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Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

Ulrich Riedel
(Vortragender)
Jörg Nickel

Konstruktionswerkstoffe aus
nachwachsende Rohstoffen
(BioVerbunde)

Structural materials from renewable


resources (Biocomposites)

Charakterisierung des Referats


Ausgewählte naturfaserverstärkte Biopolyme-
re können glasfaserverstärkte Faserverbund-
strukturen vielen Bereichen ersetzen.

Characterization of the paper


Selected composites based on renewable
resources are able to substitute glassfibre
reinforced plastics in many applications.

Dr.-Ing. Dipl.-Chem. U. Riedel, DLR, Institut für Strukturmechanik, Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig,
ulrich.riedel@dlr.de
3. AVK-TV Tagung Baden-Baden
-2- Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (BioVer-


bunde)
Angesichts immer knapper werdender Ressourcen und zunehmender Umweltbelastun-
gen müssen über Energieeinspareffekte durch Leichtbauweisen hinaus zunehmend
auch Aspekte der Rohstoffgewinnung und stofflichen Verwertung nach dem Ende von
Produktlebenszeiten betrachtet werden. Bei der Verwendung konventioneller Kunst-
stoffe und Faserverbunde auf petrochemischer Basis sind Produktion, Nutzung und
Entsorgung unter dem Gesichtspunkt der Umweltverträglichkeit oftmals sehr problema-
tisch und mit erheblichem technischen Aufwand verbunden.

Einen Lösungsansatz bieten hier Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Ro h-


stoffen. Dabei handelt es sich um Pflanzenfasern wie z. B. Flachs, Hanf, Jute oder Ra-
mie (Zellulosefasern), die in biopolymere Matrizes, z. B. Zellulose-, Stärke-, Schellack-
derivate oder pflanzenölbasierte Harze eingebettet werden. Solche Faserverbunde
können nach ihrer Nutzungsdauer durch CO2-neutrale thermische Verwertung oder u.
U. durch Kompostierung und durch klassisches Recycling umweltverträglich im Stoff-
kreislauf geführt werden.

Structural materials from renewable resources (Biocomposites)

In view of the resources steadily running short, while ecological damages are increas-
ing, and apart from energy saving effects by lightweight constructions, the aspects of
the exploitation of raw materials and the recovery after the end of the lifetime of prod-
ucts have to be more and more taken into consideration. Making use of conventional,
i.e. petrochemically based plastics and fibre reinforced polymers, the production, use
and recovery are often very difficult and demand considerable technical resources.

An answer to solve all these problems may be given by natural fibre reinforced bio-
polymers based upon renewable resources, in the following called biocomposites. By
embedding plant fibres, e.g. from flax, hemp or ramie (cellulose fibres) into biopolymeric
matrices, e.g. derivatives from cellulose, starch, shellac or plant oils, fibre reinforced
polymers are obtained that can environmentally friendly be integrated into natural cy-
cles, e.g. by classic recycling, by CO2-neutral incineration (including recovery of energy)
and possibly by composting.

Riedel
Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen -3-

2. Naturfaserverstärkte Kon-
struktionswerkstoffe
1. Einleitung

Das ursprüngliche Einsatzgebiet für die Fa- 2.1. Naturfasern als Verstärkung
serverbundwerkstoffe liegt vor allem in der In einem Faserverbundwerkstoff nimmt die
Luft- und Raumfahrt. Mittlerweile werden die- Faser die Aufgaben der Verstärkung wahr und
se Konstruktionswerkstoffe jedoch auch für muss daher eine hohe Zugfestigkeit und Stei-
zahlreiche andere technische Anwendungen figkeit aufweisen, während die Matrix in der
eingesetzt. Die Verwendung von Faserver- Regel ein zeit- und temperaturabhängiges
bundwerkstoffen ist immer dann besonders Materialverhalten aufweist sowie eine deutlich
sinnvoll, wenn es darauf ankommt, hohe Fe- geringere Zugfestigkeit und eine vergleichs-
stigkeiten und Steifigkeiten bei geringem Ge- weise höhere Dehnung besitzt. Das bedeutet,
wicht zu erzielen. Verantwortlich für die guten dass die mechanischen Eigenschaften der
spezifischen, d. h. gewichtsbezogenen Eigen- Faser das Steifigkeits- und Festigkeitsverhal-
schaften sind die geringen Dichten der ver- ten des Verbundes entscheidend prägen. In
wendeten Matrixharze (ungesättigte Poly- der Regel werden sehr dünne Fasern einge-
ester, Phenolharze, Epoxidharze) und der setzt, da diese ein großes Oberflä-
darin eingebetteten hochfesten und -steifen chen/Volumen-Verhältnis aufweisen, welches
Fasern (Glas-, Aramid- und Kohlenstofffa- sich günstig auf die Haftung zwischen Faser
sern). Darüber hinaus wird bei der Herstellung und Matrix auswirkt. Das Fasermaterial richtet
die Möglichkeit ausgenutzt, durch eine bean- sich nach dem gewünschten Steifigkeits- und
spruchungsgerechte Ausrichtung der lasttra- Festigkeitsverhalten des Verbundes (1-4).
genden Verstärkungsfasern das jeweilige Weitere Auswahlkriterien zur Bestimmung der
Bauteil auf den speziellen Anwendungsfall geeigneten Verstärkungsfaser sind:
maßzuschneidern. Der eigentliche Verbund-
werkstoff entsteht daher erst bei der Bauteil-
• Bruchdehnung,
fertigung. Dazu sind die verschiedensten Fer-
tigungstechnologien entwickelt worden. • Wärmebeständigkeit,
• Haftungsverhalten zwischen Faser und
Hinsichtlich der Verwertung nach Ablauf ihrer
Matrix,
Nutzungsdauer werfen die klassischen Faser-
verbundwerkstoffe jedoch oftmals erhebliche • Dynamisches Verhalten,
Probleme auf. Hier erweist sich die Kombina-
tion eines solchen Werkstoffs aus verschie- • Langzeitverhalten,
denartigen und in der Regel sehr beständigen • Preis und Verarbeitungskosten.
Fasern und Matrices als großes Erschwernis
für das Recycling. Eine bloße Deponierung Naturfasern lassen sich in pflanzliche, tieri-
verbietet sich angesichts der wachsenden sche und mineralische Fasern unterteilen. Alle
Umweltproblematik immer mehr. Deshalb wird pflanzlichen Fasern (Baumwolle, Jute, Flachs,
nach Möglichkeiten wie dem Rohstoffrecy- Hanf usw.) sind aus Zellulose aufgebaut, Fa-
cling, der CO2-neutralen thermischen Ver- sern tierischen Ursprungs dagegen aus Pro-
wertung oder u. U. dem biologischen Abbau tein (Wolle, Seide, Haare). Pflanzenfasern
als umweltverträglicher Alternative gesucht. werden nach ihrem Vorkommen in Bast- und
Die Entwicklung eines Konstruktionswerk- Hartfasern eingeteilt. Bastfasern werden aus
stoffs auf der Basis nachwachsender Roh- Pflanzenstengeln gewonnen; zu ihnen gehö-
stoffe, bestehend aus Naturfasern, eingebettet ren z. B. Hanf, Jute, Ramie und Flachs. Hart-
in sog. Biopolymere, sowie die Bereitstellung fasern werden dagegen aus Blättern, Blatt-
ökonomisch und ökologisch vertretbarer scheiden oder Früchten gewonnen; hierzu
Bauteilfertigungsverfahren sind Gegenstand gehören Sisal und Kokos (6-16).
aktueller Forschungsarbeiten am Institut für
Strukturmechanik des DLR. Wie bereits erwähnt sind für die Verwendung
von Naturfasern in Verbundwerkstoffen deren
spezifische mechanischen Eigenschaften ent-

Riedel
-4- Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

scheidend. Dass die Naturfasern Hanf, Flachs Thermoplaste verarbeiten werden zu können.
und Ramie mit den technischen Fasern kon- Stärke kann beispielsweise durch Destruktu-
kurrieren können, zeigt Abb. 1. rierung mit Hilfsmitteln (z. B. Glycerin und
Wasser) (19, 20) thermoplastifiziert werden.
Häufig wird anschließend durch Zugabe von
Copolymeren, die auch petrochemischen Ur-
sprungs sein können, versucht, die Eigen-
schaften zu verbessern (ein Produkt ist z. B.
Mater-Bi) (21). Aber auch durch partielle oder
vollständige Veresterung der Seitenkettenhy-
droxylgruppen mit kurzkettigen organischen
Säuren wie z. B. Essigsäure und evtl. Zugabe
von Weichmachern kann dieser Effekt erzielt
werden (ein Produkt ist z. B. Sconacell A)
Abb. 1: Vergleich der Eigenschaften verschiedener
natürlicher Verstärkungsfasern
(22). Zusätzlich werden hierdurch auch ande-
re physikalische, chemische, mechanische
Aus Diagramm 1 ist ersichtlich, dass die Ra- und thermische Eigenschaften des Biopoly-
mie-, Flachs- und Hanffasern im Vergleich zu mers beeinflusst. Zur Thermoplastifizierung
den anderen Naturfasern Sisal, Fichte und von Zellulose unter Erhalt der zellulosischen
Baumwolle die größten Reißlängen besitzen. Kettenstruktur wird vornehmlich die Vereste-
Aufgrund der deutlich höheren Bruchdehnung rung der Hydroxylgruppen an der Seitenkette
von bis zu 10 % ist die Eignung der Baum- vorgenommen (ein Produkt ist z. B. Bioceta)
wollfaser als Verstärkungsfaser für Verbund- (23-25).
werkstoffe nicht gegeben. Als Referenzfaser
wurde E-Glas (z. B. Al-B-Silikatglas (17)) in Auf dem Wege der biotechnischen Synthese,
das Diagramm aufgenommen, weil es im Be- häufig fermentativ, werden vor allem durch
reich der Faserverbundtechnik große Bedeu- Mikroorganismen aufgebaute Polymere ge-
tung besitzt (6,18). wonnen. Dabei dienen diese Polymere als
Energiespeicher für die Mikroorganismen. Im
2.2. Biopolymere als Matrixsysteme Vergleich dazu wird die Aufgabe des Energie-
speicherns in Pflanzen durch die Stärke er-
Die beschriebenen Naturfasern werden in füllt. Als wichtigstes Beispiel für fermentierte
eine biopolymere Matrix gebettet, deren Auf- Biopolymere seien hier die Polyhydroxybutter-
gabe es ist, die Formstabilität zu gewährlei- säure und deren Copolyester aufgeführt (ein
sten, die mechanisch hochwertige Faser vor Produkt ist z. B. Biopol) (26).
Strahlung und aggressiven Medien zu schüt-
zen und Schubkräfte zu übertragen. Dabei Biopolymere
werden die Polymere in der Regel in Duropla-
ste und Thermoplaste unterteilt, die gleicher- Polymerkette
Polymer Monomer
maßen als Matrix für den Konstruktionswerk-
stoff geeignet sind.
biotechnische Synthese natürliche Synthese natürliche Synthese

Biopolymere sind solche Polymere, deren


Grundbausteine überwiegend aus nachwach- z. B. Polyhydroxybutter-
Kohlenhydrate, Proteine,
Polyphenole, Harze z. B. Pflanzenöle und
senden Rohstoffen bestehen. Dabei können säure und Copolyester z. B. Cellulose, Stärke,
Kasein, Lignin, Schellack
Derivate, Zuckerderivate

die Grundbausteine sowohl von der Polymer-


kette als auch von der Seitenkette oder von
physikalische Verfahren
den zum Polymer zu verknüpfenden Monome- physikalische Verfahren z. B. Destrukturierung, physikalische Verfahren
z. B. Compoundieren Compoundieren z. B. Compoundieren
ren gebildet werden. Hieraus resultiert eine chemische Verfahren chemische Verfahren chemische Verfahren
z. B. Derivatisierung, z. B. Derivatisierung der z. B. Derivatisierung,
Vielzahl von Bildungsmöglichkeiten für Bio- Vernetzung Seitenketten, Ver- Vernetzung
netzung
polymere.
Abb. 2: Gliederung der Biopolymere
Die natürlich synthetisierten Polymere wie z.
B. Stärke und Zellulose müssen physikalisch Durch chemische Synthese werden überwie-
oder chemisch umgewandelt werden, um als gend kleine Bausteine zu Polymeren ver-
knüpft. Solche Monomere werden wiederum

Riedel
Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen -5-

entweder gänzlich natürlich synthetisiert, zu von GFK bereits jetzt annähernd erreicht wer-
nennen sei hier die Milchsäure, oder durch den können. Wird berücksichtigt, dass die
chemische Modifikation gering verändert, zu Dichten der Naturfasern mit ca. 1500 kg/m³
nennen sind hier verschiedene epoxidierte deutlich unterhalb der der Glasfasern mit ca.
Sonnen-, Rüb-, Lein- oder Sojaöle. Die zuletzt 2500 kg/m³ liegen, so kann bei gleichem
genannten Grundbausteine werden bisher Bauteilgewicht ein höherer Faservolumenan-
noch mit petrochemisch gewonnenen Härtern teil bei den BioVerbunden eingestellt werden,
vernetzt (Produkte sind z. B. Tribest der der eine größere Verstärkung bewirkt.
3000er Reihe, PTP oder Elastoflex) (27). Aber
auch die anderen natürlichen Rohstoffe, wie
Zellulose, Schellack und Lignin etc. können
vernetzt werden, da sie entsprechende Funk-
tionalitäten besitzen und weitere zusätzlich
eingeführt werden können.

Die dargestellten Möglichkeiten der verfügba-


ren Matrices sind vielfältig (28-33), so dass
eine auf die Anforderungen angepasste
Werkstoffauswahl getroffen werden muss.
Dabei erfolgt die Auswahl der Matrix für einen
Hochleistungskonstruktionswerkstoff nach den
Randbedingungen Einsatztemperatur, me-
chanische Belastung und Verarbeitungstech- Abb. 3: Biegeeigenschaften ausgewählter naturfa-
nologie etc. Eine wichtige Anforderung an die servliesve rstärkter BioVerbunde
Matrix ist eine hinreichend geringe Viskosität,
damit eine gute Durchtränkung der Verstär- In Anlehnung an die bewährten Verfahren in
kungsfaser erreicht werden kann. Dabei müs- der Faserkunststofftechnik werden beim DLR
sen aber auch wichtige Eigenschaften wie z. Fertigungstechnologien zur Herstellung von
B. die Bruchdehnung, die vorzugsweise im Bio-Verbunden entwickelt, untersucht und
Bereich der der Naturfasern liegen sollte, und optimiert. Dabei handelt es sich insbesondere
eine gute Haftung zur Naturfaser gewährlei- um die Presstechnik, die Laminier- und die
stet sein. Die genannten Charakteristika sind Wickeltechnologie sowie die Pultrusion, die
neben anderen Matrixeigenschaften Grund- mit nur leichten Modifikationen bei der Bau-
voraussetzung für den Aufbau eines idealen teilfertigung erprobt werden. Zur konstruktiven
Faserverbundwerkstoffs. Ausnutzung der Anisotropie der Faserver-
bundwerkstoffe sind unidirektional (UD) ver-
Im DLR werden die verfügbaren Biopolymere stärkte Laminat- oder Gewebeschichten von
bezüglich Eignung für den Einsatz als Ma- Vorteil. Für weniger beanspruchte Bauteile
trixwerkstoff in Verbunden beurteilt. Bewertet oder Bauteilzonen genügen Vlieswerkstoffe.
werden neben der Erfüllung der oben ge-
nannten Aufgaben die Möglichkeiten, diese
Materialien in neuen Verfahren einzusetzen 4. Anwendungsforschung
(z. B. Harzinjektionsverfahren, wie das im In-
stitut entwickelte differential pressure resin Im folgenden wird ein Überblick über die seit
transfer moulding (DP-RTM) Verfahren). 1989 begonnen Entwicklungsarbeiten gege-
ben, wobei der Schwerpunkt auf ausgewähl-
ten Industriekooperationen liegt, aus denen
3. Werkstoffeigenschaften erste marktreife Produkte hervorgegangen
sind bzw. neue entstehen.
In Abb. 3 werden am Beispiel der Zugeigen-
schaften ausgewählte Bio-Verbunde mit 4.1. Designbürostühle
glasfaserverstärkten Verbunden (GFK) vergli- Eine der ersten Forschungskooperationen auf
chen. Dabei zeigt sich deutlich, dass bei glei- dem Gebiet der BioVerbunde bestand mit der
chem Faservolumengehalt die Eigenschaften Firma Wilkhahn (gefördert durch das nieder-
sächsische Ministerium für Wirtschaft, Tech-

Riedel
-6- Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

nologie und Verkehr) und befasste sich mit stoff zu gestalten, der zu 100 % aus nach-
der Entwicklung eines Designerbürostuhls, wachsenden Rohstoffen bestehen sollte, da
dessen Sitzschale aus einem bioabbaubaren eine ökologisch verträgliche Entsorgung an-
Verbund herzustellen war. Neben der Erfül- gestrebt wurde. Neben der im Vordergrund
lung der im Lastenheft festgelegten sitzspezi- stehenden Wirtschaftlichkeit sollte die eta-
fischen Anforderungen war erklärtes Ziel, blierte Fertigungstechnik genutzt werden, um
durch Verwendung eines ökologisch verträgli- die geforderten Bauteilspezifikationen zu er-
chen Werkstoffs ein konsequentes Entsor- reichen. Mit einem inzwischen neu entwickel-
gungskonzept, nämlich die Kompostierung zu ten Biopolymer konnte der Naturfaserver-
ermöglichen, unter Gewährleistung größter bundwerkstoff die im Lastenheft verankerten
gestalterischer Freiheiten des Werkstoffs. Da- Anforderungen erfüllen. Allerdings wurden aus
bei wurden mittels der Finiten Elemente Me- wirtschaftlicher Sicht diese Entwicklungen
thoden erste Messergebnisse genutzt, um bisher noch nicht industriell umgesetzt.
mechanische Voraussagen bezüglich der
Machbarkeit treffen zu können. Neben der
Eignungsuntersuchung aller marktverfügbaren
Biopolymere wurde die Prozesstechnik
grundlegend untersucht und notwendige Ent-
wicklungen wurden durchgeführt, damit der
neue Werkstoff industriell einsetzbar werden
sollte. Zusammenfassend lies sich zeigen,
dass sowohl die mechanischen Eigenschaften
näherungsweise erfüllt werden konnten als
auch ein konsequentes Entsorgungskonzept
dargestellt werden konnte. Die auftretenden
Fertigungsprobleme ergaben sich aus den
verwendeten Biopolymeren, so dass weitere
Forschungen auf diesem Gebiet für die Um-
setzung des Entwicklungskonzepts “BioVer- Abb. 5: Türseitenverkleidung aus BioVerbund
bund“ in weiteren Industrieanwendungen not-
wendig waren. 4.3. Pultrudierte Federleisten
Einer Marktanalyse zur Folge werden in naher
Zukunft hochwertige Buchenhölzer zur Ferti-
gung von Federleisten nicht mehr zum derzei-
tigen Marktpreis verfügbar sein. Grund hierfür
ist der im Osten Europas und auch in anderen
Ländern betriebene Raubbau. Um trotzdem
einen nachwachsenen Rohstoff verwenden zu
können, aber auf petrochemisch basierte
Komponenten, wie z. B. Phenolharzleime ver-
zichten zu können, und dabei Profile ohne
spanende Bearbeitung und ohne Einschrän-
kung der designerischen Freiheiten fertigen zu
können, bot sich die Pultrusion von Naturfa-
Abb. 4: Sitzschale aus BioVerbund sern, gebettet in Biopolymere, an. Dieses
komplexe Forschungsthema wurde zusam-
4.2. Türseitenverkleidung men mit der Firma Thomas Technik & Innova-
tion angegangen (gefördert durch das nieder-
Einen weiterer Schritt zur Umsetzung des sächsische Ministerium für Wirtschaft, Tech-
Konzepts konnte im Entwicklungsprojekt (ge- nologie und Verkehr).
fördert durch das niedersächsische Ministeri-
um für Ernährung, Landwirtschaft und For- Neben der Untersuchung verschiedenster
sten) mit der Firma Johnson Controls Interiors Fasertypen und –aufmachungen wurde das
getan werden. Ziel der Entwicklung war es, Pultrusionsverfahren hinsichtlich der Verwen-
eine Türseitenverkleidung aus einem Werk-

Riedel
Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen -7-

dung nachwachsender Rohstoffe optimiert


ohne die Wirtschaftlichkeit zu vernachlässi-
gen. Dabei konnten die geforderten mechani-
schen Eigenschaften erreicht werden. Obwohl
für den zuletzt genannten Punkt besondere
Maßnahmen ergriffen werden mußten, konnte
eine umweltverträgliche Entsorgung gewähr-
leistet werden. Solche Bettlattenroste sollen
voraussichtlich zur Jahreswende 2000/2001
auf dem Markt verfügbar sein (34).

Abb. 7: Rohr und Kastenträger auf Tablett

4.5. Arbeitschutzhelme
Das Konzept Konstruktionswerkstoffe aus
nachwachsenden Rohstoffen zeigt das enor-
me Potenzial dieser neuen Werkstoffklasse
auf. Hierbei geht es im Forschungsprojekt
(gefördert durch das niedersächsische Mini-
Abb. 6: BioVerbundprofil sterium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten) mit der Firma Schuberth Helme
4.4. Neue pflanzenölbasierte Du- GmbH darum, einen Industrieschutzhelm zu
roplaste entwickeln, der mindestens zu ca. 85 % aus
nachwachsenden Rohstoffen bestehen soll.
Die in einigen Projekten herausgearbeiteten
Basierend auf dem Werkstoffkonzept der Bio-
Probleme der Matrixsysteme werden mit ei-
Verbundwerkstoffe wurde ein geeignetes Fa-
nem derzeit laufenden Forschungsprojekt,
ser/Matrixsystem entwickelt, das die Anforde-
(gefördert von der Fachagentur Nachwach-
rungen der für Industrieschutzhelme maßgeb-
sende Rohstoffe), welches sich inhaltlich mit
lichen Norm DIN EN 397 erfüllt. Parallel zu
der Entwicklung oleochemisch basierter Du-
der Erarbeitung dieser rein werkstofflichen
roplaste auseinandersetzt, Rechnung getra-
Grundlagen musste im Hinblick auf eine spä-
gen. Dabei geht es um die Entwicklung neu-
tere Serienproduktion der Helmschalen ein in
artiger pflanzenölbasierter Duroplaste, deren
bezug auf Produktivität und Qualität geeigne-
Einsatz im Faserverbundbereich (Naturfasern
tes Herstellungsverfahren bereitgestellt wer-
als Verstärkungssysteme) gesehen wird. Die-
den.
se Biopolymere sollen neben den Verarbei-
tungseigenschaften auch in ihren anderen, z.
Die Messergebnisse lassen erkennen, dass
B. ihren mechanischen Kenndaten und ihren
die Anforderungen der DIN EN 397 von den
Beständigkeiten vergleichbar sein mit den
Helmschalen aus BioVerbund in jedem Fall
Eigenschaftswerten ihrer petrochemischen
erreicht bzw. übertroffen werden. Durch einen
Verwandten. Die Verwendung eines höchst-
optimierten Lagenaufbau sowie die Ausnut-
möglichen Einsatzes von nachwachsenden
zung des Leichtbaupotentials der Naturfasern
Rohstoffen nimmt dabei eine entscheidende
ließ sich für die Helmschalen eine Gewichts-
Rolle ein. Erste Ergebnisse fließen bereits in
reduzierung von 5 – 10 % erreichen, was für
derzeit laufende Projekte ein.
den Tragekomfort der Schutzhelme eine we-
sentliche Verbesserung darstellt.

Riedel
-8- Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

Abb. 8: Industrieschutzhelm

Zukünftige Arbeiten zielen darauf ab, das


Werkstoffkonzept der BioVerbunde soweit zu
optimieren, dass auch Bereiche mit höheren
Sicherheitsanforderungen bedient werden
können.

4.6. Schienenfahrzeuginnenausbau
Für die Konzeptstudie „LIREX“ (leichter inno-
vativer Regionalexpress, der erstmalig auf der
Innotrans in Berlin der Öffentlichkeit präsen- Abb. 9: Luftsäulenverkleidung
tiert wird) der Firma Alstom LHB wurden mit
Mitteln des niedersächsischen Ministeriums
für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 5. Zusammenfassung
Luftsäulenverkleidungen (siehe Abb. 9) ent-
wickelt, die sich als Verbindungselemente
Die gewonnen Erfahrungen haben gezeigt,
zwischen zwei Seitenfenstern im Sichtbereich
dass sich der BioVerbund in hervorragender
des Zuges befinden. Damit konnte anschau-
Weise zu Konstruktionsbauteilen verarbeiten
lich demonstriert werden, wie leistungsfähig
lässt. Die gewichtsbezogenen mechanischen
die BioVerbundwerkstoffe sind.
Eigenschaften lassen es zu, Anwendungsbe-
reiche anzustreben, die heute von glasfaser-
Es wurden erfolgreich die Richtlinien für
verstärkten Kunststoffen beherrscht werden.
DBAG-Fahrzeuge gemäß TL918413 einge-
Einschränkungen müssen zur Zeit noch in
halten. In diesem Zusammenhang sind in er-
Bereichen mit extremen Umweltbedingungen
ster Linie die für den Brandschutz in Schie-
akzeptiert werden. Wesentliche Zielgruppe
nenfahrzeugen maßgeblichen und erhebli-
sind somit z. B. Verkleidungselemente im
chen Anforderungen der DIN 5510 – 1 zu
Automobil- und Waggonbau, die Möbelindu-
nennen. Der BioVerbund wurde mit halogen-
strie sowie der gesamte Markt der Freizeitin-
freien Brandschutzmitteln ausgerüstet und
dustrie.
konnte die Brennbarkeitsklasse S4, die Rau-
chentwicklungsklasse SR2 und die Tropfbar-
Zusammenfassend wird festgestellt, dass die
keitsklasse ST2 erreichen.
langjährige Entwicklung unter Beibehalt des
hochgesteckten Ziels, nämlich die Verwen-
dung von nachwachsenden Rohstoffen mit
einem Anteil von mindestens 80 % nicht zwin-
gend zu Werkstoffunterschieden führen muss.
Erste Produkte sind bereits im Markt, weitere
werden in Kürze folgen. Um vielfältige indu-
strielle Einsatzgebiete mit diesem neuen
Werkstoff bedienen zu können, bedarf es

Riedel
Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen -9-

noch weiterer Forschungsaktivitäten im Be- 4. Auflage, Bd.9, Verlag Chemie,


reich Fertigungstechnologie und Optimierung Weinheim 1975, S. 247-253.
der Komponenten. Es wird erwartet, dass sich
in naher Zukunft die Marktakzeptanz deutlich (10) Gessner, W.:
durch die Einführung der ersten Produkte aus Naturfasern Chemiefasern. Fachbuch-
BioVerbund erhöhen wird und neue Märkt verlag, Leipzig 1955.
erschlossen werden können.
(11) N.N.:
Band IV: Technik 1.Teil. Landolt-
6. Literaturverzeichnis Börnstein, 6. Auflage 1955, S. 158-295.

(12) N.N.:
(1) Michaeli, W.; Wegener M.:
Band IV: Technik 1.Teil. Landolt-
Einführung in die Technologie der Fa-
Börnstein, 6. Auflage 1955, S. 322-420.
serverbundwerkstoffe. Hanser Verlag,
München 1990. (13) N.N.:
Flachs sowie andere Bast- und Hartfa-
(2) Carlsson, L.A., Byron Pipes R.:
sern, Faserstoff-Tabellen nach P.-A.
Hochleistungsfaserverbundwerkstoffe-
Koch. Sonderdruck aus Chemiefa-
Herstellung und experimentielle Cha-
sern/Textilindustrie, 44./96. Jahrgang,
rakterisierung, B.G. Teubner-Verlag,
Deutscher Fachverlag GmbH, Frank-
Stuttgart 1989.
furt/Main 1994.
(3) Moser, K.:
(14) Haudek, H. W.; Viti, E.:
Faser-Kunststoff-Verbund. VDI-Verlag
Textilfasern. Verlag Johann L. Bondi &
GmbH, Düsseldorf 1992.
Sohn, Wien-Perchtoldsdorf, Melliand
Textilberichte KG, Heidelberg 1980, S.
(4) Ehrenstein, G.W.:
15-73.
Faserverbund-Kunststoffe, Carl Hanser
Verlag, München 1992.
(15) Haudek, H. W.; Viti, E.:
Textilfasern. Verlag Johann L. Bondi &
(5) DIN 60 001:
Sohn, Wien-Perchtoldsdorf, Melliand
Textile Faserstoffe – Naturfasern.
Textilberichte KG, Heidelberg 1980, S.
Deutsches Institut für Normung, Berlin
122-141.
1990.
(16) Haudek, H. W.; Viti, E.:
(6) Wagner, E.:
Textilfasern. Verlag Johann L. Bondi &
Teil T12: Die textilen Rohstoffe (Natur-
Sohn, Wien-Perchtoldsdorf, Melliand
und Chemiefaserstoffe). Handbuch für
Textilberichte KG, Heidelberg 1980, S.
Textilingenieure und Textilpraktiker, Dr.
156-161.
Spohr-Verlag, Wuppertal-Elberfeld
1961.
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Riedel
- 10 - Konstruktionswerkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen

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auf der Basis nachwachsender Roh-
stoffe. Tagungsband zum 1. Internatio- (27) Scherzer, D.:
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stoff-Forschung e.V.). lichen Fasern” (Hrsg. Bildungsseminar
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(21) Bastioli, C.: Pfalz).
Starch based bioplastics: Properties,
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gen, 19./20.11.1992, ”Biologisch ab-
(22) Rapthel, I.; Kakuschke, R.: baubare Kunststoffe”.
Entwicklungen und Eigenschaften von
Sconacell A als vollständig abbaubare (29) Fritz, H.-G.; Seidenstücker, T.; Bölz,
Kunststoffe auf Basis teilacetylierter U.; Juza, M.; Schroeter, J.; Endres, H.-
Naturstärke. Tagungsband zum 1. In- J.:
ternationalen Symposium, Rudolstadt, Study on production of thermoplastics
3./4.9.1997, ”Werkstoffe aus nach- and fibres based on mainly biological
wachsenden Rohstoffen” (Hrsg. Thü- materials. EUR 16102, Directorate-
ringisches Institut für Textil- und Kunst- General XII Science, Research and
stoff-Forschung e.V.). Development, 1994.

(23) N.N.: (30) Witt, U.; Müller, R.-J.; Klein, J.:


Bioceta – Biologisch abbaubares Zel- Biologisch abbaubare Polymere, Studie
lulosediacetat. Kunststoff + Kautschuk des Franz-Patat-Zentrums für Poly-
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Riedel

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