen
○ eine Adipositas.

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○ zur Blutdruckkontrolle Diuretika, Kalziumkanalblo-


cker vom Nicht-Dihydropyridin-Typ, Beta-Blocker
und ggf. Aldosteronantagonisten eingesetzt werden,
Praxistipp
Das Risiko, nach einer Nierentransplantation eine rekur-

Z
○ alle Komponenten eines metabolischen Syndroms
rente IgAN in der Transplantatniere zu entwickeln, wird
kontrolliert werden (inkl. Statintherapie zum Errei- mit bis zu 50 % angegeben. Diese hohe Rate verwundert
chen eines Serumcholesterinwerts < 200 mg/dl), insofern nicht, als dass nach einer Transplantation die zu-
○ bei Niereninsuffizienz Natriumbikarbonat gegeben
grunde liegende systemische Glykosylierungsstörung
werden (unabhängig vom Vorliegen einer metabo- nicht aufgehoben ist. Eine rekurrente IgAN ist mit einem
lischen Azidose), erhöhten Risiko für einen Verlust der Transplantatfunk-
○ ein Vitamin-D-Mangel, eine Hyperphosphatämie und
tion assoziiert. Etwa 5 % der aufgrund einer IgAN nieren-
ein Hyperparathyreoidismus behandelt werden. trasnplantierten Patienten haben nach 5 Jahren infolge
● Zu vermeiden sind: einer Rekurrenz der Grunderkrankung keine ausreichen-
IV ○ Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridin-Typ, sofern
de Transplantatfunktion mehr.
diese nicht zur Blutdruckkontrolle unbedingt erfor-
derlich sind,
○ nichtsteroidale Analgetika und andere Nephrotoxine,

○ lang anhaltende Hypokaliämien. 6.1.12 Literatur


● Nicht empfohlen wird der Einsatz von Thrombozyten- [1] Cattran DC, Feehally J, Cook HT et al. Kidney disease: Improving glo-
aggregationshemmern. bal outcomes (KDIGO) glomerulonephritis work group. KDIGO clini-
cal practice guideline for glomerulonephritis. Kidney International
Supplements 2012; 2(2): 139–274
Operative Therapie [2] Floege, J. and Eitner, F. Current therapy for IgA nephropathy. J Am Soc
Nephrol 2011; 22, 1785–1794
● Nicht empfohlen wird die Durchführung einer Tonsill- [3] Trimarchi H, Barratt J, Cattran DC et al. Oxford Classification of IgA
ektomie zur Behandlung der IgAN. nephropathy 2016: an update from the IgA Nephropathy Classifica-
tion Working Group. Kidney international 2017; 91: 1014–1021

6.1.11 Verlauf und Prognose Weiterführende Literatur


[4] Rauen T, Eitner F, Fitzner C et al. Intensive Supportive Care plus Im-
● Insbesondere die Patienten, bei denen aufgrund eines
munosuppression in IgA Nephropathy. N Engl J Med 2015; 373:2225-
oligosymptomatischen Verlaufs eine IgAN nur vermutet 2236
oder aber als Zufallsbefund diagnostiziert wird, neh-
men in den meisten Fällen einen benignen Verlauf mit
geringer Wahrscheinlichkeit, eine terminale Nierenin- 6.2 Minimal-Change-
suffizienz zu entwickeln. Die Spontanremissionsrate
dieser Patienten (mit Mikrohämaturie und nur geringer
Glomerulopathie
Proteinurie) liegt bei 10–20 %. Martin Kimmel
● Bestimmte Risikofaktoren sind jedoch mit einem pro-
gredienten Krankheitsverlauf assoziiert.
○ Diese Patienten können innerhalb von 20 Jahren in 6.2.1 Steckbrief
bis zu 20 % der Fälle eine terminale Niereninsuffizienz Die Minimal-Change-Glomerulopathie (MCG) ist die häu-
entwickeln. figste Ursache eines nephrotischen Syndroms (NS) im
○ Dies unterstreicht einmal mehr die besondere Bedeu-
Kindesalter, sodass bei Kindern meist keine Biopsie
tung einer initialen Risiko-Stratifizierung bereits zum durchgeführt wird. Die sichere Diagnose dieser Podozyto-
Zeitpunkt der Erstdiagnose einer IgAN. pathie kann bioptisch nur in der Elektronenmikroskopie
● Etablierte Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf gestellt werden. Therapeutisch kommen primär Steroide
der IgAN sind zum Einsatz, darunter findet sich in der Regel ein gutes
○ eine ausgeprägte Proteinurie (> 1 g/Tag),
initiales Ansprechen, bei Erwachsenen kommt es aber
○ eine eingeschränkte Nierenfunktion bereits zum Zeit-
häufig zu Rezidiven.
punkt der Erstdiagnose,
○ eine arterielle Hypertonie,

○ der Nachweis von > 25 % Tubulatrophie und intersti- 6.2.2 Synonyme


tieller Fibrose in der Nierenbiopsie (T-Wert der Ox- ● Minimal-Change-Glomerulopathie (MCG)
ford-MEST-C-Klassifikation), ● Minimal-Change-Glomerulonephritis
○ eine Hyperurikämie und
● Glomeruläre Minimalveränderungen
○ eine Adipositas.

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6.2 Minimal-Change-Glomerulopathie

● Darüber hinaus fokussieren sich neuere Erkenntnisse


auf zwei podozytäre Proteine:
○ CD80 (auch bekannt als B7–1): transmembranes kos-

timulatorisches Signal für die T-Zell-Aktivierung,


kann auch im Urin gemessen werden;
○ Angiopoietin-like Protein 4 (Angptl4): wird in Podo-

zyten sezerniert, die Überproduktion sorgt für


– eine Bindung an die glomeruläre Basalmembran,
– eine Verschmelzung der Fußfortsätze und
– einen Verlust der negativen Ladung.
● Primäre MCG (90 %):
○ Die primäre MCG ist in 90 % bei Kindern und 10–25 %

der Erwachsenen Ursache für ein NS.


● Sekundäre MCG (ca. 10 %):
○ Tumorerkrankungen:

– T-Zell-assoziierte lymphoproliferative Erkrankungen,


– Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphom,
– T-Zell-Leukämien,
– Thymome,
○ Andere glomeruläre Erkrankungen:
6
Abb. 6.4 Minimal-Change Glomerulopathie. Glomeruläre Ka- – Systemischer Lupus erythematodes,
pillare mit kompletten Verlust der podozytären Fußfortsätze.
– IgA-Nephropathie,
Elektronenmikroskopie, Vergrößerung x 2000. (Quelle: Frau
○ Atopische Erkrankungen/allergische Diathese,
Prof. Dr. K. Amann, Abteilung für Nephropathologie, Universität
○ Medikamente:
Erlangen)
– Nichtsteroidale Antirheumatika und COX-2-Hem-
mer,
– Lithium,
6.2.3 Definition – Antibiotika,
● Histologisches Charakteristikum der MCG ist die nor- – Sulfasalazine.
male Lichtmikroskopie, gelegentlich findet sich eine ge-
ringe mesangiale Zellvermehrung.
6.2.6 Klassifikation
● Immunhistologisch sind keine oder geringgradige IgG-
und IgM-Ablagerungen nachweisbar. ● Eine MCG ist in > 90 % der Fälle idiopathisch,
● Elektronenmikroskopisch zeigt sich eine Verschmel- ● nur selten (< 10 %) findet sich eine zugrunde liegende
zung der Epithelzellfußfortsätze in breite Zytoplasma- Ursache (sekundäre MCG).
platten als Sekundärphänomen der schweren Protein- ● Primäre MCG (ca. 90 %)
urie (▶ Abb. 6.4). ○ Besonderheiten:

– Lichtmikroskopisch unauffällige Glomeruli, elektro-


nenmikroskopisch Verschmelzung der Epithelfuß-
6.2.4 Epidemiologie fortsätze, immunhistologisch keine oder geringe
● Die MCG ist die häufigste Ursache eines idiopathischen IgG/IgM-Ablagerungen,
NS im Kindesalter: – gute Langzeitprognose,
○ Ein NS vor dem 10. Lebensjahr kann zu 90 % auf eine – Spontanremission und Rezidive häufig,
MCG zurückgeführt werden, – Ansprechen auf Steroide (ca. 90 %),
○ nach dem 10. Lebensjahr findet sich diese glomerulä- – gehäuft Auftreten eines akuten Nierenversagens.
re Veränderung noch bei 50 % der betroffenen Kinder. ● Sekundäre MCG (10 %) (Pathogenese in Kap. 6.2.5)
● Bei Erwachsenen mit NS wird eine MCG bei 15–25 %
der Patienten diagnostiziert.
6.2.7 Klinik
● Nephrotisches Syndrom:
6.2.5 Ätiologie und Pathogenese ○ Das abrupte Auftreten eines nephrotischen Syndroms

● Pathogenetisch vermutlich Störung der T-Zellen mit mit Komplikationen steht im Vordergrund.
○ Zum Diagnosezeitpunkt ist bei bis zu 60 % der betrof-
Bildung nephrotoxischer Zytokine, die eine Schädigung
der Podozyten bewirken. fenen erwachsenen Patienten eine geringgradige
Kreatininerhöhung nachweisbar, die sich unter Thera-
pie rasch normalisiert.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

● Akutes Nierenversagen:
○ Gelegentlich wird bei der MCG ein akutes oligurisches
Relevante Proteinurie bzw. nephrotisches Syndrom
Nierenversagen beobachtet, das auf eine durch Hyp-
albuminämie bedingte intrarenale Ödembildung und/ Nierenbiopsie
oder auf eine akute Tubulusnekrose zurückgeführt
wird. Histologie:
○ Das akute Nierenversagen tritt üblicherweise inner- LM: unauffällig (gelegentlich findet sich eine geringe
halb der ersten 4 Wochen nach Diagnose des NS auf, mesangiale Zellvermehrung)
kann über mehrere Wochen anhalten und zur vorü- IH: keine oder nur geringgradige IgG- und IgM-Ablagerungen
bergehenden Dialysebehandlung führen. nachweisbar
EM: Verschmelzung der Epithelzellfußfortsätze in
○ Risikofaktoren für die Entwicklung eines akuten Nie-
breite Zytoplasmaplatten
renversagens sind:
IV – ausgeprägte Proteinurie und Hypalbuminämie,
– Alter > 50 Jahre, Minimal-Change-Glomerulopathie
– Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika.
○ Meistens erholt sich die Nierenfunktion unter der Abb. 6.5 Minimal-change-Glomerulopathie. Diagnostik der
Minimal-Change-Glomerulopathie beim Erwachsenen
Therapie mit Steroiden und Diuretika.
(LM: Lichtmikroskopie, IH: Immunhistochemie, EM: Elektronen-
mikroskopie).
6.2.8 Diagnostik
Diagnostisches Vorgehen
Histologie, Zytologie und klinische
● Erwachsene:
○ Im Erwachsenenalter kann die Diagnose ausschließ-
Pathologie
lich anhand der typischen Biopsiebefunde gestellt Nierenbiopsie
werden (▶ Abb. 6.5). ● Im Erwachsenenalter kann die Diagnose ausschließlich
○ Klinisch und laborchemisch ist keine sichere Abgren-
anhand der typischen Biopsiebefunde gestellt werden
zung gegenüber anderen Ursachen eines NS, ins-
(▶ Abb. 6.5).
besondere der fokal-segmentalen Glomerulosklerose
und der membranösen Glomerulopathie, möglich.
● Kinder: 6.2.9 Differenzialdiagnosen
○ Bei Kindern < 10 Jahren mit NS wird auf die Durch-
● Auslöser einer sekundären MCG sind bei ca. 10 % der
führung einer Nierenbiopsie häufig verzichtet, da mit
Patienten Einnahme von Medikamenten oder andere
90 %iger Wahrscheinlichkeit eine MCG vorliegt.
Grunderkrankungen:
○ Erst bei Nichtansprechen auf eine Steroidtherapie
○ T-Zell-assoziierte lymphoproliferative Erkrankungen,
(Steroidresistenz) wird eine Nierenbiopsie angestrebt, ○ Thymome,
insbesondere zum Ausschluss einer fokal-segmenta- ○ systemischer Lupus erythematodes und
len Glomerulosklerose. ○ atopische/allergische Diathese.

Labor
6.2.10 Therapie
● Laborchemisch finden sich die Kardinalsymptome eines
NS mit Therapeutisches Vorgehen
○ Proteinurie,
● Evidenzbasierte Empfehlungen zur Therapie der MCG
○ Hypalbuminämie und
sind in den KDIGO-Leitlinien 2012 ausführlich dar-
○ Hyperlipidämie.
gestellt.
● Das Urinsediment ist meistens normal, eine Mikrohä- ● Das therapeutische Vorgehen beim Erwachsenen ist in
maturie findet sich bei 10–30 % der Patienten. ▶ Abb. 6.6 zusammengefasst.
● Die Komplementfaktoren sind normal, immunologische
Messgrößen (ANA, Antistreptolysintiter, Hepatitissero-
logie usw.) unauffällig. Allgemeinmaßnahmen
● Nephroprotektion durch Verminderung der Proteinurie
und Behandlung der renalen Hypertonie mit ACE-Hem-
mern oder AT-II1-Rezeptorblockern,
● Zielblutdruck < 125/75 mmHg,
● Therapie der Ödeme (Senkung der Proteinurie, Salzres-
triktion, Diuretika),

260 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.2 Minimal-Change-Glomerulopathie

Minimal-Change-Glomerulopathie

Initialtherapie
Prednisolon 1 mg/kg KG/Tag (max. 80 mg)
→ über mind. 4 und max. 16 Wochen

Ansprechen

ja nein

– adäquate Dosis?
Dosisreduktion über 24 Wochen
– ausreichende Therapiedauer?

nein gelegentliche ja Steroidresistenz


Rezidive?
andere
Nierenbiopsie glomeruläre Läsion?
Verlaufskontrolle Wiederholung der Initialtherapie
FSGS?
6
mit einer Prednisolonmonotherapie

Bestätigung Minimal-Change-
häufige Rezidive Glomerulopathie
Steroidabhängigkeit

orales Cyclophosphamid
2 – 2,5 mg/kg KG/Tag
über 8 – 12 Wochen

fehlendes Ansprechen, Relaps


oder Kontraindikation

Calcineurininhibitoren
Cyclosporin 3 – 5 mg/kg KG/Tag oder Tacrolimus 0,05 – 0,1 mg/kg KG/Tag
jeweils verteilt auf 2 Gaben;
Nach 3-monatiger stabiler Remission → Dosisreduktion und Fortsetzung über 1 – 2 Jahre

Experimentelle Alternativen bei Kontraindikationen


1. Rituximab
2. Mycophenolat-Mofetil 750 – 1000 mg zweimal täglich über 1 – 2 Jahre

Abb. 6.6 Minimal-Change-Glomerulopathie. Therapie der Minimal-Change-Glomerulopathie beim Erwachsenen. (Verändert nach
Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U. Glomerulonephritis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig
überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015)


Behandlung der Hyperlipoproteinämie,
Vermeidung von Thromboembolien,
Nikotinverzicht.
Merke ●
H
Die MCG ist die einzige glomeruläre Läsion, bei der durch
Verabreichung von Steroiden mit großer Regelmäßigkeit
Pharmakotherapie (ca. 90 %) eine Remission des NS erzielt wird.

Steroidtherapie
● Während die Behandlung der MCG im Kindesalter ● Die Dosierung der Steroide und die Therapiedauer für
durch zahlreiche Studien abgesichert ist, ist die Daten- die MCG des Erwachsenen (▶ Abb. 6.6):
lage für Erwachsene äußerst spärlich. ○ zu Beginn orales Prednisolon 1 mg/kg KG täglich über

mind. 4 Wochen und max. 16 Wochen,


○ danach Dosisreduktion über 24 Wochen.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

● Bei Kindern mit nephrotischem Syndrom und hoher Tab. 6.2 Ansprechen auf Steroide bei Minimal-Change-Glomeru-
Wahrscheinlichkeit auf eine MCG wird die Therapie be- lopathie: Definition von häufigen Rezidiven, Steroidabhängigkeit
gonnen mit: und Steroidresistenz.
○ oralem Prednisolon (60 mg/m2 pro Tag (max. 60 mg/ Begriff Definition
Tag) über 4–6 Wochen, Häufige Rezidive ≥ 2 Rezidive/6 Monate
○ danach Dosisreduktion über 2–5 Monate, beginnend ≥ 4 Rezidive/Jahr
mit 40 mg/m2 pro Tag oder 1,5 mg/kg/KG jeden zwei- Steroidabhängig- 2 konsekutive Rezidive bei Steroidreduktion
ten Tag (Maximum 40 mg jeden zweiten Tag) für 2–5 keit oder innerhalb von 14 Tagen nach
Monate. Beendigung der Steroidtherapie
Steroidresistenz Unter der Therapie mit Steroiden keine
Verlauf unter Steroidtherapie Abnahme der Proteinurie nach 8 (Kinder)
bzw. 16 Wochen (Erwachsene)
● Steroidunverträglichkeit:
IV
○ Bei relativen Kontraindikationen oder Intoleranz ge- – Ca. 30 % der primär ansprechenden Kinder haben
genüber Steroiden (unkontrollierter Diabetes melli- nie ein Rezidiv, 10–20 % sind nach 1–4 Therapie-
tus, psychische Erkrankungen, schwere Osteoporose) zyklen mit Steroiden geheilt und die verbleibenden
können die folgenden Medikamente mit einer Remis- Kinder zeigen weiterhin Rezidive oder entwickeln
sionsrate von ca. 75 % eingesetzt werden (spärliche eine Steroidabhängigkeit.
Datenbasis): ○ Erwachsene Patienten:
– Cyclophosphamid (2–2,5 mg/Kg pro Tag über 8 Wo- – Erwachsene mit MCG entwickeln zu 65–80 % Rezi-
chen), dive überwiegend in den ersten 3 Monaten nach
– Calcineurin-Inhibitoren: Cyclosporin (3–5 mg/kg Kg Eintreten einer Remission.
pro Tag aufgeteilt in 2 Einzeldosen über 1–2 Jahre) – Ein 2. Steroidtherapiezyklus führt bei > 95 % der Pa-
oder Tacrolimus (0,05–0,1 mg/kg KG pro Tag auf- tienten zur erneuten Remission.
geteilt in 2 Einzeldosen über 1–2 Jahre). – Häufige Rezidive entwickeln sich bei ca. 15 % der er-
● Komplette Remission: wachsenen Patienten, bei 10–50 % wird eine Ste-
○ Eine komplette Remission ist erkennbar an einem Ab- roidabhängigkeit beobachtet (▶ Tab. 6.2).
fall des Protein/Kreatinin-Quotienten im Urin ● Steroidresistenz:
auf ≤ 0,2. ○ Eine primäre Steroidresistenz (▶ Tab. 6.2) wird bei
○ > 90 % der Kinder sprechen auf die Therapie inner- Kindern und Erwachsenen selten beobachtet (< 10 %).
halb von 8 Wochen an, bei 80 % sistiert die Eiweißaus- ○ Inadäquate Steroiddosis und/oder zu kurze Therapie-

scheidung bereits in den ersten 4 Wochen. dauer (< 8 [Kinder] bzw. 16 [Erwachsene] Wochen)
○ Bei Erwachsenen wird eine komplette Remission bei sollten als Ursache ausgeschlossen sein.
80–90 % der Patienten mit MCG registriert, die Zeit- ○ Eine Steroidresistenz zwingt zum Ausschluss anderer

spanne bis zum Ansprechen ist allerdings länger: glomerulärer Läsionen, insbesondere der fokal-seg-
– 50 % sprechen innerhalb von 4 Wochen an und mentalen Glomerulosklerose durch erneute histologi-
– 10–25 % benötigen dafür 12–16 Wochen. sche Beurteilung des Nierengewebes.

Merke ●
H
Bei Erwachsenen kann daher erst nach Ablauf des Zeit-
Therapie bei Rezidiven, Steroidabhängig-
keit und Steroidresistenz
fensters von 16 Wochen von einer Steroidresistenz ge- ● Das erste Rezidiv wird analog der Initialtheapie mit
sprochen werden (▶ Tab. 6.2). einer Steroidmonotherapie behandelt.
● Bei häufigen Rezidiven des NS bzw. bei Entwicklung
einer Steroidabhängigkeit führen wiederholte Thera-
● Rezidive: piezyklen mit Kortison durch die steigende kumulative
○ Kinder: Dosis zu erheblichen Nebenwirkungen wie Osteoporo-
– Rezidive bei Kindern sind häufig und werden bei ca. se, aseptische Knochennekrose, Wachstumsstörungen
80 % der behandelten Patienten innerhalb von 12 im Kindesalter, Hypertonie und Kataraktentstehung.
Monaten beobachtet, wenn die Steroidtherapie be- ● Für Patienten mit häufigen Rezidiven, Steroidabhängig-
reits nach 4 Wochen beendet wurde. keit, und Steroidresistenz bieten sich folgende thera-
– Bei einer Therapiedauer von 12 Wochen kommt es peutische Optionen an:
nur bei ungefähr 35 % der Kinder zu Rezidiven in- ○ Kurzzeittherapie mit alkylierenden Zytostatika wie

nerhalb des 1. Jahres. Cyclophosphamid (p. o. oder i. v.),


– Aufgrund dieser Erfahrungen bevorzugen die meis- ○ Calcineurin-Inhibitor ± Steroide,

ten Pädiater eine Therapiedauer von 8–12 Wochen ○ Rituximab (?), Mycophenolatmofetil (?).

(„long course“).

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6.3 Fokal-segmentale Glomerulosklerose

● Cyclophosphamid: ● Komplikationen des nephrotischen Syndroms wie


○ Kurzzeittherapie mit Cyclophosphamid 2–2,5 mg/kg Thromboembolien, Infektionen, akutes Nierenversagen
KG/Tag über einen Zeitraum von 8–12 Wochen führt und Myokardinfarkt werden bei 20 % der erwachsenen
bei 50–80 % der Patienten zu lang anhaltenden und/ Patienten beobachtet.
oder permanenten Remissionen. ● Das Patientenüberleben beträgt nach 15 Jahren etwa
○ Wöchentliche Kontrollen der Leukozytenwerte sind 80 %. Zum Tode führende Komplikationen treten ins-
unter Cyclophosphamid-Therapie empfehlenswert, besondere in den ersten 3 Jahren nach Diagnose einer
bei Entwicklung einer Leukopenie (< 4000/mm3) ist MCG auf und sind zu etwa 30 % auf Komplikationen des
die Therapie vorübergehend zu unterbrechen. NS zurückzuführen.
○ Wegen der potenziellen Langzeitnebenwirkungen ● Bei 95 % der Kinder mit MCG ist die Langzeitprognose
von Cyclophosphamid ist von wiederholten Therapie- gut, 5 % versterben jedoch an Komplikationen des NS.
zyklen insbesondere im Kindesalter abzuraten. ● Kriterien für eine schlechte Langzeitprognose sind:
● Calcineurin-Inhibitoren: ○ schlechtes Ansprechen der Proteinurie auf Steroide in

○ Bewährt hat sich v. a. die Gabe von Cyclosporin in den ersten 8 Wochen,
einer Dosis von 3–5 mg/kg KG/Tag über einen Zeit- ○ häufig auftretende Rezidive.

raum von 1–2 Jahren.


○ Die Therapie erfolgt unter Kontrolle der Vollblutspie-

gel (100–200 ng/ml).


6.2.13 Literatur
○ Remissionen des NS werden bei 45–80 % der so be- [1] Kimmel M, Kuhlmann U. Glomerulonephritis. In: Alscher M, Böhler J,
Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete
handelten Patienten beobachtet.
und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015
6
○ Ein Ansprechen des NS erfolgt typischerweise inner-
[2] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo-
halb eines Monats. Eine fehlende Abnahme der Prote- nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome-
inurie nach 3-monatiger Therapiedauer spricht für rulonephritis. Kidney Int 2012; 2: 139–274
eine Cyclosporin-Resistenz.
○ Die Datenlage zu Tacrolimus ist spärlich – gegenüber

Cyclosporin besteht kein offensichtlicher Nutzen. 6.3 Fokal-segmentale


○ Da es nach Absetzen der Calcineurin-Inhibitoren bei

etwa 80–90 % der Patienten zu Rezidiven kommt, ist


Glomerulosklerose
eine Verlängerung der Therapiedauer häufig unum- Martin Kimmel
gänglich.
● Mycophenolatmofetil (MMF):
○ MMF wurde nur in kleinen Studien eingesetzt.
6.3.1 Steckbrief
● Rituximab: Die Fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS) ist ein
○ Sowohl bei Kindern wie auch bei Erwachsenen wurde klinisch-histologisches Syndrom, dem keine einheitliche
Rituximab nach umfangreicher Vorbehandlung einge- Pathogenese zugrunde liegt. Klinisch findet sich meist ein
setzt und zeigt vielversprechende Ergebnisse, die aber nephrotisches Syndrom. Entscheidender Schritt in der
noch in größeren, randomisierten kontrollierten Stu- Diagnostik ist der Ausschluss sekundärer Ursachen, ins-
dien bestätigt werden müssen. besondere der glomerulären Hyperfiltration bei unter-
schiedlichsten renalen Erkrankungen. Bei der primären
FSGS empfiehlt sich initial eine Steroidtherapie, im Ver-
6.2.11 Nachsorge lauf müssen häufig Calcineurin-Inhibitoren hinzugenom-
Kontrollen der: men werden.
● Nierenfunktion

● und der Proteinurie.


6.3.2 Synonyme
● Fokal-segmentale Glomerulosklerose
6.2.12 Verlauf und Prognose ● FSGS
● Kinder und Erwachsene mit MCG haben eine gute ● Focal segmental glomerulosclerosis
Langzeitprognose.
● Nach einem Beobachtungszeitraum von 14 Jahren sind
77–94 % der erwachsenen Patienten in Remission.
6.3.3 Definition
● Eine Hypertonie tritt allerdings bei 20 % der Patienten auf. ● Die FSGS ist ein klinisch-histologisches Syndrom, dem
● Die Entwicklung einer Niereninsuffizienz wird bei etwa keine einheitliche Pathogenese zugrunde liegt.
10 % der erwachsenen Patienten beobachtet, eine Pro- ● Klinisch findet sich eine Proteinurie, häufig mit nephro-
gression zur terminalen Niereninsuffizienz ist jedoch tischem Syndrom.
äußerst ungewöhnlich (< 5 %).

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6.3 Fokal-segmentale Glomerulosklerose

● Cyclophosphamid: ● Komplikationen des nephrotischen Syndroms wie


○ Kurzzeittherapie mit Cyclophosphamid 2–2,5 mg/kg Thromboembolien, Infektionen, akutes Nierenversagen
KG/Tag über einen Zeitraum von 8–12 Wochen führt und Myokardinfarkt werden bei 20 % der erwachsenen
bei 50–80 % der Patienten zu lang anhaltenden und/ Patienten beobachtet.
oder permanenten Remissionen. ● Das Patientenüberleben beträgt nach 15 Jahren etwa
○ Wöchentliche Kontrollen der Leukozytenwerte sind 80 %. Zum Tode führende Komplikationen treten ins-
unter Cyclophosphamid-Therapie empfehlenswert, besondere in den ersten 3 Jahren nach Diagnose einer
bei Entwicklung einer Leukopenie (< 4000/mm3) ist MCG auf und sind zu etwa 30 % auf Komplikationen des
die Therapie vorübergehend zu unterbrechen. NS zurückzuführen.
○ Wegen der potenziellen Langzeitnebenwirkungen ● Bei 95 % der Kinder mit MCG ist die Langzeitprognose
von Cyclophosphamid ist von wiederholten Therapie- gut, 5 % versterben jedoch an Komplikationen des NS.
zyklen insbesondere im Kindesalter abzuraten. ● Kriterien für eine schlechte Langzeitprognose sind:
● Calcineurin-Inhibitoren: ○ schlechtes Ansprechen der Proteinurie auf Steroide in

○ Bewährt hat sich v. a. die Gabe von Cyclosporin in den ersten 8 Wochen,
einer Dosis von 3–5 mg/kg KG/Tag über einen Zeit- ○ häufig auftretende Rezidive.

raum von 1–2 Jahren.


○ Die Therapie erfolgt unter Kontrolle der Vollblutspie-

gel (100–200 ng/ml).


6.2.13 Literatur
○ Remissionen des NS werden bei 45–80 % der so be- [1] Kimmel M, Kuhlmann U. Glomerulonephritis. In: Alscher M, Böhler J,
Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete
handelten Patienten beobachtet.
und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015
6
○ Ein Ansprechen des NS erfolgt typischerweise inner-
[2] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo-
halb eines Monats. Eine fehlende Abnahme der Prote- nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome-
inurie nach 3-monatiger Therapiedauer spricht für rulonephritis. Kidney Int 2012; 2: 139–274
eine Cyclosporin-Resistenz.
○ Die Datenlage zu Tacrolimus ist spärlich – gegenüber

Cyclosporin besteht kein offensichtlicher Nutzen. 6.3 Fokal-segmentale


○ Da es nach Absetzen der Calcineurin-Inhibitoren bei

etwa 80–90 % der Patienten zu Rezidiven kommt, ist


Glomerulosklerose
eine Verlängerung der Therapiedauer häufig unum- Martin Kimmel
gänglich.
● Mycophenolatmofetil (MMF):
○ MMF wurde nur in kleinen Studien eingesetzt.
6.3.1 Steckbrief
● Rituximab: Die Fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS) ist ein
○ Sowohl bei Kindern wie auch bei Erwachsenen wurde klinisch-histologisches Syndrom, dem keine einheitliche
Rituximab nach umfangreicher Vorbehandlung einge- Pathogenese zugrunde liegt. Klinisch findet sich meist ein
setzt und zeigt vielversprechende Ergebnisse, die aber nephrotisches Syndrom. Entscheidender Schritt in der
noch in größeren, randomisierten kontrollierten Stu- Diagnostik ist der Ausschluss sekundärer Ursachen, ins-
dien bestätigt werden müssen. besondere der glomerulären Hyperfiltration bei unter-
schiedlichsten renalen Erkrankungen. Bei der primären
FSGS empfiehlt sich initial eine Steroidtherapie, im Ver-
6.2.11 Nachsorge lauf müssen häufig Calcineurin-Inhibitoren hinzugenom-
Kontrollen der: men werden.
● Nierenfunktion

● und der Proteinurie.


6.3.2 Synonyme
● Fokal-segmentale Glomerulosklerose
6.2.12 Verlauf und Prognose ● FSGS
● Kinder und Erwachsene mit MCG haben eine gute ● Focal segmental glomerulosclerosis
Langzeitprognose.
● Nach einem Beobachtungszeitraum von 14 Jahren sind
77–94 % der erwachsenen Patienten in Remission.
6.3.3 Definition
● Eine Hypertonie tritt allerdings bei 20 % der Patienten auf. ● Die FSGS ist ein klinisch-histologisches Syndrom, dem
● Die Entwicklung einer Niereninsuffizienz wird bei etwa keine einheitliche Pathogenese zugrunde liegt.
10 % der erwachsenen Patienten beobachtet, eine Pro- ● Klinisch findet sich eine Proteinurie, häufig mit nephro-
gression zur terminalen Niereninsuffizienz ist jedoch tischem Syndrom.
äußerst ungewöhnlich (< 5 %).

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

● Histologisch finden sich fokal- und segmental-sklero- – Eine Abgrenzung der genetischen Formen einer
sierende glomeruläre Veränderungen mit kollabierten FSGS gegenüber der primären, idiopathischen FSGS
Kapillaren und Adhäsionen zwischen den Kapillar- ist oftmals schwierig.
schlingen und der Bowman-Kapsel. ● Sekundäre FSGS:
○ Hämodynamisch bei glomerulärer Hyperfiltration:

– Verminderung des funktionalen Nierengewebes:


6.3.4 Epidemiologie z. B. Einzelniere, Nierendysplasie, vesikoureteraler
● Ohne Kenntnis der Gründe hat die Häufigkeit der pri- Reflux,
mären FSGS zugenommen: dieses Krankheitsbild wird – ohne Verminderung des funktionalen Nierengewe-
bei 15–30 % aller Patienten mit idiopathischem nephro- bes: bei extremer Adipositas, Sichelzellanämie, kon-
tischem Syndrom (NS) diagnostiziert. genitalen Herzerkrankungen,
– vernarbend: bei primären und sekundären Glome-
IV 6.3.5 Ätiologie und Pathogenese
rulonephritiden und interstitiellen Nierenerkran-
kungen.
● Primäre (idiopathische) FSGS: ○ Medikamentös-toxisch:


– Heroin, hoch dosierte Pamidronattherapie.

Merke
H ○ Virusbedingt:

– HIV, Parvovirus B19, Hepatitis B.


Pathogenetisch kommt es bei der primären FSGS zur ○ Plasmazellerkrankungen:

Schädigung der glomerulären Epithelzellen (Podozyten); – Multiples Myelom,


bei der primären FSGS wird eine zytokinvermittelte im- – MGUS (monoklonale Gammopathie unklarer Sig-
munologische Ursache der Erkrankung angenommen. nifikanz).

6.3.6 Klassifikation
● Für einen zirkulierenden, den Podozyten schädigenden
„Permeabilitätsfaktor“ spricht u. a. die Rezidivneigung ● Nach Ätiologie (Kap. 6.3.5):
der primären FSGS im Transplantat bei ca. 30 % der ○ Primäre (idiopathische) FSGS,

transplantierten Patienten. ○ Genetisch bedingte Defekte (familiäre und kongenita-

● Aktuelle klinische Beobachtungen zeigen, dass der le Formen),


„Soluble urokinase Plasminogen Activator Receptor“ ○ Sekundäre FSGS.

(suPAR), sich bei 55 % der pädiatrischen Patienten und ● Es sind 5 histologische Varianten der FSGS beschrieben:
bei 75 % der Erwachsenen findet. Dieser wird als mögli- ○ die zellreiche FSGS mit endokapillärer Hyperzellulari-

cher Kandidat für den Permeabilitätsfaktor diskutiert. tät,


● Weitere Kandidaten sind: „Cardiotrophin-like-Zytokin ○ die perihiläre FSGS mit fokal-segmentaler Sklerose

1“ (CLZ1), ein Mitglied der Interleukin-6-Familie, und am vaskulären Pol der Glomeruli (= klassische FSGS),
TNF-α. ○ die TIP-Läsion mit Adhäsionen und segmentaler Skle-

● Genetisch bedingte Defekte (familiäre und kongenita- rose am tubulären Pol der Glomeruli,
le Formen): ○ die kollabierende FSGS („collapsing“ FSGS) mit kolla-

○ In den letzten Jahren wurden bei seltenen familiären bierten und sklerosierten glomerulären Kapillaren
oder kongenitalen Formen der FSGS mit nephroti- und Podozytenhypertrophie (diese Variante hat eine
schem Syndrom zahlreiche genetisch bedingte Defek- schlechte Prognose, Therapieresistenz auf Steroide
te mit Synthesestörungen der für die Podozytenfunk- und rasche Entwicklung einer Niereninsuffizienz sind
tion wichtigen Proteine beschrieben: die Regel),
– Schlitzmembranproteine: NPHS1 (Nephrin), NPHS2 ○ FSGS ohne klare Zuordnung zu den o. g. Formen.

(Podocin), CD2AP,
– Zellmembran-assoziierte Proteine: TRPC6, PTPRO,
LAMB2, ITGB4, CD151, ITGA3,
– Zytosolische oder zytoskelettale Proteine: ACTN4,
Praxistipp ●
Z
Die klinische Bedeutung dieser Einteilung ist umstritten.
PLCE1, MYH9, INF2, MYO1E, ARHGAP24, Es gibt Hinweise, dass bei TIP-Läsion das Ansprechen auf
– Nukleäre Proteine: WT1, SMARCAL1, Steroide besser ist.
– Mitochondriale Komponenten: mtDNA-A3242G,
COQ 2, COQ 6,
– Lysosomales Protein: SCARB2.
– Die erhöhte Inzidenz der FSGS bei Afro-Amerika-
nern kann teilweise durch einen genetischen Faktor,
das Apolipoprotein L1 erklärt werden

264 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.3 Fokal-segmentale Glomerulosklerose

6.3.7 Klinik relevante Proteinurie bzw. nephrotisches Syndrom


● Eine primäre FSGS manifestiert sich bei 70–80 % der Pa-
tienten durch ein nephrotisches Syndrom, bei ca. 20–30 % Nierenbiopsie
ist eine asymptomatische Proteinurie nachweisbar.
● Begleitende Hämaturie und Hypertonie sind häufig.
Histologie:
Lichtmikroskopisch finden sich fokal- und
segmental-sklerosierende glomeruläre Veränderungen
6.3.8 Diagnostik mit Vermehrung der extrazellulären Matrix und Adhäsionen
zwischen den Kapillarschlingen und der Bowman-Kapsel
Diagnostisches Vorgehen
● Die Diagnose wird nierenbioptisch gestellt (▶ Abb. 6.7).
fokal-segmentale Glomerulosklerose
● Eine genetische Testung wird aktuell nur bei Erkran-
kung im frühen Kindesalter mit entspechender Fami-
Abb. 6.7 FSGS (Fokal segmentale Glomerulosklerose). Diag-
lienanamnese empfohlen..
nostik der fokal segmentalen Glomerulosklerose.

Anamnese
● Familienanamnese: Nierenerkrankungen in der Familie
bekannt?
● Hypertonie? 6
● Ödeme?
● Schäumender Urin?

Körperliche Untersuchung
● komplette körperliche Untersuchung
● Volumenhaushalt (Ödeme)
● Blutdruck

Labor
● Eine primäre FSGS manifestiert sich bei 70–80 % der Pa-
tienten durch ein nephrotisches Syndrom, bei ca. 20–30 % Abb. 6.8 Fokal-segmentale Glomerulosklerose (FSGS). Glo-
ist eine asymptomatische Proteinurie nachweisbar. merulus mit segmentaler Vermehrung der mesangialen Matrix.
PAS, Vergößerung x 40. (Quelle: Frau Prof. Dr. K. Amann,
● Zum Zeitpunkt der Diagnose findet sich bei etwa 20–25 %
Abteilung für Nephropathologie, Universität Erlangen)
der Patienten eine Kreatininerhöhung.

Histologie, Zytologie und klinische vergleichbares klinisches Bild wird selten auch bei
Pathologie der sekundären kollabierenden FSGS infolge HIV- und
Parvovirus-B19-Infektion, Heroinabusus und nach
Nierenbiopsie hochdosierter Pamidronattherapie beobachtet.
○ Es empfiehlt sich Plasmazellerkrankungen (Multiples
● Es finden sich histologisch fokal- und segmental-sklero-
sierende glomeruläre Veränderungen mit Vermehrung Myelom oder monoklonaler Gammopathie unklarer
der extrazellulären Matrix und Adhäsionen zwischen Signifikanz [MGUS]) bei > 55 Jahre alten Patienten
den Kapillarschlingen (▶ Abb. 6.8) und der Bowman- mit FSGS und nephrotischem Syndrom durch eine Se-
Kapsel. rumelektrophorese, Immunfixation und Bestimmung
der freien Leichtketten auszuschließen.
● Genetische Formen:
6.3.9 Differenzialdiagnosen ○ Auch seltene hereditäre Formen der FSGS führen zu

● Die klinische und histologische Unterscheidung zwischen einem steroidresistenten NS, sodass bei familiär auf-
primärer und sekundärer FSGS ist wegen unterschiedli- tretender FSGS oder kongenitalem NS eine Gendiag-
cher therapeutischer Konsequenzen bedeutsam (wich- nostik eingeleitet werden sollte.
tigste Ursachen einer sekundären FSGS in Kap. 6.3.5).
● Primäre FSGS:
○ Die primäre FSGS beginnt typischerweise abrupt mit

dem Auftreten eines nephrotischen Syndroms. Ein

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Tab. 6.3 Differenzialdiagnose zwischen primärer und sekundärer FSGS infolge glomerulärer Hyperfiltration.
Parameter Primäre FSGS Sekundäre FSGS bei glomerulärer Hyperfiltration
Ursache Podozytenschädigung Glomeruläre Hyperfiltration bei verschiedenen Grunderkrankungen
Klinik nephrotisches Syndrom Mäßiggradige bis nephrotische Proteinurie ohne Entwicklung einer
Hypalbuminämie
Verschmelzung der Fußfortsätze > 50 % < 50 %
der Podozyten
Glomerulomegalie Variabel Konstant nachweisbar

● Sekundäre Formen: ● Patienten mit FSGS und nephrotischem Syndrom


○ Bei den durch glomeruläre Hyperfiltration beding- (▶ Abb. 6.9):
IV ten sekundären FSGS-Formen variiert die Klinik in ○ symptomatische Therapie,

Abhängigkeit von der Grundkrankheit: Meistens fin- ○ Versuch einer Remissionsinduktion durch eine Ste-

den sich eine asymptomatische Proteinurie ohne Hy- roidmonotherapie (s. u.).
poproteinämie und eine langsam progrediente Ab- ○ Gabe von Cyclosporin bei Steroidresistenz, Auftreten

nahme der GFR. von häufigen Rezidiven und Steroidabhängigkeit,


○ Die in ▶ Tab. 6.3 aufgeführten histologischen und ○ experimentelle Therapien bei Cyclosporinresistenz:

elektronenmikroskopischen Kriterien können bei der MMF, Tacrolimus, Rituximab.


Differenzialdiagnose zwischen sekundärer FSGS bei
glomerulärer Hyperfiltration und der primären FSGS Steroidmonotherapie
hilfreich sein.
● Bei Patienten mit primärer FSGS und nephrotischem
Syndrom erfolgt eine Primärtherapie mit Steroiden, die
6.3.10 Therapie optimale Steroiddosis und die Therapiedauer sind um-
stritten.
Therapeutisches Vorgehen ● Bei erwachsenen Patienten wird folgendes Vorgehen
● Die Therapie der FSGS ist umstritten und problematisch. empfohlen:
● Die geringe spontane Remissionsrate von < 5 % und der ○ Prednisolon 1 mg/kg KG/Tag (maximal 80 mg/Tag)

häufig progrediente Nierenfunktionsverlust zwingen über mind. 4 Wochen bis zum Erreichen einer kom-
zu therapeutischen Maßnahmen, die nicht immer pletten Remission, allerdings nicht länger als 16 Wo-
durch prospektive Studien gesichert sind (▶ Abb. 6.9). chen,
○ danach schrittweise Reduktion über einen Zeitraum

Allgemeinmaßnahmen von 6 Monaten (zunächst 10 mg alle 2 Wochen bis zu


0,15 mg/KG/Tag, anschließend alle 2–4 Wochen um
● Nephroprotektion durch Verminderung der Proteinurie 2,5 mg),
und Behandlung der renalen Hypertonie mit ACE-Hem- ● Ansprechraten dieser lang dauernden und hoch dosier-
mern oder AT-II1-Rezeptorblockern, ten Steroidtherapie:
● Zielblutdruck < 125/75 mmHg, ○ bei 45 % der Patienten: komplette Remission, d. h. Ver-
● Therapie der Ödeme (Senkung der Proteinurie, Salzres- minderung der Proteinurie < 300 mg/Tag,
tirkion, Diuretika) ○ bei 10 % der Patienten: partiellen Remission, d. h. Ver-
● Behandlung der Hyperlipoproteinämie, minderung der Proteinurie > 50 % auf mög-
● Vermeidung von Thromboembolien, lichst < 3,5 g/Tag,
● Nikotinverzicht. ○ ca. 45 % der Patienten zeigen kein Ansprechen (Ste-

roidresistenz).
Pharmakotherapie
● Patienten mit guter Prognose (Proteinurie < 3,5 g/Tag)
○ alleinige symptomatische Therapie mit ACE-Hem-
Merke ●
H
Von den steroidsensitiven Patienten mit primärer FSGS
mern/Angiotensin-II1-RB zur Verminderung der Pro-
mit NS erreichen nur etwa 16 % innerhalb der ersten 4
teinurie und Progressionshemmung der Niereninsuf-
Therapiemonate eine Remission. Die Gesamtherapiedau-
fizienz,
er muss daher ausreichend lang sein.
○ weitere symptomatische Maßnahmen;

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6.3 Fokal-segmentale Glomerulosklerose

primäre FSGS mit


nephrotischem Syndrom

Kontra- Calcineurininhibitor
– Prednisolon 1 mg/kg KG/Tag für indikation oder
mind. 4 Wochen, max. 16 Wochen
MMF + Prednisolon
– supportive Therapie
(0,5 mg/kg KG /Tag für 2 – 3 Monate)

Remission Steroidresistenz Steroidabhängigkeit

Reduktion Prednisolon Prednisolon (0,15 mg/kg KG/Tag)


Prednisolon (0,15 mg/kg KG/Tag)
über 3 – 6 Monate: über 4 – 6 Monate, dann über
über 4 – 6 Monate, dann über
zunächst 10 mg alle 2 Wochen 4 – 8 Wochen ausschleichen
4 – 8 Wochen ausschleichen
bis zu einer Dosis von +
+
0,15 mg/kg KG/Tag, dann Cyclosporin 3 – 5 mg/kg KG/Tag
Cyclosporin 3 – 5 mg/kg KG/Tag
alle 2 – 4 Wochen um für mind. 4 – 6 Monate, bei erreichter
für mind. 4 – 6 Monate
2,5 mg/Tag reduzieren Remission über 12 Monate fortführen

Relaps Alternativen Alternativen


6

Prednisolon 1 mg/kg KG/Tag


für mind. einen, max. 4 Monate, MMF MMF
dann Reduktion der Steroide
oder oder oder

bei Steroidunverträglichkeit Tacrolimus Ziel-Tal-Spiegel


Cyclosporin 3 – 5 mg/kg KG/Tag Cyclophosphamid?
5 – 10 ng/ml
oder oder

Rituximab Rituximab

Abb. 6.9 Fokal segmentale Glomerulosklerose (FSGS). Therapie der primären FSGS mit nephrotischem Syndrom. (MMF = Myophenolat
Mofetil). (Verändert nach Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U. Therapie. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6.,
vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015. doi:10.1055/b-003-124668)

● Leider gibt es keine klinischen oder histologischen Therapie von häufigen Rezidiven,
Kriterien zur Vorhersage einer Steroidsensitivität oder
Steroidabhängigkeit und Steroidresistenz
Steroidresistenz.
● Die Gabe hoher Steroiddosen und die zur Ermittlung ● Häufige Rezidive und Steroidabhängigkeit:
von Steroidsensitivität/-resistenz geforderte lange The- ○ Bei häufigen Rezidiven und Steroidabhängigkeit wer-

rapiedauer stellen Patienten und Therapeuten auf eine den vor dem Hintergrund einer spärlichen Datenbasis
harte Probe. empfohlen:
○ Insbesondere tolerieren Frauen aus kosmetischen – Calcineurin-Inhibitoren/Steroide: Cyclosporin A
Gründen, Diabetiker und adipöse Patienten diese Kor- (Vorgehen s. Praxistipp) oder Tacrolimus
tisontherapie häufig schlecht. (0,05–0,1 mg/kg KG pro Tag in zwei verteilten Ein-
○ In diesen Fällen kann auf der Basis einer propsektiven zeldosen) plus Prednison 0,15 mg/kg KG/Tag über
randomisierten Studie eine primär kombinierte The- 4–6 Monate, anschließend über 4–8 Wochen redu-
rapie empfohlen werden mit zieren,
– niedrig dosierten Steroiden (Prednison 0,5 mg/kg – alternativ Mycophenolat Mofetil
KG pro Tag) über 2–3 Monate und (2-mal 750–1000 mg/Tag), wenn die Patienten kei-
– Mycophenolat Mofetil in einer Dosis von 2-mal 1 g. ne Calcineurin-Inhibiotren erhalten dürfen.
○ Bei gelegentlichem Relaps sollte eine wiederholte Ste-

roidtherapie wie bei der ersten FSGS-Episode durch-


geführt werden.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Praxistipp
Cyclosporintherapie bei FSGS:

Z 6.3.11 Nachsorge
Kontrollen
● der Nierenfunktion
● Indikationen:
● der Proteinurie
○ häufige Rezidive unter Steroidtherapie,
● des Blutdrucks
○ Steroidabhängigkeit,

○ Steroidresistenz.

● Anwendung nur bei GFR > 40 ml/min, 6.3.12 Verlauf und Prognose
● Dosierung:

○ Therapiebeginn mit 3 mg/kg KG/Tag verteilt auf zwei


● Die Langzeitprognose der Patienten mit FSGS wird im
Wesentlichen durch 2 Messgrößen bestimmt:
Einzeldosen in 12-stündigem Abstand,
○ das Ausmaß der Proteinurie und
○ Dosisanpassung an Vollblutspiegel.
○ das Ansprechen der Proteinurie auf eine Steroidthera-
IV ● Nach Remissionserzielung schrittweise Dosisreduktion:
pie.
z. B. alle 2 Monate um 25 %.
● Bei Ausbleiben eines antiproteinurischen Effekts nach 6
● Als Prädiktoren für eine günstige renale Langzeitprog-
nose gelten:
Monaten Beendigung der Therapie unter Annahme
○ der Nachweis einer Proteinurie < 3,5 g/Tag: 20 % ter-
einer Cyclosporinresistenz.
minale Niereninsuffizienz nach 10 Jahren und
○ das Auftreten einer partiellen (Verminderung der

Proteinurie > 50 %, absolute Proteinurie < 3,5 g/Tag)


● Steroidresistenz:
○ Eine Steroidresistenz wird definiert als Persistenz des
oder kompletten Remission (Proteinurie < 0,3 g/Tag)
unter Steroidtherapie.
nephrotischen Syndroms trotz hoch dosierter Therapie
○ Ein „renales“ 10-Jahres-Überleben ist beschrieben bei:
mit Prednisolon über einen Zeitraum von 6 Monaten.
○ Bei steroidresistenter FSGS sind die Therapieoptionen
– bei 90 % der Patienten mit kompletter Remission,
– bei 78 % der Patienten mit partieller Remission und
beschränkt:
– bei 40 % der Patienten mit ausbleibender Remission.
– Cyclophosphamid ist schlecht wirksam.
● Prädiktoren für einen ungünstigen Langzeitverlauf mit
– Bei Cyclosporin A kommt es zu folgenden Ergebnis-
progredienter Nierenfunktionsverschlechterung sind:
sen:
○ Nephrotische Proteinurie:
Ca. 60 % der behandelten Patienten zeigen eine Re-
– Proteinurie 3,5–10 g/Tag: 50 % terminale Nierenin-
mission (etwa 20 % komplette Remission, ca. 40 %
suffizienz nach 6–8 Jahren,
partielle Remission),
– Proteinurie > 10 g/Tag: terminale Niereninsuffizienz
Eintreten des antiproteinurischen Effekts typischer-
bei nahezu allen Patienten nach 3–6 Jahren,
weise in den ersten 3 Therapiemonaten,
○ Steroidresistenz: ausbleibende Remission des neph-
Rezidive nach Absetzen des Cyclosporins bei etwa
rotischen Syndroms unter 4- bis 6-monatiger Steroid-
60 % der Patienten,
therapie,
Progression der Niereninsuffizienz seltener bei Cy-
○ Auftreten von häufigen Rezidiven nach partieller Re-
closporin-behandelten Patienten.
missionserzielung,
Wegen der hohen Rezidivrate nach Absetzen der
○ erhöhter Kreatininwert (> 115 μmol/l bzw. 1,3 mg/dl)
Cyclosporintherapie sollte die Therapiedauer nicht
zum Diagnosezeitpunkt,
zu kurz gewählt werden. Bei Erreichen einer parti-
○ Vorliegen einer kollabierenden FSGS,
ellen oder kompletten Remission sollte die Cyclo-
○ histologischer Nachweis einer interstitiellen Fibrose.
sporin-A-Therapie für mindestens 12 Monate fort-
gesetzt werden, dann ist eine Reduzierung alle 2
Bei einzelnen Patienten entwickelt sich eine dia-
Monate um 25 % empfehlenswert. Kann nach 6 Mo-
lysepflichtige Niereninsuffizienz in wenigen Wochen bis
naten keine Remission erzielt werden, sollte Cyclo-
Monaten. Patienten mit diesem raschen Nierenfunktions-
sporin A beendet werden.
verlust erleben gehäuft (15–55 %) Rezidive der FSGS im
– Eine vom National Institute of Health (NIH) gespon-
Transplantat.
serte Studie hat die Wirksamkeit von MMF/Steroi-
den versus Cyclosporin A bei Steroidresistenz un-
tersucht: 6.3.13 Literatur
In beiden Therapiearmen kam es zu vergleichbaren
[1] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo-
Ergebnissen. nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome-
Die Studie wurde allerdings stark kritisiert, da sie rulonephritis. Kidney Int 2012; 2: 139–274
keine ausreichende statistische Power hatte und in [2] Kimmel M, Kuhlmann U. Glomerulonephritis. In: Alscher M, Böhler J,
den Einschlusskriterien eine Steroidresistenz unge- Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete
und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015
wöhnlich definiert war (fehlendes Ansprechen nach
4 Wochen).

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6.4 Membranöse Glomerulopathie

6.4 Membranöse 6.4.5 Epidemiologie


Glomerulopathie ● Die MG ist mit 30–50 % die häufigste Ursache eines
idiopathischen nephrotischen Syndroms im Erwachse-
Martin Kimmel nenalter.
● Bei Kindern wird eine MG nur selten diagnostiziert.
6.4.1 Steckbrief
Die membranöse Glomerulopathie (MG) ist die häufigste 6.4.6 Ätiologie und Pathogenese
Ursache eines nephrotischen Syndroms im Erwachsenen- Allgemeines
alter. Sekundäre Formen, insbesondere Autoimmuner-
krankungen, Infektionen, Malignome und Medikamente, ● Den subepithelialen Depots liegt eine Immunkomplex-
müssen ausgeschlossen werden. In der Pathogenese der genese zugrunde.
primären membranösen GN scheint der Phospholipase- ● Vermutet werden:
○ die Ablagerung von im Blut zirkulierenden Immun-
A2-Rezeptor (PLA2R) auf den Podozyten und zirkulierende
Anti-PLA2R-AK eine zentrale Rolle zu spielen. Aufgrund komplexen oder
○ eine „in situ“-Immunkomplexformation in den glo-
der hohen Spontanremissionsrate (30 %) sollte über 3–6
Monate eine optimale Basistherapie erfolgen. Nur bei merulären Kapillaren (▶ Abb. 6.10).
einer Hochrisikokonstellation, wie anhaltend ausgepräg-
ter Proteinurie und/oder Nierenfunktionsverschlechte- Idiopathische membranöse 6
rung, sollte eine immunsuppressive Therapie erfolgen.
Glomerulopathie (ca. 70–80 %)
● In den letzten Jahren wurden in der Pathogenese/Anti-
6.4.2 Aktuelles genidentifikation der idiopathischen MG bedeutende
● Es ließen sich mehrere mögliche Antigene identifizie- Fortschritte erzielt.
ren: ● Ein wichtiges Antigen bei der idiopathischen MG ist der
○ transmembraner M-Typ-Phospholipase-A2-Rezeptor transmembrane M-Typ-Phospholipase-A2-Rezeptor
(PLA2R) und (PLA2R), der in den Podozyten exprimiert wird
○ Thrombospondin-Typ1-Domain-Containing-7A (▶ Abb. 6.10):
○ Zirkulierende Anti-PLA2R-AK wurden in unterschied-
(THSD7A).
lichen Kohorten aus Europa und China bei 70–80 %
der Patienten nachgewiesen.
6.4.3 Synonyme ○ In ersten Studien findet sich ein Zusammenhang des

● Membranöse Glomerulonephritis Anti-PLA2R-AK mit der Krankheitsaktivität.


○ Bestandteil der Anti-PLA2R-AK sind hauptsächlich
● Membranous glomerulonephritis
● Membranöse Glomerulopathie IgG4, die auch in den Immunkomplexen der idio-
● Membranous glomerulopathy pathischen MG nachweisbar sind.
○ In genetischen Untersuchungen konnten darüber hi-

naus Risikoallele in den HLA-DQA1- und PLA2R1-Allel


6.4.4 Definition für das Auftreten einer idiopathischen MG gefunden
● Die MG ist eine durch Immunkomplex-Ablagerungen in werden.
den glomerulären Basalmembranen bedingte Erkran-
● In 20–30 % sind die Antigene unbekannt (evtl. neutrale
kung der glomerulären Kapillare. Endopeptidase, Aldose-Reductase, Superoxid-Dismuta-
● Üblicherweise wird die Diagnose im Rahmen der Nie- se 2 und Alpha-Enolase, kationisches Rinder-Serum-
renbiopsie zur Abklärung einer nephrotischen Protein- albumin, ...)
urie gestellt.
● Die typischen histologischen Veränderungen sind: Sekundäre membranöse
○ eine lichtmikroskopisch sichtbare Verdickung der glo-
Glomerulopathie (ca. 20–30 %)
merulären Basalmembranen ohne Zeichen der Pro-
liferation,
● Bei einigen sekundären Formen der MG ist das zur Im-
○ der immunhistologische und elektronenmikroskopi- munkomplexbildung führende Antigen bekannt (z. B.
sche Nachweis von IgG und C3 enthaltenden Immun- bei Autoimmunerkrankungen, Infektionen oder Mali-
komplexen in subepithelialer Lokalisation. gnome).
● IgA-Ablagerungen, mesangiale Depots und der Nach-
weis von Immunkomplexen in den tubulären Basal-
membranen können als möglicher Hinweis auf das Vor-
liegen einer Lupusnephritis gedeutet werden.

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6.4 Membranöse Glomerulopathie

6.4 Membranöse 6.4.5 Epidemiologie


Glomerulopathie ● Die MG ist mit 30–50 % die häufigste Ursache eines
idiopathischen nephrotischen Syndroms im Erwachse-
Martin Kimmel nenalter.
● Bei Kindern wird eine MG nur selten diagnostiziert.
6.4.1 Steckbrief
Die membranöse Glomerulopathie (MG) ist die häufigste 6.4.6 Ätiologie und Pathogenese
Ursache eines nephrotischen Syndroms im Erwachsenen- Allgemeines
alter. Sekundäre Formen, insbesondere Autoimmuner-
krankungen, Infektionen, Malignome und Medikamente, ● Den subepithelialen Depots liegt eine Immunkomplex-
müssen ausgeschlossen werden. In der Pathogenese der genese zugrunde.
primären membranösen GN scheint der Phospholipase- ● Vermutet werden:
○ die Ablagerung von im Blut zirkulierenden Immun-
A2-Rezeptor (PLA2R) auf den Podozyten und zirkulierende
Anti-PLA2R-AK eine zentrale Rolle zu spielen. Aufgrund komplexen oder
○ eine „in situ“-Immunkomplexformation in den glo-
der hohen Spontanremissionsrate (30 %) sollte über 3–6
Monate eine optimale Basistherapie erfolgen. Nur bei merulären Kapillaren (▶ Abb. 6.10).
einer Hochrisikokonstellation, wie anhaltend ausgepräg-
ter Proteinurie und/oder Nierenfunktionsverschlechte- Idiopathische membranöse 6
rung, sollte eine immunsuppressive Therapie erfolgen.
Glomerulopathie (ca. 70–80 %)
● In den letzten Jahren wurden in der Pathogenese/Anti-
6.4.2 Aktuelles genidentifikation der idiopathischen MG bedeutende
● Es ließen sich mehrere mögliche Antigene identifizie- Fortschritte erzielt.
ren: ● Ein wichtiges Antigen bei der idiopathischen MG ist der
○ transmembraner M-Typ-Phospholipase-A2-Rezeptor transmembrane M-Typ-Phospholipase-A2-Rezeptor
(PLA2R) und (PLA2R), der in den Podozyten exprimiert wird
○ Thrombospondin-Typ1-Domain-Containing-7A (▶ Abb. 6.10):
○ Zirkulierende Anti-PLA2R-AK wurden in unterschied-
(THSD7A).
lichen Kohorten aus Europa und China bei 70–80 %
der Patienten nachgewiesen.
6.4.3 Synonyme ○ In ersten Studien findet sich ein Zusammenhang des

● Membranöse Glomerulonephritis Anti-PLA2R-AK mit der Krankheitsaktivität.


○ Bestandteil der Anti-PLA2R-AK sind hauptsächlich
● Membranous glomerulonephritis
● Membranöse Glomerulopathie IgG4, die auch in den Immunkomplexen der idio-
● Membranous glomerulopathy pathischen MG nachweisbar sind.
○ In genetischen Untersuchungen konnten darüber hi-

naus Risikoallele in den HLA-DQA1- und PLA2R1-Allel


6.4.4 Definition für das Auftreten einer idiopathischen MG gefunden
● Die MG ist eine durch Immunkomplex-Ablagerungen in werden.
den glomerulären Basalmembranen bedingte Erkran-
● In 20–30 % sind die Antigene unbekannt (evtl. neutrale
kung der glomerulären Kapillare. Endopeptidase, Aldose-Reductase, Superoxid-Dismuta-
● Üblicherweise wird die Diagnose im Rahmen der Nie- se 2 und Alpha-Enolase, kationisches Rinder-Serum-
renbiopsie zur Abklärung einer nephrotischen Protein- albumin, ...)
urie gestellt.
● Die typischen histologischen Veränderungen sind: Sekundäre membranöse
○ eine lichtmikroskopisch sichtbare Verdickung der glo-
Glomerulopathie (ca. 20–30 %)
merulären Basalmembranen ohne Zeichen der Pro-
liferation,
● Bei einigen sekundären Formen der MG ist das zur Im-
○ der immunhistologische und elektronenmikroskopi- munkomplexbildung führende Antigen bekannt (z. B.
sche Nachweis von IgG und C3 enthaltenden Immun- bei Autoimmunerkrankungen, Infektionen oder Mali-
komplexen in subepithelialer Lokalisation. gnome).
● IgA-Ablagerungen, mesangiale Depots und der Nach-
weis von Immunkomplexen in den tubulären Basal-
membranen können als möglicher Hinweis auf das Vor-
liegen einer Lupusnephritis gedeutet werden.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

a zirkulierende b „In-situ“-Immunkomplexbildung c „In-situ“-Immunkomplexbildung


Immunkomplexe mit einem podozytären Antigen durch extrinsische Antigene
(z. B. Anti-Phospholipase-A2-Rezeptor)

Bowman'scher
Kapselraum

Antigen
(z. B. Anti-
Phospholipase-
A2-Rezeptor)

Podozyt

IV

Antigen

kapilläres „In-situ“-
Lumen Immunkomplex

glomeruläre
Immun- Basalmembran
komplex
Antikörper
Antikörper
nicht native Endothel-
Antigene zellen

zirkulierende
Antikörper

Abb. 6.10 Membranöse Glomerulopathie. Mögliche Pathogenese der subepithelialen Ablagerungen bei der membranösen
Glomerulopathie: (a) Subepitheliale Ablagerung zirkulierender Immunkomplexe (blau). (b) “In-situ“-Formation von Immunkomplexen
(rot) durch zirkulierende Autoantikörper mit einem podozytären Antigen, z. B. Anti-PLA2R-AK (Phospholipase-A2-Rezeptor). (c)
Formation von Immunkomplexen eines extrinsischen Antigens (lila) mit zirkulierenden Antikörpern (lila) [2].

● Am häufigsten liegen einer sekundären MG zugrunde: ○ Autoimmunerkrankungen:


○ Infektionen: – Systemischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syn-
– Hepatitis B und C, Malaria, Lues, Lepra, Schistoso- drom, Hashimoto-Thyreoiditis, primär biliäre Zir-
miasis, Filariose, HIV. rhose.
○ Medikamente: ● Seltene Ursachen:
– früher Gold und D-Penicillamin, jetzt nichtsteroida- ○ Sarkoidose, Morbus Crohn, Guillain-Barré-Syndrom,

le Antirheumatika. Myasthenia gravis, Sichelzellanämie, Weber-Christian-


○ Tumorerkrankungen (bei älteren Patienten): Erkrankung, Dermatitis herpetiformis, Stammzell-
– Bronchus-, Prostata-, Magen- und Kolonkarzinome, transplantation.


H
seltener Mamma-, Uterus-, Ovarial- und Pha-
rynxkarzinome, malignes Melanom, Lymphome.
– Studien belegen eindrücklich die Assoziation zwi- Merke
schen Karzinomerkrankungen und sekundärer MG Bei jeder neu diagnostizierten MG müssen anamnestisch,
bei älteren Menschen: Bei 10 % der > 65 Jahre alten klinisch und laborchemisch zahlreiche Grundkrankheiten
Patienten mit MG konnte zum Diagnosezeitpunkt ausgeschlossen werden, bevor die Diagnose einer idio-
bzw. innerhalb eines Jahres nach Diagnosestellung pathischen membranösen Glomerulopathie gestellt wer-
ein Tumorleiden diagnostiziert werden. Zahlen- den kann (s. oben: Ursachen der sekundären membranö-
mäßig dominierten Bronchus- und Prostatakarzino- sen Glomerulopathie.
me, gefolgt von Magen- und Kolonkarzinomen.

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6.4 Membranöse Glomerulopathie

6.4.7 Klassifikation
● Es muss bei histologisch gesicherter MG unterschieden
werden zwischen
○ einer primären, idiopathischen (70–80 %) und

○ einer sekundären (20–30 %) membranösen Glomeru-

lopathie.
● Das Ausmaß der Immunkomplexablagerungen ermög-
licht eine histopathologische Stadieneinteilung I–IV.

6.4.8 Klinik
● Ca. 80 % der Patienten mit MG entwickeln ein nephroti-
sches Syndrom:
○ Bei ca. 20 % der Patienten liegt der renale Eiweißver-

lust < 3,5 g/Tag.


○ Eine Hypertonie findet sich zu Beginn der Erkrankung

bei etwa 20–30 % der Patienten,


○ eine Mikrohämaturie ist in etwa der Hälfte der Fälle

nachweisbar. 6
Abb. 6.11 Membranöse Glomerulopathie. Glomeruläre Kapil-
lare mit verdickter Basalmembran und perlschnurartig abge-
6.4.9 Diagnostik lagerten elektronendichten Depots. Elektronenmikroskopie,
Vergrößerung x 5000. (Quelle: Frau Prof. Dr. K. Amann,
Diagnostisches Vorgehen Abteilung für Nephropathologie, Universität Erlangen)
● Üblicherweise wird die Diagnose im Rahmen der Nie-
renbiopsie (▶ Abb. 6.11) zur Abklärung einer nephroti-
schen Proteinurie gestellt. ● Nierenfunktion:
● Die für Prognose und Therapie entscheidende Unter- ○ Die Nierenfunktion ist zum Diagnosezeitpunkt meis-

scheidung zwischen idiopathischer MG und sekundä- tens normal.


ren Formen der MG ist aufgrund klassischer histologi- ○ Erst nach mehreren Jahren kommt es zur Abnahme

scher Kriterien nicht sicher möglich. der GFR.


● Hinweise ergeben die glomeruläre Expression des ○ Etwa 20–30 % der Patienten entwickeln innerhalb von

PLA2R und der serologische Nachweis von zirkulieren- 15 Jahren eine terminale Niereninsuffizienz.
den Anti-PLA2R-AK. ○ Einzelne Patienten mit ausgeprägtem nephrotischem

Syndrom und Kreatininerhöhung bei Diagnosestel-


Anamnese lung werden jedoch in deutlich kürzeren Zeiträumen
dialysepflichtig.
● Anamnese hinsichtlich der o. g. Grunderkrankungen ● Der mögliche klinische Nutzen der Anti-PLA2R-AK liegt
und Einnahme von Medikamenten daher in
○ der serologischen Diagnose einer idiopathischer MG,

Körperliche Untersuchung ○ der therapeutischen Stratifizierung und

○ dem Therapiemonitoring.
● komplette körperliche Untersuchung ● Bei der Differenzierung zwischen idiopathischer und
● Hinweise auf Tumorerkrankung?
sekundärer MG kann der Anti-PLA2R-AK-Titer im Se-
● Blutdruck
rum und die immunhistologische Färbung des PLA2 R
weiterhelfen:
Labor ○ Meist sind bei der idiopathischen MG sowohl die An-

ti-PLA2R-AK im Serum wie auch die glomeruläre Ex-


Laborchemisch finden sich bei der idiopathischen MN ne-
pression des PLA2 R beide positiv,
ben Proteinurie, Hypalbuminämie, Hyperlipidämie und
○ bei der sekundären MG sind dagegen meist beide ne-
Immunglobulin- und AT-III-Mangel keine wesentlichen
gativ.
Auffälligkeiten, solange die Nierenfunktion normal ist.
Anämie, Thrombopenie und/oder Komplementverbrauch
sollten an das Vorliegen einer sekundären MG denken las-
sen (Kap. 6.4.6).

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Histologie, Zytologie und klinische – dies ist auch bei schon vorhandener Einschränkung
der Nierenfunktion möglich.
Pathologie ● Ein Abfall der Proteinurie um > 50 % innerhalb des ers-
Nierenbiopsie ten Jahres ist ein guter Prädiktor für eine Spontanre-
mission.


● Die typischen histologischen Veränderungen sind:
○ eine lichtmikroskopisch sichtbare Verdickung der glo-

merulären Basalmembranen ohne Zeichen der Pro- Praxistipp


Z
liferation,
○ der immunhistologische und elektronenmikroskopi-
Patienten mit Spontanremission einer MG haben eine ex-
sche Nachweis von IgG und C 3 enthaltenden Immun- zellente Prognose. Der Proteinurie-Verlauf unter optima-
komplexen in subepithelialer Lokalisation. ler Basistherapie ist entscheidend: Sollte es zu keinem
● Hinweise auf eine idiopathische versus sekundäre MG Abfall der Proteinurie kommen, sinkt die Wahrscheinlich-
IV ergeben die glomeruläre Expression des PLA2 R. keit einer Spontanremission. Es wird daher eine 3- bis
6-monatige Verlaufsbeobachtung unter optimaler Basis-
therapie empfohlen, um danach entsprechend der Ri-
6.4.10 Differenzialdiagnosen sikostratifikation über den Einsatz zytotoxischer/immun-
suppressiver Medikamente zu entscheiden.
● Alle anderen zum nephrotischen Syndrom führende
Glomerulopathien.
● Bei plötzlichem Kreatininanstieg müssen neben der
Grundkrankheit folgende Ursachen differenzialdiagnos- Risikostratifikation
tisch ausgeschlossen werden: ● Es hat sich bewährt, die Intensität der Behandlung dem
○ Diuretika-bedingte intravasale Hypovolämie mit prä-
vermeintlichen Risiko einer Nierenfunktionsver-
renaler Niereninsuffizienz, schlechterung anzupassen.
○ medikamentös induzierte akut interstitielle Nephri-
● Die hierzu notwendige Risikostratifikation sollte bei je-
tis, DD Sulfonamiddiuretika, dem Patienten der Therapieentscheidung vorausgehen.
○ Nierenvenenthrombose,
● Das Risiko einer Nierenfunktionsverschlechterung
○ hinzukommende RPGN.
wird während der 3- bis 6-monatigen Beobachtungs-
phase erfasst durch wiederholte
6.4.11 Therapie ○ Quantifizierung der Proteinurie und

○ Bestimmung der GFR und des Serumkreatinins.


Therapeutisches Vorgehen ● Ferner fließen histopathologische Befunde in die Prog-
● Kein Zweifel besteht an der Indikation zu symptomati- nosebeurteilung ein:
○ Als ungünstige histologische Prognosekriterien gel-
schen Therapiemaßnahmen bei allen nephrotischen Pa-
tienten (▶ Tab. 6.4). ten:
● Die Festlegung und Erfolgsbeurteilung einer zytotoxi- – interstitielle Fibrose,
schen/immunsuppressiven Therapie der idiopathischen – sekundäre glomeruläre Sklerose und
MG sind erschwert durch: – elektronenmikroskopischer Nachweis eines hetero-
○ den variablen Spontanverlauf der Erkrankung und genen Ablagerungsmuster der subepithelialen Im-
○ die erheblichen Nebenwirkungen dieser Behandlung. munkomplexe.
○ Diese Kriterien erlauben jedoch keine sichere Aussage

zur Wirksamkeit der immunsuppressiven/zytotoxi-


Pharmakologische Therapie der schen Therapie hinsichtlich Remissionserzielung.
idiopathischen MG
Verlaufsbeobachtung bei idiopathischer MG Risikogruppen
● Verlaufsbeobachtungen der Patienten mit idiopathi- ● Es lassen sich nach 3- bis 6-monatiger Beobachtung der
scher MG haben gezeigt, dass bei Patienten 3 Risikogruppen definieren (▶ Abb. 6.12):
○ 20–30 % eine spontane Remission eintritt, ○ Patienten mit geringem Risiko einer Nierenfunk-

○ 30–40 % eine persistierende Proteinurie bei stabiler tionsverschlechterung:


Nierenfunktion nachweisbar ist, – maximale Proteinurie < 4 g/24 h,
○ 20–30 % ein fortschreitender Nierenfunktionsverlust – GFR und Kreatinin durchgehend normal.
○ Patienten mit mittlerem Risiko einer Nierenfunk-
erfolgt.
● Daten aus Spanien zeigen, dass selbst bei ausgeprägtem tionsverschlechterung:
nephrotischem Syndrom Spontanremissionen bis 20 – persistierende Proteinurie 4–8 g/24 h,
Monate nach der bioptischen Erstdiagnose möglich sind – normale oder fast normale Werte für Serumkreati-
nin und Kreatinin-Clearance.

272 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.4 Membranöse Glomerulopathie

primäre idiopathische
membranöse Glomerulopathie

Basistherapie (über mind. 3 Monate)


ACE-H bzw. ARB
RR < 130/80 mmHg bzw. RR < 125/75 mmHg falls Proteinurie > 1 g/Tag
Salzrestriktion, Nikotinverzicht

Serumkreatinin > 3,5 – 4,0 mg/dl bzw. GFR < 30 ml/min dialysevorbereitende
ja
+ sonografisch echoreiche kleine Nieren (< 8 cm) Maßnahmen

nein

Risikostratifizierung

mittleres Risiko der GFR↓ hohes Risiko der GFR↓


niedriges Risiko der GFR↓ Proteinurie > 4 g/Tag bis < 8 g/Tag Proteinurie > 8 g/Tag
Proteinurie < 4 g/Tag + normale/gering eingeschränkte ± nicht anders erklärbare Nierenfunktions-
+ normale Nierenfunktion Nierenfunktion verschlechterung (> 30 % Kreatininanstieg) 6

optimale Basistherapie
über 6 Monate (nach Erstdiagnose)

Proteinurie > 4 g/Tag


+ starre Proteinurie (Abfall vom Initialwert < 50 %)
nein ± Komplikationen des nephrotischen Syndroms ja
± nicht anders erklärbare Nierenfunktions-
verschlechterung (> 30 % Kreatininanstieg)

initial
Basistherapie 6 Monate Cyclophosphamid + Steroide
regelmäßige Kontrollen Alternative
mind. 6 – 12 Monate CNI + niedrigdosiert Steroide

Remission Therapie-
Proteinurie versagen

anhaltende
Relaps
Remission

erneuter Einsatz der


Wechsel der initialen
initialen Reduktion bzw. Beendigung der
immunsuppressiven Therapie
immunsuppressiven Therapie Immunsuppression
Alternativen: Rituximab, MMF
(max. 2 Zyklen Cycloposphamid)

Abb. 6.12 Idiopathische membranöse Glomerulopathie. Therapeutisches Vorgehen. Patienten können im Laufe der 3-6-monatigen
Beobachtungsperiode durchaus die Risikogruppe wechseln (RR: Blutdruck; ACE-Hemmer: Angiotensin-Konversionsenzym-Hemmer,
AT-II1-RB: Angiotensin-II1-Rezeptorblocker, MMF: Mycophenolat Mofetil, CNI = Calcineurin-Inhibitor) [3].

○ Patienten mit hohem Risiko einer Nierenfunktions-


verschlechterung:
– persistierende Proteinurie von > 8 g/24 h,
– erhöhtes Serumkreatinin und/oder zunehmender
Abfall der GFR (Kreatinin-Clearance).

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Therapie der Patienten mit niedrigem Risiko


● Therapeutisch empfiehlt sich für Patienten mit gerin-
gem Risiko einer Nierenfunktionsverschlechterung eine
Merke
Die Einleitung einer immunsuppressiven Therapie

H
„Wait-and-see-Strategie“ unter optimaler Basisthera- (▶ Abb. 6.12) empfiehlt sich bei Patienten mit
● einem hohen Risiko der Nierenfunktionsverschlechte-
pie, da nur etwa 5 % der Patienten dieser Gruppe eine
chronische Niereninsuffizienz entwickeln, sodass die rung trotz 3-monatiger optimaler Basistherapie und
● bei mittlerem Risiko, falls es während einer 6-monati-
Anwendung immunsuppressiver Medikamente nicht
gerechtfertigt ist. gen optimalen Basistherapie zu folgenden Ereignissen
● Regelmäßige Kontrollen der Proteinurie und GFR die- kommt: Starre Proteinurie ohne Abfall auf < 4 g oder
nen der Reevaluation des Risikoprofils. um 50 % des Maximalwerts oder bei nicht anders er-
● Zur Nephroprotektion und Senkung der Proteinurie klärbarer Nierenfunktionsverschlechterung.
werden ACE-Hemmer/AT-II1-Rezeptorblocker einge-
IV setzt.
● Die immunsuppressive Therapie beruht bislang v. a.
Therapie der Patienten mit mittlerem und auf:
○ einer kombinierten Steroid-Alkylanzien-Therapie mit
hohem Risiko
Cyclophosphamid, alternativ Chlorambucil
● Mittleres Risiko: (▶ Tab. 6.4),
○ Hier ist die Datenlage uneindeutig:
○ oder einer auf einem Calcineurin-Inhibitor basierten
– Die KDGIO-Leitlinie empfiehlt 2012 hier ein restrik- Therapie mit Cyclosporin oder Tacrolimus ± niedrig-
tives Vorgehen mit einer 6-monatigen optimalen dosierte Steroide.
Basistherapie. ○ Die Vor- und Nachteile der beiden Immunsuppressiva
– Kommt es unter dieser Behandlung zu keinem Ab- bei der Therapie der idiopathischen MG sind in
fall der Proteinurie oder zu einer Nierenfunktions- ▶ Tab. 6.5 aufgeführt; mögliche Therapieprotokolle in
verschlechterung, wird eine immunsuppressive ▶ Tab. 6.6.
Therapie empfohlen. ● Antimetabolite (Myophenolatmofetil (MMF) oder
● Hohes Risiko: Azathioprin): Es gibt keine Hinweise dass Azathioprin
○ Nach 3-monatiger optimaler Basistherapie ist die Ein-
oder eine MMF-Monotherapie eine Rolle in der
leitung einer immunsuppressiven Therapie indiziert Behandlung der idiopathischen MN spielen.
mit dem Ziel einer ● Rituximab: Mehrere Fallserien haben hohe Remissions-
– partiellen Remission (Senkung der Proteinurie um raten mit Rituximab mit geringem Nebenwirkungspro-
50 % und möglichst auf < 3,5 g/Tag) oder einer fil gezeigt.
– kompletten Remission (Senkung der Proteinurie
auf < 0,3 g/Tag).

Tab. 6.4 Therapie der idiopathischen membranösen Glomerulopathie.


Art der Therapiemaßnahmen Spezifische Therapie
Symptomatische unspezifische Behandlung der Ödeme
Therapiemaßnahmen Antihypertensive Behandlung: Zielblutdruck < 130/80 mmHg, bei Proteinurie > 1,0 g/Tag < 125/
75 mmHg
Nephroprotektion und Verminderung der Proteinurie durch ACE-Hemmer/AT-II1-Rezeptorblocker
Therapie der Hyperlipoproteinämie
Verhütung von Thrombosen und Embolien
Prophylaxe und Frühbehandlung von Infektionen
Salzrestriktion
Übersicht der verschiedenen Kombinierte Steroid-Cyclophosphamid-Therapie
immunsuppressiven Therapien Kombinierte Steroid-Chlorambucil-Therapie nach Ponticelli
Cyclosporin + Steroid-Therapie
Tacrolimus + Steroid-Therapie
MMF + Steroide (?)
ACTH (?)
Rituximab-Monotherapie (?)
Maßnahmen zur Vermeidung Kalzium und Vitamin D zur Osteoporoseprophylaxe, bei vorbestehender Osteoporose ggf. zusätzlich
der Nebenwirkungen einer Bisphosphonat
immunsuppressiven Therapie Bei Cyclophosphamid-Behandlung junger Frauen zusätzlich Gonadotropin-Releasing-Hormon-Ago-
nisten zur Vermeidung einer Ovarialinsuffizienz

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6.4 Membranöse Glomerulopathie

Tab. 6.5 Vor- und Nachteile einer Therapie einem Calcineurin-Inhibitor gegenüber Cyclophosphamid bei der idiopathischen MG.
Vorteile der Therapie mit Calcineurin-Inhibitor Nachteile der Therapie mit Calcineurin-Inhibitor
Hinweise auf schnellere Reduktion der Proteinurie Hohe Relaps-Raten → längere Therapie notwendig
Geringere Steroiddosen Studien mit nur kurzer Beobachtungszeit → keine Daten zum
Langzeiterhalt der GFR
Keine Fertilitätsbedenken Nephrotoxizität und Hypertonie
Keine Langzeitbedenken bzgl. Cyclophosphamid-assoziierten Hyperglykämie
Malignomen Verschlechterung vorbestehender Hyperlipidämie

Tab. 6.6 Immunsuppressive Therapieoptionen bei idiopathischer MG.


Substanzgruppe Substanz/Protokoll Durchführung/Bemerkungen
Alkylanzien** Zyklische Steroid-/Cyclophosphamid- Monat 1: Methylprednisolon-Boli (1 g i. v./Tag) über 3 Tage, gefolgt von
Therapie: modifiziertes „Ponticelli- oralem Prednisolon (0,5 mg/kg pro Tag) über 27 Tage
Regime“ Monat 2: orales Cyclophosphamid (2,0–2,5 mg/kg pro Tag) über 30 Tage
Monat 3: Wiederholung Monat 1
Monat 4: Wiederholung Monat 2
Monat 5: Wiederholung Monat 1
Monat 6: Wiederholung Monat 2
Zyklische Steroid-/Chlorambucil- Monat 1: Methylprednisolon-Boli (1 g i. v./Tag) über 3 Tage, gefolgt von 6
Therapie: „Ponticelli-Regime“ oralem Prednisolon (0.5 mg/kg pro Tag) über 27 Tage
Monat 2: orales Chlorambucil (0,2 mg/kg pro Tag) über 30 Tage
Monat 3: Wiederholung Monat 1
Monat 4: Wiederholung Monat 2
Monat 5: Wiederholung Monat 1
Monat 6: Wiederholung Monat 2
Täglich Steroid-/Cyclophosphamid: 1,5–2 mg/kg orales Cyclophosphamid täglich über 12 Monate
„Niederländisches“ Protokoll plus 0,5 mg/kg orales Prednisolon täglich (oder jeden 2. Tag) über 6
Monate mit anschließender Reduktion
plus 1 g/Tag Methylprednisolon i. v. über 3 Tage in den Monaten 1, 3 und 5
Auf Calcineurin- Cyclosporin p. o.: Initaldosis 2 mg/kg pro Tag aufgeteilt in zwei Einzeldosen mit
Inhibitor basierte 12-stündigem Abstand
Regime Nach Talspiegel
Therapiedauer mind. 6–12 Monate,
dann Reduktion bis zur niedrigst möglichen Erhaltungsdosis + Prednisolon
0,15 mg/kg pro Tag (max. 15 mg/Tag)
Tacrolimus p. o. Initialdosis 0,05 mg/kg pro Tag aufgeteilt in zwei Einzeldosen mit
12-stündigem Abstand.
Ziel-Talspiegel 3–5 ng/l.
Falls nach 2 Monaten keine Remission, Steigerung der Tacrolimus-Dosis
auf 5–8 ng/l über 6–12 Monate.
Danach Reduktion zur niedrigst möglichen Erhaltungsdosis + Prednisolon
0,15 mg/kg pro Tag (max. 15 mg/Tag)
Mycophenolat Mofetil (MMF) MMF 2 g/Tag über 1 Jahr + niedrigdosierte Steroide
Rituximab einmal wöchentlich 375 mg/m2 über 4 Wochen oder
im Abstand von 2 Wochen 1 g oder
einmalig 375 mg/m2 und erneute Gabe bei Anstieg der B-Zellen
**Für alle Schemata mit Alkylanzien gilt:
- die Cyclophosphamiddosis wird mit dem „Trockengewicht“, also dem Gewicht vor Auftreten des nephrotischen Syndroms berechnet.
- In den ersten 2 Monaten alle 2 Wochen Kontrolle von Serumkreatinin, Proteinurie, Serumalbumin und Leukozyten.
- Die Cyclophosphamiddosis sollte bei Abfall der Leukozyten < 3,5 × 109/l pausiert und bei > 4,0 × 109/l wiederbegonnen werden.
- Studien zur i. v. Cyclophosphamid-Bolustherapie liegen nicht vor.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Therapie der sekundären membranösen 6.5 C 3-Glomerulopathie und


Glomerulopathie
Immunkomplex-vermittelte
● Absetzen der in Kap. 6.4.6 genannten Medikamente
und Behandlung der genannten Grundkrankheiten kön- MPGN
nen zu einer Remission der sekundären MG führen. Bernd Hohenstein

6.4.12 Nachsorge 6.5.1 Steckbrief


Kontrolle:
Mit der Einführung der pathophysiologisch orientierten
● der Nierenfunktion
Klassifikation der Glomerulonephritis mit dominanten
● der Proteinurie
C 3-Ablagerungen als eigene Entität gegenüber der Im-
IV ● des Blutdrucks
munkomplex-vermittelten membranoproliferativen Glo-
merulonephritis (IC-MPGN) wurde auch die Basis für eine
6.4.13 Verlauf und Prognose konsequentere diagnostische Aufarbeitung dieser sehr
seltenen Erkrankungen geschaffen. Die über viele Jahre
● Erste Studienergebnisse ergeben interessante Assozia- etablierte histopathologische Beschreibung des größten
tionen der Anti-PLA2R-AK mit der Krankheitsaktivität: Teils dieser Erkrankungen als MPGN wurde damit nicht
○ Höhere anti-PLA2R-AK-Titer sind mit einer größeren
abgelöst, aber deutlich präzisiert. Die Abgrenzung von Er-
Proteinurie assoziiert, krankungen, die primär auf einer Dysregulation des Kom-
○ niedrigere Anti-PLA2R-AK-Titer sind mit einer höhe-
plementsystems beruhen, von Erkrankungen, die auch als
ren Rate an Spontanremissionen assoziiert, Folge zahlreicher anderer Krankheitsbilder entstehen, ist
○ der Abfall des Anti-PLA2R-AK-Titers sagt das Anspre-
ein wesentlicher Fortschritt, da in jedem Fall nach dem
chen auf eine immunsuppressive Therapie voraus, nephropathologischen Befund weitere diagnostische
○ höhere anti-PLA2R-AK-Titers innerhalb von 2 Jahren
Schritte folgen müssen. Es bestehen weiterhin viele offe-
nach Erstdiagnose sagen einen Nierenfunktionsver- ne Fragen zur Gruppe dieser Erkrankungen und nicht im-
schlechterung in den folgenden 5 Jahren voraus, mer lässt sich die Pathophysiologie klären. Dennoch ist
● Daten zur Remission: jeder Einzelfall genau zu analysieren, da nur ein systema-
○ Das Eintreten einer partiellen oder kompletten Re-
tisches diagnostisches Vorgehen und die Erfassung dieser
mission verbessert das renale Überleben der Patien- seltenen Krankheitsbilder in Registern zur Verbesserung
ten mit idiopathischer MG eindrücklich. der prognostischen Abschätzung und Entwicklung der-
○ Bei idiopathischer MG und nephrotischem Syndrom
zeit nicht verfügbarer, zielgerichteter Therapien führen
findet sich ein „renales 10-Jahres-Überleben“: kann.
– bei 100 % der Patienten mit kompletter Remission,
– bei 90 % der Patienten mit partieller Remission,
– bei 45 % der Patienten ohne Remission. 6.5.2 Aktuelles
● 2016 wurden erstmals Daten des Registers am Mario
6.4.14 Literatur Negri Institut in Bergamo, Italien, veröffentlicht [8].
● Der aktuell gültige internationale Konsensus stammt
[1] Beck L, Bomback AS, Choi MJ et al. KDOQI US commentary on the
aus dem Jahr 2013 [20].
2012 KDIGO clinical practice guideline for glomerulonephritis. Am J
Kidney Dis 2013; 62(3): 403–41 ● 2018 zeigt eine Arbeit aus der Mayo Clinic in Rochester,
[2] Glassock RJ. Human idiopathic membranous nephropathy – a myste- dass sich bei Fällen der C 3 Glomerulopathie monoklo-
ry solved? N Engl J Med 2009; 361(1): 81–3 nale Immunglobuline nachweisen lassen [10]
[3] Hofstra JM, Fervenza FC, Wetzels JF. Treatment of idiopathic membra- ● 2018 zeigt eine Clusteranalyse aus Bergamo, dass sich
nous nephropathy. Nat Rev Nephrol. 2013; 9(8): 443–58
ähnliche Erkrankungsmuster auch über die neu defi-
Weiterführende Literatur nierten Entitäten hinweg finden lassen [7]
[4] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo- ● Seit 2015 steht das Register für C 3 Glomerulopathie
nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome- und Immunkomplex-vermittelte MPGN (www.C 3Gnet.
rulonephritis. Kidney inter., Suppl. 2012; 2: 139–274. de) zur systematischen Erfassung dieser Erkrankungen
[5] Kimmel M, Kuhlmann U, Histologie und Pathogenese. In: Alscher M,
zur Verfügung (orphanet Code: ORPHA461155).
Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig über-
arbeitete und erweiterte Auflage. Thieme; 2015

6.5.3 Synonyme
● C 3-Glomerulopathie (C 3G); Orpha.net: ORPHA329918
● Nicht-Immunglobulin-vermittelte MPGN
● Immunglobulin-vermittelte MPGN; ORPHA329903

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Therapie der sekundären membranösen 6.5 C 3-Glomerulopathie und


Glomerulopathie
Immunkomplex-vermittelte
● Absetzen der in Kap. 6.4.6 genannten Medikamente
und Behandlung der genannten Grundkrankheiten kön- MPGN
nen zu einer Remission der sekundären MG führen. Bernd Hohenstein

6.4.12 Nachsorge 6.5.1 Steckbrief


Kontrolle:
Mit der Einführung der pathophysiologisch orientierten
● der Nierenfunktion
Klassifikation der Glomerulonephritis mit dominanten
● der Proteinurie
C 3-Ablagerungen als eigene Entität gegenüber der Im-
IV ● des Blutdrucks
munkomplex-vermittelten membranoproliferativen Glo-
merulonephritis (IC-MPGN) wurde auch die Basis für eine
6.4.13 Verlauf und Prognose konsequentere diagnostische Aufarbeitung dieser sehr
seltenen Erkrankungen geschaffen. Die über viele Jahre
● Erste Studienergebnisse ergeben interessante Assozia- etablierte histopathologische Beschreibung des größten
tionen der Anti-PLA2R-AK mit der Krankheitsaktivität: Teils dieser Erkrankungen als MPGN wurde damit nicht
○ Höhere anti-PLA2R-AK-Titer sind mit einer größeren
abgelöst, aber deutlich präzisiert. Die Abgrenzung von Er-
Proteinurie assoziiert, krankungen, die primär auf einer Dysregulation des Kom-
○ niedrigere Anti-PLA2R-AK-Titer sind mit einer höhe-
plementsystems beruhen, von Erkrankungen, die auch als
ren Rate an Spontanremissionen assoziiert, Folge zahlreicher anderer Krankheitsbilder entstehen, ist
○ der Abfall des Anti-PLA2R-AK-Titers sagt das Anspre-
ein wesentlicher Fortschritt, da in jedem Fall nach dem
chen auf eine immunsuppressive Therapie voraus, nephropathologischen Befund weitere diagnostische
○ höhere anti-PLA2R-AK-Titers innerhalb von 2 Jahren
Schritte folgen müssen. Es bestehen weiterhin viele offe-
nach Erstdiagnose sagen einen Nierenfunktionsver- ne Fragen zur Gruppe dieser Erkrankungen und nicht im-
schlechterung in den folgenden 5 Jahren voraus, mer lässt sich die Pathophysiologie klären. Dennoch ist
● Daten zur Remission: jeder Einzelfall genau zu analysieren, da nur ein systema-
○ Das Eintreten einer partiellen oder kompletten Re-
tisches diagnostisches Vorgehen und die Erfassung dieser
mission verbessert das renale Überleben der Patien- seltenen Krankheitsbilder in Registern zur Verbesserung
ten mit idiopathischer MG eindrücklich. der prognostischen Abschätzung und Entwicklung der-
○ Bei idiopathischer MG und nephrotischem Syndrom
zeit nicht verfügbarer, zielgerichteter Therapien führen
findet sich ein „renales 10-Jahres-Überleben“: kann.
– bei 100 % der Patienten mit kompletter Remission,
– bei 90 % der Patienten mit partieller Remission,
– bei 45 % der Patienten ohne Remission. 6.5.2 Aktuelles
● 2016 wurden erstmals Daten des Registers am Mario
6.4.14 Literatur Negri Institut in Bergamo, Italien, veröffentlicht [8].
● Der aktuell gültige internationale Konsensus stammt
[1] Beck L, Bomback AS, Choi MJ et al. KDOQI US commentary on the
aus dem Jahr 2013 [20].
2012 KDIGO clinical practice guideline for glomerulonephritis. Am J
Kidney Dis 2013; 62(3): 403–41 ● 2018 zeigt eine Arbeit aus der Mayo Clinic in Rochester,
[2] Glassock RJ. Human idiopathic membranous nephropathy – a myste- dass sich bei Fällen der C 3 Glomerulopathie monoklo-
ry solved? N Engl J Med 2009; 361(1): 81–3 nale Immunglobuline nachweisen lassen [10]
[3] Hofstra JM, Fervenza FC, Wetzels JF. Treatment of idiopathic membra- ● 2018 zeigt eine Clusteranalyse aus Bergamo, dass sich
nous nephropathy. Nat Rev Nephrol. 2013; 9(8): 443–58
ähnliche Erkrankungsmuster auch über die neu defi-
Weiterführende Literatur nierten Entitäten hinweg finden lassen [7]
[4] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo- ● Seit 2015 steht das Register für C 3 Glomerulopathie
nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome- und Immunkomplex-vermittelte MPGN (www.C 3Gnet.
rulonephritis. Kidney inter., Suppl. 2012; 2: 139–274. de) zur systematischen Erfassung dieser Erkrankungen
[5] Kimmel M, Kuhlmann U, Histologie und Pathogenese. In: Alscher M,
zur Verfügung (orphanet Code: ORPHA461155).
Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig über-
arbeitete und erweiterte Auflage. Thieme; 2015

6.5.3 Synonyme
● C 3-Glomerulopathie (C 3G); Orpha.net: ORPHA329918
● Nicht-Immunglobulin-vermittelte MPGN
● Immunglobulin-vermittelte MPGN; ORPHA329903

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6.5 MPGN

● Immunkomplex-vermittelte MPGN (IC-MPGN) zu. Diese wird kontrolliert bzw. reguliert über inhibito-
● Immunglobulin-assoziierte MPGN rische Proteine wie
○ Faktor H,

○ Faktor I,
6.5.4 Definition ○ „membrane cofactor protein“ (MCP, CD46) und

● Glomerulonephritis mit dominanten C 3-Ablagerun- ○ „decay-accelerating factor“ (DAF, CD55) kontrolliert

gen: bzw. reguliert [5], [31] (▶ Abb. 6.13).


○ Alleinige oder dominante (definiert als mehr als ● Das Komplementsystem stellte die erste Stufe der kör-
2-fach stärker als für Immunglobuline ausgeprägte) pereigenen Abwehr dar und ist in zahlreiche immuno-
Ablagerung von Komplement C 3 in der immunhis- logische Prozesse zentral eingebunden. Hierzu zählen:
tochemischen/Immunfluoreszenz Diagnostik. ○ lytische Aktivität,

● C 3-Glomerulopathie (C 3G): wesentliche Gruppe die- ○ Opsonisierung,

ser Krankheitsbilder sind ○ Phagozytose,

○ entsprechend der Histologie spezifisch unterteilbar in ○ Modulation der adaptiven Immunität,

– Dense Deposit Disease (DDD), ○ B- und T-Zell-Aktivierung,

– C 3 Glomerulonephritis, ○ Freisetzung von Zytokinen und Sauerstoffradikalen,

○ entsprechend der Histologie weiter zu beschreiben ○ Interaktionen mit dem Gerinnungs- und Kininsystem.

als ○ Oberflächenrezeptoren für Aktivierungsprodukte wie

– membranoproliferativ, iC 3b, C 3a und C 5a auf vielen Zellen sorgen für die Sig-
– mesangial, nalübertragung des aktivierten Komplementsystems. 6
– endokapillär,
– exsudativ, Pathogenese der C 3-Glomerulopathie
– nekrotisierend,
– mit Halbmonden, ● Bei der C 3G besteht nach heutigem Verständnis eine
– sklerosierend. Dysregulation und Überaktivierung des alternativen
● Immunkomplex-vermittelte membranoproliferative Komplementwegs.
Glomerulonephritis (IC-MPGN): ● Infolgedessen kommt es zur vermehrten Bildung und
○ Alle Formen der MPGN, bei denen sich überwiegend Aktivierung der C 3-Konvertase oder/und der C 5-Kon-
IgG bzw. Ablagerungen von IgG und C 3-Fragmenten vertase.
in etwa gleichem Verhältnis finden (Achtung: dies ● Sowohl der Ausfall einzelner oder mehrerer regulatori-
kann auch bei länger laufenden C 3G-Formen der Fall scher Komponenten wie auch eine Stabilisierung der
sein). aktivierten C 3- oder C 5-Konvertase können initiieren-
de Mechanismen sein (▶ Abb. 6.13).
● Pathogenetisch können dafür Mutationen einzelner
6.5.5 Epidemiologie Komponenten und Autoantikörper verantwortlich sein,
● Die C 3G ist sehr selten. Die Inzidenz der elektronenmi- welche zur Dysregulation führen [1], [9], [12], [18].
kroskopisch schon immer gut charakterisierbaren Den- ● Im Gegensatz zum atypischen hämolytisch-urämischen
se Deposit Disease liegt bei ca. 2–3/Mio. Einwohner pro Syndrom (aHUS) handelt es sich aber nicht um eine Stö-
Jahr [26]. rung auf der Zelloberfläche, sondern in der Flüssigpha-
● Häufig sind jüngeren Patienten betroffen, M:F ca. 1:1. se des Serums [23].
● Bei bis zu 15 % der Fälle besteht eine positive Familien- ● Eine neuere Arbeit zeigt, dass bei der C 3G die Bildung
anamnese [8]. monoklonaler Ig im Hinblick auf die Entstehung von
● In Form einer IC-MPGN finden sich diese Krankheitsbil- C 3NeF im Sinne einer monoklonalen Gammopathie re-
der in Zentraleuropa bei ca. 4–7 % der Patienten mit naler Signifikanz (MGRS) bedeutsam sein könnte
nephrotischem Syndrom [19]. ● Die Dysregulation des Komplementsystems führt letzt-
● In Regionen mit hoher Inzidenz für chronische Infekti- lich
○ zu einem vermehrten Anfall biologisch aktiver C 3-
onserkrankungen (z. B. Hepatitis C): 10 % aller Nieren-
biopsiebefunde und mehr [3], [16]. und C 5-Fragmente (z. B. C 3a, iC 3b, C 5a) sowie
○ zu einer vermehrten Aktivierung des terminalen

Komplementwegs mit Produktion des zytotoxischen


6.5.6 Ätiologie und Pathogenese C 5b-9-Komplexes (▶ Abb. 6.13).
○ Diese Komplementprodukte sind in der Niere (z. B. als
Regulation des Komplementsystems elektronendichte Ablagerungen bei der DDD) nach-
● Unter den bekannten Komplementaktivierungswegen weisbar und lösen die Nierenerkrankung aus.
kommt dem alternativen Signalweg eine Art ständige ● Nur bei einem Teil der Patienten gelingt mit der Diag-
immunologische Überwachungs- und Kontrollfunktion nose einer C 3G die Definition einer klaren Ursache.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Co-Faktoren C3 Inhibitoren Abb. 6.13 Komplementkaskade. Regulati-


on der Komplementkaskade [5].
Faktor H
CFHR2
Faktor H, Faktor I, MCP, CR1
C3b C3a
iC3b
Faktor B
Inaktivierung
Faktor D
Properdin
C3c, C3d, C3e,
C3f, C3g
C3bBb C3-Konvertase
C3-Glomerulopathie
IV durch Ablagerung Faktor H
von Spaltprodukten Faktor I
C3b MCP (CD46)
CFHR2
DAF (CD55)

C3bBbC3b C5-Konvertase

DAF (CD55)
CFHR1
C5b C5a

C6, C7, C8, C9 CFHR1


Clustrin
Protectin (CD59)
sC5b-9 Vitronectin
(inaktiv)

C5b-9 Membrane-
Attack-
Complex

C3-Glomerulopathie
durch direkte Zellschädigung

Bedeutung von Autoantikörpern Bedeutung von genetischen Ursachen


● Der bekannteste dieser Autoantikörper ist der C 3- ● Mutationen in Genen die für Komplementkomponen-
Nephritisfaktor (C 3NeF), ein IgG-Antikörper, der die ten kodieren finden sich in etwa 20–25 % der C 3G-Fälle
C 3-Konvertase stabilisiert [17]. [4], [11], [14], [24], [29].
● In jüngerer Zeit wurden auch andere Autoantikörper ● Häufig betroffene Gene finden sich in ▶ Tab. 6.7:
gegen die C 3-Konvertase, gegen Faktor H und Faktor B ○ Prominent sind genomische Umbauten und Deletio-

identifiziert [1], [9], [27], [28]. nen im Bereich des RCA (Regulators of Complement
● Autoantikörper können bei 50–80 % der Fälle nach- Activation)-Genclusters [25], auf dem sich die Gene
gewiesen werden [20]. für Faktor H und die nahezu homologen Gene für die
● Neu ist der Nachweis von sog. C 4Nef und C 5NeF Anti- „Complement Factor H related Proteins 1–5“ (CFHR1
körpern [13] und [30] bis CFHR5) befinden.
● Es sind Fälle mit gleichzeitigem Auftreten von Antikör- ○ Als familiäre Formen der C 3G wurden die CFHR5-

per und Mutationen beschrieben [1]. Nephropathie, sowie ein CFHR2-CFHR5 Hybridprotein
beschrieben [2], [4].
● Anlageträger in Familien, welche nicht erkrankt sind, le-
gen eine komplexe, multifaktorielle Pathogenese nahe.
● Zu einem „single hit“ ist daher in der Regel ein „second“
oder „additional hit“ notwendig, um die Krankheit zu
manifestieren (sog. Schwellenwert-Modell).

278 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.5 MPGN

Tab. 6.7 Häufig mutierte Gene bei C 3-Glomerulopathie. Glomerulonephritis mit dominanten C3-Ablagerungen
Bezeichnung Akronym
C3 Glomerulopathie
Complement Faktor C 3 C3
postinfektiöse
Complement Faktor H CFH Glomerulo-
Complement Faktor I CFI nephritis
Membrane-bound cofaktor protein MCP/CD46 (PIGN?)

Complement factor H related 1 CFHR1


Complement factor H related 2 CFHR2 Dense C3
Deposit Glomerulo-
Complement factor H related 3 CFHR3 Disease nephritis
Complement factor H related 5 CFHR5 (DDD) (C3GN)

● Die homozygoten Suszeptibilitäts-Genvarianten V62 im andere


CFH (Komplementfaktor H) und A473 in THBD (Throm- Glomerulo-
nephritiden
bomodulin) führen zu einer Erhöhung des Risikos eine
C 3G zu entwickeln, welches durch das gleichzeitige
Vorliegen einer Mutation dramatisch erhöht wird [8].

Pathogenese der Immunkomplex-vermit- 6


telten MPGN Immunkomplex-vermittelte
● In Mitteleuropa führende Ursache der IC-MPGN: Hepa- membranoproliferative
titis C, mit oder ohne Kryoglobulinämie. Weitere Ursa- Glomerulonephritis
(IC-MPGN)
chen finden sich in ▶ Tab. 6.9 (nach [21]).
● Auch bei der IC-MPGN finden sich in 20–25 % der Fälle
Mutationen in Genen des Komplementsystems.
● Bei etwa 50 % der IC-MPGN-Patienten finden sich ent-
weder Mutationen oder ein C 3NeF, was ein vergleich-
barer Befund zu den C 3G-Fällen ist Abb. 6.14 C 3-Glomerulopathie. Abgrenzung und Überlappung
● Die Variante c.-366A im CD46-Gen erhöht das Risiko, der Glomerulonephritis mit dominanten C 3-Ablagerungen und
eine IC-MPGN zu bekommen [8]. der Immunkomplex-vermittelten MPGN [8].

6.5.7 Klassifikation
6.5.9 Diagnostik
● Aufgrund jüngerer Daten erscheinen die Übergänge
zwischen C 3G und IC-MPGN hinsichtlich der Pathoge- Diagnostisches Vorgehen
nese fließend (▶ Abb. 6.14) [8]. ● Die Diagnose beruht auf der Zusammenschau histologi-
scher, serologischer und humangenetischer Befunde.
6.5.8 Klinik ● Basis ist der Befund der Nierenbiopsie, auf den eine ent-
sprechende weitere serologisch-funktionelle und ggf.
● Vorrangige paraklinische Symptomatik sind Proteinurie auch humangenetische Diagnostik folgen muss.
und Mikrohämaturie. ● In Anbetracht des Verlaufs sollte auch eine geringgradige
● In etwa 30–50 % der Fälle besteht ein nephrotisches Proteinurie bei erniedrigtem Komplement C 3 frühzeitig
Syndrom. einer weiteren Abklärung unterzogen werden: Ernied-
● Bis zu ein Drittel der Patienten haben eine relevante rigte C 3-Spiegel finden sich bei 60–90 % der Fälle [8].
Hämaturie [8].
● Klinisch sind damit Ödeme/Anasarka und eine sekun-
däre Hypertonie vorrangig.
Anamnese
● Ein nephritisches Syndrom ist selten [15], [26]. ● Nicht spezifisch für die Erkrankung.
● Bei IC-MPGN können sich auch Symptome der aus- ● Eine Reihe von Patienten berichtet unspezifische Be-
lösenden Grunderkrankung finden. schwerden, wie sie bei rheumatologischen Erkrankun-
gen zu finden sind (Gelenkbeschwerden, Abgeschlagen-
heit, muskuläre Symptome).

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Tab. 6.8 Notwendige Komplementanalytik [5]. Tab. 6.9 Ursachen einer Ig-MPGN.
Komplementfunktion Antikörper Krankheitsgrup- Krankheiten
CH50 C 3-Nephritisfaktor (C 3NeF) pe
APH50 Anti-Faktor B Infektiöse Hepatitis C (mit und ohne Kryoglobulinämie)
C3 Anti-C 3-Konvertase Erkrankungen Hepatitis B, HIV, EBV
C4 Anti-Faktor H Endokarditis/viszerale Abszesse
C 3d C 4-Nephritisfaktor (C 4NeF) Infizierte ventrikulo-atriale oder ventrikulo-
sC 5b-9 C 5-Nephritisfaktor (C 5NeF) peritoneale Shunts
Faktor H Mykoplasmen
Faktor I Tuberkulose
Faktor B Brucellose
Malaria
Schistosomiasis
IV Körperliche Untersuchung Lepra
Immunologische Kryoglobulinämie
● Häufig Ödeme oder Anasarka.
Krankheitsbilder Systemischer Lupus Erythematodes
Sjögren Syndrom
Labor Rheumatoide Arthritis
Hereditäre Komplementdefekte
Komplementanalytik X-chromosomale Agammaglobulinämie
Neoplasien Plasmazelldyskrasie
● Bei Neudiagnose einer C 3G sollte eine vollständige
Fibrilläre und immunotaktoide Glomerulo-
Analyse folgender Parameter erfolgen nephritis
○ Komplementfunktion,
Leichtketten- und/oder Schwerketten-Abla-
○ wichtige Komplementproteine, gerungen
○ Aktivierungsfragmente, Leukämien, Lymphome
○ spezifische Faktoren, welche an der Entstehung der Makroglobulinämie Waldenström
C 3G beteiligt (▶ Tab. 6.8). Karzinome, Wilms-Tumor, maligne Melano-
me
● Bei einer C 3G sollte gezielt nach Antikörpern gegen
Faktor B, gegen die C 3-Konvertase (über C 3NeF hinaus) Andere Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
Sichelzellerkrankung
und gegen Faktor H gesucht werden (▶ Tab. 6.8).
Thrombotische Mikroangiopathie
● Bei idiopathischen Formen der IC-MPGN sollte ebenfalls Transplantat-Glomerulopathie
eine Analyse des Komplementsystems erfolgen.


Niemann-Pick-Erkrankung (Typ C)

Cave
G ● Solitäre oder dominante Ablagerungen von Komple-
ment C 3 sollten dabei in einen Kontext mit der über
Komponenten des Komplementsystems sind teilweise
die Lichtmikroskopie und Elektronenmikroskopie defi-
sehr instabil sind. Prozessabläufe der Probengewinnung,
nierten Erscheinungsform, z. B. einer membranoprolife-
die sachgerechte Lagerung und der Versand sollten stets
rativen Glomerulonephritis als häufigste Manifestation,
mit dem messenden Labor abgestimmt werden.
gestellt werden.

Humangenetische Diagnostik 6.5.11 Differenzialdiagnosen


● Bei einer C 3G sollte eine humangenetische Diagnostik ● Alle älteren Befunde einer MPGN sollten reklassifiziert
hinsichtlich der in ▶ Tab. 6.7 aufgeführten Gene der In- werden.
dikationsgruppe C 3G erfolgen. ● Literaturdaten weisen auf eine Veränderung der his-
● Aufgrund der Häufigkeit entsprechender Befunde sollte tologischen Befunde hinsichtlich der Ablagerungen von
diese Diagnostik auch bei idiopathischen Formen einer Ig und Komplement über die Zeit bei wiederholten Bi-
IC-MPGN durchgeführt werden. opsien hin [6].
● Hinter einer nicht heilenden postinfektiösen GN kann
sich eine C 3G verbergen [22].
6.5.10 Histologie, Zytologie und ● Bei jeder IC-MPGN müssen mögliche Ursachen und da-
klinische Pathologie mit das Vorliegen einer sekundären Erkrankung aus-
geschlossen werden (▶ Tab. 6.9), bevor von einer idio-
● Die Diagnose basiert gemäß dem derzeitigen Konsensus
pathischen Form einer IC-MPGN ausgegangen werden
auf histopathologischen Befunden einschließlich der
kann.
Immunfluoreszenz/ Immunhistologie und Elektronen-
mikroskopie [20].

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6.5 MPGN

6.5.12 Therapie ● Autoimmune Erkrankungsformen (alleiniger Nachweis


von Autoantikörpern) bieten eine Rationale für eine im-
Therapeutisches Vorgehen munmodulierende Therapie.
● Die Entwicklung bzw. Abheilung von Proteinurie und
● Therapeutisches Vorgehen ▶ Abb. 6.15.
Mikrohämaturie könnte in der Abschätzung der Erkran-
● Bei der sekundären IC-MPGN steht die effektive Be-
kungsaktivität hilfreich sein.
handlung möglicher Auslöser im Vordergrund.
● Das Monitoring der Komplementfunktion könnte eine
● bei der C 3G sollte das Vorhandensein monoklonaler Ig
Hilfestellung bei der Anwendung interventioneller Stra-
geprüft werden
tegien bieten.
● Sowohl für die idiopathische IC-MPGN wie auch die
C 3G gibt es keine validierte Therapie, sodass
▶ Abb. 6.15 nur ein mögliches Vorgehen postulieren Prognose
kann, welches auf seine Rationale anhand der individu- ● In der Literatur finden sich sehr variable Angaben zur
ellen Befunde des Patienten überprüft werden muss.
Prognose dieser Erkrankungen.
● Es ist zu vermuten, dass 25–50 % der Patienten mit idio-
6.5.13 Nachsorge pathischer Ig-MPGN oder C 3G nach 10 Jahren dia-
lysepflichtig sind.
● Engmaschige klinische und laborchemische Kontrolle ● Entsprechend einer jüngeren Veröffentlichung sind fol-
und Re-Evaluation (ca. alle 3(–6) Monate), gende Befunde mit einer ungünstigeren Prognose ver-
● Überwachung der Komplementfunktion (▶ Tab. 6.8, [5]). gesellschaftet [8]:
6
○ Abwesenheit von Mutationen oder C 3NeF,

6.5.14 Verlauf und Prognose ○ Anteil sklerotischer Glomeruli,

○ Halbmonde,
Klinischer Verlauf ○ initiales nephrotisches Syndrom.

● Der Verlauf der Erkrankung ist variabel, derzeit existie-


ren nur sehr limitierte Daten zur Abschätzung des kli- Register
nischen Verlaufs.
● Derzeit sollten alle Patienten in Registern erfasst und
● Bei der sekundären IC-MPGN hat die Kontrolle der
ggf. im Rahmen von Studien behandelt werden. Hierzu
Grunderkrankung wesentlichen Einfluss auf den Ver-
stehen zur Verfügung:
lauf und kann bei erfolgreicher Therapie der Grund-
○ Klinisches Register für C 3-Glomerulopathie und Im-
erkrankung häufig kontrolliert werden.
munkomplex-vermittelte MPGN (www.C 3Gnet.de);

supportive Therapie über 3–6 Monate Abb. 6.15 C 3-Glomerulopathie. Therapeu-


tisches Vorgehen. (*PE: Plasmaaustausch;
Spontan- IAS: Immunadsorption; Eculizumab: nur
Suche nach sekundären Ursachen

nach Zusage vom Kostenträger!) [5].


vorhanden

remission
Therapie der
C3 Glomerulopathie

Grunderkrankung
Therapie
Ig-MPGN

notwendig
primäre Form

Komplementanalyse
Autoanti-
körper Genetik
funktionell
– + – +
GFR↓, nephrotisches Syndrom

GFR↓, nephrotisches Syndrom

PE*; IAS* PE*;


Eculizumab* (sC5b-9↑); Eculizumab*
Immunmodulation (sC5b-9↑);
(z.B. CellCept 2 × 1g); Studien?
Studien?v

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

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Bonn. of complement. Kidney Int 2013; 83: 293–299
[23] Sethi S, Gamez JD, Vrana JA et al. Glomeruli of Dense Deposit Disease
contain components of the alternative and terminalcomplement

6.5.15 Literatur pathway. Kidney Int 2009; 75: 952–960


[24] Sethi S, Smith RJ, Dillon JJ, Fervenza FC et al. C 3 Glomerulonephritis
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fies Distinct Pathogenetic Patterns in C 3 Glomerulopathies/Immune 843
Complex-Mediated Membranoproliferative GN. Journal of the Ame- [31] Zipfel PF, Skerka C. Complement regulators and inhibitory proteins.
rican Society of Nephrology : JASN 29:283-294 Nat Rev Immunol 2009; 9: 729–740
[8] Iatropoulos P, Noris M, Mele C et al. Complement gene variants deter-
mine the risk of immunoglobulin-associated MPGN and C 3 glomeru-
lopathy and predict long-term renal outcome. Mol Immunol 2016;
71: 131–142
6.6 Infektiöse
[9] Jozsi M, Reuter S, Nozal P et al. Autoantibodies to complement com-
ponents in C 3 glomerulopathy and atypical hemolytic uremic syn-
Glomerulonephritis
drome. Immunology letters 2014; 160: 163–171 Ulf Panzer und Sonja Kapffer
[10] Kidney Int. 2018 Jul;94(1):178-186
[11] Lesher AM, Zhou L, Kimura Y et al. Combination of factor H mutation
and properdin deficiency causes severe C 3 glomerulonephritis. J Am
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6.6.1 Steckbrief
[12] Licht C, Schlotzer-Schrehardt U, Kirschfink M et al. MPGN II – geneti- Unter diesem Begriff versteht man eine Glomeruloneph-
cally determined by defective complement regulation? Pediatr Neph-
ritis (GN), die sekundär als Folge einer infektiösen Erkran-
rol 2007; 22: 2–9
[13] Marinozzi MC, Chauvet S, Le Quintrec M et al. (2017) C 5 nephritic
kung, zumeist bakterieller seltener viraler oder parasitä-
factors drive the biological phenotype of C 3 glomerulopathies. Kid- rer Natur entsteht. Die glomeruläre Entzündungsreaktion
ney international 92:1232-1241 tritt entweder mit zeitlicher Latenz zum eigentlichen In-
[14] Martinez-Barricarte R, Heurich M, Valdes-Canedo F et al. Human C 3 fekt (postinfektiöse GN) oder im Rahmen einer anhalten-
mutation reveals a mechanism of dense deposit disease pathogenesis
den chronischen Infektion (parainfektiöse GN) durch Ent-
and provides insights into complement activation and regulation. J
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[15] Medjeral-Thomas NR, O'Shaughnessy MM, O'Regan JA et al. C 3 glo-
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● Das prototypische Beispiel einer postinfektiösen Glo-
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with membranoproliferative glomerulonephritis. J Immunol Methods
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● Zunehmend häufiger bei uns und auch klinisch proble-
factor in membranoproliferative glomerulonephritis (MPGN). Clin matischer sind heutzutage infektassoziierte Glomerulo-
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1202–1211

282 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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71: 131–142
6.6 Infektiöse
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ponents in C 3 glomerulopathy and atypical hemolytic uremic syn-
Glomerulonephritis
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cally determined by defective complement regulation? Pediatr Neph-
ritis (GN), die sekundär als Folge einer infektiösen Erkran-
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[13] Marinozzi MC, Chauvet S, Le Quintrec M et al. (2017) C 5 nephritic
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[14] Martinez-Barricarte R, Heurich M, Valdes-Canedo F et al. Human C 3 fekt (postinfektiöse GN) oder im Rahmen einer anhalten-
mutation reveals a mechanism of dense deposit disease pathogenesis
den chronischen Infektion (parainfektiöse GN) durch Ent-
and provides insights into complement activation and regulation. J
Clin Invest 2010; 120: 3702–3712 wicklung einer immunologischen Reaktion auf.
[15] Medjeral-Thomas NR, O'Shaughnessy MM, O'Regan JA et al. C 3 glo-
merulopathy: clinicopathologic features and predictors of outcome.
Clin J Am Soc Nephrol .2014; 9: 46–53 6.6.2 Aktuelles
[16] Naumovic R, Pavlovic S, Stojkovic D, Basta-Jovanovic G, Nesic V. Renal
biopsy registry from a single centre in Serbia: 20 years of experience.
● Das prototypische Beispiel einer postinfektiösen Glo-
Nephrol Dial Transplant 2009; 24: 877–885 merulonephritis, die Poststreptokokken-Glomerulo-
[17] Ohi H, Watanabe S, Fujita T, Seki M, Hatano M. Detection of C 3bBb- nephritis, ist in der westlichen Welt selten geworden.
stabilizing activity (C 3 nephritic factor) in the serum from patients ● In unterentwickelten Regionen ist sie aber nach wie vor
with membranoproliferative glomerulonephritis. J Immunol Methods
klinisch relevant.
1990; 131: 71–76
[18] Ohi H, Yasugi T. Occurrence of C 3 nephritic factor and C 4 nephritic
● Zunehmend häufiger bei uns und auch klinisch proble-
factor in membranoproliferative glomerulonephritis (MPGN). Clin matischer sind heutzutage infektassoziierte Glomerulo-
Exp Immunol 1994; 95: 316–321 nephritiden als Folge von Infektionen mit Staphylokok-
[19] Orth SR, Ritz E. The nephrotic syndrome. New Engl J Med 1998; 338: ken und gramnegativen Erregern.
1202–1211

282 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.6 Infektiöse Glomerulonephritis

● Besonders ältere Menschen und/oder Menschen mit


einer herabgesetzten Immunkompetenz sind davon be-
troffen (z. B. Diabetes mellitus, Tumorerkrankungen, Al-
Merke ●
H
Die postinfektiöse GN wird durch eine Immunreaktion
kohol- und Drogenabhängigkeit). gegen Erregerantigen hervorgerufen die zur Immunkom-
plexablagerung im Glomerulum führt und ist nicht Folge
6.6.3 Synonyme einer Niereninfektion.

● Infektassoziierte Glomerulonephritis
● Postinfektiöse Glomerulonephritis
6.6.7 Klassifikation
6.6.4 Definition ● „post-“ = zeitlich nach
● „para-“ = zeitlich während
● Immunkomplex-vermittelte Glomerulonephritis, die ● Bei Kindern häufiger Streptokokken-assoziierte Glome-
als Folge einer (zumeist bakteriellen) Infektionserkran- rulonephritis:
kung auftritt. ○ 1–3 Wochen nach Infekt im oberer Respirationstrakt,

○ 3–6 Wochen nach Infekt der Haut.

6.6.5 Epidemiologie ● Bei Erwachsenen häufiger Staphylokokken-assoziierte


Glomerulonephritis:
● Genaue Daten zur Epidemiologie der unterschiedlichen ○ Infekt häufig noch aktiv („parainfektiös“).
Formen einer infektiösen Glomerulonephritis liegen 6
nicht vor.
● Die „klassische“ postinfektiöse (Poststreptokokken-) 6.6.8 Klinik
Glomerulonephritis tritt eher im Kindesalter auf, wäh- ● Poststreptokokken-Glomerulonephritis:
rend der parainfektiöse Verlauf sich im mittleren bis ○ Die Poststreptokokken-Glomerulonephritis präsen-
hohen Lebensalter aufgrund chronischer Infektionen, tiert sich in aller Regel klinisch als akutes nephriti-
wie z. B. Staphylokokken zeigt. sches Syndrom mit der klassischen Konstellation aus
● In bis zu 1 % aller Nierenbiopsien im Erwachsenenalter Hypertonie, Ödemen, Proteinurie und einer akuten
wird die Diagnose einer infektiösen Glomerulonephritis Nierenfunktionsverschlechterung.
gestellt. ○ Insbesondere die Flüssigkeitsretention kann sich im

Sinne eines Lungenödems oder, gehäuft bei jungen


6.6.6 Ätiologie und Pathogenese Patienten, durch Krampfanfälle verkomplizieren.
○ Sie zeigt meist einen klassischen, anamnestisch oft
● Die infektiöse Glomerulonephritis wird als eine Im- gut aufzuarbeitenden zeitlichen Verlauf:
munkomplexerkrankung angesehen. – 1–3 Wochen nach einem Infekt des Rachenraums
● Man geht davon aus, dass die Immunkomplexformation oder 3–6 Wochen nach einem Infekt der Haut
aufgrund einer Immunreaktion gegen infektiöse Erre- kommt es zur Glomerulonephritis.
ger, z. B. ein bakterielles Antigen, hervorgerufen wird. – Die Erkrankung zeigt oft einen selbstlimitierenden
● Beschriebene Zielantigene (deren pathogenetische Re- Verlauf.
levanz jedoch nicht gesichert ist) sind – Die erhöhten Retentionswerte und ggf. Oligurie sind
○ Streptococcal glyceraldehyde-3-phosphate dehydro-
typischerweise innerhalb von wenigen Wochen
genase (GAPDH) und rückläufig, die Komplementfaktoren normalisieren
○ Streptococcal pyrogenic exotoxin B (SpeB).
sich innerhalb von 6 Wochen.
● Die entstandenen Antikörper-Antigen-Komplexe kön- – Die Hämaturie und Proteinurie kann länger persis-
nen dann glomerulär abgelagert werden. tieren, sollte jedoch nach 6–12 Monaten weit-
● Alternativ besteht die Möglichkeit, dass infektiöse Anti- gehend normalisiert sein.
gene primär glomerulär deponiert werden und zirku- ● Parainfektiöse Glomerulonephritis:
lierende Antikörper an diese binden und zur in situ Im- ○ Der klinische Verlauf der parainfektiösen Glomerulo-
munkomplexbildung führen. nephritis ist deutlich variabler.
● Entscheidend für die Pathogenese der infektiösen GN ○ Betroffen sind zumeist Patienten des mittleren oder
ist letztendlich die subendotheliale und mesangiale Ab- höheren Lebensalters mit Risikofaktoren wie z. B. Dia-
lagerung der Immunkomplexe; diese führen zu betes mellitus und Alkoholabusus, welche chronische
○ einer Aktivierung der Komplementkaskade führen
Infektionen begünstigen.
und ○ Neben chronischen Haut- oder Weichteilinfektionen
○ konsekutiv zu einer massiven Leukozyteneinwan-
ist hier auch auf katheterassoziierte Infekte oder eine
derung und Bildung subepithelialer großer Immun- Endokarditis zu achten.
depots („humps“). ○ Ein Infekt des Rachenraums ist im Gegensatz zum

postinfektiösen Verlauf bei der parainfektiösen Form


untypisch.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

○ Im Erwachsenenalter sind Staphylokokkeninfektio- ○ Auch relativ asymptomatische Verläufe mit milder


nen mit Abstand die häufigste Ursache einer infektiö- Proteinurie und Hämaturie sind beschrieben, ins-
sen GN, gefolgt von Streptokokken und gramnegati- besondere bei Kindern im Rahmen epidemischer
ven Bakterien. Streptokokkeninfektionen.
○ Eine systemische Beteiligung ist beim parainfektiösen

Verlauf möglich, mutmaßlich aufgrund der systemi-


schen Ablagerung präformierter zirkulierender Im-
6.6.9 Diagnostik
munkomplexe, in Form einer Vaskulitis mit Pupura, Diagnostisches Vorgehen
ähnlich der Purpura Schönlein-Henoch oder der
ANCA-assoziierten Vaskulitiden.
● Die Nierenbiopsie ist prinzipiell der Goldstandard für
● Andere Manifestationsformen: die Diagnose einer Glomerulonephritis (▶ Abb. 6.16).
○ Selten manifestiert sich eine infektiöse Glomerulo-
● Bei der akuten postinfektiösen GN (Poststreptokokken-
GN) ist insbesondere bei Kindern die Anamnese mit
IV nephritis als Rasch Progressive GN (histologisch dann
intra-/extrakapilläre GN) oder stattgehabtem Streptokokkeninfekt der oberen Luft-
○ mit führendem nephrotischen Syndrom mit einge-
wege und ca. 1–3 Wochen später auftretendem akuten
schränkter Nierenfunktion (dann eher bei subakuter nephritischen Syndrom jedoch so typisch, dass hier ini-
bakterieller Endokarditis, chronischen Infektionen tial keine Nierenbiopsie indiziert ist.
und Shuntnephritis).
● Auch bei Erwachsenen kann bei typischer Konstellation
zunächst auf eine Nierenbiopsie verzichtet werden.

nephritisches Sediment chronische Haut-/ Abb. 6.16 Infektiöse Glomerulonephritis.


Infekt in der Weichteilinfektion, Diagnostisches und therapeutisches Vor-
Vergangenheit Immunsuppression, gehen.
Anamnese Endokarditis,
(Haut, obere
Atemwege) Fremdmaterial,
körperliche Diabetes mellitus,
Untersuchung C2-Abusus
(Ödeme, Hypertonie,
Infektfokus)

Labor:
• BB, CRP, Kreatinin, Harnstoff,
Elektrolyte, Leberwerte, Gerinnung
• Komplementerniedrigung
• ggf. ANA/ANCA, HepB/C, HIV
• ggf. Antistreptolysintiter

andere Ursachen einer GN


in Erwägung ziehen

postinfektiöse GN parainfektiöse GN

typische untypische Konstellation/


Konstellation RPGN

symptomatische Infektsanierung
Therapie + symptomatische
(Flüssigkeitsrestriktion, Therapie
Diuretika, ACE-Hemmer)

Verlaufskontrolle Verlaufskontrolle

fehlende Besserung Nierenbiopsie fehlende Besserung

ggf. weitere Therapie

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6.6 Infektiöse Glomerulonephritis

Anamnese Bildgebende Diagnostik


● Hier sind kürzlich stattgehabte Infekte zu erfragen (im Sonografie
Falle der Poststreptokokken-GN besonders Infekte der
● Wie bei jeder akuter Nierenerkrankung gehört eine So-
oberen Atemwege oder stattgehabter Hautinfektionen).
nografie der Niere zur Routineuntersuchung dazu (Or-
● Insbesondere bei Älteren oder immunsupprimierten
gangröße, Kontur, Ausschluss einer postrenalen Proble-
Patienten sind Hinweise auf chronische Infektionen
matik).
und Fremdmaterial zu erfragen.

Körperliche Untersuchung Histologie, Zytologie und klinische


Pathologie
● Ausführliche internistische Untersuchung, einschließ-
lich mehrfacher Blutdruckmessungen. ● Die Indikation zur Nierenbiopsie besteht insbesondere
● Ödeme? bei untypischen Konstellationen und fehlender schnel-
● Hinweis auf Infekte? Klinisch besonders auf Infektionen ler Ausheilung der Erkrankung, um eine anderweitige
der Haut und Weichteile achten. Erkrankung wie eine RPGN, membranoproliferative GN
oder Systemerkrankung auszuschließen (Kap. 6.6.10).
● Das klassische histologische Bild der postinfektiösen
Labor Glomerulonephritis, insbesondere der akuten Post-
● Blutuntersuchungen: streptokokken GN ist die akute diffuse endokapilliäre
○ Routinelabor mit BB, CRP, Kreatinin, BUN, Elektrolyte, exsudative Glomerulonephritis: 6
Leberwerte, Blutgerinnung. ○ Lichtmikroskopisch zeigt sich eine diffuse glomerulä-

○ Laborchemisch zeigt sich klassischerweise ein ernied- re Hyperzellularität als Folge der Infiltration von neu-
rigtes Komplement C 3, C 4 und CH50. Teilweise sind trophilen Granulozyten (Exsudation) sowie der Pro-
auch Kryoglobuline und RF leicht erhöht. liferation von Mesangial- und Endothelzellen.


G
○ In der Immunhistochemie bzw. Immunfluoreszenz

finden sich granuläre IgG-Ablagerungen (variabel in


Cave der Intensität) und C 3-Ablagerungen entlang der Ka-
Zu beachten ist, dass bei älteren Patienten zur Abklärung pillarwand und mesangial.
anderer Differenzialdiagnosen weitere immunologische ○ In der Elektronenmikroskopie finden sich oft subepi-

Untersuchungen (ANCA, ANA) sowie Virus-Serologien theliale elektronendichte Immunkomplexablagerun-


(Hepatitis C, Hepatitis B und HIV) und die Bestimmung gen, die „humps“ (▶ Abb. 6.17).
von Leichtketten sinnvoll sind. ● Eine andere Manifestationsform ist die Entwicklung
einer membranoproliferativen Glomerulonephritis
Typ I, die sich eher auf dem Boden einer Shuntnephritis
● Serologien: oder subakuten bakteriellen Endokarditis entwickelt.
○ Antistreptokokkenantikörper (ASL) sind im Falle einer ● Selten kann die infektiöse GN in eine intra-/extrakapil-
Poststreptokken-GN (Pharyngitis) in ca. 50–85 % läre Glomerulonephritis übergehen, mit fibrinoiden
nachweisbar und bei ca. 80 % der Haut-Patienten (bei Nekrosen und Halbmondbildung durch Ruptur der glo-
Haut häufig nur Anti-DNAse B). merulären Basalmembran.
○ Ein spezieller serologischer Nachweis einer Staphylo-

kokkeninfektion ist nicht möglich.


○ Ein Erregernachweis in der Blutkultur sollte kon-
6.6.10 Differenzialdiagnosen
sequent therapiert werden. ● Differenzialdiagnostisch müssen andere Ursachen eines
● Urinanalyse: akuten nephritischen Syndroms berücksichtigt werden.
○ Urinstreifentest: Hämaturie, Proteinurie, Leukozytu- ● Dies gilt ausdrücklich, wenn sich das klinische Bild im
rie. o. g. typischen Zeitrahmen nicht normalisiert. Dazu ge-
○ U-Sediment Glomeruläre Hämaturie, Zylinder. hören:
○ Ggf. 24-Stunden-Sammelurin zur Kreatinin-Clearance ○ C 3-Glomerulopathie,

und quantitativen Proteinbestimmung. ○ membranoproliferative Glomerulonephritis,

○ IgA-Nephritis,

○ kryoglobulinämische Glomerulonephritis,

○ membranöse Glomerulonephritis,

○ Lupusnephritis Klasse III–IV,

○ ANCA-GN.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.6.11 Therapie
Therapeutisches Vorgehen
● Poststreptokokken-Glomerulonephritis:
○ Aufgrund des zumeist selbstlimitierenden Verlaufs

steht bei der klassischen unkomplizierten Poststrep-


tokokken-Glomerulonephritis die symptomatische
Therapie der Ödeme und Hypertonie im Vorder-
grund.
○ Flüssigkeits- und Salzrestriktion (5 g NaCl/Tag) in

Kombination mit einer diuretischen Therapie mit


Schleifendiuretika, sowie eine antihypertensive The-
IV rapie bevorzugt mit ACE-Hemmern sollte angewandt
a werden.
● Parainfektiöse Glomerulonephritiden:
○ Bei den parainfektiösen Glomerulonephritiden steht

zunächst die Fokussuche nach einer persistierenden


Infektionen im Vordergrund, wenn diese klinisch
nicht schon evident ist.
○ Bei ursächlicher Endokarditis, Shuntnephritis oder

anderweitig anhaltenden Infektionen muss eine suffi-


ziente antibiotische Behandlung nach Antibiogramm
und ggf. eine operative Fokussanierung erfolgen.

Pharmakologische Therapie
● Poststreptokokken-Glomerulonephritis:
○ Bei kompliziertem Verlauf mit histologischem Nach-

weis von intra-/extrakapillärer Proliferation und


b
Halbmondbildung erscheint eine kurzfristige Steroid-
pulstherapie gerechtfertigt, obwohl die Datenlage
hierzu unklar ist.

6.6.12 Prävention
● Bei auftretenden Epidemien und direkten Haushalts-
kontakten kann eine Antibiotika-Prophylaxe durch-
geführt werden.

6.6.13 Nachsorge
● Nephrologische Verlaufsuntersuchungen sind auch
nach primärer Ausheilung der Erkrankung langfristig
sinnvoll, da es teilweise noch Jahrzehnte nach der Er-
krankung zum Auftreten von Niereninsuffizienz und
Hypertonie kommen kann.

c
6.6.14 Verlauf und Prognose
Abb. 6.17 Infektiöse Glomerulonephritis. Nierenbiopsie der ● Die Prognose der klassischen Poststreptokokken-GN,
postinfektiösen Glomerulonephritis: In der PAS-Färbung zeigen
sich die typische endokapilläre Hyperzellularität im Glomerulum
speziell bei Kindern ist gut.
und die Infiltration von neutrophilen Granulozyten (a). Die C 3- ● Bei Erwachsenen ist die Prognose etwas ungünstiger,
Färbung zeigt ein Girlanden-Muster (garland pattern). In der insbesondere bei Auftreten von schwerer Nierenfunk-
Elektronenmikroskopie sieht man humps * (c) (Mit freundlicher tionseinschränkung, histologisch Halbmondbildung
Genehmigung von Prof. Dr. T. Wiech, Nephropathologie und ausgeprägter endokapilliärer Proliferation mit gro-
Hamburg). ßer Proteinurie.

286 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.7 Granulomatose mit Polyangiitis

● Bei der infektiösen Glomerulonephritis bei infiziertem ● Nach der Chapell-Hill-Klassifikation ist sie definiert als
ventrikuloatrialem Shunt und bakterieller Endokarditis ○ nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittelgro-

ist die Prognose deutlich schlechter und insgesamt ßen Gefäße und
stark abhängig vom Gesamtverlauf der Erkrankung. ○ zusätzliche granulomatöse Entzündung im oberen

und unteren Respirationstrakt.


● Bei aktiver Erkrankung finden sich zu etwa 80–90 %
6.6.15 Literatur ANCA, die zu 75 % gegen Proteinase-3 und zu 15 % ge-
[1] Nasr SH, Fidler ME, Valeri AM et al. Postinfectious glomerulonephritis gen Myeloperoxidase gerichtet sind.
in the elderly. J Am Soc Nephrol 2011; 22:187–95
[2] Nasr SH, Radhakrishnan J, D'Agati VD. Bacterial infection-related glo-
merulonephritis in adults. Kidney Int 2013; 83:792–803 6.7.5 Epidemiologie
[3] Rodríguez-Iturbe B, Batsford S. Pathogenesis of poststreptococcal glo-
merulonephritis a century after Clemens von Pirquet. Kidney Int ● In Westeuropa stellt die GPA mit einer Inzidenz von 6–
2007; 71:1094–104 12/Mio/Jahr die häufigste AAV dar.

6.7 Granulomatose mit 6.7.6 Ätiologie und Pathogenese


Polyangiitis ● Der entzündlich-obstruierenden Gefäßprozess führt zu
○ Blutungen in das Gewebe (Hämoptoe, Hämaturie,
Martin Kimmel Purpura) und
○ ischämisch-nekrotische Organschäden. 6
6.7.1 Steckbrief ● Je nach Aktivität und Ausdehnung der Vaskulitis vari-
iert das klinische Bild vom harmlosen Hautbefall bis hin
Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) (früher Wege- zu lebensbedrohlichen Funktionsstörungen verschiede-
ner-Granulomatose) (häufig c-ANCA bzw. anti-PR3-posi- ner Organe.
tiv) ist eine ANCA-assoziierte Kleingefäßvaskulitis. Sie ● Eine bedrohliche Nierenbeteiligung in Form einer ne-
kann an den Nieren zu einer intra- und extrakapillär pro- krotisierenden intra- und extrakapillär proliferativen
liferierenden Vaskulitis führen, welche unter dem kli- Glomerulonephritis findet sich bei Vaskulitiden der
nischen Bild einer rapid progressiven Glomerulonephritis kleinen und mittelgroßen Gefäße.
(RPGN) mit einem dramatischen Verlust der GFR einher-
gehen kann. Diagnostisch ist der Nachweis von cANCA
bzw. anti-Proteinase-3-AK häufig, die Biopsie der Niere 6.7.7 Klassifikation
ist oft entscheidend. Die Therapie besteht aus einer In- ● Die Einteilung der Vaskulitiden erfolgt in der Chapel-
duktionstherapie (Cyclophosphamid oder Rituximab). Hill-Consensus-Konferenz von 2012 nach ätiologischen,
Nach Erreichen einer stabilen Remission wird eine Erhal- morphologischen und immunologischen Kriterien:
tungstherapie, meist mit Azathioprin, über mindestens ○ Größe der betroffenen Gefäße (▶ Abb. 6.18),
18–24 Monate durchgeführt. ○ Vorhandensein oder Fehlen einer granulomatösen

Entzündung,
6.7.2 Aktuelles ○ klinische Besonderheiten (z. B. bevorzugter Organbe-

fall),
● Im Herbst 2016 wurde die gemeinsame europäische ○ Vorhandensein von ANCAs.
Leitlinie der rheumatologischen und nephrologischen
Gesellschaften zum Management der Kleingefäßvasku-
litiden publiziert [2]. 6.7.8 Klinik
● Vaskulitiden der kleinen Gefäße führen zu schwer ver-
6.7.3 Synonyme laufender nekrotisierender intra- und extrakapillär
proliferativer GN.
● Granulomatose mit Polyangiitis ● Dies kann unter dem klinischen Bild einer rasch progre-
● GPA dienten GN (RPGN) mit einem dramatischen Verlust
● Wegener-Granulomatose der glomerulären Filtrationsrate einhergehen.
● Morbus Wegener ● Die GN ist erkennbar am Auftreten einer Proteinurie
und eines aktiven Sediments mit dysmorphen Erythro-
6.7.4 Definition zyten und Erythrozytenzylindern.

● Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) (früher We-


gener-Granulomatose) ist eine ANCA-assoziierte Vasku-
litis (AAV).

Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved. 287
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6.7 Granulomatose mit Polyangiitis

● Bei der infektiösen Glomerulonephritis bei infiziertem ● Nach der Chapell-Hill-Klassifikation ist sie definiert als
ventrikuloatrialem Shunt und bakterieller Endokarditis ○ nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittelgro-

ist die Prognose deutlich schlechter und insgesamt ßen Gefäße und
stark abhängig vom Gesamtverlauf der Erkrankung. ○ zusätzliche granulomatöse Entzündung im oberen

und unteren Respirationstrakt.


● Bei aktiver Erkrankung finden sich zu etwa 80–90 %
6.6.15 Literatur ANCA, die zu 75 % gegen Proteinase-3 und zu 15 % ge-
[1] Nasr SH, Fidler ME, Valeri AM et al. Postinfectious glomerulonephritis gen Myeloperoxidase gerichtet sind.
in the elderly. J Am Soc Nephrol 2011; 22:187–95
[2] Nasr SH, Radhakrishnan J, D'Agati VD. Bacterial infection-related glo-
merulonephritis in adults. Kidney Int 2013; 83:792–803 6.7.5 Epidemiologie
[3] Rodríguez-Iturbe B, Batsford S. Pathogenesis of poststreptococcal glo-
merulonephritis a century after Clemens von Pirquet. Kidney Int ● In Westeuropa stellt die GPA mit einer Inzidenz von 6–
2007; 71:1094–104 12/Mio/Jahr die häufigste AAV dar.

6.7 Granulomatose mit 6.7.6 Ätiologie und Pathogenese


Polyangiitis ● Der entzündlich-obstruierenden Gefäßprozess führt zu
○ Blutungen in das Gewebe (Hämoptoe, Hämaturie,
Martin Kimmel Purpura) und
○ ischämisch-nekrotische Organschäden. 6
6.7.1 Steckbrief ● Je nach Aktivität und Ausdehnung der Vaskulitis vari-
iert das klinische Bild vom harmlosen Hautbefall bis hin
Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) (früher Wege- zu lebensbedrohlichen Funktionsstörungen verschiede-
ner-Granulomatose) (häufig c-ANCA bzw. anti-PR3-posi- ner Organe.
tiv) ist eine ANCA-assoziierte Kleingefäßvaskulitis. Sie ● Eine bedrohliche Nierenbeteiligung in Form einer ne-
kann an den Nieren zu einer intra- und extrakapillär pro- krotisierenden intra- und extrakapillär proliferativen
liferierenden Vaskulitis führen, welche unter dem kli- Glomerulonephritis findet sich bei Vaskulitiden der
nischen Bild einer rapid progressiven Glomerulonephritis kleinen und mittelgroßen Gefäße.
(RPGN) mit einem dramatischen Verlust der GFR einher-
gehen kann. Diagnostisch ist der Nachweis von cANCA
bzw. anti-Proteinase-3-AK häufig, die Biopsie der Niere 6.7.7 Klassifikation
ist oft entscheidend. Die Therapie besteht aus einer In- ● Die Einteilung der Vaskulitiden erfolgt in der Chapel-
duktionstherapie (Cyclophosphamid oder Rituximab). Hill-Consensus-Konferenz von 2012 nach ätiologischen,
Nach Erreichen einer stabilen Remission wird eine Erhal- morphologischen und immunologischen Kriterien:
tungstherapie, meist mit Azathioprin, über mindestens ○ Größe der betroffenen Gefäße (▶ Abb. 6.18),
18–24 Monate durchgeführt. ○ Vorhandensein oder Fehlen einer granulomatösen

Entzündung,
6.7.2 Aktuelles ○ klinische Besonderheiten (z. B. bevorzugter Organbe-

fall),
● Im Herbst 2016 wurde die gemeinsame europäische ○ Vorhandensein von ANCAs.
Leitlinie der rheumatologischen und nephrologischen
Gesellschaften zum Management der Kleingefäßvasku-
litiden publiziert [2]. 6.7.8 Klinik
● Vaskulitiden der kleinen Gefäße führen zu schwer ver-
6.7.3 Synonyme laufender nekrotisierender intra- und extrakapillär
proliferativer GN.
● Granulomatose mit Polyangiitis ● Dies kann unter dem klinischen Bild einer rasch progre-
● GPA dienten GN (RPGN) mit einem dramatischen Verlust
● Wegener-Granulomatose der glomerulären Filtrationsrate einhergehen.
● Morbus Wegener ● Die GN ist erkennbar am Auftreten einer Proteinurie
und eines aktiven Sediments mit dysmorphen Erythro-
6.7.4 Definition zyten und Erythrozytenzylindern.

● Die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA) (früher We-


gener-Granulomatose) ist eine ANCA-assoziierte Vasku-
litis (AAV).

Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved. 287
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IV

288
Aorta Nierenarterie A. interlobularis

A. arcuata A. lobularis

Thieme; 2015)
Arteriole

Glomerulus

Vaskulitis der Vaskulitis der Vaskulitis der


großen Gefäße mittelgroßen Gefäße kleinen Gefäße
Erkrankungen mit Befall der Glomerula

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nekrotisierende Arteriitis ohne
granulomatöse Arteriitis granulomatöse Arteriitis nekrotisierende Arteriitis
mukokutanes Lymphknoten-
bei Patienten > 50 Jahre bei Patienten < 50 Jahre mit MCLN-Syndrom
syndrom (MCLN)

Kawasaki-
Riesenzellarteriitis* Takayasu-Arteriitis* Polyarteriitis nodosa* Erkrankung*

ANCA-assoziierte Vaskulitiden (immunhistologisch kein Nachweis


Immunkomplexvaskulitis
von Immunkomplexen: „Pauci-immune“-Vaskulitis)

andere Ursachen für primäre und sekundäre IgA1-Immun- SLE oder rheumatoide kein Asthma, Granulome, Eosinophilie,

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Immunkomplexvaskulitis Kryoglobulinämie ablagerungen Arthritis keine Granulome aber kein Asthma Asthma und Granulome

Immunkomplex- eosinophile
Purpura Schoenlein- mikroskopische Granulomatose mit Granulomatose mit
vaskulitiden kryoglobulinämische Vaskulitis bei SLE oder
Henoch Polyangiitis* Polyangiitis Polyangiitis
unterschiedlicher Vaskulitis rheumatoider Arthritis
Genese
(IgA-Vaskulitis)* (MPA) (Wegener) (GPA)* (Churg-Strauss)
(EGPA)*

Abb. 6.18 Vaskulitiden. Einteilung der Vaskulitiden nach Größe des Gefäßbefalls unter Berücksichtigung der Chapel Hill Consensus

Kuhlmann U. Klassifikation der systemischen Vaskulitiden. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6. Auflage.
Conference und serologisch-immunologischer Messgrößen. Die primären Vaskulitiden sind mit (*) gekennzeichnet. (Quelle: Kimmel M,

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6.7 Granulomatose mit Polyangiitis

Merke
Glomeruläre Hämaturie, Proteinurie und/oder rascher

H 6.7.9 Diagnostik
Diagnostisches Vorgehen
Nierenfunktionsverlust sind die klassische Indikation zur ● Weiterführende laborchemische, radiologische und
Nierenbiopsie, bei der sich häufig eine nekrotisierende in- bioptische Untersuchungen sind wichtig
tra- und extrakapilläre GN (RPGN) mit halbmondförmi- ○ zum Nachweis von c- oder p-ANCA (Pr3- oder MPO-
gen Kapselproliferaten ohne immunhistologisch nach- Antikörper),
weisbaren Immunglobulinablagerungen (pauci-immune- ○ zur histologischen Sicherung der Diagnose durch
GN) zeigt. Haut-/Organbiopsie.

● Das gleichzeitige oder zeitlich versetzte Auftreten einer


Anamnese
RPGN mit Lungenblutungen wird als pulmorenales Syn- ● gründliche komplette Anamnese
drom bezeichnet. Dieses schwer verlaufende Krank- ● gezielte Erhebung der in ▶ Tab. 6.10 genannten Mani-
heitsbild wird zu ca. 50 % durch eine ANCA-assoziierte festationen
Kleingefäßvaskulitis verursacht.
● Granulomatöse destruierende entzündliche Organschä-
Körperliche Untersuchung
den, die sich bevorzugt im oberen Respirationstrakt
entwickeln (blutiger Schnupfen, rezidivierende Sinusi- ● komplette Ganzkörperuntersuchung unter Beachtung
tis, Otitis) (▶ Tab. 6.10). der in ▶ Tab. 6.10 genannten Manifestationen 6
● Patienten mit GPA klagen anfänglich zu ca. 70 % und im
weiteren Krankheitsverlauf zu ca. 90 % über Symptome
von Seiten der Nase, Nasennebenhöhlen und Trachea, Tab. 6.10 Klinische Besonderheiten der GPA.
die durch granulomatöse Entzündungsvorgänge aus- Granulomatose mit Polyangiitis
gelöst werden. (Wegener‘s)
● Bei Auftreten einer vaskulitischen Generalisationsphase Klassische Histologie Leukozytoklastische Vaskulitis und
ändert sich das Krankheitsbild: (Haut, Nase, Nasen- nekrotisierende granulomatöse
○ Schwere Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichts- nebenhöhlen, Lungen) Entzündung
verlust, Arthralgien und Myalgien und Zeichen der Histologie Nieren Segmentale nekrotisierende prolifera-
vaskulitischen Organbeteiligung an Lungen (Infiltrate, tive GN, selten Granulome
Hämoptoe), Nieren (nekrotisierende und proliferative Organbefall von Blutiger Schnupfen
GN), Haut (Purpura) und weiteren Organen bestim- Ohren, Nase, Trachea Rezidivierende Sinusitis
Nasenseptumperforation
men das Krankheitsgeschehen.
Hörverlust/-verschlechterung
○ Klassisch ist die Entwicklung eines pulmorenalen
Subglottische Stenose
Syndroms mit Hämoptoe und rasch progredienter
Haut Palpable Purpura
GN.
Augen Skleritis, Episkleritis, Uveitis, Pseudo-
○ Bei GPA gehäuft auftretende Thrombosen mit Lun-
tumor der Orbita
genembolien müssen differenzialdiagnostisch in Be-
Lungen Rundherde/Infiltrate/Kavernen
tracht gezogen werden
Alveoläre Blutungen mit Hämoptoe
● Beurteilung des Schweregrades:
Nieren RPGN
○ Die klinische Aktivität der AAV und das Ausmaß an
Herz Selten Myokarditis, Perikarditis
nicht reversiblen Vaskulitis-Schädigungen kann an-
hand von zwei Scores erfasst werden (zu empfehlen Periphere Nerven Asymmetrische Polyneuropathie
sind online Versionen): Gastrointestinaltrakt Kolitis/Darmischämie
– BVAS („Birmingham Vaskulitis Aktivitäts Score“) er- Gastrointestinale Blutungen
fasst die aktive Erkrankung und
– VDI („Vaskulitis Damage Index“) erfasst irreversible
Schädigungen.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Labor 6.7.10 Differenzialdiagnosen


● Nachweis antineutrophiler zytoplasmatischer Antikör- ● Differenzialdiagnostische Abgrenzung der Vaskulitiden
per (ANCA) bei klinischem Verdacht einer Granuloma- der kleinen Gefäße in ▶ Tab. 6.11.
tose mit Polyangiitis (GPA).
● Im indirekten Immunfluoreszenztest werden 2 Formen
unterschieden: 6.7.11 Therapie
○ c-ANCA zeigen eine granuläre zytoplasmatische An-
Therapeutisches Vorgehen
färbung zeigen.
– c-ANCA sind gegen Granulozyten-Proteinase-3 ● Eine schwer verlaufende generalisierte Vaskulitis ist
(Pr3) gerichtete Antikörper. prognostisch ungünstig und definiert durch
– Pr3-Antikörper (ELISA) sind v. a. bei Granulomatose (▶ Abb. 6.19):
○ renale Beteiligung mit Niereninsuffizienz,
mit Polyangiitis nachweisbar.
IV ○ p-ANCA stellen sich in der indirekten Immunfluores- ○ vaskulitischen Befall eines oder mehrerer anderer Or-

zenz perinukleär dar. gane,


○ Nachweis von ANCA.
– p-ANCA sind deutlich unspezifischer als c-ANCA, da
sie mit verschiedenen zellulären Zielantigenen rea- ● Bei renaler/generalisierter Vaskulitis erfolgt die Re-
gieren. missionsinduktion mit:
○ Cyclophophamid und oralen Steroiden oder
– Im Rahmen der Vaskulitisdiagnostik interessieren
○ Rituximab und oralen Steroiden (insbesondere bei
die gegen Myeloperoxidase (MPO) gerichteten Anti-
körper, die sich auch seltener bei GPA nachweisen Kontraindikationen gegen Cyclophosphamid).
lassen. ● Diese Basistherapie wird ggf. ergänzt um:


○ i. v. Methylprednisolon-Boli

Merke
H ○ Stellenwert der Plasmapherese bei rasch progredien-

ter GN oder akutem dialysepflichtigem Nierenver-


Die Diagnosesicherung der GPA erfolgt durch biopti- sagen und/oder pulmonalen Blutungen zum Zeit-
schen Nachweis einer granulomatösen Entzündung und/ punkt der Drucklegung des Buches unklar - Zurück-
oder nekrotisierenden Vaskulitis. haltung empfohlen, Einzelfallentscheidung.

Induktionstherapie
Bildgebende Diagnostik Cyclophosphamid (CP)
Röntgen bzw. Schnittbildgebung
● Thorax mit der Frage nach Infiltraten oder Zeichen
einer Hämorrhagie,
Merke ●
H
Die Bevorzugung von Cyclophosphamid-Boli im Vergleich
● ggf. Nasennebenhöhlen, zu einer oralen Cyclophosphamidtherapie beruht auf den
● Abdomensonographie. Ergebnissen der CYCLOPS-Studie. Bei geringerer Kumula-
tivdosis führt die i. v.-CP-Bolustherapie im Vergleich zur
Histologie, Zytologie und klinischen oralen CP-Therapie zu:
● identischen Remissionsraten,
Pathologie
● identischer Mortalität,

Gewebebiopsie ● weniger infektiösen Komplikationen,

● einer erhöhten Rate von Vaskulitisrezidiven.


● ggf. HNO-ärztliche Untersuchung mit Schleimhautbiop-
sie mit der Frage nach Zeichen einer granulomatösen
Entzündung und vaskulitischen Veränderungen
● Hautbiopsie bei Purpura mit der Frage nach vaskuliti-
schen Veränderungen
● Häufig nekrotisierende intra- und extrakapilläre GN
mit halbmondförmigen Kapselproliferaten ohne im-
munhistologisch nachweisbare Immunglobulinablage-
rungen
● Nierenbiopsie bei Zeichen einer GN.

290 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.7 Granulomatose mit Polyangiitis

Tab. 6.11 Differenzialdiagnose der Vaskulitiden der kleinen Gefäße. (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U. Klassifikation der systemischen Vas-
kulitiden. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.)
Parameter ANCA-assoziierte Vaskulitiden Immunkomplex-bedingte
Vaskulitiden
GPA MPA EGPA PSH KV
Klinische Besonderheiten
Vaskulitische Allgemeinsymptome + + + + +
Granulomatöse Entzündung im oberen Respirationstrakt + – + – –
Augensymptome (Skleritis, Episkleritis, Konjunktivitis) + (+) (+) – –
Rezidivierendes Asthma bronchiale – – + – –
Pulmorenales Syndrom bei schwerem Verlauf möglich + + (+) – (+)
Hautsymptome (Purpura, Nekrosen) + + + + +
Gastrointestinale Symptome (+) (+) (+) + (+)
Labordiagnostik
ANCA-Nachweis 80–90 % 70 % 40–60 % – –
Pr3-Antikörper ca. 75 % ca. 10 % ca. 10 % – –
MPO-Antikörper ca. 15 % ca. 60 % ca. 40 % – –
Eosinophilie – – + – – 6
Komplementverbrauch – – – – +
Histologie/Immunhistologie
Leukozytoklastische Vaskulitis + + + + +
Granulomatöse Entzündung + – + – –
Eosinophile granulomatöse Entzündung – – + – –
Histologie Nieren
Lichtmikroskopie Nekrotisierende intra-und extrakapilläre Mesangioproli- Membranopro-
proliferative GN ferative GN liferative GN
Immunhistologie Pauci-immune GN ohne Immunkom- IK-Ablagerun- IK-Ablagerun-
plex-Ablagerungen gen (IgA) gen
GPA: Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener), MPA: mikroskopische Polyangiitis, EGPA: Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
(Churg-Strauss), PSH: Purpura Schoenlein-Henoch (IgA-Vaskulitis), KV: kryoglobulinämische Vaskulitis, ANCA: antineutrophile
zytoplasmatische Antikörper, PR-3: Proteinase-3, MPO: Myeloperoxidase, IK: Immunkomplex

● CYCLOPS-Protokoll:
○ Cyclophosphamid-Boli von i. v. 15 mg/kg KG (max.

1,2 g) (alternativ auch p. o. 5 mg/kg KG über 3 Tage).


Praxistipp ●
Z
Bei anhaltender Dialysepflichtigkeit ohne extrarenale
○ Die ersten 3 Gaben erfolgen in 2-wöchigem Abstand,
Manifestation schlägt die KDIGO-Leitlinie von 2012 vor,
dann in 3-wöchigen Intervallen bis zur Remissionsin- Cyclophosphamid nach 3 Monaten abzusetzen.
duktion (BAVS-Score = 0).
○ Danach Fortsetzung über 3 weitere Monate (ins-

gesamt minimal 6 Monate, maximal 12 Monate).


○ Dosisanpassung bei höherem Alter und eingeschränk-
Rituximab (Anti-CD20-Antikörper)
ter Nierenfunktion in ▶ Tab. 6.12. ● Im Jahr 2010 wurden 2 Studien zu Remissionsinduktion
○ Zusätzlich werden oral Steroide in absteigender Do- bei GPA und MPA publiziert: die 2 Studien mit Rituxi-
sierung verabreicht. mab aus dem Jahr 2010 (europäische RITUXVAS-Studie
○ 3 Monate nach Eintreten einer Remission erfolgte und die US-amerikanische RAVE-Studie) zeigten eine
eine Umstellung auf eine Erhaltungstherapie mit Aza- gleich gute Wirksamkeit wie CP (keine signifikanten
thioprin und Prednison. Unterschiede hinsichtlich Mortalität, Dialysepflichtig-
● Unter kombinierter CP-Steroid-Behandlung erreichen keit, Infektionen oder Malignomen).
etwa 90 % der behandelten Patienten eine Remission, ○ RITUXVAS-Protokoll:

die bei 70–80 % innerhalb der ersten 3 Therapiemonate – Rituximab (375 mg/m2) einmal wöchentlich über
und bei 10–20 % nach 3–6 Monaten eintritt. 4 Wochen in Kombination mit 1–2 i. v. CP-Boli und
oralem Prednison in absteigender Dosierung, eine
Erhaltungstherapie wurde nicht durchgeführt.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

CP (i. v. Bolustherapie oder p.o.) + Methylprednisolon-Boli


Prednisolon p.o. und/oder
Remissionsinduktion oder
3 – 6 Monate GPA oder MPA:
RTX i. v. + Prednisolon p.o.
+ Plasmapherese?
(Bei zum Zeitpunkt der Drucklegung
unklarer Studienlage nur im Einzelfall
zu diskutieren)

Azathioprin oder RTX in festen


Remissionserhaltung Zeitabständen, jeweils kombiniert mit
12 – 24 Monate oder oralen Steroiden niedrig dosiert
länger (?) (→ schrittweise Dosisreduktion und
ggf. Ausschleichen der Steroide)
IV
refraktär Wechsel auf CP bzw. RTX

Relaps falls Induktion mit CP, Wechsel auf RTX

Osteoporoseprophylaxe bei Steroid-


Therapie
GnRH-Agonisten bei menstruierenden
Begleittherapie Frauen unter CP-Therapie

Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe
mit Co-Trimoxazol bei CP und RTX

Abb. 6.19 Granulomatose mit Polyangiitis. Therapie der AAV mit Organbeteiligung und schlechten Prognosekriterien. (?) signalisieren
das Fehlen prospektiver Studien. Dosisangaben der aufgeführten Medikamente ▶ Tab. 6.12. Vorgehen bei häufigen Rezidiven und
Therapieresistenz s. Text. (CP: Cyclophosphamid, RTX: Rituximab, GnRH-Agonist: Gonadotropin-„Releasing“-Hormon-Agonist).
(Verändert nach Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U. Remissionsinduktion bei schwer verlaufender generalisierter Vaskulitis. In: Alscher M,
Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015)

○ Rituximab bietet sich in der Induktionstherapie in fol-


Tab. 6.12 Anpassung der i. v.-CP-Bolus-Therapie bei höherem Al-
ter oder eingeschränkter Nierenfunktion [3]. genden Situationen an:
– bei Kontraindikationen für CP (z. B. bei bereits ho-
Alter Anpassung der CP-Dosis Anpassung der CP-Dosis
(Jahre) (pro Bolus in mg/kg KG): (pro Bolus in mg/kg KG):
her erhaltener CP-Kumulativdosis),
Kreatinin < 300 µmol/l Kreatinin 300–500 µmol/l – bei Patienten, die CP ablehnen (Sorge vor Infertili-
tät, Haarausfall, Malignomrisiko, ...),
< 60 15 12,5
– Krankheitsprogress unter CP,
60–70 12,5 10
– rezidivierende Verläufe.


Z
> 70 10 7,5

Praxistipp
○ RAVE-Protokoll: Rituximab-Therapie
– Rituximab (375 mg/m2) über einen Zeitraum von ● Vor Einleitung muss vorliegen: Hepatitisserologie und

4 Wochen in Kombination mit einer dreitägigen ein Quantiferon-Test.


Methylprednisolon-Pulstherapie und oralem Pred- ● Bei der Infusionsgabe kann es zu Unverträglichkeits-

nison in absteigender Dosierung. reaktionen kommen.


● Empfehlungen zu Rituximab: ● Während/nach den Therapiezyklen gilt:

○ Rituximab ist in USA und Europa bei der Induktions- ○ Es kann es zu einem Immunglobulinmangel kom-

therapie zugelassen und eröffnet mit einem einmali- men. Es empfiehlt sich IgG insbesondere bei einem
gen 4-wöchigen Zyklus neue Möglichkeiten in der In- Infektereignis zu messen, da dann i. v. Immunglobu-
duktionstherapie der AAV, mit einem besonderen line gegeben werden können.
Stellenwert bei Rezidiven. ○ Pneumozystis-Infektionen kommen vor, sodass an

eine Cotrimoxazol-Prophylaxe gedacht werden sollte.


○ Eine Erholung der B-Zellen (messbar in einer FACS-

Analyse) findet sich frühestens nach 4–6 Monaten.

292 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.7 Granulomatose mit Polyangiitis

Ausweitung der Basistherapie bei lebens- Rezidiv aufgrund der o. g. Ergebnisse der RAVE-Studie
einen besonderen Stellenwert hat.


bedrohlicher vaskulitischer Organbeteiligung
● Bei lebensbedrohlicher vaskulitischer Organbeteiligung
wie Auftreten eines dialysepflichtigen akuten Nieren- Merke
H
versagens oder pulmonalen Blutungen empfiehlt sich Bei einer Initialtherapie mit CP sollte Rituximab aufgrund
eine Intensivierung der Remissionsinduktion: der Ergebnisse der RAVE-Studie beim Rezidiv zum Einsatz
○ i. v. Methylprednisolon-Boli an 3 aufeinander folgen-
kommen.
den Tagen.
○ Plasmaaustauch? – bei Drucklegung des Buches ist

die Studienlage zum Stellenwert fraglich.


● Beim Auftreten von Lungenblutungen liegen zur Plas-
Eskalationstherapie: Therapeutische
mapherese bei Drucklegung des Buches nur retrospek- Alternativen bei Versagen der CP/Steroid-
tive Daten vor. oder RTX/Steroid-Therapie zur Remissions-
induktion
Behandlung von Rezidiven oder ● Nur 4–5 % aller Patienten mit AAV sprechen unzurei-
therapierefraktärer AAV chend auf eine Induktionstherapie (CP/Steroide oder
RTX/Steroid-Therapie) an und zeigen fortbestehende
Behandlung von Rezidiven Krankheitsaktivität.
● Auftreten klinischer Krankheitsaktivität mit oder ohne ● Bei schweren Verläufen und Therapieresistenz können 6
Anstieg der ANCA-Titer wird als Zeichen eines Rezidivs folgende nicht evidenzbasierte Empfehlungen aus-
gewertet (▶ Tab. 6.13). gesprochen werden:
● Rezidive treten überwiegend innerhalb eines Jahres ○ vorübergehende Dosiserhöhung des CP unter Vermei-

nach Beendigung der immunsuppressiven Therapie in dung eines Leukozytennadirs von < 3,5 GIGA/l,
Abhängigkeit von den zur Remissionsinduktion ver- ○ additive i. v.-Gabe von Immunglobulinen (2 g/kg KG)

wendeten Medikamenten und der Therapiedauer auf. als Einmaldosis oder 0,5 g/kg KG/Tag über 4 Tage. Diese
● Speziell hohe Rezidivraten finden sich bei Therapie ist effektiv und hat ein gutes Nebenwirkungs-
○ persistierend nachweisbaren ANCA-Titern, insbeson- profil; der Effekt hält aber meist nicht über 3 Monate
dere anti-Proteinase-3-Antikörpern, an, sodass eine Wiederholung notwendig wird.
○ ausgeprägter vaskulitisch/granulomatöser Lungenbe- ○ Mycophenolat Mofetil (2 g täglich)

teiligung, ○ experimentelle Ansätze: Infliximab, 15-Deoxysper-

○ Beteiligung des oberen Respirationstrakts. gualin, Anti-Thymozytenglobulin.


● Tritt ein schweres Rezidiv unter der RET (lebensbedroh-
liche Erkrankung oder drohender Organverlust) auf,
empfiehlt sich grundsätzlich nach den o. g. Prinzipen
der Initialtherapie zu behandeln, wobei Rituximab im

Tab. 6.13 Kriterien zur Beurteilung des Therapieerfolgs bei ANCA-assoziierter Vaskulitis mit Glomerulonephritis. (Quelle: Kimmel M, Kuhl-
mann U. Nierenbeteiligung bei systemischer Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig über-
arbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.)
Parameter Beschreibung/Definition
Remission ● Stabilisierung oder Besserung der Nierenfunktion (Serumkreatinin), der Hämaturie und der extrarenalen
Manifestationen der systemischen Vaskulitis; eine persistierende Proteinurie wird nicht als Zeichen von
Krankheitsaktivität gewertet
Therapieresistenz ● Zunehmende Nierenfunktionsverschlechterung und ausbleibende Rückbildung eines hoch aktiven
Urinsediments
● Weiterbestehen oder Neuauftreten von extrarenalen Manifestationen der Vaskulitis unter immun-
suppressiver Therapie
Rezidiv: Auftreten eines ● Anstieg des Serumkreatininwerts bei aktivem Urinsediment
der genannten Symptome ● Nekrose und extrakapilläre Proliferation in der Nierenbiopsie
● Hämoptoe oder Zunahme der pulmonalen Befunde (nach Ausschluss einer Infektion)
● aktive Vaskulitis des Respirations- und Gastrointenstinaltraktes, nachgewiesen durch Endoskopie/
Bronchoskopie und Biopsie
● Iritis oder Uveitis
● Neu auftretende Mononeuritis multiplex
● Nekrotisierende Vaskulitis in Gewebebiopsien

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Erhaltungstherapie Dauer der RET


● Nach Erreichen einer stabilen Remission erfolgen die ● Daten zur optimalen Dauer der RET liegen nicht vor.
Beendigung der Remissions-Induktionstherapie und die ● Angestrebt wird eine Therapiedauer von mindestens
Einleitung einer Remissions-Erhaltungstherapie (RET). 12–24 Monaten, wobei häufig die Steroidgabe bei ge-
● Ziel dieser Behandlung ist die Vermeidung von Krank- ringer Krankheitsaktivität vorzeitig beendet werden
heitsrezidiven mit Medikamenten geringerer Toxizität. kann.
● Bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko empfiehlt sich
Azathioprin eine länger dauernde RET-Behandlung.

Merke ●
H
Nach einer Remissionsinduktionstherapie mit CP ist Aza-
6.7.12 Nachsorge
Kontrollen:
IV ● der Nierenfunktion
thioprin (AZA) (Dosis von 2 mg/kg KG/Tag) kombiniert
● des Urin (Sediment, Proteinurie)
mit niedrig dosierten Steroiden der Standard in der RET
● körperliche Untersuchung
der AAV.

6.7.13 Verlauf und Prognose


● Zahlreiche Medikamente wurden mittlerweile direkt
mit Azathioprin verglichen: ● Unbehandelt ist die Prognose der GPA äußerst schlecht
○ IMPROVE-Studie mit Mycophenolat Mofetil: mehr Re- und es versterben ca. 90 % der Patienten innerhalb von
zidive in der Mycphenolat-Mofetil-Gruppe, 2 Jahren.
○ WEGENT-Studie mit Methotrexat: vergleichbare ● Bereits die Einführung der kombinierten oralen Ste-
Wirksamkeit, roid-Cyclophosphamid-(CP-)Behandlung am National
○ WGET-Studie mit Etanercept: kein Nutzen von Eta- Institute of Health (NIH) hat die Prognose der betroffe-
nercept, gehäuft Malignome unter Etanercept. nen Patienten erheblich verbessert.
● Bei Unverträglichkeit für Azathioprin werden folgende ● Nach einer mittleren Verlaufsbeobachtung von 8 Jah-
Alternativen in den KDIGO-Leitlinien empfohlen: ren finden sich folgende Ergebnisse:
○ Mycophenolat Mofetil in einer Dosis von bis zu 1 g ○ Überleben von 80 % der Patienten,

zwei mal täglich oder ○ Besserung der vaskulitischen Symptome bei etwa

○ Methotrexat 1-mal wöchentlich verabreicht in einer 90 % der Patienten,


Dosis von 0,3 mg/kg KG (15–25 mg/Woche) bei Pa- ○ Auftreten einer kompletten Remission bei 75 % der

tienten mit normaler Nierenfunktion (Kreati- Patienten.


nin < 1,5 mg/dl). ● Nachteile/Komplikationen dieser Therapie in der Ver-
laufsbeobachtung:
○ Auftreten von Rezidiven bei ungefähr 50 % der Patien-
Rituximab
ten nach Beendigung der Therapie,
● Es ist noch unklar, wie die RET nach einer Induktion ○ krankheitsbedingte Morbidität bei 86 % der Patienten,
mit Rituximab durchgeführt werden sollte. Folgende ○ therapiebedingte Langzeitnebenwirkungen wie hä-
Optionen sind denkbar: morrhagische Zystitis, Knochenmarkssuppression,
○ AZA, Amenorrhoe und Sterilität, Infektionen und Neopla-
○ Rituximab-Wiederholung in festen Zeitabständen, sien.
○ Rituximab bei Wiederanstieg der B-Zellen (nach 4–6

Monaten).
● Die beste Datenbasis existiert aktuell für eine Erhal- 6.7.14 Literatur
tungstherapie mit RTX nach CP (Cyclophosphamid) mit [1] Jennette JC, Falk RJ, Bacon PA et al. 2012 revised International Chapel
einer Rituximab-Wiederholung in festen Zeitabstän- Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. Arthritis
Rheum 2013; 65(1): 1–11
den:
[2] Yates M et al. EULAR/ERA-EDTA recommendations for the manage-
○ Ergebnisse der MAINRITSAN-Studie zeigen, dass feste
ment of ANCA-associated vasculitis. Ann Rheum Dis 2016; 75(9):
Rituximab-Gaben (jeweils 500 mg: zu Beginn zwei- 1583–94
mal im Abstand von 2 Wochen und dann im Monat 6, [3] Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
12 und 18) gegenüber Azathioprin Vorteile haben: ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015
Rezidivrate nach 28 Monaten unter RTX 5 % versus
29 % unter AZA.
Weiterführende Literatur
[4] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo-
nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome-
rulonephritis. Kidney Int 2012; 2: 139–274.

294 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.8 Mikroskopische Polyangiitis

[5] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen. ● Bedrohliche Nierenbeteiligung in Form einer nekroti-
In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
sierenden intra- und extrakapillär proliferativen GN
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015: 136–235
findet sich bei Vaskulitiden der kleinen und mittelgro-
[6] Kimmel M, Kuhlmann U. Remissionsinduktion bei schwer verlaufen- ßen Gefäße.
der generalisierter Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et
al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte
Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015 6.8.6 Klassifikation
● Die Einteilung der Vaskulitiden erfolgt nach ätiologischen,
6.8 Mikroskopische Polyangiitis ●
morphologischen und immunologischen Kriterien.
Die Vaskulitiden wurden in den Chapel-Hill-Consensus-
Martin Kimmel Konferenzen weiter definiert nach
○ Größe der betroffenen Gefäße (▶ Abb. 6.20),

○ Vorhandensein oder Fehlen einer granulomatösen


6.8.1 Steckbrief Entzündung,
Die mikroskopische Polyangiitis (MPA) (häufig p-ANCA ○ klinischen Besonderheiten (z. B. bevorzugter Organ-

bzw. anti-MPO positiv) ist eine ANCA-assoziierte Kleinge- befall),


fäßvaskulitis. Sie führt an den Nieren zu einer intra- und ○ Vorhandensein von ANCA‘s.

extrakapillär proliferierenden Vaskulitis, die unter dem


klinischen Bild einer rapid progressiven Glomeruloneph-
ritis mit einem dramatischen Verlust der GFR einher-
6.8.7 Klinik 6
gehen kann. Diagnostisch ist der Nachweis von pANCA ● Vaskulitiden der kleinen Gefäße führten zu schwer ver-
bzw. anti-Myeloperoxidase-Antikörpern entscheidend. laufender nekrotisierender intra- und extrakapillär
Die Therapie besteht aus einer Induktionstherapie (Cyclo- proliferativer GN:
phosphamid oder Rituximab). Nach Erreichen einer stabi- ○ Diese geht unter dem klinischen Bild einer rasch pro-

len Remission wird eine Erhaltungstherapie mit Azathio- gredienten GN (RPGN) mit einem dramatischen Ver-
prin über meist 12–24 Monate durchgeführt. lust der glomerulären Filtrationsrate einher,
○ typische Befunde sind eine Proteinurie und ein akti-

ves Sediment mit dysmorphen Erythrozyten und Ery-


6.8.2 Synonyme throzytenzylindern.
● Mikroskopische Polyangiitis ● Bei einer vaskulitischen Generalisationsphase finden
● MPA sich
○ schwere Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichts-

verlust, Arthralgien und Myalgien.


6.8.3 Definition ○ Zeichen der vaskulitischen Organbeteiligung an Lun-

● Die mikroskopische Polyangiitis (MPA) ist eine ANCA- gen (Infiltrate, Hämoptoe), Nieren (nekrotisierende
assoziierte Vaskulitis (AAV). und proliferative GN), Haut (Purpura) und weiteren
● Nach der Chapell-Hill-Klassifikation ist sie definiert als Organen bestimmen das Krankheitsgeschehen.
○ nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittelgro- ○ Klassisch ist die Entwicklung eines pulmorenalen Syn-

ßen Gefäße mit vorwiegendem Befall der glomerulä- droms mit Hämoptoe und rasch progredienten GN.
ren und pulmonalen Kapillaren, ● Je nach Aktivität und Ausdehnung der Vaskulitis vari-
○ Fehlen granulomatöser entzündlicher Veränderun- iert das klinische Bild vom harmlosen Hautbefall bis hin
gen. zu lebensbedrohlichen Funktionsstörungen verschiede-
ner Organe (▶ Tab. 6.14).
● 2 Scores zur Erfassung der klinischen Aktivität der AAV
6.8.4 Epidemiologie und des Ausmaßes an nicht reversiblen Vaskulitis-Schä-
● Die MPA ist die zweithäufigte Kleingefäßvaskulitis. digungen (zu empfehlen sind Online-Versionen):
● In Europa liegt die jährlich Inzidenzrate im Bereich von ○ BVAS („Birmingham Vaskulitis Aktivitäts Score“): er-

2,4–10,1/Mio. fasst die aktive Erkrankung und


○ VDI („Vaskulitis Damage Index“): erfasst irreversible

Schädigungen.
6.8.5 Ätiologie und Pathogenese ● MPA und GPA zeigen vergleichbare vaskulitische Organ-
● Der entzündlich-obstruierenden Gefäßprozess führt zu beteiligung:
○ Blutungen in das Gewebe (Hämoptoe, Hämaturie, ○ Bei beiden Krankheitsbildern wird die Entwicklung

Purpura) und eines pulmorenalen Syndroms beobachtet.


○ ischämisch-nekrotische Organschäden.

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6.8 Mikroskopische Polyangiitis

[5] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen. ● Bedrohliche Nierenbeteiligung in Form einer nekroti-
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sierenden intra- und extrakapillär proliferativen GN
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findet sich bei Vaskulitiden der kleinen und mittelgro-
[6] Kimmel M, Kuhlmann U. Remissionsinduktion bei schwer verlaufen- ßen Gefäße.
der generalisierter Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et
al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte
Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015 6.8.6 Klassifikation
● Die Einteilung der Vaskulitiden erfolgt nach ätiologischen,
6.8 Mikroskopische Polyangiitis ●
morphologischen und immunologischen Kriterien.
Die Vaskulitiden wurden in den Chapel-Hill-Consensus-
Martin Kimmel Konferenzen weiter definiert nach
○ Größe der betroffenen Gefäße (▶ Abb. 6.20),

○ Vorhandensein oder Fehlen einer granulomatösen


6.8.1 Steckbrief Entzündung,
Die mikroskopische Polyangiitis (MPA) (häufig p-ANCA ○ klinischen Besonderheiten (z. B. bevorzugter Organ-

bzw. anti-MPO positiv) ist eine ANCA-assoziierte Kleinge- befall),


fäßvaskulitis. Sie führt an den Nieren zu einer intra- und ○ Vorhandensein von ANCA‘s.

extrakapillär proliferierenden Vaskulitis, die unter dem


klinischen Bild einer rapid progressiven Glomeruloneph-
ritis mit einem dramatischen Verlust der GFR einher-
6.8.7 Klinik 6
gehen kann. Diagnostisch ist der Nachweis von pANCA ● Vaskulitiden der kleinen Gefäße führten zu schwer ver-
bzw. anti-Myeloperoxidase-Antikörpern entscheidend. laufender nekrotisierender intra- und extrakapillär
Die Therapie besteht aus einer Induktionstherapie (Cyclo- proliferativer GN:
phosphamid oder Rituximab). Nach Erreichen einer stabi- ○ Diese geht unter dem klinischen Bild einer rasch pro-

len Remission wird eine Erhaltungstherapie mit Azathio- gredienten GN (RPGN) mit einem dramatischen Ver-
prin über meist 12–24 Monate durchgeführt. lust der glomerulären Filtrationsrate einher,
○ typische Befunde sind eine Proteinurie und ein akti-

ves Sediment mit dysmorphen Erythrozyten und Ery-


6.8.2 Synonyme throzytenzylindern.
● Mikroskopische Polyangiitis ● Bei einer vaskulitischen Generalisationsphase finden
● MPA sich
○ schwere Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichts-

verlust, Arthralgien und Myalgien.


6.8.3 Definition ○ Zeichen der vaskulitischen Organbeteiligung an Lun-

● Die mikroskopische Polyangiitis (MPA) ist eine ANCA- gen (Infiltrate, Hämoptoe), Nieren (nekrotisierende
assoziierte Vaskulitis (AAV). und proliferative GN), Haut (Purpura) und weiteren
● Nach der Chapell-Hill-Klassifikation ist sie definiert als Organen bestimmen das Krankheitsgeschehen.
○ nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittelgro- ○ Klassisch ist die Entwicklung eines pulmorenalen Syn-

ßen Gefäße mit vorwiegendem Befall der glomerulä- droms mit Hämoptoe und rasch progredienten GN.
ren und pulmonalen Kapillaren, ● Je nach Aktivität und Ausdehnung der Vaskulitis vari-
○ Fehlen granulomatöser entzündlicher Veränderun- iert das klinische Bild vom harmlosen Hautbefall bis hin
gen. zu lebensbedrohlichen Funktionsstörungen verschiede-
ner Organe (▶ Tab. 6.14).
● 2 Scores zur Erfassung der klinischen Aktivität der AAV
6.8.4 Epidemiologie und des Ausmaßes an nicht reversiblen Vaskulitis-Schä-
● Die MPA ist die zweithäufigte Kleingefäßvaskulitis. digungen (zu empfehlen sind Online-Versionen):
● In Europa liegt die jährlich Inzidenzrate im Bereich von ○ BVAS („Birmingham Vaskulitis Aktivitäts Score“): er-

2,4–10,1/Mio. fasst die aktive Erkrankung und


○ VDI („Vaskulitis Damage Index“): erfasst irreversible

Schädigungen.
6.8.5 Ätiologie und Pathogenese ● MPA und GPA zeigen vergleichbare vaskulitische Organ-
● Der entzündlich-obstruierenden Gefäßprozess führt zu beteiligung:
○ Blutungen in das Gewebe (Hämoptoe, Hämaturie, ○ Bei beiden Krankheitsbildern wird die Entwicklung

Purpura) und eines pulmorenalen Syndroms beobachtet.


○ ischämisch-nekrotische Organschäden.

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IV

296
Aorta Nierenarterie A. interlobularis

A. arcuata A. lobularis

Thieme; 2015)
Arteriole

Glomerulus

Vaskulitis der Vaskulitis der Vaskulitis der


großen Gefäße mittelgroßen Gefäße kleinen Gefäße
Erkrankungen mit Befall der Glomerula

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nekrotisierende Arteriitis ohne
granulomatöse Arteriitis granulomatöse Arteriitis nekrotisierende Arteriitis
mukokutanes Lymphknoten-
bei Patienten > 50 Jahre bei Patienten < 50 Jahre mit MCLN-Syndrom
syndrom (MCLN)

Kawasaki-
Riesenzellarteriitis* Takayasu-Arteriitis* Polyarteriitis nodosa* Erkrankung*

ANCA-assoziierte Vaskulitiden (immunhistologisch kein Nachweis


Immunkomplexvaskulitis
von Immunkomplexen: „Pauci-immune“-Vaskulitis)

andere Ursachen für primäre und sekundäre IgA1-Immun- SLE oder rheumatoide kein Asthma, Granulome, Eosinophilie,

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Immunkomplexvaskulitis Kryoglobulinämie ablagerungen Arthritis keine Granulome aber kein Asthma Asthma und Granulome

Immunkomplex- eosinophile
Purpura Schoenlein- mikroskopische Granulomatose mit Granulomatose mit
vaskulitiden kryoglobulinämische Vaskulitis bei SLE oder
Henoch Polyangiitis* Polyangiitis Polyangiitis
unterschiedlicher Vaskulitis rheumatoider Arthritis
Genese
(IgA-Vaskulitis)* (MPA) (Wegener) (GPA)* (Churg-Strauss)
(EGPA)*

Abb. 6.20 Vaskulitiden. Einteilung der Vaskulitiden nach Größe des Gefäßbefalls unter Berücksichtigung der Chapel Hill Consensus

Kuhlmann U. Klassifikation der systemischen Vaskulitiden. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6. Auflage.
Conference und serologisch-immunologischer Messgrößen. Die primären Vaskulitiden sind mit (*) gekennzeichnet. (Quelle: Kimmel M,

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6.8 Mikroskopische Polyangiitis

Tab. 6.14 Klinische Besonderheiten der Mikroskopischen Polyangiitis (MPA).


Mikroskopische Polyangiits (MPA)
Klassische Histologie (Haut, Nase, Nasennebenhöhlen, Lungen) Leukozytoklastische Vaskulitis ohne granulomatöse Entzündung
Histologie Nieren Segmentale nekrotisierende proliferative GN
Organbefall von Ohren, Nase, Trachea Keine granulomatöse Beteiligung
Haut Palpable Purpura
Augen Selten Skleritis, Episkleritis, Uveitis
Lungen Infiltrate
Alveoläre Blutungen mit Hämoptoe
Nieren RPGN
Herz selten Myokarditis, Perikarditis
Periphere Nerven asymmetrische Polyneuropathie
Gastrointestinaltrakt Kolitis/Darmischämie
Gastrointestinale Blutungen

○ Da bei MPA keine Granulombildung auftritt, sind die


Allgemeinsymptome
Symptome vonseiten des oberen Respirationstrakts Zeichen vaskulitischer
(z.B. Fieber, Gewichtsabnahme,
mild oder fehlen komplett. Organbeteiligung
6
Arthralgien, Myalgien)
● Krankheitsrezidive nach Remissionserzielung sind bei
der MPA seltener als bei der GPA.


an Vaskulitis denken

Merke
H
Vaskulitisdiagnose sichern
Die renalen Symptome liefern die klassische Indikation
zur Nierenbiopsie, bei der sich häufig eine nekrotisieren- Labor-ANCA-Diagnostik: Nierenbiopsie:
de intra- und extrakapilläre GN mit halbmondförmigen •häufig anti-MPO- • Pauci-immune nekrotisierende
Kapselproliferaten ohne immunhistologisch nachweisba- AK positiv + intra- und extrakapillär
re Immunglobulinablagerungen (pauci-immune GN) bzw. pANCA positiv proliferative GN
zeigt.
differenzialdiagnostische Abgrenzung
der anderen Vaskulitiden

6.8.8 Diagnostik renale Beteiligung bei mikrosopischer Polyangiits

Diagnostisches Vorgehen Abb. 6.21 Mikroskopische Polyangiitis. Diagnostisches Vor-


gehen bzgl. der renalen Beteiligung (GN = Glomerulonephritis).
● Wichtig sind laborchemische, radiologische und biopti-
sche Untersuchungen
○ zum Nachweis von p- oder c-ANCA (MPO- oder Pr3-

Antikörper), Labor
○ zur histologischen Sicherung der Diagnose durch
● ANCA-Sensitivität bei Mikroskopischer Polyangiitis:
Haut-/Organbiopsie (▶ Abb. 6.21). ○ Bei ca. 60 % der Patienten mit MPA finden sich MPO-

Antikörper (p-ANCA),
Anamnese ○ bei 10 % finden sich Pr3-Antikörper (c-ANCA),

○ 30 % der Patienten sind ANCA-negativ.


● gründliche komplette Anamnese
● Nachweis antineutrophiler zytoplasmatischer Antikör-
● gezielte Erhebung der in ▶ Tab. 6.14 genannten Mani-
per (ANCA) bei klinischem Verdacht einer Granuloma-
festationen
tose mit Polyangiitis (GPA). Im indirekten Immunfluo-
reszenztest (IIF) werden 2 Formen unterschieden:
Körperliche Untersuchung ○ p-ANCA stellen sich in der indirekten Immunfluores-

Komplette Ganzkörperuntersuchung unter Beachtung, zenz perinukleär dar.


der in ▶ Tab. 6.14 genannten Manifestationen. – p-ANCA sind deutlich unspezifischer als c-ANCA, da
sie mit verschiedenen zellulären Zielantigenen rea-
gieren.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

– Im Rahmen der Vaskulitisdiagnostik interessieren ● Diese Basistherapie wird ggf. ergänzt um:
die gegen Myeloperoxidase (MPO) gerichteten Anti- ○ i. v. Methylprednisolon-Boli

körper, die sich auch seltener bei GPA nachweisen ○ Stellenwert der Plasmapherese bei rasch progredien-

lassen. ter GN oder akutem dialysepflichtigem Nierenver-


○ c-ANCA zeigen eine granuläre zytoplasmatische An- sagen und/oder pulmonalen Blutungen zum Zeit-
färbung: punkt der Drucklegung des Buches unklar - Zurück-
– c-ANCA sind gegen Granulozyten-Proteinase-3 haltung empfohlen, Einzelfallentscheidung.
(Pr3) gerichtete Antikörper.
Induktionstherapie
Bildgebende Diagnostik
Cyclophosphamid (CP)

IV
Röntgen bzw. Schnittbildgebung
● Thorax mit der Frage nach Infiltraten oder Zeichen
einer Hämorrhagie
Merke ●
H
Die Bevorzugung von Cyclophosphamid-Boli im Vergleich
● Abdomen-Sonographie
zu einer oralen Cyclophosphamidtherapie beruht auf den
Ergebnissen der CYCLOPS-Studie. Bei geringerer Kumula-
Histologie, Zytologie und klinische tivdosis führt die i. v. CP-Bolustherapie im Vergleich zur
Pathologie oralen CP-Therapie zu:
● identischen Remissionsraten,
Hautbiopsie ● identischer Mortalität,

● Hautbiopsie bei Purpura mit der Frage nach vaskuliti- ● weniger infektiösen Komplikationen,

schen Veränderungen. ● einer erhöhten Rate von Vaskulitisrezidiven.

Nierenbiopsie
● CYCLOPS-Protokoll:
● bei Zeichen einer GN. Häufig nekrotisierende intra- und ○ Cyclophosphamid-Boli von i. v. 15 mg/kg KG (max.
extrakapilläre GN mit halbmondförmigen Kapselpro- 1,2 g) (alternativ auch p. o. 5 mg/kg KG über 3 Tage).
liferaten ohne immunhistologisch nachweisbare Im- ○ Die ersten 3 Gaben erfolgen in 2-wöchigem Abstand,
munglobulinablagerungen (pauci-immune-GN).


dann in 3-wöchigen Intervallen bis zur Remissionsin-

Merke
H duktion (BAVS-Score = 0).
○ Danach Fortsetzung über 3 weitere Monate (ins-

gesamt minimal 6 Monate, maximal 12 Monate).


Die Diagnosesicherung der MPA erfolgt durch biopti- ○ Dosisanpassung bei höherem Alter und eingeschränk-
schen Nachweis einer nekrotisierenden Vaskulitis. ter Nierenfunktion ▶ Tab. 6.16.
○ Zusätzlich werden oral Steroide in absteigender Do-

sierung verabreicht.
○ 3 Monate nach Eintreten einer Remission erfolgte
6.8.9 Differenzialdiagnosen eine Umstellung auf eine Erhaltungstherapie mit Aza-
● Abgrenzung der Vaskulitiden der kleinen Gefäße in thioprin und Prednison.
▶ Tab. 6.15. ● Unter kombinierter CP-Steroid-Behandlung erreichen
etwa 90 % der behandelten Patienten eine Remission,
die bei 70–80 % innerhalb der ersten 3 Therapiemonate
6.8.10 Therapie und bei 10–20 % nach 3–6 Monaten eintritt.
Therapeutisches Vorgehen
● Eine schwer verlaufende generalisierte Vaskulitis ist
prognostisch ungünstig und definiert durch:
Praxistipp ●
Z
Bei anhaltender Dialysepflichtigkeit ohne extrarenale
○ renale Beteiligung mit Niereninsuffizienz,
Manifestation schlägt die KDIGO-Leitlinie von 2012 vor,
○ vaskulitischen Befall eines oder mehrerer anderer Or-
Cyclophosphamid nach 3 Monaten abzusetzen.
gane,
○ Nachweis von ANCA.

● Bei renaler/generalisierter Vaskulitis erfolgt die Re-


missionsinduktion mit (▶ Abb. 6.22):
○ Cyclophophamid und oralen Steroiden oder

○ Rituximab und oralen Steroiden (insbesondere bei

Kontraindikationen gegen Cyclophosphamid).

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6.8 Mikroskopische Polyangiitis

Tab. 6.15 Differenzialdiagnose der Vaskulitiden der kleinen Gefäße (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei systemischer
Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart:
Thieme; 2015.)
Parameter ANCA-assoziierte Vaskulitiden Immunkomplex-bedingte
Vaskulitiden
GPA MPA EGPA PSH KV
Klinische Besonderheiten
Vaskulitische Allgemeinsymptome + + + + +
Granulomatöse Entzündung im oberen Respirationstrakt + – + – –
Augensymptome (Skleritis, Episkleritis, Konjunktivitis) + (+) (+) – –
Rezidivierendes Asthma bronchiale – – + – –
Pulmorenales Syndrom bei schwerem Verlauf möglich + + (+) – (+)
Hautsymptome (Purpura, Nekrosen) + + + + +
Gastrointestinale Symptome (+) (+) (+) + (+)
Labordiagnostik
ANCA-Nachweis 80–90 % 70 % 40–60 % – –
Pr3-Antikörper ca. 75 % ca. 10 % ca. 10 % – –
MPO-Antikörper ca. 15 % ca. 60 % ca. 40 % – –
6
Eosinophilie – – + – –
Komplementverbrauch – – – – +
Histologie/Immunhistologie
Leukozytoklastische Vaskulitis + + + + +
Granulomatöse Entzündung + – + – –
Eosinophile granulomatöse Entzündung – – + – –
Histologie Nieren
Lichtmikroskopie Nekrotisierende intra-und extrakapilläre Mesangio- Membrano-
proliferative GN proliferative proliferative
GN GN
Immunhistologie Pauci-immune GN ohne Immunkomplex- IK-Ablage- IK-Ablage-
Ablagerungen rungen rungen
(IgA)
GPA: Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener‘s), MPA: mikroskopische Polyangiitis, EGPA: Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
(Churg-Strauss), PSH: Purpura Schoenlein-Henoch (IgA-Vaskulitis), KV: kryoglobulinämische Vaskulitis, ANCA: antineutrophile
zytoplasmatische Antikörper, PR-3: Proteinase-3, MPO: Myeloperoxidase, IK: Immunkomplex

Rituximab (Anti-CD20-Antikörper) ● Empfehlungen zu Rituximab:


○ Rituximab ist in USA und Europa zugelassen und er-
● Im Jahr 2010 wurden 2 Studien zu Remissionsinduktion
öffnet mit einem einmaligen 4-wöchigen Zyklus neue
bei MPA und GPA publiziert: Die europäische RITUXVAS-
Möglichkeiten in der Induktionstherapie der AAV, mit
Studie und die die US-amerikanische RAVE-Studie zeig-
einem besonderen Stellenwert bei Rezidiven.
ten eine gleich gute Wirksamkeit wie CP (keine signifi- ○ Rituximab in der Induktionstherapie bietet sich zu-
kanten Unterschiede hinsichtlich Mortalität, Dialyse-
nächst in folgenden Situationen an:
pflichtigkeit, Infektionen oder Malignomen).
– bei Kontraindikationen für CP (z. B. bei bereits ho-
○ RITUXVAS-Protokoll:
her erhaltener CP-Kumulativdosis)
– Rituximab (375 mg/m2) einmal wöchentlich über 4
– bei Patienten, die CP ablehnen (Sorge vor Infertili-
Wochen in Kombination mit ein bis zwei i. v. CP-Boli
tät, Haarausfall, Malignomrisiko, ...)
und orales Prednison in absteigender Dosierung,
– Krankheitsprogress unter CP
eine Erhaltungstherapie wurde nicht durchgeführt.
– rezidivierende Verläufe.
○ RAVE-Protokoll:

– Rituximab (375 mg/m2) über einen Zeitraum von 4


Wochen in Kombination mit einer dreitägigen Me-
thylprednisolon-Pulstherapie und orales Prednison
in absteigender Dosierung.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

CP (i. v. Bolustherapie oder p.o.) + Methylprednisolon-Boli


Prednisolon p.o. und/oder
Remissionsinduktion oder
3 – 6 Monate RTX i. v. + Prednisolon p.o.
+ Plasmapherese?
(Bei zum Zeitpunkt der Drucklegung
unklarer Studienlage nur im Einzelfall
zu diskutieren)

Azathioprin kombiniert mit oralen


Remissionserhaltung Steroiden niedrig dosiert
12 – 24 Monate oder (→ schrittweise Dosisreduktion und
länger (?) ggf. Ausschleichen der Steroide)

IV
refraktär Wechsel auf CP bzw. RTX

Relaps falls Induktion mit CP, Wechsel auf RTX

Osteoporoseprophylaxe bei Steroid-


Therapie
GnRH-Agonisten bei menstruierenden
Begleittherapie Frauen unter CP-Therapie

Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe
mit Co-Trimoxazol bei CP und RTX

Abb. 6.22 Mikroskopische Polyangiitis. Therapie der MPA mit Organbeteiligung und schlechten Prognosekriterien. (?) signalisieren das
Fehlen prospektiver Studien. Dosisangaben der aufgeführten Medikamente ▶ Tab. 6.16. Vorgehen bei häufigen Rezidiven und
Therapieresistenz s. Text. (CP: Cyclophosphamid, RTX: Rituximab, GnRH-Agonist: Gonadotropin-„Releasing“-Hormon-Agonist). (Quelle:
Kimmel M, Kuhlmann U. Remissionsinduktion bei schwer verlaufender generalisierter Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et
al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015)

Tab. 6.16 Anpassung der i. v. CP-Bolus-Therapie bei höherem Al-


ter oder eingeschränkter Nierenfunktion [2].
Alter Anpassung der CP-Dosis Anpassung der CP-Dosis
Praxistipp
Rituximab-Therapie

Z
(Jahre) (pro Bolus in mg/kg KG): (pro Bolus in mg/kg KG):
● Vor Einleitung muss vorliegen: Hepatitisserologie und
Kreatinin < 300 µmol/l Kreatinin 300–500 µmol/l
(< 3,4 mg/dl) (3,4–5,7 mg/dl) ein Quantiferon-Test.
● Bei der Infusionsgabe kann es zu Unverträglichkeits-
< 60 15 12,5
reaktionen kommen.
60–70 12,5 10
● Während/nach den Therapiezyklen
> 70 10 7,5 ○ kann es zu einem Immunglobulinmangel kommen.

Es empfiehlt sich IgG insbesondere bei einem Infekt-


ereignis zu messen, da dann i. v. Immunglobuline ge-
geben werden können.
○ kommen auch Pneumozystis-Infektionen vor, eine

Cotrimoxazol-Prophylaxe wird empfohlen.


● Eine Erholung der B-Zellen (messbar in einer FACS-Ana-

lyse) findet sich frühestens nach 4–6 Monaten.

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6.8 Mikroskopische Polyangiitis

Ausweitung der Basistherapie bei lebens-


bedrohlicher vaskulitischer Organbeteiligung
Merke ●
H
Bei einer Initialtherapie mit CP sollte Rituximab beim Re-
● Bei lebensbedrohlicher vaskulitischer Organbeteiligung
zidiv zum Einsatz kommen.
wie Auftreten eines dialysepflichtigen akuten Nieren-
versagens oder pulmonalen Blutungen empfiehlt sich
eine Intensivierung der Remissionsinduktion:
○ Bewährt hat sich die Gabe von i. v. Methylpredni- Eskalationstherapie: Therapeutische
solon-Boli an 3 aufeinander folgenden Tagen. Alternativen bei Versagen der CP/Steroid-
○ Plasmaaustauch? – bei Drucklegung des Buches ist
oder RTX/Steroid-Therapie zur
die Studienlage zum Stellenwert fraglich.
● Beim Auftreten von Lungenblutungen liegen zur Plas-
Remissionsinduktion
mapherese bei Drucklegung des Buches nur retrospek- ● Nur 4–5 % aller Patienten mit AAV sprechen unzurei-
tive Daten vor. chend auf eine Induktionstherapie (CP/Steroide oder
RTX/Steroid-Therapie) an und zeigen fortbestehende
Krankheitsaktivität.
Behandlung von Rezidiven oder
● Bei schweren Verläufen und Therapieresistenz können
therapierefraktärer AAV folgende nicht evidenzbasierte Empfehlungen aus-
● Auftreten klinischer Krankheitsaktivität mit oder ohne gesprochen werden:
Anstieg der ANCA-Titer wird als Zeichen eines Rezidivs ○ vorübergehende Dosiserhöhung des CP unter Vermei-
6
gewertet (▶ Tab. 6.17). dung eines Leukozytennadirs von < 3,5 GIGA/l,
● Rezidive treten überwiegend innerhalb von 1 Jahr nach ○ additive i. v.-Gabe von Immunglobulinen (2 g/kg KG) als

Beendigung der immunsuppressiven Therapie in Ab- Einmaldosis oder 0,5 g/kg KG/Tag über 4 Tage. (Diese
hängigkeit von den zur Remissionsinduktion verwen- Therapie ist effektiv und hat ein gutes Nebenwirkungs-
deten Medikamenten und der Therapiedauer auf. profil - der Effekt hält aber meist nicht über 3 Monate
● Speziell hohe Rezidivraten finden sich bei an, sodass eine Wiederholung notwendig wird),
○ persistierend nachweisbaren ANCA-Titern, insbeson- ○ Mycophenolat Mofetil (2 g täglich)

dere antiproteinase-3-Antikörpern, ○ experimentelle Ansätze: Infliximab, 15-Deoxysper-

○ ausgeprägter vaskulitischer Lungenbeteiligung, gualin, Anti-Thymozytenglobulin.


○ Beteiligung des oberen Respirationstrakts.

● Tritt ein schweres Rezidiv unter der RET (lebens- Erhaltungstherapie


bedrohliche Erkrankung oder drohender Organverlust)
auf, empfiehlt sich grundsätzlich nach den o. g. Prinzi- ● Nach Erreichen einer stabilen Remission erfolgen die
pen der Initialtherapie zu behandeln, wobei Rituximab Beendigung der Remissionsinduktionstherapie und die
im Rezidiv aufgrund der o. g. Ergebnisse einen besonde- Einleitung einer Remissions-Erhaltungstherapie (RET).
ren Stellenwert hat. ● Ziel dieser Behandlung ist die Vermeidung von Krank-
heitsrezidiven mit Medikamenten geringerer Toxizität.

Tab. 6.17 Kriterien zur Beurteilung des Therapieerfolgs bei ANCA-assoziierter Vaskulitis mit Glomerulonephritis. (Quelle: Kimmel M, Kuhl-
mann U. Nierenbeteiligung bei systemischer Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig über-
arbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.)
Parameter Beschreibung/Definition
Remission ● Stabilisierung oder Besserung der Nierenfunktion (Serumkreatinin), der Hämaturie und der extrarenalen
Manifestationen der systemischen Vaskulitis; eine persistierende Proteinurie wird nicht als Zeichen von
Krankheitsaktivität gewertet
Therapieresistenz ● Zunehmende Nierenfunktionsverschlechterung und ausbleibende Rückbildung eines hoch aktiven
Urinsediments
● Weiterbestehen oder Neuauftreten von extrarenalen Manifestationen der Vaskulitis unter immun-
suppressiver Therapie
Rezidiv: Auftreten eines ● Anstieg des Serumkreatininwertes bei aktivem Urinsediment
der genannten Symptome ● Nekrose und extrakapilläre Proliferation in der Nierenbiopsie
● Hämoptoe oder Zunahme der pulmonalen Befunde (nach Ausschluss einer Infektion)
● aktive Vaskulitis des Respirations- und Gastrointenstinaltraktes, nachgewiesen durch Endoskopie/
Bronchoskopie und Biopsie
● Iritis oder Uveitis
● Neu auftretende Mononeuritis multiplex
● Nekrotisierende Vaskulitis in Gewebebiopsien

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Azathioprin 6.9 Eosinophile Granulomatose


Nach einer Remissions-Induktionstherapie ist Azathio-

prin (AZA) (Dosis 2 mg/kg KG/Tag) kombiniert mit nied-


mit Polyangiitis
rig dosierten Steroiden der Standard in der Remissions- Martin Kimmel
Erhaltungstherapie der MPA.

6.9.1 Steckbrief
Dauer der RET
Die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA)
● Daten zur optimalen Dauer der RET liegen nicht vor.
(ehemals Churg-Strauss) ist eine ANCA-assoziierte Klein-
● Angestrebt wird eine Therapiedauer von 12–24 Mona-
gefäßvaskulitis. Sie führt an den Nieren zu einer intra-
ten, wobei häufig die Steroidgabe bei geringer Krank-
und extrakapillär proliferierenden Vaskulitis, die unter
heitsaktivität vorzeitig beendet werden kann.
dem klinischen Bild einer rapid progressiven Glomerulo-
IV ● Bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko empfiehlt sich
nephritis mit einem dramatischen Verlust der GFR ein-
eine länger dauernde Behandlung mit Azathioprin.
hergehen kann. Die EGPA lässt sich klinisch und laborche-
misch recht gut von der Granulomatose mit Polyangiitis/
6.8.11 Nachsorge Mikroskopischen Polyangiitis abgrenzen. Die Therapie
besteht aus einer Induktionstherapie mit Cyclophospha-
Kontrollen: mid. Nach Erreichen einer stabilen Remission wird eine
● der Nierenfunktion
Erhaltungstherapie mit Azathioprin über mindestens 12–
● des Urin (Sediment, Porteinurie)
24 Monate durchgeführt.
● körperliche Untersuchung

6.9.2 Synonyme
6.8.12 Verlauf und Prognose
● Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (ehemals
● Unbehandelt ist die Prognose der MPA schlecht. Churg-Strauss)
● Bereits die Einführung der kombinierten oralen Steroid- ● EGPA
Cyclophosphamid-(CP-)Behandlung am National Insti- ● Churg-Strauss-Syndrom
tute of Health (NIH) hat die Prognose der betroffenen
Patienten erheblich verbessert.
6.9.3 Definition
6.8.13 Literatur ● Die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA)
ist eine ANCA-assoziierte Vaskulitis (AAV).
[1] Jennette JC, Falk RJ, Bacon PA et al. 2012 revised International Chapel
Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. Arthritis
● Nach der Chapell-Hill-Klassifikation ist sie definiert als
Rheum 2013; 65(1): 1–11 nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittelgro-
[2] Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll- ßen Gefäße mit vorwiegendem Befall der glomerulären
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; und pulmonalen Kapillaren.
2015. doi:10.1055/b-003-124668
● Charakterisiert durch:
○ das Auftreten rezidivierender Asthmaanfälle und/
Weiterführende Literatur
[3] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo- oder einer Rhinitis (Prodromalphase),
nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome- ○ eine intermittierend oder dauernd nachweisbare Eo-

rulonephritis. Kidney Int 2012; 2 : 139–274 sinophilie > 1500/mm3 (eosinophile Phase),
[4] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen. ○ granulomatöse Entzündungsvorgänge im oberen Re-
In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
spirationstrakt ähnlich wie bei GPA,
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
○ eine nekrotisierende Vaskulitis mit einem der GPA
2015
[5] Kimmel M, Kuhlmann U. Remissionsinduktion bei schwer verlaufen- ähnlichen Organbefall (vaskulitische Phase).
der generalisierter Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et
al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte
Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015 6.9.4 Epidemiologie
Die genaue Epidemiologie ist letztlich unklar – aus Asien
liegen Schätzungen mit einer Prävalenz von 17,8/
1000000 vor. Der EGPA-Anteil an den Vaskulitiden be-
trägt ca. 10 %. Das durchschnittliche Alter bei Diagnosstel-
lung beträgt 40 Jahre.

302 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Azathioprin 6.9 Eosinophile Granulomatose


Nach einer Remissions-Induktionstherapie ist Azathio-

prin (AZA) (Dosis 2 mg/kg KG/Tag) kombiniert mit nied-


mit Polyangiitis
rig dosierten Steroiden der Standard in der Remissions- Martin Kimmel
Erhaltungstherapie der MPA.

6.9.1 Steckbrief
Dauer der RET
Die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA)
● Daten zur optimalen Dauer der RET liegen nicht vor.
(ehemals Churg-Strauss) ist eine ANCA-assoziierte Klein-
● Angestrebt wird eine Therapiedauer von 12–24 Mona-
gefäßvaskulitis. Sie führt an den Nieren zu einer intra-
ten, wobei häufig die Steroidgabe bei geringer Krank-
und extrakapillär proliferierenden Vaskulitis, die unter
heitsaktivität vorzeitig beendet werden kann.
dem klinischen Bild einer rapid progressiven Glomerulo-
IV ● Bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko empfiehlt sich
nephritis mit einem dramatischen Verlust der GFR ein-
eine länger dauernde Behandlung mit Azathioprin.
hergehen kann. Die EGPA lässt sich klinisch und laborche-
misch recht gut von der Granulomatose mit Polyangiitis/
6.8.11 Nachsorge Mikroskopischen Polyangiitis abgrenzen. Die Therapie
besteht aus einer Induktionstherapie mit Cyclophospha-
Kontrollen: mid. Nach Erreichen einer stabilen Remission wird eine
● der Nierenfunktion
Erhaltungstherapie mit Azathioprin über mindestens 12–
● des Urin (Sediment, Porteinurie)
24 Monate durchgeführt.
● körperliche Untersuchung

6.9.2 Synonyme
6.8.12 Verlauf und Prognose
● Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (ehemals
● Unbehandelt ist die Prognose der MPA schlecht. Churg-Strauss)
● Bereits die Einführung der kombinierten oralen Steroid- ● EGPA
Cyclophosphamid-(CP-)Behandlung am National Insti- ● Churg-Strauss-Syndrom
tute of Health (NIH) hat die Prognose der betroffenen
Patienten erheblich verbessert.
6.9.3 Definition
6.8.13 Literatur ● Die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA)
ist eine ANCA-assoziierte Vaskulitis (AAV).
[1] Jennette JC, Falk RJ, Bacon PA et al. 2012 revised International Chapel
Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. Arthritis
● Nach der Chapell-Hill-Klassifikation ist sie definiert als
Rheum 2013; 65(1): 1–11 nekrotisierende Vaskulitis der kleinen und mittelgro-
[2] Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll- ßen Gefäße mit vorwiegendem Befall der glomerulären
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; und pulmonalen Kapillaren.
2015. doi:10.1055/b-003-124668
● Charakterisiert durch:
○ das Auftreten rezidivierender Asthmaanfälle und/
Weiterführende Literatur
[3] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo- oder einer Rhinitis (Prodromalphase),
nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome- ○ eine intermittierend oder dauernd nachweisbare Eo-

rulonephritis. Kidney Int 2012; 2 : 139–274 sinophilie > 1500/mm3 (eosinophile Phase),
[4] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen. ○ granulomatöse Entzündungsvorgänge im oberen Re-
In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
spirationstrakt ähnlich wie bei GPA,
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
○ eine nekrotisierende Vaskulitis mit einem der GPA
2015
[5] Kimmel M, Kuhlmann U. Remissionsinduktion bei schwer verlaufen- ähnlichen Organbefall (vaskulitische Phase).
der generalisierter Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et
al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte
Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015 6.9.4 Epidemiologie
Die genaue Epidemiologie ist letztlich unklar – aus Asien
liegen Schätzungen mit einer Prävalenz von 17,8/
1000000 vor. Der EGPA-Anteil an den Vaskulitiden be-
trägt ca. 10 %. Das durchschnittliche Alter bei Diagnosstel-
lung beträgt 40 Jahre.

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6.9 Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis

6.9.5 Ätiologie und Pathogenese – asymmetrische Polyneuropathie,


– flüchtige pulmonale Verschattungen,
● Ein entzündlich-obstruierender Gefäßprozess führt zu – Erkrankungen der Nasennebenhöhlen,
○ Blutungen in das Gewebe (Hämoptoe, Hämaturie,
– bioptischer Nachweis paravasaler eosinophiler Ge-
Purpura) und websinfiltration.
○ ischämisch-nekrotische Organschäden. ● Das mittlere Alter bei Erstdiagnose liegt bei 40 Jahren.
● Bedrohliche Nierenbeteiligung in Form einer nekroti- ● Eine renale Mitbeteiligung, die nicht in die ACR-Krite-
sierenden intra- und extrakapillär proliferativen GN. rien eingeht, tritt bei ca. 22 % der Patienten mit EGPA
auf.
6.9.6 Klassifikation
● Die Einteilung der Vaskulitiden erfolgt nach ätiologi-
schen, morphologischen und immunologischen Krite-
Merke ●
H
Renale Symptome liefern die klassische Indikation zur
rien. Nierenbiopsie, bei der sich häufig eine nekrotisierende in-
● Die Vaskulitiden wurden in den Chapel-Hill-Consensus- tra- und extrakapilläre GN mit halbmondförmigen Kap-
Konferenzen weiter definiert nach (▶ Abb. 6.23) selproliferaten ohne immunhistologisch nachweisbare
○ Größe der betroffenen Gefäße,
Immunglobulinablagerungen (pauci-immune GN) zeigt.
○ Vorhandensein oder Fehlen einer granulomatösen

Entzündung,
○ klinischen Besonderheiten (z. B. bevorzugter Organ- ● Das gleichzeitige oder zeitlich versetzte Auftreten einer 6
befall), RPGN mit Lungenblutungen wird als pulmorenales Syn-
○ Vorhandensein von ANCA‘s.
drom bezeichnet. Dieses schwer verlaufende Krank-
heitsbild wird zu ca. 50 % durch ANCA-assoziierte Klein-
gefäßvaskulitis verursacht.
6.9.7 Klinik ● ANCA-assoziierte Symptome:
● Vaskulitiden der kleinen Gefäße führten zu schwer ver- ○ ANCA-positive Patienten entwickeln gehäuft eine GN
laufender nekrotisierender intra- und extrakapillär und periphere Neuropathie,
proliferativer GN, die unter dem klinischen Bild einer ○ ANCA-negative Patienten zeigen häufiger einen fie-
rasch progredienten GN (RPGN) mit einem dramati- berhaften Krankheitsverlauf mit Herzbeteiligung.
schen Verlust der glomerulären Filtrationsrate einher- ● Granulomatöse destruierende entzündliche Organschä-
gehen kann. den, die sich bevorzugt im oberen Respirationstrakt
● Dies ist zu erkennen am Auftreten entwickeln (blutiger Schnupfen, rezidivierende Sinusi-
○ einer Proteinurie und tis, Otitis).
○ eines aktiven Sediments mit dysmorphen Erythrozy- ● Bei Auftreten einer vaskulitischen Generalisationspha-
ten und Erythrozytenzylindern. se ändert sich das Krankheitsbild: Das Krankheitsbild
● Je nach Aktivität und Ausdehnung der Vaskulitis vari- bestimmen dann:
iert das klinische Bild vom harmlosen Hautbefall bis hin ○ schwere Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichts-
zu lebensbedrohlichen Funktionsstörungen verschiede- verlust, Arthralgien und Myalgien und
ner Organe (▶ Tab. 6.18). ○ Zeichen der vaskulitischen Organbeteiligung an Lun-
● Die EGPA ist charakterisiert durch: gen (Infiltrate, Hämoptoe), Nieren (nekrotisierende
○ das Auftreten rezidivierender Asthmaanfälle und/ und proliferative GN), Haut (Purpura) und weiteren
oder einer Rhinitis (Prodromalphase), Organen.
○ eine intermittierend oder dauernd nachweisbare Eo- ● Klassisch ist die Entwicklung eines pulmorenalen Syn-
sinophilie > 1500/mm3 (eosinophile Phase), droms mit Hämoptoe und rasch progredienten GN.
○ granulomatöse Entzündungsvorgänge im oberen Re- ● 2 Scores zur Erfassung der klinischen Aktivität der AAV
spirationstrakt ähnlich wie bei WG, und des Ausmaßes an nicht reversiblen Vaskulitis-Schä-
○ eine nekrotisierende Vaskulitis mit einem der GPA digungen (zu empfehlen sind Online-Versionen):
ähnlichen Organbefall (vaskulitische Phase). ○ BVAS („Birmingham Vaskulitis Aktivitäts Score“): er-
● Diagnosekriterien. fasst die aktive Erkrankung und
○ Das American College of Rheumatology (ACR) nennt 6 ○ VDI („Vaskulitis Damage Index“): erfasst irreversible
Symptome und Befunde. Schädigungen.
○ Das Vorliegen von 4 Kriterien ermöglicht die Diagnose

einer EGPA mit einer Sensitivität von 85 % und einer


Spezifität von 99,7 %:
– Asthma,
– Eosinophilie > 10 % im Differenzialblutbild,

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IV

304
Aorta Nierenarterie A. interlobularis

A. arcuata A. lobularis

Thieme; 2015.)
Arteriole

Glomerulus

Vaskulitis der Vaskulitis der Vaskulitis der


großen Gefäße mittelgroßen Gefäße kleinen Gefäße
Erkrankungen mit Befall der Glomerula

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nekrotisierende Arteriitis ohne
granulomatöse Arteriitis granulomatöse Arteriitis nekrotisierende Arteriitis
mukokutanes Lymphknoten-
bei Patienten > 50 Jahre bei Patienten < 50 Jahre mit MCLN-Syndrom
syndrom (MCLN)

Kawasaki-
Riesenzellarteriitis* Takayasu-Arteriitis* Polyarteriitis nodosa* Erkrankung*

ANCA-assoziierte Vaskulitiden (immunhistologisch kein Nachweis


Immunkomplexvaskulitis
von Immunkomplexen: „Pauci-immune“-Vaskulitis)

andere Ursachen für primäre und sekundäre IgA1-Immun- SLE oder rheumatoide kein Asthma, Granulome, Eosinophilie,

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Immunkomplexvaskulitis Kryoglobulinämie ablagerungen Arthritis keine Granulome aber kein Asthma Asthma und Granulome

Immunkomplex- eosinophile
Purpura Schoenlein- mikroskopische Granulomatose mit Granulomatose mit
vaskulitiden kryoglobulinämische Vaskulitis bei SLE oder
Henoch Polyangiitis* Polyangiitis Polyangiitis
unterschiedlicher Vaskulitis rheumatoider Arthritis
Genese
(IgA-Vaskulitis)* (MPA) (Wegener) (GPA)* (Churg-Strauss)
(EGPA)*

Kuhlmann U. Klassifikation der systemischen Vaskulitiden. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6. Auflage.
Abb. 6.23 Vaskulitiden. Einteilung der Vaskulitiden nach Größe des Gefäßbefalls unter Berücksichtigung der Chapel-Hill-Consensus-
Conference und serologisch-immunologischer Messgrößen. Die primären Vaskulitiden sind mit (*) gekennzeichnet. (Quelle: Kimmel M,

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6.9 Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis

Tab. 6.18 Klinische Besonderheiten der Eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (Churg-Strauss). (Quelle: Alscher M, Böhler J, Kuhl-
mann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.)
Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (Churg-Strauss)
Klassische Histologie (Haut, Nase, Nasen- Eosinophile Vaskulitis und Granulome mit eosinophiler Nekrose
nebenhöhlen, Lungen)
Histologie Nieren Segmentale nekrotisierende proliferative GN
Organbefall von Ohren, Nase, Trachea Allergische Rhinitis
Bildung von Polypen
Seröse Otitis/granulomatöse Mittelohrinfiltration mit Hörverlust/-verschlechterung
Haut Palpable Purpura
Augen Selten Skleritis, Episkleritis, Uveitis
Lungen Rezidivierendes Asthma bronchiale
Wechselnde Infiltrate
Alveoläre Blutungen mit Hämoptoe
Nieren s. oben
Herz Herzinsuffizienz, Perikarditis, Rhythmusstörungen
Periphere Nerven Asymmetrische Polyneuropathie
Gastrointestinaltrakt Kolitis/Darmischämie
Gastrointestinale Blutungen
6

Allgemeinsymptome Abb. 6.24 Eosinophile Granulomatose mit


Asthma- Zeichen vaskulitischer
(z.B. Fieber, Gewichtsabnahme, Polyangiitis. Diagnostisches Vorgehen bei
anamnese Organbeteiligung
Arthralgien, Myalgien) renaler Beteiligung bei eosinophiler Granu-
lomatose mit Polyangiitis (GN = Glomerulo-
nephritis).
an Vaskulitis denken

Vaskulitisdiagnose sichern

Labor: Nierenbiopsie:
• ANCA-Diagnostik (gel. • Pauci-immune nekrotisierende intra- und
anti-MPO-AK pos. bzw. pANCA pos.) + extrakapillär proliferative GN
• häufig Eosinophilie + IgE-Erhöhung • ggf. Nachweis granulomatöser Entzündung

differenzialdiagnostische Abgrenzung der anderen Vaskulitiden

renale Beteiligung bei eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis

6.9.8 Diagnostik ● gezielte Erhebung der in ▶ Tab. 6.14 genannten Mani-


festationen
Diagnostisches Vorgehen
● Wichtig sind weiterführende laborchemische, radio- Körperliche Untersuchung
logische und bioptische Untersuchungen (▶ Abb. 6.24)
Komplette Ganzkörperuntersuchung unter Beachtung der
○ zum Nachweis von c- oder p-ANCA (Pr3- oder MPO-
in ▶ Tab. 6.18 genannten Manifestationen.
Antikörper),
○ zur histologischen Sicherung der Diagnose durch

Haut-/Organbiopsie. Labor
● Nachweis antineutrophiler zytoplasmatischer Antikör-
Anamnese per (ANCA) bei klinischem Verdacht einer eosinophilen
Granulomatose mit Polyangiitis.
● Asthmaanamnese?
● gründliche komplette Anamnese

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

● Im indirekten Immunfluoreszenztest (IIF) werden 2 ● ANCA-Sensitivität bei eosinophiler Granulomatose mit


Formen unterschieden: Polyangiitis:
○ p-ANCA stellen sich in der indirekten Immunfluores- ○ Ein ANCA-Nachweis gelingt nur bei ca. 50 % der Pa-

zenz perinukleär dar: tienten mit EGPA (▶ Tab. 6.19).


– p-ANCA sind deutlich unspezifischer als c-ANCA, da ○ 50 % der Patienten mit EGPA sind ANCA-negativ.

sie mit verschiedenen zellulären Zielantigenen rea- ● Nachweis einer Eosinophilie.


gieren. ● IgE-Erhöhung.
– Bei EGPA sind v. a. MPO-Antikörper nachweisbar
(40 % der Patienten).
○ c-ANCA zeigen eine granuläre zytoplasmatische An-
6.9.9 Differenzialdiagnosen
färbung: ● Zur Differenzialdiagnose der Vaskulitiden der kleinen
– c-ANCA sind gegen Granulozyten-Proteinase-3 Gefäße ▶ Tab. 6.20.
IV (Pr3) gerichtete Antikörper und bei etwa 10 % der
Patienten nachweisbar.

Tab. 6.19 ANCA-Sensitivität bei Granulomatose mit Polyangiitis.


Erkrankung Proteinase-3-(Pr3-)Antikörper PMyeloperoxidase-(MPO-) PANCA negativ
Antikörper
Lokalisierte Granulomatose mit Polyangiitis 50 % 10 % 40 %
Generalisierte Granulomatose mit Polyangiitis 75 % 15 % 10 %

Tab. 6.20 Differenzialdiagnose der Vaskulitiden der kleinen Gefäße. (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei systemischer
Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart:
Thieme; 2015.)
Parameter ANCA-assoziierte Vaskulitiden Immunkomplex-bedingte Vaskulitiden
GPA MPA EGPA PSH KV
Klinische Besonderheiten
Vaskulitische Allgemeinsymptome + + + + +
Granulomatöse Entzündung im oberen Respirationstrakt + – + – –
Augensymptome (Skleritis, Episkleritis, Konjunktivitis) + (+) (+) – –
Rezidivierendes Asthma bronchiale – – + – –
Pulmorenales Syndrom bei schwerem Verlauf möglich + + (+) – (+)
Hautsymptome (Purpura, Nekrosen) + + + + +
Gastrointestinale Symptome (+) (+) (+) + (+)
Labordiagnostik
ANCA-Nachweis 80–90 % 70 % 40–60 % – –
Pr3-Antikörper ca. 75 % ca. 10 % ca. 10 % – –
MPO-Antikörper ca. 15 % ca. 60 % ca. 40 % – –
Eosinophilie – – + – –
Komplementverbrauch – – – – +
Histologie/Immunhistologie
Leukozytoklastische Vaskulitis + + + + +
Granulomatöse Entzündung + – + – –
Eosinophile granulomatöse Entzündung – – + – –
Histologie Nieren
Lichtmikroskopie Nekrotisierende intra-und extraka- Mesangioprolife- Membranoprolife-
pilläre proliferative GN rative GN rative GN
Immunhistologie Pauci-immune GN ohne Immun- IK-Ablagerungen IK-Ablagerungen
komplex-Ablagerungen (IgA)
GPA: Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener‘s), MPA: mikroskopische Polyangiitis, EGPA: Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
(Churg-Strauss), PSH: Purpura Schoenlein-Henoch (IgA-Vaskulitis), KV: kryoglobulinämische Vaskulitis, ANCA: antineutrophile
zytoplasmatische Antikörper, PR-3: Proteinase-3, MPO: Myeloperoxidase, IK: Immunkomplex

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6.9 Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis

CP (i. v. Bolustherapie oder p.o.) + Methylprednisolon-Boli


Prednisolon p.o. und/oder
Remissionsinduktion
3 – 6 Monate + Plasmapherese?
(Bei zum Zeitpunkt der Drucklegung
unklarer Studienlage nur im Einzelfall
zu diskutieren)

Azathioprin kombiniert mit oralen


Remissionserhaltung Steroiden niedrig dosiert
12 – 18 Monate oder (→ schrittweise Dosisreduktion und
länger (?) ggf. Ausschleichen der Steroide)

Osteoporoseprophylaxe bei Steroid-


Therapie
GnRH-Agonisten bei menstruierenden
Begleittherapie Frauen unter CP-Therapie

Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe
mit Co-Trimoxazol bei CP
6
Abb. 6.25 EGPA. Therapeutisches Vorgehen bei EGPA mit Organbeteiligung und schlechten Prognosekriterien. (?) signalisieren das
Fehlen prospektiver Studien (CP: Cyclophosphamid, GnRH-Agonist: Gonadotropin-„Releasing“-Hormon-Agonist). (Verändert nach
Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U. Remissionsinduktion bei schwer verlaufender generalisierter Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J,
Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Thieme; 2015)

6.9.10 Therapie Induktionstherapie


Therapeutisches Vorgehen Cyclophosphamid
● Eine schwer verlaufende generalisierte Vaskulitis ist
prognostisch ungünstig und definiert durch:
○ renale Beteiligung mit Niereninsuffizienz,
Merke
Die Bevorzugung von Cyclophosphamid-Boli im Vergleich

H
○ vaskulitischen Befall eines oder mehrerer anderer Or-
zu einer oralen Cyclophosphamidtherapie beruht auf den
gane, Ergebnissen der CYCLOPS-Studie. Bei geringerer Kumula-
○ Nachweis von ANCA.
tivdosis führt die i. v.-CP-Bolustherapie im Vergleich zur
● Bei renaler/generalisierter Vaskulitis erfolgt die Remis- oralen CP-Therapie zu:
sionsinduktion mit Cyclophophamid und oralen Steroi- ● identischen Remissionsraten,
den (insbesondere bei schwerem Krankheitsverlauf) ● identischer Mortalität,
(▶ Abb. 6.25). ● weniger infektiösen Komplikationen,
● Diese Basistherapie wird ggf. ergänzt um: ● einer erhöhten Rate von Vaskulitisrezidiven.
○ i. v. Methylprednisolon-Boli

○ Stellenwert der Plasmapherese bei rasch progredien-

ter GN oder akutem dialysepflichtigem Nierenver- ● CYCLOPS-Protokoll:


sagen und/oder pulmonalen Blutungen zum Zeit- ○ Cyclophosphamid-Boli von i. v. 15 mg/kg KG (maximal
punkt der Drucklegung des Buches unklar – Zurück- 1,2 g) (alternativ auch p. o. 5 mg/kg KG über 3 Tage).
haltung empfohlen, Einzelfallentscheidung. ○ Die ersten 3 Gaben erfolgen in 2-wöchigem Abstand,

dann in 3-wöchigen Intervallen bis zur Remissionsin-


duktion (BVAS-Score = 0).
○ Danach Fortsetzung über 3 weitere Monate (ins-

gesamt minimal 6 Monate, maximal 12 Monate).


○ Dosisanpassung bei höherem Alter und eingeschränk-

ter Nierenfunktion ▶ Tab. 6.21.


○ Zusätzlich werden oral Steroide in absteigender Do-

sierung verabreicht.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Tab. 6.21 Anpassung der i. v. CP-Bolus-Therapie bei höherem Al- ● Rezidive treten überwiegend innerhalb eines Jahres
ter oder eingeschränkter Nierenfunktion (Quelle: Kimmel M, nach Beendigung der immunsuppressiven Therapie in
Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei systemischer Vaskulitis. In: Al- Abhängigkeit von den zur Remissionsinduktion ver-
scher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll- wendeten Medikamenten und der Therapiedauer auf.
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015.).
Alter Anpassung der CP-Dosis Anpassung der CP-Dosis Erhaltungstherapie
(Jahre) (pro Bolus in mg/kg KG): (pro Bolus in mg/kg KG): ● Nach Erreichen einer stabilen Remission erfolgen die
Kreatinin < 300 µmol/l Kreatinin 300–500 µmol/l
Beendigung der Remissionsinduktionstherapie und die
(< 3,4 mg/dl) (3,4–5,7 mg/dl)
Einleitung einer Remissions-Erhaltungstherapie (RET).
< 60 15 12,5 ● Ziel dieser Behandlung ist die Vermeidung von Krank-
60–70 12,5 10 heitsrezidiven mit Medikamenten geringerer Toxizität.
> 70 10 7,5
IV
Azathioprin
○ 3 Monate nach Eintreten einer Remission (BVAS-
Score = 0) erfolgte eine Umstellung auf eine Erhal-
tungstherapie mit Azathioprin und Prednison.
Merke ●
H


Z
Nach einer Remissionsinduktionstherapie mit CP ist Aza-
thioprin (AZA) (Dosis von 2 mg/kg KG/Tag) kombiniert
Praxistipp mit niedrig dosierten Steroiden der Standard in der RET
der EGPA.
Bei anhaltender Dialysepflichtigkeit ohne extrarenale
Manifestation schlägt die KDIGO-Leitlinie von 2012 vor
Cyclophosphamid nach 3 Monaten abzusetzen.
Dauer der RET
● Daten zur optimalen Dauer der RET liegen nicht vor.
Ausweitung der Basistherapie bei lebens- ● Angestrebt wird eine Therapiedauer von mindestens
bedrohlicher vaskulitischer Organbeteiligung 12–18 Monaten, wobei häufig die Steroidgabe bei ge-
ringer Krankheitsaktivität vorzeitig beendet werden
● Bei lebensbedrohlicher vaskulitischer Organbeteiligung
kann.
wie Auftreten eines dialysepflichtigen akuten Nieren- ● Bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko empfiehlt sich
versagens oder pulmonalen Blutungen empfiehlt sich
eine länger dauernde Behandlung mit Azathioprin.
eine Intensivierung der Remissionsinduktion:
○ Bewährt hat sich die Gabe von i. v. Methylpredni-

solon-Boli an 3 aufeinander folgenden Tagen. 6.9.11 Verlauf und Prognose


○ Plasmaaustausch? – bei Drucklegung des Buches ist
Die Prognose der EGPA hat sich durch den Einsatz von
die Studienlage zum Stellenwert fraglich
Steroiden und ggf. einer erweiterten immunsuppressiven
● Beim Auftreten von Lungenblutungen liegen zur Plas-
Therapie (je nach Schweregrad) verbessert, so daß die 5-
mapherese bei Drucklegung des Buches nur retrospek-
Jahresüberlebensrate bei 70–90 % liegt.
tive Daten vor.

Alternative Therapie zur Remissionsinduktion 6.9.12 Literatur


[1] Jennette JC, Falk RJ, Bacon PA et al. 2012 revised International Chapel
● Methotrexat (MTX) in einer Dosis von 0,3 mg/kg KG
Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. Arthritis
einmal/Woche kann als remissionserhaltende Therapie Rheum 2013; 65(1): 1–11
bei eher milde verlaufender EGPA ohne bedrohliche Or- [2] Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Glomerulo-
ganbeteiligung eingesetzt werden. nephritis Work Group. KDIGO Clinical Practice Guideline for Glome-
● Da MTX renal eliminiert wird, ist die Gabe dieses Medi- rulonephritis. Kidney Int 2012; 2: 139–274
[3] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen.
kaments nur bei normaler Nierenfunktion zu empfeh-
In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
len. ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015: 136–235
[4] Kimmel M, Kuhlmann U. Remissionsinduktion bei schwer verlaufen-
Behandlung von Rezidiven oder der generalisierter Vaskulitis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et
therapierefraktärer AAV al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte
Auflage. Thieme; 2015
● Auftreten klinischer Krankheitsaktivität mit oder ohne
Anstieg der ANCA-Titer wird als Zeichen eines Rezidivs
gewertet.

308 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.10 Glomeruläre Beteiligung

6.10 Glomeruläre Beteiligung 6.10.3 Synonyme


bei Systemischem Lupus ● Glomeruläre Beteiligung bei systemischem Lupus ery-
thematodes,
erythematodes ● Glomerulonephritis bei systemischem Lupus erythema-
todes,
Martin Kimmel
● Lupusnephritis.

6.10.1 Steckbrief 6.10.4 Definition


Die Pathogenese des Systemischen Lupus erythematodes
● Beim SLE handelt es sich um eine ätiologisch unklare
(SLE) umfasst eine Vielzahl an verschiedenen Faktoren
Systemerkrankung.
(genetische, immunregulatorische, hormonelle, epigene-
● Der SLE ist gekennzeichnet durch
tische und Umweltfaktoren). Eine häufige Komplikation
○ Entzündungsvorgänge in verschiedenen Organen
des SLE ist die Lupusnephritis, bei der sich nierenbiop-
(u. a. renal im Sinne einer Glomerulonephritis) und
tisch eine Immunkomplexnephritis mit Nachweis eines
○ das Auftreten zahlreicher Autoantikörper.
„full-house patterns“ (Positivität für IgG, IgM, C 3, C 4 und
C 1q) findet. Basierend auf der ISN/RPS-Klassifikation er-
folgt eine immunsuppressive Therapie der proliferativen 6.10.5 Epidemiologie
Formen (Klasse III und IV) mit einer Induktionstherapie
● Die Erkrankung trifft überwiegend Frauen zwischen 6
(Cyclophosphamid i. v.-Boli oder Mycophenolat Mofetil)
dem 20. und 40. Lebensjahr, das Auftreten ist jedoch in
und einer Erhaltungstherapie (Mycophenolat Mofetil
jedem Lebensalter möglich.
oder Azathioprin).

6.10.2 Aktuelles 6.10.6 Ätiologie und Pathogenese


● Die vermutete, multifaktorielle Pathogenese ist in
● Aufgrund von Schwächen der ACR-Kriterien wurde
▶ Abb. 6.26 dargestellt.
2012 von der „Systemic Lupus International Collabora-
● Die entzündlichen Organschäden wie Arthritis, Glome-
ting Clinics“ die neuere SLICC Klassifikation vorgeschla-
rulonephritis, Polyserositis und Vaskulitis werden a.e.
gen und validiert.
durch Ablagerung zirkulierender Immunkomplexe
● Diese Kriterien erlauben die Diagnose eines SLE bei al-
(DNA ↔ anti-DNA) oder In-situ-Bildung von Immun-
leinigem Vorliegen einer bioptisch gesicherten Lupus-
komplexen hervorgerufen.
nephritis (s. unten).

Umwelt- Immun- Abb. 6.26 Systemischer Lupus erythema-


Genetik Hormone Epigenetik todes. Vermutete, multifaktorielle Pathoge-
faktoren regulation
nese (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U.
Definition und Pathogenese. In: Alscher M,
Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephro-
logie. 6., vollständig überarbeitete und
erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015.).
Immun- Antikörper
komplexe

T-Zellen
Zytokine

Nieren- und andere


Organschädigungen

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6.10 Glomeruläre Beteiligung

6.10 Glomeruläre Beteiligung 6.10.3 Synonyme


bei Systemischem Lupus ● Glomeruläre Beteiligung bei systemischem Lupus ery-
thematodes,
erythematodes ● Glomerulonephritis bei systemischem Lupus erythema-
todes,
Martin Kimmel
● Lupusnephritis.

6.10.1 Steckbrief 6.10.4 Definition


Die Pathogenese des Systemischen Lupus erythematodes
● Beim SLE handelt es sich um eine ätiologisch unklare
(SLE) umfasst eine Vielzahl an verschiedenen Faktoren
Systemerkrankung.
(genetische, immunregulatorische, hormonelle, epigene-
● Der SLE ist gekennzeichnet durch
tische und Umweltfaktoren). Eine häufige Komplikation
○ Entzündungsvorgänge in verschiedenen Organen
des SLE ist die Lupusnephritis, bei der sich nierenbiop-
(u. a. renal im Sinne einer Glomerulonephritis) und
tisch eine Immunkomplexnephritis mit Nachweis eines
○ das Auftreten zahlreicher Autoantikörper.
„full-house patterns“ (Positivität für IgG, IgM, C 3, C 4 und
C 1q) findet. Basierend auf der ISN/RPS-Klassifikation er-
folgt eine immunsuppressive Therapie der proliferativen 6.10.5 Epidemiologie
Formen (Klasse III und IV) mit einer Induktionstherapie
● Die Erkrankung trifft überwiegend Frauen zwischen 6
(Cyclophosphamid i. v.-Boli oder Mycophenolat Mofetil)
dem 20. und 40. Lebensjahr, das Auftreten ist jedoch in
und einer Erhaltungstherapie (Mycophenolat Mofetil
jedem Lebensalter möglich.
oder Azathioprin).

6.10.2 Aktuelles 6.10.6 Ätiologie und Pathogenese


● Die vermutete, multifaktorielle Pathogenese ist in
● Aufgrund von Schwächen der ACR-Kriterien wurde
▶ Abb. 6.26 dargestellt.
2012 von der „Systemic Lupus International Collabora-
● Die entzündlichen Organschäden wie Arthritis, Glome-
ting Clinics“ die neuere SLICC Klassifikation vorgeschla-
rulonephritis, Polyserositis und Vaskulitis werden a.e.
gen und validiert.
durch Ablagerung zirkulierender Immunkomplexe
● Diese Kriterien erlauben die Diagnose eines SLE bei al-
(DNA ↔ anti-DNA) oder In-situ-Bildung von Immun-
leinigem Vorliegen einer bioptisch gesicherten Lupus-
komplexen hervorgerufen.
nephritis (s. unten).

Umwelt- Immun- Abb. 6.26 Systemischer Lupus erythema-


Genetik Hormone Epigenetik todes. Vermutete, multifaktorielle Pathoge-
faktoren regulation
nese (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U.
Definition und Pathogenese. In: Alscher M,
Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephro-
logie. 6., vollständig überarbeitete und
erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015.).
Immun- Antikörper
komplexe

T-Zellen
Zytokine

Nieren- und andere


Organschädigungen

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.10.7 Klassifikation Lupusnephritis


Systemischer Lupus erythematodes ● Klassifikation ▶ Tab. 6.22.

● Die Symptome des systemischen Lupus erythematodes


werden klassischerweise mit den ACR-Kriterien (Ame- 6.10.8 Klinik
rican College of Rheumatology) erfasst.
Systemischer Lupus erythematodes
● Revidierte Kriterien der American College of Rheuma-
tology (ACR): ● Schmetterlingsexanthem im Gesicht,
○ SLE kann diagnostiziert werden, wenn 4 oder mehr ● diskoider Lupus,
der 11 ACR-Kriterien während der Verlaufsbeobach- ● Fotosensitivität,
tung gleichzeitig oder nacheinander auftreten: ● Ulzeration der Mund- und Nasenschleimhaut,
– Schmetterlingsexanthem im Gesicht, ● Arthritis,
IV – diskoider Lupus, ● Serositis,
– Fotosensitivität, ● Nierenbeteiligung,
– Ulzeration der Mund- und Nasenschleimhaut, ● neurologische Symptome,
– Arthritis, ● hämatologische Veränderungen (hämolytische Anämie
– Serositis, mit Retikulozytose, Leukozytopenie, Thrombozytope-
– Nierenbeteiligung, nie),
– neurologische Symptome, ● immunologische Veränderungen (positiver LE-Zell-
– hämatologische Veränderungen (hämolytische Anä- Nachweis, Anti-Sm-AK, abnorme Titer von Anti-ds-
mie mit Retikulozytose, Leukozytopenie, Thrombo- DNA),
zytopenie), ● antinukleäre Antikörper.
– immunologische Veränderungen (positiver LE-Zell-
Nachweis, Anti-Sm-AK, abnorme Titer von Anti-ds- Lupusnephritis
DNA),
– antinukleäre Antikörper.
● Typische Immunkomplex-Nephritis mit vielfältigen glo-
● Die neuere SLICC-Klassifikation (Systemic Lupus Inter- merulären Läsionen und variablen klinischen und la-
national Collaborating Clinics-Klassifikation) umfasst borchemischen Zeichen:
○ Asymptomatische Hämaturie und/oder Proteinurie,
17 Kriterien:
○ akutes nephritisches Syndrom,
○ 11 klinische:
○ nephrotisches Syndrom,
– akute Hautbeteiligung,
○ rasch progrediente Glomerulonephritis,
– chronische Hautbeteiligung,
○ chronische Niereninsuffizienz,
– Haarausfall,
○ renal-parenchymatöse Hypertonie.
– orale oder nasale Ulzera,
– Gelenkbeteiligung,
● Es können alle klinischen Syndrome der Glomerulo-
– Serositis, pathien auftreten.
– renale Beteiligung,
● Nur in seltenen Fällen ist die Glomerulonephritis ein-
ziges Zeichen des SLE.


– neurologische Beteiligung,
– hämolytische Anämie,
– Leukopenie oder Lymphopenie, Cave
G
– Thrombopenie.
○ 6 immunologische: Treten die o. g. angegebenen Zeichen der Nierenmit-
– ANA, beteiligung der SLE auf, ist eine Nierenbiopsie zur Siche-
– anti-ds-DNA-Ak, rung der Diagnose und histologischen Klassifikation der
– anti-Sm-Ak, Lupusnephritis indiziert, da laborchemische und serologi-
– anti-Phospholipid-Ak, sche Messgrößen (Kreatininwert, GFR, ANA-Titer und
– Komplementfaktoren, Komplementfaktoren) und auch die Urindiagnostik nur
– direkter Coombs-Test. begrenzt Rückschlüsse auf die zugrunde liegende His-


tologie erlauben.

Merke
H
Es gibt mehrere Klassifikationssysteme für den SLE. Kli-
nisch breit etabliert sind die ACR-Kriterien. Die neueren
SLICC-Kriterien erlauben die Diagnose eines SLE bei allei-
nigem Vorliegen einer bioptisch gesicherten Lupus-
Nephritis.

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6.10 Glomeruläre Beteiligung

Tab. 6.22 Morphologische Klassifikation der Lupusnephritis nach der International Society of Nephrology (ISN) von 2003 und mögliche
klinische Manifestationen [7], [8].
ISN-Klasse Glomeruläre Läsionen Mögliche klinische Manifestationen
I Minimale mesangiale Lupusnephritis Mikrohämaturie ± Proteinurie
- Normale Lichtmikroskopie
- Immunhistologie: mesangiale Immunkomplexablagerungen
II Mesangial proliferative Glomerulonephritis Mikrohämaturie ± Proteinurie
- Lichtmikroskopisch mesangiale Hyperzellularität
- Immunhistologie/Elektronenmikroskopie: mesangiale und ggf. geringe
subepitheliale oder subendotheliale Immunkomplexablagerungen
III Fokal proliferative Lupusnephritis Nephritisches Sediment
- Befall < 50 % der Glomeruli Variable Proteinurie
- Fokal segmentale Glomerulonephritis GFR-Verminderung möglich
- Subendotheliale Immunkomplexablagerungen
- Subgruppen (A, A/C und C)*
IV Diffus proliferative Lupusnephritis Nephritisches Sediment
- Proliferative Veränderungen > 50 % der Glomeruli Variable Proteinurie
- Subklassen (A, A/C und C)* GFR-Verminderung möglich
- Segmental oder global
V Membranöse Lupusnephritis Asymptomatische Proteinurie
- Subepitheliale Immunkomplexablagerungen Nephrotisches Syndrom 6
- Kann in Kombination mit ISN-Klasse III oder IV auftreten GFR-Verminderung im Langzeitverlauf
VI Fortgeschrittene sklerosierende Lupusnephritis GFR-Verminderung
- Globale Sklerose = 90 % der Glomeruli
* A = aktive Läsionen
C = chronisch inaktive Läsionen mit glomerulärer Sklerose
A/C = aktive und chronische Läsionen

6.10.9 Diagnostik Proteinurie, nephrotisches Syndrom, glomeruläre Hämaturie


Diagnostisches Vorgehen ±
V.a. systemischer Lupus erythematodes
Systemischer Lupus erythematodes Labor:
● Basierend auf den ACR-Kriterien gilt die Diagnose eines Auto-
Nierenbiopsie
SLE als antikörper-
○ gesichert bei 4 oder mehr der 11 ACR-Kriterien,
diagnostik
○ wahrscheinlich bei 3 Kriterien, Histologie: Lupusnephritis
○ möglich bei Nachweis von 2 Kriterien. (Einteilung nach ISN-Klassifikation)
● Nach den SLICC-Kriterien (Kap. 6.10.8) kann eine Diag-
nose gestellt werden, wenn entweder: renale Beteiligung bei systemischem Lupus erythematodes
○ 4 von 17 Kriterien erfüllt sind, wobei mindestens ein

klinisches und eine immunologisches Kriterium vor- Abb. 6.27 Systemischer Lupus erythematodes. Diagnostisches
liegen muss oder Vorgehen.
○ wenn eine biotische gesicherte Lupusnephritis vor-

liegt (▶ Abb. 6.27).

Anamnese
Lupusnephritis
● gründliche komplette Anamnese
● Die histologische Untersuchung des Nierengewebes ● gezielte Erhebung der ACR und SLICC-Kriterien (siehe
dient
Kap. 6.10.7)
○ der Bestätigung einer renalen Beteiligung bei SLE,

○ der ISN-Klassifikation der Lupusnephritis

(▶ Tab. 6.22),
○ der Erfassung von Aktivitäts- und Chronizitätsindex,

○ der Therapieplanung der Lupusnephritis in Abhängig-

keit von der ISN-Klassifikation.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Körperliche Untersuchung Histologie, Zytologie und klinische


● Wichtig ist eine sorgfältige Untersuchung der Haut: Pathologie
○ Akute Hautbeteiligung,
Nierenbiopsie
○ Komplette Ganzkörperuntersuchung mit Beachtung

der typischen Manifestationen (siehe Kap. 6.10.7) ● Treten die o. g. angegebenen Zeichen der Nierenmit-
○ chronische Hautbeteiligung, beteiligung der SLE auf, ist eine Nierenbiopsie zur Si-
○ Haarausfall, cherung der Diagnose und histologischen Klassifikation
○ orale oder nasale Ulzera, der Lupusnephritis indiziert.
● Untersuchung der Gelenke:
○ Gelenkbeteiligung,
6.10.10 Differenzialdiagnosen
○ Serositis.

● Sorgfältige neurologische Untersuchung, da auch eine ● Andere Immunkomplex-Nephritiden.


IV
neurologische Beteiligung möglich ist.
6.10.11 Therapie
Labor
Therapeutisches Vorgehen


H
● Immunologische Hinweise auf einen SLE sind:
○ hämatologische Veränderungen (hämolytische Anä-

mie mit Retikulozytose, Leukozytopenie, Thrombozy- Merke


topenie), Die Indikationsstellung zur Therapie, die Intensität der
○ immunologische Veränderungen (positiver LE-Zell- Behandlung und die Beurteilung der renalen Langzeit-
Nachweis, Anti-Sm-AK, abnorme Titer von Anti-ds- prognose werden ganz wesentlich von der oben dar-
DNA), gestellten ISN-Klassifikation bestimmt (▶ Tab. 6.22).
○ antinukleäre Antikörper.

● Für eine Mitbeteiligung der Nieren sprechen:


○ Asymptomatische Hämaturie und/oder Proteinurie, ● Ziele der Therapie sind:
○ akutes nephritisches Syndrom, ○ Induktion einer partiellen oder kompletten Remission
○ nephrotisches Syndrom, (Induktionstherapie) (▶ Abb. 6.28),
○ rasch progrediente Glomerulonephritis, ○ Vermeidung von Rezidiven nach erzielter Remission
○ chronische Niereninsuffizienz, (remissionserhaltende Therapie),
○ renal-parenchymatöse Hypertonie. ○ der Erhaltung oder Verbesserung der Nierenfunktion.

Abb. 6.28 Lupusnephritis. Diagnostisches


Diagnose SLE Vorgehen und Therapieplanung bei Ver-
dacht auf Lupusnephritis. (Quelle: Kimmel
M, Kuhlmann U. Indikationsstellung nach
renale Beteiligung? ISN-Klassifikation. In: Alscher M, Böhler J,
(s. Text) Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6.,
vollständig überarbeitete und erweiterte
Auflage. Thieme; 2015)
Nierenbiopsie

ISN-Klassifikation
(Tab. 6.28)

Therapie

ISN-Klasse I/II/VI III IV V

Basistherapie inkl. reno- ja ja ja ja


protektiver Maßnahmen

immunsuppressive nein ja* ja ja*


Therapie

* Therapie bei Nachweis von Prädiktoren einer ungünstigen renalen Langzeitprognose


(s. Text)

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6.10 Glomeruläre Beteiligung

Allgemeintherapie Remissionsinduktion
● Optimale Blutdruckeinstellung (RR < 130/80 mmHg) un- ● Zur Remissionsinduktion kommen in Kombination mit
ter Einbeziehung von ACE-Hemmern/AT-II1-Rezeptor- Steroiden alternativ zur Anwendung
blockern. ○ Cyclophosphamid (CP) in verschiedenen Dosierungen

● Alle SLE-Patienten sollten bei fehlenden Kontraindika- („high-dose“ und „low-dose“ und Verabreichungsfor-
tionen Hydroxychloroquin (1- bis 2-mal 200 mg/Tag) men (oral/i. v.-Boli) oder
erhalten, denn hinsichtlich einer Lupus-Nephritis wird ○ Mycophenolat Mofetil (MMF).

eine Reduktion der renalen Schübe und damit eine ● Dauer der Remissionsinduktionstherapie:
Prognoseverbesserung erreicht. ○ Die Remissionsinduktionstherapie wird insbesondere

● Meidung von nephrotoxischen Medikamenten (z. B. durch die Verwendung von Cyclophosphamid/Steroi-
Kontrastmittel), den wegen der erheblichen Nebenwirkungen zeitlich
● Nikotinabstinenz, begrenzt bis zum Eintreten einer partiellen oder kom-
● Kontrolle der kardiovaskulären Risikofaktoren, pletten Remission.
● Impfprophylaxe (Cave: keine Lebendimpfstoffe unter ○ Diese tritt üblicherweise nach 2–6 Monaten ein und

immunsuppressiver Therapie). ist erkennbar an


– der Besserung nephrologischer Messgrößen (glo-
meruläre Hämaturie, Erythrozytenzylinder, Protei-
Pharmakotherapie
nurie, Serumkreatinin/ GFR),
Immunsuppressive Therapie – Abklingen der extrarenalen Symptome des SLE,
– Rückbildung der serologischen Lupusmarker und
6
● Die klassische Indikation zur immunsuppressiven The-
Normalisierung der Komplementfaktoren.
rapie stellt sich bei
○ der diffus proliferativen Lupusnephritis (ISN-Klasse IV
● Die erfolgreiche Remissionserzielung ist ein wichtiger
Prädiktor einer günstigen renalen Langzeitprognose.


A oder A/C) und
○ der fokal proliferativen Lupusnephritis (ISN-Klasse III

A oder A/C). Merke


H
● Membranöse Lupusnephritis:
○ Bei membranöser Lupusnephritis (ISN-Klasse V) ist
In der Remissionsinduktions-Therapie der proliferativen
die Indikation zur immunsuppressiven Therapie we- Lupusnephritis der Klasse III und IV sind CP/Steroide und
gen des variablen Spontanverlaufs schwieriger fest- MMF/Steroide gleich effektiv.
zulegen.
○ Durchgesetzt hat sich die Behandlung der Patienten

bei Nachweis von Prädiktoren einer ungünstigen re- Remissionserhaltende Therapie


nalen Langzeitprognose. ● Zur remissionserhaltenden Therapie eignen sich in
○ Keine immunsuppressive Medikation bei mesangia-
Kombination mit niedrig dosierten Steroiden
len Immunkomplexablagerungen (ISN-Klasse I) bzw. ○ Mycophenolatmofetil 2-mal 1000 mg/Tag (bislang
mesangialer Proliferation (ISN-Klasse II) wegen der
wurde in Deutschland für diese Indikation keine Zu-
guten Langzeitprognose.
lassung beantragt, daher „off-label use“) oder
○ Auch bei fortgeschrittener sklerosierender Glomeru-
○ Azathioprin 2 mg/kg/Tag.


lonephritis (ISN-Klasse VI) ist eine immunsuppressive
Therapie wegen der ungünstigen Nutzen-Risiko-Rela-
tion nicht indiziert. Merke
H
In der Erhaltungstherpapie werden bei der Lupusnephritis
Therapie der diffus proliferativen AZA und MMF empfohlen. Laut Studienlage ist MMF dem
(ISN-Klasse IV) und fokal proliferativen AZA sogar etwas überlegen – MMF ist in Deutschland bei
dieser Indikation allerdings eine „off-label“-Therapie.
Lupusnephritis (ISN-Klasse III) mit
schlechten Prognosekriterien
● Folgende therapeutische Maßnahmen werden einge-
setzt (▶ Abb. 6.29):
○ Remissionsinduktion,

○ remissionserhaltende Therapie,

○ Basis-/Begleittherapien.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Remissions-
induktion

MP i.v. 500 mg – 1 g/Tag über 3 Tage und/oder


Prednisolon p.o. 1 mg/kg KG/Tag über 4
Wochen, dann schrittweise Dosisreduktion

ELNT-Protokoll MMF NIH-Standard-Protokoll


IV oder „Off-label“-Therapie in Deutschland oder
CP 500 mg i.v. alle 2 Wochen CP 0,5 – 1 g/m2 KO i.v. monatlich
über 3 Monate 2 – 3 g/Tag über 6 Monate über 6 Monate

bei Therapieresistenz
– Wechsel der Therapie von CP → MMF
bzw. von MMF → CP
– zusätzlich Rituximab (?)
– zusätzlich i. v. Immunglobuline (?)
– ggf. bei MMF-Resistenz → MMF + Tacrolimus

Remissions-
erhalt

– Prednisolon 5 – 7,5 mg/Tag


– Hydroxychloroquin 1 – 2 × 200 mg/Tag

MMF bei Unverträglichkeit von MMF


oder AZA oder
„Off-label“-Therapie in oder AZA:
1 – 2 mg/kg KG/Tag
Deutschland CS 3 – 5 mg/kg KG/Tag
1 – 2 g/Tag (Dosierung nach Talspiegel)

Begleit-
therapien

Antikoagulation
renoprotektive Therapie Vermeidung von CP/ bei Nachweis von Anti-
Behandlung
– ACE-Hemmer/AT-II1- Steroid-Nebenwirkungen: phospholipid-Antikörpern
kardio- Impf-
Rezeptorblocker – Osteoporoseprophylaxe und thromboembolischen
vaskulärer prophylaxe
– optimale Blutdruck- – GnRH-Agonisten bei Ereignissen oder
Risikofaktoren
einstellung jungen Frauen nephrotischem Syndrom
– Nikotinverzicht mit deutlich erniedrigtem
Serum-Albumin

Abb. 6.29 Systemische Lupusnephritis. Therapie der proliferativen Lupusnephritiden (ISN-Klasse III und IV). CP-Boli als remissionser-
haltende Therapie wurden wegen der erheblichen Nebenwirkungen steigender kumulativer CP-Dosen nicht in die Abbildung
aufgenommen (AZA: Azathioprin, CP: Cyclophosphamid, CS: Cyclosporin, ELNT: Euro Lupus Nephritis Trial, MMF: Mycophenolat-Mofetil,
MP: Methylprednisolon, KO: Körperoberfläche, NIH: National Institute of Health, (?): unsichere Datenlage. (Verändert nach Quelle:
Kimmel M, Kuhlmann U. Therapie der diffus proliferativen (ISN-Klasse IV) und fokal proliferativen Lupusnephritis (ISN-Klasse III) mit
schlechten Prognosekriterien. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte
Auflage. Thieme; 2015)

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6.10 Glomeruläre Beteiligung

membranöse Lupusnephritis

Basistherapie mit
Hydroxychloroquin

zusätzlich endokapilläre
ja s. systemische Lupusnephritis
proliferative Veränderungen

nein

Prädiktoren einer schlechten renalen Langzeitprognose?

– nephrotisches Syndrom
– Kreatininerhöhung

nein ja

6
konservative Therapie mit
ACE-Hemmern/AT-II- Cyclosporin oder CP-Boli
Rezeptorblockern + +
ggf. Diuretika Steroide Steroide

bei Unverträglichkeit alternativ:


MMF
+
Steroide

Abb. 6.30 Lupusnephritis. Therapie der membranösen Lupusnephritis (ISN-Klasse V). (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U. Therapie der
rein membranösen Lupusnephritis (ISN/RPN-Klasse V). In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig
überarbeitete und erweiterte Auflage. Thieme; 2015)

Therapie der rein membranösen 6.10.13 Literatur


Lupusnephritis (ISN/RPN-Klasse V) [1] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen.
In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
● Die Indikation zur immunsuppressiven Therapie
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015
(▶ Abb. 6.30) sollte gestellt werden bei Nachweis [2] Kimmel M, Kuhlmann U. Indikationsstellung nach ISN-Klassifikation.
schlechter Prognosekriterien wie In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
○ Vorliegen eines nephrotischen Syndroms, ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Thieme; 2015
○ Kreatininerhöhung bei Diagnosestellung oder zuneh- [3] Kimmel M, Kuhlmann U. Therapie der diffus proliferativen (ISN-Klas-
se IV) und fokal proliferativen Lupusnephritis (ISN-Klasse III) mit
mende GFR-Verminderung im Verlauf.
schlechten Prognosekriterien. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et
● Bei zusätzlichem Nachweis von proliferativen Verände- al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte
rungen empfiehlt sich ein therapeutisches Vorgehen Auflage. Thieme; 2015
wie bei proliferativer Lupusnephritis (s. oben). [4] Kimmel M, Kuhlmann U. Therapie der rein membranösen Lupus-
nephritis (ISN/RPN-Klasse V). In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et
al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte
6.10.12 Verlauf und Prognose Auflage. Thieme; 2015
[5] Lech M, Anders HJ. The pathogenesis of lupus nephritis. J Am Soc
● Die Dauer einer remissionserhaltenden Therapie ist un- Nephrol 2013; 24: 1357–1366
klar. [6] Tsokos GC. Systemic lupus erythematosus. N Engl J Med 2011; 365:
2110–2121
● Beendigung der Therapie frühestens nach 5-jähriger
[7] Weening JJ, D’Agati VD, Schwartz MM et al. The classification of glo-
Behandlung und einer langen Periode klinischer und merulonephritis in systemic lupus erythematosus revisited. Kidney
serologischer Remission. Int 2004; 65: 521–530
● Das Ausschleichen der Medikation sollte schrittweise [8] Weening JJ, D’Agati VD, Schwartz MM et al. The classification of glo-
merulonephritis in systemic lupus erythematosus revisited.J Am Soc
unter engmaschiger Überwachung erfolgen.
Nephrol 2004; 15(2): 241–250

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.11 Rasch progrediente 6.11.5 Ätiologie und Pathogenese


Glomerulonephritis ● Eine extrakapilläre Proliferation mit Halbmondbildung
bei RPGN erfolgt durch
Martin Kimmel ○ Proliferation von Epithelzellen und

○ durch in den Bowman-Kapselraum durch Risse in den

glomerulären Basalmembranen eingewanderte hä-


6.11.1 Steckbrief
matopoetische Zellen und Fibroblasten.
Die rasch progrediente Glomerulonephritis (RPGN) ist ● Im Erkrankungsverlauf erfolgt eine Umwandlung der
eine aggressive Form der Glomerulonephritis (GN), die zellulären Halbmonde in fibrozelluläre und schließlich
klinisch durch einen raschen Nierenfunktionsverlust und in fibröse Halbmonde. In diesem Stadium ist keine Re-
und histologisch durch eine extrakapilläre Proliferation versibilität der Läsionen unter Therapie zu erwarten
mit Halbmondbildung charakterisiert ist. Weitaus häu- Befunde (▶ Abb. 6.31).
IV
figste Ursache der RPGN sind ANCA-assoziierte Vaskuliti- ● Variierende glomeruläre immunhistologische Befunde
den. weisen auf eine heterogene Pathogenese der RPGN hin
– zur immunpathogenetischen Klassifikation der RPGN
▶ Tab. 6.23.
6.11.2 Synonyme
● Rasch progrediente Glomerulonephritis
● Rapid progressive Glomerulonephritis 6.11.6 Klassifikation
● RPGN ● Anhand der glomerulären immunhistologischen Befun-
de lassen sich 3 Formen der RPGN unterscheiden
(▶ Tab. 6.23):
6.11.3 Definition ○ RPGN mit Nachweis von anti-Glomerulären-Basal-
● Die RPGN ist eine aggressive Form der Glomeruloneph- membran-Antikörpern (anti-GBM-AK) im Serum und
ritis (GN), die wie folgt charakterisiert ist: linearer IgG-Ablagerung in den glomerulären Basal-
○ klinisch durch einen raschen Nierenfunktionsverlust membranen,
mit Kreatininanstieg innerhalb von Wochen/Monaten ○ RPGN mit glomerulären Immunkomplex-Ablagerun-

und gen,
○ histologisch durch eine extrakapilläre Proliferation ○ RPGN ohne immunhistologische glomeruläre Befunde

mit Halbmondbildung. (pauci-immune GN).

6.11.4 Epidemiologie
Die Epidemiologie des Syndroms der RPGN kann nicht
angegeben werden, da es stark von der zugrundeliegen-
den Erkrankung abhängt.

Abb. 6.31 RPGN. Extrakapilläre Proliferation


extrakapilläre Proliferation mit Halbmondbildung bei RPGN erfolgt
mit zellulären durch Proliferation von Epithelzellen und in
Halbmonden den Bowman-Kapselraum durch Risse in den
glomerulären Basalmembranen eingewan-
derte hämatopoetische Zellen und Fibro-
blasten (▶ Abb. 6.33). Zelluläre Halbmonde
können sich selten spontan oder durch
immunsuppressive Therapie zurückbilden.
Im Erkrankungsverlauf erfolgt eine Um-
fibrozelluläre fibröse wandlung der zellulären Halbmonde in
Rück-
Halbmonde Halbmonde
bildung fibrozelluläre und schließlich in fibröse
Halbmonde. In diesem Stadium ist keine
normal Reversibilität der Läsionen unter Therapie zu
erwarten. (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U.
Therapie der rasch progredienten Glome-
rulonephritis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhl-
mann U et al., Hrsg. Nephrologie.
6. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.)

316 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.11 Rasch progrediente 6.11.5 Ätiologie und Pathogenese


Glomerulonephritis ● Eine extrakapilläre Proliferation mit Halbmondbildung
bei RPGN erfolgt durch
Martin Kimmel ○ Proliferation von Epithelzellen und

○ durch in den Bowman-Kapselraum durch Risse in den

glomerulären Basalmembranen eingewanderte hä-


6.11.1 Steckbrief
matopoetische Zellen und Fibroblasten.
Die rasch progrediente Glomerulonephritis (RPGN) ist ● Im Erkrankungsverlauf erfolgt eine Umwandlung der
eine aggressive Form der Glomerulonephritis (GN), die zellulären Halbmonde in fibrozelluläre und schließlich
klinisch durch einen raschen Nierenfunktionsverlust und in fibröse Halbmonde. In diesem Stadium ist keine Re-
und histologisch durch eine extrakapilläre Proliferation versibilität der Läsionen unter Therapie zu erwarten
mit Halbmondbildung charakterisiert ist. Weitaus häu- Befunde (▶ Abb. 6.31).
IV
figste Ursache der RPGN sind ANCA-assoziierte Vaskuliti- ● Variierende glomeruläre immunhistologische Befunde
den. weisen auf eine heterogene Pathogenese der RPGN hin
– zur immunpathogenetischen Klassifikation der RPGN
▶ Tab. 6.23.
6.11.2 Synonyme
● Rasch progrediente Glomerulonephritis
● Rapid progressive Glomerulonephritis 6.11.6 Klassifikation
● RPGN ● Anhand der glomerulären immunhistologischen Befun-
de lassen sich 3 Formen der RPGN unterscheiden
(▶ Tab. 6.23):
6.11.3 Definition ○ RPGN mit Nachweis von anti-Glomerulären-Basal-
● Die RPGN ist eine aggressive Form der Glomeruloneph- membran-Antikörpern (anti-GBM-AK) im Serum und
ritis (GN), die wie folgt charakterisiert ist: linearer IgG-Ablagerung in den glomerulären Basal-
○ klinisch durch einen raschen Nierenfunktionsverlust membranen,
mit Kreatininanstieg innerhalb von Wochen/Monaten ○ RPGN mit glomerulären Immunkomplex-Ablagerun-

und gen,
○ histologisch durch eine extrakapilläre Proliferation ○ RPGN ohne immunhistologische glomeruläre Befunde

mit Halbmondbildung. (pauci-immune GN).

6.11.4 Epidemiologie
Die Epidemiologie des Syndroms der RPGN kann nicht
angegeben werden, da es stark von der zugrundeliegen-
den Erkrankung abhängt.

Abb. 6.31 RPGN. Extrakapilläre Proliferation


extrakapilläre Proliferation mit Halbmondbildung bei RPGN erfolgt
mit zellulären durch Proliferation von Epithelzellen und in
Halbmonden den Bowman-Kapselraum durch Risse in den
glomerulären Basalmembranen eingewan-
derte hämatopoetische Zellen und Fibro-
blasten (▶ Abb. 6.33). Zelluläre Halbmonde
können sich selten spontan oder durch
immunsuppressive Therapie zurückbilden.
Im Erkrankungsverlauf erfolgt eine Um-
fibrozelluläre fibröse wandlung der zellulären Halbmonde in
Rück-
Halbmonde Halbmonde
bildung fibrozelluläre und schließlich in fibröse
Halbmonde. In diesem Stadium ist keine
normal Reversibilität der Läsionen unter Therapie zu
erwarten. (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U.
Therapie der rasch progredienten Glome-
rulonephritis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhl-
mann U et al., Hrsg. Nephrologie.
6. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.)

316 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.11 Rasch progrediente Glomerulonephritis

Tab. 6.23 Immunpathogenetische Klassifikation der rasch progredienten Glomerulonephritis [3]: Typen der RPGN.
Typ Weitere Unterteilung
RPGN durch anti Glomeruläre-Basalmembran-Antikörper Mit Lungenblutungen (Goodpasture-Syndrom)
(anti-GBM-AK) mit glomerulär linearen IgG-Ablagerun- Ohne Lungenblutungen
gen
RPGN mit immunhistologischem Nachweis von Immun- Infektiöse und postinfektiöse Glomerulonephritiden:
komplexen - Poststreptokokken-Glomerulonephritis
- GN bei Endokarditis und Weichteilabszessen
- Shuntnephritis
Autoimmunerkrankungen:
- Lupusnephritis
- gemischte essenzielle Kryoglobulinämie
- Purpura Schoenlein-Henoch
Primäre Glomerulonephritiden:
- IgA-Nephropathie
- membranoproliferative Glomerulonephritis
- „idiopathische“ RPGN
RPGN ohne immunhistologische glomeruläre Befunde ANCA-assoziierte systemische Vaskulitiden
(pauci-immune GN) Pauci-immune GN → auf die Nieren beschränkte ANCA-assoziierte Vaskulitis

6
6.11.7 Klinik Anamnese
● Glomeruläre Hämaturie ± Proteinurie, ● Hämoptysen?
● nephritisches Syndrom, ● Extrarenale Manifestationen sind bei systemischen Vas-
● einen raschen Nierenfunktionsverlust mit Kreatinin- kulitiden oder Autoimmunerkrankungen häufig:
anstieg innerhalb von Wochen/Monaten. ○ Gewichtsverlust,


○ Fieber,

Merke
H ○ Arthralgien,

○ rezidivierende Nasennebenhöhlenentzündungen,

○ blutiger Schnupfen,
Gewichtsverlust, Fieber, Arthralgien, rezidivierende Na-
○ Augensymptome,
sennebenhöhlenentzündungen, blutiger Schnupfen, Au-
○ palpable Purpura usw.
gensymptome, palpable Purpura usw. sind häufig geklag-
te Symptome bei systemischen Vaskulitiden oder Auto- ● Mögliche Hinweise auf ein akutes Nierenversagen: Öde-
immunerkrankungen. me? Blutdruckwerte? Diurese? Urämiezeichen?

Körperliche Untersuchung
6.11.8 Diagnostik Ganzkörperuntersuchung mit besonderer Beachtung des
Blutdrucks, Volumenhaushaltes und Urämiezeichen.
Diagnostisches Vorgehen
● Die Zeichen einer aktiven glomerulären Entzündung Labor
sind unspezifisch und bei allen in ▶ Tab. 6.23 genannten
Formen mit RPGN fassbar. ● Der Nachweis von anti-glomerulären Basalmembran-
● Bei Verdacht auf RPGN mit raschem GFR-Abfall und ak- Antikörpern (GBM-Antikörpern) ist spezifisch für das
tivem Urinsediment führen zur Diagnose (▶ Abb. 6.32): Vorliegen eines Goodpasture-Syndroms bzw. einer
○ laborchemische und serologische Messgrößen, durch GBM-Antikörper ausgelösten RPGN.
○ das Ergebnis der Nierenbiopsie.
● Nachweis von c-/p-ANCA (Proteinase-3-/Myeloperoxi-
● Eine diagnostische Einengung ist möglich durch Beach- dase (MPO)-Antikörper) sprechen für das Vorliegen
tung extrarenaler Manifestationen der häufigsten Ur- einer der verschiedenen Formen der ANCA-assoziierten
sache einer RPGN, der ANCA-assoziierten systemischen systemischen Vaskulitiden.
Vaskulitiden. ● Bei bis zu 30 % der Patienten mit GBM-Antikörper-ver-
mittelter RPGN lassen sich gleichzeitig MPO-ANCA
nachweisen.
● Komplementfaktoren sind bei ANCA-assoziierten sys-
temischen Vaskulitiden und bei ABM-Antikörper-ver-
mittelter RPGN normal.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

rascher GFR-Abfall
Labor und technische Untersuchungen Klinik
und
(zum Ausschluss diverser Erkrankungen) extrarenale Manifestationen
aktives Urinsediment
diverser Erkrankungen ?
– antineutrophile zytoplasmatische
Antikörper (gegen Proteinase 3 – Arthralgien und Myalgien
und Myeloperoxidase) – Purpura
– Anti-Basalmembran-Antikörper Nierenbiopsie – Rhinitis bzw. Sinusitis
– Antistreptolysintiter – pulmonale Symptome
– antinukleäre Antikörper – Augensymptome
– Hepatitisserologie extrakapilläre Proliferation – Mononeuritis, Polyneuropathie
– Kryoglobuline bzw. nekrotisierende – kardialer Auskultationsbefund
– Blutkulturen und transösophageale Glomerulonephritis – Schüttelfrost, Fieber
Echokardiografie (TEE) bei Endo- – (Endokarditis?)
karditisverdacht
IV – Komplementfaktoren
– Röntgen/CT der Lungen und
immunhistologische
Nasennebenhöhlen
Befunde

lineare IgG-Ablagerungen + granuläre Ablagerungen fehlende Immunablagerungen


Nachweis von GBM-Antikörpern = Immunkomplexnephritis („pauci-immune“), im Serum
im Serum häufig Nachweis von ANCA
– Goodpasture-Syndrom – systemischer Lupus erythematodes – Granulomatose mit Polyangiitis
– RPGN (ca. 30 % der Patienten sind – Purpura Schoenlein-Henoch – mikroskopische Polyangiitis
zusätzlich ANCA-positiv) – Kryoglobulinämie – RPGN mit ANCA-Nachweis (auf die
– postinfektiöse GN Nieren beschränkte Vaskulitis ?)
– Polyarteriitis nodosa – einzelne Patienten mit Polyarteriitis
nodosa

Abb. 6.32 RPGN. Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf rasch progrediente Glomerulonephritis (RPGN). (Quelle: Kimmel M,
Kuhlmann U. Rasch progrediente Glomerulonephritis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig
überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015)

● Komplementverbrauch mit erniedrigten C 3/C 4-Werten ● Lichtmikroskopischer Befund:


sollte bei RPGN zum klinisch-laborchemischen Aus- ○ Klassischerweise findet sich eine fokal-proliferative

schluss folgender Krankheiten veranlassen: nekrotisierende GN mit extrakapillärer halbmondför-


○ systemischer Lupus erythematodes, miger Proliferation im Bowman-Kapselraum (Abb. 3).
○ essenzielle gemischte Kryoglobulinämie, ○ Proliferation und Halbmondbildung erfolgen durch

○ bakterielle Endokarditis. Makrophagen, Monozyten und Firbroblasten, die


durch rupturierte Basalmembranen in den Kapsel-
raum gelangen.
Histologie, Zytologie und klinische
○ Sehr wahrscheinlich nehmen auch Epithelzellen und
Pathologie Mesangialzellen an der Proliferation teil.
Nierenbiopsie ○ Zwischen den proliferierenden Zellen finden sich Fi-

brinablagerungen.
● Nierenbiopsie zur Sicherung der Diagnose.


○ ▶ Abb. 6.31 zeigt, dass sich zelluläre Halbmonde bei

Merke
H rechtzeitig einsetzender Therapie zurückbilden kön-
nen.
○ Bei verzögerter Behandlung der RPGN kommt es
Die Diagnose einer RPGN wird schließlich gesichert durch durch zunehmende Kollagenbildung zu fibrozellulä-
eine Nierenbiopsie und die typischen lichtmikroskopi- ren und schließlich fibrösen Verödungen der glome-
schen, immunhistologischen und elektronenmikroskopi- rulären Kapillaren.
schen Befunde. ● Immunhistologische und elektronenmikroskopische
Befunde.
○ Sie tragen ganz wesentlich zur Klassifikation der

RPGN und zum therapeutischen Procedere bei


(▶ Abb. 6.32, ▶ Abb. 6.33, ▶ Tab. 6.23).

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6.11 Rasch progrediente Glomerulonephritis

a b

Abb. 6.33 Rapid progressive Glomerulonephritis. Nekrotisierende extrakapilläre proliferative Glomerulonephritis bei
a ANCA-assoziierter Kleingefäßvaskulitis. PAS, Vergrößerung x 10: (Quelle: Frau Prof. Dr. K. Amann, Abteilung für Nephropathologie,
Universität Erlangen)
b anti-GBM-AK (glomeruläre Basalmembran AK) Glomerulonephritis mit linearen IgG-Ablagerungen entlang der Basalmembran.
Immunhistochemie, Vergrößerung x 40. (Quelle: Frau Prof. Dr. K. Amann, Abteilung für Nephropathologie, Universität Erlangen)
6

6.11.9 Differenzialdiagnosen 6.11.10 Therapie


● Ein rascher Abfall der GFR ist als medizinischer Notfall Therapeutisches Vorgehen


H
zu betrachten und eine zügig durchzuführende Diag-
nostik hat folgende Ziele:
○ Abgrenzung nichtglomerulärer Erkrankungen mit ra-
Merke
schem GFR-Verlust, Ein frühzeitiger Therapiebeginn ist entscheidend, da der
○ differenzialdiagnostische Abgrenzung ähnlich verlau- Verlauf der RPGN durch Umwandlung der zellulären
fender proliferativer GN-Formen. Halbmonde in fibrozelluläre und schließlich fibröse Halb-
● Verdacht auf pulmorenales Syndrom bei gleichzeiti- monde gekennzeichnet ist (▶ Abb. 6.31).
gem oder zeitlich versetztem Auftreten einer akuten
Glomerulonephritis und Lungeninfiltraten/Hämoptoe.
● Rasche Abnahme der GFR in Verbindung mit einem ● Eine Verbesserung der Nierenfunktion unter immun-
nephritischen Sediment deutet auf das Vorliegen einer suppressiver Therapie ist insbesondere im Stadium der
aktiven GN hin, wobei differenzialdiagnostisch ins- zellulären Halbmondbildung zu erwarten, zunehmende
besondere voneinander abzugrenzen sind: Vernarbungsvorgänge senken die Chancen der Nieren-
○ alle in ▶ Tab. 6.23 genannten Formen der RPGN, funktionsverbesserung.
○ die akute Poststreptokokken-GN,

○ andere infektiöse und postinfektiöse GN,

○ primäre und sekundäre Formen schwer verlaufender


Pharmakotherapie
diffus proliferativer oder membranoproliferativer GN. ● In Abhängigkeit von der Immunpathogenese der RPGN
● Zur Differenzialdiagnose tragen die in ▶ Abb. 6.32 ge- kommen folgende Therapieverfahren einzeln oder kom-
nannten Laborbefunde (ANCA, ANA, GBM-Antikörper, biniert zum Einsatz (▶ Abb. 6.34):
Kryoglobuline, Antistreptolysintiter, Hepatitisserologie, ○ Methylprednisolon-Bolustherapie ist therapeutische

Komplementfaktoren usw.) bei. Basis fast aller Formen RPGN (▶ Tab. 6.24).
● Meist ist jedoch die Durchführung einer Nierenbiopsie ○ Zusätzliche Gabe von Cyclophosphamid (CP) als Bo-

unumgänglich: lus- oder orale Therapie bei


○ Die Nierenbiopsie sichert die Diagnose der GN, – ANCA-assoziierten systemischen Vaskulitiden mit
○ ermöglicht Aussagen zur Prognose und RPGN (pauci-immune-RPGN),
○ trägt durch die immunhistologischen Befunde zur de- – GBM-Antikörper-vermittelte RPGN und Good-
finitiven Einteilung des Krankheitsbildes und Fest- pasture-Syndrom,
legung des therapeutischen Vorgehens bei. – RPGN bei SLE,
– RPGN bei IgA-Nephropathie mit > 50 % Halbmond-
bildung.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Serologie/ Krankheits- Therapie/Querverweise Abb. 6.34 RPGN. Therapie der RPGN und
Immunhistologie bilder des Goodpasture-Syndroms. (GN: Glomeru-
lonephritis, MP: Methylprednisolon, CP: Cy-
~ 10 % RPGN MP-Boli clophosphamid, GBM-Antikörper:
Goodpasture- Glomeruläre-Antibasalmembran-Antikörper,
– GBM-Antikörper Syndrom SLE: systemischer Lupus erythematodes,
– subendotheliale CP oral
ANCA: antineutrophile zytoplasmatische
lineare IgG- Antikörper). (Verändert nach Quelle: Kim-
Ablagerungen Plasmapherese mel M, Kuhlmann U. Rasch progrediente
Glomerulonephritis. In: Alscher M, Böhler J,
primäre GN MP-Boli Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6.,
~ 20 % RPGN bei vollständig überarbeitete und erweiterte
± CP-Boli
primären
Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015)
Immunkomplex- und MP-Boli
IV RPGN ablagerungen SLE
sekundären GN CP-Boli

post- Antibiotika
infektiös ggf. MP-Boli

MP-Boli
~ 70 % RPGN bei ANCA-
assoziierten oral
– ANCA Vaskulitiden CP
Boli
– pauci-immune
GN alternativ RTX

zusätzliche Plasma-
pherese bei
– Lungenblutungen
– und/oder akutem
dialysepflichtigem
Nierenversagen

Tab. 6.24 Therapie der GBM-Antikörper vermittelten RPGN und des Goodpasture-Syndroms nach KDIGO 2012: Kombinationstherapie.
Medikament Bemerkungen
Methylprednisolon-Boli 500–1000 mg MP i. v. über 20 min an 3 aufeinander folgenden Tagen
(MP) Begleittherapie:
- Ausgleich von Elektrolytstörungen (Hypokaliämie) vor MP-Gabe
- RR- und Blutzuckerkontrollen
Prednison oral 1 mg/kg pro Tag bis zu einem Maximum von 60–80 mg/Tag
Nach Erreichen einer Remission (gewöhnlich nach 3 Wochen) kann die Dosis schrittweise auf 20 mg/Tag
reduziert werden. Beibehaltung der Dosis über ca. 6 Wochen.
Anschließend langsame, weitere Dosisreduktion bis zu einer Erhaltungstherapie von 7,5–10 mg/Tag
Beendigung nach einer Gesamtherapiedauer von 6 Monaten
Orales Cyclophosphamid 2–3 mg/kg/Tag über 3 Monate
(CP) Fortsetzung über einen weiteren Monat, falls Anti-GBM-Ak positiv bleibt
Dosisreduktion um 50 % bei Kreatinin-Clearance < 10 ml/ min,
Unterbrechung der Therapie bei Leukozyten < 3500/mm3 oder Thrombozyten < 100000/mm3
Plasmapherese 4 l Austausch
Möglichst täglich
Dauer: minimal 14 Tage bzw. bis Anti-GBM-Ak negativ sind
Ersatz: 5 %igem Humanalbumin bzw. kombiniert mit Frischplasma bei Blutungsproblemen (s. Text)
Grundsätzlich kombiniert mit Cyclophosphamid-Therapie (s. oben)

○ Alternativ zu CP stellt Rituximab eine Option dar bei – ANCA-assoziierten systemischen Vaskulitiden mit
– ANCA-assoziierter Vaskulitis, Lungenblutungen und/oder akutem Nierenver-
– GBM-Antikörper-vermittelter RPGN und Good- sagen.
pasture-Syndrom bei Unverträglichkeit von CP. ● Zur Therapie der immunkomplexbedingten RPGN bei
○ Zusätzliche Plasmapherese bei primären und sekundären Glomerulonephritiden und
– GBM-Antikörper-vermittelter RPGN und Goodpas- der RPGN bei ANCA-assoziierten systemischen Vaskuli-
ture-Syndrom und tiden der kleinen Gefäße Kap. 6.7, Kap. 6.8, Kap. 6.9.

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6.12 Polyarteriitis nodosa

100
≥ 50 % sklerotische ja sklerotisch fokal
Glomeruli
80
nein ≥ 50 Halbmonde

renales Überleben
60
≥ 50 % normale gemischt
ja fokal
Glomeruli
40
nein
sklerosiert
20

≥ 50 % extrazelluläre
Proliferate ja ≥ 50 Halbmonde 0
(„Halbmonde“)
0 2 4 6 8 10 12
nein Jahre

gemischt
a b

Abb. 6.35 AAV assoziierte RPGN. a, b Einteilung der AAV assoziierten RPGN in 4 Gruppen nach Ausmaß der Sklerosierungen und der
extrazellulären Proliferate. a Diagnostisches Flussdiagramm. b Renales Überleben der einzelnen Gruppen nach bis zu 5 Jahren. (Quelle: 6
Kimmel M, Kuhlmann U. Diagnostikschritt 1: an Vaskulitis denken. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6.,
vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.)

6.11.11 Verlauf und Prognose 6.12 Polyarteriitis nodosa


● Die Prognose der RPGN ist mit Ausnahme der post- Martin Kimmel
infektiösen Form schlecht:
○ 80 % der unbehandelten Patienten entwickeln inner-

halb 1 Jahres eine terminale Niereninsuffizienz. 6.12.1 Steckbrief


● Prognostische Klassifikation der RPGN bei den ANCA- Die klassische Polyarteriitis nodosa ist definiert als „eine
assoziierten Vaskulitiden (AAV) in 4 Gruppen je nach nekrotisierende Entzündung mittelgroßer und gelegent-
Ausmaß der Halbmondbildung bzw. Vorliegen bereits lich kleiner Arterien ohne ANCA-Nachweis“. Histologisch
vernarbter Glomeruli (2010) (▶ Abb. 6.35a): finden sich neben der nekrotisierenden Entzündung in
○ Es fand sich dabei je nach Gruppe (fokal, ≥ 50 % Halb-
den mittelgroßen Arterien auch segmentale arterielle Lä-
mondbildung, gemischt, sklerosiert) eine gute Vor- sionen. Bei den meisten Patienten lässt sich keine Grund-
hersage des renalen 5-jährigen Überlebens krankheit finden, sodass die Diagnose einer idiopathi-
(▶ Abb. 6.35b). schen PAN gestellt werden muss. Bei einigen Patienten
mit PAN findet sich gleichzeitig eine Hepatitis-B-Virus-
6.11.12 Literatur infektion, die möglicherweise über ein Immunkomplex-
geschehen das Krankheitsbild auslöst.
[1] Atkins RC, Nikolic-Paterson DJ, Song Q et al. Modulators of crescentic
glomerulonephritis. J Am Soc Nephrol 1996; 7: 2271
[2] Berden AE, Ferrario F, Hagen EC et al. Histopathologic classification of
ANCA-associated glomerulonephritis. J Am Soc Nephrol 2010; 21
6.12.2 Synonyme
(10): 1628–36 ● Polyarteriitis nodosa
[3] Couser WG. Rapidly progressive glomerulonephritis: classification, ● Panarteritis nodosa
pathogenetic mechanisms, and therapy. Am J Kidney Dis 1988; 11:
449
[4] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei systemischer Vaskuli-
tis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6.,
6.12.3 Definition
vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; ● Die Polyarteriitis nodosa ist definiert als „eine nekroti-
2015
sierende Entzündung mittelgroßer und gelegentlich
[5] Kimmel M, Kuhlmann U. Rasch progrediente Glomerulonephritis. In:
Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll- kleiner Arterien ohne ANCA-Nachweis“.
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015
6.12.4 Epidemiologie
Die Prävalenz liegt bei 2–33/Million Einwohner.

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6.12 Polyarteriitis nodosa

100
≥ 50 % sklerotische ja sklerotisch fokal
Glomeruli
80
nein ≥ 50 Halbmonde

renales Überleben
60
≥ 50 % normale gemischt
ja fokal
Glomeruli
40
nein
sklerosiert
20

≥ 50 % extrazelluläre
Proliferate ja ≥ 50 Halbmonde 0
(„Halbmonde“)
0 2 4 6 8 10 12
nein Jahre

gemischt
a b

Abb. 6.35 AAV assoziierte RPGN. a, b Einteilung der AAV assoziierten RPGN in 4 Gruppen nach Ausmaß der Sklerosierungen und der
extrazellulären Proliferate. a Diagnostisches Flussdiagramm. b Renales Überleben der einzelnen Gruppen nach bis zu 5 Jahren. (Quelle: 6
Kimmel M, Kuhlmann U. Diagnostikschritt 1: an Vaskulitis denken. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6.,
vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.)

6.11.11 Verlauf und Prognose 6.12 Polyarteriitis nodosa


● Die Prognose der RPGN ist mit Ausnahme der post- Martin Kimmel
infektiösen Form schlecht:
○ 80 % der unbehandelten Patienten entwickeln inner-

halb 1 Jahres eine terminale Niereninsuffizienz. 6.12.1 Steckbrief


● Prognostische Klassifikation der RPGN bei den ANCA- Die klassische Polyarteriitis nodosa ist definiert als „eine
assoziierten Vaskulitiden (AAV) in 4 Gruppen je nach nekrotisierende Entzündung mittelgroßer und gelegent-
Ausmaß der Halbmondbildung bzw. Vorliegen bereits lich kleiner Arterien ohne ANCA-Nachweis“. Histologisch
vernarbter Glomeruli (2010) (▶ Abb. 6.35a): finden sich neben der nekrotisierenden Entzündung in
○ Es fand sich dabei je nach Gruppe (fokal, ≥ 50 % Halb-
den mittelgroßen Arterien auch segmentale arterielle Lä-
mondbildung, gemischt, sklerosiert) eine gute Vor- sionen. Bei den meisten Patienten lässt sich keine Grund-
hersage des renalen 5-jährigen Überlebens krankheit finden, sodass die Diagnose einer idiopathi-
(▶ Abb. 6.35b). schen PAN gestellt werden muss. Bei einigen Patienten
mit PAN findet sich gleichzeitig eine Hepatitis-B-Virus-
6.11.12 Literatur infektion, die möglicherweise über ein Immunkomplex-
geschehen das Krankheitsbild auslöst.
[1] Atkins RC, Nikolic-Paterson DJ, Song Q et al. Modulators of crescentic
glomerulonephritis. J Am Soc Nephrol 1996; 7: 2271
[2] Berden AE, Ferrario F, Hagen EC et al. Histopathologic classification of
ANCA-associated glomerulonephritis. J Am Soc Nephrol 2010; 21
6.12.2 Synonyme
(10): 1628–36 ● Polyarteriitis nodosa
[3] Couser WG. Rapidly progressive glomerulonephritis: classification, ● Panarteritis nodosa
pathogenetic mechanisms, and therapy. Am J Kidney Dis 1988; 11:
449
[4] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei systemischer Vaskuli-
tis. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6.,
6.12.3 Definition
vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; ● Die Polyarteriitis nodosa ist definiert als „eine nekroti-
2015
sierende Entzündung mittelgroßer und gelegentlich
[5] Kimmel M, Kuhlmann U. Rasch progrediente Glomerulonephritis. In:
Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll- kleiner Arterien ohne ANCA-Nachweis“.
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015
6.12.4 Epidemiologie
Die Prävalenz liegt bei 2–33/Million Einwohner.

Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved. 321
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.12.5 Ätiologie und Pathogenese 6.12.8 Diagnostik


● Pathogenetisch findet sich eine nekrotisierende Ent- Diagnostisches Vorgehen
zündung mittelgroßer und gelegentlich kleiner Arte-
● Anamnese und klinische Hinweise auf eine System-
rien.
erkrankung (▶ Tab. 6.25) führen zur Verdachtsdiagnose
● Bei einigen Patienten mit PAN findet sich gleichzeitig
der Polyarteriitis nodosa.
eine Hepatitis-B-Virusinfektion, die möglicherweise
● Die Bestätigung der Vaskulitis kann bioptisch im befal-
über ein Immunkomplexgeschehen das Krankheitsbild
lenen Organ (Muskel, Nerven, Niere) oder angiografisch
auslöst.
erfolgen.
● Histologisch finden sich neben der nekrotisierenden
● Die Laborbefunde sind unspezifisch.
Entzündung in den mittelgroßen Arterien, segmentale
● 10 Kriterien zur Diagnose einer PAN (American College
arterielle Läsionen, v. a. an den Bifurkationen der klei-
of Rheumatology, 1990) (Vorhandensein von ≥ 3 dieser
IV nen Gefäße.
10 Kriterien führt zu einer diagnostischen Sensitivität
● Die Ausbildung von Mikroaneurysmen ist typisch, diese
von 82 % und einer Spezifität von 86 %):
können angiografisch in Nieren und Leber dargestellt
○ Gewichtsverlust > 4 kg,
werden.
○ Livedo reticularis,
● Nierenbeteiligung als Folge der Entzündung mittelgro-
○ Hodenschmerz bzw. Druckempfindlichkeit,
ßer Gefäße:
○ Myalgien,
○ Fibrinoide Nekrosen, Thrombosen, Ischämie und In-
○ Mono- oder Polyneuropathie,
farzierung mit sekundärer mononukleärer Zellinfil-
○ diastolischer Blutdruck > 90 mmHg,
tration und Aneurysmabildung.
○ erhöhter Kreatinin- oder Harnstoffwert,

○ positive Hepatitis-B-Serologie,

6.12.6 Klassifikation ○ angiografische Abnormalitäten (Mikroaneurysmen),

○ Nachweis von Granulozyten und gemischten Leuko-


● Idiopathische PAN.
zyteninfiltraten in der Gefäßbiopsie.
● Bei etwa 10–20 % der Patienten mit PAN findet sich
gleichzeitig eine Hepatitis-B-Virusinfektion, die mögli-
cherweise über ein Immunkomplexgeschehen das Anamnese
Krankheitsbild auslöst. ● Es sollten erfragt werden:
○ Vorliegen einer Hepatitis B,

6.12.7 Klinik ○ gastrointestinalen Beschwerden,

○ Allgemeinbeschwerden (Müdigkeit, Gewichtsverlust,


● Allgemeinsymptome (Fieber, Gewichtsverlust, Müdig- Schwäche, Fieber),
keit, Arthralgien) und ○ Hautveränderungen,
● Zeichen der Organbeteiligung (▶ Tab. 6.25). ○ Bluthochdruck,
● Die klinischen und laborchemischen Zeichen der Nie- ○ Hinweise auf eine Nierenerkrankung,
renbeteiligung sind variabel und umfassen: ○ Hämaturie,
○ abnorme Urinbefunde mit Hämaturie und Proteinurie,
○ Hodenschmerz bzw. Druckempfindlichkeit,
○ renale Hypertonie,
○ Myalgien, Arhralgien,
○ Niereninsuffizienz,
○ Angina pectoris, Myokardinfarkt,
○ renale Infarzierung und selten Papillennekrosen.
○ neurologische Symptome, insbesondere Mononeuro-

pathie mulitplex oder asymmetrische Polyneuro-


pathie.

Tab. 6.25 Symptome bei Polyarteriitis nodosa.


Organe Symptomatik
Allgemeinsymptome Fieber, Gewichtsverlust, Müdigkeit
Muskulatur und Gelenke Arthralgien, Myalgien
Nieren Hämaturie, Proteinurie, progrediente Niereninsuffizienz, Hypertonie
Herz Angina pectoris, Myokardinfarkt
Nervensystem Polyneuropathie, Mononeuritis
Leber Transaminasenerhöhung, positive Hepatitis-B-Serologie
Gastrointestinaltrakt Mesenterialinfarkt

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6.12 Polyarteriitis nodosa

Körperliche Untersuchung Remission mit Steroidmonotherapie wird bei etwa


50 % der Patienten erzielt.
Ganzkörperuntersuchung mit besonderer Beachtung. ○ Zusätzliche Gabe von Cyclophosphamid (1–2 mg/kg

KG/Tag) oder Azathioprin (2–3 mg/kg KG/Tag) ist bei


Labor schwerem klinischem Verlauf indiziert, wobei Cyclo-
phosphamid der Azathiopringabe überlegen zu sein
● Die Laborbefunde sind unspezifisch:
scheint.
○ Anämie mit Nachweis von Fragmentozyten im Aus-
○ Indikationen zur zusätzlichen Cyclophosphamid-
strich, Leukozytose, positive Rheumafaktoren und an-
therapie:
tinukleäre Antikörper weisen neben den genannten
– Inadäquates Ansprechen der Krankheitsaktivität auf
pathologischen Urinbefunden auf diese Erkrankung
Steroide,
hin.
– aggressiver Krankheitsverlauf,
○ 10–20 % der Patienten sind HBs-Antigen-Träger.
– Beteiligung von Organen mit niedriger Toleranz für
○ Bei einigen der Patienten findet sich eine Assoziation
ischämische Schäden (Herz, Nieren, ZNS, Gastroin-
mit einer Hepatitis C oder einer Haarzellleukämie.
testinaltrakt),
– Abhängigkeit von hohen Steroiddosen,
Bildgebende Diagnostik – Komplikationen der Steroidtherapie.
○ Nebenwirkungen der Cyclophosphamidtherapie sind
Angiografie
zu beachten und regelmäßige Kontrollen des Blutbil-
● Die Bestätigung der Vaskulitis kann angiografisch erfol- des empfehlenswert, da ein Abfall der Leukozytenzahl 6
gen: auf < 3000/mm3 bzw. der Granulozyten auf < 1500/
○ Bei der abdominalen Angiographie gelingt der Nach-
mm3 vermieden werden sollte.
weis von Mikroaneurysmen in Nieren oder Leber bei ○ Plasmapherese:
etwa 60 % der Patienten mit Polyarteriitis nodosa. – Keinen zusätzlichen Gewinn bringt eine zusätzlich
zur Steroid-Cyclophosphamid-Therapie durch-
Histologie, Zytologie und klinisches geführte Plasmapherese (Ergebnisse einer prospek-
tiven randomisierten Studie).
Pathologie ● Hepatitis-B-Virus-induzierte PAN:
Gewebebiopsie ○ Die Therapie erfolgt wegen der Risiken der immun-

suppressiven Therapie bevorzugt mit antiviralen Me-


● Die Bestätigung der Vaskulitis kann bioptisch im befal-
dikamenten.
lenen Organ (Muskel, Nerven, Niere) erfolgen.

6.12.9 Differenzialdiagnosen 6.12.11 Verlauf und Prognose


● unbehandelt hat die PAN eine schlechte Prognose mit
● Amphetaminabusus,
einem 5-Jahresüberleben von nur 13 %
● Systemischer Lupus erythematodes,
● im Falle einer durchgeführten Therapie steigt das 5-Jah-
● Purpura Schoenlein-Henoch,
resüberleben auf ca. 80 % an.
● Granulomatose mit Polyangiitis (GPA),
● Mikroskopische Polyangiitis (MPA) (aber die ANCA-as-
soziierte mikroskopische Polyangiitis zeigt klinisch 6.12.12 Literatur
deutlich mehr Ähnlichkeiten mit der Granulomatose
[1] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen.
mit Polyangiitis (GPA) als mit der Polyarteriitis nodosa). In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015: 136–235
6.12.10 Therapie
Therapeutisches Vorgehen
● Idiopathische, nicht virusassoziierte PAN:
○ Die Behandlung erfolgt mit Steroiden, die bei schwe-

rem Krankheitsverlauf kombiniert mit Cyclophospha-


mid verabreicht werden. Evidenzbasierte Empfehlun-
gen sind bei fehlenden prospektiven Studien nicht
möglich.
○ Kortikosteroide kommen bei Patienten mit aktiver

Vaskulitis und Organbeteiligung primär zum Einsatz,


ihre Anwendung stützt sich auf ältere Studien. Eine

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.13 Purpura Schoenlein- 6.13.5 Ätiologie und Pathogenese


Henoch ● Histologisch entspricht die PSH einer leukozytoklasti-
schen Immunkomplex-Vaskulitis mit prominenter IgA-
Thomas Rauen Ablagerung in den kleinen Gefäßen der betroffenen Or-
gane (Haut, Niere, Gelenke).
● Als möglicher Trigger werden Streptokokken-Infekte
6.13.1 Steckbrief
und Insektenbisse diskutiert.
Die Purpura Schoenlein-Henoch (PSH) ist eine Kleinge- ● Analog zur Pathogenese der IgA-Nephropathie wird
fäß-Vaskulitis und gleicht im histologischen Bild prinzi- auch für die PSH eine gestörte Galaktosylierung der
piell der IgA-Nephropathie. Sie ist die häufigste systemi- IgA1-Moleküle diskutiert.
sche Vaskulitis im Kindesalter, verläuft aber prinzipiell ● Darüber hinaus spielen möglicherweise IgA-Anticardio-
bei Kindern und Erwachsenen in sehr ähnlicher Form. lipin-Autoantikörper eine Rolle in der Krankheitsent-
IV
Ähnlich wie die IgA-Nephropathie finden sich auch bei stehung.
der PSH meist oligosymptomatische Fälle mit minimalen
Urinbefunden und oftmals selbstlimitierendem Verlauf.
Häufig sind allerdings extrarenale Manifestation wie eine 6.13.6 Klinik
palpable Hautpurpura, kolikartige Bauchschmerzen und/ ● Palpable Hautpurpura (etwa in 95 % der Fälle), die sich
oder Arthralgien/Arthritiden. Insbesondere beim Erwach- zumeist symmetrisch an beiden Beinen manifestiert
senen entscheidet das Ausmaß der Nierenbeteiligung (sehr selten an den Armen). Eine begleitende Thrombo-
über den Krankheitsverlauf. Zentral in der Behandlung zytopenie oder Koagulopathie sind nicht nachweisbar.
der PSH ist eine supportive Therapie mit konsequenter ● Gelenkbeteiligung (bei 85 % der Patienten):
Blutdruckeinstellung. Immunsuppressiva kommen nur in ○ Polyarthralgien (klassischerweise ohne Gelenk-
Ausnahmefällen zum Einsatz. schwellungen) oder Oligoarthritis (in der Regel sind
nicht mehr als 4 Gelenke betroffen),
○ transienter oder wandernder, nichterosiver Verlauf
6.13.2 Synonyme
ohne Risiko einer Gelenkdestruktion.
● Purpura Schoenlein-Henoch ○ Es sind eher die Gelenke der unteren Extremitäten
● Schoenlein-Henoch-Purpura (v. a. Knie- und Sprunggelenke) betroffen.
● PSH ● Kolikartige Bauchschmerzen (50 %); selten mit blutigen
● Schoenlein-Henoch-Nephritis Diarrhoen, wenn es zu einer Darminvagination kommt.
● IgA-Vaskulitis ● Nierenbeteiligung/PSH-Nephritis (30–50 %):
○ Insbesondere bei Kindern finden sich meist lediglich

transiente, asymptomatische Urinbefunde, z. B. eine


6.13.3 Definition Mikrohämaturie oder gering ausgeprägte Proteinurie
● Die PSH zählt zu den Immunkomplex-Vaskulitiden der (< 2 g/Tag).
kleinen Gefäße (entsprechend der aktuellen Chapel- ○ Ein nephrotisches Syndrom kann bei etwa 20 % der

Hill-Nomenklatur der Vaskulitiden von 2012) und be- Patienten mit PSH-Nephritis auftreten.
trifft primär ○ Sehr selten (2–3 %) sind Verläufe mit akutem Nieren-
○ Haut, Nieren, Gastrointestinaltrakt und Gelenke. versagen als Ausdruck einer Halbmond-Glomerulo-
● Diagnosesicherung nur durch Nierenbiopsie: mesangio- nephritis.
proliferative Glomerulonephritis mit mesangialen IgA- ● Nach den ACR-Empfehlungen von 1990 sollten mindes-
Ablagerungen wie bei IgA-Nephropathie. tens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein, um die
Diagnose einer PSH stellen zu können (Sensitivität und
Spezifität etwa 90 % [1]):
6.13.4 Epidemiologie ○ Palpable Purpura,

● Auftreten v. a. im Kindesalter (zwischen 3 und 15 Jah- ○ Alter zu Symptombeginn ≤ 20 Jahre,

ren); etwa 90 % der PSH-Erkrankten sind Kinder. ○ akut einsetzende Bauchschmerzen,


● Zuverlässige Daten zur Inzidenz der PSH-Nephritis lie- ○ Biopsie mit Nachweis von Granulozyten in der Wand

gen nicht vor, da die vermutete Diagnose nur selten mit kleiner Arteriolen oder Venolen.
einer Nierenbiopsie gesichert wird. ● Bei Erwachsenen verläuft die PSH prinzipiell mit einer
● Vermehrtes Auftreten im Herbst, Winter und Frühjahr sehr ähnlichen Symptomatik wie bei Kindern, wobei
(selten in den Sommermonaten), in 50 % der Fälle lässt Darminvaginationen seltener und eine renale Betei-
sich ein vorangegangener Infekt der oberen Atemwege ligung jedoch etwas häufiger bei Erwachsenen vorkom-
(oft Streptokokken) eruieren. men.

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6.13 Purpura Schoenlein- 6.13.5 Ätiologie und Pathogenese


Henoch ● Histologisch entspricht die PSH einer leukozytoklasti-
schen Immunkomplex-Vaskulitis mit prominenter IgA-
Thomas Rauen Ablagerung in den kleinen Gefäßen der betroffenen Or-
gane (Haut, Niere, Gelenke).
● Als möglicher Trigger werden Streptokokken-Infekte
6.13.1 Steckbrief
und Insektenbisse diskutiert.
Die Purpura Schoenlein-Henoch (PSH) ist eine Kleinge- ● Analog zur Pathogenese der IgA-Nephropathie wird
fäß-Vaskulitis und gleicht im histologischen Bild prinzi- auch für die PSH eine gestörte Galaktosylierung der
piell der IgA-Nephropathie. Sie ist die häufigste systemi- IgA1-Moleküle diskutiert.
sche Vaskulitis im Kindesalter, verläuft aber prinzipiell ● Darüber hinaus spielen möglicherweise IgA-Anticardio-
bei Kindern und Erwachsenen in sehr ähnlicher Form. lipin-Autoantikörper eine Rolle in der Krankheitsent-
IV
Ähnlich wie die IgA-Nephropathie finden sich auch bei stehung.
der PSH meist oligosymptomatische Fälle mit minimalen
Urinbefunden und oftmals selbstlimitierendem Verlauf.
Häufig sind allerdings extrarenale Manifestation wie eine 6.13.6 Klinik
palpable Hautpurpura, kolikartige Bauchschmerzen und/ ● Palpable Hautpurpura (etwa in 95 % der Fälle), die sich
oder Arthralgien/Arthritiden. Insbesondere beim Erwach- zumeist symmetrisch an beiden Beinen manifestiert
senen entscheidet das Ausmaß der Nierenbeteiligung (sehr selten an den Armen). Eine begleitende Thrombo-
über den Krankheitsverlauf. Zentral in der Behandlung zytopenie oder Koagulopathie sind nicht nachweisbar.
der PSH ist eine supportive Therapie mit konsequenter ● Gelenkbeteiligung (bei 85 % der Patienten):
Blutdruckeinstellung. Immunsuppressiva kommen nur in ○ Polyarthralgien (klassischerweise ohne Gelenk-
Ausnahmefällen zum Einsatz. schwellungen) oder Oligoarthritis (in der Regel sind
nicht mehr als 4 Gelenke betroffen),
○ transienter oder wandernder, nichterosiver Verlauf
6.13.2 Synonyme
ohne Risiko einer Gelenkdestruktion.
● Purpura Schoenlein-Henoch ○ Es sind eher die Gelenke der unteren Extremitäten
● Schoenlein-Henoch-Purpura (v. a. Knie- und Sprunggelenke) betroffen.
● PSH ● Kolikartige Bauchschmerzen (50 %); selten mit blutigen
● Schoenlein-Henoch-Nephritis Diarrhoen, wenn es zu einer Darminvagination kommt.
● IgA-Vaskulitis ● Nierenbeteiligung/PSH-Nephritis (30–50 %):
○ Insbesondere bei Kindern finden sich meist lediglich

transiente, asymptomatische Urinbefunde, z. B. eine


6.13.3 Definition Mikrohämaturie oder gering ausgeprägte Proteinurie
● Die PSH zählt zu den Immunkomplex-Vaskulitiden der (< 2 g/Tag).
kleinen Gefäße (entsprechend der aktuellen Chapel- ○ Ein nephrotisches Syndrom kann bei etwa 20 % der

Hill-Nomenklatur der Vaskulitiden von 2012) und be- Patienten mit PSH-Nephritis auftreten.
trifft primär ○ Sehr selten (2–3 %) sind Verläufe mit akutem Nieren-
○ Haut, Nieren, Gastrointestinaltrakt und Gelenke. versagen als Ausdruck einer Halbmond-Glomerulo-
● Diagnosesicherung nur durch Nierenbiopsie: mesangio- nephritis.
proliferative Glomerulonephritis mit mesangialen IgA- ● Nach den ACR-Empfehlungen von 1990 sollten mindes-
Ablagerungen wie bei IgA-Nephropathie. tens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein, um die
Diagnose einer PSH stellen zu können (Sensitivität und
Spezifität etwa 90 % [1]):
6.13.4 Epidemiologie ○ Palpable Purpura,

● Auftreten v. a. im Kindesalter (zwischen 3 und 15 Jah- ○ Alter zu Symptombeginn ≤ 20 Jahre,

ren); etwa 90 % der PSH-Erkrankten sind Kinder. ○ akut einsetzende Bauchschmerzen,


● Zuverlässige Daten zur Inzidenz der PSH-Nephritis lie- ○ Biopsie mit Nachweis von Granulozyten in der Wand

gen nicht vor, da die vermutete Diagnose nur selten mit kleiner Arteriolen oder Venolen.
einer Nierenbiopsie gesichert wird. ● Bei Erwachsenen verläuft die PSH prinzipiell mit einer
● Vermehrtes Auftreten im Herbst, Winter und Frühjahr sehr ähnlichen Symptomatik wie bei Kindern, wobei
(selten in den Sommermonaten), in 50 % der Fälle lässt Darminvaginationen seltener und eine renale Betei-
sich ein vorangegangener Infekt der oberen Atemwege ligung jedoch etwas häufiger bei Erwachsenen vorkom-
(oft Streptokokken) eruieren. men.

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6.13 Purpura Schoenlein-Henoch

6.13.7 Diagnostik Hinweise auf eine PSH


• junge Patienten (≤ 20 Jahre)
Diagnostisches Vorgehen • palpable Purpura der Haut
● Die Erkrankung tritt überwiegend (90 % der Fälle) bei (vorwiegend untere Extremitäten, symmetrisch)
Kindern auf und wird aufgrund der klassischen Symp- • Polyarthralgien/Oligoarthritis
(i.d.R. < 4 Gelenke, v.a. Knie- und Sprunggelenke)
tomatik und des überwiegend benignen Verlaufs in den
• akute, kolikartige Bauchschmerzen
meisten Fällen lediglich vermutet (▶ Abb. 6.36). (selten mit blutigen Diarrhoen)
● Eine definitive Diagnosesicherung mittels Nieren- oder • Mikrohämaturie, Proteinurie (i.d.R. < 2 g/Tag),
Hautbiopsie ist selten erforderlich (z. B. bei deutlich ein- selten: reduzierte GFR
geschränkter Nierenfunktion, nephrotischer Protein-
urie und/oder sehr protrahiertem Verlauf). Abgrenzung zur
Diagnose in aller Regel
● Allerdings gelingt die definitive Diagnosesicherung nur IgA-Nephropathie
aufgrund des
• Vorliegen extra-
mittels Nierenbiopsie: charakteristischen
renaler Symptome
○ Nachweis der gleichen histologischen Veränderungen Symptomkomplexes
nur bei der PSH
wie bei der IgA-Nephropathie (mesangioproliferative
Glomerulonephritis mit mesangialen IgA-Ablagerun- Diagnosesicherung durch Nierenbiopsie nur bei
gen) (▶ Abb. 6.37). • deutlich eingeschränkter GFR
○ Nur etwa 2–3 % der Patienten mit PSH-Nephritis ent- • GFR-Verlust
wickeln eine Halbmond-Nephritis, bei der in > 50 % der • Proteinurie >3,5 g/Tag
Glomeruli Halbmonde („Crescents“) nachweisbar sind. • Fehlen der charakteristischen Hautmanifestation 6
Abb. 6.36 Purpura Schoenlein-Henoch. Diagnostisches Vor-
Anamnese gehen.
● Frage nach akuten kolikartigen Bauchschmerzen, Ge-
lenkschmerzen.
● Die lichtmikroskopischen und die immunhistologischen
Befunde der PSH-Nephritis sind von denen der IgA-
Körperliche Untersuchung Nephropathie nicht zu unterscheiden.
● Nachweis einer palpablen Purpura,
● Untersuchung der Gelenke. Hautbiopsie
● In der Biopsie betroffener Hautareale zeigt sich das Bild
Labor einer leukozytoklastischen Vaskulitis in den postkapil-
● Spezifische Laborbefunde zur Diagnostik der PSH exis- lären Venolen mit den pathognomonischen IgA-Ablage-
tieren nicht. rungen.
● Das Blutbild ist in aller Regel unauffällig.
● Die GFR ist meist normal; Verläufe mit erhöhtem Se-
6.13.8 Differenzialdiagnosen
rumkreatinin sind sehr selten.
● Eine Mikrohämaturie und/oder eine milde Proteinurie ● Bei Kindern erlaubt der charakteristische klinische
(meist < 2 g/Tag) können Hinweise auf eine Nierenbetei- Symptomenkomplex in aller Regel die Diagnose.
ligung geben. ● Mögliche Differenzialdiagnosen bei Erwachsenen:
● C 3- und/oder C 4-Komplementerniedrigung bei Kin- ○ sämtliche Formen der systemischen Vaskulitiden

dern mit florider PSH in bis zu 50 % (Daten aus retro- (z. B. Granulomatose mit Polyangiitis, mikroskopische
spektiven Analysen). Polyangiitis, kryoglobulinämische Vaskulitis, Hyper-
sensitivitätsvaskulitis, Lupusvaskulitis), Appendizitis.
● Die Abgrenzung der PSH gegenüber der IgA-Nephro-
Histologie, Zytologie und klinische pathie gelingt über den Nachweis extrarenaler Sympto-
Pathologie me.
Nierenbiopsie
● In der Nierenbiopsie lassen sich nachweisen:
○ eine mesangiale Zellproliferation,

○ mesangiale Matrixvermehrung,

○ die charakteristischen mesangialen IgA-Ablagerungen,

○ selten (2–3 %) das Bild einer Halbmond-Nephritis.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

IV
a b

Abb. 6.37 Purpura Schoenlein-Henoch. 10-jähriges Kind mit Makrohämaturie, Proteinurie (1,5 g/Tag) und Kreatininanstieg (2,0 mg/dl).
12 Monate zuvor Episode mit PSH und Bauchschmerzen. (Die Bilder wurden freundlicherweise von Prof. K. Amann, Erlangen zur
Verfügung gestellt.)
a PAS-Färbung. (Frau Prof. Dr. K. Amann, Abteilung für Nephropathologie, Universität Erlangen.)
b Immunhistologie mit Nachweis IgA-haltiger Immundeposits. (Frau Prof. Dr. K. Amann, Abteilung für Nephropathologie, Universität
Erlangen.)
c Immunhistologie mit Nachweis von C 3-Ablagerungen. (Frau Prof. Dr. K. Amann, Abteilung für Nephropathologie, Universität Erlangen.)

6.13.9 Therapie 6.13.11 Nachsorge


Therapeutisches Vorgehen ● Kinder mit initial unauffälligem Urinbefunden sollten
innerhalb der ersten 6 Monate regelmäßig auf das Vor-
● Die Evidenzlage zur Behandlung der PSH ist insgesamt
liegen einer Mikrohämaturie und/oder Proteinurie ge-
schwach und die aktuellen KDIGO-Empfehlungen [1]
screent werden.
lehnen sich ganz überwiegend an die Empfehlungen ● Bei Kindern mit isolierter Mikrohämaturie und/oder
zur Therapie der IgA-Nephropathie an.
nicht-nephrotischer Proteinurie sollte periodisch die
● Grundsätzlich unterscheiden sich die Therapieempfeh-
Nierenfunktion kontrolliert werden, solange diese Be-
lungen für Kinder und Erwachsene mit PSH-Nephritis
funde persistieren.
nicht.
● Ein möglicher Therapiealgorithmus wird in ▶ Abb. 6.38
vorgeschlagen. 6.13.12 Verlauf und Prognose
● Insbesondere bei Kindern sehr gute Prognose mit meist
6.13.10 Prävention selbstlimitierendem Verlauf, nur etwa ein Drittel der
Kinder mit PSH entwickeln innerhalb der ersten 4 Mo-
● Eine Kortikosteroidtherapie zur Prävention einer PSH-
nate ein Rezidiv mit ähnlicher, oftmals jedoch milderer
Nephritis wird nicht empfohlen.
Symptomatik.

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6.14 Kryoglobulinämie

Arthralgien/Arthritis/
PSH-Nephritis
6.14 Kryoglobulinämie
Bauchschmerzen
Bernd Hohenstein

NSAR, falls nicht


ausreichend: 6.14.1 Steckbrief
Glukokortikoide
Die Kryoglobulinämie (KG) beschreibt eine klinische Ent-
zündungsreaktion unter Einbeziehung kleiner und mit-
Proteinurie Proteinurie Halbmond-Nephritis telgroßer Gefäße auf Basis von Immunglobulinen und
< 0,5 g/Tag > 0,5–1 g/Tag (> 50% der Glomeruli Komplementkomponenten, welche in kühler Umgebung
mit Halbmonden) präzipitieren. Während die monoklonalen KG (Typ 1 nach
Brouet) auf Basis lymphoproliferativer Erkrankungen ent-
Monitoring von Nierenbiopsie
Urinbefunden erwägen und I.v. Kortikosteroid- stehen und selten sind, stellen die sog. gemischten For-
und Nieren- ACE-Hemmer oder Stoßtherapie, anschl. men der KG ca. 80–95 % aller Fälle dar (Typen 2 und 3
funktion, keine AT1-Antagonisten Tapering als orale nach Brouet). In der Niere existieren zwei unterschiedli-
spezifische (für 3–6 Monate) Steroidtherapie, evtl. che Krankheitsbilder, die einer gemischten KG zuzuord-
Behandlung in Kombination mit nen sind: Eine Vaskulitis der kleinen Gefäße mit Nach-
Cyclophosphamid
persistierende weis von Mikrothromben und eine Ablagerung von Im-
(6 Monate)
Proteinurie munkomplexen mit nachfolgender Immunglobulin-medi-
>1 g/Tag ierter MPGN. 6

Glukokortikoide
(6 Monate;
6.14.2 Aktuelles
0,5–1 mg/kg KG, ● Antigenspezifisches IgG1 mediiert protektive Effekte in
Tapering) der Mausniere [8].
● Eine große Kohorte von Patienten aus Frankreich mit
Abb. 6.38 Purpura Schoenlein-Henoch. Mögliches therapeuti- Typ1 KG wurde im Jahr 2014 publiziert [4].
sches Vorgehen.

6.14.3 Synonyme
● In Analogie zur IgA-Nephropathie können etwa 15 % ● Keine Synonyme ohne den Begriff Kryoglobulinämie
der erwachsenen PSH-Patienten eine terminale Nieren- bekannt.
insuffizienz innerhalb von 10 Jahren entwickeln; bei
Kindern mit PSH liegt dieses Risiko bei 7 %.
● Bei Erwachsenen und Kindern mit PSH gelten – ebenso 6.14.4 Definition
wie bei der IgA-Nephropathie – als negative Prog- ● Eigentliche Definition: Vorhandensein von Immunglo-
nosefaktoren: bulinen und Komplementfaktoren, die in kühler Umge-
○ arterielle Hypertonie,
bung präzipitieren.
○ eingeschränkte Nierenfunktion, ● Im klinischen Gebrauch wird der Begriff gleichgesetzt
○ Proteinurie > 1,5 g/Tag und
mit dem Vorhandensein der durch die Kryoglobuline
○ Nachweis fibrinoider Halbmond-Nekrosen in der
bedingten Entzündungsreaktion.
Biopsie.

6.14.5 Epidemiologie
6.13.13 Literatur
● Selten: Prävalenz ca. 1:100000.
[1] Kidney Disease: Improving Global Outcomes. Chapter 11: Henoch-
● Deutlich häufiger bei Patienten mit
Schonlein purpura nephritis. Kidney Int Suppl (2011) 2012; 2:218
○ Bindegewebserkrankungen (15–25 %),
[2] Mills JA et al, The American College of Rheumatology 1990 criteria
for the classification of Henoch-Schönlein purpura. Arthritis Rheum. ○ HIV (15–20 %),

1990 Aug; 33(8): 1114–21. ○ Hepatitis C (40–65 %) oder

○ einer Kombination der Erkrankungen (> 60 %).

● Bis zu 90 % aller Typ-2-KG werden einer HCV-Infektion


zugeschrieben [6].
● In etwa 10 % aller Fälle der Typ-2-KG findet sich eine
Vaskulitis [3].

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6.14 Kryoglobulinämie

Arthralgien/Arthritis/
PSH-Nephritis
6.14 Kryoglobulinämie
Bauchschmerzen
Bernd Hohenstein

NSAR, falls nicht


ausreichend: 6.14.1 Steckbrief
Glukokortikoide
Die Kryoglobulinämie (KG) beschreibt eine klinische Ent-
zündungsreaktion unter Einbeziehung kleiner und mit-
Proteinurie Proteinurie Halbmond-Nephritis telgroßer Gefäße auf Basis von Immunglobulinen und
< 0,5 g/Tag > 0,5–1 g/Tag (> 50% der Glomeruli Komplementkomponenten, welche in kühler Umgebung
mit Halbmonden) präzipitieren. Während die monoklonalen KG (Typ 1 nach
Brouet) auf Basis lymphoproliferativer Erkrankungen ent-
Monitoring von Nierenbiopsie
Urinbefunden erwägen und I.v. Kortikosteroid- stehen und selten sind, stellen die sog. gemischten For-
und Nieren- ACE-Hemmer oder Stoßtherapie, anschl. men der KG ca. 80–95 % aller Fälle dar (Typen 2 und 3
funktion, keine AT1-Antagonisten Tapering als orale nach Brouet). In der Niere existieren zwei unterschiedli-
spezifische (für 3–6 Monate) Steroidtherapie, evtl. che Krankheitsbilder, die einer gemischten KG zuzuord-
Behandlung in Kombination mit nen sind: Eine Vaskulitis der kleinen Gefäße mit Nach-
Cyclophosphamid
persistierende weis von Mikrothromben und eine Ablagerung von Im-
(6 Monate)
Proteinurie munkomplexen mit nachfolgender Immunglobulin-medi-
>1 g/Tag ierter MPGN. 6

Glukokortikoide
(6 Monate;
6.14.2 Aktuelles
0,5–1 mg/kg KG, ● Antigenspezifisches IgG1 mediiert protektive Effekte in
Tapering) der Mausniere [8].
● Eine große Kohorte von Patienten aus Frankreich mit
Abb. 6.38 Purpura Schoenlein-Henoch. Mögliches therapeuti- Typ1 KG wurde im Jahr 2014 publiziert [4].
sches Vorgehen.

6.14.3 Synonyme
● In Analogie zur IgA-Nephropathie können etwa 15 % ● Keine Synonyme ohne den Begriff Kryoglobulinämie
der erwachsenen PSH-Patienten eine terminale Nieren- bekannt.
insuffizienz innerhalb von 10 Jahren entwickeln; bei
Kindern mit PSH liegt dieses Risiko bei 7 %.
● Bei Erwachsenen und Kindern mit PSH gelten – ebenso 6.14.4 Definition
wie bei der IgA-Nephropathie – als negative Prog- ● Eigentliche Definition: Vorhandensein von Immunglo-
nosefaktoren: bulinen und Komplementfaktoren, die in kühler Umge-
○ arterielle Hypertonie,
bung präzipitieren.
○ eingeschränkte Nierenfunktion, ● Im klinischen Gebrauch wird der Begriff gleichgesetzt
○ Proteinurie > 1,5 g/Tag und
mit dem Vorhandensein der durch die Kryoglobuline
○ Nachweis fibrinoider Halbmond-Nekrosen in der
bedingten Entzündungsreaktion.
Biopsie.

6.14.5 Epidemiologie
6.13.13 Literatur
● Selten: Prävalenz ca. 1:100000.
[1] Kidney Disease: Improving Global Outcomes. Chapter 11: Henoch-
● Deutlich häufiger bei Patienten mit
Schonlein purpura nephritis. Kidney Int Suppl (2011) 2012; 2:218
○ Bindegewebserkrankungen (15–25 %),
[2] Mills JA et al, The American College of Rheumatology 1990 criteria
for the classification of Henoch-Schönlein purpura. Arthritis Rheum. ○ HIV (15–20 %),

1990 Aug; 33(8): 1114–21. ○ Hepatitis C (40–65 %) oder

○ einer Kombination der Erkrankungen (> 60 %).

● Bis zu 90 % aller Typ-2-KG werden einer HCV-Infektion


zugeschrieben [6].
● In etwa 10 % aller Fälle der Typ-2-KG findet sich eine
Vaskulitis [3].

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.14.6 Ätiologie und Pathogenese 6.14.8 Klinik


● Typ 1: ● Typ 1:
○ Multiples Myelom, ○ oft asymptomatisch, typische Symptome entstehen

○ Morbus Waldenström, durch Hyperviskosität oder Thrombosen:


○ B-Zell-Lymphom, ○ an der Haut:

○ Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz – Raynaud,


(MGUS), – Livedo reticularis,
○ Seltener: MDS, HL, Haarzellleukämie, CLL, CML und – Palpable Purpura.
andere. ○ Organschäden:

● Typ 2 – Ischämie der Extremitäten,


○ Hepatitis C (90 %), Hepatitis B, HIV, – in etwa zwei Drittel Nierenbeteiligung.
○ Sjögren-Syndrom, ● Typen 2/3:
IV
○ Systemischer Lupus erythematodes, ○ Meltzer-Triade (bei ca. 25–39 %): Arthralgien, Purpura

○ rheumatoide Arthritis, und Schwäche,


○ seltener: Systemische Sklerose, Polyarteritis nodosa, ○ oft unspezifische Symptome,

Riesenzellarteriitis, Takayasuarteriitis, ANCA-Vaskuli- ○ Arthralgien, Müdigkeit, Myalgien,

tiden, inflammatorische Myopathien, Antiphospholi- ○ Purpura (Vaskulitis),

pid-Syndrom, essenzielle Formen. ○ periphere Neuropathie,

○ Nierenbeteiligung.

6.14.7 Klassifikation
● Typ 1 ist selten, die Typen 2 und 3 stellten zusammen
6.14.9 Diagnostik
80–95 % der Fälle dar. Diagnostisches Vorgehen
● Merkmale zur Einteilung der Kryoglobulinämie nach
● Generell ist die Diagnose der KG aufgrund der unspezi-
Brouet ▶ Tab. 6.26.
fischen Symptome und der analytischen Probleme hin-
sichtlich des Nachweises von Kryoglobulinen oftmals
schwierig (▶ Abb. 6.39).
● Von einer KG-induzierten Erkrankung sollte dann aus-
gegangen werden, wenn
○ über 3–6 Monate ein erhöhter Kryokrit nachweisbar

ist (> 1 %) und zusätzlich

Tab. 6.26 Klassifikation der Kryoglobulinämie nach Brouet, typische klinische Symptome und Ursachen.
Typ 1: Monoklonale Immun- Typ 2: Gemischtes Vorliegen Typ 3: Gemischtes Vorliegen
globuline (Ig) von mono- und polyklonalen Ig von polyklonalen Ig
Klinische Symptome
Purpura + +++ +++
Gangrän und Akrozyanose +++ + bis + + ±
Arthralgien und Myalgien + ++ +++
Nierenbeteiligung (Proteinurie, + ++ +
selten nephrotisch/nephritisch)
Neuropathie + ++ ++
Lungenbeteiligung (subklinisch, ± ++ ++
40–50 %)
Leberbeteiligung ± ++ +++
Assoziierte Krankheitsbilder
Lymphoproliferative oder Hepatitis C Hepatitis C
Plasmazellerkrankung
MGUS Bindegewebserkrankung Bindegewebserkrankung
idiopathisch idiopathisch idiopathisch
Lymphoproliferative Erkrankung, Infektionen
Infektionen
MGUS: Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz

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6.14 Kryoglobulinämie

● Arthralgien und Myalgien


Anamnese und klinischer Befund ○ Diese Symptome stellen häufige, aber sehr unspezi-

fische Symptome dar.


Verdacht auf KG sonst ● Neuropathie: ebenfalls häufig, aber unspezifisch und
oft nicht signifikant.
histologische Sicherung
KG-Bestimmung + der Vaskulitis Labor
● Zentrale Befunde:
Diagnose ○ Nachweis der KG (KG der Typen 2 und 3 können zu

einem messbaren Anstieg der Kryoglobuline auf 1–


Abb. 6.39 Kryoglobulinämie. Diagnostisches Vorgehen (ab-
5 mg/dl führen), bzw. Bestimmung des Kryokrits
hängig vom Primärbefund).
○ Komplementerniedrigung (CH50, C 1q, C 2 und C 4)

○ klinische Zeichen der KG Vaskulitis oder Thrombose


bestehen oder
Praxistipp ●
Z
Die größte Herausforderung bei der Diagnose dieser Er-
○ der direkte Nachweis von KG aus Proben mit Vaskuli-
tis oder Mikrothrombosen erbracht ist. krankungen stellt die Präanalytik bei der Bestimmung


der Kryoglobuline dar. Insbesondere die korrekte Abnah-

Merke
H me der Kryoglobuline unter Vermeidung von Tempera-
turabfällen im Probenmaterial, welche häufig schon bei
6
der Blutentnahme eintreten und damit zur Präzipitation
Häufig kommt der entscheidende Hinweis aus dem Be-
der KG führen, ist dabei entscheidend. Auch das Blutent-
fund der Nierenhistologie.
nahmematerial sollte daher auf 37 °C gewärmt sein und
die Entnahme in einer gut temperierten Umgebung
stattfinden.
Anamnese
● Vorwiegende klinische Präsentation des Typ 1:
○ oft asymptomatisch,
Histologie, Zytologie und klinische
○ typische Symptome entstehen durch Hyperviskosität
Pathologie
oder Thrombosen:
– Raynaud-Phänomen, Stanzbiopsie
– Ischämie der Extremitäten, ● Die Biopsie bringt meist den Nachweis einer leukozyto-
– Livedo reticularis,
klastischen Vaskulitis.
– palpable Purpura, ● Die Biopsie bringt weniger häufig aber auch Nachweis
– etwa ein Drittel mit Nierenbeteiligung.
hyaliner Thrombosen der Hautgefäße.
● Vorwiegende klinische Präsentation der Typen 2/3: ● Akute Läsionen zeigen oft Ablagerungen von IgM, IgG
○ oft unspezifische Symptome,
und/oder Komplement C 3.
○ Arthralgien, Müdigkeit, Myalgien,

○ Purpura (Vaskulitis),

○ periphere Neuropathie,
Nierenbiopsie
○ Nierenbeteiligung, ● Die KG manifestiert sich entweder
○ Meltzer-Triade: Arthralgien, Purpura, Schwäche bei ○ als Immunglobulin-mediierte membranoproliferative

ca. 25–30 %. Glomerulonephritis (Ig-MPGN; dominant bei ge-


mischter KG) oder
○ kryoglobulinämische Vaskulitis der kleinen Gefäße
Körperliche Untersuchung
mit Bildung von Mikrothromben.
● Hautbefunde (als am leichtesten sichtbare Manifestati-
on):
○ Typische Hautveränderungen finden sich bei 90–95 %
Knochenmarkbiopsie
aller symptomatischen Patienten, meist in Form von ● Im Rahmen der Differenzialdiagnose einer KG Typ 1
– erythematöse, makulopapulösen Läsionen der un- zum Ausschluss einer hämato-onkologischen Erkran-
teren Extremität. kung (▶ Abb. 6.39).
○ Akral betonte Hautsymptome sind

– Akrozyanose, Raynaud-Phänomen oder Ulzeratio-


nen.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.14.10 Differenzialdiagnosen Diagnose KG


● Ig-MPGN anderer Ursache (Kap. 6.5),
● andere Vaskulitiden kleiner Gefäße (Kap. 6.7, Kap. 6.8), Typ 1 Typ 2/3
● thrombotische Mikroangiopathien (Kap. 11.3, Kap. 11.4).
Knochen- Hepatitis C
6.14.11 Therapie mark-
biopsie
Bindegewebserkrankung
andere Infektionen
Therapeutisches Vorgehen Knochenmarkbiopsie

● Im Vordergrund steht immer die leitliniengerechte The-


rapie der Grunderkrankung (▶ Abb. 6.40). Therapie der Grunderkrankung gemäß aktuellen Leitlinien
bei RPGN, ZNS-Beteiligung, Organischämie zusätzlich
IV extrakorporale Therapie (Plasmaaustausch oder Kryofiltration)
Pharmakotherapie
● Gemäß den KDIGO-Leitlinien zur Hepatitis C aus dem Abb. 6.40 Kryoglobulinämie. Therapeutisches Vorgehen.
Jahr 2008 sollte in Abhängigkeit von der eGFR antiviral
behandelt werden [2].
● Systematische Erfahrungen zum Einsatz und der Wir- ● Indikation zum Einsatz eines extrakorporalen Verfah-
kung von Protease-Inhibitoren bei KG liegen noch nicht rens [2], [5]:
vor, es existieren aber bereits Fallberichte. ○ rapid-progressive Glomerulonephritis,

● Für die zusätzliche Therapie mit Rituximab bei Nieren- ○ schwere Beteiligung des zentralen Nervensystems

beteiligung sprechen: oder


○ Eine systematische Übersicht existierender Therapie- ○ Ischämie von Organen sowie

berichte mit Rituximab [1] (günstige Effekte auf den ○ hohe Kryoglobulinmengen (hoher sog. Kryokrit), da

Verlauf und die renale Beteiligung). hier ein Hyperviskositätssyndrom auftreten kann.
○ In einer Kohortenstudie führte Rituximab plus PEG-

Interferon/Ribavirin zu einer schnelleren Remission,


besserem renalen Ansprechen und besserer KG Besei-
6.14.12 Verlauf und Prognose
tigung [7]. ● Mittleres Überleben ca. 70 % 10 Jahre nach Beginn der
○ Patienten mit einer Kryoglobulinämie-bedingten Symptome und 50 % 10 Jahre nach Diagnose.
MPGN und nephrotischem Syndrom oder rascher ● Häufigste Todesursachen sind Infektionen und kardio-
Progredienz der Niereninsuffizienz sollten gemäß vaskuläre Erkrankungen.
den Leitlinien zusätzlich eine Plasmapherese, Rituxi- ● Generell hängt der Verlauf stark vom Ansprechen auf
mab oder Cyclophosphamid mit Methylprednisolon- die Therapie der Grunderkrankung ab.
Pulstherapie erhalten [2].
● Vorliegen einer KG-Vaskulitis in der Niere:
○ Hier ist von einer moderaten oder schweren Verlaufs-
6.14.13 Literatur
form auszugehen, sodass bei den monoklonalen Typ-1- [1] Cacoub P, Delluc A, Saadoun D et al. Anti-CD20 monoclonal antibody
(rituximab) treatment for cryoglobulinemic vasculitis: where do we
KG folgende Therapie erfolgen sollte:
stand? Ann Rheum Dis 2008; 67: 283–287
– entweder eine Chemotherapie des zugrunde liegen- [2] Kidney Disease: Improving Global O. KDIGO clinical practice guide-
den Malignoms oder lines for the prevention, diagnosis, evaluation, and treatment of he-
– eine Kombinationstherapie von Prednison (1–2 mg/ patitis C in chronic kidney disease. Kidney Int Suppl 2008, DOI:
kg pro Tag) und Cyclophosphamid 0,5–1 g/m2 10.1038/ki.2008.81: S 1–99
[3] Lamprecht P, Gause A, Gross WL. Cryoglobulinemic vasculitis. Arthri-
KOF i. v.
tis Rheum 1999; 42: 2507–2516
● Rückfälle sollten entsprechend der KDIGO-Leitlinie mit [4] Neel A, Perrin F, Decaux O et al. Long-term outcome of monoclonal
Rituximab behandelt werden. (type 1) cryoglobulinemia. Am J Hematol 2014; 89: 156–161
● Standardtherapie: adjuvante Therapie mit ACE-Hem- [5] Ramos-Casals M, Stone JH, Cid MC et al. The cryoglobulinaemias. Lan-
cet 2012; 379: 348–360
mern oder Angiotensin-Rezeptorblockern.
[6] Roccatello D, Fornasieri A, Giachino O et al. Multicenter study on he-
patitis C virus-related cryoglobulinemic glomerulonephritis. Am J
Interventionelle Therapie Kidney Dis 2007; 49: 69–82
[7] Saadoun D, Resche Rigon M, Sene D et al. Rituximab plus Peg-inter-
Plasmaseparation feron-alpha/ribavirin compared with Peg-interferon-alpha/ribavirin
in hepatitis C-related mixed cryoglobulinemia. Blood 2010; 116:
● Plasmapherese oder Kryofiltration (Doppelfiltrations- 326–334; quiz 504–325
Plasmapherese) ermöglichen die Entfernung der Kryo- [8] Strait RT, Posgai MT, Mahler A et al. IgG1 protects against renal dis-
globuline und sollte in schweren Fällen generell durch- ease in a mouse model of cryoglobulinaemia. Nature 2015; 517: 501–
504
geführt werden.

330 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.15 Diabetische Glomerulopathie

6.15 Diabetische Tab. 6.27 Stadieneinteilung der diabetischen Nephropathie nach


der Deutschen Diabetes Gesellschaft.
Glomerulopathie Stadium GFR in ml/min. Albuminurie

Martin Kimmel Nierenschädigung Ia > 90 30–300 mg/24 h


mit normaler Ib > 300 mg/24 h
Nierenfunktion
6.15.1 Steckbrief Nierenschädigung II 60–89 > 300 mg/24 h
mit Niereninsuffi- III 30–59 variabel
Die diabetische Nephropathie ist eine mikrovaskuläre zienz
Komplikation des Diabetes mellitus. In den Industriena- IV 15–29 variabel
tionen ist sie die häufigste zur Dialysepflichtigkeit füh- V < 15 variabel
rende Erkrankung. Die Prognose eines Diabetikers wird
durch das Auftreten einer diabetischen Nephropathie
ganz entscheidend bestimmt. Der Verlauf kann bei früh- ● Das Auftreten einer diabetischen Nephropathie ist ein
zeitiger Diagnosestellung und Therapie (Stoffwechselkon- entscheidender Grund für die deutlich erhöhte kardio-
trolle, nephroprotektiveTherapie mit Blockade des RAAS, vaskuläre Mortalität der Typ-1- und Typ-2 Diabetiker.
Blutdruckkontrolle) günstig beeinflusst werden.
6.15.6 Ätiologie und Pathogenese
6.15.2 Aktuelles ● Pathogenetisch wird ein Zusammenspiel von hämody-
namischen, metabolischen und genetischen Faktoren 6
● Empagliflozin, ein SGLT 2-Inhibitor (SGLT 2: sodium de-
pendent glucose cotransporter 2), zeigte bei Typ-2-Dia- für die Entstehung und das Fortschreiten der diabeti-
betikern in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie eine uner- schen Nephropathie verantwortlich gemacht.
wartete Überlegenheit bei kardiovaskulären Hochrisi- ● Die Abläufe sind in ▶ Abb. 6.41 vereinfacht dargestellt.
kopatienten hinsichtlich diverser, auch renaler End-
punkte [1]. 6.15.7 Klassifikation
● Die deutsche Diabetes Gesellschaft teilt die diabetische
6.15.3 Synonyme Nephropathie in 5 Stadien ein (▶ Tab. 6.27).
● Diabetische Glomerulopathie ● Diese Stadieneinteilung orientiert sich an der interna-
● Diabetic glomerulopathy tionalen Einteilung der chronischen Niereninsuffizienz
● Diabetische Nephropathie nach KDGIO.
● Diabetic nephropathy
6.15.8 Klinik
6.15.4 Definition Krankheitsphasen (Mogensen) bei
● Die diabetische Nephropathie ist eine mikrovaskuläre Diabetes mellitus Typ I
Komplikation des Diabetes mellitus.
● Eine diabetische Glomerulopathie tritt bei ca. 25–30 %
aller Diabetiker nach mehrjährigem Krankheitsverlauf
6.15.5 Epidemiologie auf und durchläuft klassischerweise 2 Phasen:
○ eine stumme Phase von 10–15 Jahren mit initialer
● Etwa 35–45 % der Patienten mit insulinabhängigem
glomerulärer Hyperfiltration (0–5 Jahre), gefolgt vom
Typ-1-Diabetes und etwa 20 % der Patienten mit nicht-
Auftreten einer Mikroalbuminämie ca. 5–15 Jahre
insulinabhängigem Typ-2-Diabetes entwickeln nach
nach Diagnosestellung,
10- bis 30-jährigem Krankheitsverlauf eine diabetische
○ eine Phase der klinisch manifesten Nephropathie mit
Nephropathie.
– persistierender Albuminurie (> 300 mg/Tag),
● Ca. 90 % der Diabetiker leiden an einem Typ-2-Diabetes:
– Hypertonie und
○ Die bessere medizinische Betreuung dieser Patienten,
– progredientem GFR-Verlust.
insbesondere die optimierte Prävention und Therapie
● Proteinurie:
kardiovaskulärer Komplikationen, hat dazu geführt,
○ Eine mit normalen Teststreifen fassbare Proteinurie
dass in den letzten Jahren durch die gestiegene Le-
von > 300 mg/24 h wird nach etwa 15-jährigem
benserwartung eine zunehmende Zahl der Typ-2-Dia-
Krankheitsverlauf nachweisbar (▶ Abb. 6.42).
betiker das Stadium der terminalen Niereninsuffi-
○ Mit Auftreten der Proteinurie kommt es zum fort-
zienz erreicht.
schreitenden GFR-Verlust, der bei > 50 % der Patienten
● Der Typ-2-Diabetes ist inzwischen die häufigste Ursa-
innerhalb weiterer 5–10 Jahre zu einer terminalen
che der chronischen Niereninsuffizienz in Europa und
Niereninsuffizienz führt.
den USA.

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6.15 Diabetische Glomerulopathie

6.15 Diabetische Tab. 6.27 Stadieneinteilung der diabetischen Nephropathie nach


der Deutschen Diabetes Gesellschaft.
Glomerulopathie Stadium GFR in ml/min. Albuminurie

Martin Kimmel Nierenschädigung Ia > 90 30–300 mg/24 h


mit normaler Ib > 300 mg/24 h
Nierenfunktion
6.15.1 Steckbrief Nierenschädigung II 60–89 > 300 mg/24 h
mit Niereninsuffi- III 30–59 variabel
Die diabetische Nephropathie ist eine mikrovaskuläre zienz
Komplikation des Diabetes mellitus. In den Industriena- IV 15–29 variabel
tionen ist sie die häufigste zur Dialysepflichtigkeit füh- V < 15 variabel
rende Erkrankung. Die Prognose eines Diabetikers wird
durch das Auftreten einer diabetischen Nephropathie
ganz entscheidend bestimmt. Der Verlauf kann bei früh- ● Das Auftreten einer diabetischen Nephropathie ist ein
zeitiger Diagnosestellung und Therapie (Stoffwechselkon- entscheidender Grund für die deutlich erhöhte kardio-
trolle, nephroprotektiveTherapie mit Blockade des RAAS, vaskuläre Mortalität der Typ-1- und Typ-2 Diabetiker.
Blutdruckkontrolle) günstig beeinflusst werden.
6.15.6 Ätiologie und Pathogenese
6.15.2 Aktuelles ● Pathogenetisch wird ein Zusammenspiel von hämody-
namischen, metabolischen und genetischen Faktoren 6
● Empagliflozin, ein SGLT 2-Inhibitor (SGLT 2: sodium de-
pendent glucose cotransporter 2), zeigte bei Typ-2-Dia- für die Entstehung und das Fortschreiten der diabeti-
betikern in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie eine uner- schen Nephropathie verantwortlich gemacht.
wartete Überlegenheit bei kardiovaskulären Hochrisi- ● Die Abläufe sind in ▶ Abb. 6.41 vereinfacht dargestellt.
kopatienten hinsichtlich diverser, auch renaler End-
punkte [1]. 6.15.7 Klassifikation
● Die deutsche Diabetes Gesellschaft teilt die diabetische
6.15.3 Synonyme Nephropathie in 5 Stadien ein (▶ Tab. 6.27).
● Diabetische Glomerulopathie ● Diese Stadieneinteilung orientiert sich an der interna-
● Diabetic glomerulopathy tionalen Einteilung der chronischen Niereninsuffizienz
● Diabetische Nephropathie nach KDGIO.
● Diabetic nephropathy
6.15.8 Klinik
6.15.4 Definition Krankheitsphasen (Mogensen) bei
● Die diabetische Nephropathie ist eine mikrovaskuläre Diabetes mellitus Typ I
Komplikation des Diabetes mellitus.
● Eine diabetische Glomerulopathie tritt bei ca. 25–30 %
aller Diabetiker nach mehrjährigem Krankheitsverlauf
6.15.5 Epidemiologie auf und durchläuft klassischerweise 2 Phasen:
○ eine stumme Phase von 10–15 Jahren mit initialer
● Etwa 35–45 % der Patienten mit insulinabhängigem
glomerulärer Hyperfiltration (0–5 Jahre), gefolgt vom
Typ-1-Diabetes und etwa 20 % der Patienten mit nicht-
Auftreten einer Mikroalbuminämie ca. 5–15 Jahre
insulinabhängigem Typ-2-Diabetes entwickeln nach
nach Diagnosestellung,
10- bis 30-jährigem Krankheitsverlauf eine diabetische
○ eine Phase der klinisch manifesten Nephropathie mit
Nephropathie.
– persistierender Albuminurie (> 300 mg/Tag),
● Ca. 90 % der Diabetiker leiden an einem Typ-2-Diabetes:
– Hypertonie und
○ Die bessere medizinische Betreuung dieser Patienten,
– progredientem GFR-Verlust.
insbesondere die optimierte Prävention und Therapie
● Proteinurie:
kardiovaskulärer Komplikationen, hat dazu geführt,
○ Eine mit normalen Teststreifen fassbare Proteinurie
dass in den letzten Jahren durch die gestiegene Le-
von > 300 mg/24 h wird nach etwa 15-jährigem
benserwartung eine zunehmende Zahl der Typ-2-Dia-
Krankheitsverlauf nachweisbar (▶ Abb. 6.42).
betiker das Stadium der terminalen Niereninsuffi-
○ Mit Auftreten der Proteinurie kommt es zum fort-
zienz erreicht.
schreitenden GFR-Verlust, der bei > 50 % der Patienten
● Der Typ-2-Diabetes ist inzwischen die häufigste Ursa-
innerhalb weiterer 5–10 Jahre zu einer terminalen
che der chronischen Niereninsuffizienz in Europa und
Niereninsuffizienz führt.
den USA.

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Diabetes mellitus Abb. 6.41 Diabetische Nephropathie. Pa-


thogenese der diabetischen Nephropathie.
+ Genetische Prädisposition, schlechte Dia-
Familienanamnese Prädisposition zur beteseinstellung und Interaktion von An-
für Hypertonie diabetischen Nephropathie giotensin II und anderen Mediatoren führen
zu glomerulärer Hyperfiltration, intraglo-
+ merulärem Druckanstieg und Hypertrophie
Hyperglykämie der Glomeruli. Diese Vorgänge fördern die
Deposition von Glykoproteinen in Basal-
+ membranen und Mesangiumzellen. Folge ist
eine Störung der mechanischen und elek-
Interaktion von Angiotensin II und anderen vasoaktiven
trostatischen Filterfunktion der glomerulä-
und proliferativen Mediatoren (z. B. Wachstumshormone,
Insulin-like Growth Factor I [IGF-I], Transforming Growth ren Kapillaren mit Auftreten einer
IV Factor β, plättchenaktivierender Faktor und Thromboxan A2) Albuminurie. Die genannten Faktoren füh-
ren schließlich zur Ausbildung einer Glo-
merulosklerose, die zusätzlich durch die sich
entwickelnde systemische Hypertonie ge-
Hyperfiltration, erhöhter glomerulär-kapillarer Filtrations-
druck, mesangiale Hypertrophie und Hyperplasie fördert wird. (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann
U. Nierenbeteiligung bei Diabetes mellitus.
In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al.,
Ablagerung von Glykoproteinen Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig über-
in glomerulären Basalmembranen mit arbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart:
Störung der Thieme; 2015)
– mechanischen und
– elektrostatischen Filterfunktion

Albuminurie

systemische
Entwicklung einer Glomerulosklerose Hypertonie

Nephronverlust

terminale Niereninsuffizienz

● Für Typ-1-Diabetiker wurde von Mogensen eine Pha- 2. Phase: Latenzstadium


seneinteilung der diabetischen Nephropathie vorgelegt,
● Charakteristika:
die nur mit Einschränkungen für Typ-2-Diabetiker gilt
○ hochnormale oder rückläufige GFR,
und eine Verbindung zwischen renaler Morphologie
○ Verdickungen der glomerulären Basalmembranen
und Klinik herzustellen versucht.
und mesangiale Proliferationen werden sichtbar,
● Neuere Beobachtungen zeigen allerdings, dass der Nie-
○ normaler Blutdruck und Urinbefund bei Typ-1-Dia-
renfunktionsverlust auch ohne Albuminurie voran-
betikern.
schreiten kann.

1. Phase: Glomeruläre Hyperfiltration 3. Phase: Auftreten einer Mikroalbuminurie


(30–300 mg Albumin/24 h)
● Charakteristika:
○ Zunahme der GFR um 20–40 %, ● Die zunehmende Schädigung der glomerulären Kapilla-
○ glomeruläre Hypertrophie, ren wird erkennbar an der ansteigenden Albuminex-
○ sonografisch Zunahme der Nierengröße, kretionsrate.
○ normale Blutdruckwerte und unauffällige Urinbefun- ● Charakteristika:
○ Auftreten kleiner Mengen Albumin (30–300 mg/24 h)
de bei Typ-1-Diabetikern,
○ bei Typ-2-Diabetikern finden sich bereits in diesem im Urin:
Stadium gehäuft Mikroalbuminurie und Hypertonie. – Diese Mikroalbuminurie entwickelt sich bei 30–50 %
der Typ-1-Diabetiker nach ca. 5- bis 10-jähriger
Krankheitsdauer;

332 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.15 Diabetische Glomerulopathie

Makroalbuminurie Abb. 6.42 Diabetische Glomerulopathie.


Mikro- und Makroalbuminurie-Screening bei
(Teststreifen) Diabetes mellitus. Beginn bei Typ-1-Dia-
betikern ca. 5 Jahre nach Krankheitsbeginn,
bei Typ-2-Diabetikern bei Diagnosestellung.
* bei einmalig positivem Test Wiederholung
nach 3–6 Monaten. Falls in 2 von 3
untersuchten Urinen die Albuminkonzen-
tration zwischen 30 und 300 mg/g Kreatinin
Bestätigung Mikroalbuminurie liegt, kann das Vorliegen einer persistieren-
den Mikroalbuminurie angenommen wer-
Eiweiß-Kreatinin-Quotient (semiquantitative Teststreifen) den. (Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U.
(Spoturin) > 300 mg/g
Nierenbeteiligung bei Diabetes mellitus. In:
Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg.
Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete
und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015)

Bestätigung*
Screening
Retinopathie?
Albumin-Kreatinin-Quotient 1 ×/Jahr
(Spoturin) > 30 mg/g
6

ja nein

diabetische beginnende diabetische


Nephropathie Nephropathie

Ausschluss anderer
Therapie Ursachen der Nephropathie Therapie

– bei Typ-2-Diabetikern ist eine Mikroalbuminurie


bei 20– 30 % der Patienten bereits zum Diagnose-
zeitpunkt nachweisbar.
Merke ●
H
Die Mikroalbuminurie ist das früheste Zeichen einer dia-
○ GFR noch normal, betischen Nephropathie und wichtiger Risikofaktor für
○ Blutdruck bei Typ-1-Diabetikern häufig noch im das Auftreten kardiovaskulärer Komplikationen.
Normbereich, bei Typ-2-Diabetikern Auftreten oder
Verschlechterung einer manifesten Hypertonie,
○ morphologische Veränderungen wie im Stadium II, ● Mikroalbuminurie-Screening
○ Anstieg des Risikos für die Entwicklung ○ erfolgt optimalerweise im Morgenurin und
– mikrovaskulärer (Retinopathie, fortschreitende ○ sollte 1- bis 2-mal/Jahr beginnend 5 Jahre nach Diag-
Nephropathie, Neuropathie) und nose des Typ-1-Diabetes bzw. bei erstmaligem Nach-
– makrovaskulärer Komplikationen (koronare Herz- weis eines Typ-2-Diabetes durchgeführt werden
krankheit, zerebrovaskuläre Erkrankungen, peri- (▶ Abb. 6.42).
phere arterielle Verschlusskrankheit) für Typ-1- ○ Optimal ist die Erfassung der Albuminexkretion im
und Typ-2-Diabetiker, 24-Stunden-Sammelurin oder Spoturin (am besten
○ Verschlechterung des kardiovaskulären Risikoprofils Morgenurin).
mit Hyperlipidämie, Hypertonie und Insulinresistenz. ○ Eine persistierende Mikroalbuminurie kann ange-

nommen werden, wenn


– in 2 von 3 untersuchten Urinen die Albuminkon-
zentration zwischen 30 und 300 mg/24 h oder zwi-
schen 30–300 mg Albumin/g Kreatinin liegt
(▶ Tab. 6.28).

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Tab. 6.28 Definitionen von Mikroalbuminurie und Makroalbuminurie im 24-Stunden-Urin und im Spoturin.
24-Stunden-Urin Albumin-Kreatinin-Quotient
Normale Albuminausscheidung < 30 mg/24 h < 30 mg/g
Mikroalbuminurie 30–300 mg/24 h 30–300 mg/g
Makroalbuminurie (mit Teststreifen fassbar) > 300 mg/24 h > 300 mg/g

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass körperliche An- ● Aber der Verlauf dieser Veränderungen ist variabler
strengungen, Harnwegsinfekte, schlecht eingestellte Hy- und weist einige Unterschiede zur Nephropathie bei
pertonie, Herzinsuffizienz und Fieber mit einer transien- Typ-1-Diabetikern auf:
ten Mikroalbuminurie einhergehen können und der ○ Mikro- bzw. Makroalbuminurie und eine Hypertonie

Nachweis kleiner Albuminmengen im Rahmen der ge- bei ca. 50 % der Typ-2-Diabetiker bereits zum Zeit-
IV
nannten Zustände nicht als Zeichen einer beginnenden punkt der Diagnose.
Nephropathie gewertet werden kann. ○ Makrovaskuläre Komplikationen, insbesondere die

koronare Herzkrankheit, ebenfalls bereits häufig bei


4. Phase: Auftreten einer Makroalbuminurie Diagnose des Typ-2-Diabetes vorhanden (= gefürchte-
te Todesursachen vor Eintritt einer terminalen
(> 300 mg/24 h)
Niereninsuffizienz).
● Charakteristika: ○ Nierenbiopsie: Bei Typ-2-Diabetes gehäuft unspezi-
○ mit normalem Teststreifen fassbare Albuminurie fische interstitielle und vaskuläre Veränderungen, ca.
von > 300 mg/24 h (▶ Tab. 6.28), 20 % der Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz
○ Zunahme der Proteinurie um 20–40 % mit häufiger haben eine nichtdiabetische renale Erkrankung.
Entwicklung eines nephrotischen Syndroms,
○ Auftreten ca. 10–20 Jahre nach Diagnosestellung

eines Typ-1-Diabetes, 6.15.9 Diagnostik


○ Entwicklung einer Hypertonie bei den meisten Pa-
Diagnostisches Vorgehen
tienten,
○ ohne Therapie kontinuierlicher Abfall der GFR um ca. ● Die Diagnose einer diabetischen Nephropathie bietet
0,5–1 ml/Monat, insbesondere bei Typ-1-Diabetikern aufgrund des typi-
○ GFR-Abfall korreliert mit der Höhe der Blutdruckwerte, schen Krankheitsverlaufs keine Schwierigkeiten. So ist
○ morphologisch Ausbildung einer nodulären oder dif- es gerechtfertigt, bei diabetischen Patienten das Auftre-
fusen Glomerulosklerose (Kimmelstiel-Wilson). ten einer Proteinurie, einer Hypertonie, eines nephroti-
schen Syndroms und einer progredienten Abnahme der
GFR nach 10- bis 20-jährigem Krankheitsverlauf ohne
5. Phase: Spätphase der Nephropathie nach weitere diagnostische Maßnahmen auf eine diabetische
ca. 20 Jahren Diabetesdauer Glomerulopathie zurückzuführen (Die diabetische
● Charakteristika: Nephropathie ist gekennzeichnet durch: Mikroalbumi-
○ Niereninsuffizienz mit Kreatininanstieg bis zur termi- nurie, Makroalbuminurie, Nephrotisches Syndrom, Hy-
nalen Niereninsuffizienz, pertonie Niereninsuffizienz).
○ glomeruläre Proteinurie, häufig Entwicklung eines ○ Ein gleichzeitiger Nachweis einer diabetischen Reti-

nephrotischen Syndroms, nopathie untermauert die Diagnose.


○ behandlungsbedürftige Hypertonie bei fast allen Pa- ○ Allerdings ist zu beachten, dass bei etwa 30 % der Pa-

tienten. tienten mit Typ-2-Diabetes und bioptisch gesicherter


● Zu diesem Zeitpunkt verschlechtern extrarenale mikro- diabetischer Nephropathie Fundusveränderungen
und makrovaskuläre Komplikationen des Diabetes mel- fehlen können.
litus wie Retinopathie, Neuropathie, koronare Herz-
krankheit, zerebrovaskuläre Symptome und periphere
arterielle Verschlusskrankheit das klinische Bild und
6.15.10 Differenzialdiagnosen
tragen zur zunehmenden Invalidisierung der Patienten ● Eine nichtdiabetische Nephropathie sollte differenzial-
bei. diagnostisch in Betracht gezogen werden bei:
○ Auftreten einer Proteinurie bei < 5-jährigem Krank-

heitsverlauf eines Typ-1-Diabetes,


Unterschiede bei Diabetes mellitus Typ 2 ○ einem akuten Krankheitsgeschehen (rasches Auftre-
● Bei Typ-2-Diabetikern zeigen sich im Rahmen der Ent- ten einer Proteinurie oder schneller GFR-Verlust),
wicklung einer diabetischen Nephropathie häufig identi- ○ nephritischem Sediment mit Nachweis dysmorpher
sche glomeruläre Veränderungen wie bei Diabetes Typ 1. Erythrozyten, Akanthozyten und Erythrozytenzylinder,

334 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.15 Diabetische Glomerulopathie

○ asymmetrischer Nierengröße mit raschem Abfall der ○ diätetische Eiweißrestriktion (?): Eine proteinarme
GFR nach Therapiebeginn mit ACE-Hemmern bei Typ- Kost mit 0,6–0,8 g Eiweiß/kg Körpergewicht scheint
2-Diabetikern (Nierenarterienstenose?), dem Nierenfunktionsverlust bei diabetischer Nephro-
○ auf Vaskulitis hinweisende systemische Symptome, pathie entgegenzuwirken.
○ Fehlen einer Retinopathie bei Typ-1-Diabetikern.
Pharmakotherapie
6.15.11 Therapie Optimale Stoffwechselkontrolle
Therapeutisches Vorgehen
● Der Maßnahmenkatalog zur Progressionshemmung
einer diabetischen Nephropathie bei Typ-2-Diabetikern
Merke ●
H
Wichtig ist die Festlegung von individuellen Stoffwechsel-
umfasst im Wesentlichen 6 Punkte (▶ Tab. 6.29, zielen:
▶ Abb. 6.43): ● Es wird bei Typ-1- und Typ-2-Diabetiker zur Primärprä-
○ Optimale Stoffwechselkontrolle,
vention oder verzögerten Progression mikrovaskulärer
○ Frühzeitige Erfassung und Behandlung einer Hyper-
Komplikationen ein niedriger HbA1c-Wert empfohlen.
tonie unter Einbeziehung von ACE-Hemmern oder ● Beim älteren Typ-2-Diabetiker sollten bei manifesten
AT-II1-Rezeptorblockern, makrovaskulären Komplikationen Hypoglykämien ver-
○ RAAS-Blockade mit ACE-Hemmern oder AT-II1-Rezep-
mieden und höhere HbA1c-Werte akzeptiert werden.
torblockern auch bei normotensiven Patienten mit Mi-
kroalbuminurie oder fortgeschrittener Nephropathie
6
(Albuminurie > 300 mg/Tag, GFR-Verminderung),
○ Vermeidung nephrotoxischer Medikamente, Kon- Tab. 6.29 Maßnahmen zur Progressionshemmung einer diabeti-
trastmittelgabe nur bei strenger Indikationsstellung, schen Nephropathie bei Typ-2-Diabetikern*.
○ medikamentöse Senkung erhöhter LDL-Cholesterin- Interventionen Therapieziele
spiegel. Blutdruckkontrolle < 130/80 mmHg
Hemmung des Renin-Angio- Proteinurie < 0,3 g/24 h
Allgemeinmaßnahmen tensin-Aldosteron-Systems
Korrektur der Hyperlipidämie LDL-Cholesterin < 100 mg/dl
● Lifestyle-Modifikation:
(< 2,6 mmol/l)
○ Gewichtsabnahme,
Gute Diabeteseinstellung HbA1c ≤ 7 %
○ Natriumrestriktion bei Hypertonie,

○ körperliche Aktivität,
* Zusätzlich sind Gewichtsabnahme, körperliche Aktivität und
Einstellung des Nikotinkonsums zu empfehlen.
○ Einstellung des Nikotinkonsums,

Früherkennung und Prävention eines Diabetes Abb. 6.43 Diabetische Glomerulopathie.


Prävention und Progressionshemmung des
Diabetes, der diabetischen Nephropathie
und assoziierter kardiovaskulärer Erkran-
Diabetes kungen. Bei diagnostiziertem Diabetes kann
eine gute Blutzuckerkontrolle der Entwick-
lung einer diabetischen Nephropathie ent-
gegen wirken. Eine gute Blutzucker- und
diabetische Nephropathie
Blutdruckkontrolle und eine RAAS-Hem-
mung kann das Fortschreiten einer diabeti-
schen Nephropathie hemmen bzw.
gute Blutzuckereinstellung
verzögern. Eine gute Blutzucker-, Blutdruck-
und eine gute Fettstoffwechselkontrolle
Blutdruckkontrolle können das deutlich erhöhte kardiovaskulä-
re Risiko senken. (RAAS = Renin-Angioten-
sin-Aldosteron-System). (Quelle: Kimmel M,
RAAS-Hemmung Fettstoffwechselkontrolle
Kuhlmann U. Prävention bei manifestem
Diabetes. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann
Vermeidung nephrotoxischer Medikamente U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig
überarbeitete und erweiterte Auflage.
Stuttgart: Thieme; 2015.)
dialysepflichtige kardiovaskuläre
Niereninsuffizienz Erkrankungen

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

● Der erste Schritt in der Stoffwechselkontrolle ist das ○ das Risiko einer Progression der diabetischen Nephro-
Festlegen eines individuellen Therapieziels für jeden pathie kann um 50 % gesenkt werden kann, wenn
Patienten. durch bessere Diabeteseinstellung eine Absenkung
● Typ-1-Diabetiker: des erhöhten HbA1c-Wertes um 1–1,5 % erzielt wird.


H
○ im DCCT (= Diabetes Control and Complication Trial)

konnte gezeigt werden, dass eine intensive Diabetes-


therapie mit möglichst optimaler Stoffwechselkon- Merke
trolle im Vergleich zur konventionellen Insulingabe Eine gute Stoffwechselkontrolle ist beim Typ-1-Diabetiker
die Entwicklung diabetischer Spätkomplikationen als während der ersten Behandlungsjahre zur Verhinderung
Primärprävention z. T. verhindert und als Sekundär- renaler Langzeitkomplikationen wichtig.
prävention verzögert. So konnte das Risiko der Ent-
wicklung einer Mikro- und Makroalbuminurie durch
IV intensivierte Stoffwechselkontrolle um 39 % bzw. 51 % ● Typ-2-Diabetiker:
reduziert werden. ○ Auch für Typ-2-Diabetiker ist der Nutzen der strikten
○ Bei Einstellung von Typ-1-Diabetikern ist durch mul- Blutzuckerkontrolle auf die Entwicklung mikrovasku-
tiple Insulininjektionen ein nicht mehr als 1 % über lärer Komplikationen durch die UKPDS-Studie und
der oberen Normgrenze liegender HbA1c-Wert anzu- weitere Studien belegt.
streben. ○ Zielwerte bei Einstellung des Typ-2-Diabetes sind:
○ Nach Abschluß des DCCT wurde die EDIC (= Epi- – ein Nüchternblutzucker < 140 mg/dl, optimal
demiology of Diabetes Interventions and Complicati- < 110 mg/dl,
ons)-Nachbobachtungssudie initiiert: trotz Anglei- – ein postprandialer Blutzuckerwert < 180 mg/dl,
chung der HbA1c-Werte lag bei den ehemals intensiv – ein HbA1c-Wert < 7 %.


H
behandelten Patieten nach 10,5 Jahren die Mikro-
albuminurieinzidenz um 50 % niedriger. Nach 22 Jah-
ren konnte das Risiko für die Entwicklung einer Nie- Merke
reninsuffizienz und eine Dialysepflichtigkeit um 50 % Die ACCORD-Studie (intensive Glukosekontrolle mit einem
bzw. 51 % gesenkt werden. Ziel-HbA1c von < 6 % versus Ziel-HbA1c von 7,0–7,9 %) hat
○ Eine gute Stoffwechselkontrolle ist beim Typ-1-Dia- gezeigt, dass eine strengere Stoffwechselkontrolle bei älte-
betiker wärend der ersten Behandlungsjahre zur Ver- ren Typ-2-Diabetikern mit manifesten makrovaskulären
hinderung renaler Langzeitkomplikationen wichtig - Komplikationen zu einer erhöhten Mortalität führt. Es er-
dieser Effekt wird als „Stoffwechselgedächtnis“ be- geben sich daher individuelle Therapieziele aufgrund der
zeichnet. in ▶ Tab. 6.30 angegeben Faktoren.
○ Auch bei bereits fassbarer Nephropathie führt eine in-

tensivierte Insulintherapie
○ zur Verminderung einer bereits bestehenden Mikro-

albuminurie und
○ zur Normalisierung der erhöhten GFR in der Initial-

phase des Diabetes mellitus.

Tab. 6.30 Individualisierte Therapieziele bei Diabetes mellitus Typ II.


← HbA1c-Bandbreite →
Intensive Einstellung (HbA1c ca. 6,0 %) Faktoren Liberale Einstellung (HbA1c ca. 8,0 %)
Hochmotiviert, gut geschult, hohe Thera- Psychosoziale Aspekte Nicht motiviert, nicht schulbar, keine The-
pieadhärenz rapieadhärenz
Niedrig Risiko der Hypoglykämie Hoch
Kurz Dauer des Typ-2-Diabetes Lang
Hoch Lebenserwartung Niedrig
Keine Mikrovaskuläre Krankheitsmanifestation Fortgeschritten
Keine Kardiovaskuläre Erkrankung Manifest
Keine Komorbiditäten Mehrere und/oder schwere

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6.15 Diabetische Glomerulopathie

Antidiabetische Therapie Frühzeitige Erfassung und konsequente


● Beim Diabetiker mit eingeschränkter Nierenfunktion Behandlung hypertensiver Blutdruckwerte:
besteht ein erhöhtes Hypoglykämierisiko durch: Zielblutdruck < 130/ < 80 mmHg
○ den verlangsamten Abbau von Insulin,
● Konsequente Blutdrucksenkung bei hypertensiven
○ die reduzierte Glukoneogenese der Nieren und
Diabetikern trägt entscheidend bei
○ eine verlängerte Halbwertzeit von bestimmten oralen
○ zur Nephroprotektion und
Antidiabetika. ○ zur Senkung der Gesamt- und kardiovaskulären Mor-
● Pharmakologische Möglichkeiten mit dem Ziel einer talität.
Stoffwechselkontrolle: ▶ Tab. 6.31.

Tab. 6.31 Pharmakologische Möglichkeiten der Stoffwechselkontrolle bei Diabetes mellitus Typ 2.
Gruppe Wirkstoff HbA1c- Vorteile Nachteile
Reduktion
Biguanide Metformin 1,0–2,0 Umfangreiche klinische Erfahrung Gastrointestinale Nebenwirkungen
Hypogkykämie selten Renale Elimination
Verbessertes Lipidprofil Sehr selten Laktazidose
Verringerte kardiovaskuläre Ereig- Nur bei GFR > 60 ml/min zugelassen*
nisse 6
Gewichtsverlust bei einigen Patien-
ten
Sulfonylharnstoffe Glimepirid, 1,0–1,5 Umfangreiche klinische Erfahrung Hypoglykämie
Gliquidon Gewichtszunahme
Überwiegend renale Elimination (Aus-
nahme Gliquidon)
Nur bei GFR > 30 ml/min zugelassen
(Ausnahme Gliquidon GFR > 15 ml/min)
Meglitinide Repaglininde 0,5–1,0 Nur zu 10 % renal eliminiert Geringe Effektivität
Gelegentlich Hypoglykämie
Gewichtszunahme
Keine Langzeiterfahrungen
Thiazolidindione Pioglitazone 0,5–1,4 Bis zu einer GFR von 4 ml/min. Ödembildung
zugelassen Kontraindikationen: Herzinsuffizienz,
Ohne Dosisanpassung bei Nierenin- Volumenüberladung
suffizienz einsetzbar Erhöhtes Risiko für Blasenkrebs und
Hinweise auf positive Effekte bei Frakturen
kardiovaskulären Endpunkte Keine Langzeiterfahrungen
Dipeptidylpeptidase Sitagliptin, 0,5–0,8 Bei moderater bis schwerer Nieren- Keine Langzeiterfahrungen
(DPP) IV-Inhibitor Saxagliptine, funktionseinschränkung einsetzbar
Vildagliptin, (Zulassungsstatus beachten)
Linagliptin
Alpha-Glukosidase- Acarbose 0,5–0,9 Bei GFR > 25 ml/min. zugelassen Gastrointestinale Nebenwirkungen
Hemmer Geringe Effektivität
Wenig Erfahrungen bei Niereninsuffi-
zienz
Insulin Kurzwirksam: 1,0–2,5 Großer Effekt bei allen Patienten Hypoglykämie
Humaninsulin, Gewichtszunahme
Aspartat,
Glulisine, Lispro
Langwirksam:
Protamin,
Detemir,
Glargin,
Mischinsulin-
präperationen
* Metformin ist in Deutschland nur bis zu einer GFR von > 60 ml/min zugelassen. Die Literatur zeigt eine sehr niedrige Inzidenz der
Laktazidose unter Metformin bis zu einer GFR > 30 ml/min, sodass andere internationale Fachgesellschaften mittlerweile empfehlen
Neueinstellungen mit Metformin bis zu einer GFR von > 45 ml/min. vorzunehmen und Metformin erst bei einer GFR < 30 ml/min
abzusetzen.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Blockade des Renin-Angiotensin-Aldosteron- 6.15.12 Prävention


Systems (RAAS)


● Präventive Maßnahmen zur Vermeidung eines Typ-2-

Merke
H Diabetes:
○ Das Auftreten eines Typ-2-Diabetes ist Folge eines Zu-

sammenspiels
Aus Gründen der möglichst frühzeitigen Nephro- und
– genetischer Prädisposition und
Kardioprotektion wird heute bei allen hypertensiven Dia-
– modifizierbarer Risikofaktoren wie Adipositas und
betikern und auch bei normotensiven Diabetikern mit Mi-
körperliche Inaktivität.


kroalbuminurie eine Hemmung des RAAS mit ACE-Hem-
mern oder AT-II1-Rezeptoroblockern angestrebt.
Merke
H
IV ● ACE-Hemmer oder AT-II1-Rezeptorblocker senken
Überzeugende Studien haben gezeigt, dass adipöse Pa-
den systemischen Blutdruck, entfalten jedoch im Ver- tienten mit pathologischem Glukosetoleranztest durch
konsequente Änderung der Lebensgewohnheiten mit
gleich zu anderen Antihypertensiva überlegene reno-
Gewichtsabnahme von > 5 % und regelmäßiger körper-
protektive und antiproteinurische Effekte durch
○ Senkung des glomerulären Filtrationsdrucks infolge
licher Aktivität der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes er-
folgreich vorbeugen können.
Vasodilatation der efferenten Arteriolen und
○ Abschwächung fibroproliferativer Effekte von Aldo-

steron und Angiotensin II.


● Prävention bei manifestem Diabetes:
● Progressionshemmung der diabetischen Nephropathie
○ Präventive Maßnahmen nach Diagnose eines Diabetes
durch RAAS-Hemmung: Die Evidenzlage ist von dem
mellitus haben die Ziele
Ausmaß der Proteinurie abhängig:
○ Normoalbuminurie: Nur bei hypertensiven Typ -2-
– der Entwicklung einer diabetischen Nephropathie
entgegen zu wirken,
Diabetikern findet sich einen positiver Effekt der
– bei nachweisbarer Mikroalbuminurie das Fort-
RAAS-Hemmung
○ Mikroalbuminurie (> 30 mg/Tag): Nephroprotektion
schreiten der Nephropathie und die Entwicklung
einer Niereninsuffizienz zu verzögern und
durch ACE-Hemmer bzw. AT-II1-RB und Verzögerung
– das deutlich erhöhte kardiovaskuläre Risiko dieser
der Progression zu einer Makroalbuminurie.
○ Makroalbuminurie (> 300 mg/Tag): Positiver Effekt
Patienten zu senken.
der RAAS-Hemmung auf die weitere Progressions-
hemmung der diabetischen Nephropathie. 6.15.13 Verlauf und Prognose
● Zusätzliche diabetische Sekundärkomplikationen er-
Medikamentöse Senkung erhöhter schweren häufig die erfolgreiche Rehabilitation dieser
LDL-Cholesterinspiegel Patientengruppe im Rahmen der Dialysebehandlung
● Statine senken die Mortalität und kardiovaskuläre Er- und Transplantation. Dazu gehören:
○ generalisierte Arteriosklerose,
eignisse bei Patienten mit niedrigeren Stadien der dia-
○ Neuropathie,
betischen Nephropathie.
○ Retinopathie.
● Statine haben allenfalls einen geringen bzw. keinen Ef-
fekt bei Dialysepatienten:
○ Bei fehlender Evidenz sollte eine Statin- oder Statin/
6.15.14 Literatur
Ezetimib-Therapie beim dialysepflichtigen Diabetiker
[1] Wanner C, Inzucchi SE, Lachin JM et al. EMPA-REG OUTCOME Inves-
nicht begonnen werden,
tigators. Empagliflozin and Progression of Kidney Disease in Type 2
○ eine bestehende Therapie sollte aber bei Eintreten
Diabetes. N Engl J Med 2016; 375(4): 323–34
einer Dialysepflichtigkeit nicht unbedingt abgesetzt
werden. Weiterführende Literatur
[2] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Diabetes mellitus. In:
Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll-
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme;
2015: 136–235

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6.16 Nierenbeteiligung bei Tumorerkrankungen

6.16 Nierenbeteiligung bei 6.16.4 Epidemiologie


Tumorerkrankungen Über 50 % aller Patienten mit akuten Tumorerkrankungen
haben eine eingeschränkte Nierenfunktion (GFR < 90 ml/
Martin Kimmel min). In 5 Jahren entwickeln 27 % ein akutes Nierenver-
sagen [4], [5].
Die Epidemiologie ist je nach zugrundeliegender Tu-
6.16.1 Steckbrief
morerkrankung sehr unterschiedlich.
Mögliche renale Beteiligung bei Tumorerkrankungen und
Chemotherapie sind in ▶ Abb. 6.44 dargestellt. Da sich in
den letzten Jahren das Spektrum der onklogisch/hämato- 6.16.5 Ätiologie und Pathogenese
logischen Therapien erweitert hat, nehmen auch die re- ● Dem Auftreten eines Nierenfunktionsverlusts bei Tu-
nalen Komplikationen zu. Die Art der renalen Beteiligung morerkrankungen liegt meistens eine multifaktorielle
hängt in erster Linie von der Tumorerkrankung ab. Ins- Pathogenese zugrunde.
besondere bei Stammzelltransplantationen sind das Risi- ● In ▶ Abb. 6.44 wurde aus didaktischen Gründen eine
ko eines akuten Nierenversagens (berichtete Häufigkeiten Einteilung nach Lokalisation der Schädigung in präre-
von 30–70 %) und die Entwicklung einer chronischen Nie- nale, renal-glomeruläre/tubulointerstitielle und post-
reninsuffizienz ist (bei bis zu 16,6 % aller transplantierten renale Erkrankungen gewählt.
Patienten) hoch.

6.16.6 Klinik 6
6.16.2 Synonyme
Das klinische Bild ist sehr variabel und ist stark von der zu-
● Onko-Nephrologie grundeliegenden Tumorerkrankung geprägt (▶ Abb. 6.44).

6.16.3 Definition
Unter Onko-Nephrologie versteht man die Interaktion
zwischen renalen und malignen Erkrankungen bzw. de-
ren Therapien.

prärenal renal postrenal

tubulo-
glomerulär
interstitiell

• Exsikkose bei • sekundäre membranöse • akute Tubulusnekrose • Obstruktion der


– unzureichender Glomerulopathie – toxisch (Sepsis) ableitenden Harnwege
Flüssigkeitszufuhr bei soliden Tumoren und häma- – medikamentös durch
– Erbrechen/Diarrhoe tologischen Erkrankungen • renale Tumorinfiltration – sekundäre retroperito-
– Hyperkalzämie • sekundäre Minimal-Change- bei Lymphomen und neale Fibrose bei
→ Polyurie Glomerulopathie Leukämien Tumorerkrankungen
• thrombotische Mikro- bei T-Zell-assoziierten lymphopro- • Leichtkettennephro- – Verlegung der Ureteren-
angiopathie liferativen Erkrankungen, Thy- pathie mündung oder der
– nach Stammzelltrans- momen und soliden Tumoren • tubuläre Obstruktion Urethra bei
plantation • sekundäre fokal segmen- – Myelomniere („Cast- • Prostatakarzinom

– medikamentös tale Glomerulosklerose Nephropathie“) • Uteruskarzinom

Gemcitabin – bei Plasmazellerkrankungen – Tumorlysesyndrom • Blasentumoren

Mitomycin C – monoklonaler Gammopathie → Uratnephropathie


• hepatorenales Syndrom unklarer Signifikanz (MGUS) → Kalzium-Phosphat-
durch venookklusive – unter Pamidronat-Therapie Ablagerungen
Erkrankung nach Hoch- • AL-Amyloidose bei multiplem – akut interstitielle
dosis-Chemotherapie und Myelom Nephritis
Stammzelltransplan- • sekundäre membranoprolifera- – Tubulopathien
tation tive Glomerulopathie bei CLL
• Capillary Leak Syndrome • Leichtkettennephropathie

Abb. 6.44 Renale Beteiligung bei Tumorerkrankungen und Chemotherapie. (verändert nach Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U.
Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete
und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015)

Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved. 339
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!
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6.16 Nierenbeteiligung bei Tumorerkrankungen

6.16 Nierenbeteiligung bei 6.16.4 Epidemiologie


Tumorerkrankungen Über 50 % aller Patienten mit akuten Tumorerkrankungen
haben eine eingeschränkte Nierenfunktion (GFR < 90 ml/
Martin Kimmel min). In 5 Jahren entwickeln 27 % ein akutes Nierenver-
sagen [4], [5].
Die Epidemiologie ist je nach zugrundeliegender Tu-
6.16.1 Steckbrief
morerkrankung sehr unterschiedlich.
Mögliche renale Beteiligung bei Tumorerkrankungen und
Chemotherapie sind in ▶ Abb. 6.44 dargestellt. Da sich in
den letzten Jahren das Spektrum der onklogisch/hämato- 6.16.5 Ätiologie und Pathogenese
logischen Therapien erweitert hat, nehmen auch die re- ● Dem Auftreten eines Nierenfunktionsverlusts bei Tu-
nalen Komplikationen zu. Die Art der renalen Beteiligung morerkrankungen liegt meistens eine multifaktorielle
hängt in erster Linie von der Tumorerkrankung ab. Ins- Pathogenese zugrunde.
besondere bei Stammzelltransplantationen sind das Risi- ● In ▶ Abb. 6.44 wurde aus didaktischen Gründen eine
ko eines akuten Nierenversagens (berichtete Häufigkeiten Einteilung nach Lokalisation der Schädigung in präre-
von 30–70 %) und die Entwicklung einer chronischen Nie- nale, renal-glomeruläre/tubulointerstitielle und post-
reninsuffizienz ist (bei bis zu 16,6 % aller transplantierten renale Erkrankungen gewählt.
Patienten) hoch.

6.16.6 Klinik 6
6.16.2 Synonyme
Das klinische Bild ist sehr variabel und ist stark von der zu-
● Onko-Nephrologie grundeliegenden Tumorerkrankung geprägt (▶ Abb. 6.44).

6.16.3 Definition
Unter Onko-Nephrologie versteht man die Interaktion
zwischen renalen und malignen Erkrankungen bzw. de-
ren Therapien.

prärenal renal postrenal

tubulo-
glomerulär
interstitiell

• Exsikkose bei • sekundäre membranöse • akute Tubulusnekrose • Obstruktion der


– unzureichender Glomerulopathie – toxisch (Sepsis) ableitenden Harnwege
Flüssigkeitszufuhr bei soliden Tumoren und häma- – medikamentös durch
– Erbrechen/Diarrhoe tologischen Erkrankungen • renale Tumorinfiltration – sekundäre retroperito-
– Hyperkalzämie • sekundäre Minimal-Change- bei Lymphomen und neale Fibrose bei
→ Polyurie Glomerulopathie Leukämien Tumorerkrankungen
• thrombotische Mikro- bei T-Zell-assoziierten lymphopro- • Leichtkettennephro- – Verlegung der Ureteren-
angiopathie liferativen Erkrankungen, Thy- pathie mündung oder der
– nach Stammzelltrans- momen und soliden Tumoren • tubuläre Obstruktion Urethra bei
plantation • sekundäre fokal segmen- – Myelomniere („Cast- • Prostatakarzinom

– medikamentös tale Glomerulosklerose Nephropathie“) • Uteruskarzinom

Gemcitabin – bei Plasmazellerkrankungen – Tumorlysesyndrom • Blasentumoren

Mitomycin C – monoklonaler Gammopathie → Uratnephropathie


• hepatorenales Syndrom unklarer Signifikanz (MGUS) → Kalzium-Phosphat-
durch venookklusive – unter Pamidronat-Therapie Ablagerungen
Erkrankung nach Hoch- • AL-Amyloidose bei multiplem – akut interstitielle
dosis-Chemotherapie und Myelom Nephritis
Stammzelltransplan- • sekundäre membranoprolifera- – Tubulopathien
tation tive Glomerulopathie bei CLL
• Capillary Leak Syndrome • Leichtkettennephropathie

Abb. 6.44 Renale Beteiligung bei Tumorerkrankungen und Chemotherapie. (verändert nach Quelle: Kimmel M, Kuhlmann U.
Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen. In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., vollständig überarbeitete
und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015)

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Tab. 6.32 Die häufigsten Glomerulopathien bei malignen Erkran- 6.16.7 Diagnostik
kungen [2].
Maligne Erkrankung Häufigste Glomerulopathie Diagnostisches Vorgehen
Solide Tumoren Membranöse GN (am häufigsten) ● Erste diagnostische Schritte bei Tumorerkrankungen
Minimal-Change-Glomerulopathie mit neu auftretender Nierenfunktionsverschlechte-
(seltener) rung/Proteinurie sind in ▶ Tab. 6.34 dargestellt.
FSGS (sehr selten)
Hämatologische
Erkrankungen: 6.16.8 Therapie
- Morbus Hodgkin Minimal-Change-Glomerulopathie
- CLL Membranoproliferative GN Therapeutisches Vorgehen
- Stammzelltransplantation Membranöse GN
● Bei sekundären Glomerulopathien richtet sich die The-
IV rapie nach der Therapie der zugrunde liegenden Tumor-
erkrankung.

Tab. 6.33 Renale Komplikationen durch hämato-/onkologische Therapien [3].


Renale Komplikation Hämato-/onkologische Therapie
Prärenal Capillary-leak-Syndrom IL-2, Denileukindiftitox
Thrombotische Mikroangiopathie Angiogenesehemmer (Bevacizumab und Tyrosinkinase-Inhibitoren)
Gemcitabin, Cisplatin, Mitomycin C, Interferon
Glomeruli Minimal-Change-Glomerulopathie Interferon, Pamidronat
FSGS Interferon, Pamidronat, Zoledronat (selten)
Tubulointerstitium Akute Tubulusnekrose Platinhaltige Substanzen, Zolderonat, Ifosfamid, Mithramycin,
Pentostatin, Imantinib, Diaziquone, Pemetrexed
Tubulopathien:
- Fanconi-Syndrom - Cisplatin, Cetuximab, Panitumumab
- Nephrogener Diabetes insipidus - Cisplatin, Ifosfamid, Pemetrexed
- SIADH - Cyclophosphamid, Vincristin
Akut interstitielle Nephritis Sorafenib, Sunitinib
Kristallnephropathie Methotrexat
FSGS: Fokal-segmentale Glomerulosklerose

Tab. 6.34 Diagnostik bei Tumorerkrankungen mit neu aufgetretener Nierenfunktionsverschlechterung/Proteinurie.


Diagnostik Fragestellung
Sonografie der Niere und ableitenden Ausschluss von
Harnwege - Harnaufstau durch Tumoren, Metastasen, Lymphome
- renale Tumorinfiltration
Beurteilung des Volumenhaushalts Ausschluss einer Exsikkose infolge von
- Erbrechen
- Diarrhoe
- Volumenverlust über Drainagen
- Polyurie z. B. bei Hyperkalzämie
Medikamentenanamnese Einnahme von
- nichtsteroidalen Antirheumatika
- nephrotoxischen Chemotherapeutika
- Bisphosphanaten
- Medikamenten, die eine thrombotische Mikroangiopathie verursachen
Laboruntersuchungen Ausschluss von
- Hyperkalzämie
- monoklonalen Leichtketten durch Immunfixation im Serum und Urin und Bestimmung
der freien Leichtketten im Serum
- Proteinurie (AL-Amyloidose, sekundäre membranöse Glomerulopathie oder Minimal-
Change-Glomerulopathie)
- Fragmentozyten
- erhöhten Markern eines Tumorlyse-Syndroms (Kap. 11.16)

340 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.17 Hereditäre Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen

● Bei chemotherapieassoziierten Nierenerkrankungen 6.17.2 Aktuelles


sollten interdisziplinär die Therapiealternativen dis-
kutiert werden, um möglichst das auslösende Agens zu ● Jeder Patient mit Alport-Syndrom sollte nach den ver-
vermeiden. öffentlichen internationalen Expertenempfehlungen di-
agnostiziert und behandelt werden [5], [7].
● Das Alport-Syndrom ist eine behandelbare Erkrankung:
6.16.9 Verlauf und Prognose Durch frühzeitige RAAS-Blockade kann das Nierenver-
Der Verlauf und die Prognose hängt einerseits von der re- sagen um Jahre herausgezögert und die Lebenserwar-
nalen Beteiligung und andererseits der Art und Schwere tung verbessert werden.
der Tumorerkrankung ab. ● Da die familiäre benigne Hämaturie konträr zu ihrem
Namen bei bis zu 40 % der Patienten im höheren Alter
zur Nierenfunktionseinschränkung führt, wird die Er-
6.16.10 Literatur krankung ab 2016 unter dem Oberbegriff „Alport-Syn-
[1] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen. drom“ zusammengefasst.
In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll- ● 2016 und 2017 begannen Phase-2-Studien zu neuen
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; Therapien für das Alport-Syndrom, sodass jedem Al-
2015: 136–235
port-Patienten in Deutschland eine Therapiestudie an-
[2] Humphreys BD, Soiffer RJ, Magee CC. Renal failure associated with
cancer and its treatment: An update. J Am Soc Nephrol 2005; 16: 151 geboten werden kann.
[3] Jhaveri KD, Shah HH, Calderon K et al. Glomerular diseases seen with
cancer and chemotherapy: a narrative review. Kidney Int 2013; 84
(1): 34–44 6.17.3 Synonyme 6
[4] Launay-Vacher, V. Epidemiology of chronic kidney disease in cancer
patients: lessons from the IRMA study group. Semin Nephrol 2010,
● Typ-IV-Kollagen-Erkrankung
30(6): 548-556 ● Familiäre benigne Hämaturie
[5] Christiansen C.F. et al. Incidence of acute kidney injury in cancer pa- ● Familiäre Hämaturie
tients: a Danish population-based cohort study. Eur J Intern Med ● Syndrom der dünnen Basalmembran
2011, 22(4): 399-406

6.17.4 Definition
6.17 Hereditäre Typ-IV- ● Das Alport-Syndrom (AS) ist eine erbliche progressive
Kollagen-Erkrankungen: Nierenerkrankung einhergehend mit

Alport-Syndrom und „Thin ○ Hämaturie und Proteinurie,

○ Innenohrschwerhörigkeit,

Basement Membrane ○ typischen Augenveränderungen,

○ positiver Familienanamnese bezüglich Hämaturie,


Nephropathy“ ○ elektronenmikroskopisch charakteristischen Aufsplit-

Oliver Groß terungen und Lamellierungen der glomerulären Ba-


salmembran (GBM),
○ Mutationen in einem Typ-IV-Kollagen-Gen COL4A3,
6.17.1 Steckbrief COL4A4 oder COL4A5.
● Mittel- bis langfristig entwickelt sich eine glomeruläre
Das Alport-Syndrom ist eine erbliche Typ-IV-Kollagen-Er-
und interstitielle Fibrose (▶ Abb. 6.44).
krankung, die X-chromosomal hemizygot oder autosomal
● Das Alport-Syndrom kann X-chromosomal (COL4A5-
homozygot immer zum terminalen Nierenversagen führt.
Gen) vererbt werden oder autosomal (COL4A3- oder
Über 1 % der Gesamtbevölkerung sind heterozygote Anla-
COL4A4-Gen)


geträger für Alport-Mutationen (früher „Thin Basement
Membrane Nephropathy“) und haben häufig keinen beni-
gnen Verlauf. Daher werden heterozygote Patienten mitt- Praxistipp
Z
lerweile auch unter der Diagnose „Alport-Syndrom“ zu-
sammengefasst [4]. Der Nephrologe sollte jeden Alport- Der Begriff „familiäre benigne Hämaturie“ wiegt den Arzt
Patienten, auch die heterozygoten, jährlich auf Protein- und Patienten fälschlicherweise in Sicherheit und hat
urie oder andere Risikofaktoren kontrollieren, um eine schon zu Gerichtsprozessen geführt. Die „Thin Basement
frühe nephroprotektive Therapie mit ACE-Hemmern zu Membrane Nephropathy“ ist nicht benigne. Das Dialyse-
ermöglichen. Daher sollte die Diagnose auch bei hetero- Risiko der heterozygoten Anlageträger beträgt bis zu
zygoten Anlageträgern molekulargenetisch früh gestellt 40 %. Daher fordern weltweit die Patientengruppen, dass
werden, oder ersatzweise durch Nierenbiopsie. jeder heterozygote Anlageträger von Alport-Mutationen
auf sein Risiko aufmerksam gemacht wird und zeitlebens
nephrologisch betreut und nephroprotektiv behandelt
wird.

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6.17 Hereditäre Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen

● Bei chemotherapieassoziierten Nierenerkrankungen 6.17.2 Aktuelles


sollten interdisziplinär die Therapiealternativen dis-
kutiert werden, um möglichst das auslösende Agens zu ● Jeder Patient mit Alport-Syndrom sollte nach den ver-
vermeiden. öffentlichen internationalen Expertenempfehlungen di-
agnostiziert und behandelt werden [5], [7].
● Das Alport-Syndrom ist eine behandelbare Erkrankung:
6.16.9 Verlauf und Prognose Durch frühzeitige RAAS-Blockade kann das Nierenver-
Der Verlauf und die Prognose hängt einerseits von der re- sagen um Jahre herausgezögert und die Lebenserwar-
nalen Beteiligung und andererseits der Art und Schwere tung verbessert werden.
der Tumorerkrankung ab. ● Da die familiäre benigne Hämaturie konträr zu ihrem
Namen bei bis zu 40 % der Patienten im höheren Alter
zur Nierenfunktionseinschränkung führt, wird die Er-
6.16.10 Literatur krankung ab 2016 unter dem Oberbegriff „Alport-Syn-
[1] Kimmel M, Kuhlmann U. Nierenbeteiligung bei Systemerkrankungen. drom“ zusammengefasst.
In: Alscher M, Böhler J, Kuhlmann U et al., Hrsg. Nephrologie. 6., voll- ● 2016 und 2017 begannen Phase-2-Studien zu neuen
ständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Thieme; Therapien für das Alport-Syndrom, sodass jedem Al-
2015: 136–235
port-Patienten in Deutschland eine Therapiestudie an-
[2] Humphreys BD, Soiffer RJ, Magee CC. Renal failure associated with
cancer and its treatment: An update. J Am Soc Nephrol 2005; 16: 151 geboten werden kann.
[3] Jhaveri KD, Shah HH, Calderon K et al. Glomerular diseases seen with
cancer and chemotherapy: a narrative review. Kidney Int 2013; 84
(1): 34–44 6.17.3 Synonyme 6
[4] Launay-Vacher, V. Epidemiology of chronic kidney disease in cancer
patients: lessons from the IRMA study group. Semin Nephrol 2010,
● Typ-IV-Kollagen-Erkrankung
30(6): 548-556 ● Familiäre benigne Hämaturie
[5] Christiansen C.F. et al. Incidence of acute kidney injury in cancer pa- ● Familiäre Hämaturie
tients: a Danish population-based cohort study. Eur J Intern Med ● Syndrom der dünnen Basalmembran
2011, 22(4): 399-406

6.17.4 Definition
6.17 Hereditäre Typ-IV- ● Das Alport-Syndrom (AS) ist eine erbliche progressive
Kollagen-Erkrankungen: Nierenerkrankung einhergehend mit

Alport-Syndrom und „Thin ○ Hämaturie und Proteinurie,

○ Innenohrschwerhörigkeit,

Basement Membrane ○ typischen Augenveränderungen,

○ positiver Familienanamnese bezüglich Hämaturie,


Nephropathy“ ○ elektronenmikroskopisch charakteristischen Aufsplit-

Oliver Groß terungen und Lamellierungen der glomerulären Ba-


salmembran (GBM),
○ Mutationen in einem Typ-IV-Kollagen-Gen COL4A3,
6.17.1 Steckbrief COL4A4 oder COL4A5.
● Mittel- bis langfristig entwickelt sich eine glomeruläre
Das Alport-Syndrom ist eine erbliche Typ-IV-Kollagen-Er-
und interstitielle Fibrose (▶ Abb. 6.44).
krankung, die X-chromosomal hemizygot oder autosomal
● Das Alport-Syndrom kann X-chromosomal (COL4A5-
homozygot immer zum terminalen Nierenversagen führt.
Gen) vererbt werden oder autosomal (COL4A3- oder
Über 1 % der Gesamtbevölkerung sind heterozygote Anla-
COL4A4-Gen)


geträger für Alport-Mutationen (früher „Thin Basement
Membrane Nephropathy“) und haben häufig keinen beni-
gnen Verlauf. Daher werden heterozygote Patienten mitt- Praxistipp
Z
lerweile auch unter der Diagnose „Alport-Syndrom“ zu-
sammengefasst [4]. Der Nephrologe sollte jeden Alport- Der Begriff „familiäre benigne Hämaturie“ wiegt den Arzt
Patienten, auch die heterozygoten, jährlich auf Protein- und Patienten fälschlicherweise in Sicherheit und hat
urie oder andere Risikofaktoren kontrollieren, um eine schon zu Gerichtsprozessen geführt. Die „Thin Basement
frühe nephroprotektive Therapie mit ACE-Hemmern zu Membrane Nephropathy“ ist nicht benigne. Das Dialyse-
ermöglichen. Daher sollte die Diagnose auch bei hetero- Risiko der heterozygoten Anlageträger beträgt bis zu
zygoten Anlageträgern molekulargenetisch früh gestellt 40 %. Daher fordern weltweit die Patientengruppen, dass
werden, oder ersatzweise durch Nierenbiopsie. jeder heterozygote Anlageträger von Alport-Mutationen
auf sein Risiko aufmerksam gemacht wird und zeitlebens
nephrologisch betreut und nephroprotektiv behandelt
wird.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.17.5 Epidemiologie ○ Das α3/α4/α5-Netzwerk der GBM wird durch


Disulfidbrücken zusätzlich stabilisiert.
● Die Häufigkeit des X-chromosomalen AS wird auf ○ Die enge Verdrillung des Kollagenschwanzes wird
1:5000 geschätzt, die Prävalenz des autosomalen AS auf durch Glycin ermöglicht, Glycin passt als jede dritte
1:50000. Aminosäure in die inneren Windungen.
● Damit sind fast 1 % der Bevölkerung heterozygote Gen- ○ Beim Alport-Syndrom führen Glycin-Mutationen zum
träger für Mutationen in den autosomalen Alport-Ge- Abknicken der Tripel-Helix-Struktur, andere Mutatio-
nen COL4A3/4 [7] (früher als familiäre benigne Hämatu- nen zum vorzeitigen Kettenabbruch und so zu Auf-
rie (FBH) oder „Thin basement membrane disease“ be- splitterungen und Lamellierungen der GBM.
zeichnet). ● Die terminale Niereninsuffizienz entwickelt sich beim
● 1–2 % der Patienten mit dialysepflichtiger Niereninsuffi- homozygoten AS innerhalb von 20 Jahren (Median in
zienz haben ein Alport-Syndrom. Europa 22 Jahre), der Phänotyp des AS ist allerdings
IV ● Möglicherweise noch höhere Prävalenz, da Patienten vom Gendefekt abhängig:
ohne Elektronenmikroskopie als unklare Glomerulo- ○ Mutationen, die ein verkürztes Kollagenprotein be-
nephritis, insbesondere FSGS, fehlgedeutet werden. wirken, führen im Mittel mit < 20 Jahren und damit
● Das Gesundheitsproblem der Überträger wird ange- signifikant früher zum Nierenversagen als Mutatio-
sichts der Heterozygotenhäufigkeit unterschätzt: Durch nen, die „nur“ die Proteinstruktur verändern (wie
die hohe Genfrequenz (1 % der Gesamtbevölkerung) „missense“ und „in frame“ Mutationen).
sind mutmaßlich mehr heterozygote Genträger für Mu- ○ Glycin-Mutationen in den Exons 1–20 führen erst
tationen in den Alport-Genen (▶ Tab. 6.35), insbesonde- mit > 30 Jahren zum Nierenversagen [2].
re X-chromosomale Mütter, an der Dialyse als „norma-
le“ Alport-Patienten.
6.17.7 Klassifikation
6.17.6 Ätiologie und Pathogenese ● Man unterscheidet einen X-chromosomalen vom auto-
somal-rezessiven Erbgang. Umstritten ist, ob es einen
● Das Alport-Syndrom (AS) ist eine erbliche progressive autosomal-dominanten Erbgang gibt (▶ Tab. 6.35).
Nierenerkrankung einhergehend mit ● Entsprechend gibt es homozygote, hemizygote, com-
○ Hämaturie und Proteinurie,
pound heterozygote und heterozygote Patienten bzw.
○ Innenohrschwerhörigkeit und
Anlageträger.
○ typischen Augenveränderungen [4] sowie ● Die Stadieneinteilung des Alport-Syndroms umfasst:
○ charakteristischen Aufsplitterungen und Lamellierun- ○ 0: Isolierte Mikrohämaturie,
gen der glomerulären Basalmembran (GBM). ○ I: Mikroalbuminurie 30–300 mg Albumin/gCrea,
● Diese Veränderungen werden durch Mutationen im ○ II: Proteinurie > 300 mg Albumin/gCrea bei
Typ-IV-Kollagen verursacht. eGFR > 60 ml/min,
● Die Vererbung des AS erfolgt in 85 % der Fälle X-chro- ○ III: eGFR < 60 ml/min,
mosomal, autosomal in 10–15 % [4]. ○ IV: Terminale Niereninsuffizienz.
● Hauptbestandteil aller Gefäß-Basalmembranen ist Typ- ● Eine Unterform des Alport-Syndroms stellt das AS mit
IV-Kollagen: Leiomyomatose (meist des Ösophagus) dar, das durch
○ Typ-IV-Kollagen besteht aus einem sehr langen Kolla-
größere Deletionen im COL4A5-Gen bis ins COL4A6-Gen
genschwanz und einer nicht-kollagenen NC 1-Domä- hinein verursacht wird.
ne.
○ Grundbaustein des Typ-IV-Kollagen-Netzwerks ist ein

aus jeweils drei α-Ketten bestehendes Molekül aus


α1/α1/α2- und α3/α4/α5-Ketten.

Tab. 6.35 Aktueller Stand der wichtigsten molekulargenetischen Erkenntnisse bei erblichen Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen (Alport-Syn-
drom und familiäre benigne Hämaturie).
Krankheit Erbgang Symptomatik Genort Symbol, Genprodukt
Alport-Syndrom X-chrom.-dominant Nephritis, Innenohrschwerhörigkeit, Xq22 COL4A5, α5(IV)-Kollagen
autosomal-rezessiv Augenveränderungen 2q35–36 COL4A3/COL4A4, α3/4(IV)-Kol-
lagen (homozygot oder com-
pound heterozygot)
Alport-Syndrom mit X-chrom.-dominant Xq22 COL4A5und COL4A6
Leiomyomatose
Familiäre benigne autosomal-dominant Thin basement membrane disease mit 2q35–36 COL4A3/COL4A4, α3/4(IV)-Kol-
Hämaturie Hämaturie, selten Niereninsuffizienz lagen (heterozygot)

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6.17 Hereditäre Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen

6.17.8 Klinik 6.17.9 Diagnostik


● Das typische, oft einzige Symptom des heterozygoten Diagnostisches Vorgehen
Merkmalträgers des X-chromosomalen und autosomal-
● Die Diagnose des Alport-Syndroms ist und bleibt die
rezessiven AS ist die (Mikro-) Hämaturie, seltener die
Domäne eines guten Klinikers (▶ Abb. 6.45).
Proteinurie.
● Wenn 3 der 4 Diagnosekriterien erfüllt sind
● Die Mikrohämaturie ist den Konduktoren aufgrund der
(▶ Tab. 6.36), ist die Diagnose so gut wie sicher. Die
fehlenden klinischen Symptomatik oft nicht bewusst,
Diagnosesicherung erfolgt dann genetisch.
bleibt aber ein wichtiges Diagnosekriterium.
● Heterozygote Anlageträger sind bei jungen Patienten
vom frühen homozygoten Patienten klinisch und oft
auch histologisch nicht zu unterscheiden. jeder Patient mit
● Die typische Klinik und damit auch die Diagnosekrite-
Hämaturie Mikroalbuminurie Proteinurie
rien sind in ▶ Tab. 6.36 zusammengefasst.
● Alle Symptome entwickeln sich erst nach Geburt im
Abklärung Diagnosekriterien:
Laufe vieler Lebensjahre: Daher sind bei unklarer Hä-
1. Hämaturie
maturie immer weitere Familienmitglieder unter-
2. Familienanamnese positiv
suchen.


3. Innenohrschwerhörigkeit

Praxistipp
Z 4. Augenveränderungen

Kind Erwachsener 6
Bei Hämaturie immer an Alport-Syndrom denken, aus-
Kinder- Familie mit potenziell
führliche Anamnese machen und weitere Familienmit- Kind
nephrologe betroffenem Kind ?
glieder untersuchen! Viele junge Patienten werden trotz
jahrelanger Symptome nie kindernephrologisch vor- ja nein
gestellt. Die Diagnose „Alport-Syndrom“ ist daher oft
Molekulargenetik Nierenbiopsie
eine erwachsenen-nephrologische bei schon einge- ja
mit genet. Beratung zwingend mit EM
schränkter Nierenfunktion. Durch die späte Diagnose dünne oder
lässt sich dann das Nierenversagen kaum noch aufhalten. verdickte/aufgesplitterte GBM

Abb. 6.45 Alport-Syndrom. Diagnostisches Vorgehen bei Ver-


dacht auf Alport-Syndrom und Thin Basement Membrane
Nephropathy.

Tab. 6.36 Diagnosekriterien Alport-Syndrom und familiäre benigne Hämaturie.


Diagnosekriterien Häufigkeit der Symptome
Alport-Syndrom
1 Positive Familienanamnese (Hämaturie) mit/ohne Progression zu terminalem Familienanamnese 85 %
Nierenversagen Hämaturie 100 %
2 Progrediente Innenohrschwerhörigkeit 75 %
3 Augenveränderungen (Lentikonus, Fundus albipunctatus) 20–45 %
4 Charaktistische ultrastrukturelle Veränderungen der glomerulären Basalmembran. 100 %
Aufsplitterung/Lamellierung, Verdickung, Verdünnung.
Neue Kriterien Diffuse Leiomyomatose des Ösophagus 1–2 %
COL4A5-, COL4A3/A4-Mutationen Nachweisbar in 80–90 %
Familiäre benigne Hämaturie
1 Positive Familienanamnese (Hämaturie) > 90 %
Mit Progression zu terminalem Nierenversagen 5–15 %
2 Innenohrschwerhörigkeit 5–15 %
3 Augenveränderungen (Lentikonus, Fundus albipunctatus) <5%
4 Charaktistische ultrastrukturelle Veränderungen der glomerulären Basalmembran. 100 %
Aufsplitterung und Verdünnung
Neue Kriterien COL4A3-, COL4A4-Mutationen bzw. Linkage > 80 %

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● Obligat sind Histologie, Zytologie und klinische


○ Untersuchung auf Hämaturie und Proteinurie,

○ positive Familienanamnese bezüglich Hämaturie oder


Pathologie
Niereninsuffizienz: Oft ist den heterozygoten Anlage- Nierenbiopsie
trägern ihre Mikrohämaturie nicht bewusst. ● Ggf. Nierenbiopsie mit Elektronenmikroskopie und Im-
○ Innenohrschwerhörigkeit,
munhistologie.
○ Lentikonus und Makulaflecken,
● Aber: Eine Nierenbiopsie ist zur Diagnosesicherung
○ ggf. Nierenbiopsie mit verdünnter oder aufgesplitter-
nicht erforderlich und ändert daher eigentlich auch
ter oder verdickter GBM im EM.
nicht das weitere diagnostische und therapeutische
Vorgehen.
Anamnese ● Lichtmikroskopie:
○ Es zeigt sich klassischerweise das Bild einer FSGS,
IV ● Eingehende Familienanamnese (Überträgerinnen mit
aber auch einer membranoproliferativen oder pauci-
Mikrohämaturie).
immunen oder anderen Glomerulonephritiden.
● Elektronenmikroskopie:
Körperliche Untersuchung ○ Bei Nierenbiopsie sollte unbedingt eine EM durch-

● Audiometrie (Innenohrschwerhörigkeit v. a. im Hoch- geführt werden, denn die klassische lichtmikroskopi-


tonbereich), sche Fehldiagnose ist eine FSGS oder seltener eine
● augenärztliche Untersuchung (Fundoskopie und Spalt- membranoproliferative Glomerulonephritis.
○ Elektronenmikroskopisch finden sich Veränderungen
lampenuntersuchung).
in der glomerulären Basalmembran (GBM).
○ Diese entwickeln sich zunächst von einer verdünnten
Labor über eine teils aufgesplitterte bis hin zur verdickten
● Urinanalyse und Nierenfunktionsdiagnostik. GBM (▶ Abb. 6.46).

Spektrum von GBM-Veränderungen bei Typ IV-Kollagen-Erkrankungen

Normale GBM Thin Basement Membrane Nephropathy Vollbild des Alport-Syndroms


oder frühes Alport-Syndrom

Abb. 6.46 Alport-Syndrom. Elektronenmikroskopische Veränderungen der glomerulären Basalmembran bei Alport-Syndrom und Thin
Basement Membrane Nephropathy.

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6.17 Hereditäre Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen

Molekulargenetische Diagnostik ○ sekundäre Schäden (tubulointerstitielle Fibrose) und


○ Folgen einer chronischen Niereninsuffizienz (renale
● Genetische Untersuchung insbesondere bei Kindern
Hypertonie, Hyperparathyreoidismus etc.).
nur nach genetischer Beratung durch erfahrenen Hu- ● Wichtige Behandlungsziele sind:
mangenetiker oder Kindernephrologe mit entsprechen- ○ frühzeitige Diagnosesicherung und Erfassung wei-
der Zusatzqualifikation.
terer betroffener Familienmitglieder,
● Mutationsanalyse der COL4A3-, COL4A4- und COL4A5- ○ früher Start einer nephroprotektiven Therapie mit
Gene über kommerzielle Anbieter als FSGS-Panel-Un-
ACE-Hemmern (▶ Abb. 6.47),
tersuchung mittels „Next-Generation-Sequencing“ ○ im Verlauf bei nachlassendem Effekt der ACE-Hem-
(NGS) oder als monogenetische Untersuchung.
mer Ausweitung der Therapie,
● Stellenwert der molekulargenetischen Diagnostik: ○ ggf. Teilnahme an klinischen Studien mit neuen Me-
○ Direkte, ggf. auch indirekte Gendiagnostik beim
dikamenten.


X-chromosomalen (a5(IV)-Kette) und autosomalen
(a3/4(IV)-Kette) möglich.
○ Heterozygote Träger von Mutationen in den auto- Praxistipp
Z
somalen Alport-Genen haben häufig eine (familiäre)
Mit dem Beginn der nierenschützenden Therapie sollte
benigne Hämaturie bzw. „thin basement membrane
nicht zu lange gezögert werden; die Patienten sehen ge-
nephropathy“.
sünder aus, als sie sind. Kinder und junge Erwachsene
○ Diagnosesicherung über genetische Untersuchung.


mit Alport-Syndrom, insbesondere heterozygote Mutati-

Merke
H onsträger, sind lange oligosymptomatisch, obwohl sie
schon eine Proteinurie haben und nach internationalen
6
Expertenempfehlungen schon behandelt werden sollten.
Wenn die Diagnose gesichert ist, sollte eine umfassende
Familienuntersuchung erfolgen, insbesondere von
asymptomatischen oder oligosymptomatischen Kindern. ● Vor Beginn der Therapie sollte die Diagnose gesichert
werden:
○ bei Kindern meistens durch molekulargenetischen

6.17.10 Differenzialdiagnosen Mutationsnachweis,


○ bei Erwachsenen häufiger mittels Nierenbiopsie mit
● Hereditäre Onychoosteodysplasie (Kap. 6.18) zeigt ähn- Nachweis von charakteristischen GBM-Veränderun-
liche GBM-Veränderungen, aber zusätzlich Defekte von gen im EM.


Patella und Nägeln.
● Für die FSGS gibt es zahlreiche Differenzialdiagnosen
(Kap. 6.3), sowohl erworbene Ursachen, sekundäre Ur- Praxistipp
Z
sachen, idiopathische und genetische.
Der junge Patient mit Alport-Syndrom hat häufig bei der
● Glomeruläre Erkrankungen mit familiärer Disposition
Nierenbiopsie noch nicht das Vollbild der GBM-Verände-
wie z. B. IgA-Nephropathie.
rungen. Sobald der Nephropathologe von einer „dünnen
● Fechtner-/Epstein-Syndrom (Nephropathie, Schwerhö-
GBM“ schreibt, muss eine Familienuntersuchung erfol-
rigkeit, Makro-Thrombozytopenie).
gen und zeitlebens eine enge nephrologische Anbindung
aller Familienmitglieder. Statistisch gesehen hat jeder Al-
6.17.11 Therapie port-Patient mindestens zwei andere betroffene Famili-
enmitglieder.
Therapeutisches Vorgehen
● Für die hereditären Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen gibt
es keine spezifische Therapie. Pharmakologische Therapie
● Unter Berücksichtigung der Pathogenese gibt es dennoch
● Das therapeutische Vorgehen in Bezug auf den Start der
sehr effektive Therapien, die das Nierenversagen um vie-
nephroprotektiven Therapie mit ACE-Hemmern ist in
le Jahre herauszögern können und die Gesamtprognose
▶ Abb. 6.47 dargestellt.
und die Lebenserwartung der Patienten verbessern.
● Bei einer Proteinurie > 0,3 g/Tag sollte frühzeitig eine
● Wesentliche therapeutische Ansatzpunkte in der Patho-
nephroprotektive Therapie mit ACE-Hemmern eingelei-
genese sind [6]:
○ die Mechanik (defekte, löchrige GBM),
tet werden.
○ die schädliche Hyperfiltration,
● Medikamentöse Therapie mit ACE-Hemmer wie Rami-
○ der Podozyt als primär erkrankte Zelle (die alpha3/4/
pril; Dosierung:
○ 1–6 mg/m2 bei Kindern,
5(IV) Ketten werden ausschließlich vom Podozyt ge-
○ 2,5–10 mg bei Erwachsenen.
bildet),

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

Diagnose
Typ IV-Kollagen-Erkrankung: Alport-Syndrom oder Thin Basement Membrane Nephropathy

homozygot heterozygot

Evaluation Risikofaktoren (Genotyp, Familien- Evaluation zusätzlicher Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Rauchen,
anamnese, Polymorphismen/Modifier) zusätzliche Nierenerkrankungen, Diabetes, nephrotoxische Medikamente

JA Risiko NEIN Risiko

Hämaturie oder Proteinurie GFR Proteinurie Hämaturie oder


Hämaturie
Mikroalbuminurie > 0,3 g/Tag < 90 ml/min > 0,3 g/Tag Mikroalbuminurie

IV
EARLY PRO-TECT Therapie Therapie Therapie erwäge jährliche Kontrolle
Alport-Studie RAAS RAAS RAAS Therapie Risikofaktoren und Proteinurie
oder
erwäge Therapie
erwäge add on erwäge
Add-on-Therapie Add-on-Therapie
Risiko für terminales Nierenversagen Risiko für terminales Nierenversagen
100% 40%–5% 1–5%

Abb. 6.47 Alport-Syndrom. Therapeutisches Vorgehen bei Alport-Syndrom und Thin Basement Membrane Nephropathy.

● Die Gabe des ACE-Hemmers erfolgt schon bei normo- ● Add-on-Therapie:


tensiven Patienten. Der ACE-Hemmer wird auf die ○ Tierexperimentell ist der ACE-Hemmer bei Alport-

höchste tolerierte Dosis titriert. Syndrom am wirksamsten.


● Die duale RAAS-Blockade mit ACE-Hemmer und AT 1- ○ Bei anderen Medikamenten konnte im Tiermodell ei-

Antagonist wird in Deutschland bei gut 40 % der Alport- ne, additiv zum ACE-Hemmer, nierenschützende Wir-
Patienten durchgeführt. kung nachgewiesen werden.
● Zielblutdruck: ○ Mögliche Add-on-Therapie zum ACE-Hemmer beim

○ bei Kindern: < 50. Perzentile des Altersdurchschnitts, fortschreitenden Verlauf des Alport-Syndroms [3]:
○ bei Erwachsenen: < 125/75 mmHg in der 24-Stunden- – bei Anstieg der Proteinurie unter ACE-Hemmer zu-
Messung. sätzliche Gabe eines AT 1-Antagonisten (Ausnahme:


Z keine doppelte RAAS-Blockade bei kardiovaskulär
vorerkrankten Patienten),
Praxistipp – bei Anstieg der Proteinurie unter ACE-Hemmer zu-
Die EARLY PRO-TECT Alport-Studie prüft derzeit deutsch- sätzliche Gabe eines Aldosteron-Antagonisten,
landweit das Nutzen-Risiko Profil einer sehr frühen ACE- – bei weiterem Anstieg der Proteinurie oder des Blut-
Hemmer Gabe bei Kindern, die Ergebnisse werden 2019 drucks zusätzliche Gabe von langwirksamen Kalzi-
erwartet. Bis dahin muss der potenzielle Nutzen einer umantagonisten, Diuretika, anderen Antihyperten-
sehr frühen ACE-Hemmer-Therapie bei Kindern mit einer siva,
isolierten Hämaturie oder Mikroalbuminurie vom Kinder- – bei Hypercholesterinämie zusätzliche Gabe von Sta-
nephrologen und den Eltern gegen die potenziellen Risi- tinen,
ken abgewogen werden. – bei sekundärem Hyperparathyreoidismus zusätzli-
che Gabe von Paricalcitol.


Z
● Meiden von Steroiden und anderen Immunsuppressiva,
weil diese von der Pathogenese des Alport-Syndroms
Praxistipp her nicht wirken können und ggf. schaden.
Selbst bei einem normalen Blutdruck ist der Filtrations- ● Therapie aller Folgeerkrankungen einer chronischen
druck schädlich für die löchrige GBM des Alport-Patien- Niereninsuffizienz wie sekundärer Hyperparathyreoi-
ten. Daher sollte der Filtrationsdruck möglichst durch dismus, renale Anämie etc.
eine sehr strenge Blutdruckeinstellung gesenkt werden.
Auch wenn die GFR durch die strenge Blutdruckeinstel-
lung sinkt, bleiben dadurch die Nephrone des Alport-Pa-
tienten länger funktionsfähig.

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6.17 Hereditäre Typ-IV-Kollagen-Erkrankungen

Operative Therapie ● Bei homozygoten Alport-Patienten: halbjährliche


nephrologische Kontrolle
● Bevorzugte Nierenersatztherapieverfahren ist die zeit- ○ Mikroalbuminurie oder Proteinurie,
nahe Nierentransplantation, da die Nierenerkrankung ○ Hypertonie,
im Transplantat nicht rekurriert. ○ zusätzliche Risikofaktoren (▶ Abb. 6.47).
● Nach Nierentransplantation gibt es die Gefahr einer An- ● Bei Progredienz der Erkrankung: konsequenter, recht-
ti-GBM-Erkrankung: zeitiger Therapiebeginn mit RAAS-Blockade (Kap.
○ Daher im 1. Jahr nach Transplantation alle 4–8 Wo-
6.17.11).
chen den Anti-GBM-Titer bestimmen und bei Titer- ● Alle Sekundärkomplikationen einer chronischen Nie-
Anstieg frühzeitig Immunsuppression verschärfen, reninsuffizienz behandeln.
um eine RPGN zu verhindern.


● Im ersten Jahr nach Nierentransplantation: Monitoring

Praxistipp
Z auf Anti-GBM-Antikörper.

Unter studie@alport.de kann man Therapiestudien zum 6.17.14 Verlauf und Prognose
Alport-Syndrom erfragen. Aktuell laufen ab 2017 zwei ● Das Alport-Syndrom führt bei homozygoten bzw. hemi-
Phase-2- und -3-Interventionsstudien mit neuen Medika- zygoten Patienten immer zum terminalen Nierenver-
menten. sagen: Unbehandelt im Mittel in Europa mit 22 Jahren,
behandelt je nach Therapiebeginn um viele Jahre spä-
ter. 6
6.17.12 Prävention
● Genetische Beratung: Nach genetischer Diagnosesiche-
rung ist eine genetische Beratung der Familien möglich.
Praxistipp
Bei der nephroprotektiven Therapie mit ACE-Hemmern

Z
● Nephroprotektion: Das Fortschreiten der Nierenbetei- gibt es beim Alport-Syndrom eine deutliche Korrelation
ligung kann durch eine RAAS-Blockade, vorzugsweise zwischen frühen Therapiebeginn und Nutzen: Ist die Nie-
durch ACE-Hemmer, verlangsamt werden. renfunktion bei Therapiebeginn noch normal, kann die
● Nephroprotektion: Das Fortschreiten der Nierenbetei- Dialyse um über 10 Jahre herausgezögert werden. Faust-
ligung kann mutmaßlich negativ beeinflusst werden regel: 1 Jahr frühere Diagnose bedeutet 3 Jahre später
durch an die Dialyse [1].
○ nephrotoxische Medikamente, insbesondere NSAR,


○ rezidivierende bakterielle Infekte,

○ Übergewicht,

○ salzreiche Kost, Praxistipp


Z
○ proteinreiche Kost (tierisches Eiweiß, Fleisch),
Mehr als 1 % der Dialysepatienten haben heterozygote Al-
○ Rauchen,
port-Mutationen. Bei heterozygoten Alport-Patienten
○ übermäßigen Kraftsport,
lässt sich mutmaßlich durch frühe Diagnose und Thera-
○ arterielle Hypertonie.
pie das Fortschreiten bis zur Dialyse komplett vermeiden!

6.17.13 Nachsorge
● Die Lebenserwartung der Patienten lässt sich durch
● Regelmäßige nephrologische Nachsorge wie in frühzeitige Diagnose und Therapie verbessern.
▶ Abb. 6.47 beschrieben: ● Die Prognose der Alport-Patienten an Dialyse, insbeson-
● Alle betroffenen Familienmitglieder behandeln, auch dere an der Bauchfelldialyse ist besser als bei gleichalt-
die heterozygoten. rigen Patienten mit anderen Nierenerkrankungen.
● Screening bereits im Kleinkinderalter beginnen (ab ● Noch besser als an Dialyse ist natürlich die Prognose
2 Jahren). der Alport-Patienten nach Nierentransplantation. Hier
● Bei heteroygoten Anlageträgern lebenslange nephrolo- sind die Prognose und auch das Transplantatüberleben
gische Kontrolluntersuchungen (jährlich) auf besser als bei gleichaltrigen Patienten mit anderen Nie-
○ Mikroalbuminurie oder Proteinurie,
renerkrankungen [8].
○ Hypertonie,

○ zusätzliche Risikofaktoren (▶ Abb. 6.47).

● Bei Entwicklung einer Mikroalbuminurie, Proteinurie


oder arteriellen Hypertonie: RAAS-Blockade.
● Zusätzlich ca. alle 5 Jahre HNO und augenärztliche
Kontrolle.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.17.15 Literatur 6.18.3 Definition


[1] Gross O, Licht C, Anders HJ et al. Early angiotensin converting enzyme ● Seltenes autosomal-dominant vererbtes Krankheitsbild.
inhibition in Alport syndrome delays renal failure and improves life ● Die Krankheit führt durch Mutationen im Transkripti-
expectancy. Kidney Int 2012; 81: 494–501
[2] Gross O, Netzer K-O, Lambrecht R et al. Meta-analysis of genotype -
onsfaktor LMX1B zu Dysplasien an den Extremitäten
phenotype correlation in X-linked Alport Syndrome: Impact on ge- und einer steroidresistenten FSGS.
netic counseling. Nephrol Dial Transpl 2002; 17: 1218–1227
[3] Gross O, Perin L, Deltas C. Alport syndrome from bench to bedside:
the potential of current treatment beyond RAAS-blockade and the 6.18.4 Epidemiologie
horizon of future therapies. Nephrol Dial Transplant 2014; Suppl 4:
iv124–30
● Die geschätzte Inzidenz weltweit liegt bei 1:50000 [3].
[4] Hudson B, Tryggvason K, Sundaramoorthy M, Neilson EG. Alport’s
Syndrome, Goodpasture’s Syndrome, and Type IV Collagen. N Engl J
Med 2003; 348: 2543–56 6.18.5 Ätiologie und Pathogenese
IV [5] Kashtan CE, Ding J, Gregory M, Gross O et al. Clinical Practice Guide-
lines for the Treatment of Alport Syndrome. A Statement of the Al-
● Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt.
port Syndrome Research Collaborative. Ped Nephrol 2013; 28(1): 5– ● Das krankheitsverursachende LMX1B-Gen liegt auf dem
11 langen Arm von Chromosom 9.
[6] Krügel J, Rubel D, Gross O: Alport Syndrome – Recent insights in basic ● Transkriptionsfaktor LMX1B:
and clinical research. Nature Reviews Nephrology 2013; 9(3):170–8
○ LMX1B ist bei Wirbeltieren für die Differenzierung
[7] Savige J, Gregory M, Gross O et al. Expert Guidelines for the manage-
ment of Alport syndrome and TBMN. J Am Soc Nephrol 2013; 24(3): der Extremitäten wichtig; dies erklärt die Dysplasien
364–75 bzw. Aplasien an den Extremitäten.
[8] Temme J, Kramer A, Jager KJ et al. Outcomes of male patients with ○ LMX1B bliebt in Podozyten angeschaltet und beein-
Alport syndrome on renal replacement therapy. Clin J Am Soc Neph-
flusst so die Transkription wichtiger Strukturproteine
rol 2012; 7(12): 1969–76
der glomerulären Basalmembran: Dies erklärt den
Phänotyp einer FSGS und die Überschneidungen mit
6.18 Hereditäre Onychoosteo- anderen hereditären glomerulären Erkrankungen.
● Die aus dem Gendefekt resultierende FSGS ist folgerich-
dysplasie – Nagel-Patella- tig steroidresistent. Zur Vermeidung weiterer, sinnloser
Therapieversuche ist daher ist eine genetische Diagno-
Syndrom sesicherung wichtig.
Oliver Groß ● Eine genetische Diagnosesicherung ist auch zur Prog-
noseabschätzung wichtig: Die Rekurrenz der Erkran-
kung nach Nierentransplantation ist logischerweise
6.18.1 Steckbrief Null, ganz im Gegensatz zu idiopathischen FSGS-Ver-
Das Nagel-Patella-Syndrom (MIM #161200) oder heredi- laufsformen [3], [4].
täre Onychoosteodysplasie ist ein seltenes autosomal-do-
minant vererbtes Krankheitsbild. Mutationen im LMX1B-
Gen, ein Transkriptionsfaktor, führen zu Ausreifungsstö-
rungen von Extremitäten und Podozyten. Dies erklärt die
Merke ●
H
Ein steroidresistentes idiopathisches nephrotisches Syn-
charakteristischen Veränderungen an Gliedmaßen und drom, insbesondere bei Kindern, sollte immer genetisch
Becken mit Dysplasie von Patella, Ellenbogen, Fingern bezüglich hereditärer Onychoosteodysplasie abgeklärt
und Nägeln, sowie iliakale Exostosen. Eine fehlerhafte Po- werden.
dozytendifferenzierung und –funktion führt zur Nieren-
beteiligung mit einer – steroid-resistenten - fokal seg-
mentalen Glomerulosklerose (FSGS). Wichtig ist die Ab-
grenzung zu nicht-hereditären Ursachen einer FSGS; aber
6.18.6 Klinik
auch Verwechslungen mit anderen hereditären Erkran- ● Zu 100 %: Dysplasien der Nägel und Finger.
kungen wie dem Alport Syndrom und Mutationen in ● Fast 100 %: Fehlbildungen von Extremitäten (Patella-
Schlitzmembranproteinen sind möglich. Dysplasie oder -Aplasie; Missbildungen von Ellenbo-
gen) und Becken (bilaterale, symmetrische iliakale Exo-
stosen).
6.18.2 Synonyme ● 30–40 %: Nierenbeteiligung im Sinne eines steroid-re-
● Nagel-Patella-Syndrom (MIM #161200) sistenten nephrotischen Syndroms mit dem histologi-
● Nail-Patella-Syndrome schen Bild einer FSGS.
● hereditäre Osteo-Onychodysplasie (HOOD Syndrom) ● Weitere Symptome können sein:
○ Innenohrschwerhörigkeit,

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

6.17.15 Literatur 6.18.3 Definition


[1] Gross O, Licht C, Anders HJ et al. Early angiotensin converting enzyme ● Seltenes autosomal-dominant vererbtes Krankheitsbild.
inhibition in Alport syndrome delays renal failure and improves life ● Die Krankheit führt durch Mutationen im Transkripti-
expectancy. Kidney Int 2012; 81: 494–501
[2] Gross O, Netzer K-O, Lambrecht R et al. Meta-analysis of genotype -
onsfaktor LMX1B zu Dysplasien an den Extremitäten
phenotype correlation in X-linked Alport Syndrome: Impact on ge- und einer steroidresistenten FSGS.
netic counseling. Nephrol Dial Transpl 2002; 17: 1218–1227
[3] Gross O, Perin L, Deltas C. Alport syndrome from bench to bedside:
the potential of current treatment beyond RAAS-blockade and the 6.18.4 Epidemiologie
horizon of future therapies. Nephrol Dial Transplant 2014; Suppl 4:
iv124–30
● Die geschätzte Inzidenz weltweit liegt bei 1:50000 [3].
[4] Hudson B, Tryggvason K, Sundaramoorthy M, Neilson EG. Alport’s
Syndrome, Goodpasture’s Syndrome, and Type IV Collagen. N Engl J
Med 2003; 348: 2543–56 6.18.5 Ätiologie und Pathogenese
IV [5] Kashtan CE, Ding J, Gregory M, Gross O et al. Clinical Practice Guide-
lines for the Treatment of Alport Syndrome. A Statement of the Al-
● Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt.
port Syndrome Research Collaborative. Ped Nephrol 2013; 28(1): 5– ● Das krankheitsverursachende LMX1B-Gen liegt auf dem
11 langen Arm von Chromosom 9.
[6] Krügel J, Rubel D, Gross O: Alport Syndrome – Recent insights in basic ● Transkriptionsfaktor LMX1B:
and clinical research. Nature Reviews Nephrology 2013; 9(3):170–8
○ LMX1B ist bei Wirbeltieren für die Differenzierung
[7] Savige J, Gregory M, Gross O et al. Expert Guidelines for the manage-
ment of Alport syndrome and TBMN. J Am Soc Nephrol 2013; 24(3): der Extremitäten wichtig; dies erklärt die Dysplasien
364–75 bzw. Aplasien an den Extremitäten.
[8] Temme J, Kramer A, Jager KJ et al. Outcomes of male patients with ○ LMX1B bliebt in Podozyten angeschaltet und beein-
Alport syndrome on renal replacement therapy. Clin J Am Soc Neph-
flusst so die Transkription wichtiger Strukturproteine
rol 2012; 7(12): 1969–76
der glomerulären Basalmembran: Dies erklärt den
Phänotyp einer FSGS und die Überschneidungen mit
6.18 Hereditäre Onychoosteo- anderen hereditären glomerulären Erkrankungen.
● Die aus dem Gendefekt resultierende FSGS ist folgerich-
dysplasie – Nagel-Patella- tig steroidresistent. Zur Vermeidung weiterer, sinnloser
Therapieversuche ist daher ist eine genetische Diagno-
Syndrom sesicherung wichtig.
Oliver Groß ● Eine genetische Diagnosesicherung ist auch zur Prog-
noseabschätzung wichtig: Die Rekurrenz der Erkran-
kung nach Nierentransplantation ist logischerweise
6.18.1 Steckbrief Null, ganz im Gegensatz zu idiopathischen FSGS-Ver-
Das Nagel-Patella-Syndrom (MIM #161200) oder heredi- laufsformen [3], [4].
täre Onychoosteodysplasie ist ein seltenes autosomal-do-
minant vererbtes Krankheitsbild. Mutationen im LMX1B-
Gen, ein Transkriptionsfaktor, führen zu Ausreifungsstö-
rungen von Extremitäten und Podozyten. Dies erklärt die
Merke ●
H
Ein steroidresistentes idiopathisches nephrotisches Syn-
charakteristischen Veränderungen an Gliedmaßen und drom, insbesondere bei Kindern, sollte immer genetisch
Becken mit Dysplasie von Patella, Ellenbogen, Fingern bezüglich hereditärer Onychoosteodysplasie abgeklärt
und Nägeln, sowie iliakale Exostosen. Eine fehlerhafte Po- werden.
dozytendifferenzierung und –funktion führt zur Nieren-
beteiligung mit einer – steroid-resistenten - fokal seg-
mentalen Glomerulosklerose (FSGS). Wichtig ist die Ab-
grenzung zu nicht-hereditären Ursachen einer FSGS; aber
6.18.6 Klinik
auch Verwechslungen mit anderen hereditären Erkran- ● Zu 100 %: Dysplasien der Nägel und Finger.
kungen wie dem Alport Syndrom und Mutationen in ● Fast 100 %: Fehlbildungen von Extremitäten (Patella-
Schlitzmembranproteinen sind möglich. Dysplasie oder -Aplasie; Missbildungen von Ellenbo-
gen) und Becken (bilaterale, symmetrische iliakale Exo-
stosen).
6.18.2 Synonyme ● 30–40 %: Nierenbeteiligung im Sinne eines steroid-re-
● Nagel-Patella-Syndrom (MIM #161200) sistenten nephrotischen Syndroms mit dem histologi-
● Nail-Patella-Syndrome schen Bild einer FSGS.
● hereditäre Osteo-Onychodysplasie (HOOD Syndrom) ● Weitere Symptome können sein:
○ Innenohrschwerhörigkeit,

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6.18 Nagel-Patella-Syndrom

○ Augenbeteiligung (Glaukom, erhöhter Augeninnen-


hereditäre Onychoosteodysplasie
druck),
○ Darmbeteiligung (Reizdarmsymptome, Konstipation),

○ Blut-Zirkulationsstörungen der Hände und Füße, I. Klinik:


○ Rückenschmerzen (als Folge einer lumbalen Hyper- 1. Deformation an Nägeln und Fingern
lordose). 2. Deformation an Patella, Ellenbogen, Becken
3. ggf. nephrotisches Syndrom
● Die klinische Symptomatik führt meistens schon im
Kindesalter zur Diagnose.
II. radiologische Bestätigung:
1. Röntgen Patella, Ellenbogen, Becken
6.18.7 Diagnostik
Diagnostisches Vorgehen III. genetische Diagnosesicherung:
LMX1B-Gen auf Chromosom 9
● Die Diagnose hereditäre Onychoosteodysplasie ist die
alle 2 Jahre danach zielgerichtete Diagnose
eines erfahrenen Klinikers (▶ Abb. 6.48):
○ Pathognomonisch ist die Kombination von körper-

lichen Veränderungen an Fingern und Nägeln und ra- HNO: Auge: Darm: Orthopädie: Niere:
Innenohr- Glaukom, Reizdarm, Rücken- renale
diologischen Veränderungen an Ellenbogen und Knie.
schwer- Augen- Obsti- lordose, Hypertonie,
○ Die Diagnosesicherung erfolgt dann genetisch.
hörigkeit innendruck pation Hyperlordose nephrot.
Syndrom 6
Anamnese
Abb. 6.48 Hereditäre Onychoosteodysplasie. Diagnostisches
● Frage nach Rückenschmerzen, Augenveränderungen,
Vorgehen bzw. Diagnosesicherung bei Verdacht auf hereditäre
HNO-Beteiligung, Darmbeteiligung, Nierenbeteiligung.
Onychoosteodysplasie.

Körperliche Untersuchung
● Lichtmikroskopisch zeigt sich das Bild einer FSGS, bei
● Aplasie oder Dysplasie von Nägeln, Patella, Ellenbogen,
einem nephrotischen Syndrom sind selbst Komple-
iliakale Exostosen.
mentablagerungen möglich und sprechen nicht gegen
● Bei gesicherter Diagnose:
eine hereditäre Genese.
○ Orthopädisch insbesondere in Bezug auf Rückenpro-
● Elektronenmikroskopisch finden sich insbesondere Ver-
bleme,
änderungen in der Lamina densa der glomerulären Ba-
○ Gastroenterologisch in Bezug auf Reizdarm und Kon-
salmembran (GBM). Diese beinhalten eine Verdickung
stipation,
der GBM und fibrilläre Ablagerungen.
○ HNO-ärztlich in Bezug auf Innenohrschwerhörigkeit,

○ Augenärztlich in Bezug auf Glaukom und Augen-

innendruck. Molekulargenetische Untersuchung


● Diagnosesicherung über genetische Untersuchung.
Labor ● Genetische Untersuchung insbesondere bei Kindern
nur nach genetischer Beratung durch erfahrenen Hu-
● Bei gesicherter Diagnose: nephrologische Abklärung in
mangenetiker oder Kindernephrologen mit entspre-
Bezug auf renale Hypertonie und Proteinurie.
chender Zusatzqualifikation.
● Mutationsanalyse des LMX1B-Gens über kommerzielle
Bildgebende Diagnostik Anbieter als FSGS-Panel Untersuchung mittels „Next-
Generation-Sequencing“ (NGS) oder als monogeneti-
Röntgen sche Untersuchung.
● Übersichtsaufnahmen von Knien, Becken, Ellenbogen
zur Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose.
6.18.8 Differenzialdiagnosen
Histologie, Zytologie und klinische ● Sowohl Patella-Defekte als auch Nagelveränderungen
können bei verschiedenen genetischen Erkrankungen
Pathologie auftreten. In Kombination Patella und Nägel zusammen
Nierenbiopsie treten diese Defekte jedoch nur bei der hereditären
Onychoosteodysplasie auf.
● Eine Nierenbiopsie ist zur Diagnosesicherung nicht er-
● Für die FSGS gibt es zahlreiche Differenzialdiagnosen
forderlich und ändert daher eigentlich auch nicht das
(Kap. 6.3), sowohl erworbene Ursachen, sekundäre Ur-
weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen.
sachen, idiopathische und genetische.

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Erkrankungen mit Befall der Glomerula

● Die wichtigste genetische Differentialdiagnose ist das


hereditäre Onychoosteodysplasie
Alport-Syndrom durch seine ähnlichen Symptome (Ver-
dickungen der GBM, FSGS, Innenohrschwerhörigkeit,
Augenbeteiligung) (Kap. 6.17). 1. unsinnige Therapien Therapie von Sekundär-
vermeiden komplikationen
2. keine spezifische
6.18.9 Therapie Therapie möglich
Niere Auge
Therapeutisches Vorgehen 1. Hypertonie 1. Augeninnen-
2. nephrotisches druck
● Für die hereditäre Onychoosteodysplasie gibt es keine Syndrom 2. Glaukom
spezifische Therapie. 3. Nieren-
● Daher stehen zwei wichtige Behandlungsziele im Fokus insuffizienz
(▶ Abb. 6.49):
IV ○ unsinnige Therapien zu vermeiden und Abb. 6.49 Hereditäre Onychoosteodysplasie. Therapeutisches
○ Komplikationen zu erkennen und multidisziplinär zu Vorgehen.


behandeln, um weitere Schäden zu verhindern:
– renale Komplikationen (renale Hypertonie, nephro-
tisches Syndrom, Niereninsuffizienz),
Praxistipp
Z
– Augenkomplikationen (Augeninnendruck, Glau-
kom). Auch wenn die hereditäre Onychoosteodysplasie eine ge-


Z
netische Erkrankung ist: Der Nephrologe sollte dennoch
alle nephroprotektiven Therapien wie die RAAS-Blockade
Praxistipp ausschöpfen und Sekundärkomplikationen der Nierenin-
Wenn die genetische Diagnose Hereditäre Onychoosteo- suffizienz behandeln.
dysplasie steht, sind unsinnige, schädliche Therapien mit
Steroiden und anderen Immunsupressiva zu vermeiden.
Operative Therapie
● Bevorzugtes Nierenersatztherapieverfahren ist die zeit-
● Wurde eine Nierenbeteiligung festgestellt, sollte der
nahe Nierentransplantation, da die Nierenerkrankung
Nephrologe bei der Therapie folgende Punkte beachten
[2], [3]: im Transplantat nicht rekurriert.
○ Bei einer Proteinurie sollte frühzeitig eine nephropro-
● Nach Nierentransplantation gibt es bei der hereditären
Onychoosteodysplasie (im Gegensatz zum Alport-Syn-
tektive Therapie mit einer RAAS-Blockade (ACE-Hem-
mer oder AT 1-Antagonist) eingeleitet werden. drom, Kap. 6.17) nicht die Gefahr einer Anti-GBM-Er-
○ Medikamentöse Therapie mit ACE-Hemmer wie Ra-
krankung.
mipril; Dosierung:
– 1–6 mg/m2 bei Kindern, 6.18.10 Prävention
– 2,5–10 mg bei Erwachsenen.
● Duale RAAS-Blockade:
● Genetische Beratung: Nach genetischer Diagnosesiche-
○ Im Gegensatz zu Typ-2-Diabetikern mit chronischer rung ist eine genetische Beratung der Familien möglich.
Niereninsuffizienz und Makroangiopathie ist die dua-
● Meiden von Immunsuppressiva: Die Diagnose der gene-
le RAAS-Blockade mit ACE-Hemmer und AT 1-Anta- tischen Ursache der Hereditären Onychoosteodysplasie
gonist bei einer genetischen Nierenerkrankung nicht sollte jeden weiteren Therapieversuch mit Immunsup-
unüblich bzw. es liegen keine negativen Daten zur pressiva einschließlich Steroiden unterbinden.
dualen RAAS-Blockade vor. (Ausnahme: keine dop-
● Nephroprotektion:
○ Das Fortschreiten der Nierenbeteiligung kann mögli-
pelte RAAS-Blockade bei kardiovaskulär vorerkrank-
ten Patienten). cherweise durch eine RAAS-Blockade, vorzugsweise
● Meiden nephrotoxischer Medikamente wie NSAR. durch ACE-Hemmer, verlangsamt werden.
● Meiden von Steroiden und anderen Immunsuppressiva,
● Nephrotoxizität:
○ Das Fortschreiten der Nierenbeteiligung kann mut-
weil diese von der Pathogenese der hereditäre Ony-
choosteodysplasie her nicht wirken können und ggf. maßlich durch nephrotoxische Medikamente, ins-
schaden. besondere NSAR, negativ beeinflusst werden.
● Therapie aller Folgeerkrankungen einer chronischen
Niereninsuffizienz wie sekundärer Hyperparathyreoi-
dismus, renale Anämie etc.

350 Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved.
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6.18 Nagel-Patella-Syndrom

6.18.11 Nachsorge 6.18.13 Literatur


● Eine regelmäßige Nachsorge bei den in ▶ Abb. 6.48 ge- [1] Bongers EM, Huysmans FT, Levtchenko E et al. Genotype-phenotype
studies in nail-patella syndrome show that LMX1B mutation location
nannten Fachdisziplinen alle 2 Jahre wird empfohlen.
is involved in the risk of developing nephropathy. Eur J Hum Genet
● Die Rekurrenz der FSGS nach Nierentransplantation ist 2005; 13(8): 935–46
Null. Daher ist die frühzeitige Nierentransplantation bei [2] Lemley KV. Kidney disease in nail-patella syndrome. Pediatr Nephrol
den Patienten die Nierenersatztherapie der Wahl. 2009; 24(12): 2345–54
[3] Levy M, Feingold J. Estimating prevalence in single-gene kidney dis-
eases progressing to renal failure. Kidney Int 2000; 58(3): 925–43
6.18.12 Verlauf und Prognose [4] Miner JH, Morello R, Andrews KL, Li C, Antignac C, Shaw AS, Lee B.
Transcriptional induction of slit diaphragm genes by Lmx1b is
● Die Lebensqualität der Patienten wird durch Symptome required in podocyte differentiation. J Clin Invest 2002; 109(8):
wie Rückenschmerzen, Durchblutungsstörungen der 1065–72

Extremitäten und Darmbeteiligung eingeschränkt.


● Die Lebenserwartung ist bei den Patienten mit Nieren-
beteiligung eingeschränkt.
● Der Verlauf der Nierenerkrankung ist schwierig abzu-
schätzen und wird von dem Ausmaß des nephrotischen
Syndroms beeinflusst. Mutmaßlich gibt es eine Geno-
typ-Phänotyp-Korrelation.
● Vermutlich werden < 5 % der Patienten terminal nieren- 6
insuffizient [1], [2], [3], [4].

Alscher, Referenz Nephrologie (ISBN 978-3-13-240001-6), © 2019. Thieme. All rights reserved. 351
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7.1 Akute Tubulusnekrose 354
Kapitel 7 7.2 Medikamenteninduzierte akute
interstitielle Nephritis 357
Erkrankungen mit Befall der 7.3 Interstitielle Beteiligung bei
Tubuli systemischem Lupus
erythematodes 361
7.4 Interstitielle Nephritis bei
Sjögren-Syndrom 364
7.5 Interstitielle Nephritis bei
Sarkoidose 366
7.6 Granulomatöse interstitielle
Nephritis 370
7.7 Diabetische Tubulopathie 373
7.8 Systemische Sklerose 375
7.9 Multiples Myelom und MGUS 378
7.10 Infektionsbedingte interstitielle
Nephritis 387
7.11 Hantavirus-Infektion 390
7.12 IgG4-assoziierte
tubulointerstitielle Nephritis 394
7.13 Hypokaliämische Nephropathie 397
7.14 Sekundäre interstitielle Nephritis
bei onkologischen Patienten 400
7.15 Strahlennephropathie 403
7.16 Chronische Nierenerkrankung
bei Sichelzellanämie 406
7.17 Analgetika-Nephropathie 410
7.18 Endemische Balkan-
Nephropathie 413
7.19 Bardet-Biedl-Syndrom 416
7.20 Blei-Nephropathie 418
7.21 Cadmium-Nephropathie 420
7.22 Gold-Nephropathie 421
7.23 Lithium-Nephropathie 422
7.24 Nephropathie durch
chinesische Kräuter 425
7.25 Penicillamin-Nephropathie 427
7.26 Tubulointerstitielle-Nephritis-
und-Uveitis-Syndrom 428
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Erkrankungen mit Befall der Tubuli

7 Erkrankungen mit Befall der Tubuli


7.1 Akute Tubulusnekrose 7.1.5 Ätiologie und Pathogenese
Roland Schmitt ● Pathogenetisch sind v. a. Ischämie und Nephrotoxine
die relevanten Auslöser; bei kritisch kranken Patienten
häufig eine Kombination aus beiden Faktoren.
7.1.1 Steckbrief ● Renale Minderperfusion:
○ Tubuluszellen sind energetische Hochleistungszellen
Die akute Tubulusnekrose (ATN) ist eine schwere Form
des akuten Nierenschadens. Bei ca. 50 % der Patienten mit und reagieren sehr empfindlich auf Ischämie und Hy-
akutem Nierenversagen liegt ursächlich eine ATN zugrun- poxie.
○ Eine renale Minderperfusion (z. B. Operation, Volu-
IV de. Die ATN wird durch Ischämie oder Toxine verursacht.
Die geschädigte Struktur ist die Tubuluszelle, während mendepletion, Sepsis) löst zunächst ein prärenales
die Glomeruli primär nicht betroffen sind. In der kli- Nierenversagen aus.
○ Dieses ist bei Behandlung der Ursache zwar rever-
nischen Praxis ist das histologische Vollbild mit relevan-
tem nekrotischem Tubuluszellverlust selten. Viel häufiger sibel, je nach Schweregrad und Dauer der Minderper-
kommt es zu einem histologischen Mischbild aus tubulä- fusion kommt es aber zum strukturellen Tubuluszell-
rem Bürstensaumverlust, epithelialer Dedifferenzierung schaden (ATN).
○ Hierdurch geht das prärenale in ein intrarenales Nie-
und einzelnen abgelösten Epithelzellen mit Zylindern im
Tubuluslumen. Obwohl im anglo-amerikanischen Sprach- renversagen über; dieser Übergang ist fließend.
raum weiterhin häufig von ATN gesprochen wird, wurde
● Zellen des proximalen Tubulus reagieren besonders
daher vorgeschlagen, dass der Begriff „akuter Tubulus- empfindlich auf Noxen:
○ Diese Zellen reabsorbieren nicht nur luminal große
schaden“ eigentlich adäquater wäre, um dieses wichtige
Krankheitsbild zu beschreiben. Mengen glomerulär filtrierter Stoffe, sondern neh-
men auch basolateral zahlreiche Solute aus dem Blut
auf.
7.1.2 Synonyme ○ Potenzielle Nephrotoxine wie Aminoglydoside, Viro-

● Akuter Tubulusschaden statika und Cisplatin akkumulieren daher und errei-


chen deutlich höhere Konzentrationen als in anderen
Zellen.
7.1.3 Definition ○ Bei Rhabdomyolyse oder Hämolyse werden Häm-Pig-

mente filtriert und tubulär reabsorbiert, was zur di-


● Die ATN ist eine akute, schwere Schädigung von renalen
rekten Schädigung der Tubuluszellen führt.
Tubuluszellen.
● Medikamente:
● Die resultierende Funktionsstörung ist mit einem GFR-
○ Bestimmte Medikamente führen durch Vasokonstrik-
Verlust bis hin zum akuten anurischen Nierenversagen
tion zu gestörter renaler Hämodynamik und sekundä-
verknüpft.
rem ischämischen Tubulusschaden, z. B.:
● Häufigste Ursachen sind eine renale Minderperfusion
– nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAR),
und nephrotoxische Substanzen.
– Calcineurin-Inhibitoren,
– Lifestyle-Toxine wie Kokain.
7.1.4 Epidemiologie ● Histopathologie:
○ Typisch ist eine Verstopfung des Tubuluslumens mit
● Die ATN ist ein häufiges Krankheitsbild.
Zelldebris.
● Je nach Studie ist die ATN für 30–60 % der Fälle von aku-
○ Tubuluszellen verlieren ihre Adhäsion an die Basal-
tem Nierenversagen verantwortlich.
membran und aggregieren mit Zelltrümmern und Ei-
● Genaue Zahlen zur Inzidenz sind problematisch, da die
weißen zu Zylindern und blockieren so den Harn-
Definition des Krankheitsbildes zwischen den Studien
fluss.
schwankt.
○ In der Folge kann es zu Tubulusdilatation kommen.
● Bei Patienten im Intensivbereich ist die ATN besonders
○ Im Tierversuch sieht man diese Schadensform häufig,
häufig.
in klinischen Biopsien seltener (▶ Abb. 7.1).
○ Häufig findet sich eine Diskrepanz zwischen histolo-

gisch nur mäßig anmutendem Schaden und sehr star-


kem renalem Funktionsverlust.

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