JAHRE

100 Jahre BMW Motorrad

Die 1980er-Jahre
In diesem Jahr blicken wir auf 100 Jahre
Motorradbau bei BMW zurück.
­MOTORRAD begleitet dieses Jubiläum
mit zehn Geschichten, eine für
jedes Jahrzehnt. Hier die siebte Folge.

Das erste Serien-ABS: zwei Druckmodu-

latoren mit Steuerleitung (oben),
­elektronisches Steuergerät (Mitte) und
eine vordere und hintere Bremsscheibe
mit ABS-Sensor und -Leitung

R
eiseenduros sind heute die Cash-Cow vieler Hersteller,
allen voran BMW. Geländegängig und doch reisetaug-
lich. Wer hätte das damals ahnen können, als im Herbst
1980 die R 80 G/S – für Gelände und Straße – vorgestellt
wurde? Die Mannen aus der Entwicklungsabteilung hatten sich in
den Jahren zuvor aus vorhandenem Material Geräte gebaut, um
zackig in die Alpen zu kommen und dort etwa die Dolomiten-Ral-
lye mitzufahren, veranstaltet von einem gewissen Helmut Dähne.
Und der erste Designer der G/S, Hans A. Muth, hatte ein Motorrad
für jüngeres Publikum eingefordert. Das Ergebnis dieser Aktivi­
täten legte den Grundstein für eine ziemlich beispiellose Erfolgs-
geschichte. Mit unter 200 kg war die erste G/S aus heutiger Sicht
leicht, damals erschien sie vielen fürs Gelände als viel zu schwer.
Auch ins übrige, zum Herbst 1980 noch ziemlich übersichtli-
che BMW-Programm flossen zahlreiche in der G/S erstmals aufge-
tauchte Änderungen ein, die der Fahrbarkeit guttaten wie Brem-
bo-Festsattelbremsen mit dem Hauptbremszylinder am Lenker,
Plattenluftfilter, Nikasil-beschichtete Zylinderlaufbahnen oder
­reduzierte Motor-Schwungmasse. Nur die Einarmschwinge blieb
zunächst der G/S vorbehalten. Die R 100 CS trug ein letztes Mal
die ikonische S-Verkleidung auf, die Hans A. Muth für die R 90 S
kreiert hatte. Aber es half nichts, dieses wohl erste Retro-Modell

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 Was noch bewegte

Aufbruch in die 1980 Die Partei „Die Grünen“ wird

gegründet. Nach diversen Landesver-

NEUZEIT
bänden konstituieren sich die Bundes-
grünen im Januar 1980 in Karlsruhe
als erste bundesweit erfolgreiche
Partei-Neugründung seit 1950.

Die Highlights der 80er G/S, Einarmschwinge, K 100-Vier­ 1981 Der

zylinder und ABS führen BMW in eine erfolgreiche Zukunft Rubiks-Cube
wird erfunden
vom Ungar
Ernö Rubik.
Auch Zauber-
würfel genannt,
erobert der in
allen Achsen
verdrehbare Kubus schnell Jung und
Alt. Die knifflige Aufgabe ist gelöst,
wenn pro Seite nur je eine Farbe zu
sehen ist.

1982 In Japan stellt Sony den ers-

ten CD-Player vor. Die handlichen,
silbernen Scheiben sind praktischer als
Vinyl-Platten, knistern nicht und bie-

ten digital konstanten Musikgenuss.

Sie laufen bald und für lange Zeit den
Langspielplatten aus Vinyl den Rang
ab. Nach gut 40 Jahren treten sie nun
gegenüber Streaming-Diensten mehr
und mehr in den Hintergrund – wäh-
rend die LP ihr Comeback feiert.

1983 Presseskandal: Der Stern geht

den vermeintlichen Hitlertage­
büchern auf den Leim. Lange bevor
der Begriff „Fake-News“ erfunden ist,
täuscht der Kunstfälscher Konrad
­Kujau die Redakteure der Zeitschrift
„Stern“ mit seinen „Hitler-Tagebü-
chern“. Er löst damit den größten und
bis heute populärsten Medienskandal
ABS-Pionier BMW aus, in dessen Folge Fakten-Checker
zusehends an Bedeutung gewinnen.
zeigt 1988 die
überhaupt wurde nur 4038-mal gebaut, erzielte von den vier Wirkung des ers-
1000er-Boxern die geringsten Verkaufszahlen. ten Anti-Blockier-
1984 war Schluss mit den hochverdichteten 70-PS-Boxern, Systems: Ohne
ab 1985 brummten die renovierten Zweiventiler im Monolever- ABS führt das
Chassis wie bei der G/S. Ein kleineres Vorderrad, nun 18 Zoll, sorg- überbremste
te mit für die deutlich gesteigerte Handlichkeit, hinzu kamen die ­Vorderrad zum
reduzierte Verdichtung für nun bleifreies Normalbenzin sowie Sturz, die K100
­eine leisere Auspuffanlage mit großem Sammler. Zunächst nur als RT mit ABS (links)
650er und 800er lieferbar, schob BMW auf vielfachen Wunsch bleibt in der Spur
(auch aus Japan!) die R 100 als RT und RS nach, mit den kleinen
32-mm-Vergasern der 800er und auf 60 PS reduzierter Leistung.

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JAHRE
Die 1980er-Jahre
Von 1980 bis 84 wurden die renovierten
/7-Modelle gebaut, als R 80 RT und als
R 100 Basis, CS (oben), RS und RT. Ab 1985
lief der Boxer im Monolever-Chassis,
rechts die erste Serie der R 80 RT
Als die R 80 G/S Ende 1980 auf den Markt kam, gab es nichts
Vergleichbares. „Auf der Straße zuhause und abseits davon in
ihrem Element“ ist noch heute Verheißung und Versprechen
Doch der Boxer hatte hausintern Konkurrenz bekommen.
1983 kam die K 100 auf die Straße, zunächst als nacktes Basismo­
dell, bald als verkleidete RS und 1984 auch als Tourer K 100 RT.
Längs eingebauter Reihenvierzylinder, Einspritzanlage, natürlich
mit Kardan. Satte 90 PS lagen an und machten den alten Boxer
auf einen Schlag zum Fanartikel. Zumindest bei den Straßen­
modellen. Denn weder Sound noch Optik der „fliegenden Ziegel­
steine“ (flying bricks) konnten Traditionalisten überzeugen. Das
war auch gar nicht so schlimm, man wollte ja neue Kunden
in München. So schoben die Bayern 1985 die dreizylindrige K 75
nach, ein international erfolgreiches und beliebtes Motorrad –
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Alles neu: 1983 kam die K 100, hier als RS.
Darunter der Antriebsstrang der K 75,
sie erschien 1985. Die Einarmschwinge
(Monolever) war zum Standard geworden
Eddy Hau fuhr 1985/86
im BMW-Werksteam
­neben Teamleader
­Gaston Rahier mit von
HPN sehr stark modifi-
zierten Rallye-Maschinen
von Paris nach Dakar.
Ihr Glanz strahlte so
deutlich wie lang anhal-
tend auf das Image der
Serienmaschinen
nur nicht in Deutschland. Im Land der unlimitierten Autobahnen
wollten die BMW-Käufer die volle Leistung, der ebenso haltbare
wie ganz im Gegensatz zum großen Bruder fast vibrationsfreie
750er stand ewig im Schatten des 1000ers. Beide offerieren indes
faszinierende Ingenieurskunst, etwa die tragende Motor-Getrie­
be-Einheit mit darin gelagerter Einarm-Hinterradschwinge samt
Kardan, überspannt von einem Rest an Rahmen.
Über alle Modellreihen gibt es eine Gemeinsamkeit: Es waren
alles „Gummikühe“, so tituliert wegen ihres Aufstellmoments
durch den Kardanantrieb. Beim Gasgeben heben sie sich hinten
aus den Federn, beim Übergang in den Schiebebetrieb sacken
sie wieder zusammen. Der Paralever, sprich eine Momentabstüt­
zung der Hinterradschwinge, machte dem ab 1988 in der R 80 GS
und der neuen R 100 GS erstmals ein Ende. Der „/“ zwischen dem
„G“ und dem „S“ entfiel künftig ebenso wie der berüchtigte
„Fahrstuhleffekt“. Die GS hatte zehn Kilogramm an Gewicht zuge­
legt, war aber auch stabiler geworden, auch dank der Marzocchi-
Gabel. Und länger, was Gepäck- und Soziusplatz zugutekam,
auch die Sitzbank ging jetzt als bequem durch. Die R 100 GS
mauserte sich zur bestverkauften BMW dieser Tage und eroberte
die Pisten der Welt. Der Mythos nahm seinen Lauf.
 Was noch bewegte

1983 Motorola bringt

das erste für jeder-
mann käufliche Han-
dy, zunächst in Ameri-
ka. Das DynaTac 8000x
ist 800 Gramm schwer,
speichert 30 Nummern
und kostet damals
knapp 4000 US-Dollar.
Zum Modelljahr 1988 kam die
1984 In Deutschland
GS auch als R 100 und trug
kommt die erste
erstmals den Paralever, mit E-Mail an – aus den
Strebe zur Momentabstützung USA. Sie erreicht den ersten deut-
für den Hinterradantrieb schen Mailserver an der Universität
Karlsruhe nach Anschluss an das
amerikanische CSNET.

1985 Boris Becker siegt in Wimble-

don. Erst 17-jährig, wird Boris Becker
aus Leimen zum Star und macht Ten-
nis in Deutschland erst populär.

1986 Der Kernreaktor in Tscherno-

byl explodiert. Eine Simulation im
Reaktor vier löst Ende April den bis
dahin schwersten Nuklearunfall aus.

1987 Matthias
Rust landet
auf dem roten
Platz in Mos-
kau. Mit seiner
einmotorigen
Cessna fliegt
der damals erst
18-Jährige un-
behelligt bis
zum Aufsetzen
vor den be-
rühmten Tür-
men in der sowjetischen Hauptstadt.
Hockenheimring
1989 Die innerdeutsche Mauer fällt.
1989: Helmut Nur vier Jahre, nachdem Michail Gor-
Nächste Kandidaten für den Einbau des Paralever waren Kohl, seit 1982 batschow in Moskau die Macht über-
­ atürlich die K-Modelle. Zur Saison 1989 war es so weit, und zur
n Bundeskanzler, nommen hatte, wird der Traum der
Präsentation offerierte BMW die vollverschalte K1. Neben dem hinter Toni Mang deutschen Einheit war. Auch die zahl-
­Paralever debütierten hier gleich noch zwei Novitäten: Die Vier- auf der neuen K1 reichen „Montags-Demos“ führen
ventiltechnik in BMW-Großserie und das ABS. Anders als bei schließlich dazu, dass in Berlin die
­anderen ABS-Pionieren wie Suzuki und Yamaha blieb es ab 1990 Mauer geöffnet wird.
dauerhaft im Angebot. Alle drei Technik-Features eroberten auch
Autor:
erst ab 1990 die anderen K-Modelle. Die K1 brach mit manchen Nicolas
BMW-Tugenden, allen voran der Tourentauglichkeit. Am Heck gab Streblow
es nur zwei fest montierte Handschuhfächer, das Softgepäck-­ dernico@
System blockierte den Soziusplatz. Umbauten machten bald von motorradonline.de
sich reden, etwa die Adaption des K100-Hecks, um Koffer montie- Fotos: BMW, BMW
ren zu können. Und mit dem komplett eingepackten Vorderrad Group Classic (5),
konnten sich bis zum Schluss wenige so recht anfreunden. dpa/AP, dpa/The
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Fun-Fact am Rande: Im Rahmen der Entwicklung der K-Model- dpa/Katsumi Kasaha-
le lernte BMW 1983 wohl erstmals die Hebelgesetze kennen und ra, dpa/Motorola
wendete die segensreiche Entdeckung gleich beim Hauptständer GmbH, dpa/Chris
an. Die Monolever-Boxer folgten 1985, die GS ab dem Paralever- Pohlert, dpa/Sven
Simon, fact, Markus
Modell 1988. Von nun an gings bergauf, die Grundlagen der 80er- Jahn, Tyson Jopson,
Jahre – neue Motoren, mehr Modellvielfalt und Technikoffensive Moesch, MRD-Archiv, Folge 8: Die 1990er-Jahre erscheint
– sollten in den 90ern dann so richtig Wirkung zeigen. Arturo Rivas in MOTORRAD 20/2023

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