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2020

Bioraffinerie

Grundlagen, Beispiele

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Geschichte

+ H2SO4 (konz.) → Glukose (1819) Holzverzuckerung


Holz

+ H2SO4 (verd.) → Glukose (1855) zB. zur Ethanol-Herstellung

+ HNO3 + NaOH → Cellulose (1839) Papierherstellung

+ Na2CO3 → Seife (1850)


+ H2 + Ni-Katalysator → gehärtetes Fett (1902)

Ansätze zur integrierten Produktion bei der industriellen Verarbeitung


von nachwachsenden Rohstoffen haben eine lange Tradition,
beginnend mit der Zeit, als die industrielle Zellstoffproduktion und die
damit verbundenen Abfallprodukte kontinuierlich expandierten.
1878 – Verbesserung des Sulfit-Verfahrens (Holzaufschluss zu
Cellulose) → Fermentation von Zucker aus Ablauge zu Ethanol

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DEFINITION

Raffinerie – Bioraffinerie

Kraftstoffe & Energie Kraftstoffe & Energie


• Bioethanol
• Biodiesel, Biogas
• Wasserstoff

Erdöl Biomasse

Chemie Materialnutzung und Chemie


• Grund- und Feinchemikalien
• Biopolymere und Bioplastik

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Definitionen

▪ Eine Bioraffinerie zeichnet sich durch ein explizit integratives,


multifunktionelles Gesamtkonzept aus, das Biomasse als
vielfältige Rohstoffquelle für die nachhaltige Erzeugung eines
Spektrums unterschiedlicher Zwischenprodukte und Produkte
(Chemikalien, Werkstoffe, Bioenergie inkl. Biokraftstoffe) unter
möglichst vollständiger Verwendung aller Rohstoffkomponenten
nutzt; als Koppelprodukte können ggf. zusätzlich auch Nahrungs-
und/oder Futtermittel anfallen. Hierfür erfolgt die Integration
unterschiedlicher Verfahren und Technologien
Roadmap Bioraffinerien – im Rahmen der Aktionspläne der Bundesregierung zur stofflichen und energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe – 31.05.2012:
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/roadmap-bioraffinerien.pdf?__blob=publicationFile&v=3

▪ Grüne Bioraffinerien stellen komplexe (bis voll integrierte)


Systeme nachhaltiger, umwelt- und ressourcenschonender
Technologien für die umfassende (ganzheitliche) stoffliche und
energetische Nutzung sowie Verwertung biologischer Rohstoffe
in Form von Grün- und Restbiomasse aus einer gezielten
nachhaltigen regionalen Landnutzung dar.
Kamm, B., & Kamm, M. (2007). Biorefineries–multi product processes. In White Biotechnology (pp. 175-204). Springer, Berlin, Heidelberg.
https://link.springer.com/chapter/10.1007/10_2006_040

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Zentrale Aufgabe

▪ Wachsende Weltbevölkerung ausreichend mit


Nahrungsmitteln, Energie und Rohstoffen versorgen
▪ Dabei darauf zu achten, Natur und Umwelt nicht zu
beeinträchtigen und klimaschädliche Treibhausgase zu
verringern

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Definition

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Verfahrenskette zur Bereitstellung der Biomasse

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Verfahrenskette & Rohstoffe

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Klassifizierung

Rohstoffe Anbaubiomasse Aquatische Biomasse Biogene Rest- und Abfallstoffe


• Ölpflanzen • Algen • Land- und forstw. Abfälle (Stroh,
• Stärkepflanzen Gülle,…)
• Zuckerpflanzen • Biog. Reststoffe aus der
• Gräser Verarbeitung (Molke, Schlempe,…)
• Holz • Biog. Abfallstoffe (Altspeisefett,
• Holzartige Biom. Altholz)
Plattform • Niedermolekulare KH (Zucker) • Pflanzenfasern
• Polymere KH (Stärke, Pektin) • Öle, Lipide
• Lignozellulose-Komponenten (Lignin, • Presssaft
Cellulose, Hemizellulose) • Biogas
• Proteine • Syngas
Produkte Materialien Bioenergie
• Chemikalien • Feste, flüssige, gasförmige Bioenergieträger
• Werkstoffe • Elektrizität
• Futtermittel (als Koppelprodukt) • Wärme
• Nahrungsmittel (als Koppelprodukt)
Prozesse • Physikalische (inkl. Mechanische) Prozesse
• Thermochemische Verfahren
• Chemische Verfahren
• Biotechnologische Verfahren

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Wertschöpfungskette
Bioraffinerie vs. Petrochemie

Rohstoffe • Biomasse: komplexes • Erdöl/-gas: Gemisch aus KW


Gemisch aus org. • kaum anorg. Verbindungen
Verbindungen • wasserfrei
• anorg. Verbindungen
• wasserhaltig
Primärraffination • Mech., bio-/chem., • Destillation / therm. / thermokat.
Aufschluss zu komplexen Spaltung zu einfachen Molekülen
Molekülen
Sekundärraffination • Umwandlung u. Abbau • Aufbau komplexer Moleküle aus
komplexer Moleküle (Top- einfachen Vorstufen (Bottom-up)
down)
Prozesse • thermochem. / chemokat. • thermochem. / thermokat. /
Verfahren chemokat. Verfahren
• biotech. Verfahren
Produktklassen • Chemikalien / Werkstoffe • Chemikalien / Werkstoffe
• Brenn- / Kraftstoffe • Brenn- / Kraftstoffe
• Nahrungs- / Futtermittel

für feste bzw. flüssige Intermediate,


12 zB: für Plattformen: Stärke, Pflanzenöl, Lignocellulose

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Wertschöpfungskette
Bioraffinerie vs. Petrochemie

Rohstoffe • Biomasse: komplexes • Erdöl/-gas: Gemisch aus KW


Gemisch aus org. • kaum anorg. Verbindungen
Verbindungen • wasserfrei
• anorg. Verbindungen
• wasserhaltig
Primärraffination • therm., thermokat. (Syngas) • Destillation / therm. / thermokat.
bzw. biochem (Biogas) Spaltung zu einfachen Molekülen
Spaltung zu einfachen
Molekülen
Sekundärraffination • Aufbau komplexer Moleküle aus einfachen Vorstufen (Bottom-up)

Prozesse • thermochem. / chemokat. • thermochem. / thermokat. /


Verfahren chemokat. Verfahren
• biotech. Verfahren
Produktklassen • Chemikalien / Werkstoffe
• Brenn- / Kraftstoffe

für gasförmige Intermediate,


13 zB: für Plattformen: Stärke, Pflanzenöl, Lignocellulose

Entwicklungsansätze

▪ Bottom-up ▪ Top-down
o Erweiterung bereits o Konzipierung neuer und hoch
vorhandener Biomasse- integrierter Anlagen
verarbeitungsanlagen
(Zucker/Stärke/Zellstoff/Öl) o …auf Basis einer
o Erweiterung der Bioraffinerieplattform
Produktpalette od. der o …für die Nutzung
einsetzbaren Biomasse- verschiedener
fraktion durch Anknüpfung Biomassefraktionen
zusätzl. Prozesse / o …zur (abfallfreien) Erzeugung
Technologien
einer Vielfalt von Produkten für
Stärkefabrik
(Lestrem, unterschiedl. Märkte
Frankreich)

Neue Produkte o üblicherweise


Ganzpflanzennutzung

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Entwicklungsansätze

▪ An einem neuen Standort („green field“) oder


▪ an einem bereits bestehenden Industriestandort („brown field“)
umgesetzt
▪ Integration in bestehenden Industrie- / Chemiepark
▪ Weiterentwicklung einer bestehenden Biomassekonversionsanlage
▪ Primärraffination (Biomassekonditionierung) dezentral organisierte
→ gemischte Struktur
o ggf. Reduktion von Transportkosten
▪ Entwicklung einer BR i.d.R. entweder stofflich oder energetisch
getrieben
o biobasierte, technische Produkte
o Biobasierte Sekundärenergieträger
▪ Auf-/Ausbau i.d.R. schrittweise

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Produktausrichtung

▪ Stofflich getriebene BR ▪ Energetisch getriebene BR


o Hauptsächlich o Hauptsächlich
(Menge/Wertschöpfung) (Menge/Wertschöpfung)
Herstellung eines Herstellung eines oder ggf.
Spektrums an Chemikalien mehrerer Bioenergieträger
und Wertstoffen o Chemikalien und Wertstoffe
o Koppelprodukte und im Verhältnis nur in
Reststoffe zur Erzeugung geringer Menge
von Bioenergie und o Koppelprodukte und
Nahrungs-/Futtermitteln Reststoffe zur Produktion
von Chemikalien,
Wertstoffen, Nahrungs-/
Futtermitteln

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SWOT-Analyse
Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats

▪ Stärken ▪ Schwächen
o Internat. wettbewerbsfähige o Biomassenutzung noch nicht in allen
Industrie/Energie Teilen der Industrie erkannt
o Effektive Land-/Forstwirschaft o Verbesserung nachhaltiges/r
Biomasseanbau/-bereitstellung
o Infrastruktur/geogr. Lage
o Hohe Investitionskosten bei
o Knowhow bei Bau/Betrieb von komplexen Anlagen
Anlagen zur o Gesellschaftl. Akzeptanz für
o Starke Forschungslandschaft Biomasseanbau nicht immer gegeben

▪ Chancen ▪ Risiken
o Wandel indust. Rohstoffbasis zu o Begrenzte Verfügbarkeit von
mehr Nachhaltigkeit/Ress.effizienz Biomasse
o Stärkung der o Verstärkung von Nutzungskonflikten
Wettbewerbsfähigkeit v. o Stärker internat. Wettbewerb mit
Industrie/Land-/Forstwirtschaft Industrie und Schwellenländern
o Export von Anlagen/biob.
Produkten

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BEISPIELE

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Entwicklungsstand von BR-Konzepten

→ sehr heterogen

= Technology Readiness Level

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TRL der Stufen innerhalb der BR

10
9
8
7
6
TRL

5
4
3
2
1
0
Rohstoff- Primär- Primär- Sekundär- Sekundär- Integration
Bereitstellung raffination, raffination, raffination, raffination,
Aufschluss Aufschluss Zw.-Produkte Veredelung
Stärke Algenlipid Biogas
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Stärkebioraffinerie

Stier (2017) Bioraffinerie. https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/biooekonomie/171212-nabu-biooekonomie-vilm-


Folie 22 2017-matthias-stier-bioraffinerien.pdf

SWOT-Analyse – Stärke
Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats

▪ Stärken ▪ Schwächen
o Bestehende Strukturen o Veredelung von Zw.-produkten zu
o Vorhandene Stärkeindustrie (D, Ö) neuen Produkten zu verbessern
o Rohstoffe verfügbar (EU, global) o Integration von biobasierten
o Techn. weit entwickelte prim. Produkten / Bioenergie ausbaufähig
Raffination zu Stärke o Verknüpfung mit chem. Industrie ist
o Erfahrung zur chem. biotech. unterentwickelt
Konversion von Kohlehydraten

▪ Chancen ▪ Risiken
o Weiterentwicklung bestehender o österr. Stärkeindustrie global
Standorte (Bottom-up) schwach positioniert
o zusätzl. Wertschöpfung durch o Konkurrenz durch global agierende
Integration weiterer chem. / agroindustr. / chem. Unternehmen
biotech. Prozesse / Produkte o Rohstoffverknappung für
o Synergieeffekte durch gekoppelte Nahrungsmittelbereich durch
Prozesse zunehmenden Bedarf an
o Exportmöglichkeiten Rohrstoffen

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Algenbioraffinerie

24 Stier (2017) Bioraffinerie. https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/biooekonomie/171212-nabu-biooekonomie-vilm-


2017-matthias-stier-bioraffinerien.pdf

SWOT-Analyse – Algenlipid
Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats

▪ Stärken ▪ Schwächen
o Starke F&E zu Mikroalgen (D) o Klima in Mitteleuropa nicht ideal
o va. geschlossene Systeme
o Forschungsintensieve KMUs
o Kreislauf-/Rückführung der Nährst.
(Kultivierung, Nutzung v. noch nicht gelöst
Algenbiom., PBR-Entwicklung, o Hohe Produktivität v. Mikroalgen vs.
Aufbereitung) (D) geringer Konzentration
o Starker Anlagenbau in rel. o Produktentwicklung/-veredelung
Bereichen unterentwickelt
o Energieintensiev

▪ Chancen ▪ Risiken
o Neue Biomassequellen, die o Mitteleuropa gegenüber anderen
unabhängig von Agrarflächen sind globalen Standorten benachteiligt
o Hohe Biomasseproduktion im
o Starke, kompetitive Forschung
Vergleich zu Landpflanzen
(außerhalb D)
o Neue Produkte mit neuen
Funktionalitäten/Nutzungsoptionen o Zulassung für Produkte
o Produkte mit höher Wertschöpfung
o Export v. Technologie/Anlagen (D)

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Biogasbioraffinerie

26 Stier (2017) Bioraffinerie. https://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/biooekonomie/171212-nabu-biooekonomie-vilm-


2017-matthias-stier-bioraffinerien.pdf

SWOT-Analyse – Biogas
Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats

▪ Stärken ▪ Schwächen
o Geringe Ansprüche an o Geringe Rentabilität von
Substratqualität Biogasanlagen
o Bioabfälle / Gülle als Substrat o Unterentwickelte Primärraffination
o Vorhandene Infrastruktur für CH4 von Biogas (CH4 und CO2) zu
und Speicherkapazitäten Sekundärprodukten
o Weltweite Verfügbarkeit von
Abfallbiomasse

▪ Chancen ▪ Risiken
o CH4 hauptsächlicher Primärstoff o neg. ökologische Auswirkungen
für energ. und chem. Zwecke durch Anbau von Energiepflanzen
o Dezentrale Verfügbarkeit und o Konkurrenz zu Lebensmittelanbau
Rohstoffunabhängigkeit

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Katharina Meixner
Katharina.meixner@best-research.eu, +43 5 02378-9461

BEST – Bioenergy and Sustainable Technology GmbH,


IFA-Tulln, Konrad Lorenz Straße 20, 3430 Tulln

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