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Makroökonomik

NDU Sommersemester 2022

BLANCHARD/ILLING, 7. AUFLAGE, KAPITEL 6


Die Phillipskurve Blanchard/Illing Kapitel 8

2
Einleitung:
Modelle in dieser LV

Kurze Frist Mittlere Frist

Geld- und Lohn-


Gütermarkt Marktmacht
Finanzmärkte verhandlungen

IS- LM- WS- PS-


Gleichung Gleichung Gleichung Gleichung

IS-LM- IS-LM-PC- Phillips-


Modell Modell Kurve
Phillipskurve:
Ursprüngliche Version

Alban W. Phillips (1948, Economica) & Inflationsrate und Arbeitslosenquote,


USA, 1900–1960
Paul Samuelson und Robert Solow (1960,
American Economic Review):
▪ Negative Beziehung zwischen
Inflationsrate und Arbeitslosenquote
▪ Empirie: Negative Korrelation
(zumindest in den damaligen Daten)
▪ Theorie: Negativer Zusammenhang
aufgrund von Lohn- und Preisbildung

▪ Wichtig für Wirtschaftspolitik – welchen


Punkt auf der Phillipskurve sollte man
„wählen“?
Dreiecke: 1931-1939: Phase hoher Arbeitslosigkeit in den USA, liegen deutlich weiter rechts von der
sonstigen quadratischen Punktewolke
Phillipskurve:
Schätzung für Österreich

Quelle: World Bank WDI (2018)

5
Phillipskurve:
Entwicklung

▪ Zusammenbruch des Zusammenhangs zwischen Inflationsrate und


Arbeitslosenquote in den 1970er Jahren
▪ In den meisten OECD-Staaten hohe Inflation und hohe Arbeitslosigkeit
▪ Zweimaliger starker Anstieg der Ölpreise → Unternehmen erhöhten Preise
relativ zu den gezahlten Löhnen (Preis ↑ → Reallöhne ↓ → Produktionsniveau ↓)
▪ Lohnsetzer änderten Erwartungsbildung
▪ Inflation stieg stetig und zeigte hohe Persistenz
▪ Erwartung war nicht mehr, dass die Inflationsrate konstant bleibt, sondern dass
sie steigt.
▪ Veränderte Erwartungsbildung von Haushalten und Unternehmen ändert die
Struktur der Beziehung zw. ALQ & 𝜋
▪ Neu formulierte Beziehung:
▪ Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquote und Änderung der Inflationsrate

6
Umfrage zur Wahrnehmung der Inflation
Wiederholung:
Preissetzung und Lohnsetzung
Aus voriger Einheit:

▪ Lohnsetzung (WS): 𝑊 = 𝑃𝑒 𝐹 𝑢, 𝑧
− +

▪ Nominallohn 𝑊, der in Lohnverhandlungen bestimmt wird, hängt vom erwarteten


Preisniveau 𝑃𝑒 ab, der Arbeitslosenquote 𝑢 und der Sammelvariable 𝑧 ab

▪ Preissetzung (PS): 𝑃 = 1+𝜇 𝑊

▪ Der Preis, den die Unternehmen fordern, liegt um 1 + 𝜇 über dem Lohnsatz 𝑊

▪ Je höher die Marktmacht 𝜇 des Unternehmens, desto höher ist der Aufschlag

▪ Zusätzliche Annahme: 𝑃 = 𝑃𝑒
▪ tatsächliches Preisniveau = erwartetes Preisniveau,
(gilt nur im mittelfristigen Gleichgewicht)

▪ Neu: tatsächliches Preisniveau kann vorm erwarteten Preisniveau abweichen: 𝑃 ≠ 𝑃𝑒


Phillipskurve
Herleitung

Aus voriger Einheit:


Durch einsetzen von WS in PS:
▪ Preissetzung (PS): 𝑃 = 1+𝜇 𝑊
𝑃 = 𝑃𝑒 1 + 𝜇 𝐹 𝑢, 𝑧
▪ Lohnsetzung (WS): 𝑊 = 𝑃𝑒 𝐹 𝑢, 𝑧 − +
− +

Erläuterung:

▪ Ein Anstieg des erwarteten Preisniveaus führt zu höheren Lohnforderungen

▪ Höhere Lohnforderungen führen zu einem Anstieg des Preisniveaus

▪ Ein Anstieg der ALQ lässt die Nominallöhne sinken

▪ Durch gesunkene Nominallöhne kommt es zu niedrigeren Preisen

▪ Durch niedrigere Preise sinkt das Preisniveau


Phillipskurve
Herleitung
𝑃 = 𝑃𝑒 1 + 𝜇 𝐹 𝑢, 𝑧
− +
Umformung zur Phillipskurve:

1. Spezifiziere: 𝐹 𝑢, 𝑧 = 1 − 𝛼𝑢 + 𝑧 𝑃 = 𝑃𝑒 1 + 𝜇 1 − 𝛼𝑢 + 𝑧
− +

Je höher die ALQ, desto niedriger der Lohn

Je höher der Wert von 𝑧 (zB je höher das AL-Geld), desto höher der Lohn

𝛼 gibt an, wie stark der Lohn auf Veränderungen der Arbeitslosigkeit reagiert

1. Dividiere durch 𝑃 der Vorperiode


& Umformen 𝜋 = 𝜋 𝑒 + 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢

Phillipskurve formuliert als Beziehung zwischen Inflation 𝜋 und ALQ


Phillipskurve Herleitung Detail

Phillipskurve Ausgangspunkt: → 1 + 𝜋 = 1 + 𝜋 𝑒 1 + 𝜇 + 1 − 𝛼𝑢 + 𝑧) /: (1 + 𝜋 𝑒 )(1 + 𝜇)


𝑃𝑡 = 𝑃𝑡𝑒 1 + 𝜇 𝐹 𝑢, 𝑧 (1 + 𝜋𝑡 )
= 1 + 𝛼𝑢𝑡 + 𝑧
1 + 𝜋𝑡𝑒 (1 + 𝜇)

Definiere F als:
𝐹 𝑢, 𝑧 = 1 − 𝛼𝑢 + 𝑧 Es gilt für kleine Werte für Inflation und
Gewinnaufschlag:
1 + 𝜋𝑡 − 𝜋𝑡𝑒 − 𝜇 = 1 + 𝛼𝑢 + 𝑧
→ 𝑃𝑡 = 𝑃𝑡𝑒 1 + 𝜇 1 − 𝛼𝑢 + 𝑧 /: 𝑃𝑡−1
𝝅𝒕 = 𝝅𝒆𝒕 + 𝝁 + 𝒛 − 𝜶𝒖
𝑃𝑡 𝑃𝑡𝑒
→ = 1 + 𝜇 1 − 𝛼𝑢 + 𝑧
𝑃𝑡−1 𝑃𝑡−1

Schreibe die linke Seite als:


𝑃𝑡
= (𝑃𝑡 +𝑃𝑡−1 − 𝑃𝑡−1 )/𝑃𝑡−1 =
𝑃𝑡−1
1 + (𝑃𝑡 − 𝑃𝑡−1 /𝑃𝑡−1 ) = 1 + 𝜋
Phillipskurve:
Zusammenhänge

𝜋 = 𝜋 𝑒 + 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢

▪ Bei gegebener erwarteter Inflation 𝜋 𝑒 führt ein Anstieg des Gewinnaufschlags 𝜇


oder ein Anstieg der Sammelvariable 𝑧 zu einem Anstieg der Inflation 𝜋
𝜇↑ ⟹ 𝜋↑
▪ Grund:
▪ Ein höherer Gewinnaufschlag 𝜇 bedeutet einen zusätzlichen Preisanstieg
▪ Eine höhere Sammelvariable 𝑧 bedeutet einen zusätzlichen Lohnanstieg und in
Folge einen zusätzlichen Preisanstieg

14
Phillipskurve:
Zusammenhänge

𝜋 = 𝜋 𝑒 + 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢

▪ Bei gegebenen Werten für 𝜋 𝑒 , 𝜇 und 𝑧 führt ein Anstieg der Arbeitslosenquote 𝑢
zu einem Rückgang der Inflation 
𝑢 ↑⟹ 𝜋 ↓
▪ Grund:
▪ Eine höhere Arbeitslosenquote 𝑢 bedeutet eine geringere Verhandlungsmacht
der Arbeitnehmer. Dies lässt Lohnanstiege geringer ausfallen, folglich steigen
auch die Preise in geringerem Ausmaß.
Phillipskurve:
Ursprüngliche Version

𝜋 = 𝜋 𝑒 + 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢
Wie bilden sich Inflationserwartungen 𝜋 𝑒 ?
Ursprüngliche Version: „verankerte“ Inflationserwartungen, 𝜋 𝑒 = 𝜋

▪ Typisch, wenn Inflation um den Wert 𝜋
ത schwankt
▪ D.h. manchmal hohe Inflation, manchmal niedrige, aber langfristiger Mittelwert = 𝜋

𝜋 = 𝜋ത + 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢

▪ Negativer Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquote und Inflation (Phillips, 1958)


▪ Ein Anstieg der erwarteten Inflation führt zu einem Anstieg der Inflation
▪ Inflation ist nicht persistent (die aktuelle Inflation liefert keine gute Prognose für die
Inflation im nächsten Jahr
▪ „Lohn-Preis-Spirale“
Phillipskurve:
Ursprüngliche Version vor 1970

Vor 1970: ursprüngliche Phillipskurve Inflation und Arbeitslosigkeit


in Deutschland, 1959–1970
4
▪ D.h. je niedriger die Arbeitslosenquote,
desto höher die Inflationsrate 1970
1966

1965
3 1963
1962

Inflationsrate
1964 1961
2 1969
1967
1960 1968

0
0 0,5 1 1,5 2 2,5

Arbeitslosenquote
Phillipskurve:
Ursprüngliche Version “verschwindet”

Ab 1970er: Zusammenhang
Inflation und Arbeitslosigkeit
verschwindet
in Deutschland, 1960–2015
1. Starker Anstieg des Ölpreises
▪ Unternehmen erhöhten daher Preise
relativ zu Löhnen
2. Änderung der Erwartungsbildung
▪ Inflationsrate war nun regelmäßig
positiv
▪ Wenn Jahr mit hoher Inflation
→ nächstes Jahr oft ebenfalls hohe
Inflation
▪ Inflationserwartungen daher nicht mehr
fest verankert, sondern dem Vorjahr
entsprechend
Verschiedene Versionen der Phillipskurve

▪ Offensichtlich werden die Inflationserwartungen revidiert, wenn sie dauerhaft nicht


bestätigt werden. Wir betrachten deshalb folgende allgemeinere Form der
Erwartungsbildung:
π𝑒𝑡 = 1 − θ ∙ π
ഥ + θ ∙ π𝑡−1

▪ Der Parameter  liegt zwischen 0 und 1 und gibt an, wie stark die
Inflationsrate der vergangenen Periode t−1 bei der Bildung der erwarteten
Inflationsrate  et berücksichtigt wird.
▪ Der Wert von  ist im Lauf der 1970er-Jahre gestiegen (vorher lag er nah
bei null). Somit haben die Menschen Mitte der 1970er-Jahre anscheinend
angenommen, dass die diesjährige Inflationsrate gleich der des Vorjahres
sein würde.
Phillipskurve:
Modifizierte Version

𝜋 = 𝜋 𝑒 + 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢

ab Mitte 1970er-Jahre: „adaptive“ Inflationserwartungen, 𝜋 𝑒 = 𝜋𝑡−1


▪ Typisch wenn Inflation persistent ist
▪ Man erwartet daher keine fixe Inflationsrate 𝜋,
ത sondern die erwartete
Inflationsrate entspricht der in der Vorperiode beobachteten Inflationsrate
(entspricht =1)
𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1 + 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢𝑡
𝜋𝑡 − 𝜋𝑡−1 = 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢𝑡

▪ „modifizierte Phillipskurve“ oder „akzelerierende Phillipskurve“


▪ Negative Beziehung zwischen Arbeitslosigkeit und Veränderung der Inflation
▪ Hohe Arbeitslosigkeit führt zu ständig sinkender Inflation,
niedrige Arbeitslosigkeit führt zu ständig steigender Inflation
Phillipskurve:
Modifizierte Version

▪ 1990–2015: negative Beziehung zwischen Arbeitslosenquote und Veränderungen der Inflationsrate,


Arbeitslosenquote und Änderung der Deutschland und USA, 1990–2015

Inflationsrate 6
USA
▪ Regressionsgerade für Deutschland 5 y = −0,5006x + 3,0766

Änderung Inflationsrate (Prozentpunkte)


4 R² = 0,1689
(rote Linie): 𝜋𝑡 − 𝜋𝑡−1 = 0,5% − 0,1𝑢𝑡
3
▪ Regressionsgerade für die USA 2
(schwarze Linie): 𝜋𝑡 − 𝜋𝑡−1 = 3% − 0,5𝑢𝑡 1
0
-1
-2
-3 Deutschland
-4 y = −0,0974x + 0,5373
R² = 0,0667
-5
0 2 4 6 8 10 12
Arbeitslosenquote
Phillipskurve:
Zusammenfassung

Ursprüngliche Phillipskurve: 𝑢𝑡 ↑ ⇒ 𝜋𝑡 ↓
▪ Verankerte Erwartungen

▪ D.h. trade-off zwischen Arbeitslosigkeit und Inflation

Modifizierte Phillipskurve: 𝑢𝑡 ↑ ⇒ 𝜋𝑡 − 𝜋𝑡−1 ↓


▪ Adaptive Erwartungen

▪ D.h. trade-off zwischen Arbeitslosigkeit und Veränderung der Inflation

▪ 𝜋𝑡−1 kann auch als erwartete Inflationsrate interpretiert werden


Phillipskurve:
natürliche Arbeitslosenquote
𝜋𝑡 = 𝜋𝑡𝑒 + 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢𝑡
▪ „natürliche“ („strukturelle“) Arbeitslosenquote = jene Arbeitslosenquote, bei der
die tatsächliche Inflationsrate der erwarteten entspricht

𝜋𝑡 = π𝑒𝑡
𝜇+𝑧 Siehe Kapitel Arbeitsmarkt:
⟹ 0 = 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢𝑡 ⟹ 𝑢𝑛 = Schnittpunkt der WS- und
𝛼 PS-Kurven

𝜇+𝑧
▪ Umformen: 𝑢𝑛 = ⇒ 𝛼𝑢𝑛 = 𝜇 + 𝑧
𝛼
▪ Einsetzen in: 𝜋𝑡 − 𝜋𝑡𝑒 = 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢𝑡 ⟶ 𝜋𝑡 − 𝜋𝑡𝑒 = −𝛼 𝑢𝑡 − 𝑢𝑛

𝜋𝑡 − 𝜋𝑡−1 = −𝛼 𝑢𝑡 − 𝑢𝑛 mit 𝜋𝑡𝑒 = 𝜋𝑡−1


Phillipskurve:
NAIRU

𝜋𝑡 − 𝜋𝑡−1 = −𝛼 𝑢𝑡 − 𝑢𝑛

▪ Je stärker die tatsächliche Arbeitslosenquote 𝑢𝑡 von ihrem „natürlichen“ Niveau 𝑢𝑛


abweicht,
desto stärker ändert sich die Inflationsrate von Jahr zu Jahr
𝑢𝑡 > 𝑢𝑛 ⟶ 𝜋𝑡 < 𝜋𝑡−1
𝑢𝑡 < 𝑢𝑛 ⟶ 𝜋𝑡 > 𝜋𝑡−1
𝑢𝑡 = 𝑢𝑛 ⟶ 𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1
▪ „Natürliche“ Arbeitslosenquote = Arbeitslosenquote, bei der die Inflation konstant
ist = „non-accelerating inflation rate of unemployment“ (NAIRU)
▪ Empirisch relativ einfach messbar
Phillipskurve:
NAIRU vs. NIIRU

▪ Non-Accelerating Inflation Rate of Unemployment


▪ Irreführend, da es nicht um eine Beschleunigung der Inflationsentwicklung,
sondern um einen Anstieg der Inflationsraten geht
▪ Non-Increasing Inflation Rate of Unemployment (NIIRU)
▪ Alternativer Vorschlag
Messung von strukturell bedingter
Arbeitslosigkeit

▪ Die OECD veröffentlicht regelmäßig Schätzungen der NAIRU für alle OECD Staaten.
▪ Die EU Kommission (DG ECFIN) veröffentlicht regelmäßig Schätzungen der NAWRU
(non-accelerating wage rate of unemployment) für alle EU Staaten.
▪ Das CBO (Congressional Budget Office) des Kongresses in Washington veröffentlicht
regelmäßig Schätzungen der NAIRU für die USA.
▪ Je nach verwendeter Methodik können die Schätzungen dabei zu ganz
unterschiedlichen Ergebnissen kommen (vgl. die Beispiele der nächsten Folien).
▪ Dies prägt stark das Urteil über die angemessene Politik. Nach Schätzungen der
NAWRU (DG ECFIN) schien etwa schon 2012 der Arbeitsmarkt in den USA überhitzt
zu sein, während dem CBO zufolge eine Nachfrageschwäche vorlag, die mit Hilfe
aktiver Konjunkturpolitik bekämpft werden sollte.
▪ Durch Hysterese (Natürliche ALQ verharrt auf dem aktuellen Niveau) kann ein
konjunkturell bedingter Anstieg der Arbeitslosigkeit zu einem strukturellen Problem
werden, sofern die Politik zu zaghaft ist.

26
Arbeitslosenquote

20
Schätzungen der NAWRU durch die EU Kommission (DG ECFIN) Stand: Frühjahr 2016
18 Spanien

16

14 Irland

12
Italien
10 Deutschland
Euroraum

8
EU15 EU27
6
USA
4 USA Arbeitslosenquote

0
1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016
NAIRU USA
NAIRU USA + Stundenlohn
NAIRU USA + Stundenlohn
Phillipskurve:
NAIRU

▪ Sprachlicher Unterschied: „sinkende Inflation“ vs. „Deflation“


▪ Sinkende Inflation ( 𝜋𝑡 < 𝜋𝑡−1 ) kann immer noch eine positive Inflationsrate
bedeuten, d.h. 𝜋𝑡 > 0
▪ Deflation ist eine Situation sinkender Preise, also 𝜋𝑡 < 0
▪ 𝜋𝑡 = 𝜋𝑡−1 bedeutet, dass die Inflationsrate (oder Deflationsrate) konstant ist

▪ Die Phillipskurve kann sich im Zeitverlauf verändern und sich auch zwischen
Ländern unterscheiden (verschiedene Wirtschaftsstruktur(-parameter)).

▪ Eine hohe beobachtete Arbeitslosenrate muss auch nicht notwendigerweise


bedeuten, dass die natürliche Rate ebenfalls hoch ist.

32
Inflation und Deflation

▪ Hält der Phillipskurven-Zusammenhang in allen Situationen?


▪ Was passiert, wenn Inflation oder Deflation besonders stark ausgeprägt sind?
▪ Je höher die Inflationsrate, desto höher meist auch die Variabilität der
Inflationsrate. Höhere Schwankungen werden wahrscheinlicher.
▪ Je eher sich die Inflation jedes Jahr ändert, desto wahrscheinlicher werden Akteure
auf den Märkten adaptive Erwartungen formen.
▪ Je konstanter die Inflation, desto wahrscheinlicher werden Akteure ihre
Erwartungen auf einem Wert verankern. (z.B. bei glaubhafter Zentralbankpolitik)
▪ Der Phillipskurven-Zusammenhang kann vor allem auch bei Deflation
zusammenbrechen.

33
Beispiel: Inflation und Nominallöhne bzw.
Senkung der Reallöhne

▪ Zwei Szenarien:
▪ Szenario A: Inflation = 4%, Nominallöhne steigen um 2%
▪ Szenario B: Inflation = 0%, Nominallöhne sinken um 2%

▪ Als rationales Individuum sind beide Optionen gleich gut zu bewerten, Individuen
sollten also indifferent sein
▪ In beiden Szenarien sinkt der Reallohn um 2%
▪ Aber: Empirische Studien weisen darauf hin, dass Szenario A weniger
schmerzhaft ist
Deflation und Phillipskurve

▪ In der jüngsten Finanzkrise blieb die Deflation in den meisten Ländern relativ
begrenzt. Die Inflationsrate lag im Allgemeinen wesentlich höher (genauer: sie
wurde nur selten negativ) als die Werte, die ökonometrische Schätzungen der
modifizierten Phillipskurve für die einzelnen Länder vorhersagten.
▪ Dies könnte zum einen daran liegen, dass die Arbeitnehmer nicht bereit sind,
Lohnsenkungen hinzunehmen.
▪ Es könnte aber auch daran liegen, dass sich der Prozess der Erwartungsbildung
verändert hat. Sind die Inflationserwartungen im Lauf des vergangenen Jahrzehnts
stärker am Inflationsziel der Zentralbanken von 2% ausgerichtet, dann entspricht
die Phillipskurve eher der ursprünglichen Gleichung: einer Beziehung zwischen dem
Niveau der Inflationsrate und der Arbeitslosenquote.
▪ Sind Inflationserwartungen fest verankert (θ niedrig), führt hohe Arbeitslosigkeit
dann zwar zu einer niedrigen Inflationsrate, nicht aber zu einer deflationären
Spirale.
Deflation und Phillipskurve

Abb. 8.5: Die Dichteverteilung von Lohnänderungen in Portugal, in Zeiten hoher und niedriger Inflationsraten

• 1984 lag die Inflationsrate bei 27%. Die Dichteverteilung von


Lohnänderungen war ungefähr symmetrisch.
• 2012 lag die Inflationsrate bei nur 2,1%. Die Dichteverteilung von
Lohnänderungen war stark konzentriert beim Wert Null; es gab kaum
Lohnsenkungen.

36
Unterschiede konjunkturelle vs.
strukturelle Arbeitslosigkeit

▪ Konjunkturelle Arbeitslosigkeit (u): auf Grund von schwacher Nachfrage


▪ Strukturelle Arbeitslosigkeit (𝒖𝒏 ): bestimmt durch Struktur/Rigiditäten
▪ Nachfrageschocks (Fiskalpolitik, Geldpolitik, Finanzschocks) beeinflussen in erster Linie
kurzfristig die Konjunktur und die konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Aber nicht nur → langfristige
Nachfrage!
▪ Angebotsschocks (Arbeitsmarkt, Monopolmacht, Ölpreise, etc.) haben mittelfristig eher
Auswirkung auf die strukturelle Arbeitslosigkeit.
▪ Reaktion der Politik auf Arbeitslosigkeit muss sich je nach Grund für die Arbeitslosigkeit
unterscheiden.
▪ konjunkturelle Arbeitslosigkeit: Konjunkturprogramm, Geldpolitik
▪ strukturelle Arbeitslosigkeit: Strukturreformen, Abbau von Rigiditäten,
Umschulungsmaßnahmen, etc.
▪ Problem: strukturelle Arbeitslosigkeit lässt sich nicht direkt beobachten – muss geschätzt
werden (zB NAIRU)

37
Veränderungen der natürlichen
Arbeitslosenrate

𝜋𝑡 − 𝜋𝑡−1 = 𝜇 + 𝑧 − 𝛼𝑢𝑡
▪ Als konstant angenommen Variablen können sich verändern
▪ Monopolmacht, Arbeitslosenversicherung etc.
▪ Zb. USA: 1950er/60er Arbeitslosigkeit bei 4,5% (1960), dann 7-8% (1980er),
heute ca. 5% → Veränderung der natürlichen Arbeitslosenrate?
▪ Rückgang Monopolmacht US-amerikanischer Unternehmen (Globalisierung)
▪ Verhandlungsmacht von Unternehmen erhöht
▪ Bessere Matchings (Zeitarbeit, Jobsuche im Internet…)
▪ Alterung der Gesellschaft
▪ Hohe Gefangenenzahlen

▪ Abschließende / Endgültige Evaluierung: Schwierig da natürliche Arbeitslosigkeit


nicht direkt messbar
Veränderungen der natürlichen
Arbeitslosenquote im Zeitverlauf

▪ In Europa hat sich die Phillipskurve im Veränderung von Inflationsrate und Arbeitslosigkeit
Laufe der letzten Jahrzehnte nach im Euroraum, 1961–2015
rechts verschoben
▪ Es kam zu einer Erhöhung der
natürlichen Arbeitslosenquote.
Phillipskurve in Deutschland

Phillipskurve: Deutschland 1960–


8%
2012
1971–1980
7%

6%

5%
Inflationsrate

4%
1981–2000
3%

2%

1% 1960-1970 2001–2012

0%
0% 2% 4% 6% 8% 10% 12%
-1%
Arbeitslosenquote
Arbeitslosigkeit

ALQ im Euroraum und den USA


Arbeitslosigkeit in Europa
▪ Frankreich, Italien, Irland, Spanien:
besonders hohe Arbeitslosigkeit
▪ Niederlande, Großbritannien: AL sinkt in den
90er Jahren
▪ Deutschland: AL sinkt ab 2006

1. Angebotsschocks
• Ölpreisschocks
• Rückgang Produktivitätswachstum
• Reallohnsteigerungen müssten sinken
oder AL steigt
2. Mechanismen, die Persistenz bewirken
• Bei dauerhaft hoher AL nimmt der Druck
auf die Inflation ab
3. Institutionelle Faktoren/ Rigiditäten
• Eurosklerose – unflexible
Wirtschaftsstrukturen
Die wichtigste Forschungsleistung zur
Phillipskurve:

Smith, Gregor W. (2008): Japan‘s Phillips Curve looks like Japan.


Journal of Money, Credit and Banking, Vol. 40, No 6, pp. 1325-1326.

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