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ELEKTROTECHNIK

Urbans/Shutterstock.com

Wechselstromtechnik
1GIG
Version : 06/2022
Wichtige Bemerkungen:

Verschiedene Teile des folgenden Kurses sind mit einem farbigen Balken auf der linken Seite
gekennzeichnet. Diese Teile sind als nicht obligatorische Zusatzinformationen zu betrachten und sind
nicht im offiziellen Programm aufgeführt.

Auch werden aus diesen Teilen keine Fragen im Abschlussexamen gestellt.

IMPRESSUM

Titre : 1GIG - Elektrotechnik | Wechselstromtechnik


Élaboré conformément au programme luxembourgeois par :
MANCINI Doris, MOOTZ Marc, PEYER Robert.

Contenus et concept didactique pour l’enseignement


au Grand-Duché de Luxembourg.

Éditeur :
SCRIPT, Service de Coordination de la Recherche
et de l’Innovation pédagogiques et technologiques
33 Rives de Clausen
L-2165 Luxembourg
secretariat@script.lu
Réalisation / Conception : SCRIPT

© 2022, SCRIPT | Tous droits réservés


1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

1 Darstellung und Kenngrößen von Wechselgrößen


In der Elektrotechnik spielen Wechselspannungen und -ströme in fast allen Bereichen eine
bedeutende Rolle. Wechselspannungen haben gegenüber Gleichspannungen einige
entscheidende Vorteile:
➢ einfache Erzeugung
➢ einfache Übertragung über große Strecken
➢ leichte Verteilung

1.1 Technische Entwicklung

Die technische Nutzung der Elektrizität begann zwar mit der Gleichstromtechnik, eine
Übertragung großer Energiemengen über weite Entfernungen wurde aber erst durch die
Wechselstromtechnik möglich. Auf der Grundlage des von Michael Faraday entdeckten
Induktionsprinzips entwickelte Werner von Siemens 1866 das elektrodynamische Prinzip als
Basis für Generatoren und elektrische Antriebe. Das dreiphasige Wechselstromsystem
(Drehstrom) wurde um 1887 von Dolivo-Dobrowolski entwickelt, zwei Jahre später
konstruierte er den ersten Drehstrommotor mit Kurzschlussläufer. Die Übertragung einer
Drehstromleistung von mehreren 100kW über die 175km lange Strecke von Lauffen am
Neckar nach Frankfurt am Main gelang erstmals im Jahre 1891. Die ersten
Energieübertragungen wurden von Oscar von Miller und Charles Brown realisiert.
Der wesentliche Vorteil von Wechselströmen liegt in ihrer Transformierbarkeit; nur durch den
Einsatz sehr hoher Spannungen (z.B. 400kV) ist eine verlustarme Übertragung über große
Entfernungen möglich. Der Transformatorenbau begann um 1885 mit Leistungen von 1kVA,
um 1910 betrugen sie bereits 25MVA, derzeit werden Transformatoren im 100MVA-Bereich
gebaut. Die Spannungen mussten mit zunehmender Leistung ebenfalls steigen.
Anfang des 20. Jahrhunderts: 110kV, Ende der 20er Jahre: 220kV, 1957: Einführung der 380kV-
Spannungsebene. In Kanada und in den GUS-Staaten betragen die Übertragungsspannungen
wegen der großen Entfernungen bis zu 750kV. Höhere Spannungen für noch größere
Entfernungen bzw. Übertragung durch Kabel erfordern allerdings Gleichstrom (HGÜ:
Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung).

Der Stromkrieg Simpleclub: Übertragung Stromnetz heute


https://www.youtube. elektrischer Energie und in Zukunft
com/watch?vXyGnB0s https://www.youtube.com/watch https://www.youtube.
e1qI ?v=96LpZE1CK5g com/watch?v=szJQ5Pf
9Aus

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

1.2 Definition einer Wechselgröße

Gleichspannung Wechselspannung

- zeitlicher Verlauf konstant - zeitlicher Verlauf nicht konstant


- positive und negative Werte
- immer wiederkehrender Verlauf

Alle Wechselgrößen erfüllen die folgenden zwei Bedingungen:

a) Wechselgrößen sind periodisch.


b) Wechselgrößen haben einen linearen (arithmetischen) Mittelwert gleich Null.

In der Praxis werden Wechselspannungen durch Drehung einer Leiterschleife (Spule) in einem
Magnetfeld erzeugt. Durch die Drehbewegung des Leiters (der Spule) werden über das
Induktionsgesetz sinusförmige Spannungen erzeugt.

Werde Ingenieur: Wechsel-


und Drehstromgenerator
https://www.youtube.com/watch?v=
9CBbGKImUsU

Prinzip der Wechselspannungserzeugung

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

1.3 Liniendiagramm einer Wechselspannung


Im Liniendiagramm werden Wechselspannungen entweder in Funktion der Zeit t oder des
Drehwinkels  aufgetragen.

Liniendiagramm einer Wechselspannung

Wichtige Kennwerte:

Drehwinkel 
Der Drehwinkel  (in DEG oder RAD) gibt die Lage der Leiterschleife (Spule) im Magnetfeld
an.

Momentanwert (Augenblickswert) u(t), u():


Dies ist der Wert der Wechselspannung zu einem bestimmten Zeitpunkt (Augenblick).
zum Beispiel: u(4ms) = 3V; u(30°) = 2,5V; u(0,5) = 6V

Scheitelwert (Amplitude) û:
Die Amplitude û ist der maximale Wert der Spannung im positiven bzw. negativen Bereich.

Periodendauer T:
Die Periodendauer T ist die Zeit, die die Spannung zum Durchlaufen einer ganzen
Schwingung, das heißt einer positiven und einer negativen Halbwelle braucht.

Frequenz f:
Die Frequenz f gibt die Anzahl der Perioden pro Sekunde an.

1 1
f= [ f ] = Hz 1Hz = = 1s−1
T s

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Kreisfrequenz :
Die Frequenz einer Wechselspannung wird durch die Drehzahl der Leiterschleife (Spule) im
Magnetfeld bestimmt. Die Kreisfrequenz  ist ein Maß für die Winkelgeschwindigkeit und
ist als Rechengröße notwendig, um den Bezug zwischen der Zeit t und dem Drehwinkel 
herzustellen.

2π 1
ω= 2⋅π⋅f oder ω= [ω] = = s −1
T s

Die genaue mathematische Formel einer sinusförmigen Wechselspannung lautet dann wie
folgt:
u(α) = û ⋅ sin(α) mit α = ω ⋅ t
u(t) = û ⋅ sin (ω ⋅ t)
u(t) = û ⋅ sin (2 ⋅ π ⋅ f ⋅ t)

1.4 Zeigerdiagramm einer sinusförmigen Wechselspannung


Sinusförmig verlaufende Vorgänge können vereinfacht als Zeiger dargestellt werden. Dies hat
besonders bei der Darstellung von mehreren frequenzgleichen Größen Vorteile.

Zeiger- und Liniendiagramm einer Wechselspannung

Festlegungen:
• Die Länge des Zeigers entspricht dem Scheitelwert û.
• Der Zeiger dreht sich im Gegenuhrzeigersinn mit einer Umdrehung je Periode.
• Der Momentanwert der Wechselspannung entspricht der Gegenkathete in einem
rechtwinkligen Dreieck, dessen Hypotenuse durch den Zeiger und dessen Ankathete
durch einen Abschnitt auf der Bezugslinie gebildet werden.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

1.5 Phasenverschiebung  (phi)


In ein Liniendiagramm oder Zeigerdiagramm können auch mehrere Spannungen
eingezeichnet werden.

Phasenverschobene Wechselspannungen im Zeiger- und Liniendiagramm

Wechselgrößen sind dann phasenverschoben, wenn sie ihren Nulldurchgang bzw.


Scheitelwert zu unterschiedlichen Zeitpunkten haben.
Die Größe der Phasenverschiebung wird durch den Phasenverschiebungswinkel 
angegeben.
Von einer Phasenverschiebung redet man nur bei Wechselgrößen gleicher Frequenz.
Mit der Festlegung, dass der Gegenuhrzeigersinn der positiven Richtung von  entspricht,
lauten die mathematischen Gleichungen der beiden Wechselspannungen wie folgend:

u1 (t) = û1 ⋅ sin (ωt)

u2 (t) = û2 ⋅ sin(ωt − 60°) mit φ = −60°

Hier sagt man: Die Spannung u2 ist um 60° nacheilend zur Spannung u1.

Eine praktische Anwendung für phasenverschobene Signale ist die aktive


Geräuschunterdrückung (Active Noise Cancelling), zum Beispiel bei Kopfhörern. Dabei werden
störende Außengeräusche durch gegenphasigen Antischall unterdrückt und man hört nur
noch das erwünschte Musiksignal.

Die Merkhilfe Lernwerkstatt: GIGATECH: So klingen ANC-


Funktion ANC Kopfhörer
https://www.youtube.com/watch?v=wrNG https://www.youtube.com/watch?v=iD5J2-
N_RygoU l5wos

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

1.6 Arten von Wechselgrößen


Wechselspannungen oder -ströme haben in der Praxis nicht immer einen sinusförmigen
Verlauf. Typische Verläufe werden in den folgenden Bildern gezeigt.

Sinusspannung Dreieckspannung

Rechteckspannung Sägezahnspannung

Außer Gleichspannungen und Wechselspannungen kennt man auch noch Mischgrößen. Sie
entstehen durch Überlagerung von Gleich- und Wechselanteilen. Der arithmetische
Mittelwert einer Mischgröße ist nicht mehr Null.

Mischspannung

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

1.7 Effektivwert von Wechselgrößen


Viele elektrische Verbraucher zeigen das gleiche Verhalten an Gleichspannung wie an
Wechselspannung, zum Beispiel Glühlampen, Kochplatten, elektrische Heizungen usw.
Allgemein kann man sagen, dass in ohmschen Widerständen die elektrische Energie in Wärme
umgesetzt wird.
Es stellt sich nun die Frage, wie eine sinusförmige Wechselspannung aussehen muss, damit
sie in einem Verbraucher die gleiche Leistung umsetzt wie eine bestimmte Gleichspannung.

Gleichspannung Effektivwert einer Wechselspannung

Der sogenannte Effektivwert (wirksamer Wert) einer Wechselspannung ist der


Spannungswert, der in einem ohmschen Widerstand die gleiche Wärmemenge
umsetzt wie eine gleich große Gleichspannung.

Bei sinusförmigen Größen gilt:

û î
Ueff = bzw. Ieff =
√2 √2

Das Verhältnis aus Scheitelwert zu Effektivwert wird als Scheitelfaktor bezeichnet.

Scheitelwert
Scheitelfaktor = (= √2 bei Sinusgrößen)
Effektivwert

Man beachte auch, dass Effektivwerte mit Großbuchstaben geschrieben werden:

𝐔𝐞𝐟𝐟 = 𝐔 sowie 𝐈𝐞𝐟𝐟 = 𝐈

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Bemerkung: Mathematisch gesehen entspricht der Effektivwert dem quadratischen


Mittelwert einer Wechselspannung (Wechselstrom). Er lässt sich für jede
beliebige Wechselgröße mit Hilfe der Integralrechnung bestimmen (siehe auch
Mathematikunterricht).

T T
1 1
Ueff = √ ⋅ ∫ u2 (t) ⋅ dt bzw. Ieff = √ ⋅ ∫ i2 (t) ⋅ dt
T 0 T 0

Aufgaben

Aufgabe 1-1
Zeichne das Liniendiagramm über eine ganze Periode sowie das entsprechende
Zeigerdiagramm für folgende Größen:
a) u(t) = 4V  sin(t + 60°)
b) i(t) = 6mA  sin(t - 30°)
c) u(t) = 3V  cos(t + 120°)

Aufgabe 1-2
Gegeben ist das folgende Oszillogramm einer Wechselspannung u(t):

mV
Ay = 200
Div

ms
At = 50
Div

Berechne die Amplitude, die Periodendauer, die Frequenz sowie die Kreisfrequenz.
[û = 400mV; T = 200ms; f = 5Hz;  = 31,4s-1]

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgabe 1-3
Mit einem Oszilloskop wird folgendes Oszillogramm ermittelt:

V
Ay = 2
Div

μs
At = 250
Div

a) Berechne die Scheitelwerte der beiden Spannungen. [û1 = 5V; û2 = 8V]


b) Wie groß ist die Frequenz der beiden Spannungen? [f1 = f2 = 500Hz]
c) Bestimme den Phasenverschiebungswinkel zwischen u1 und u2. [ = 117°]

Aufgabe 1-4

Gegeben ist eine Spannung u(t) = 326V  sin(t + 30°) mit der Frequenz von 50Hz.
a) Welchen Momentanwert erreicht die Spannung nach einer Zeit von 0,01s?
[u(0,01s) = -163V]

b) Nach welcher Zeit erreicht die Spannung ihren negativen Höchstwert? [t = 13,3ms]

Aufgabe 1-5
Gegeben ist ein Strom i(t) = 5A  sin(t + 30°) mit der Frequenz von 25Hz. Welchen
Momentanwert erreicht der Strom nach einer Zeit von 10ms? Berechne außerdem den
Effektivwert des Stroms. [i(10ms) = 4,33A; I = 3,54A]

Aufgabe 1-6
Eine sinusförmige Wechselspannung hat den Scheitelwert û = 40V und eine Frequenz von
f = 10kHz. Zu welcher Zeit nach dem Nulldurchgang erreicht diese Spannung zum ersten Mal
den Betrag ihres Effektivwertes. [t = 12,5s]

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgabe 1-7
Berechne, wann ein Strom i(t) = î  sin(t) mit f = 50Hz während der ersten Periode folgende
Werte erreicht:
a) die Hälfte seines Scheitelwertes [t1 = 1,67ms; t2 = 8,33ms]
b) 90% seines Scheitelwertes [t1 = 3,57ms; t2 = 6,43ms]

Aufgabe 1-8
Folgende Spannungsverläufe sind gegeben:

Bestimme die Phasenverschiebungen 12, 23 sowie 31 und gib jeweils an, welche Spannung
voreilend ist. [12 = 57,6° ; 23 = 266° ; 31 = 36°]

Aufgabe 1-9
Bei zwei Strömen von 25Hz eilt der Strom i1 dem Strom i2 um 2ms voraus. Wie groß ist die
Phasenverschiebung der beiden Ströme? [ = 18°]

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

2 Addition frequenzgleicher Wechselgrößen

Genau wie in der Gleichspannungstechnik kann man auch Wechselgrößen addieren oder
subtrahieren (z. B. Reihenschaltung von zwei Spannungsquellen). Damit Wechselgrößen in
einem gemeinsamen Zeigerdiagramm dargestellt werden können, müssen sie frequenzgleich
sein.

2.1 Nullphasenwinkel

Da verschiedene Wechselspannungen normalerweise nicht phasengleich sind, muss bei der


Addition von Wechselgrößen besonders auf die jeweilige Phasenlage geachtet werden.

Der Nullphasenwinkel einer Wechselgröße entspricht dem Winkel im


Zeigerdiagramm, den die Größe mit der Bezugslinie (0° - Linie) bildet.

2.2 Bildung der Addition im Linien- und Zeigerdiagramm

Anhand eines Beispiels soll die Addition von zwei Sinusspannungen gezeigt werden. Dabei
werden folgende Spannungen addiert:

u1 = û1  sin(t + 1) = 3,46V  sin(t + 0°)

u2 = û2  sin(t + 2) = 2V  sin(t + 90°)

Vorgehensweise im Liniendiagramm:
Zu bestimmten, beliebig vielen Zeitpunkten (zum Beispiel alle 30°) werden die
Momentanwerte der beiden Spannungen addiert.
Als Resultat erhält man wieder eine sinusförmige Spannung mit der gleichen
Frequenz wie die von u1 beziehungsweise u2.

Vorgehensweise im Zeigerdiagramm:
Die Zeiger der beiden Spannungen müssen phasenrichtig addiert werden. Dies
entspricht einer geometrischen Addition der Zeiger (wie bei einer Vektoraddition).

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Im folgenden Bild wird die Vorgehensweise im Linien- und Zeigerdiagramm noch einmal
veranschaulicht.

Addition von zwei Wechselspannungen im Zeiger- und Liniendiagramm

Ergebnis: ûg = 4V g = 30°

Die Gesamtspannung ergibt sich somit zu: ug = 4V  sin(t + 30°)

Da die Addition von Sinuskurven sehr zeitaufwändig ist, werden in der Praxis meist nur die
Zeigerdiagramme gezeichnet.

Die beiden Spannungen lassen sich natürlich auch rechnerisch addieren. Dabei geht man
gleichermaßen wie bei einer Vektoraddition vor.

2.3 Subtraktion von Wechselgrößen

Die Subtraktion von Wechselgrößen erfolgt auf die gleiche Weise wie eine Addition. Dabei
muss man nur folgende Eigenschaft von Wechselgrößen beachten:

−û ⋅ sin(ωt) = +û ⋅ sin(ωt + 180°)

Eine Subtraktion wird damit auf eine Addition mit spiegelverkehrtem Zeiger zurückgeführt.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Beispiel:
Das in folgendem Bild gezeigte Beispiel zeigt sowohl die Addition wie auch die Subtraktion von
u1 und u2.

ug1 = u1 + u2

ug2 = u1 – u2

Addition und Subtraktion im Zeigerdiagramm

Wichtige Bemerkung:
In den folgenden Kapiteln wird überwiegend mit Effektivwerten von
Wechselspannungen und -strömen gearbeitet. Da alle Effektivwerte um den gleichen
Faktor kleiner sind als die Scheitelwerte, dürfen grafische Additionen und
Subtraktionen im Zeigerdiagramm auch mit Effektivwerten durchgeführt werden.
In der Praxis sieht man deshalb meistens Zeigerdiagramme, die mit den
Effektivwerten der Wechselgrößen gezeichnet sind.
Aus einem solchen Zeigerdiagramm kann das Liniendiagramm natürlich nicht mehr
sofort ermittelt werden.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Exkurs: Dreiphasenwechselstrom
Schon sehr früh hat sich herausgestellt, dass
Wechselstrom wirtschaftlicher erzeugt werden kann,
wenn mehrere getrennte Wicklungen im Generator
untergebracht sind. Dabei hat sich die Erzeugung von
Dreiphasenwechselstrom durchgesetzt, in der Praxis
auch als Drehstrom bezeichnet.
Im nebenstehenden Bild wird das Prinzip zur Erzeugung
einer Dreiphasenwechselspannung dargestellt.
Das Polrad erzeugt in den drei, örtlich um 120° Prinzip eines Drehstromgenerators

versetzten Spulen (Stränge), drei um 120°


phasenverschobene Spannungen.

Zeiger- und Liniendiagramm einer Dreiphasenwechselspannung

Die Übertragung der drei Strangspannungen würde im Prinzip 6 Leiter erfordern. Wenn man
die drei Spulenenden des Erzeugers (U2, V2, W2) miteinander verbindet, dann entsteht eine
sogenannte Sternschaltung. Den Verbindungspunkt nennt man Sternpunkt, hier kann man
den Neutralleiter N anschließen.
Dies hat den Vorteil, dass man Leiter einsparen und zwei verschiedene Spannungen
gleichzeitig übertragen kann. Zu den Verbrauchern werden drei Leiter (Phasen L1, L2, L3) und
ein Neutralleiter (N) übertragen. Die Spannung zwischen zwei Leitern (Phasen) nennt man
Leiterspannung, die Spannung zwischen einem Leiter (Phase) und dem Neutralleiter nennt
man Strangspannung.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Sternschaltung des Spannungserzeugers

Zum Hausanschluss werden die drei Phasen) L1, L2, L3 sowie der Neutralleiter N übertragen.
Die Spannung zwischen einer Phase und dem Neutralleiter beträgt jeweils 230V, die Spannung
zwischen zwei Phasen jedoch 400V.
Eine Leiterspannung entsteht dabei durch die geometrische Subtraktion von zwei
Strangspannungen. Durch die Phasenverschiebung von 120° erhält man hierbei eine größere
Spannung. Es gelten folgende Beziehungen:

U12 = U1N − U2N U23 = U2N − U3N U31 = U3N − U1N

Dabei erhält man folgendes Zeigerdiagramm (mit Effektivwerten):

Mathematisch lässt sich hieraus sehr


leicht ableiten:

U12
= √3
U1N

U12 = √3 ⋅ U1N

400V ≈ √3 ⋅ 230V

Zeigerdiagramm der Strang- und Leiterspannungen

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Ein solches 3-phasiges Wechselstromsystem wird in der Praxis auch als Drehstrom bezeichnet.
Bei uns handelt es sich dabei üblicherweise um ein 400V-Drehstromnetz mit der
Leiterspannung von 400V.
Es ermöglicht den Betrieb von Drehstromverbrauchern mit einer Bemessungsspannung von
400V, zum Beispiel Motoren, Elektroherde, Heizungen oder Nachtspeicheröfen, und von
Wechselstromverbrauchern, zum Beispiel Lampen, Haushaltsgeräte, Fernseher usw. an einem
Netz.

In der Praxis hat sich von Anfang an der Drehstrom-Asynchronmotor (Induktionsmotor) als
wichtigster Elektromotor durchgesetzt. Er hat einen einfachen, robusten Aufbau, ist
preisgünstig in der Herstellung und sehr wartungsarm. Besonders in der Industrie ist er für
fast alle Anwendungen geeignet. Auch in Elektroautos werden vorzugsweise
Drehstrommotoren verwendet.

Werde Ingenieur: Funktionsweise Werde Ingenieur: Funktionsweise


des Induktionsmotors eines Elektroautos (Tesla Modell S)
https://www.youtube.com/watch?v=RB- https://www.youtube.com/watch?v=RB-TeOTxqkY
TeOTxqkY
Drehstromstecker

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 2-1
Addiere folgende Wechselspannungen im Linien- und Zeigerdiagramm (Seite im Querformat
benutzen):
u1 = 8V  sin(t + 30°) Maßstäbe: 2V/cm ; 30°/cm
u2 = 6V  sin(t - 240°)

Überprüfe das Liniendiagramm mit einer Mathematik-App, zum Beispiel: www.desmos.com

Aufgabe 2-2
Gegeben sind folgende Spannungen mit der Frequenz f = 250Hz:
u1 = 3V  sin(t + /2)
u2 = 6V  sin(t)

a) Skizziere das Liniendiagramm der Spannung u1(t) über zwei Perioden.


b) Zeichne das Zeigerdiagramm für beide Spannungen.
c) Ermittle im unter b) gezeichneten Zeigerdiagramm den Spannungszeiger der
Differenzspannung ud(t) = u1(t) – u2(t)
d) Wie lautet die korrekte Funktionsgleichung der Differenzspannung? [ud = 6,71V  sin(t + 153°)]

Aufgabe 2-3
Auf einem Zweikanaloszilloskop werden die beiden sinusförmigen Wechselspannungen u 1(t)
und u2(t) dargestellt.
V ms
Die Einstellungen am Oszilloskop sind: Ay1 = Ay2 = 2 Div At = 5 Div

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

a) Bestimme die Periodendauer und die Frequenz der Spannungen. [T = 50ms; f = 20Hz]
b) Bestimme jeweils den Scheitel- und Effektivwert der beiden Spannungen. [û1 = 7,2V;
U1 = 5,09V; û2 = 4,8V; U2 = 3,39V]

c) Wie groß ist die Phasenverschiebung zwischen u1 und u2. Welche Spannung ist voreilend?
[12 = 54°]

d) Zeichne das entsprechende Zeigerdiagramm (mit Scheitelwerten) der beiden Spannungen


(M = 1V/cm).

Beide Wechselspannungsquellen werden jetzt in Reihe geschaltet.

e) Trage im Zeigerdiagramm den Scheitelwert der Gesamtspannung u12 ein.


f) Ermittle den Scheitelwert und den Nullphasenwinkel der Gesamtspannung. [û12 = 10,7V;
0 = -21,2°]

Aufgabe 2-4
Zwei gleiche, in Reihe geschaltete Wechselspannungsquellen ergeben eine Gesamtspannung
von 125V Effektivwert.
Bestimme den Betrag der Teilspannungen, wenn sie um einen Winkel von 60°
phasenverschoben sind. [U1 = U2 = 72,2V]

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

3 Ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis

3.1 Formeln im Wechselstromkreis

U
I=
R

U2
P =U⋅I = = I2 ⋅ R
R

W =P⋅t

Die Gesetze der Gleichstromtechnik gelten auch im Wechselstromkreis.

3.2 Zeitliche Verläufe von Spannung, Strom und Leistung


Wird ein ohmscher Widerstand R an eine sinusförmige Wechselspannung gelegt, so fließt in
ihm ein sinusförmiger Wechselstrom. Strom und Spannung liegen dabei in Phase, das heißt
beim Nulldurchgang der Spannungskurve hat auch die Stromkurve ihren Nulldurchgang.

û ⋅ sin(ωt)
u(t) = û ⋅ sin(ωt) ⇒ i(t) = = î ⋅ sin(ωt)
R

Die vom Widerstand aufgenommene Wirkleistung kann in jedem Augenblick durch mit p = ui
berechnet werden.

p(t) = u(t) ⋅ i(t) = û ⋅ î ⋅ sin2 (ωt)


1
Mit der trigonometrischen Umformung sin2 (ωt) = ⋅ (1 − cos(2ωt)) erhält man:
2

û⋅î û⋅î
p(t) = ⋅ (1 − cos(2ωt)) = ⋅ (1 − cos(2ωt))
2 √2 ⋅ √2

p(t) = U ⋅ I ⋅ (1 − cos(2ωt))

Das folgende Rechenbeispiel soll die zeitlichen Verläufe noch einmal anschaulich darstellen.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Beispiel:
Ein ohmscher Widerstand R = 25 liegt an einer Wechselspannung u(t) = 50Vsin(t). Dabei
fließt dann ein Strom i(t) = 2Asin(t). Der zeitliche Verlauf der aufgenommenen Wirkleistung
ergibt sich dann zu:

50V ⋅ 2A
p(t) = ⋅ (1 − cos(2ωt))
2

p(t) = 50W ⋅ (1 − cos(2ωt))

Im folgenden Bild sind die zeitlichen Verläufe von Strom Spannung und Leistung dargestellt.

Liniendiagramme von Spannung, Strom und Leistung bei einem Widerstand an Wechselspannung

Die Leistungskurve stellt dabei eine Sinuskurve mit der doppelten Grundfrequenz dar. Die
Leistung ist zu jedem Zeitpunkt positiv, das heißt der Leistungsfluss verläuft stets vom
Generator zum Widerstand. Die Leistung schwingt dabei zwischen pmin = 0 und pmax = û  î hin
und her. Eine solche Leistung wird als Wirkleistung bezeichnet, ohmsche Widerstände werden
auch noch Wirkwiderstände genannt.

Der Mittelwert der Wirkleistung beträgt dann: P = Ueff ⋅ Ieff = U ⋅ I

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Zeigerdiagramm:

Zeigerdiagramm von Strom und Spannung bei einem ohmschen Widerstand an Wechselspannung

Bemerkung zum Begriff "Wirkwiderstand":


Wirkwiderstände sind rein ohmsche Leiterwiderstände, in denen die zugeführte Energie
vollständig in Wärmeenergie umgewandelt wird.
Strom und Spannung sind über das Ohm'sche Gesetz u = iR miteinander verknüpft.
Zwischen u und i gibt es keine zeitliche Verschiebung (Phasenverschiebung).
Wirkwiderstände haben bei Gleichstrom und niederfrequentem Wechselstrom denselben
Ohm-Wert.
Bei sehr hohen Frequenzen vergrößert sich allerdings der Wechselstromwiderstand
gegenüber dem Gleichstromwiderstand. Infolge der dann auftretenden sogenannten
Stromverdrängung fließt der Wechselstrom nicht mehr im vollen Leiterquerschnitt, sondern
nur noch an der Oberfläche des Leiters. Der wirksame Leiterquerschnitt wird dadurch kleiner
und der Wirkwiderstand größer.

In der Praxis spielen ohmsche Widerstände in der Wechselstromtechnik eine sehr große Rolle,
zum Beispiel als Glühlampen oder Heizelemente (Kochplatte, Heizlüfter, Bügeleisen,
Lötkolben ...).

Glühlampe E27
Elektrischer Heizlüfter
Elektrischer Lötkolben

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 3-1

Durch einen ohmschen Widerstand R = 220 fließt ein sinusförmiger Wechselstrom


i(t) = 0,302A  sin(t).
Berechne den Effektivwert der im Widerstand umgesetzten Leistung P. Gib außerdem den
momentanen Maximal- sowie Minimalwert der Leistung an. [P = 10W; pmax = 20W; pmin = 0]

Aufgabe 3-2
Welche Wirkleistung müsste ein Leistungsmesser in einer Schaltung anzeigen, bei der ein
Wirkwiderstand von 23 an der Netzwechselspannung u(t) = 325V  sin(t) liegt? [P = 2300W]

Aufgabe 3-3
Welchen Wirkwiderstand hat eine elektrische Heizung, die an der Netzspannung U eff = 230V
(f = 50Hz) innerhalb von t = 1min die elektrische Energie von 10Wh aufnimmt? [R = 88,2]

Aufgabe 3-4
Wie groß ist der Wirkwiderstand eines Verbrauchers, wenn ein sinusförmiger Strom mit dem
Scheitelwert î = 0,4A die Leistungsmesseranzeige 50W (Wirkleistung) verursacht? [R = 624]

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

4 Idealer Kondensator im Wechselstromkreis

4.1 Allgemeines
Kondensatoren sind elektrische Bauteile, die in vielfältigen Schaltungen vorkommen. Sie
werden zum Beispiel in Gleichrichterschaltungen zur Glättung der Spannung, in
Wechselstromkreisen zur Phasenverschiebung, in Schaltungen zur Funkentstörung oder in
elektronischen Schaltungen zur Aufteilung der Mischströme in Wechsel- und Gleichströme
eingesetzt.

Verschiedene Kondensatoren
Prinzipieller Aufbau von Kondensatoren

Ein Kondensator besteht im Prinzip aus zwei parallelen Metallplatten, zwischen denen sich ein
Dielektrikum (Isolator) befindet. Die Kapazität C eines Kondensators kann mit der folgenden
Formel berechnet werden:

As
C: Kapazität in F(arad) 1F = 1
V
ε0 ⋅ εr ⋅ A As
C= ε0 = 8,86 ⋅ 10−12 (elektrische Feldkonstante)
d Vm
εr : Permittivitätszahl (Dielektrizitätszahl)

A: Plattenfläche in m2

d: Plattenabstand in m

Aus der Gleichstromtechnik ist folgendes Verhalten des Kondensators bekannt:

➢ Legt man einen Kondensator an eine Gleichspannung, so fließt kurzzeitig ein Strom. Der
Kondensator lädt sich auf.
➢ Nach dem Aufladevorgang fließt kein Strom mehr. Der Kondensator hat sich bis auf die
angelegte Gleichspannung aufgeladen. Diese Spannung bleibt auch noch am Kondensator
bestehen, wenn man ihn von der Spannungsquelle trennt.

-23-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

➢ Man kann den aufgeladenen Kondensator über einen Widerstand oder Kurzschluss
wieder entladen.

Das Verhalten eines Kondensators an sinusförmigen Wechselspannungen unterscheidet sich


nun wesentlich vom Verhalten an Gleichspannung:

➢ Da ein Wechselstrom ständig seine Richtung ändert, die Elektronen sich also hin und her
bewegen, ist ein Kondensator für Wechselströme nicht mehr sperrend, sondern besitzt
einen bestimmten Wechselstromwiderstand.
➢ Der Kondensator wird im Wechselstromkreis ständig aufgeladen und wieder entladen, es
fließt deshalb auch ständig ein Wechselstrom durch den Kondensator.

Alle angestellten Überlegungen sollen für ideale Kondensatoren gelten. Man kann von einem
idealen Kondensator reden, wenn sein Gleichstromwiderstand unendlich groß ist.

4.2 Phasenlage zwischen Strom und Spannung


Legt man einen Kondensator an eine Wechselspannung, so fließt auch ständig ein
Wechselstrom durch den Kondensator. Der Kondensatorstrom ist bei konstanter Kapazität C
proportional zur Änderungsgeschwindigkeit der Kondensatorspannung. Er lässt sich über die
allgemeingültige Definition eines Stromes berechnen:

dq mit q = C ⋅ uC (t)
iC (t) =
dt

duC (t) mit uC (t) = ûC ⋅ sin(ωt)


iC (t) = C ⋅
dt
d(sin(ωt))
iC (t) = C ⋅ ûC ⋅
dt

iC (t) = ω ⋅ C ⋅ ûC ⋅ cos(ωt) mit îC = ω ⋅ C ⋅ ûC


und cos(ωt) = sin(ωt + 90°)

π
iC (t) = îC ⋅ sin(ωt + 90°) ⟹ φi,u = 90° =
2
Bei einem idealen Kondensator an sinusförmiger Wechselspannung eilt der
Strom gegenüber der Spannung um 90° voraus.

-24-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Idealer Kondensator an Wechselspannung: Zeiger- und Liniendiagramm

4.3 Kapazitiver Blindwiderstand, Ohmsches Gesetz


Der Kondensatorstrom wurde mit folgender Formel bestimmt:

iC (t) = ω ⋅ C ⋅ ûC ⋅ sin(ωt + 90°)

Das Produkt C wird als kapazitiver Blindleitwert BC bezeichnet:

1 As
BC = ω ⋅ C [BC ] = ⋅ = S (iemens)
s V

Der Kehrwert von BC wird als kapazitiver Blindwiderstand XC bezeichnet:

1 1
XC = [XC ] = =Ω
ω⋅C S

Der kapazitive Blindwiderstand XC verhält sich umgekehrt proportional zur Kapazität C sowie
zur Frequenz f.

C1 < C2 < C3
UC
Ohmsches Gesetz: IC =
XC

Abhängigkeit des kapazitiven Blindwiderstandes von der Frequenz

-25-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

4.4 Leistung und Energieumsetzung


Beispiel:
Ein kapazitiver Blindwiderstand XC = 25 liegt an einer Wechselspannung uC(t) = 50Vsin(t).
Dabei fließt dann ein Strom iC(t) = 2Asin(t+90°).
Der zeitliche Verlauf der Leistung ergibt sich dann zu:

p(t) = uC (t) ⋅ iC (t)

p(t) = ûC ⋅ sin(ωt) ⋅ îC ⋅ sin(ωt + 90°)


1
p(t) = ûC ⋅ sin(ωt) ⋅ îC ⋅ cos(ωt) mit sin(ωt) ⋅ cos(ωt) = sin(2ωt)
2
ûC ⋅ îC
p(t) = ⋅ sin(2ωt)
2
p(t) = UC ⋅ IC ⋅ sin(2ωt)

p(t) = 50W ⋅ sin(2ωt)

Liniendiagramme von Spannung, Strom und Leistung bei einem idealen Kondensator an Wechselspannung

Ein idealer Kondensator nimmt an Wechselspannung im Durchschnitt keine Wirkleistung auf.


Die Leistung schwingt mit der doppelten Grundfrequenz um den Mittelwert Null.

-26-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Während der positiven Halbwelle der Leistungskurve nimmt der Kondensator Leistung aus
der Spannungsquelle auf (Aufladen von C , Feldaufbau). Während der negativen Halbwelle
gibt der Kondensator Leistung an die Spannungsquelle ab (Entladen von C, Feldabbau).

Das Produkt UC  IC wird als kapazitive Blindleistung QC bezeichnet:

Q C = UC ⋅ I C [Q C ] = Var (Volt − Ampère − reaktiv)

4.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

1
XC = BC = ω ⋅ C
ω⋅C

UC
IC =
XC

UC 2
Q C = UC ⋅ IC = = IC 2 ⋅ X C
XC

-27-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 4-1

Wie groß ist die Blindleistung eines Kondensators von 47F, wenn er an der
Netzwechselspannung u(t) = 325V ∙ sin(t) liegt? Die Frequenz beträgt 50Hz. [QC = 781Var]

Aufgabe 4-2
Bei welcher Frequenz der Wechselspannung u(t) = 30V ∙ sin(t) zeigt ein A-Meter den
Kondensatorstrom Ieff = 0,3mA, wenn die Kapazität C = 0,1F beträgt? [f = 22,5Hz]

Aufgabe 4-3
Folgendes Oszillogramm ist gegeben:

V
ACH1 = 2
Div

mV
ACH2 = 100
Div

ms
At = 0,5
Div

Auf Kanal 1 ist die Spannung uC an einem idealen Kondensator dargestellt. Kanal 2 zeigt die
Spannung uR an einem Widerstand R = 10 der zum Kondensator in Reihe geschaltet ist.
a) Zeichne die Schaltung.
b) Ordne die gezeigten Kurven den Spannungen uC und uR zu. Begründe deine Aussage.
c) Bestimme die genauen Funktionsgleichungen von iC(t) und uC(t).
d) Berechne die Effektivwerte der Spannung UC und des Stromes IC. [UC = 2,83V; IC = 10,6mA]
e) Berechne die Kapazität des Kondensators. [C = 2,98F]
f) Bestimme den Momentanwert der Leistung bei t = 4ms. Interpretiere das Ergebnis.
[p(4ms) = -17,6mW]

g) Berechne die Blindleistung des Kondensators. [QC = 30mVar]

-28-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

5 Ideale Spule an Wechselspannung

5.1 Allgemeines
Spulen spielen in fast allen Bereichen der Elektrotechnik eine große Rolle. Sie werden zum
Beispiel als Wicklungen von Elektromagneten, Motoren, Generatoren und Transformatoren
verwendet. Ein anderes großes Anwendungsgebiet ist die Relaistechnik. Auch in der Elektronik
kann man Spulen in den verschiedensten Anwendungen antreffen.

Verschiedene Spulen

Aus der Gleichstromtechnik ist folgendes über das Verhalten einer Spule an Gleichspannung
bekannt:

Spulenregel
Magnetfeld einer Spule

➢ An Gleichspannung wird der Strom durch den ohmschen Drahtwiderstand der Spule
begrenzt.
➢ Der Gleichstrom erzeugt in der Spule ein magnetisches Feld (Elektromagnet).
➢ Die Richtung dieses Magnetfeldes ergibt sich durch die Spulenregel. (Umfasst man eine
Spule mit der rechten Hand derart, dass die Finger in Stromrichtung zeigen, so zeigt der
ausgespreizte Daumen die Magnetfeldrichtung an.)
➢ Durch Einbringen von Eisen in die Spule kann das erzeugte Magnetfeld erheblich verstärkt
werden. Das Material in der Spule hat keinen Einfluss auf die Stromstärke, sondern nur
auf die Stärke des Magnetfeldes.

-29-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Eine Spule an einer sinusförmigen Wechselspannung besitzt immer einen höheren


Widerstand als an Gleichspannung. Der Unterschied zwischen Gleichstrom- und
Wechselstromwiderstand rührt von Induktionsvorgängen innerhalb der Spule her.
Folgende Überlegungen können angestellt werden:

➢ Ein Wechselstrom erzeugt in einer Spule ein magnetisches Wechselfeld. Dieses


Wechselfeld ändert, so wie der Strom, dauernd seine Stärke und Richtung.
➢ Da ein Wechselfeld eine ständige Feldänderung  bedeutet, wird nach dem
ΔΦ
Induktionsgesetz (𝑢0 = 𝑁 ⋅ ) in der Spule eine Spannung induziert. Diese Spannung
Δ𝑡

nennt man Selbstinduktionsspannung.


➢ Nach der Lenzschen Regel ist die Selbstinduktionsspannung so gerichtet, dass sie ihrer
Ursache entgegenwirkt.
➢ Die Ursache ist in diesem Fall der Wechselstrom durch die Spule, beziehungsweise die an
der Spule liegende Wechselspannung. Die Selbstinduktionsspannung wirkt deshalb der
anliegenden Spannung entgegen, sie verringert den Stromfluss durch die Spule.
➢ Ein geringerer Strom durch die Spule bedeutet aber nichts anderes als eine
Widerstandserhöhung. Der zusätzliche Widerstand bei Wechselstrom wird also durch die
Selbstinduktion erzeugt.
➢ Der zusätzliche Widerstand bei Wechselstrom wird als induktiver Blindwiderstand XL
bezeichnet.

Induktivität einer Spule


Die Höhe der Induktionsspannung hängt im Wesentlichen von der Beschaffenheit der Spule
ab. Die Baugrößen der Spule werden im Begriff Induktivität einer Spule zusammengefasst.

Beispiel: Ringspule

Ringspule

-30-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Die Induktivität lässt sich mit folgender Formel bestimmen:

Vs
L: Induktivität in H(enry) 1H = 1
A
Vs
N 2 ⋅ μ0 ⋅ μr ⋅ A μ0 = 1,257 ⋅ 10−6 (magnetische Feldkonstante)
L= Am
ℓm
μr : relative Permeabilität

A: Spulenquerschnitt in m2

ℓm : mittlere Feldlinienlänge in m

Die Induktivität beschreibt die Baudaten der Spule und ist für die Größe der
Selbstinduktionsspannung verantwortlich.
Im Folgenden wird der Fall einer idealen Spule behandelt. Eine ideale Spule liegt immer dann
vor, wenn der Drahtwiderstand vernachlässigbar klein ist (oder allgemein, wenn keine
Verluste auftreten). Die Spannung an der Spule ist dann eine reine Induktionsspannung.

5.2 Phasenlage zwischen Strom und Spannung


Legt man eine ideale Spule an eine sinusförmige Wechselspannung, so fällt an ihr nur eine
Induktionsspannung ab. Diese Induktionsspannung kann folgendermaßen berechnet werden:

diL (t) mit iL (t) = îL ⋅ sin(ωt)


uL (t) = L ⋅
dt
d(sin(ωt))
uL (t) = L ⋅ îL ⋅
dt

uL (t) = ω ⋅ L ⋅ îL ⋅ cos(ωt) mit ûL = ω ⋅ L ⋅ îL


und cos(ωt) = sin(ωt + 90°)

π
uL (t) = ûL ⋅ sin(ωt + 90°) ⟹ φi,u = 90° =
2
Bei einer idealen Spule an sinusförmiger Wechselspannung eilt der Strom
gegenüber der Spannung um 90° nach.

-31-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Ideale Spule an Wechselspannung: Zeiger- und Liniendiagramm

5.3 Induktiver Blindwiderstand, Ohmsches Gesetz


Die Spannung an einer idealen Spule wurde mit folgender Formel bestimmt:

uL (t) = ω ⋅ L ⋅ îL ⋅ sin(ωt + 90°)

Das Produkt L wird als induktiver Blindwiderstand XL bezeichnet:

1 Vs
XL = ω ⋅ L [XL ] = ⋅ =Ω
s A

Der Kehrwert von XL wird als induktiver Blindleitwert BL bezeichnet:

1 1
BL = [BL ] = = S (iemens)
ω⋅L Ω

Der induktive Blindwiderstand XL ist direkt proportional zur Induktivität L und zur Frequenz f.

L1 < L 2 < L3

UL
Ohmsches Gesetz: IL =
XL

Abhängigkeit des induktiven Blindwiderstandes von der Frequenz

-32-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

5.4 Leistung und Energieumsetzung


Beispiel:
Ein induktiver Blindwiderstand XL = 25 liegt an einer Wechselspannung uL(t) = 50Vsin(t).
Dabei fließt dann ein Strom iL(t) = 2Asin(t-90°).
Der zeitliche Verlauf der Leistung ergibt sich dann zu:

p(t) = uL (t) ⋅ iL (t)

p(t) = ûL ∙ sin(ωt) ⋅ îL ⋅ sin(ωt − 90°) mit sin(ωt − 90°) = −cos(ωt)
1
und sin(ωt) ⋅ cos(ωt) = sin(2ωt)
p(t) = ûL ∙ sin(ωt) ⋅ îL ⋅ (−cos(ωt)) 2
ûL ∙ îL
p(t) = − ⋅ sin(2ωt)
2
p(t) = −UL ⋅ IL ⋅ sin(2ωt)

p(t) = −50W ⋅ sin(2ωt)

Liniendiagramme von Spannung, Strom und Leistung bei einer idealen Spule an Wechselspannung

Eine ideale Spule nimmt an Wechselspannung im Durchschnitt keine Wirkleistung auf. Die
Leistung schwingt mit der doppelten Grundfrequenz um den Mittelwert Null.

-33-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Während der positiven Halbwelle der Leistungskurve nimmt die Spule Leistung aus der
Spannungsquelle auf (Aufbau des Magnetfeldes). Während der negativen Halbwelle gibt die
Spule Leistung an die Spannungsquelle ab (Abbau des Magnetfeldes).

Das Produkt UL  IL wird als induktive Blindleistung QL bezeichnet:

Q L = UL ⋅ I L [Q L ] = Var (Volt − Ampère − reaktiv)

5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse

1
XL = ω ⋅ L BL =
ω⋅L

UL
IL =
XL

UL 2
Q L = UL ⋅ IL = = IL 2 ⋅ X L
XL

Magnetische Wechselfelder und die damit verbundenen Induktionsvorgänge werden in der


Praxis vielfach verwendet, zum Beispiel bei der Ampelsteuerung mit Induktionsschleifen,
Metalldetektoren, RFID-Chips, Induktionsherden usw.

Leifiphysik: Leifiphysik: Prinzip Erklärvideo: Der RFID-Chip The SimpleClub:


Induktionsschleifen im Metalldetektoren https://www.youtube.com/watch?v=f Funktionsweise Induktionsherd
Straßenverkehr https://www.leifiphysik.de/elektrizitaetsleh 2289zzItCg https://www.youtube.com/watch?v=nXIOd
https://www.leifiphysik.de/elektrizita re/elektromagnetische- 2NGEa4
etslehre/elektromagnetische- induktion/ausblick/metalldetektoren
induktion/ausblick/induktionsschleife
n-im-strassenverkehr

-34-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 5-1
Durch eine ideale Spule mit der Induktivität L = 48mH fließt ein Strom von I = 50mA
(Effektivwert) bei einer Frequenz von 50Hz. Bestimme die Blindleistung der Spule.
[QL = 37,5mVar]

Aufgabe 5-2
Eine Wechselspannung u(t) = 40V  sin(t) hat eine Frequenz f = 10kHz. Diese Spannung wird
an eine ideale Spule mit der Induktivität L = 0,159H gelegt. Berechne den Scheitelwert des
Spulenstroms und gib dessen Funktionsgleichung an. [i(t) = 4mA  sin(t – 90°)]

-35-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

6 RL- und RC-Schaltungen


Viele elektrische Wechselstromverbraucher müssen als Zusammenschaltung der
Bauelemente R, L und C betrachtet werden. Dabei spielen vor allem Verbraucher mit
induktivem Verhalten (Elektromotoren, Transformatoren usw.) eine große Rolle. Man spricht
dann allgemein von RL-Schaltungen.

6.1 RL-Reihenschaltung

• Durch den Wirkwiderstand R und die Induktivität


L fließt der gleiche Strom I.
• An R fällt die Spannung U R ab. Sie liegt mit I in
Phase.
• An XL fällt die Spannung UL ab. Sie eilt I um 90°
voraus.
• Deshalb müssen auch die Spannungen UR und UL
um 90° phasenverschoben sein.

Strom- / Spannungsverhalten
Zum Zeichnen des Spannungszeigerdiagramms bezieht man sich auf eine gemeinsame Größe,
das heißt, eine Größe, die für jedes Bauelement gleich ist. Bei einer Reihenschaltung ist das
der Strom I.

U 2 = UR2 + UL2 ⟹ U = √UR2 + UL2

UR UL UL
cosφ = sinφ = tanφ =
U U UR

-36-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Widerstandsverhalten
Die einzelnen Widerstände der RL-Reihenschaltung können über das ohmsche Gesetz
bestimmt werden.

UR UL U
R= XL = Z=
I I I

Der Gesamtwiderstand der Schaltung wird als Scheinwiderstand (Impedanz) Z bezeichnet.


Genau wie die Spannungen müssen auch die einzelnen Widerstände geometrisch addiert
werden.

Widerstandssdreieck

Z 2 = R2 + XL2 ⟹ Z = √R2 + XL2

R XL XL
cosφ = sinφ = tanφ =
Z Z R

Leistungsverhalten
Die einzelnen Leistungen können unter Anwendung der allgemeinen Leistungsformel
ermittelt werden.

P = UR ⋅ I QL = UL ⋅ I S= U⋅I [S] = VA

Die Gesamtleistung der Schaltung wird als Scheinleistung S bezeichnet. Sie kann auch durch
die geometrische Addition von P und Q L ermittelt werden.

Leistungsdreieck

S 2 = P 2 + Q2L ⟹ S = √P 2 + Q2L

P QL QL
cosφ = sinφ = tanφ =
S S P

-37-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

6.2 Die reale Spule


Eine reale Spule setzt sich aus einem Wirkwiderstand R sowie einem Blindwiderstand XL
zusammen. Das Ersatzschaltbild ergibt sich durch die Reihenschaltung beider Komponenten.

ESB

Versuchsspule mit Eisenkern

Ersatzschaltbild Widerstandsdreieck

Induktiver Blindwiderstand XL:


Der induktive Blindwiderstand hängt von der Induktivität der Spule sowie von der Frequenz
ab. Die Induktivität L der Spule wird durch deren Baudaten bestimmt.

Wirkwiderstand R:
Der Wirkwiderstand berücksichtigt die Verluste in der Spule. Man unterscheidet zwischen:
a) Wicklungsverluste
Die Wicklungsverluste entstehen durch den ohmschen Drahtwiderstand RCu der Spule. Dieser
kann mit einer Gleichstrommessung beziehungsweise einem Ohmmeter bestimmt werden.

b) Eisenverluste
Die Eisenverluste einer Spule lassen sich einteilen in Wirbelstromverluste und
Ummagnetisierungsverluste (Hystereseverluste).
Da der Eisenkern elektrisch leitend ist, können sich in ihm durch das magnetische Wechselfeld
Wirbelströme ausbilden. Man kann sie durch folgende Maßnahmen sehr klein halten:
- Blechung des Eisenkerns (Unterbrechung der Wirbelstrombahnen)
- Siliziumzusatz (Erhöhung des ohmschen Widerstandes des Eisenkerns)

Die Ummagnetisierungsverluste entstehen durch das ständige Ummagnetisieren der


Elementarmagnete im Eisenkern.
Man kann sie klein halten, indem man für den Eisenkern weichmagnetische Werkstoffe
benutzt. Diese lassen sich leicht ummagnetisieren und besitzen eine schmale Hysteresekurve.

-38-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 6-1
Bei einer Reihenschaltung von R und L beträgt der Spannungsabfall am Widerstand 3,8V. Die
Gesamtspannung an der Schaltung beträgt 5,7V, der Gesamtstrom I = 0,6A (f = 50Hz).
Berechne UL , R und L. Überprüfe die Resultate zeichnerisch. [UL = 4,25V; L = 22,5mH; R = 6,33]

Aufgabe 6-2
Eine RL-Reihenschaltung nimmt eine Scheinleistung von 18kVA auf und erzeugt einen
Phasenverschiebungswinkel von 55°. Bestimme die Wirk- und Blindleistung. [P = 10,3kW;
QL = 14,8kVar]

Aufgabe 6-3
An einer realen Spule (ohne Eisenkern) wurden folgende Messungen durchgeführt:
Gleichspannung: U1 = 24V I1 = 0,3A
Wechselspannung (f = 250Hz): U2 = 24V I2 = 0,1A
Berechne R und L dieser Spule und zeichne das Widerstandszeigerdiagramm. [R = 80 ;

L = 144mH]

Aufgabe 6-4
Bei einer realen Spule ohne Eisenkern ist das Werteschild nicht mehr lesbar. Zur Bestimmung
der Kennwerte wird sie mit einer Wechselspannungsquelle betrieben. Sie nimmt dabei bei
einer Spannung U = 12V / f = 50Hz einen Strom von 68mA auf und verbraucht eine
Wirkleistung von 690mW.
Ermittle die Induktivität und den Widerstand der Spule. [R = 149  L = 0,3H]

Aufgabe 6-5
Ein sinusförmiger Wechselstrom mit dem Scheitelwert von î = 2A setzt in einer realen Spule
eine Wirkleistung von P = 36W um. Dabei besteht zwischen der Gesamtspannung und dem
Strom eine Phasenverschiebung von 50°. Berechne R und L der Spule, wenn die Frequenz mit
50Hz angegeben ist. [R = 18 ; L = 0,0684H]

-39-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgabe 6-6
Zu einer realen Spule mit einem cosSp = 0,4 und einem Scheinwiderstand ZSp = 500 soll ein
Wirkwiderstand in Reihe geschaltet werden, damit sich eine Phasenverschiebung von  = 60°
ergibt.
Wie groß muss der zugeschaltete Widerstand sein? [RV = 64,4]

Aufgabe 6-7

Ein Wirkwiderstand R = 330 und eine reale Spule sind in Reihe an eine Wechsel-
spannungsquelle geschaltet. Die folgende Abbildung zeigt das Liniendiagramm ihrer
Spannungen:

V
Ay = 10
Div

μs
At = 25
Div

a) Berechne die Effektivwerte der beiden Teilspannungen sowie den Effektivwert der
Stromstärke. [UR = 10,6V; USp =19,8V; I = 32,1mA]
b) Bestimme den Phasenverschiebungswinkel zwischen den beiden Teilspannungen. Welche
Spannung ist voreilend? [ = 72°]
c) Ermittle zeichnerisch den Scheitelwert û der Gesamtspannung und berechne anschließend
deren Effektivwert U. [U = 24,8V]
d) Bestimme die Induktivität und den Verlustwiderstand der Spule. [RL = 191 ; L = 18,7mH]

-40-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

6.3 RL-Parallelschaltung

• Am Wirkwiderstand R und an der Induktivität L liegt


die gleiche Spannung U an.
• Durch R fließt der Strom IR. Er liegt mit U in Phase.
• Durch XL fließt der Strom IL. Er eilt U um 90° nach.
• Deshalb müssen auch die Ströme IR und IL um 90°
phasenverschoben sein.

Strom- / Spannungsverhalten
Bezugsgröße: Spannung U

I 2 = IR2 + IL2 ⟹ I = √IR2 + IL2

IR IL IL
cosφ = sinφ = tanφ =
I I IR

-41-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Leitwertverhalten
Die einzelnen Leitwerte der RL-Parallelschaltung können über das ohmsche Gesetz bestimmt
werden.

IR 1 IL 1 I 1
G= = BL = = Y= =
U R U XL U Z

Der Gesamtleitwert der Schaltung wird als Scheinleitwert Y bezeichnet. Er kann auch über die
geometrische Addition von G und B L bestimmt werden.

Leitwertdreieck

Y 2 = G2 + BL2 ⟹ Y = √G 2 + BL2

G BL BL
cosφ = sinφ = tanφ =
Y Y G

Leistungsverhalten
Die einzelnen Leistungen können unter Anwendung der allgemeinen Leistungsformel
ermittelt werden.

P = U ⋅ IR Q L = U ⋅ IL S=U⋅I [S] = VA

Leistungsdreieck

S 2 = P 2 + Q2L ⟹ S = √P 2 + Q2L

P QL QL
cosφ = sinφ = tanφ =
S S P

-42-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Bemerkung: In der Praxis spielt der sogenannte Leistungsfaktor (oder


Wirkleistungsfaktor) cos eine wichtige Rolle. Er gibt an, welcher
Anteil der Scheinleistung S in Wirkleistung P umgesetzt wird.

Der Blindleistungsfaktor sin gibt an, welcher Anteil der


Scheinleistung S in Blindleistung QL (QC) umgewandelt wird.

Aufgaben

Aufgabe 6-8
Eine RL-Parallelschaltung mit R = 200 und L = 450mH liegt an einer Spannung U = 80V.
a) Welche Frequenz muss eingestellt sein, damit der Strom durch den Widerstand doppelt so
groß ist wie der Strom durch die Induktivität? [f = 142Hz]
b) Zeichne ein maßstabsgerechtes Stromzeigerdiagramm.
c) Wie groß ist der Scheinwiderstand der Schaltung? [Z = 179]

Aufgabe 6-9

Eine RL-Parallelschaltung mit R = 50 nimmt einen Gesamtstrom von 0,75A auf. Die Frequenz
beträgt 50Hz. Der Strom durch den Widerstand beträgt 0,6A.
a) Berechne die Induktivität. [L = 0,212H]
b) Berechne den Scheinwiderstand, die Scheinleistung und den Leistungsfaktor der
Schaltung? [Z = 40  S = 22,5VA; cos = 0,8]
c) Was sagt der Leistungsfaktor in der Praxis aus?
d) Zeichne das Strom-/Spannungszeigerdiagramm.

-43-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

6.4 RC-Reihenschaltung

• Durch den Wirkwiderstand R und die Kapazität C


fließt der gleiche Strom I.
• An R fällt die Spannung UR ab. Sie liegt mit dem
Strom I in Phase.
• An XC fällt die Spannung UC ab. Sie eilt dem Strom
I um 90° nach.
• Deshalb müssen auch die Spannungen UR und UC
um 90° phasenverschoben sein.

Spannungsdreieck Widerstandsdreieck Leistungsdreieck

U = √UR2 + UC2 Z = √R2 + XC2 S = √P 2 + Q2C

UR R P
cosφ = cosφ = cosφ =
U Z S

UC XC QC
sinφ = sinφ = sinφ =
U Z S

UC XC QC
tanφ = tanφ = tanφ =
UR R P

-44-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 6-10
Ein Kondensator liegt bei 50Hz in Reihe mit einem Widerstand R1 = 200Ω. Durch Zuschalten
eines weiteren, gleich großen Widerstandes nimmt der Scheinwiderstand der Schaltung um
20% zu. Berechne die Kapazität C des Kondensators. [C = 6,6F]

Aufgabe 6-11
Ein Kondensator von 0,5μF und ein Widerstand von 5kΩ liegen in Reihe an einer
Gesamtspannung von 80V mit der Frequenz von 50Hz?
a) Berechne den Strom I. [I = 9,88mA]
b) Auf welchen Wert muss die Kapazität verändert werden, damit die Stromstärke um 50%
steigt? [C’ = 1,56F]

Aufgabe 6-12

Ein Kondensator liegt mit einem Widerstand R = 1k in Reihe an einer Wechselspannung mit
der Frequenz von 50Hz. Infolge eines Durchschlags wird der Kondensator kurzgeschlossen. Die
Stromstärke steigt dabei auf den 5-fachen Wert.
Welche Kapazität hatte der Kondensator? [C = 0,65F]

Aufgabe 6-13
Eine Reihenschaltung aus einem Wirkwiderstand und einem Kondensator soll so bemessen
werden, dass bei einer Gesamtspannung U = 230V / 50Hz an beiden Bauteilen die gleiche
Spannung abfällt. Der Wirkwiderstand hat dabei einen Wert R = 200.
a) Berechne die Teilspannungen UR und UC. [UR = UC = 163V]
b) Bestimme die Kapazität C? [C = 15,9F]

-45-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgabe 6-14
Zur Verringerung der Wirkleistung in einem Wechselstromkreis wird eine Kapazität in Reihe
zu einem Wirkwiderstand geschaltet. Die Gesamtspannung beträgt 230V/50Hz. Die
Wirkleistung wird dadurch von 100W auf 40W verringert (zum Beispiel wird die Leistung eines
Lötkolbens während der Lötpausen verringert).
a) Berechne die hierzu notwendige Kapazität C. [C = 4,92F]
b) Wie groß sind die Scheinleistung und die Blindleistung während der Lötpausen.
[S = 63,3VA; QC = 48,9Var]

Aufgabe 6-15
Das folgende Bild zeigt den Verlauf der Gesamtspannung und des Stromes einer
Reihenschaltung aus Kondensator und Wirkwiderstand.

V
Au = 5
Div

mA
Ai = 100
Div

ms
At = 2
Div

a) Welche Kurve stellt den Strom und welche die Spannung dar? Begründe deine Aussage.
b) Bestimme jeweils den Scheitel- und den Effektivwert des Stromes und der
Gesamtspannung
c) Ermittle die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung. [ = 60°]
d) Gib die genauen Funktionsgleichungen von Strom und Spannung an (Nullpunkt der Zeit ist
der Anfangspunkt des Diagramms. Zeichne anschließend das entsprechende
Zeigerdiagramm von Strom und Spannung.
e) Welchen Momentanwert hat die Spannung beim positiven Nulldurchgang des Stromes?
[u(0,4ms) = -14,7V]

-46-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

6.5 RC-Parallelschaltung

• Am Wirkwiderstand R und an der Kapazität C liegt


die gleiche Spannung U an.
• Durch R fließt der Strom IR. Er liegt mit U in Phase.
• Durch XC fließt der Strom IC. Er eilt U um 90°
voraus.
• Deshalb müssen auch die Ströme IR und IC um 90°
phasenverschoben sein.

Stromdreieck Leitwertdreieck Leistungsdreieck

I = √IR2 + IC2 Y = √G 2 + BC2 S = √P 2 + Q2C

IR G P
cosφ = cosφ = cosφ =
I Y S
IC BC QC
sinφ = sinφ = sinφ =
I Y S
IC BC QC
tanφ = tanφ = tanφ =
IR G P

Bemerkung: Unabhängig von der Schaltungsart kann man sich die


trigonometrischen Formeln folgendermaßen behalten:

Gesamtgröße = √Wirkgröße2 + Blindgröße2

Wirkgröße Blindgröße Blindgröße


cosφ = sinφ = tanφ =
Gesamtgröße Gesamtgröße Wirkgröße

-47-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 6-16
Bei Anschalten einer Gleichspannung UGl = 100V an eine Parallelschaltung aus R und XC fließt
ein Strom von 0,3A. Bei Anlegen einer Wechselspannung von U = 100V / 50Hz verdoppelt sich
die Stromstärke.
Wie groß sind R und C? [R = 333 ; C = 16,6F]

Aufgabe 6-17
Folgende Werte einer RC-Parallelschaltung sind gegeben:
U = 220V; R = 1000Ω; C = 2μF; f = 50Hz
a) Berechne die Teilströme sowie den Gesamtstrom. [IR = 0,22A; IC = 0,138A; I = 0,26A]
b) Bestimme den Phasenverschiebungswinkel sowie den Scheinwiderstand der Schaltung.
[ = 32,2° ; Z = 846]

Aufgabe 6-18
Eine RC-Parallelschaltung mit R = 200 und C = 12F liegt an einer Spannung
U = 80V.
a) Welche Frequenz muss eingestellt sein, damit der Strom durch den Widerstand doppelt so
groß ist wie der Strom durch den Kondensator? [f = 33,2Hz]
b) Zeichne ein maßstabsgerechtes Stromzeigerdiagramm.

-48-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

6.6 Verluste bei Kondensatoren


Beim Anschluss an eine Spannung werden Kondensatoren geringfügig erwärmt. Dies
bedeutet, dass beim realen Kondensator nicht nur Blindarbeit, sondern auch Wirkarbeit
verrichtet wird.
Die Kondensatorverluste beruhen im Besonderen auf folgenden Faktoren:
− einer geringen elektrischen Leitfähigkeit des Dielektrikums (endlicher
Isolationswiderstand)
− der Umpolarisation der Moleküldipole des Dielektrikums (dielektrische Verluste)
− einem geringen Widerstand der Zuleitungen und der Kondensatorplatten

In der Praxis gilt für Kondensatoren folgendes Ersatzschaltbild:

: delta

Ersatzschaltbild und Leitwertdreieck eines verlustbehafteten Kondensators

Die Qualität eines Kondensators wird durch den Verlustfaktor tan gekennzeichnet.

GC XC
tanδ = =
BC R C

Der Verlustfaktor ist sehr klein und abhängig von der Temperatur und der Frequenz.
So haben zum Beispiel MP-Kondensatoren bei einer Frequenz von 50Hz einen Verlustfaktor
tan  510-3.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

6.7 RC-Filterschaltungen

Mit Hilfe von RC-Schaltungen können frequenzabhängige Spannungsteiler aufgebaut werden.


Diese werden eingeteilt in Tiefpässe und Hochpässe.

Unter einem Tiefpass versteht man eine Schaltung, die tiefe Frequenzen, insbesondere auch
Gleichspannungen, passieren lässt und hohe Frequenzen sperrt.

Eingangs- und Ausgangsspannung eines Tiefpasses in Funktion von der Frequenz

Bei Hochpässen ist es umgekehrt. Tiefe Frequenzen, insbesondere Gleichspannungen, werden


gesperrt, hohe Frequenzen können passieren.

Eingangs- und Ausgangsspannung eines Hochpasses in Funktion von der Frequenz

Der Übergang vom Sperrbereich zum Durchlassbereich und umgekehrt ist fließend. Die
willkürlich festgelegte Grenze zwischen beiden Bereichen heißt Grenzfrequenz fg.

Man versteht darunter die Frequenz fg (bzw. Kreisfrequenz g) , bei der zwischen Ausgangs-
und Eingangsspannung folgender Zusammenhang gilt:

Ua 1
= = 0,707
Ue √2

Oder anders ausgedrückt, bei der Grenzfrequenz ist die Ausgangsspannung auf 70,7% der
Eingangsspannung abgesunken.

-50-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

RC-Tiefpass

Der Zusammenhang zwischen Ausgangs- und Eingangsspannung ergibt sich auf die gleiche
Weise wie beim Spannungsteiler. Da der kapazitive Blindwiderstand von der Frequenz
abhängt, ist auch die Ausgangsspannung Ua frequenzabhängig.

Ua XC
=
Ue Z
1
Ua XC 2π ⋅ f ⋅ C 1
= = =
Ue √R2 + X 2 2 √1 + (2π ⋅ f ⋅ C ⋅ R)2
C √R2 + ( 1 )
2π ⋅ f ⋅ C

Für die Grenzfrequenz ergibt sich gemäß der oben genannten Festlegung:

Ua 1 XC 1
= ⇒ =
Ue √2 √R2 + XC2 √2

2XC 2 = R2 + XC2

XC = R
1
=R
2π ⋅ fg ⋅ C

Nach Umstellung der Formel erhält man für die Grenzfrequenz f g:

1
fg =
2π ⋅ R ⋅ C

-51-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Das folgende Bild zeigt das Übertragungsverhalten eines Tiefpasses mit den folgenden
Daten: ûe = 4V  Ue = 2,83V R = 1k C = 4,7nF

Die Grenzfrequenz ergibt sich dann zu:


1
fg = = 33,9kHz
2π ⋅ 1 ⋅ 103 Ω ⋅ 4,7 ⋅ 10−9F

Frequenzverhalten eines RC-Tiefpasses

RC-Hochpass

Der Verlauf der Ausgangsspannung ergibt sich hier zu:

Ua R
=
Ue Z

Ua R R 1
= = =
Ue √R2 + X 2 1 1
C √ R2 + ( )2 √1 + ( )2
2π ⋅ f ⋅ C 2π ⋅ f ⋅ R ⋅ C

-52-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Die Grenzfrequenz erhält man mit der gleichen Formel wie beim Tiefpass:

1
fg =
2π ⋅ R ⋅ C

Das folgende Bild zeigt das Übertragungsverhalten eines Hochpasses mit den folgenden
Daten: ûe = 4V  Ue = 2,83V R = 1k C = 4,7nF

Die Grenzfrequenz ergibt sich auch hier zu f g = 33,9kHz.

Frequenzverhalten eines RC-Hochpasses

Filterschaltungen finden in der Praxis zum Beispiel Anwendung beim Aufbau sogenannter
Frequenzweichen. Eine Frequenzweiche teilt ein Audiosignal auf mehrere Lautsprecher in
Abhängigkeit der Tonhöhe (Frequenz) auf. Hochwertige Lautsprecher wie Hochton- und
Tieftonlautsprecher sind konstruktiv bedingt nur für einen engen Frequenzbereich optimiert.
Die Kombination mehrerer unterschiedlicher Lautsprechertypen in Lautsprecherboxen für
verschiedene Frequenzbereiche benötigt entsprechende Frequenzweichen. Nähere
Informationen zu den Frequenzweichen findet man unter dem unten angeführten Link.

Wikipedia: Frequenzweiche
beim Lautsprecher
https://de.wikipedia.org/wiki/Frequenzwei
che_(Lautsprecher)

-53-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

7 RLC-Schaltungen

7.1 RLC-Reihenschaltung

• Bei einer RLC-Reihenschaltung wird der Strom I


als Bezugsgröße gewählt.
• Die Spannung UR liegt mit dem Strom I in Phase.
• Die Spannung UL eilt dem Strom I um 90° vor.
• Die Spannung UC eilt dem Strom I um 90° nach.
• Die Phasenverschiebung zwischen UL und UC
beträgt 180°, das heißt, die beiden Spannungen
sind entgegengesetzt gerichtet.

Die folgenden Zeigerdiagramme sind für ein induktives Verhalten der Schaltung gezeichnet.
Induktives Verhalten bedeutet, dass UL > UC, bzw. XL > XC oder QL > QC ist. Umgekehrt spricht
man von kapazitivem Verhalten, wenn die kapazitiven Größen überwiegen.

U = √UR2 + (UL − UC )2 Z = √R2 + (XL − XC )2 S = √P 2 + (Q L − Q C )2

UR R P
cosφ = cosφ = cosφ =
U Z S

UL − UC XL − XC QL − QC
sinφ = sinφ = sinφ =
U Z S

UL − UC XL − XC QL − QC
tanφ = tanφ = tanφ =
UR R P

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Reihenresonanz
Eine RLC-Reihenschaltung kann man so dimensionieren, dass sie ein rein ohmsches Verhalten
aufweist (ohmsches Verhalten bedeutet, dass die Gesamtspannung U mit dem Gesamtstrom
I in Phase liegt).

Bedingung: UL = UC oder XL = XC oder QL = Q C

U = √UR2 + (UL − UC )2

U = UR

Z = √R2 + (XL − XC )2

Z=R

Bei einer RLC-Reihenschaltung kann man die


Frequenz so lange verändern, bis gilt: XL = XC
Diese Frequenz wird Resonanzfrequenz fres
genannt. Die RLC-Reihenschaltung wird auch
noch als Reihenschwingkreis bezeichnet.

Frequenzabhängigkeit von R, XL und XC bei einer RLC-Reihenschaltung


Berechnung der Resonanzfrequenz:

XL = XC

1
ω⋅L=
ω⋅C

1
ω2 =
L⋅C

1
ω=√
L⋅C

1 Frequenzabhängigkeit von Z und I bei einer RLC-Reihenschaltung


fres =
2 ⋅ π ⋅ √L ⋅ C

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Bei Resonanz sind die Spannungen am induktiven und am kapazitiven Blindwiderstand gleich
groß und entgegengesetzt gerichtet. Die beiden Blindwiderstände heben sich in ihrer Wirkung
auf.
Der Reihenschwingkreis wirkt bei Resonanz wie ein reiner Wirkwiderstand. Dieser Widerstand
ist der Resonanzwiderstand Rres des Reihenschwingkreises.
Ein Reihenschwingkreis hat bei Resonanz seinen kleinsten Widerstand. An der Spule und am
Kondensator tritt Spannungsüberhöhung auf (Spannungsresonanz).

Aufgaben

Aufgabe 7-1
Eine RLC-Reihenschaltung mit R = 300Ω, XL = 900Ω und XC = 500Ω liegt an einer
Gesamtspannung von 100V/50Hz.
a) Berechne die Stromstärke. [I = 0,2A]
b) Berechne alle Teilspannungen. [UR = 60V; UL = 180V; UC = 100V]
c) Wie groß ist der Phasenverschiebungswinkel? [ = 53,1°]
d) Bestimme alle Leistungen der Schaltung. [P = 12W; QL = 36Var; QC = 20Var; S = 20VA]

Aufgabe 7-2
Eine reale Spule verursacht eine Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom von
Sp = 35°. Schaltet man einen Kondensator von 22μF in Reihe, wird die Phasenverschiebung
auf g = 5° (induktiv) verkleinert.
Berechne R und L bei einer Frequenz von 50Hz. [R = 236 ; L = 0,526H]

Aufgabe 7-3
In Reihe zu einem Widerstand R liegt eine ideale Induktivität L und ein Kondensator C = 3,6μF.
Es wird eine Wirkleistung von 48W ermittelt. Bei U = 230V / f = 50Hz fließt ein Strom von 0,25A
und die Schaltung hat ein induktives Verhalten.
Berechne alle Leistungen sowie den Leistungsfaktor. [S = 57,5VA; QC = 55,3Var; QL = 86,9Var;

cos = 0,8348]

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgabe 7-4
Durch eine Reihenschaltung bestehend aus einem Kondensator und einer realen Spule fließt
ein Strom von 0,4A. An der Spule wird eine Spannung von 100V und am Kondensator eine
Spannung von 240V gemessen. Die Schaltung liegt an einer Gesamtspannung U = 230V /
f = 50Hz.
Berechne R und L der Spule. [R = 238 ; L = 0,244H]

Aufgabe 7-5
Eine reale Spule und ein Kondensator C1 = 2,653F sind in Reihe geschaltet und ergeben einen
Scheinwiderstand von 500. Ein Kondensator C2 mit der dreifachen Kapazität ergibt mit
derselben Spule auch einen Scheinwiderstand von 500.
Bestimme R und L der Spule bei einer Frequenz von 50Hz. [R = 300 ; L = 2,55H]

Aufgabe 7-6
Bei einer RLC-Reihenschaltung mit R = 200 wird im Resonanzfall (fres = 80Hz) an der
Induktivität und der Kapazität jeweils die doppelte Gesamtspannung gemessen. Die Spannung
am Widerstand R beträgt 50V.
a) Berechne die Stromstärke I und die Teilspannungen UL und UC. [I = 0,25A; UL = UC = 100V]
b) Bestimme die Induktivität L in mH sowie die Kapazität C in F. [L = 0,796H; C = 4,97F]
c) Wie groß ist der Leistungsfaktor? Welches Verhalten (ohmsch, ind. oder kap.) hat die
Schaltung?

Aufgabe 7-7

Gegeben ist eine Reihenschaltung mit R = 20 und L = 0,5H. Die Schaltung liegt an einer
Spannung U = 230V / f = 50Hz.
a) Berechne I, UL, P und S. [I = 1,45A; UL = 228V; P = 42,1W; S = 334VA]
b) Bestimme die Kapazität C eines in Reihe zu schaltenden Kondensators, damit die Schaltung
Resonanzverhalten aufzeigt. [C = 20,3F]
c) Bestimme jetzt I', UL', P', S' bei Resonanz. [I' = 11,5A; UL' = 1805V; P' = 2645W; S' = 2645VA]

-57-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

7.2 RLC-Parallelschaltung

• Als Bezugsgröße wird die Spannung U gewählt.


• Der Strom IR liegt mit der Spannung U in Phase.
• Der Strom IC eilt der Spannung U um 90° voraus.
• Der Strom IL eilt der Spannung U um 90° nach.
• Die Phasenverschiebung zwischen IC und IL
beträgt 180°, das heißt, die beiden Ströme sind
entgegengesetzt gerichtet.

Die folgenden Zeigerdiagramme sind für ein induktives Verhalten der Schaltung gezeichnet.
Induktives Verhalten bedeutet, dass IL > IC, bzw. BL > BC oder QL > QC ist. Umgekehrt spricht
man von kapazitivem Verhalten, wenn die kapazitiven Größen überwiegen.

I = √IR2 + (IL − IC )2 Y = √G2 + (BL − BC )2 S = √P 2 + (Q L − Q C )2

IR G P
cosφ = cosφ = cosφ =
I Y S

IL − IC BL − BC QL − QC
sinφ = sinφ = sinφ =
I Y S

IL − IC BL − BC QL − QC
tanφ = tanφ = tanφ =
IR G P

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Parallelresonanz
Auch eine RLC-Parallelschaltung kann so dimensioniert werden, dass sie ein rein ohmsches
Verhalten aufweist.
Bedingung: IL = I C oder BL = B C oder QL = Q C

I = √IR2 + (IL − IC )2

I = IR

Y = √G2 + (BL − BC )2

Y=G ⟹ Z=R

Bei einer RLC-Parallelschaltung kann man die Frequenz so lange verändern, bis gilt: BL = BC

BC = BL

1
ω⋅C=
ω⋅L

1
ω2 =
L⋅C

1
ω=√
L⋅C

1
fres =
2 ⋅ π ⋅ √L ⋅ C Frequenzabhängigkeit von Z und I bei einer RLC-Parallelschaltung

Diese Frequenz wird dann Resonanzfrequenz fres genannt. Die RLC-Parallelschaltung wird auch
als Parallelschwingkreis bezeichnet.
Bei Resonanz sind die Ströme durch den induktiven und den kapazitiven Widerstand gleich
groß und entgegengesetzt gerichtet. Die beiden Ströme heben sich auf.
Der Parallelschwingkreis wirkt bei Resonanz wie ein reiner Wirkwiderstand. Dieser
Widerstand ist der Resonanzwiderstand Rres des Parallelschwingkreises.
Ein Parallelschwingkreis hat bei Resonanz seinen größten Widerstand (seinen kleinsten
Leitwert). In Spule und Kondensator tritt Stromüberhöhung auf (Stromresonanz).

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 7-8
Gegeben ist eine RLC-Parallelschaltung mit folgenden Daten:
IR = 0,5 A; IL = 1,2 A; IC = 0,8A; U = 230V/50 Hz
a) Ermittle den Gesamtstrom. [I = 0,64A]
b) Berechne alle Leistungen. [S = 147VA; P = 115W; QL = 276Var; QC = 184Var]
c) Welcher Leistungsfaktor ergibt sich? [cos = 0,7812]
d) Berechne die Induktivität und die Kapazität der Schaltung. [L = 0,61H; C = 11,1F]

Aufgabe 7-9
Ein Wirkwiderstand von 100, eine Induktivität von 0,5H und ein Kondensator liegen parallel.
Die Frequenz beträgt 50Hz und die Schaltung zeigt kapazitives Verhalten.
Wie groß muss die Kapazität des Kondensators sein, damit sich ein Leistungsfaktor von 0,8
ergibt? [C = 44,2F]

Aufgabe 7-10
Ein Parallelschwingkreis mit der Induktivität L = 35mH liegt an der Spannung U = 10V. Bei der
Resonanzfrequenz von 1,5kHz fließt ein Gesamtstrom von 0,1A.
a) Berechne die Werte von R und C. [R = 100 ; C = 0,32F]
b) Bestimme die Wirkleistung sowie die gesamte Blindleistung bei Resonanz. [P = 1W;

QL - QC = 0Var]

Aufgabe 7-11
Gegeben ist eine RLC-Parallelschaltung mit R = 1250, L = 79,6mH und C = 39,8nF. Die
Schaltung liegt an einer Spannung U = 100V / f = 4kHz.
a) Berechne die Blindwiderstände sowie den Gesamtwiderstand der Schaltung. [XL = 2000 ;
XC = 1000 ; Z = 1060 ]

b) Bestimme alle Ströme sowie die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung.
[IR = 0,08A; IL = 0,05A; IC = 0,1A; I = 0,0943A;  = 32°]

c) Welches Verhalten (ind. oder kap.) zeigt die Schaltung? Begründe deine Antwort.
d) Welche Kapazität C' muss in die Schaltung eingesetzt werden, damit die Stromaufnahme
minimal wird? [C' = 19,9nF = C/2]

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Praktische Anwendungen von RLC-Schwingkreisen:


− Tesla Spule (Tesla-Transformator)
Ein Tesla-Transformator, auch als Teslaspule
bezeichnet, ist ein nach seinem Erfinder Nikola Tesla
benannter Resonanztransformator zur Erzeugung
hochfrequenter Wechselspannung. Sein Funktions-
prinzip basiert auf der Resonanz magnetisch lose
Große Tesla-Spule im Nikola Tesla Museum in
gekoppelter elektrischer Schwingkreise. Ausführliche Belgrad

Informationen findet man unter folgenden Links.

www.phys.ch: Teslaspule, Wikipedia: Tesla-Transformator Youtube: Bohemian Rhapsody


Demonstration und Erklärung https://de.wikipedia.org/wiki/Tesla- Meets Singing Tesla Coils
Transformator)
https://www.youtube.com/watch?v=n- https://www.youtube.com/watch?v=93T0
__IYpSX4U mVddBgM

− Frequenzweiche
Auch mit einer RLC-Schaltung kann man eine einfache Frequenzweiche bauen, so wie im
folgenden Bild dargestellt wird.

Frequenzweiche aufgebaut mit Hilfe eines Schwingkreises

Man dimensioniert den Schwingkreis aus L1 und C1 derart, dass die Resonanzfrequenz f0 im
kHz-Bereich liegt (zum Beispiel L1 = 3mH, C1 = 0,47F, f0 = 4238Hz). Aus dem Audiosignal
werden dann die Frequenzen unterhalb von f0 vorwiegend vom Tieftöner ausgegeben,
während die Frequenzen oberhalb von f0 vom Hochtöner ausgegeben werden.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

− Kompensation von Blindleistung


In der Praxis gibt es sehr viele ohmsch-induktive Verbraucher (Elektromotoren,
Leuchtstofflampen usw.), das heißt, ein Teil der Scheinleistung S pendelt als induktive
Blindleistung zwischen Energieversorger und Verbraucher hin und her. Dies wird aber von
den Energieversorgern nur bis zu einem gewissen Grad geduldet, sie streben einen
Leistungsfaktor cos nahe 1 an. Auf Verbraucherseite wird deshalb die induktive
Blindleistung durch Zuschalten von Kondensatoren "kompensiert". Diese können im Prinzip
sowohl in Reihe als auch parallel zum Verbraucher geschaltet sein, in der Praxis wird meist
die Parallelkompensation angewandt. Die Blindleistung pendelt dann auf Verbraucherseite
zwischen Induktivität und Kapazität hin und her, die Scheinleistung S und der Strom in der
Zuleitung sinken. Transformatoren werden auf eine bestimmte Scheinleistung ausgelegt,
durch einen hohen Bedarf an Blindleistung wird deren Wirkungsgrad kleiner.

-62-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

8 Komplexe Rechnung in der Wechselstromtechnik

8.1 Einleitung
Die komplexen Zahlen erlauben es die elektrischen Größen in komplizierten Schaltungen der
Wechselstromtechnik stark vereinfacht zu berechnen. Zur Darstellung von komplexen Zahlen
werden drei verschiedene Schreibweisen benutzt. In der Elektrotechnik wird im Gegensatz zur
Mathematik die imaginäre Einheit nicht mit i sondern mit j bezeichnet. Dadurch wird eine
Verwechslung mit der Stromstärke I ausgeschlossen.

m = x ± jy 𝐍𝐨𝐫𝐦𝐚𝐥𝐟𝐨𝐫𝐦
m = m ∙ e±jφ 𝐄𝐱𝐩𝐨𝐧𝐞𝐧𝐭𝐢𝐚𝐥𝐟𝐨𝐫𝐦
m = m ∙ (cosφ ± j ∙ sinφ) 𝐭𝐫𝐢𝐠𝐨𝐧𝐨𝐦𝐞𝐭𝐫𝐢𝐬𝐜𝐡𝐞 𝐅𝐨𝐫𝐦

Dabei steht x für den Realteil und y für den Imaginärteil der komplexen Zahl. Eine Zahl der
Form m = x wäre eine rein reelle Zahl (Phasenlage 0° oder 180°) und eine Zahl der Form
m = jy wäre eine rein imaginäre Zahl (Phasenlage 90° oder 270°).
In einer komplexen Zahl sind jeweils die Amplitude und die Phasenlage einer Größe enthalten.
Dies wird besonders bei der Exponentialform deutlich. m ist die Amplitude der Größe m und
 ist der Phasenwinkel.
Komplexe Zahlen werden in der komplexen Zahlenebene dargestellt:

Komplexe Zahlenebene

Eine Multiplikation mit j entspricht in der komplexen Zahlenebene einer Drehung um 90° und
eine Multiplikation mit –j entspricht einer Drehung um -90°.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Umrechnung aus der Normalform in die Exponentialform


Oft benötigt man eine andere Schreibweise einer komplexen Zahl. Aus dem vorherigen Bild
kann man folgende Zusammenhänge ableiten:

y
|m| = m = √x 2 + y 2 sowie φ = arctan
x

Durch die 180°-Periodizität der Tangens-Funktion muss man zu dem vom Taschenrechner
berechneten Wert für  gegebenenfalls 180° addieren.

Umrechnung aus der Exponentialform in die Normalform


Komplexe Zahlen in der Exponentialform lassen sich leicht in die Normalform umrechnen:

x = m ∙ cosφ sowie y = m ∙ sinφ

Addition und Subtraktion von komplexen Zahlen


Die Addition und Subtraktion von komplexen Zahlen werden in der Normalform
durchgeführt.

m1 + m2 = (x1 + jy1 ) + (x2 + jy2 ) m1 − m2 = (x1 + jy1 ) − (x2 + jy2 )

m1 + m2 = (x1 + x2 ) + j(y1 + y2 ) m1 − m2 = (x1 − x2 ) + j(y1 − y2 )

Multiplikation und Division von komplexen Zahlen


Die Multiplikation und die Division von komplexen Zahlen werden in der Exponentialform
durchgeführt.

m1 ∙ m2 = (m1 ∙ ejφ1 ) ∙ (m2 ∙ ejφ2 ) m1 m1 ∙ ejφ1 m1 j(φ −φ )


= jφ
= ∙e 1 2
m2 m2 ∙ e 2 m2
m1 ∙ m2 = m1 ∙ m2 ∙ ej(φ1+φ2)

Die Umwandlung von der Normalform in die Exponentialform oder umgekehrt darf mit dem
Taschenrechner erfolgen.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Konjugiert komplexe Zahlen


Zu jeder komplexen Zahl m existiert eine konjugiert komplexe Zahl m*:

m = x + jy ⇒ m∗ = x − jy m = x − jy ⇒ m∗ = x + jy
m = m ∙ ejφ ⇒ m∗ = m ∙ e−jφ m = m ∙ e−jφ ⇒ m∗ = m ∙ ejφ

Konjugiert komplexe Erweiterung


Wenn man einen Bruch mit einer komplexen Zahl n im Nenner vorfindet, so kann man
diesen Bruch durch Erweiterung mit der konjugiert komplexen Zahl n* in die Normalform
umschreiben.

1
m=
n

1 n∗
m= ∙ ∗ mit n ∙ n∗ = (n ∙ ejφ ) ∙ (n ∙ e−jφ ) = n2 ∙ ejφ−jφ = n2 ∙ ej0 = n2
n n

n∗
m=
n2

mit n = x + jy ergibt sich:

1
m=
x + jy

1 x − jy
m= ∙
x + jy x − jy

x − jy
m=
x2 + y2

x y
m= −j 2
x2 +y 2 x + y2

1 1 − j2 1 2
Beispiel: m= = 2 2
= − j = 0,2 − j0,4
1 + j2 1 + 2 5 5

-65-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

8.2 Elektrische Größen in komplexer Schreibweise


In der Wechselstromberechnung sind Wirkgrößen rein reelle Größen und Blindgrößen sind
rein imaginäre Größen. Alle anderen Größen haben sowohl einen reellen Anteil wie auch einen
imaginären Anteil.

Wechselstromgrößen in der komplexen Zahlenebene

In der Wechselstromberechnung existieren folgende komplexe Größen:

U Effektivwert der Wechselspannung in V


I Effektivwert des Wechselstromes in A
R=R Wirkwiderstand in  (rein reell)
XL = jXL Induktiver Blindwiderstand in  (rein imaginär)
XC = -jXC Kapazitiver Blindwiderstand in  (rein imaginär)
Z Scheinwiderstand (Impedanz) in 
G=G Wirkleitwert in S (rein reell)
BC = jBC Kapazitiver Blindleitwert in S (rein imaginär)
BL = -jBL Induktiver Blindleitwert in S (rein imaginär)
Y Scheinleitwert (Admittanz) in S
P=P Wirkleistung in W (rein reell)
QL = jQL Induktive Blindleistung in Var (rein imaginär)
QC = -jQC Kapazitive Blindleitung in Var (rein imaginär)
S Scheinleistung in VA

-66-
1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Beispiel des komplexen Scheinwiderstandszeigers Z in der komplexen Widerstandsebene:

Darstellung des Scheinwiderstandes Z in der komplexen Zahlenebene

Gemischte Schaltungen lassen sich mit Hilfe der komplexen Rechnung gleichermaßen
berechnen wie die Widerstandsschaltungen in der Gleichstromtechnik.

Die Wichtigkeit der komplexen Rechnung in der Wechselstromtechnik soll mit Hilfe des
folgenden Beispiels noch einmal verdeutlicht werden. Das Beispiel wir erst ohne den Einsatz
der komplexen Rechnung und anschließend mit Hilfe der komplexen Rechnung gelöst.

Beispiel:

R = 400
XL = 200
XC = 100

Es soll der Gesamtscheinwiderstand Z der gegebenen Schaltung berechnet werden.

a) Bestimmung von Z ohne komplexe Rechnung


Wenn man Z auf traditionelle Art bestimmen möchte, muss die RL-Parallelschaltung zuerst
in eine äquivalente Reihenschaltung umgewandelt werden. Hierzu berechnet man den
Ersatzscheinwiderstand Z' der RL-Parallelschaltung.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

1 1 1 1
G= = = 2,5mS BL = = = 5mS
R 400Ω XL 200Ω

Y ′ = √G2 + BL2 = √(2,5mS)2 + (5mS)2 = 5,59mS

1 1
Z′ = = = 179Ω
Y′ 5,59mS

BL 5mS
φ′ = arctan = arctan = 63,4°
G 2,5mS

Z' kann nun auch als Reihenschaltung aus R' und XL' dargestellt werden.

R′ = Z ′ ⋅ cosφ′ = 179Ω ⋅ cos(63,4°) = 80,1Ω

XL′ = Z ′ ⋅ sinφ′ = 179Ω ⋅ sin(63,4°) = 160Ω

Man erhält dann folgende Schaltung:

Aus dieser Reihenschaltung kann man den Scheinwiderstand Z berechnen.

Z = √R′2 + (XL′ − XC )2 = √(80,1Ω)2 + (160Ω − 100Ω)2 = 100Ω

(XL′ − XC ) (160Ω − 100Ω)


φ = arctan = arctan = 36,8°
R′ 80,1Ω

b) Bestimmung von Z mit Hilfe der komplexen Rechnung

R ⋅ jXL 400Ω ⋅ j200Ω 80000Ω2 ⋅ ej90°


Z′ = = = = 179Ω ⋅ ej63,4°
R + jXL 400Ω + j200Ω 447Ω ⋅ ej26,6°

Z ′ = 179Ω ⋅ ej63,4° = 80,1Ω + j160Ω

Z = Z ′ − jXC = 80,1Ω + j160Ω − j100Ω

Z = 80,1Ω + j60Ω = 100Ω ⋅ ej36,8°

Man sieht, dass man durch konsequente Anwendung der komplexen Rechnung auch
komplizierte Schaltungen auf einfache Art und Weise berechnen kann. Vereinfacht wird
dies noch durch den Einsatz moderner Taschenrechner.

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1GIG Elektrotechnik Wechselstromtechnik

Aufgaben

Aufgabe 8-1

In der abgebildeten Schaltung mit der Induktivität L = 22mH, der Kapazität C = 0,33F und dem
Wirkwiderstand R = 470 herrscht am Wirkwiderstand eine sinusförmige Wechselspannung
von UR = 12V  ej0° / f = 1kHz.

a) Berechne den komplexen Gesamtwiderstand. [Zg = 260  e-j21,9°]


b) Ermittle den Gesamtstrom und die Gesamtspannung. [I = 0,0356A  e j44,3°]
c) Bestimme den Phasenverschiebungswinkel zwischen der Gesamtspannung und dem
Gesamtstrom. [ = 21,9°]
d) Erkläre ob die Schaltung induktives oder kapazitives Verhalten hat.

Aufgabe 8-2

Gegeben ist die folgende Schaltung mit R = 10, XL = 10 und XC = 10. Die Schaltung liegt an
der Gesamtspannung U = 120V.

Alle Rechenschritte sind klar anzugeben.

a) Berechne den komplexen Scheinwiderstand Zges der Schaltung. [Zges = 7,07  e j45°]
b) Berechne den komplexen Gesamtstrom Iges, sowie die komplexen Teilspannungen UL , UR
und UC an den Bauteilen. [Iges = 17A  e-j45° ; UL = 170V e j45° ; UR = UC = 120V  e-j90°]

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Aufgabe 8-3
Gegeben ist folgende Schaltung:
C = 6,8nF, L = 100mH
R = 2,2k
I = 15mA  e-j30°

a) An welcher Gesamtspannung U liegt die gegebene Schaltung bei einer Frequenz von 5kHz?
[U = 90,8V  e j30,2°]

b) Berechne die Spannung UC. [UC = 82,4V  e j5°]

Aufgabe 8-4

Eine Induktivität L = 250mH liegt parallel zu einem Widerstand R1 = 300. In Reihe zu dieser
Parallelschaltung liegt ein weiterer Widerstand R2. Die gesamte Schaltung liegt an einer
Wechselspannung U = 50V  ej0° / f = 100Hz.
a) Zeichne die Schaltung und trage alle Spannungen und Ströme ein.
b) Wie groß muss der Widerstand R2 sein, damit eine Gesamtphasenverschiebung
(Phasenverschiebung zwischen U und I) von 45° entsteht? [R2 = 58,5]

Aufgabe 8-5

Eine Induktivität mit XL = 300 liegt in Reihe zu einem Widerstand R = 400. Parallel zu dieser
Reihenschaltung liegt ein Kondensator mit XC = 500. Die gesamte Schaltung liegt an einer
Wechselspannung U = 100V  ej0° / f = 100Hz.
a) Zeichne die Schaltung und trage alle Spannungen und Ströme ein.
b) Berechne den Gesamtscheinwiderstand sowie den Gesamtstrom. [Zges = 559  e-j26,6° ;

I = 0,179A  e-j26,6° ]

c) Welches Verhalten zeigt die Schaltung? Begründe die Aussage.


d) Welches Bauteil muss zu der gegebenen Schaltung in Reihe geschaltet werden, damit die
neue Schaltung ein ohmsches Verhalten aufweist? Bestimme die Größe dieses
Bauelementes. [L = 0,398H]
e) Berechne jetzt den neuen Gesamtstrom I'. [I' = 0,2A]

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Bild 156-1 Erzeugung von drei um 120° phasenverschobenen Wechselspannungen

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Drehstromstecker

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Glühlampe

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Heizlüfter

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Lötkolben

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Bild 074-1 Grundaufbau eines Kondensators

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Bild 079-2 Kondensatoraufbau

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Verschiedene Kondensatoren

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Verschiedene Spulen

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Verschiedene Spulen

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Bild 085-2 Magnetfeld einer Spule

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Bild 085-3 Spulenregel

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