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MSR
Prof. Dr.-Ing. Andreas Hebestreit

WS 2023/24

Praktikum Messtechnik

Dehnungsmessstreifen und Wheatstone-Brückenschaltung (DMSWS)

Inhaltsverzeichnis

1. Ziel und Inhalt


2. Theoretische Grundlagen
3. Vorbereitung
4. Praktikumsaufgaben
4.1 Empfindlichkeit eines Dehnungsmessstreifens
4.2 Aufbau und Untersuchung einer Viertel-, Halb- und Vollbrückenschaltung
4.3 Temperatureinfluss auf Dehnungsmessstreifen in Brückenschaltungen
4.4 Praktischer Einsatz einer Plattform-Wägezelle
4.5 Praktische Messung von Drehmoment und Kraft
5. Literatur

1. Ziel und Inhalt

Kennenlernen der Eigenschaften von Dehnungsmessstreifen (DMS), insbesondere auf


federelastischen Baugliedern;
Wirkungsweise der DMS bei der elektrischen Messung nichtelektrischer Größen;
Anwendung der Wheatstone-Brückenschaltung.

2. Theoretische Grundlagen

Dehnungsmessstreifen (DMS) werden vorwiegend in der experimentellen Spannungsanalyse (mechanische


Spannung; engl.: stress; Formelzeichen δ, Maßeinheit N/mm²) einschließlich Versuch und Erprobung sowie
im Messgrößenaufnehmerbau eingesetzt.
DMS sind überall dort einsetzbar, wo Messgrößen auftreten, die sich in Dehnungen wandeln lassen.
Hierzu zählen u.a. Masse, Kraft, Druck, Beschleunigung, Weg und Drehmoment.

Die Wirkungsweise eines metallischen DMS (diese werden im Praktikum verwendet) beruht auf dem von
WHEATSTONE und THOMSON gefundenen Dehnungs-Widerstands-Effekt elektrischer Leiter. Jeder
elektrische Leiter ändert seinen Widerstand infolge mechanischer Beanspruchung.
Daraus folgt die Beziehung R = R – R0
wobei R0 der Widerstand im unbeanspruchten Zustand ist.

Der Widerstand eines elektrischen Leiters berechnet sich nach der Widerstandsbemessungsgleichung
R elektrischer Widerstand
 l 
R spezifischer Widerstand
A l Länge des Leiters
A Querschnitt des Leiters
Der Einfluss von Änderungen der einzelnen Größen auf den Widerstand kann mit Hilfe des totalen
Differentials berechnet werden. Für die relative Widerstandsänderung ergibt sich somit:

R  l A
  
R  l A

Als Dehnung  wird die relative Längenänderung  = l / l bezeichnet.

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Der Übertragungsfaktor (Empfindlichkeit) des DMS heißt k-Faktor:

R R / R
k  k
R 
Das heißt, der k-Faktor des DMS gibt an, wie groß die relative Widerstandsänderung bezogen auf die
Dehnung ist.
Für den unbeanspruchten DMS gilt:
Xe Xa x   R / R 0 
k allgemein: k  a

  R/R 0 x e


In der Praxis werden neben vielen speziellen Ausführungen metallischer DMS auch vereinzelt Halbleiter-
DMS eingesetzt. Halbleiter-DMS zeichnen sich durch einen großen k-Faktor (k  120) gegenüber
metallischen DMS (k  2) aus, sind jedoch kostspieliger, nichtlinear, temperaturempfindlich und schwieriger
zu applizieren.

Die infolge der Dehnung auftretende Widerstandsänderung könnte direkt gemessen werden. Da diese meist
im Promillebereich liegt, wird sie allgemein mit Hilfe der Wheatstone-Brückenschaltung in eine
Spannungsänderung gewandelt. Je nach Art der Brückenschaltung (Viertel-, Halb- oder Vollbrücke) ist es
möglich, Einflussgrößen (Störgrößen) zu kompensieren (z.B. Temperatur, Querkraft). Die Wheatstone-
Brückenschaltung wird im mechanisch unbelasteten Zustand auf den Wert der Brückenausgangsspannung
UBr = 0 V abgeglichen. Widerstandsänderungen (z.B. infolge einer Kraftwirkung auf einen Federkörper)
führen dann zu einer Verstimmung der Brücke und zu einer Brückenausgangsspannung UBr.
 
  U Br 
 U Sp 
Die Empfindlichkeit der Brücke beträgt:  
kB  
  R 

 
 R0 

Der oben beschriebene Zusammenhang lässt sich für die Dehnungsmessung wie folgt darstellen:

Xe
k B
Xa
 x a
 U Br
 k
UB B
x e 

Da Dehnungen im Praktikumsversuch schwer direkt messbar sind, wird die Eingangsgröße xe =  durch die
Kraft F substituiert.
U Br
Der Übertragungsfaktor beträgt dann: k BF 
F

3. Vorbereitung:

Folgende Fragen sind zu beantworten bzw. Aufgaben zu lösen!


- Welche Größen sind mit DMS direkt und welche sind indirekt messbar?
- Wie ist ein DMS aufgebaut und wie funktioniert er?
- Wie ist die Dehnung definiert?
- Skizzieren Sie die statische Kennlinie eines Metallfolie-DMS!
- Welche Kenngröße gibt die Empfindlichkeit eines DMS an?
- Wie groß ist dieser Wert bei einem Metallfolie-DMS und wie schätzen Sie die Größe der daraus
resultierenden relativen Widerstandsänderung ein?
- Skizzieren Sie eine Viertel-, eine Halb- und eine Vollbrückenschaltung und erläutern Sie deren Funktion!
- Warum wird auch ein einzelner DMS in einer Wheatstone-Brückenschaltung betrieben?
- Welche sonstigen Vorzüge hat die Wheatstone-Brückenschaltung?
- Wie funktioniert eine Wägezelle, ein Kraft-, Druck- oder Drehmomentaufnehmer?
- Was ist die Bedeutung des Elastizitätsmoduls?

Durchzuführende Rechnung:
Berechnen Sie die Dehnungen ε mit der in Aufgabe 4.1. angegebenen Formel mit den Werten für die
Massen m1 bis m4.

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4. Praktikumsaufgaben

Aufgabe 4.1 Bestimmung der Empfindlichkeit eines Dehnungsmessstreifens

a) Auf einem Biegebalken sind vier DMS angebracht. Bestimmen Sie die konkrete Anordnung mit Hilfe
einer geeigneten Messung und begründen Sie das Ergebnis!
Verwenden Sie dafür das Digitalmultimeter HP 34401A (höchste Auflösung im Widerstandsmess-
bereich - stellt sich automatisch ein).

Wählen Sie einen dieser DMS mit dem Wert R0 für Aufgabe b) aus!

b) Belasten Sie den Biegebalken mit den Haken-Massestücken m (m1 = 300 g, m2 = 600 g, m3 = 1000 g,
m4 = 1500 g). Bestimmen Sie die Widerstandsänderung R (= R - R0)
und bilden Sie das Widerstandsverhältnis R/R0.

c) Stellen Sie die relative Widerstandsänderung R/R0 als Funktion der Dehnung  grafisch dar.

d) Bestimmen Sie den k-Faktor (Empfindlichkeit) des verwendeten DMS.


Diskutieren Sie den Wert des k-Faktors hinsichtlich Betrag und Vorzeichen!

Kennzeichnung der Dehnungsmessstreifen:

DMS 1: grüne Stecker DMS 2: blaue Stecker


DMS 3: schwarze Stecker DMS 4: rote Stecker

Versuchsaufbau:

Fl6

b  h2  E
E = 142 000 N/mm² (Elastizitätsmodul)
h = 2,5 mm
b = 20,5 mm
l = 140 mm

Aufgabe 4.2 Aufbau und Untersuchung einer Viertel-, Halb- und Vollbrückenschaltung

Hinweise zur Versuchsdurchführung:

Prüfen Sie die Widerstände (Wendelpotenziometer) R1 = R3 = 190,00 Ohm!

Viertelbrücke (DMS und R2 als Ergänzungswdst.)


- R2 ist ein Festwiderstand
- DMS wählen, der im Wert am nächsten an R2
- Schaltung komplettieren mit R1, R3 DMS 1 DMS 2
- Nullpunktabgleich mit R1 und R3 V UBr
(messen Sie gegebenenfalls mit Offset)

Halbbrücke (zwei DMS mit gleichen Werten) DMS 4 DMS 3


- R2 wird durch 2.DMS ersetzt
- DMS mit gleichen Widerstandswerten wählen
USp = 5 V
- Schaltung komplettieren mit R1, R3
- Nullpunktabgleich mit R1 und R3
USp : Gleichspannungsnetzteil aus Tischaufbau
Vollbrücke:
- Offset vorhanden UBr : Messen mit Digitalmultimeter ELABO

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a) Beschalten Sie das Brückenmodell mit Hilfe des Biegebalkens als Viertelbrücke.
Anschließend ist die Brückenschaltung im unbelasteten Zustand und bei angelegter Speisespannung auf
UBr = 0 V abzugleichen
Messen Sie die Brückenspannung mit dem ELABO-Multimeter im Brückenaufbau!

b) Messen Sie die Brückenausgangsspannung UBr als Funktion des Gewichts (m = 0 bis 600 g)

c) Wiederholen Sie die Aufgaben a) und b) für die Halb- und die Vollbrückenschaltung.

d) Stellen Sie alle Kennlinien in einem Diagramm UBr = f(F) dar.


Ermitteln Sie die Übertragungsfaktoren kBF und bewerten Sie diese.

Aufgabe 4.3 Temperatureinfluss auf DMS in Brückenschaltungen

a) Es ist, wie in Aufgabe 4.2 a) beschrieben, eine Viertelbrücke aufzubauen und im unbelasteten Zustand
abzugleichen. Anschließend ist der Biegebalken mit Hilfe des Föns gleichmäßig zu erwärmen, um eine
Änderung der Umgebungstemperatur zu simulieren.
Die Aufwärmphase sollte ca. zehn Minuten betragen (bis signifikante Änderung erkennbar).

b) Messen Sie wiederum die Brückenausgangsspannung als Funktion der Kraft. Der Biegebalken ist für
den Zeitraum der Messung warm zu halten.

c) Stellen Sie den Zusammenhang UBr = f(F) in dem in Aufgabe 4.2. aufgenommenen Diagramm dar und
vergleichen Sie den Verlauf der Kennlinien.
Diskutieren Sie das Ergebnis.

Aufgabe 4.4 Praktischer Einsatz einer Plattform-Wägezelle

a) Schließen Sie die Plattform-Wägezelle PW2G-2 (Messbereich 7,2 kg) an den TF-Messverstärker
MVD 2405A (alternativ Gleichspannungsmessverstärker MVD 2510) an.

Brückenausgangsspannung UBr: roter Stecker +


blauer Stecker -

Speisespannung USp (vom Messverstärker erzeugt): grüner Stecker +


schwarzer Stecker –

Parallel zum Eingang UBr des Messverstärkers ist ein Digitalvoltmeter anzuschließen.

Vor Beginn der Messungen ist der Messverstärker zu justieren, sodass er ziffernrichtig anzeigt!
Zweipunktjustage bei MVD 2405A

Alternativ bei MVD 2510 Laden der Werkseinstellungen und Justage.

b) Belasten Sie die Plattform-Wägezelle mit den vorhandenen Massestücken (m = 0 kg bis 7 kg). Ermitteln
Sie aus den aufgenommenen Werten den Kennwert der Wägezelle (Produkt aus Empfindlichkeit und
Messbereich) und vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit dem Nennkennwert im Datenblatt.

c) Wie schätzen Sie Messunsicherheit und Genauigkeitsklasse der Messkette ein?


(Datenblätter liegen am Versuchsplatz aus).

d) Nutzen Sie die aufgebaute Messkette und legen Sie unbekannte Gewichte eigener Wahl (max. 7 kg!!!)
auf.

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Fakultative Aufgabe:

Aufgabe 4.5 Praktische Messung von Drehmoment und Kraft


mit Messverstärker MGCplus und

200 Nm – Drehmomentaufnehmer sowie


200 kN – Kraftaufnehmer

Beide Aufnehmer haben eine Empfindlichkeit von 2 mV/V bezogen auf den Nennwert.

Schätzen Sie, welches Drehmoment Sie mit bloßen Händen an den Plastgriffen der Drehmoment-Messwelle
erzeugen können.
Justieren Sie die Messkette bestehend aus Messwelle und MGCplus.
Überprüfen Sie Ihren Schätzwert.

Justieren Sie die Messkette bestehend aus „Kraftmessdose“ (veraltete Bezeichnung auf Typenschild, da
Aufnehmerbaujahr 1970) und MGCplus. Bei Belastung mit 2 Kilogramm sollten 20 Newton angezeigt
werden. Beruhigen Sie das LSD.

Anleitung des MGCplus liegt am Versuchsplatz. Zur Vorbereitung bitte Begleitinformationen


durcharbeiten.

5. Literatur

Hoffmann, Jörg: Taschenbuch der Messtechnik, Hanser Verlag, Leipzig 2015, 7. Auflage

auf OPAL:
Vorlesungsfolien und Arbeitsanleitung
Hoffmann, Karl: Wheatstonebrücke – Anwendung der Brückenschaltung; HBM, Darmstadt
Gommola, Gert: Anwendung und Einbau von Wägezellen, Fachbuch, HBM, Darmstadt 2001
Hebestreit, A.: Drehmomentmessung. Vortragsmanuskript, Ilmenau 2003
Firmenschrift Dehnungsmessstreifen und Zubehör. HBM, Darmstadt 2002
Datenblätter Plattformwägezelle PW2G-2, Drehmomentaufnehmer T5

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