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Leistungsteil leistungselektronischer Schaltungen

4.1 Klassifikation leistungselektronischer Schaltungen


4.1.1 Allgemeines
Bei allen Schaltungen der Leistungselektronik sind Zündung und Löschung∗
der elektrischen Ventile die Basis jeder Arbeitsweise. Man kann nun insbesondere
nach der Führung (d. h. nach der Quelle der Löschspannung, die bei Thyristoren
den Strom IF in Vorwärtsrichtung unter den Haltestrom drücken muß) unterschei-
den, oder aber nach der Art der zeitlichen Vorgabe der Zünd- und Löschimpulse.
Man sieht vielleicht schon aus diesen Bemerkungen, daß diese Einteilungen für
die technischen Ausführungen von großer Bedeutung sind, für das erste Einarbei-
ten in die Leistungselektronik aber nicht überbewertet werden sollten. Dennoch
sind Einteilungsgrundlagen für die Gliederung des Stoffes notwendig.

4.1.2 Einteilungsgrundsätze leistungselektronischer Schaltungen


Hier sollen kurz die besonders charakteristischen Einteilungsrichtlinien disku-
tiert werden, von denen wir die nach der Führung weiterverwenden wollen.
A. Klassifizierung nach DIN [4.6], [4.9], [4.11]
a) Klassifikation nach der Führung, d. h. nach der Herkunft der Kommutie-
rungsspannung. Ein im deutschen Sprachraum vielleicht am meisten verwende-
tes Einteilungskriterium basiert auf der Herkunft der Kommutierungsspannung.
Hier könnte vielleicht auch der Ausdruck Löschspannung verwendet werden, da
∗ Diese Ausdrucksweise ist historisch bedingt (Sie stammt von den Quecksilberdampfgefäßen.) und

gilt vor allem für klassische Schaltungen mit Thyristoren, insbesondere für netzgeführte Strukturen.
[Diese werden heute vor allem in Industrienetzen eingesetzt (wo durch eigene Transformatoren ei-
ne weitgehende Entkopplung vom öffentlichen Netz gegeben ist und daher Netzrückwirkungen wenig
problematisch sind), weiters bei speziellen Anwendungen, wie bei der Erregung von Synchrongene-
ratoren in Kraftwerken bzw. bei Synchronmotoren. Unverzichtbar sind Thyristoren auch bei höchsten
Leistungen, z. B. bei HGÜs (Abschnitt 8.2), weshalb es für den Leistungselektroniker unerläßlich ist,
sich auch mit den klassischen Schaltungen (Kapitel 4 . . . 6) zu beschäftigen.] Wo durch Vorschriften
der EVUs (Elektrotechnische Versorgungsunternehmen) Netzrückwirkungen minimiert werden müs-
sen, werden beim Netzanschluß sogenannte Force Commutated Rectifiers (FCR-Systeme), auch „Active
Front End(s)“ genannt, eingesetzt (vgl. Abschnitte 14.3 . . . 14.5), mit deren Hilfe man an der Netzseite
Spannungen beliebiger Phasenlage relativ zur Netzspannung mit minimalem Oberschwingungsgehalt
erzeugen kann.
Siehe hiezu weiters Abschnitt 4.1.2.A und auch Fußnote bei Abschnitt 3.5.2.4. [Danach kann insbe-
sondere für neuere Halbleiter (vgl. Kapitel 10) statt Zünden der Ausdruck „Einschalten“ und ebenso
statt Löschen die Bezeichnung Aus- bzw. Abschalten vorgezogen werden; bei letzterem spricht man
auch von Kommutierung, wie in Abschnitt 4.1.2.A dargelegt.]

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015


F. Zach, Leistungselektronik, DOI 10.1007/978-3-658-04899-0_4
132 4. Leistungsteil leistungselektronischer Schaltungen

Kommutierung manchmal nur als Löschung mit unmittelbarem Stromübergang


von einem Schaltungszweig auf einen anderen bezeichnet wird, was jedoch z. B.
bei lückendem Betrieb oder bei einpulsiger Schaltung sicher nicht gewährleistet
ist. Um aber die in der Literatur gebräuchliche Terminologie zu verwenden, soll
hier bei Kommutierung auch der Fall der Löschung eines Ventils ohne sofortigen
Stromübergang auf einen anderen Zweig verstanden werden. Kommutation∗ weist
dem sprachlichen Ursprung nach auf die Änderungen der Stromleitverhältnisse in
den Ventilen hin; in allen leistungselektronischen Schaltungen treten (praktisch
per definitionem) solche Änderungen auf, was dafür spricht, auch die einfache
Löschung als Kommutierung aufzufassen∗∗ .
Mit der Herkunft der Kommutierungsspannung uK gleichbedeutend ist der Be-
griff der Führung. Ist uK mit der die Schaltung versorgenden Netzspannung iden-
tisch (oder wird sie daraus direkt, z. B. durch Phasenverschiebung, abgeleitet), so
spricht man von netzgeführten Schaltungen∗ ∗ ∗ . Weiters können manche Lastkrei-
se (z. B. Synchronmotoren oder Schwingkreise) Kommutierungsspannungen lie-
fern; man spricht dann von Lastführung. Bei beiden Führungsarten kommt uK von
einer Quelle, die nicht zur eigentlichen leistungselektronischen Schaltung gehört,
weshalb man die beiden Fälle unter Fremdführung zusammenfaßt.
Stehen weder ein Netz noch eine Last zur Verfügung, welche uK liefern, so
müssen zu deren Erzeugung offenbar eigene Schaltmittel vorgesehen werden. Hie-
bei handelt es sich meist um Kondensatoren (Prinzipiell können auch Induktivi-
täten verwendet werden [4.1].), die vorher entsprechend aufgeladen wurden. Man
spricht dann von selbstgeführten Schaltungen, da die Lösch-(Kommutierungs-)
Spannung sozusagen von der Schaltung „selbst“ herrührt. Benützt man allerdings
Leistungstransistoren, so wird die Sperrfähigkeit durch Wegnahme des Basis-
Steuerimpulses wiederhergestellt, weshalb die gegebene Einteilung der Schaltun-
gen offensichtlich vor allem auf die Verwendung von Thyristoren bezogen werden
muß. Analoges gilt für Verwendung von Abschaltthyristoren∗ ∗ ∗∗ (GTOs) bzw.
IGCTs, IGBTs etc. (Abschnitt 3.5.7 und Kapitel 10); allerdings werden auch hie-
bei oft Schwingkreise zur Unterstützung der Kommutierung eingesetzt (vgl. die
quasi- und pseudoresonanten Prinzipien z. B. in Abschnitt 11.3 und 11.5).
∗ Commutatio, -onis (lateinisch): Veränderung, Wechsel [4.7]. commuto, -are: (sich) verändern, wech-

seln, austauschen.
∗∗ In der Literatur wird auch manchmal in kommutierende und nichtkommutierende (Schalter, Steller,

einpulsige Schaltung M1, siehe Abschnitt 4.2) Schaltungen unterschieden. Dies sagt aus, ob der Strom-
übergang zwischen zwei oder mehreren Ventilen unmittelbar erfolgt oder ob Strompausen entstehen. Da
aber z. B. die Laständerung von stark induktiv auf rein ohmsch den unmittelbaren Stromwechsel zwi-
schen den Ventilen bei vielen Schaltungen unterbindet, wäre dann ein und dieselbe Schaltung nicht mehr
klassifizierbar, bzw. müßte man die Klassifikation z. B. nur auf Phasenanschnitt 0 oder auf spezifizierte
Last beziehen. Deshalb soll diese Einteilung hier unterbleiben.
∗∗∗
Es wird z. B. erkennbar werden, daß auch bei Schaltern und Stellern die Netzwechselspannung zur
Löschung der Ventile dient, weshalb Schalter und Steller bei den netzgeführten Schaltungen behandelt
werden sollen.
∗ ∗ ∗∗ Da Thyristoren sehr verläßlich und kostengünstig sind, trachtet man in der Industrie danach, diese

so weit wie möglich einzusetzen (vgl. die Fußnote auf der vorigen Seite). Wir wollen uns deshalb hier in
Kapitel 4 vor allem mit Schaltungen von Thyristoren beschäftigen; ab Kapitel 10 werden dann Strukuren
mit über das Gate abschaltbaren Bauelementen (GTOs, IGCTs, IGBTs etc.) beschrieben.

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