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LEA

Leistungselektronik und elektrische Antriebstechnik

Selbstgeführte Wechselrichter

Inhalt
8 Selbstgeführte Wechselrichter ............................................................................................. 2
8.1 Einleitung ...................................................................................................................... 2
8.2 Einphasen-Brückenschaltung ........................................................................................ 2
8.2.1 Brückenzweig ......................................................................................................... 2
8.2.2 Die Einphasen-Vollbrücke ..................................................................................... 3
8.2.3 Phase Shift Control (Phasenmodulation) ............................................................... 4
8.2.4 Betrieb mit sinusförmiger Gegenspannung ............................................................ 5
8.2.5 Mehrstufige Wechselrichter mit unabhängigen Quellen ........................................ 8
8.2.6 3-Punkt-NPC Wechselrichter ................................................................................. 8
8.3 Pulsweitenmodulation ................................................................................................. 11
8.3.1 Einleitung ............................................................................................................. 11
8.3.2 Steuerungsarten .................................................................................................... 11
8.3.3 Frequenzspektrum der PWM Spannung .............................................................. 13
8.3.4 Übermodulation .................................................................................................... 14
8.3.5 Weitere Modulationsverfahren ............................................................................. 15
8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen ................................................................................ 16
8.4.1 Aufbau und Schaltzustände .................................................................................. 16
8.4.2 Spannungsbildung bei symmetrischer Drehstromlast .......................................... 17
8.4.3 Grundfrequenztaktung (Six-Step Betrieb) ........................................................... 19
8.4.4 Sinusbewertete PWM ........................................................................................... 21
8.4.5 Raumzeigermodulation ........................................................................................ 25
8.5 Weitere Wechselrichtertopologien .............................................................................. 27
8.5.1 Modularer Multilevel Umrichter .......................................................................... 27
8.5.2 Stromzwischenkreisumrichter .............................................................................. 29
8.5.3 Direktumrichter .................................................................................................... 29
8.6 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 30

8. Februar 2024 / cota


ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.1 Einleitung
8 Selbstgeführte Wechselrichter
8.1 Einleitung
Der Wechselrichterbetrieb der netzgeführten Brückenschaltungen mit Thyristoren ermöglicht
einen bidirektionalen Lastfluss. Es muss dazu ein Netz vorhanden sein, welches die zur Kom-
mutierung notwendige Blindleistung zur Verfügung stellt. Zudem wurde die Umkehrung des
Leistungsflusses durch die Inversion der Ausgangsspannung erreicht. Die in diesem Kapitel
behandelten selbstgeführten Wechselrichter kommen ohne diese beiden Voraussetzungen aus
und ermöglichen einen Energiefluss in allen vier Quadranten. Voraussetzung dafür sind ab-
schaltbare Halbleiterelemente. IGBT mit Spannungsfestigkeiten von 1200V werden bei Nenn-
spannungen von 400 V eingesetzt, für kleinere Spannungen werden MOSFET verwendet. Bei-
spiele von Anwendungen sind:
• Speisung von Drehstrommotoren mit frequenz- und spannungsvariablem Drehstrom
• Ansteuerung von bürstenlosen Gleichstrommaschinen mit variabler Spannung für den
motorischen und den generatorischen (Brems-) Betrieb
• Einspeisung von Energie ins Netz aus einer variablen Gleichspannungsquelle (Photo-
voltaik, Batterie, SuperCaps)
• Erzeugung des Gleichspannungszwischenkreises in der Antriebstechnik aus dem Ein-
phasen- (Bahnnetz) oder dem Drehstromnetz mit der Möglichkeit der Energierückspei-
sung
Die behandelten Schaltungen sind auch unter dem Namen Pulswechselrichter (PWR) bekannt.
In der Antriebstechnik werden bei grösseren Leistungen selbstgeführte Wechselrichter auch zur
Speisung des Zwischenkreises (Active Front End, AFE oder Active Infeed Converter, AIC)
eingesetzt. Dadurch kann Leistung aus dem Zwischenkreis ins Netz abgeführt werden. Bei un-
gesteuerten Gleichrichtern muss im Bremsfall mit Brems-Choppern die Überladung des Zwi-
schenkreises verhindert werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, den Zwischenkreis nicht
nur auf die Spannung Udi0, welche vom Netz und der Schaltung gegeben ist, aufzuladen, son-
dern höhere Spannung zu erzeugen. Gebräuchlich sind z.B. 800 V im DC-Zwischenkreis.
Dadurch sinkt der Strom in den Ventilen für die gleiche Ausgangsleistung. Auf der anderen
Seite steigen die Anforderungen an die Isolationen in den Maschinen, weil die Spannungsbe-
anspruchung grösser wird.
Das Kapitel ist in erster Linie den selbstgeführten Wechselrichtern mit Spannungszwischen-
kreis gewidmet. Ein Exkurs über alternative DC-AC Topologien ist im Kapitel 8.5 dargelegt.

8.2 Einphasen-Brückenschaltung
8.2.1 Brückenzweig
Das Grundelement von Wechselrichtern ist der Brückenzweig, wie er in der Abbildung 8-1
dargestellt ist. Das Schaltelement S (in der Darstellung ein IGBT mit einer parallelen Diode)
wird von der Schaltfunktion s angesteuert. Das grosse S bezeichnet den Schalter, das kleine s
ist sein Zustand. Bei s = 1 ist der Schalter ein-, bei s = 0 ausgeschaltet. Die beiden Schalter im
Brückenzweig müssen invertiert angesteuert werden, um einen Kurzschluss der Quelle zu ver-
meiden. Wegen den Nichtidealitäten von realen Bauelementen ist zusätzlich eine Zeitverzöge-
rung bei der Umschaltung vorzusehen (sogenannte "Totzeit" oder "blanking time", tB).
Es gilt
U
u 2 = (s1 − s 2 ) d (8-1)
2

8-2
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.2 Einphasen-Brückenschaltung
u2
s1 Ud / 2
TE TS
Ud /2
i2 t
-Ud / 2
s2
s1
1
Ud /2

t
s2
s u2
NOT 1 tB

Abbildung 8-1 Brückenzweig eines Wechselrichters (Schaltperiode TS, Einschaltdauer TE,


Totzeit tB)

Durch die antiparallele Diode ist im Schaltpfad auch ein negativer Strom möglich. Am Ausgang
u2 ist daher ein echter Vierquadrantenbetrieb realisierbar. Die mittlere Ausgangsspannung ist:
 1
U 2  s1,mittel −  U d
= (8-2)
 2
Mit
T
1 S TE
s1,mittel
= = ∫ s1 ( t )dt (8-3)
Ts 0 TS
dem Mittelwert der Schaltfunktion s. Es entsteht am Ausgang eine Spannung, welche von dem
Verlauf von s abhängt. Zur Bestimmung des Strom i2 muss die Last mitberücksichtigt werden.

8.2.2 Die Einphasen-Vollbrücke


Durch die Parallelschaltung von zwei Brückenzweigen kann auf den Mittelabgriff verzichtet
werden. Es entsteht die sogenannte selbstgeführte Einphasen-Vollbrücken („full-bridge con-
verter“) welche auch als H-Brücke bezeichnet wird. Werden die beiden Brückenzweige im Ge-
gentakt angesteuert, so verdoppelt sich die Ausgangsspannung:
u 2 = (s11 − s 21 )U d (8-4)
In der Abbildung 8-2 ist die H-Brücke und die Verläufe von Strom und Spannung für den Be-
trieb an einer RL-Last dargestellt.
Mit der dargestellten Vollblocktaktung kann die Brückenschaltung nur die Frequenz der Aus-
gangsspannung beeinflussen. Die Amplitude hängt von der angelegten Gleichspannung ab. Die
Analyse der rechteckförmigen Spannung ergibt für den Effektivwert
U 2, eff = U d (8-5)
Mittels Fourieranalyse erhält man das Spektrum der Spannung
(
u 2 (t ) = ∑Uˆ 2,ν cos νω S t − π
2
) mit der Grundfrequenz ωS =

(8-6)
ν TS
Für die Amplituden der einzelnen Schwingungen gilt
41
Uˆ 2,ν = Ud (8-7)
πν

8-3
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.2 Einphasen-Brückenschaltung

Ud
s11 s21
i2 TE TS
i2 t
Ud A R
+ L u2
u2
- B
s12 s22 id
D11 D12
D22 D21
uA uB
T11 T12 t
T22 T21

Abbildung 8-2 Aufbau der H-Brücke und Betriebskurven für eine RL-Last bei Grundfre-
quenztaktung. Die Stromkurve ist für den Fall einer symmetrischen Aus-
steuerung dargestellt.

Der THD beschreibt die Abweichung einer Zeitfunktion von der reinen Sinusschwingung und
ergibt im vorliegenden Fall für den rechteckförmigen Spannungsverlauf
2

 4 Ud 
∑ (U ν )
2 2
U −
(U 2,rms ) − (U 2,ν =1 )
2 2
2, d 
ν =2 π 2  (8-8)
THDU
= = = = 0.48
=U 2,ν 1 = U 2,ν 1 4 Ud
π 2

8.2.3 Phase Shift Control (Phasenmodulation)


Durch eine Phasenverschiebung der Ansteuerung in den beiden Brückenzweigen, entsteht eine
Ausgangsspannung, die nun auch den Wert Null annimmt. Es werden dabei vier Zustände der
H-Brücke durchfahren.

Ud u2 αα
id α

s11 s21 π 2π ωt
i2 A
-Ud
Ud
+ u2 1
- B s11
s12 s22
A B C D A

uA uB
1
s21

Abbildung 8-3 Amplitudensteuerung bei Grundfrequenztaktung der H-Brücke.

In der Tabelle 8-1sind die Zustände aufgelistet, welche bei der Verschiebung der Schaltfunkti-
onen der beiden Zweige auftreten. Charakteristisch ist dabei, dass bei gleichem Zustand in der

8-4
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Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.2 Einphasen-Brückenschaltung
oberen und der unteren Hälfte der Brücke die Ausgangsspannung kurzgeschlossen ist und somit
eine dritte Stufe mit Null gebildet werden kann.
s11 s12 s21 s22 u2
A 0 1 0 1 0
B 1 0 0 1 Ud
C 1 0 1 0 0
D 0 1 1 0 -Ud
Tabelle 8-1 Schaltzustände der H-Brücke. s=1 bedeutet Schalter geschlossen, s=0 bedeutet
Schalter geöffnet.

Abbildung 8-4 Steuer-


kennlinien der H-Brücke bei
Phase-Shift. Die Reduktion der
Pulsbreite führt anfänglich zu
einer deutlichen Reduktion der
Verzerrung.

Mit dem Phasenverschiebungswinkel α wird der Effektivwert der Ausgansspannung zu



U 2,eff =U d 1 − (8-9)
π
und die Amplituden der einzelnen Schwingungen
41
Uˆ 2,ν = U d cos(να ) . (8-10)
πν
Die Steuerkennlinien sind in der Abbildung 8-4 dargestellt.

8.2.4 Betrieb mit sinusförmiger Gegenspannung


Beim Betrieb an einer aktiven, sinusförmigen Quelle wird ein echter Vierquadrantenbetrieb
möglich. In Abbildung 8-5 ist neben dem Schema das Ersatzschaltbild für die Grundschwin-
gung dargestellt. Für die Leistungen ist nur die Grundschwingung von Bedeutung, da von einer
idealen Sinusquelle ausgegangen wird.

s11 s21 I2,1 L IN


L
Ud A i2
+ u2 U2,1 UN
- B
s12 s22 uN

Abbildung 8-5 Schema und das Grundschwingungsersatzschaltbild des 4-Q-Stellers.

8-5
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Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.2 Einphasen-Brückenschaltung
Für die Analyse des Wechselspannungsnetzwerkes wird definiert, dass der Zeiger der Quellen-
spannung auf der reellen Achse liegen soll:
U N = U N e j0 = U N (8-11)
Darauf sind die Grundschwingungsspannung des Wechselrichters
U 2,1 = U N e jφ (8-12)
und der Strom
I 2,1 = I N = I N e − jϕ (8-13)
bezogen. Die Maschengleichung lautet:
U 2,1 = jωL I N + U N (8-14)
Diese Zusammenhänge werden im Zeigerdiagramm gemäss Abbildung 8-6 sichtbar. Aufgrund
der Phasenverschiebung der Quelle zu der Last entstehen Betriebszustände in den vier Quad-
ranten von Wirk- und Blindleistung. Von besonderem Interesse ist der Betrieb mit cosϕ=0, der
mit den minimalen Leitungsverlusten verbunden ist und wo keine Grundschwingungsblindleis-
tung verschoben wird.
Für einen gegebenen Betrag des Stromes IN entsteht ein Kreis als Ortskurve der möglichen
Stromzeiger. Dieser Kreis überträgt sich mit der Skalierung durch die Induktivität auf einen
Spannungskreis, der dann die Ortskurve der resultierenden Spannungszeiger des Wechselrich-
ters darstellt (siehe Abbildung 8-7). Zu beachten ist, dass mit der Grundtaktung des Wechsel-
richters nur dessen Frequenz und Lage des Spannungszeigers, nicht aber die Amplitude verän-
dert werden kann. Durch das „phase-shift“ kann zusätzlich die Amplitude gemäss (8-10) ge-
steuert werden. Jedenfalls ist die maximale Spannung begrenzt und durch die Spannungsquelle
Ud limitiert. Eine zweite Begrenzung liegt im maximal zulässigen Strom IN,max der Quelle und
der Brücke.

Q>0 Q=0 Q<0


UL
U2,1 UN
φ U2,1 UN
UN U2,1 UN
ϕ U2,1
IN IN
IN
P>0 IN

P<0 U2,1
UN U2,1
UN UN

U2,1

IN
IN IN
Abbildung 8-6 Zeigerdiagramm und Betriebszustände für das Grundschwingungsverhalten.

8-6
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Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.2 Einphasen-Brückenschaltung
Re
UN
U2,1 UL U2,1,max
UN U 2,1 IN
ωL

ϕ
IN
φ
Im
UN
j
ωL

Abbildung 8-7 Ortskurven der Betriebszustände des Wechselrichters. Links: resultierende


Wechselrichterspannung; Rechts: Stromortskurven für die Leistungsberech-
nung.

Die Leistungsberechnung erfolgt anhand des Zeigerdiagrammes für die Stromortskurve in der
Abbildung 8-7. Die Leistung der Sinusquelle ist
P = U N I N cos ϕ (8-15)
Aus (8-14) folgt für den Strom
UN U
IN = j − j 2,1 e jφ (8-16)
ωL ωL
Mit einem konstanten UN ergeben sich somit Kreise, deren Radius von der Grösse von U2,1
abhängt und für die der Winkel φ von 0 bis 2π variieren kann. Der Mittelpunkt dieser Kreise ist
um den Offset auf der imaginären Achse verschoben. Das Zeigerdiagramm der drei Kompo-
nenten führt auf die folgende trigonometrische Gleichung
U
I N cos ϕ = 2 sin φ (8-17)
ωL
was eingesetzt in die Leistungsgleichung
U 2,1U N
P= sin φ (8-18)
ωL
ergibt. Die Gleichung entspricht der Leistungsgleichung einer Synchronmaschine am starren
Netz, was auch durch das gleiche Ersatzschaltbild bestätigt wird.
Aufgrund der Theorie des „phase-shift“-Verfahrens kann für die Grundschwingung des Wech-
selrichters
4
U2 = U d cos α (8-19)

eingesetzt werden. Soll eine reine Wirkleistung entstehen, so muss der Winkel ϕ = 0 sein (Ab-
bildung 8-6). Die Spannungen müssen die folgende Bedingung erfüllen:
U 2,1 cos φ = U N . (8-20)
Diese weitere Bedingung führt dazu, dass eine weitere Umrichterstufe (buck, oder buck-boost)
nötig ist, um den Fall cos ϕ = 1 allgemein zu realisieren.

8-7
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Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.2 Einphasen-Brückenschaltung
8.2.5 Mehrstufige Wechselrichter mit unabhängigen Quellen
Die bisher dargestellten zweistufigen Wechselrichter (2-level-inverter) können die Zwischen-
kreisspannung nur unverändert in beiden Polaritäten an den Ausgang legen. Dadurch ist ein
grosser Aufwand für die Filterung notwendig. Weniger Verzerrungen bedeuten zudem immer
weniger Zusatzverluste durch Oberschwingungen. In der Antriebstechnik bei hochdrehenden
Maschinen, in der Wechselrichtung für Netzeinspeisung und in der Photovoltaik wird grosser
Wert auf die Reduktion von Oberschwingungen gelegt. Daher nimmt die Bedeutung von mehr-
stufigen Wechselrichtern stets zu.
Eine Methode mehrstufige Wechselrichter zu realisieren besteht in der Serieschaltung von meh-
reren einzelnen Brücken, die je von einer unabhängigen Quelle gespeist werden. Bei einer ein-
zelnen H-Brücke kann die Ausgangsspannung
u 2 = (s11 − s12 )U d = [+ 1 0 − 1]U d (8-21)
drei Werte annehmen. Bei zwei Quellen sind nun die Werte beliebig kombinierbar. Es folgt für
die möglichen Ausgangsspannungen des 3 stufigen Inverters (3-level-inverter):
u 2,3 L = [2 1 0 − 1 − 2]U d (8-22)
In mobilen Anwendungen werden die unabhängigen Quellen durch Batteriemodule realisiert,
welche nicht direkt in Serie geschaltet werden. In Netzanwendungen müssen die einzelnen
Spannungen durch mehrere Transformatorabgriffe und nachgeschalteten Gleichrichtern gebil-
det werden. Daher ist diese Struktur hier weniger gebräuchlich.

id
+
i2 -
Ud
Ud
+ uA
-

+
-
Ud
id

+
i2 -
U2 Ud
Ud
+ uB
-

+ U2
-
Ud

Abbildung 8-8 Mehrstufige Inverter mit mehreren Spannungsquellen.

8.2.6 3-Punkt-NPC Wechselrichter


Eine andere Methode für Mehrpunktschaltungen, bei der auf unabhängige Quellen verzichtet
werden kann sind die NPC (neutral-point-clamped) Strukturen. Hier werden aus einer Quelle
mittels Spannungsteiler andere Potentiale gebildet, die in der Schaltstruktur genutzt werden.
Sehr gebräuchlich ist der 3L-NPC (3-level-NPC) Wechselrichter, welcher in der Abbildung 8-9
dargestellt ist.
8-8
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.2 Einphasen-Brückenschaltung
Die Spannungsquelle wird hier an zwei in Serie geschaltete Kondensatoren angeschlossen, wel-
che dadurch je auf die Halbe Speisespannung Ud/2 aufgeladen werden und in der Mitte einen
Referenzpunkt (neutral-point) bilden. Die beiden Brückenzweige haben in jeder Hälfte zwei in
Serie geschaltete Schaltelemente. Deren Mitte ist je über eine Diode an den Mittelpunkt geführt.
Durch unterschiedliche Schaltzustände können am Ausgang des Zweiges neben der Nullspan-
nung auch die ganze und auch die halbe Speisespannung angelegt werden. Es entsteht ein Drei-
Punkt Wechselrichter.
Die Schaltzustände werden gemäss der Abbildung 8-10 eingestellt. Wenn in einem Zweig die
Schalter S1 und S2 geschlossen sind, so wird die Spannung U2=Ud gebildet. Der Ausgangsstrom
kann sowohl positiv durch die Schalter wie auch negativ durch die Dioden fliessen. Mit den
Schaltern S3 und S4 entsteht die Nullspannung wiederum für beide Stromrichtungen. Werden
nur die beiden inneren Schalter S2 und S3 geschlossen, so wird der Ausgang via die beiden
Dioden an den Mittelpunkt geklemmt (clamped). Dieser Zustand gibt dem Wechselrichter den
Namen. Der Stromfluss kann wegen der antiparallelen Polarität der Dioden in beiden Richtun-
gen fliessen. Die Spannung U2 wird zu Ud/2. In diesem Zustand werden die Kondensatoren
entladen oder geladen, je nachdem, ob die Spannung auf dem anderen Brückenzweig nach oben
oder nach unten geführt ist. Da es für die halbe Spannung in jeder Polarität zwei Möglichkeiten
gibt (UA=Ud und UB=Ud/2 oder UA=Ud/2 und UB=0 für +Ud/2) kann durch eine symmetrische
Wahl der Schaltzustände der mittlere Strom IC in den Kondensatoren zu Null gemacht werden.

S1 S5

C1

S2 S6

A
iC
u2

Ud B

S3 S7

C2

S4 S8
uA uB

Abbildung 8-9 Struktur des 3 stufigen NPC Wechselrichters.

In jedem Zustand sind mindestens zwei Schalter gleichzeitig geöffnet. Dadurch wird die benö-
tigte Sperrspannung je Element halbiert. Dies ist ein weiterer Vorteil der NPC Schaltung, da
mit zunehmender Spannung der IGBT und der MOSFET deren Durchlassverluste zunehmen.

8-9
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.2 Einphasen-Brückenschaltung

S1 S1 S1

S2 S2 S2

+ A + +
- - -
Ud Ud Ud
S3 S3 S3

Ud 0V
Ud/2
S4 S4 S4

Abbildung 8-10 Schaltzustände eines Brückenzweiges des NPC Wechselrichters.

Durch die gleichen Schaltzustände kann auch der rechte Brückenzweig die gleichen Spannun-
gen anlegen. Die Kombination der beiden Brückenzweige ergibt daher 5 mögliche Spannungs-
zustände:
u 2,3 L , NPC = [1 1 / 2 0 − 1/ 2 − 1]U d (8-23)
Das Ziel bei der Definition der Schaltfolge ist die Reduktion der Anzahl Umschaltungen. Die
in der Tabelle 8-2 dargestellt Sequenz hat daher für jeden Schalter je Periode nur eine Umschal-
tung.
uA S1 S2 S3 S4 uB S5 S6 S7 S8 u2 iC
1 1 1 0 0 1 1 1 0 0 0 0
1 1 1 0 0 ½ 0 1 1 0 ½ -
1 1 1 0 0 0 0 0 1 1 1 0
½ 0 1 1 0 0 0 0 1 1 ½ +
0 0 0 1 1 0 0 0 1 1 0 0
0 0 0 1 1 ½ 0 1 1 0 -½ +
0 0 0 1 1 1 1 1 0 0 -1 0
½ 0 1 1 0 1 1 1 0 0 -½ -
Tabelle 8-2 Mögliche Schaltfolge des NPC Wechselrichters.

Mit weiteren Spannungsteilern können mehr Zwischenstufen der Speisespannung gebildet wer-
den. Daraus entstehen dann höherstufige NPC Wechselrichter. Eine andere Weiterführung des
Mehrstufenkonzeptes mit einem „ge-clampten“ Speisepunkt sind die sogenanten „Active-Neut-
ral-Point-Clamped“ (ANPC) Wechselrichter. Hier wird der Referenzpunkt nicht mehr passiv
über Dioden angeschlossen, sondern mit einem Schaltelement versehen (siehe z.B. Barbosa, P.
et al. „Active-neutral-point-clamped (ANPC) multilevel converter technology” in Power Elec-
tronics and Applications, 2005 European Conference.)

8-10
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.3 Pulsweitenmodulation
8.3 Pulsweitenmodulation
8.3.1 Einleitung
Zur Erzeugung von Ausgangsspannungen, die einem geforderten Signal viel besser entsprechen
und die niederfrequenten Abweichungen reduziert wird die Pulsweitenmodulation (PWM,
Puls-Width-Modulation) verwendet. Im Intervall einer Pulsperiode gilt für den Mittelwert
TT
1
u 2,T =
TT ∫ u (t )dt
0
2 (8-24)

Wird nun eine Taktzeit TT gewählt, welche gegenüber der Periodendauer des Nutzsignales sehr
klein ist, so kann der lokale Mittelwert u2,T im betrachteten Zeitintervall dem Augenblickswert
des Nutzsignales nachgeführt werden. Die Abweichungen haben dann Frequenzanteile mit
grossen Frequenzen gegenüber dem Nutzsignal und können daher viel einfacher gefiltert wer-
den.
Es gibt sehr viele Verfahren zur Bildung der Pulssequenz und die Forschung in diesem Bereich
ist noch immer sehr rege. Wie bei den Mehrpulswechselrichtern geht es um die Reduktion von
Schaltverlusten und von Oberschwingungen im System. Ein sehr häufig angewendetes und
überblickbares Verfahren, ist das Unterschwingungsverfahren mit einem dreieckförmigen Trä-
gersignal. Diese wird im Folgenden genauer untersucht. Die Prinzipien, die hier anhand des
Einphasen-Wechselrichters dargestellt werden gelten genau gleich auch für die Dreiphasen-
Wechselrichter.

8.3.2 Steuerungsarten
In der bipolaren Steuerung wird die Zielfunktion, die sogenannte Modulationsfunktion m(t) mit
dem dreieckförmigen Trägersignal geschnitten und daraus die Schaltimpulse gebildet. Die
Spannungen der beiden Brückenzweige uA und uB schalten invertiert, am Ausgang entstehen
die beiden Spannungen ±Ud.
Bei der unipolaren Steuerung werden die beiden Halbzweige um eine halbe Periode des Trä-
gersignales versetzt getaktet. Dadurch springt die Spannung noch von Null auf den jeweiligen
Maximalwert. Zudem verdoppelt sich die Schaltfrequenz der resultierenden Spannung am Aus-
gang, was deren Filterung weiter vereinfacht. In der Abbildung 8-11 ist die Bildung der Schalt-
signale und die resultierenden Spannungen für die beiden Varianten dargestellt.
Mit einem annähernd konstanten Modulationswert wird für die Dauer der Impulse:
1
TP = TP1 = (1 − m )TT
2
1
(8-25)
TP 2 = TT − TP1 = (1 + m )TT
2
Rechnet man mit diesen Zeiten den lokalen Mittelwert der Ausgangsspannung so ergibt sich
für beide Steuerungsarten das gleiche Resultat:
u2,T = m ( t ) U d (8-26)
Somit liefert die erzeugte Taktsequenz tatsächlich ein Abbild der Modulationsfunktion. Der
Augenblickswerte der Modulationsfunktion entspricht dem Tastverhältnis, wie er schon beim
Tiefsetzsteller verwendet wurde.
Der kontinuierliche Vergleich von Modulationsfunktion und Trägersignal wird als „natural
sampling“ bezeichnet. Im „regular sampling“ Verfahren wird mit einem sample-hold der Soll-
wert abgetastet und dann über die ganze PWM-Periode konstant gehalten. Bei zusätzlich asym-
metrischem „regular sampling“ wird der Sollwert in der Mitte der Periode angepasst.

8-11
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.3 Pulsweitenmodulation

1 uT (t) 1 uT (t)
m(t) m(t)

t t

-m(t)
-1 -1
s11 s11
1 1

s21 TP s21 TP1


1 1

TT TT

uA uA
Ud Ud

uB uB
Ud Ud TP2

u2 u2
Ud Ud
u2,T u2,T

-Ud -Ud

Abbildung 8-11 Steuerungsarten der PMW. Links: bipolare Steuerung (bipolar switching),
rechts: unipolare Steuerung (unipolar switching)

Aufgrund des Abtasttheorems ist die Rekonstruktion eines Signals aufgrund von abgetasteten
Augenblickswerten bis zu der halben Frequenz des Abtastsignals möglich. Da bei der PWM
innerhalb der Taktintervalle weitere Schaltvorgänge auftreten ist bei der PWM mindestens die
vierfache Grundfrequenz nötig. Zur Vermeidung von Spannungsharmonischen mit niedrigen
Ordnungszahlen wird allerdings eine viel höhere PWM-Frequenz angestrebt. Für eine sinusför-
mige Modulationsfunktion resultiert dann ein Grundschwingungsverlauf der Ausgangsspan-
nung mit einer Amplitude, welche zu der Amplitude der Modulationsfunktion proportional ist:
m(t ) = M sin (ω 2 t )
(8-27)
u 2,1 = m(t )U d = MU d sin (ω 2 t )

Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit der PWM sind:


• Amplituden-Modulationsgrad: Verhältnis von Amplitude des Referenzsignals zu
Amplitude des Trägersignals; im Unterschwingungsverfahren stets kleiner als 1; bei
Übermodulation grösser als 1
M
ma = (8-28)
uˆT

8-12
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.3 Pulsweitenmodulation
• Frequenz-Modulationsgrad: Verhältnis der Frequenzen von Referenz- zu Trägersignal;
bei ganzzahligen Verhältnissen spricht man von synchroner Modulation im Gegensatz
zu der asynchronen Modulation.
fT
mf = (8-29)
f1

8.3.3 Frequenzspektrum der PWM-Spannung


Durch die Modulation der Pulsweiten ist es möglich die Grundschwingung in gewissen Gren-
zen exakt nachzubilden. Dies gilt, wenn der Modulationsgrad nicht grösser als 1 ist und deswe-
gen der Mittelwert der mit den Blöcken gebildeten Augenblicksspannung zu jedem Zeitpunkt
korrekt ist. Durch die Spannungsblöcke entstehen aber zusätzliche Oberschwingungen in der
Spannung. Die exakte analytische Herleitung führt auf Summen von Bessel-Funktionen.
In der Abbildung 8-12 und der Abbildung 8-13 sind die Verläufe und die Frequenzspektren des
PWM-Signales für zwei verschiedene Modulationsgrade dargestellt.
In allen Fällen erscheint bei ν = 1 die gewünschte Spannungsamplitude. Die Oberschwingungen
hängen vom Modulationsgrad und der Steuerungsart ab. Bei der bipolaren Steuerung liegen die
Anteile der Oberschwingungen um die Vielfachen des Modulationsgrades. Es erscheinen Sei-
tenbänder der Modulationsfrequenz. Die Amplituden sind teilweise grösser als diejenigen der
Grundschwingung. Zu beachten ist aber, dass die resultierenden Ströme wegen den hohen Fre-
quenzen einfach gefiltert werden können.
Bei der unipolaren PWM ist die Frequenz der Pulsation verdoppelt. Dies wird im Ausgangs-
spektrum sichtbar, indem die Oberschwingungen bei den doppelten Vielfachen der Modulati-
onsfrequenz erscheinen.

Abbildung 8-12 Bipolare PWM für einen Amplitudenmodulationsgrad von 0.6. Links: Fre-
quenz-Modulationsgrad mf = 9; Rechts: mf = 15

8-13
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.3 Pulsweitenmodulation

Abbildung 8-13 Unipolare PWM für einen Amplitudenmodulationsgrad von 0.6. Links: Fre-
quenz-Modulationsgrad mf = 9; Rechts: mf = 15

8.3.4 Übermodulation
Wenn der Modulationsgrad über 1 ansteigt, kann der lokale Mittelwert nicht mehr dem Refe-
renzsignal folgen, da dieser über die maximale Spannung ansteigt. Im Extremfall wird aus der
PWM eine Grundfrequenztaktung mit rechteckförmigen Blöcken je Halbwelle. Der Maximal-
wert der Grundschwingung eines rechteckförmigen Verlaufes ist 4/π. Er wird in diesem Ext-
remfall erreicht. Je mehr sich die Ausgangsspannung einem rechteckigen Verlauf nähert, umso
mehr nähert sich das Spektrum demjenigen der Grundfrequenztaktung an. Bis zum Modulati-
onsgrad mA=1 verläuft die Zunahme der Amplitude der Grundschwingung linear. Darüber
flacht die Kurve ab, bis sie gegen 4/π sättigt.

Û2,1 / Ud
1.5
4/π
Abbildung 8-14 Verlauf der
1 Ausgangsspannung in Funktion des
Modulationsgrades.
0.5

1 2 3 4 mA

8-14
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.3 Pulsweitenmodulation

Abbildung 8-15 Übermodulation bei mf = 15; Links ma = 1.2; Rechts: ma = 2. Neben der Ab-
nahme der Anzahl der Spannungspulse wird im Spektrum die Zunahme der
niederfrequenten Harmonischen sichtbar.

8.3.5 Weitere Modulationsverfahren


Die Grundidee der PWM besteht in der Erzeugung von Pulsmustern, welche eine Ausgangs-
spannung erzeugen, die einer geforderten Form möglichst nahekommen und dabei die Schalt-
verluste und die Verluste durch Oberschwingungen minimieren. Das vorgestellte trägerbasier-
ten Unterschwingungsverfahren weist gute Ergebnisse auf und kann auf einfache Weise online
durchgeführt werden. Eine Weiterentwicklung stellen die Verfahren mit den vorausberechneten
Pulsmustern dar. Hier wird eine gezielte Minimierung der Schaltpunkte angestrebt bei einer
steuerbaren Eliminierung von unerwünschten Oberschwingungen. In Tabellen werden die Mus-
ter für bestimmte Sollverläufe abgelegt. Die besondere Herausforderung liegt dabei im Umgang
mit dynamischen Vorgängen, welche natürlich nicht vollständig vorausgesehen und berechnet
werden können. Einen anderen Ansatz verfolgen die Verfahren mit Toleranzbandregelungen.
Die Spannungen sind in Antrieben nur Zwischengrössen, die zu den Strömen führen, welche
die Momente erzeugen. Dieser Umweg kann vermieden werden, wenn die Pulse direkt aufgrund
der geforderten Ströme ausgegeben werden.

Abbildung 8-16 Pulsmuster bei Toleranzbandregelung des Stromes ( (Colotti, et al., 2015))
8-15
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
8.4.1 Aufbau und Schaltzustände
Auf der Basis der bisher behandelten einphasigen Schaltungen lässt sich die Dreiphasen-Brü-
ckenschaltung ableiten. Sie besteht aus drei Brückenzweigen zu jeder Phase. Die Rückleitung
entfällt wie im Drehstromsystem.
In der Abbildung 8-17 ist der Aufbau dargestellt. Die vorkommenden Spannungen sind:
• Ud: Zwischenkreisspannung. Sie wird in der Analyse als ideal geglättet und konstant
angenommen. Gebildet z.B. aus einem Brückengleichrichter mit C-Glättung.
• Ud/2: fiktive Spannung auf das mittlere Potential des Zwischenkreises, zur Analyse ver-
wendet oder zur Speisung des Nullpunktes bei Dreistufenschaltungen.
• UA0, UB0, UC0: Spannungen Phase-Nullpunkt, Nullpunktspannungen.
• UA, UB, UC: Spannungen Phase-Sternpunkt; Strangspannungen der Drehstromlast
• UN0: Sternpunktspannung gegenüber dem Nullpunkt.
• UAB, UBC, UCA: Verkettete Spannungen der Drehstromlast
Die Schaltfunktionen der dargestellten Umschalter können bei dem zweistufigen Wechselrich-
ter die Werte
s A, B ,C = [− 1 + 1] (8-30)
und bei dem dreistufigen (zusätzliche Verbindung mit dem Nullpunkt) die Werte
s A, B ,C = [− 1 0 + 1] (8-31)
annehmen. Zur Bezeichnung werden die Schaltzustände in einem Vektor zusammengefasst:
s X = (s A s B sC ) (8-32)

uA

Ud A uAB uCA uB
+
- B uC
uBC
C

Ud/2 Ud/2
+ + A
- N -
1
sA N
A -1
sB
1 B
B -1
sC
1 C
Ud/2 Ud/2
C -1
+ +
- -
uC0 uN0 uC0 uN0
0 0
Abbildung 8-17 Aufbau der zweistufigen Drehstrom-Brückenschaltung. Oben gezeigt mit
den elektronischen Bauelementen. Unten mit Ersatzschaltern und dem ge-
dachten Mittelabgriff auf den Nullpunkt 0.

8-16
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
Die Anzahl Zustände hängt ab von der Anzahl Schalter und der jeweiligen Stufen:

(Anzahl Zustände) = (Stufen je Phase )Anzahl Schalter (8-33)


Diese ergibt zum Beispiel:
• 22=4 Zustände für eine einphasigen H-Brücke mit zwei Stufen
• 23=8 Zustände für die zweistufige Drehstrombrücke (siehe Abbildung 8-18)
• 33=27 Zustände für die dreistufige Drehstrombrücke

Abbildung 8-18 8 Schaltzustände der Drehstrombrückenschaltung mit zwei Stufen. Bezeich-


net mit dem Zustandsvektor 𝒔𝒔�.

8.4.2 Spannungsbildung bei symmetrischer Drehstromlast


Mit Hilfe der Schaltfunktionen gilt für die Mittelpunktspannungen, die vom Wechselrichter
erzeugt werden:
Ud Ud Ud
u A0 = s A ; u B0 = sB ; u C 0 = sC (8-34)
2 2 2
Für die verketteten Spannungen gilt über die Maschengleichungen in der Abbildung 8-17:
U
u AB = u A − u B = u A0 − u B 0 = (s A − s B ) d
2
U
u BC = u B − u C = u B 0 − u C 0 = (s B − s C ) d (8-35)
2
U
u CA = u C − u A = u C 0 − u A0 = (s C − s A ) d
2
Die verketteten Spannungen können von der Brückenschaltung durch die Wahl der Schaltzu-
stände definiert werden. Die Strangspannungen sind aber so nicht bestimmbar, da die Gleichun-
gen linear abhängig sind (z.B. uCA = -uAB -uCA):
u AB   1 − 1 0  u A 
u  =  0
 BC   1 − 1 u B  (8-36)
 u CA  − 1 0 1  u C 
Für die Sternschaltung in Abbildung 8-17 kann als weitere Gleichung die Summe der drei
Ströme verwendet werden. Für Gesamtstrom gilt:
i N = Y A u A + YB u B + YC u C = 0 (8-37)
Bei einem symmetrische Drehstromsystem ist diese Bedingung nur möglich, wenn die Summe
der Augenblickswerte der drei Spannungen Null ist: uA + uB + uC = 0, somit ergibt sich:

8-17
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
u AB  1 − 1 0  u A 
u  = 0 1 − 1 u 
 BC    B  (8-38)
 0  1 1 1  u C 
Nun können die Strangspannungen aufgrund der verketteten Spannungen und damit der Schalt-
funktionen bestimmt werden:
u A  2 1 
u  = 1 − 1 1  u AB 
 B 3  u  (8-39)
u C  − 1 − 2  BC 
Dies führt zu der Funktion der Strangspannungen in Abhängigkeit der Schaltzustände:
u A  2 1   2 − 1 − 1  s A 
u  = 1 − 1 1  (s A − s B ) U d = 1 − 1 2 − 1  s  U d
 B 3  (s − s ) 2 3  B  2 (8-40)
u C  − 1 − 2  B C 
− 1 − 1 2   s C 
 s s U
uA =  sA − B − C  d
 2 2  3
 s s U
u B =  − A + sB − C  d
3 (8-41)
 2 2 
 s s U
uC =  − A − B + sC  d
 2 2  3
Gemäss der Abbildung 8-17 gilt
u N 0 = u A0 − u A = u B 0 − u B = u C 0 − u C (8-42)
Mit der Bedingung uA+uB+uC = 0 ergibt die Addition der obigen Gleichungen den Wert der
Sternpunktspannung:
1
uN 0 = (u A0 + u B 0 + uC 0 ) = (s A + sB + sC ) U d (8-43)
3 6
Die Sternpunktspannung ist gleich dem Mittelwert der drei Nullpunktspannungen. Im symmet-
rischen Fall bei einer reinen Sinus-Speisung mit Drehstrom wäre diese Spannung gleich Null.
Bei der Bildung der verketteten Spannungen und der Strangspannungen entfällt die Stern-
punktspannung. Die Gleichungen für die Nullpunktspannungen können als Serie von zwei
Quellen betrachten werden. Die Sternpunktspannung uN0 ist eine Gleichtaktaussteuerung wel-
che zu allen drei Phasen in Serie wirkt. Diese Aufteilung ist schon von der Raumzeigertheorie
her bekannt und wird auch hier im Zusammenhang mit der Raumzeigermodulation noch von
grosser Bedeutung sein.

Abbildung 8-19 Ersatzschaltbild des Dreiphasen-Wechselrichters. Links: Nullpunktspannun-


gen. Rechts: Aufteilung mit der Gleichtaktaussteuerung (Sternpunktspan-
nung).

8-18
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
8.4.3 Grundfrequenztaktung (Six-Step Betrieb)
Eine mögliche Betriebsart der Drehstrombrücke besteht in der Grundfrequenztaktung. Die drei
Zweige werden um 120° versetzt geschaltet. Wegen den verschiedenen Zustände, wird der Be-
trieb auch Six-Step Betrieb genannt. Die Nullpunktspannungen sind direkt proportional zu der
jeweiligen Schaltfunktion. Die Grundschwingung der entstehenden Rechteckspannung ist
2
Uˆ A0,1 = U d (8-44)
π
Das Spektrum der Sternpunktspannung enthält die Grundfrequenz nicht. Daher verändert sich
die Grundschwingung der Strangspannung gegenüber den Nullpunktspannungen nicht:
2
Uˆ A,1 = Uˆ A0,1 = U d (8-45)
π
Durch die Phasenverschiebung von 120° werden die verketteten Spannungen um √3 grösser als
die Strangspannungen und eilen diesen um 30° vor:
2 3
Uˆ AB = 3Uˆ A,1 = Ud (8-46)
π
In der Tabelle 8-3 sind die verschiedenen Zustände aufgelistet. Mit Hilfe der Raumzeigertrans-
formation wird sichtbar, wie die entstehenden Zeiger ein sich bewegendes Feld bilden. Da die
Zustände allerdings nicht kontinuierlich ineinander übergehen, liegen die resultierenden Zeiger
auf 6 einzelnen Punkten. Das Resultierende Feld springt sozusagen von einem Zustand zum
nächsten. Der Begriff Six-Step stellt genau diese dar, der Raumzeiger durchwandert eine Um-
drehung in 6 Schritten. Die Zustände (---) und (+++) bilden einen Nullzeiger. Dieser spielt bei
dieser Modulationsart keine Rolle und tritt nie auf. Dies im Gegensatz zu der Raumzeigermo-
dulation im folgenden Kapitel.

u A0 u B0 uC 0 uN0 uα uβ u
X sA sB sC Ud
ϕ
Ud Ud Ud Ud Ud Ud
0 - - - -½ -½ -½ -½ 0 0 0 -
1 + - - ½ -½ -½ -⅙ ⅔ 0 ⅔ 0
2 + + - ½ ½ -½ ⅙ ⅓ 1�
√3 ⅔ 60
3 - + - -½ ½ -½ -⅙ -⅓ 1�
√3 ⅔ 120
4 - + + -½ ½ ½ ⅙ ⅔ 0 ⅔ 180
5 - - + -½ -½ ½ -⅙ -⅓ -1�√3 ⅔ 240
6 + - + ½ -½ ½ ⅙ ⅓ -1�√3 ⅔ 300
7 + + + ½ ½ ½ ½ 0 0 0 -
Tabelle 8-3 Zustände des Six-Step Betriebes und Raumzeigerdarstellung

Die Transformation ins statorfeste Zweiachsensystem erfolgt gemäss der Definition:


2 1 1  2 1 1 
uα =  u A0 − u B 0 − uC 0  =  u A − u B − uC  (8-47)
3 2 2  3 2 2 
2 3 3  2 3 3 
u β =  uB0 − uC 0  =  uB − uC  (8-48)
3 2 2  3  2 2 
1
uN 0 = (u A0 + u B 0 + uC 0 ) (8-49)
3

8-19
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
Die Nullpunktspannung ist nichts anderes als die Nullspannung, wie sie schon bei der Dreh-
feldtheorie eingeführt wurde.
In der Abbildung 8-20 sind die Raumzeiger der verschiedenen Zustände dargestellt. Zu jedem
Vektor gehört ein Schaltmuster. Ein Spezialfall stellen die beiden Nullvektoren dar. Die Brücke
kann sowohl mit allen Schaltern auf Plus-Potential, wie auch mit allen Schaltern auf Minus-
Potential den Nullspannungsvektor erzeugen. In der Grundfrequenztaktung wird dieser Vektor
nicht verwendet.
β
s̅3=(-+-) s̅2=(++-) Abbildung 8-20 Zeiger-
s̅7=(+++) darstellung der Grundfre-
quenztaktung. Dargestellt sind
s̅0=(---) die möglichen Raumzeiger mit
s̅4=(-++) α ihren Schalterstellungen. Die
beiden Nullzeiger s0 und s7
s̅1=(+--) sind der Vollständigkeit halber
aufgeführt. Ihr Vektor ist der
Nullvektor.

s̅5=(--+) s̅6=(+-+)

UA
Ud/2 UA0

-Ud/2
UB
Ud/2 UB0

-Ud/2
UC
Ud/2 UC0

-Ud/2
UN
Ud/6
-Ud/6
Ud
UAB UBC UCA

ωt

-Ud

Abbildung 8-21 Grundfrequenztaktung der Dreiphasen-Brückenschaltung.

8-20
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
8.4.4 Sinusbewertete PWM
Zur Erzeugung von Ausgangsspannungen mit kleineren Oberschwingungen wird auch im Drei-
phasensystem von der Blocktaktung auf die Taktung mit der Modulation der Pulsweiten über-
gegangen. Die Bildung der einzelnen Pulse erfolgt wie bei der H-Brücke durch den Verschnitt
von einem rechteckförmigen Trägersignal mit der steuernden Modulationsfunktion. Jeder Brü-
ckenzweig schaltet zwischen ± ud / 2 und so folgt für die Nullpunktspannungen A, B und C:
Ud
u x 0 = mx ( t ) (8-50)
2
Bei einer sinusförmigen Vorgabe mit dem Modulationsgrad M wird für die Grundschwingung
Ud
u x 0,1 = M cos (ω2t ) (8-51)
2
Bei M=1 ist die Grenze der linearen Aussteuerung für diese Modulationsart erreicht. Die maxi-
male Grundschwingungsamplitude der Strangspannung entspricht der halben Zwischenkreis-
spannung. In der Abbildung 8-23 sind die Verläufe für eine Arbeitspunkt dargestellt. Die
Grundfrequenz der Nullpunktspannung entspricht der Frequenz des Trägersignals. Deutlich
sichtbar ist, dass durch die Verschneidung Pulse entstehen, die nicht optimal den Grundschwin-
gungsverlauf unterstützen und unnötige Spitzen erzeugen.
Die maximale Grundschwingung der verketteten Spannung wird
3
Uˆ AB ,1 = Ud (8-52)
2
Unter der Annahme eines kapazitiv geglätteten Zwischenkreises der bei einer dreiphasigen
Speisung über eine Diodenbrücke die Spannung von 400V√2=560V erreichen kann, ergibt das
einen maximalen Effektivwert der verketteten Ausgangsspannung von 560V√3/2/√2=340V.
Bei Übermodulation können die Pulse nicht mehr dem vorgegebenen Mittelwert folgen.
Dadurch entstehen niederfrequente Oberschwingungen in der Ausgangsspannung.

Abbildung 8-22 Frequenzspektren der Nullpunktspannung und der Strangspannung für eine
Übermodulation mit M=1.2. Es entstehen niederfrequente Spannungen. Die
dritte Harmonische und ihre Vielfachen erzeugen Gleichtaktspannungen und
verschwinden in der Strangspannung.

8-21
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen

0.5
C
m ,m ,m

0
B
A

-0.5

-1

0.5
d
/U

0
A0
u

-0.5
0.5
d
u /U

0
B0

-0.5
0.5
d
u /U

0
C0

-0.5

0.5
d
u /U

0
N0

-0.5

0.5
d
u /U

0
A

-0.5

0.5
d
/U

0
AB
u

-0.5

-1
0 pi 2pi
→ ωt

Abbildung 8-23 Zeitverläufe der sinusbewerteten PWM für einen Modulationsgrad von 0.8.
Gestrichelt eingetragen ist jeweils auch die Grundschwingung der darge-
stellten Funktion.

8-22
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen

0.5
C
m ,m ,m

0
B
A

-0.5

-1

0.5
d
/U

0
A0
u

-0.5
0.5
d
u /U

0
B0

-0.5
0.5
d
u /U

0
C0

-0.5

0.5
d
u /U

0
N0

-0.5

0.5
d
u /U

0
A

-0.5

0.5
d
/U

0
AB
u

-0.5

-1
0 pi 2pi
→ ωt

Abbildung 8-24 Zeitverläufe bei Übermodulation mit der Überlagerung der 3. Harmonischen
für einen Modulationsgrad von 1.15. Gestrichelt eingetragen ist jeweils auch
die Grundschwingung der dargestellten Funktion. Die Amplitude der verket-
teten Spannung erreicht ungefähr die Zwischenkreisspannung Ud.

8-23
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
In der Abbildung 8-25 sind die Bereiche der Ausgangsspannung in der Raumzeigerebene dar-
gestellt. Aus dem Six-Step Betrieb folgen die Lagen der einzelnen Schaltzustände. Ihre Raum-
zeiger haben die Länge ⅔Ud. Die Sinusmodulation erzeugt Spannungen, deren Grundschwin-
gungsamplituden im linearen Bereich bei M=1 maximal den Wert ½Ud erreichen können.
Durch die PWM kann deren Raumzeiger quasi-kontinuierlich rotieren und spannt dabei den
Kreis mit dem Radius der Zeigerlänge auf. Gemäss Abbildung 8-25 umfasst dieser Kreis aber
nur einen Teil der Fläche, die von den „Six-Step“-Zeigern aufgespannt ist. Es sollte daher mög-
lich sein, einen Kreis zu bilden, der dem Inkreis des Sechsecks entspricht und auf dem immer
noch eine kontinuierliche Bewegung möglich ist.
β

2
π Ud
1
√3Ud

Abbildung 8-25 Spannungsberei-


½Ud α che der Drehstrombrückenschaltung auf
⅔Ud die Phasenspannungen bezogen

Tatsächlich wird dies erreicht, wenn über dem Modulationssignal der Grundschwingung ein
Signal mit der dritten Harmonischen überlagert wird (Abbildung 8-24) . Diese bildet zwar keine
Strangspannung aus, aber deren Modulation des Sternpunktes gegenüber dem Nullpunkt er-
möglicht eine grössere Aussteuerung der Grundschwingung. Die resultierende Modulations-
funktion in der Abbildung 8-26 zeigt, dass durch diese Überlagerung die Grenzen der Modula-
tion nicht überschritten werden. Aus geometrischen Überlegungen resultiert dann der maximale
Modulationsgrad zu
2
M max = = 1.15 (8-53)
3
wenn für die 3. Harmonische eine Amplitude von 1/6 gewählt wird. Die Modulationsfunktion
m2 in der Abbildung 8-26 zeigt tatsächlich einen Maximalwert von 1, was durch die PWM noch
korrekt abgebildet werden kann. Man gewinnt eine Aussteuerung von 15%. Somit ergibt die
Abschätzung der maximal möglichen Ausgangsspannung des Drehstrominverters
560V*√3/√3/√2=400V was wieder ungefähr der Speisespannung des Systems entspricht.
In der Abbildung 8-25 ist zusätzlich auch noch der Kreis des Raumzeigers der Grundschwin-
gung bei Blocktaktung eingezeichnet. Hier entsteht eine Grundschwingung, mit dem Modula-
tionsgrad von
Uˆ 2,1 4
M max,SixStep = = ≈ 1.27 (8-54)
1 U π
2 d

8-24
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen
m
1.2 m1
Abbildung 8-26 Überlagerung der
1
m2 3. Harmonischen auf die Grundschwin-
0.8 m3 gung der Modulationsfunktion.
m1 = Mmax*sin(ωt);
0.6 m2 = m1+1/6*sin(3ωt);
0.4
m3 = m1+1/3*sin(3ωt). Die 3. Harmoni-
sche ist in allen drei Phasen auf der
0.2 gleichen Winkellage.
ωt
0 π
π/2 2π/3

Abbildung 8-27 Frequenzspektren der Nullpunktspannung und der Strangspannung für eine
Übermodulation mit M = 1.15 mit überlagerter 3. Harmonischen. Die dritte
Harmonische ist in der Nullpunktspannung deutlich erkennbar.

8.4.5 Raumzeigermodulation
Eine Weiterentwicklung der Sinusmodulation mit Überlagerung von Oberwellen zur Verbesse-
rung der Ausnutzung stellt die Raumzeigermodulation dar. Grundlegend dafür ist die Darstel-
lung in der Abbildung 8-25, wo die Trajektorie des Spannungsraumzeigers aufgrund der Zeiger
der einzelnen Schaltzustände bereits für die Analyse der PWM verwendet wurde. Darauf auf-
bauend wird gänzlich auf die Modulation mit einem Trägerverfahren verzichtet und nur die
Bildung eines Soll-Zeigers aufgrund der zur Verfügung stehenden Zeiger der Schaltzustände
betrachtet. Dieses Prinzip ist in der Abbildung 8-28 gezeigt.

Abbildung 8-28 Prinzip der Raumzeigermodulation. Bildung des Soll-Raumzeigers als Über-
lagerung der Zustandszeiger, die den Raum aufspannen, wo der Soll-Raum-
zeiger liegt.

Es gilt
8-25
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.4 Dreiphasen-Brückenschaltungen

U {s1  s2 } = δ 0U 0 + δ1U 1 + δ 2U 2 + δ 7 U 7 (8-55)


wobei δx die Tastverhältnisse der jeweiligen Zustände definieren. Im Gegensatz zu der sinusbe-
werteten PWM werden hier auch die Nullzeiger bewusst eingesetzt um optimale Pulsmuster,
dh. möglichst oberwellenarme Spannungen und möglichst wenig Schaltvorgänge, zu erzeugen.
Die Raumzeigermodulation hat entscheiden zu der Nutzung von mehrstufigen Wechselrichtern
beigetragen. Mehr Schaltzustände gemäss (8-33) erlauben weitere Verbesserungen in der Mo-
dulation.

0.5
C
m ,m ,m

0
B
A

-0.5

-1

0.5
d
/U

0
A0
u

-0.5
0.5
d
u /U

0
B0

-0.5
0.5
d
u /U

0
C0

-0.5

0.5
d
u /U

0
A

-0.5

0.5
d
/U

0
AB
u

-0.5

-1
0 pi 2pi
→ ωt

Abbildung 8-29 Zeitverläufe bei Übermodulation mit der Überlagerung der 3. Harmonischen
für einen Modulationsgrad von 1.15. Gestrichelt eingetragen ist jeweils auch
die Grundschwingung der dargestellten Funktion. Die Amplitude der verket-
teten Spannung erreicht ungefähr die Zwischenkreisspannung Ud.

8-26
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.5 Weitere Wechselrichtertopologien
8.5 Weitere Wechselrichtertopologien
8.5.1 Modularer Multilevel Umrichter
Der MMC ist ein Mehrpunktstromrichter, welcher im Mittel- bis Hochspannungsbereich ein-
gesetzt wird. Er enthält in jedem Zweig Spannungszellen, die sogenannten Module und eine
Induktivität. Der MMC ist ein indirekter Umrichter. Dies bedeutet, er wird zwischen ein Gleich-
spannungsnetz und ein Wechselstromnetz geschaltet. Dabei kann er als Wechselrichter oder als
Gleichrichter betrieben werden. Der MMC hat gegenüber herkömmlichen Umrichtern den Vor-
teil, dass Bauteile kleinerer Spannung verwendet werden können. Je mehr Zellen verwendet
werden, desto kleiner wird deren benötigte Sperr- und Durchschlagsspannung. Ein weiterer
Vorteil ist die Reduktion der Oberschwingungen am Ausgang. Durch diesen Vorteil können
Verluste im System verringert werden. Der Nachteil des MMC liegt im aufwändigeren Aufbau
des Umrichters und der komplexeren Ansteuerung und Regelung der Zellen.

Abbildung 8-30 Struktur


eines MMC Anhand eines
einzelnen Brückenzweiges
(Gäumann Markus: Ein-
phasiger Wechselrichter in
der MMC Topologie, Ver-
tiefungsarbeit MSE, zhaw,
2020)

In der Abbildung 8-30 ist die prinzipielle Struktur eines MMC dargestellt. Die Zellen können
als Halbbrücken (Zustände: +U oder 0 V) oder als Vollbrücken (+U, 0 V, -U) ausgeführt wer-
den. In jedem Halbzweig befindet sich eine Induktivität, die für die Steuerung des Zweigstro-
mes notwendig ist. Die Zellen laden oder entladen sich, je nach Richtung des Stromes und ihrem
Schaltzustand. Die Regelung des MMC beinhaltet drei Aspekte:
• Leistungsregelung: Die eingespeiste Leistung muss gleich der abgegebenen sein, an-
sonsten werden die Zelle entleert oder überladen.
• Spannungsregelung: Die Zellen müssen auf einer ähnlichen Spannung gehalten werden,
damit die Ausgangsspannung mit guter Qualität erzeugt werden kann.
• Zweigsymmetrierung: Die beiden Zweighälfte müssen auf dem gleichen Wert gehalten
werden, damit eine symmetrische Ausgansspannung möglich ist.
Aufgrund der Überlagerung der drei Aspekte wird eine übergeordnete Stromregelung realisiert,
die im Zweig mit der Restspannung an den Induktivitäten den Strom verändern kann.

8-27
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.5 Weitere Wechselrichtertopologien

Abbildung 8-31 Beispiele Umrichterstrukturen, die mit der MMC Technologie realisiert
werden können: STATCOM Anlage im Drehstromnetz, 3-phasen Wechsel-/Gleichrichter,
Netzkupplung oder Direktumrichter (© ABB Power Grids, 2020).

8-28
ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.5 Weitere Wechselrichtertopologien
8.5.2 Stromzwischenkreisumrichter
Im Gegensatz zum Wechselrichter mit Spannungszwischenkreis, wird bei diesem Umrichter
die Ausgangsleistung aus einem Stromkreis generiert. Seine Bedeutung ist stark zurückgegan-
gen, da die induktive Speicherung von Energie teurer und volumenmässig grösser ist im Ver-
gleich zu der C-Speicherung.

Abbildung 8-32 Zwischenkreise von Wechselrichtern. a) Spannungszwischenkreis mit


Kondensatorglättung; b) Stromzwischenkreis mit induktiver Glättung (nach: Kolar, J.W.;
Friedli, T.; Krismer, F.; Round, S.D.: The essence of three-phase AC/AC converter systems.
EPE-PEMC 2008.

8.5.3 Direktumrichter
Direktumrichter formen die Energie ohne Zwischenspeicherung um. Sie benötigen daher weder
einen U- noch einen I-Zwischenkreis. Fremdgeführte Direktumrichter arbeiten mit nichtab-
schaltbaren Schaltelementen (Thyristoren) und erhalten die Löschspannungen für die Thyristo-
ren durch das Netz (netzgeführt). Anwendung finden die Direktumrichter bei grossen Leistun-
gen und kleinen Drehzahlen, da die Ausgangsfrequenz nicht grösser als die Speisefrequenz des
Netzes werden kann. Durch den Verzicht auf die Energiespeicherung im Zwischenkreis, was
bei grossen Leistungen ein wesentlicher Kostenpunkt ist, wird diese Topologie noch immer
gelegentlich eingesetzt.

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ZHAW / SoE 8. Selbstgeführte Wechselrichter
Leistungselektronik und Antriebstechnik 8.6 Literaturverzeichnis

Abbildung 8-33 Aufbau und Steuerungsarten des Direktumrichters (Zach, 2010). Links:
Schema, der Umkehrstromrichter erlaubt die Stromführung in beide Richtungen. Rechts:
Steuerungsarten: a) Trapezumrichter: es wird stets die maximale oder minimale Spannung er-
zeugt; b; Steuerumrichter: der variable Zündwinkel verändert quasi kontinuierlich die Aus-
gangsspannung.

Eine moderne und interessante Entwicklung stellen die Matrixumrichter dar. Sie sind selbstge-
führte Direktumrichter, dh. bestehen aus abschaltbaren Elementen und benötigen keine Ener-
giespeicherung im Zwischenkreis. Matrixumrichter sind ein in der Forschung stark bearbeitetes
Thema. In der industriellen Praxis sind diese Geräte aber noch nicht präsent.

Abbildung 8-34 Schal-


tung Matrixumrichter (nach
Igney, Jens: Steuerverfahren
für Matrixumrichter unter Be-
sonderer Betrachtung der Ein-
gangsblindleistung. Disserta-
tion Uni Karlsruhe, 2006).

8.6 Literaturverzeichnis
Colotti, Alberto und Jenni, Felix. 2015. Elektrische Antriebe. Zürich : Faktor Verlag, 2015.
978-3-905711-32-5.
Hart, Daniel W. 2011. Power Electronics. New York : McGraw-Hill, 2011.
Mohan, Ned. 2005. Power Electronics. Minneapolis : MNPERE, 2005.
Schröder, Dierk. 2008. Leistungselektronische Schaltungen. Berlin : Springer, 2008.
Specovius, Joachim. 2020, 10. Auflage. Grundkurs Leistungselektronik. Wiesbaden :
Vieweg+Teubner, 2020, 10. Auflage.
Zach, Franz. 2010. Leistungselektronik. Wien : Springer, 2010.

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