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Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rehm

Elektrische Energieübertragung und -verteilung


Elektrische Energieübertragung und -verteilung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rehm

1. Grundlagen elektrischer Felder


1.1 Elektrische Feldstärke
1.2 Dielektrikum und dielektrische Verluste
1.3 Berechnung elektrischer Felder einfacher Anordnungen
1.4 Analytische und numerische Feldberechnungsmethoden

2. Entladungsvorgänge
2.1 Der Durchschlag in Gasen
2.2 Der Durchschlag in festen Isolierstoffen
2.3 Der Durchschlag in flüssigen Isolierstoffen
2.4 Der Durchschlag im Vakuum
2.5 Blitzschutz

3. Erzeugen und Messen hoher Spannungen


3.1 Erzeugen hoher Spannungen
3.2 Messen hoher Spannungen
3.3 Messung von Teilentladungen

4. Betriebsmittel der elektrischen Energieverteilung


4.1 Drehstromsysteme
4.2 Aufbau von elektrischen Energieversorgungsnetzen
4.3 Freileitungen
4.4 Kabel
4.5 Leitungsbeläge
4.6 Transformatoren
4.7 Schutzeinrichtungen

5. Berechnung von Leitungen und Netzen


5.1 Netzstrukturen
5.2 Leitungsgleichungen
5.3 Hoch- und Höchstspannungsleitungen
5.4 Leerlauf einer Leitung
5.5 Natürliche Leistung
5.6 π-Ersatzschaltbild für kurze Leitungen
5.7 Mittel- und Niederspannungsleitungen
5.8 Knotenpotentialanalyse und Lastflussrechnung

6. Berechnung symmetrischer Kurzschlüsse


6.1 Allgemeines
6.2 Modellbildung
6.3 Verfahren der Ersatzspannungsquelle
6.4 Maximale und minimale Kurzschlussströme
6.5 Stosskurzschlussstrom

7. Berechnung unsymmetrischer Kurzschlüsse


7.1 Verfahren der symmetrischen Komponenten
7.2 Berechnung unsymmetrischer Fehlerfälle
7.3 Einpoliger Erdkurzschluss

8. Erdschlussströme und deren Kompensation


8.1 Berechnung des 1-poligen Erdschlussstromes
8.2 Kompensation des 1-poligen Erdschlussstromes

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1. Grundlagen elektrischer Felder


1.1 Elektrische Felstärke
r r
Die Elektrische Feldstärke E ist definiert als Kraft F auf die Probeladung Q in diesem Feld:
r
r F N V Ws
E = in oder (mit 1 N = 1 )
Q As m m

Da die Kraft eine Richtung hat, ist auch die Feldstärke ein
Vektor mit Betrag und Richtung.

Wenn alle Feldstärkevektoren gleichen Betrag und gleiche


Richtung haben: Homogenes Feld. Ist eine dieser
Bedingungen nicht erfüllt: Inhomogenes Feld.

Feldlinien sind Verschiebungslinien der Ladung. Sie beginnen und enden auf Ladungen.
Die Gesamtheit aller Verschiebungslinien
r bildet den Verschiebungsfluß Ψ (Psi).
Die Verschiebungsdichte D ist definiert als Verschiebungsfluß bezogen auf eine senkrecht zu
ihm stehende Fläche A:
r dΨ As r r
D= r
dA
in
m2
bzw . ∫
Ψ = D dA in As

r
Das Integral von D über eine geschlossene Fläche A ergibt die eingeschlossene Ladung Q:
r r

Q = D dA in As oder C(oulomb )

r r
Zwischen Feldstärke E und Verschiebungsdichte D besteht Proportionalität:
r r
D=ε E

Die Proportionalitätskonstante ε heißt Dielektrizitätskonstante und ist eine Materialeigenschaft


des Isoliermaterials (Dielektrikums), die man als dielektrische Leitfähigkeit deuten kann.

Für Vakuum gilt: εo = 8,854∙ 10-12 F/m, alle anderen Stoffe haben ε > εo. Man bezeichnet
ε/εo = εr als relative Dielektrizitätskonstante oder Dielektrizitätszahl..Damit wird ε = εo ∙ εr.
Allgemein wird nur εr für die Isolierstoffe angegeben.

Für Luft gilt εr = 1,0006, technische Isolierstoffe haben εr = 2 bis 6, Ausnahmen sind Wasser
εr = 80 und Keramik εr = 40 – 100.

Längs der Feldlinien fällt das Potenzial der beiden Elektroden ab. Man bezeichnet das Integral
der Feldstärke über den Weg als Potenzialdifferenz oder Spannung:
2 r
v r dU
∫ E ds = ϕ
1
2 − ϕ1 = U 12 daraus fol gt E =
ds
= − grad ϕ

Alle Punkte gleichen Potenzials bilden die Äquipotenziallinie bzw. Äquipotenzialfläche.

Dafür wäre
2
v r
∫ E ds = 0
1

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r r
was nur der Fall ist, wenn die Vektoren E und ds senkrecht aufeinander stehen. Daraus folgt:
Feldlinien und Äquipotenziallinien stehen immer senkrecht aufeinander. Dies gilt auch für die
Elektrodenoberfläche.

Zusammenhang zwischen Ladung und Spannung:

Q = C∙U (C = Kapazität der Elektroden)

d.h. die Kapazität ist diejenige Größe, die bestimmt, welche Ladungsmenge Q auf zwei
Elektroden liegen muß, damit sie die Spannung U gegeneinander annehmen.

Die in einem Feld enthaltene Energie W el berechnet sich zu

t Q U
1
∫ ∫ ∫
W el = U ⋅ I ⋅ dt = U ⋅ dQ = C U ⋅ dU =
0 0 0
2
C ⋅ U2

1.2. Dielektrikum und dielektrische Verluste


1.2.1 Brechungsgesetz bei Feldübergang zwischen verschiedenen Dielektrika
Für elektrische Felder an Grenzflächen, also 2 Dielektrika mit verschiedenen DK εr unter der
Voraussetzung, dass keine Ladung Q auf der Grenzfläche sitzt, gilt:

Dn1 = Dn2

Die Normalkomponenten der Verschiebungsdichte müssen gleich sein, wenn der


Verschiebungsfluss Ψ konstant bleibt, da sonst Ladung auf der Grenzfläche sein müßte.

Aus der Skizze folgt:


tan α 1 Dt 1 Dn1 D ε E
= ⋅ = t1 = 1 ⋅ t1
tan α 2 Dn1 Dt 2 Dt 2 ε 2 E t 2

Die Tangentialkomponenten der Feldstärke Et müssen aber ebenfalls gleich sein, das sonst
unterschiedliche Potenziale (U = ∫Et ds) auf einem Punkt der Grenzfläche herrschen würden,
daher gilt:

tan α 1 ε
= 1 (Brechungsg esetz der elektrischen Feldlinien )
tan α 2 ε2

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Spezialfälle:
Grenzfläche parallel zu Äquipotenzialfläche

D1 = D2
E1 ε
ε 1 ⋅ E1 = ε 2 ⋅ E 2 ⇒ = 2
E2 ε1

Die Feldstärken verhalten sich umgekehrt wie die


Dielektrizitätszahlen. Das schwächste Dielektrikum wird am
stärksten belastet (Luft!).

Grenzfläche senkrecht zur Äquipotenzialfläche


U 1 = E1 ⋅ ds = E 1 ⋅ d

U2 = ∫E 2 ⋅ ds = E 2 ⋅ d
U1 = U 2 ⇒ E1 = E 2
D1 D2
=
ε1 ε2
D1 ε
= 1
D2 ε2

d.h. nur Ladungen verteilen sich ungleichmäßig auf den Elektroden,


r das zweite Dielektrikum
ändert nichts an der elektrischen Festigkeit des ersten. E ist gleich, wenn U gleich ist, z.B.
auch bei zwei Kondensatoren mit unterschiedlichen Dielektrika.

1.2.2 Dielektrische Verluste


Dielektrische Verluste in einem Kondensator entstehen bei Wechselspannung durch
• Strömungsverluste (Reibungsverluste) durch wenige freie Ladungsträger
• Polarisationsverluste (Umpolungsverluste der Dipole).

Dadurch wird zusätzliche Wärme im Dielektrikum erzeugt.

Der Ladestrom eines Kondensators besteht aus


dem kapazitiven (Ic) und einem kleinen ohmschen
Anteil (Iv) mit dem Verlustwinkel δ.
π IV G 1
δ = −ϕ und tan δ = = =
2 IC ω C RωC

Mit IV = ICtan δ und IC = ωCU folgt für die Verlustleistung PV

PV = ω ⋅ C ⋅ tan δ ⋅U 2 mit tan δ = Verlustfaktor

Ein Vergleich verschiedener Isolierstoffe ist möglich, wenn


C = ε r ⋅ CO
man den Luftkondensator Co einführt, damit wird die Verlustleistung

PV = ω ⋅ CO ⋅ ε r ⋅ tan δ ⋅ U 2 mit ε r ⋅ tan δ = Verlustziffer

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Es ergeben sich z. B. folgende charakteristische Kurven von Isolierstoffen:

Die Verlustziffer ist eine Funktion der Temperatur und der Alterung des Isolierstoffs.

Messen des Verlustfaktors tan δ bei Hochspannungskondensatoren mit der Schering-Brücke

Eine Abstimmung der Brücke liegt vor, wenn gilt:

Z1 Z 2
= daraus ergibt sich tan ∂ x = ωC4 R4
Z3 Z4

Außerdem kann die Kapazität Cx des Prüfkondensators bestimmt werden zu

R4
C x = Cn
R3

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1.3 Berechnung elektrischer Felder einfacher Anordnungen
1.3.1 Plattenkondensator
Plattenkondensator mit einem Dielektrikum
Ohne Berücksichtigung des Randfeldes entsteht ein homogenes Feld, also jeweils nur eine
Vektor-Komponente, so dass man man die Vektorpfeile weglassen kann. Es gilt:

dU U
Feldstärke : E = = in V / cm
ds d
x d −x
Potential : ϕ = ∫
0
E ds = ∫ E dx
0
= E (d − x ) in V

Kapazität : C =
Q
=
∫ D dA =
DA
=
εEA
=
ε UA
=
ε A
=
ε0 εr A
in F
U U U U dU d d

Am Plattenrand ist die Feldstärke besonders hoch, da Feldlinien


dicht gedrängt sind, hier erfolgt also der Durchschlag, nicht in der
berechneten Mitte. Daher hat Rogowski vorgeschlagen, die
Ränder des Kondensators als Äquipotenzialflächen auszubilden,
was auch allgemein gemacht wird.

Die Beziehung dafür lautet:

d  π 
π
x
y= +e d 
π  2 

Oft wird auch näherungsweise ein Kreisradius verwendet mit


r > d/2.

Plattenkondensator mit geschichtetem Dielektrikum


Aus Kap. 1.2 folgt:

E1 ε 2
= ; U = E ⋅d ; U ges = U1 + U 2 + U 3
E2 ε 1

U ges = E1 ⋅ a + E 2 ⋅ b + E 3 ⋅ c

Der Verschiebungsfluß D ist in allen Schichten gleich:


D1 = D2 = D3 = D
D D D a b c  U ges U ges
U ges = a+ b+ c = D + +  → D= =
ε1 ε2 ε3  ε1 ε 2 ε 3  a b c k
+ +
ε1 ε2 ε3
mit k = Schichtung skoeffizient

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Mit D = εE und φ(x) = ∫ E dx folgen die Feldstärken und Potenziale (E zählt positiv in Richtung
fallenden Potenzials!)
D U ges
E1 = = ϕ1 = E 1 (a − x ) + E 2 ⋅ b + E 3 ⋅ c
ε1 ε1 ⋅ k
D U ges
E2 = = ϕ 2 = E 2 (a + b − x ) + E 3 ⋅ c
ε2 ε2 ⋅k
D U ges
E3 = = ϕ 3 = E 3 (d − x )
ε3 ε3 ⋅k

1.3.2 Zylinderkondensator
Koaxiale Zylinder
Auch hier liegt ein 1-dimensionales Feld
in radialer Richtung vor, deshalb sind die
Vektorpfeile weggelassen. Die
Berechnungsreihenfolge lautet:

D → E → φ → U, Q → E(r), φ(r), C

Auf einer Zylinderschale gilt:


Q = D ⋅ dA = D ⋅ 2π r ⋅ l
Q 1 D 1Q
D= ⋅ ; E= = ⋅
2π ⋅ l r ε 2πε ⋅ l r
2 ra ra
Q dr Q Q
∫ ∫ 2πε l ∫
[ln ra − ln r ]
ra
Potential : ϕ = E ⋅ ds = E ⋅ dr = = ln r r =
1 r r
r 2πε ⋅ l 2πε ⋅ l
Q ra
= ln
2πε ⋅ l r

Da φ(ra) = 0, muß φ(ri) gleich der angelegten Spannung U sein.


Q ra
U = ϕ ri − ϕ ra = ϕ ri = ⋅ ln ;
2πε ⋅ l ri
2πε ⋅ l
daraus fol gt für die Ladung Q = U ⋅
r
ln a
ri
dies eingesetzt ergibt die Feldstärke
Q 1 2πε ⋅ l 1 1
E= ⋅
= U⋅ ⋅ ⋅ =
2πε ⋅ l r r 2 ⋅ lπε r
ln a
ri
U U
E (r ) = ; E max = E (ri ) =
r ra
r ⋅ ln a r i ⋅ ln
ri ri
ra
ra ln
und das Potential ϕ (r ) = E ⋅ dr = U ⋅ r
∫ r
r ln a
ri
Q 2πε ⋅ l
sowie die Kapazität C= =
U r
ln a
ri

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Die Maximalfeldstärke ist abhängig vom


variablen Innendurchmesser bei festem
Außendurchmesser:

Emax = f (ri) für ra = const.

Das Minimum der Maximalfeldstärke ergibt sich für

dEmax/dri = 0 zu ln ra/r i = 1, also ra/ri = e = 2,72.

Koaxiale Zylinder mit geschichtetem Dielektrikum (z.B. Kabel)


Es gilt in den einzelnen Schichten:
Q 1
E1 = ⋅ für r i ≤ r ≤ r1
2πε 1 ⋅ l r
Q 1
E2 = ⋅ für r1 ≤ r ≤ r 2
2πε 2 ⋅ l r
Q 1
E3 = ⋅ für r 2 ≤ r ≤ ra
2πε 3 ⋅ l r
1,3
U = U1 + U 2 + U 3 = ∑∫E
n
n ⋅ dr

r1 r2 ra

∫ ∫
= E 1 ⋅ dr + E 2 ⋅ dr + E 3 ⋅ dr
ri r1

r2

Q 1 r 1 r 1 r 
= ⋅  ln 1 + ln 2 + ln a  =
2π ⋅ l ε 1 ri ε 2 r1 ε 3 r2 
Q
=
2π ⋅ l
[ ]
⋅ k Zy mit k Zy = Schichtung skoeffizient

Q 2π ⋅ l
Kapazität C= =
U k Zy
Feldstärken und Potentiale ϕ n (r ) = E n ⋅ dr ( ∫ )
U U 1 r1 1 r 1 r 
E1 ( r ) = ϕ1 ( r ) =  ln + ln 2 + ln a 
ε 1 ⋅ r ⋅ k Zy k Zy  ε 1 r ε2 r1 ε 3 r2 

U U  1 r 1 r 
E 2 (r ) = ϕ 2 (r ) =  ln 2 + ln a 
ε 2 ⋅ r ⋅ k Zy k Zy  ε 2 r ε3 r 2 
U U 1 r
E 3 (r ) = ϕ 3 (r ) = ⋅ ⋅ ln a
ε 3 ⋅ r ⋅ k Zy k Zy ε 3 r

Emax lautet jeweils für den Innendurchmesser der betreffenden Schicht des Dielektrikums.

E1max ε 2 ⋅ r1
=
E 2 max ε 1 ⋅ ri

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Parallele Zylinder
Feldstärkeverlauf nur auf x-Achse (Ex)
durch Superposition (Überlagerung) der
beiden Einzelfeldstärken (Näherung).
Q 1 1  Q d
Es gilt dann : E x =  +  = ⋅
2πε ⋅ l  x d − x  2πε ⋅ l x (d − x )
d − ro d − ro
Q d Q d − r0
mit U= ∫E
r0
x ⋅ dx =
2πε ⋅ l ∫ x (d − x ) ⋅ dx = πε ⋅ l ⋅ ln
r0
r0
Q πε ⋅ l
Kapazität C= =
U d − r0
ln
r0
 d−x 
x  ln 
U d U  x 
Feldstärke Ex = ⋅
d − r0 x (d − x )
Potential ∫
ϕ x = E x ⋅ dx =
2 
1−
d − r0 
2 ln r0
 ln r 
r0  0 
U d
Maximalfeldstärke E max, x = ⋅ für x = r 0 und x = d − r 0
d − r0 d − r0
2 r0 ln
r0

Als Näherung ergibt sich für d>>ro, d.h. d-ro ≈ d und d+ro ≈ d (Drähte):

U d U
Ex ≈ ⋅ und E max, x ≈
d x (d − x ) d
2 ln 2 r 0 ln
r0 r0

Draht und Platte (Erde)


Spiegelung ergibt Feld wie bei 2 parallelen Drähten.
Es ist also in den Formeln nach 1.3.2.3 zu setzen:
U→ 2U und d→2h.

Damit folgt für die maximale Feldstärke:

U 2h
E max = ⋅
2 h − r0 2 h − r0
r0 ⋅ ln
r0
U
oder für 2 h >> r0 : E max ≈
2h
r0 ⋅ ln
r0
2πε ⋅ l
Kapazität C=
2 h − r0
ln
r0

1.3.3 Kugelkondensator
Berechnung erfolgt analog zu der des Zylinderkondensators, nur ist statt der Zylinder-
oberfläche 2π r l die Kugeloberfläche 4πr² einzusetzen.

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Konzentrische Kugeln (mit φ(ra) = 0)

Q = ∫ DdA = ε E 4 π r 2
Q
E (r ) =
ε 4π r 2
Q 1 1 
ra

ϕ (r ) = ∫ Edr =  − 
r
ε 4π  r ra 
Q 1 1 
U = ϕ ri − ϕ ra = ϕ ri =  −  damit fol gt
4πε  ri ra 

U 1 / r − 1 / ra
E (r ) = und ϕ (r ) = U ⋅
r (1 / ri − 1 / ra )
2
1 / ri − 1 / ra

2
r  U
E ( ri ) = E max ; E = E max ⋅ i  ; E max = 2
r  ri (1 / ri − 1 / ra )

Für die Kapazität eines Kugelkondensators ergibt sich:

Q 4πε
C= =
U 1/ ri − 1/ ra

Konzentrische Kugeln geschichtet (ri, r1, r2, ra wie vorher)


Mit n = Anzahl der Schichten ergibt sich für die Feldstärke:
U
En = mit dem Schichtung skoeffizienten k k ( z.B.für n = 3):
ε n ⋅ r 2 ⋅ kK
1  1 1 1 1 1 1 1 1
kK =  −  +  −  +  − 
ε 1  ri r1  ε 2  r1 r2  ε 3  r2 ra 
E max 1 ε 2 r12
= ⋅ ( z.B. für 2 Dielektrika )
E max 2 ε 1 ri 2
Q 4π
Kapazität : C = =
U kK
Für die Kapazität der Anordnung Kugel-Erde (Wand, z.B. Labor) ergibt sich:

4πε
CK −E = mit r = Kugelradius und s = h − r = Abstand Kugel − Erde
1/ r − 1/ h
(nur für h >> r )

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Exzentrische Kugeln
Da hier ein dreidimensionales Feld
vorliegt, ist es nicht mehr elementar zu
berechnen.
Dennoch kann man für die am meisten
interessierende Maximalfeldstärke eine
empirische Lösung finden, indem man
das Kugel-Feld mit dem homogenen Feld
gleicher Schlagweite s vergleicht und
einen Geometrie-Faktor η einführt:

U
E max = mit η = Schwaiger ' scher Ausnutzung sfaktor = f (Geometrie)
s ⋅η

Zahlenwerte (empirisch) für η (s. folgendes Blatt).

U E ho mogen
All gemein gilt : η = = für s = const .
s ⋅ E max E inh omogen

Entsprechend dieser allgemeinen Beziehung kann man auch für die anderen bereits
behandelten Anordnungen einen Schwaiger’schen Faktor angeben. Er kann gedeutet werden
als Grad der Ausnutzung des Dielektrikums in einem inhomogenen Feld gegenüber einem
homogenen Feld mit gleichem Abstand.

So ergibt sich beispielsweise für:

U ! U 2 r0 d
• parallele Zylinder (d >> r0 ) : E max = = →η = ln
2 r0 ⋅ ln d / r0 d ⋅η d r0
U ! U r0 2h
• Draht − Platte (h >> r0 ) : Emax = = →η = ln
r0 ⋅ ln 2h / r0 h ⋅η h r0
U ! U ri r
• Koaxiale Zylinder : Emax = = → η = ln a
ri ⋅ ln ra ri (ra − ri ) ⋅ η ra − ri ri
U ! U ri
• Konzentrische Kugel n : Emax = = → η =
ri ⋅ (1 / ri − 1 / ra ) (ra − ri ) ⋅ η
2
ra

Bei anderen Anordnungen muß η gemessen werden.

Speziell für die Durchschlagspannung einer Anordnung gilt:

U d = E d sη mit Ud = Durchschlagspannung und Ed = Durchschlagfeldstärke

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Die Kapazität von Kugeln und Zylindern läßt sich auch über die Luft-Einheitskapazität CLE
berechnen, die längenbezogen (z.B. in pF/cm) und für εr = 1 definiert werden kann. Die
Kapazität ergibt sich dann für:

Zylinderelektroden zu C = εr∙l∙C LE

Kugelelektroden zu C = εr∙r∙C LE

Dabei ist l die Länge der Zylinder und r der Radius der kleineren Kugel.

Angegeben wird die Luft-Einheitskapazität am besten in Abhängigkeit des


Geometriekennwerts

p = 1 + s/r

Damit kann C LE aus der folgenden Darstellung entnommen werden.

Luft-Einheitskapazität abhängig vom Geometriekennwert p (nach Hilgarth)

Ein Vorteil dieses Verfahrens ergibt sich insbesondere für die Anordnungen Kugel-Kugel und
Kugel-Ebene, die anders nur umständlich berechnet werden können.

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1.4 Analytische und numerische Feldberechnungsmethoden


Wenn es wegen der Elektrodenform nicht möglich ist, elementar zu rechnen, werden andere
Methoden angewendet, um Potenzial- und Feldstärkeverlauf zu ermitteln:

Entweder man löst die Differentialgleichung des Feldes analytisch oder man verwendet
berechenbare Ersatzladungen oder man löst die Gleichungen numerisch mit Rechnereinsatz.
Die gemeinsame Basis in der theoretischen Elektrotechnik bilden die Maxwellschen
Gleichungen, mit deren Hilfe sich alle elektromagnetischen Phänomene beschreiben lassen.

Sie lauten:
r
r r dD r
rot H = s + div B = 0
dt
r
r dB r
rot E = − div D = ρ
dt

Diese Gleichungen sind im allgemeinen nur numerisch zu lösen, lediglich in einfachen Fällen
gelingt eine analytische Lösung.

Für die Elektrostatik, also ruhende und zeitunabhängige Felder, genügt die letzte Gleichung.

1.4.1 Analytische Lösungen mit der Potenzialgleichung


Man wählt zunächst die Koordinaten so, dass sie sich der Elektrodenform anpassen, z.B.
• Zylinder-Koordinaten (r, φ, z)
• Kugel-Koordinaten (r, φ, ϑ )
• Elliptische Koordinaten
• Bisphärische Koordinaten

In diesen Koordinaten wird die Laplace’sche-Differentialgleichung (Potenzialgleichung) des


elektrischen Feldes gelöst. Sie entsteht aus der letzten Maxwellschen Gleichung für die
Raumladungsdichte:
r r
div D = div (ε ⋅ E ) = ρ
r ρ  ∂ 2ϕ ∂ 2ϕ ∂ 2ϕ 
div E = = −div grad ϕ = − 2 + 2 + 2 
ε  ∂x ∂y ∂z 

Hieraus folgt die Poissonsche DGL:

 ∂ 2ϕ ∂ 2ϕ ∂ 2ϕ  ρ
 
 ∂x 2 + ∂y 2 + ∂z 2  = − ε
 

Für raumladungsfreie Anordnungen entsteht daraus mit ρ=0 die Laplacesche DGL, die für
unsere Betrachtungen genügt:

 ∂ 2ϕ ∂ 2ϕ ∂ 2ϕ 
 
 ∂x 2 + ∂y 2 + ∂z 2  = ∆ϕ = 0
 

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Dabei ist der Laplace’sche Operator ∆ die zweite Ableitung nach allen Koordinaten. Das
Ergebnis der Lösung ist das Potenzial φ, aus dem über die Beziehung E = – grad φ (mit grad
als 1. Ableitung nach allen Koordinaten) die Feldstärke E berechenbar ist.

Wesentlich sind dabei die Randbedingungen des Systems, mit denen die Laplace-Gleichung
erfüllt wird. Eine Lösung existiert nicht für jedes System. Nur wenn die Variablen separiert,
also getrennt dargestellt werden können, gibt es eine geschlossene Lösung. Diese erfordert
meist höhere Funktionen (wie Bessel- oder Kugelfunktionen). Das Verfahren ist schwierig,
aber ergibt exakte mathematische Lösungen.

Beispielsweise lauten die Gleichungen in kartesischen Koordinaten (x, y, z):

(ds )2 = (dx )2 + (dy )2 + (dz )2 mit ds = Wegelement im Raum


∂ϕ ∂ϕ ∂ϕ
grad ϕ = e x + ey + ez ϕ = Potential , e x,y ,z = Einheitsvektoren
∂x ∂y ∂z
∂ 2ϕ ∂ 2ϕ ∂ 2ϕ
∆ϕ = + + E = Feldstärke
∂ x 2 ∂y 2 ∂z 2
E = − grad ϕ ( − : Feldstärkevektor für fallendes Potential positiv )
∆ϕ = 0 für raumladungsfreies Feld (Laplacesch e DGL )
ρ
∆ϕ = − für Feld mit Raumladung ρ ( x, y , z ) (PoissonscheDGL )
ε
Bernoulli’scher Produktansatz für die Lösung:

φ = X(x) ·Y(y) ·Z(z) (Variablen getrennt (separiert))

Nur wenn das Potenzial φ so dargestellt werden kann, ist die Laplacesche DGL lösbar! Diese
Darstellung ist einfacher in transformierten Koordinaten.

Einfache Beispiele zur Lösung der Potenzialgleichung:

Plattenkondensator
Hier werden sinnvollerweise kartesische Koordinaten x, y, z verwendet (ebenes Problem).

φ φ φ
∆ = 2
+ 2
+ 2
=0

Die Potenzialgleichung vereinfacht sich hier zu: = 0 daraus: =

Allgemeine. Lösung der DGL: φ(x) = ∙ + mit Randbedingungen: φ(0) = 0 φ( ) =

!
=0 = Potenzial: φ(x) = ∙ E-Feldstärke: =− (φ) = − =−

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Zylinderkondensator
Da es sich um ein rotationssymmetrisches Problem handelt, kommen die Zylinderkoordinaten
r, α, z zur Anwendung.

φ 1 1 φ φ
∆ = + ∙ + ∙ + =0
2 #2 2

!
Die Potenzialgleichung vereinfacht sich hier zu: + ∙ =0
$ $ $

Allg. Lösung der DGL: φ(r) = ∙ &' +


*+$.
mit Randbedingungen: φ( ( ) = φ( ) ) = 0 daraus: = , =− ,
*+ - *+ -
,. ,.

, ,
*+ ! *+
φ(r) = ( )=− = ∙
,. ,.
Potenzial: , E-Feldstärke: ,
*+ - $ $ *+ -
,. ,.

1.4.2 Numerische Lösung mit dem Differenzenverfahren


Das zu ermittelnde Feld wird mit einem Gitternetzwerk aus Vierecken überzogen. In jedem
Viereck wird das Potenzial der Mitte aus den Eckenpotenzialen bestimmt. Diese werden
festgelegt bzw. geschätzt. Die Berechnung erfolgt mit Rechner iterativ, d.h. die neube-
rechneten Potenziale dienen als Eckenpotenziale einer weiteren Berechnung. Dies wird
solange fortgeführt, bis die Differenz der Ergebnisse zweier Berechnungen einen festgelegten
Betrag unterschreitet (i.a. 3-5 Durchgänge ausreichend).

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Als Berechnungsformel für die Mittenpotenziale dient die sog. Viereckformel, die sich aus der
Entwicklung des Potenzials in eine Taylor-Reihe ergibt:

1 ∂ϕ ∂ϕ 
ϕ = ϕ0 + (x − x 0 ) + (y − y 0 ) +
1!  ∂x ∂y
1 2
2 ∂ ϕ ∂ 2ϕ 2 ∂ ϕ
2
1  ... 
+ (x − x 0 ) 2
+ 2 ( x − x 0 )(y − y 0 ) + (y − y 0 ) 2 
+  
2!  ∂x ∂ x∂ y ∂ y  3 !  ... 
∂ϕ 1 ∂ 2ϕ 
ϕ1 = ϕ 0 + h + 0 +  h 2 2
+ 0 + 0 
∂x 2  ∂x 
∂ϕ 1 ∂ ϕ
2
ϕ2 = ϕ0 + 0 + h +  0 + 0 + h 2 
∂y 2 ∂ y 2 
∂ϕ 1 ∂ 2ϕ 
ϕ3 = ϕ0 − h + 0 +  h 2 2
+ 0 + 0 
∂x 2  ∂x 
∂ϕ 1 ∂ ϕ
2
ϕ4 = ϕ0 + 0 − h +  0 + 0 + h 2 
∂y 2 ∂ y 2 

 ∂ 2ϕ ∂ 2ϕ 
Addiert: ϕ1 + ϕ 2 + ϕ 3 + ϕ 4 = 4ϕ 0 + h 2  2 +  =
2 
 ∂ x ∂ y 
= 4ϕ0 (wg. ∆ϕ = 0)

Damit lautet die Viereckformel zur Berechnung des Mittenpotenzials:

1
ϕ0 = (ϕ1 + ϕ 2 + ϕ 3 + ϕ 4 )
4

Beispiel Potenzialermittlungen zweier Punkte:

=0 = 1/3 1 = 2/3 2 = 1/3 daraus: ) = 1/3 bleibt konstant, da homogene

Stelle

3 = 1/3 4 = 2/3 5 = 2/3 6 = 1/3 daraus: 7 = 1/2 verbessert sich, da inhomogene

Eckstelle

Danach weitere Iterationsrechnungen auf Rechner ausführen, bis die gewünschte Genauigkeit
erreicht ist. Ergebnis sind die Potenziale an den Netzknoten. Damit sind die Äquipotenziallinien
zu zeichnen und senkrecht dazu die Feldlinien. Je feiner das ursprüngliche Netz, desto
schneller und genauer die Rechnung.

Das Verfahren eignet sich besonders für ebene Felder (in z-Richtung invariant).

18
Elektrische Energieübertragung und -verteilung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rehm

Beispiel einer Berechnung mit Zoom-Asschnitt (Schaltschrank):

1.4.3 Numerische Lösung mit der Methode der Finiten Elemente (FEM)
Über das zu berechnende Feld wird ein Gitternetzwerk aus Dreiecken unterschiedlicher Größe
gelegt, z.B. Ecke:

Volumen: V = A∆ ∙ l für ebenes Feld

V = A∆ ∙2∙π∙r für rotationssymmetr. Feld

Energie eines Volumenelements:


1 1 Q
W∆ = C U2 = Q U ( mit C = )
2 2 U
1 ε
da ∫
Q = D dA
A
und
s

U = E ds , folgt W ∆ =
2 As
∫∫
D E dA ds =
2 V
E 2 dV ∫∫∫
W∆ ' ε ε  ∂ϕ  2  ∂ϕ  2 
Für ebenes Feld ergibt dies
l
= W∆ =
2 ∫
E 2 dA =
2 ∫   + 
 ∂ x 
  dA
 ∂ y  

Die Potenzialverteilung im Dreiecks-Element wird durch eine Potenzialfunktion angenähert

19
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z.B. ϕ = a0 + a1 x + a2 y

Im Dreieck x1, y 1 / x 2 , y 2 / x 3 , y 3 gilt dann


ϕ1 = a0 + a1x1 + a2 y 1
ϕ 2 = a0 + a1x 2 + a2 y 2
ϕ 3 = a0 + a1x 3 + a2 y 3

∂ϕ ∂ϕ 2 2
Mit = a1 und = a2 folgt E = a1 + a2 (in jedem Dreieck konstant ).
∂x ∂y
ε 2 2
Damit wird die Energie in ∆ i W ∆' i = (a1i + a2i ) A∆ i
2
m

∑ [(a ) ]
ε
und die gesamte bezogene Energie des Feldes W' = ∑W i
∆i =
2 i =1
1i
2 2
+ a2i A∆ i

= f (ϕ1 ,ϕ 2 ,...........ϕ m )
∂W ' !
Energie im Feld ist minimal klein : =0 → ϕ1, ϕ 2 ,.......ϕ m
∂ϕ i

Das sind die gesuchten Potenziale in den Eckpunkten der Dreiecke. Damit lassen sich die
Äquipotenziallinien sowie - senkrecht dazu – die Feldlinien darstellen.

Beispiel: Berechnung des Potenzials einer


Ecke mit der FEM (nach Hilgarth)

Gesucht sind die Potenziale der Punkte


1 und 2.

Annahme: Potenzial in x =1/y = 1 sei U/2.

Gleich große Dreiecke zwecks Vereinfachung


mit der Fläche AΔ= 0,5 cm2.

Wegen Symmetrie nur eine Feldhälfte


betrachtet.

20
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Mit U = 1 V ergeben sich für Dreieck 1 die drei Potenzialgleichungen:


ϕ1 =
ϕ2 =
1V =
Daraus ergeben sich die Koeffizienten a11 = und a21 =
und damit die bezogene Energie des Dreiecks 1
W ∆1 =
Anal og für Dreieck 2 a12 = und a22 =
W∆2 =
Die restlichen Dreiecke entsprechend
W ∆3 =
W∆4 =
W ∆5 =
W∆6 =
W ∆7 =
W ∆8 =
Die Summe ist W ' = Σ W ∆' i =
∂W ' ∂W '
partiell differenziert und 0 gesetzt = =
∂ϕ1 ∂ϕ 2
ergibt die beiden Gleichunge n
2 ϕ1 − ϕ 2 = 0
− 4 ϕ1 + 16 ϕ 2 = 6 V
mit den gesuchten Lösungen ϕ1= und ϕ2 =

1.4.4 Ersatzladungsverfahren (nach Steinbigler)


Dieses Verfahren eignet sich für ebene und besonders für rotationssymmetrische Feld-
anordnungen.

Je nach Form der Elektrode werden zunächst unbekannte Punkt-, Linien,- Ring- oder
Flächenladungen innerhalb der Elektrode angebracht (an Stelle der echten Ladungen auf der
Elektrodenoberfläche). Dann wird die Größe dieser Ladungen ermittelt, und zwar so, dass die
Elektrodenkontur Äquipotenzialfläche mit dem vorgegebenen Potenzial ist.

Erläuterung am Beispiel eines runden Stabes über einer Ebene:

Die Ersatzladungen Q seien hier Punktladungen, die an der Ebene gespiegelt werden.

Das Potenzial einer gespiegelten Punktladung Qj in einem Raumpunkt i ist nach Grdlg. der
ET:

21
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Qj  1 1
ϕi =  −  =
4 π ε  r1 r 2 
 
Qj  1 1 
=  2 − =
4 π ε  r + (d − z )2 r i 2 + (d j + z i )
2

 i j i 
= Q j ⋅ pi j

mit pi j = Ladungskoeffizienten, aus Geometrie errechenbar.

Auf der Rotationsachse werden n Punktladungen angebracht, dafür ist das Potenzial im
Raumpunkt i
n
ϕ ij = ∑Q
j =1
j ⋅ pi j (*)

Auf der Elektrodenkontur (φ= U) werden ebenfalls n Konturpunkte festgelegt, auf die die obige
Gl. angewendet wird; das ergibt das lineare Gleichungssystem in Matrizenform

 p11 p12 ... p1n   Q1  U 


    Die Lösung dieses Gleichungssystems liefert
 p21 ... ... ...  Q2  U 
⋅ = Die Ersatzladungen Q1 bis Qn.
 ... ... ... ...   ...  ...
     
 p n1 ... ... p nn  Qn  U 

Da jetzt die Größe der Ersatzladungen Qj bekannt ist, kann das Potenzial in jedem Raumpunkt
bestimmt werden. Es können dann Äquipotenzial- und Feldlinien gezeichnet werden.

Je mehr Ladungen und Konturpunkte angebracht werden, desto genauer ist das Verfahren.

Beispiel: Kugel über Ebene (nach Hilgarth)

Gesucht sind die höchste Feldstärke sowie der


Ausnutzungsfaktor nach Schwaiger.

Es werden 4 punktförmige Ersatzladungen Q1


bis Q4 auf der Rotationsachse in gleichem
Abstand ∆z = 1 cm und 4 Konturpunkte auf der
unteren Kugelhäfte verteilt angeordnet.

Die Koordinaten der Konturpunkte lauten: r1/z1 = 0 / 4,0 cm; r2/z2 = 1,0 / 4,27 cm; r3/z3 = 1,732
/ 5,0 cm; r4/z4 = 2,0 / 6,0 cm.

22
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Die Abstände der Punktladungen von der Ebene laut Skizze: d1/2/3/4 = 4,5 / 5,5 / 6,5 / 7,5 cm.

Damit können die Ladungskoeffizienten berechnet werden, beispielsweise:


 
1  1 1 
p 42 = −  =
4πε  r 2 + (d − z )2 r 4 + (d 2 + z 4 )
2 2
 4 2 4 
 
1 cm  1 1 
=
4π 8,854 ⋅ 10 − 14 
F  2 2 + (5,5 − 6 )2

2  = 0,359 TV / As
 2 2 + (5,5 + 6 ) 

Mit den Ladungskoeffizienten in TV/As, den (unbekannten) Ersatzladungen in pAs und den
Spannungen in V ergibt sich das Gleichungssystem in Matrizenform:

 1,6981 0,5046 0,2739 0,1786  Q1  100 


  Q   
0,7967 0,4767 0,2837 0,1888   2 
⋅ = 100 
0,4055 0,4141 0,3150 0,2243  Q3  100 
     
0,2754 0,3590 0,3650 0,2937  Q 4  100 

Daraus errechnen sich die gesuchten Ersatzladungen Q:

Q1 = - 0,492 pAs Q3 = 387,82 pAs


Q2 = 69,15 pAs Q4 = - 225,55 pAs

Mit diesen gefundenen Ersatzladungen kann man für jeden Raumpunkt (ri, zi) das Potenzial
ermitteln.

Kontrolle für einen Kugelpunkt (1):

4  
Qj  1 1 
ϕ1 = ∑ 
j = 1 4πε  r
− 
 1
2
+ (d j − z1 )2
r12 + (d j + z1 )
2

Die Konturen für φ = U sind wegen der geringen Zahl der Konturpunkte nur im unteren
Viertelkreis genau. Für die Bestimmung der höchsten Feldstärke ist dies jedoch ausreichend.
Auf der Achse r1 = 0 und z1 = 4 cm sowie d1/2/3/4 = 4,5 / 5,5 / 6,5 / 7,5 cm ergibt sich
4 Qj  1 1 
ϕ1 = ∑ 4πε  −
 d j − z1 d j + z1  Gilt allgemein auf der Achse für z1 = z.
j =1  

Damit ist auch Emax = E1 berechenbar

∂ϕ 4 Q j  1 1 
 Auf der gesamten Achse
E max = −
∂z
= ∑ 
j = 1 4πε  (d j − z1 )
2
+
(d j + z1 )2  für z1 = z.

Für das vorliegende Beispiel berechnet sich das Potenzial in 1 zu:

1 1 1 1 1
= >−0,492 @ − A + 69,157 @ − A
49 ∙ 8,845 ∙ 10= 2 4,5 − 4 4,5 + 4 5,5 − 4 5,5 + 4
1 1 1 1
+ 387,829 @ − A − 228,539 @ − A D = 100 E
6,5 − 4 6,5 + 4 7,5 − 4 7,5 + 4

23
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und die gesuchte Maximalfeldstärke (ebenfalls in 1)

1 1 1 1 1
F) = >−0,492 @(4,5 − 4) + (4,5 + 4) A + 69,157 @(5,5 − 4) + (5,5 + 4) A
49 ∙ 8,845 ∙ 10= 2

1 1 1 1
+ 387,829 @ + A − 228,539 @ + AD
(6,5 − 4) (6,5 + 4) (7,5 − 4) (7,5 + 4)
= 67,39 E/GH

Der Schwaiger’sche Ausnutzungsfaktor wird damit:

100 E
I= = = 0,371
∙J E
F) 67,39 GH ∙ 4GH

Im Folgenden ein Beispiel, wo mithilfe der numerischen Feldberechnung die Feldverteilung an


einem Mittelspannungskabelendverschluss optimiert wurde:

24
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2. Entladungsvorgänge
2.1 Der Durchschlag in Gasen
Ein Durchschlag ist die Entladung zwischen zwei Elektroden durch die Aufhebung der
Isolierfähigkeit des dazwischen liegenden Dielektrikums.

Damit eine derartige Entladung in einem gasförmigen Medium überhaupt zu Stande kommen
kann, muss das Gas ionisiert sein, d. h. zwischen den Elektroden müssen freie Ladungsträger
(Ionen oder Elektronen) vorhanden sein. Ionisierung ist also die Aufspaltung eines Atoms oder
Moleküls in positive und negative Ladungsträger.

2.1.1 Ionisierungsvorgänge
Stoßionisation
Ein beliebiges Teilchen der Masse m und der Geschwindigkeit v hat die Möglichkeit zu
ionisieren, wenn seine kinetische Energie größer ist als die Ionisierungsenergie des Gases:
m 2
v ≥ E i = Ionisierungsenergie in eV
2

1 eV (Elektronenvolt) ist diejenige Energie, die ein Elektron mit der Ladung e = 1,6 ∙10-19 As
beim Durchfliegen einer Spannungsdifferenz von 1 V aufnimmt.

Daraus folgt: 1 eV = 1,6 ∙10-19 Ws).

Für Wasserstoff beträgt beispielsweise Ei = 13,54 eV.

Ist das ionisierende Teilchen ein Elektron mit hoher Geschwindigkeit, kann es ein weiteres
Elektron aus der äußeren Hülle eines Atoms durch Stoß befreien: Es entstehen so ein positives
Ion und ein negatives Elektron; das nennt man Stoßionisation.

Die Geschwindigkeit des beschießenden Teilchens hat insofern einen Einfluß auf die Ionisie-
rungswahrscheinlichkeit σ, als bei zu geringer Geschwindigkeit die Energie nicht ausreicht
und bei zu hoher die Einwirkungszeit zu klein ist. Die Folge ist eine σ-Kurve mit Maximum bei
einer bestimmten Energie für jedes Gas.

Photoionisation
Auch Strahlung kann ionisieren. Die entsprechende Energie einer Strahlung ist h∙f (mit dem
Planck’schen Wirkungsquantum h = 6,61∙10-34 Js und der Strahlungsfrequenz f).
Auch hier gilt, dass die einwirkende Energie höher sein muss als die Ionisierungsenergie, um
erfolgreich ionisieren zu können:

h∙f > Ei

Das ist erfüllt z. B. für UV-Strahlung und α, β, γ - Strahlung mit λ = 0,15 – 0,2 μm.

Thermoionisation
Die thermische Eigenbewegung ist vernachlässigbar, dagegen erhöht die Wärmestrahlung
eines erhitzten Gases die Photoionisation. Ist die Temperatur so hoch, daß die Elektronen von
sich aus (Braun’sche Bewegung) den Atomverbund verlassen, entsteht Thermoionisation.

Den Zusammenhang zwischen Gastemperatur T und Ionisierungsgrad x gibt die sog. Saha –
Gleichung an:

x2 E
p⋅ = 2,4 ⋅ 10 − 4 ⋅ T 2,5 ⋅ exp ( − i )
1− x kT

25
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mit p = Gasdruck
T = absolute Temperatur in K
x = ni / no = Ionisierungsgrad
k = Boltzmann-Konstante (1,37⋅10-23 J/K)

Ei = Ionisierungsenergie

Oberflächenionisation
Hierbei treten freie Elektronen aus der Elektrode aus. Das geschieht dann, wenn die kinetische
Energie des Elektrons größer ist als die Austrittsarbeit, die nötig ist, um das Elektron zu
befreien (Fermi-Niveau).

Dies kann geschehen durch:


• Erhitzen der Elektrode (z.B. Glühkathode in Röhren)
• Beschießen der Oberfläche mit Teilchen (ionisierende Strahlung)
• Lichtelektrische Elektronenauslösung
• Anlegen eines starken äußeren Feldes (Feldemission)

Das Ergebnis aller vorgenannten Ionisierungsvorgänge ist also ein ionisiertes Gas.

In der Hochspannungstechnik wird das Anfangselektron, mit dem alles beginnt, durch
Feldemission oder natürliche kurzwellige oder radioaktive Strahlung bereit gestellt.

Dieses Anfangselektron wird dann durch die Feldkräfte beschleunigt und erzeugt durch
Stoßionisation neue Elektronen, die Entladung beginnt.

2.1.2 Der statische Durchschlag

Berechnung des Gasdurchschlags


Bei Spannungssteigerung an einer Luftstrecke ergibt sich folgender Stromverlauf:

io = Vorstrom

Vorstromdichte
bei verdunkeltem Raum: 10-15A/cm²
bei Bestrahlung mit Quarzlampe: 10-12A/cm²

Ud = Durchschlagspannung

Wenn ionisierte Teilchen selbst wieder ionisieren (bei Ud), ergibt sich eine lawinenartig
ansteigende Zahl von Teilchen, also eine Elektronenlawine, die in kürzester Zeit zum
Durchschlag, d. h. Bildung eines leitenden Kanals zwischen den Elektroden, führt.
Die Ionisierungsbedingungen sind in diesem Fall so gut, daß eine Kettenreaktion durch
Stoßionisation erfolgt.
Man nennt diese Entladungsform Townsend’sche Elektronenlawine oder Generations-
mechanismus.

Der Ionisierungskoeffizient α bezeichnet die Anzahl der Ionisierungen, die 1 Elektron längs
eines Weges bewirkt. Er wird meist auf den Gasdruck bezogen angegeben:

26
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B
α −
E/ p
= A⋅e = f ( E / p)
p

Für Luft mit 20 °C gilt: A = 645 (bar∙mm)-1


B = 19 kV/(bar∙mm)

gültig für 3 < E/p < 14 kV/(bar∙mm)

Eine gute Näherung ergibt die Parabelgleichung:


2
α E  E  
= k1  −    Hier ist: k1 = 1,65 bar∙mm / kV²
p  p  p 0  (E/p)0 = 2,13 kV/(bar∙mm)

Dabei ist vorausgesetzt, dass alle bei der Ionisierung entstehenden Elektronen frei bleiben und
weiter ionisieren. Das ist nur der Fall bei elektropositiven Gasen wie Edelgasen, Wasserstoff,
Stickstoff, Luft.

In elektronegativen Gasen wie Sauerstoff, Halogenverbindungen, SF6 werden Elektronen


eingefangen und negative Ionen gebildet. Da Ionen träge sind, können sie nicht weiter
ionisieren.

Aus diesem Grund ist der Ionisierungskoeffizient α um den Anlagerungskoeffizienten η zu


vermindern:

α =α−η

Dadurch entsteht aus der Parabel praktisch eine Gerade, so dass die Näherungsgleichung.
nun lautet:

α E  E  
= k2  −   
p  p  p 0 

Für SF6 gilt bei 20 °C:

k2 = 27,7 (kV) -1
(E/p)0 = 8,84 kV /(bar mm)

Für Luft und SF6 bei Normaldruck (1,013 bar) ergeben sich daher die Ionisierungs-
koeffizienten bei Durchschlagsfeldstärke (Luft: 30 kV/cm, SF6: 89 kV/cm):

 B  645  19 kV /(bar mm) ⋅ 1,013 bar 


Luft : α = p ⋅ A ⋅ exp  −  = 1,013 bar ⋅ ⋅ exp  −  =
 E/ p bar mm  3,0 kV / mm 
−1
= 10,7 cm

27
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2 2
E  E   bar mm  3,0 kV / mm kV 
oder α = p ⋅ k1 ⋅  −    =1,013 bar ⋅ 1,65 ⋅  − 2,13  =
 p  p 0  kV 2
 1,013 bar bar mm 
= 11,6 cm −1

E  E   27,7  8,9 kV / mm kV 
SF6 : α = p ⋅ k2 ⋅  −    = 1,013 bar ⋅ ⋅  − 8,84  =
 p  p  0  kV  1,013 bar bar mm 
= − 15,2 cm −1 (!?)

Da das berechnete α bei SF6 negativ ist, aber der Wert für die Durchschlagfeldstärke
gemessen ist, muss noch ein anderer Effekt für neue Elektronen sorgen, die
Rückwirkungsausbeute γ:

Die bei der Ionisierung übrig bleibenden positiven Ionen wandern zur Kathode zurück und
schlagen dort neue Anfangselektronen heraus. Für Luft ist γ beispielsweise 0,035 bei Al-
Elektrode und 0,025 bei Cu-Elektrode (eigentlich auch f(E/p).

Der gesamte Vorgang läuft also so ab:

Wenn γ groß genug ist, tritt


selbständige Entladung ein, gebildet
aus vielen nacheinander ablaufenden
Lawinen, daher der Name
Generationsaufbau.

Ableitung mathematisch:

Zwischen x und dx ist die Zunahme an Elektronen

dn
= α ⋅n → dn = α ⋅ n ⋅ dx
dx
n x
dn n

n0
n 0

= α dx → ln
n0
= α⋅x

n = n0 ⋅ e α x
für x = d : n = n0 ⋅ e α d

z.B. bei d = 1cm und n 0 = 1 :


n = 1⋅ e10,7 ⋅1 = 44.356 (! )

n gibt also die Gesamtzahl der auf der Strecke d vorhandenen Elektronen an: exponentielles
Wachstum, daher der Name Elektronenlawine.

Dazu kommen die von den neu gebildeten Elektronen (n-no) an der Kathode durch Ober-
flächenionisation erzeugten Elektronen γ(n-no).

28
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Damit wird die Gesamtzahl:

( )
n ' = n 0 ⋅  e α d + γ e α d − 1 e α d + γ 2 e α d − 1 e α d + ... 

2


( )

1
Das ist eine geometrische Reihe der Form 1 + x + x 2 + x 3 + .... =
1− x
also
eα d
n ' = n0 ⋅
(
1 − γ eα d − 1 )
Damit ergibt sich die Townsend’sche Durchschlagbedingung (Nenner → 0) zu

γ ( eα d − 1) ≥ 1

2.1.2 Durchschlagspannung im homogenen Feld

a) Exakte Gleichung nach Townsend-Bedingung

Mit E = U/d folgt im homogenen Feld für die Durchschlagspannung Ud :

B⋅ p⋅d
α −
Ud B⋅ p⋅d
=e → Ud = −
A⋅ p α
ln
A⋅ p
 1 k
α ⋅ d ≥ ln 1 +  = k ( gesetzt ) → α=
 γ d

Damit wird die Durchschlagspannung (Paschen Gesetz)

B⋅p ⋅d B⋅p ⋅d
Ud = − = = f (p ⋅ d)
k A ⋅p⋅d
ln ln
A ⋅p⋅d k

Das bedeutet: Die Durchschlagspannung ist im homogenen Feld abhängig vom Produkt p∙d,
also Gasdruck mal Schlagweite.

Der kritische Verstärkungswert k, bei dem der Durchschlag erfolgt, ist ebenfalls eine
Funktion von p∙d, so gilt z.B. für Luft unter Normalbedingungen (p = 1,013 bar /20°C oder
δ= 1):

d 0,01 mm 1 cm 10 cm
k 3,7 13,3 45

Beispiel: Durchschlagspannung bei Platten mit d = 1 cm und p = 1,013 bar


∙ , ∙
= ∙ , ∙ = 31,1
∙ ∙
∙ ∙ ,

29
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Verlauf von Ud: Verlauf von Ed:

Es fällt auf, dass Ud bei kleinen p·d–Werten wieder ansteigt. Die freie Weglänge kommt hier in
die Größenordnung der Schlagweite, daher Ionisierung behindert, also größeres Ud.
(Mikroelektronik !).

Das Minimum liegt bei 730 Pa∙mm / 352 V (Luft) bzw. 350 Pa∙mm / 507 V (SF6).
Es gilt: 1 mbar = 1 hPa

Auch die Durchschlagfeldstärke Ed ist nur bei größeren Schlagweiten mit ca. 30 kV/cm etwa
konstant, bei sehr kleinen Abständen steigt sie erheblich an.

b) Näherungsgleichungen für Ud
2
α E E 
= k1  d −    mit α ⋅ d = k
p  p  p 0 
E k⋅p
Ed = p ⋅   + mit U d = Ed ⋅ d
 p 0 k1 ⋅ d
E k
U d = p ⋅ d ⋅   + ⋅ p⋅d = b⋅ p⋅d + c⋅ p⋅d
 p 0 k1

Für Näherungsrechnungen gilt im Bereich einiger cm (nicht für p∙ d → 0):

b = 24,05 kV/bar· cm und c = 6,67 kV/(bar·cm)-1/2

Damit ist für Luftdichte δ = 1 die Näherungsgleichung für das homogene Feld:

Ud = 24,4 ⋅ d + 6,7 ⋅ d U in kV Es ergibt sich hier für d = 1 cm:


Ud = 31,1 kV
d in cm
c) Einflüsse auf die Durchschlagspannung in Luft

• Temperatur und Druck: relative Luftdichte δ

p ⋅ T0 293,2 K ⋅ p p
δ= = = 0,289 ⋅ mit p in mbar und T in K (abs. Temp.)
p 0 ⋅ T 1013 mbar ⋅ T T

Damit wird die Durchschlagspannung näherungsweise bis d = 1 m:

U d = δ ⋅ U d0

30
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Bei größeren Abständen und im inhomogenen Feld


ist δm zu setzen mit m = 1 für d = 1 m und
m = 0,4 für d = 6 m, dazwischen linear.

• Luftfeuchte (Normwert 11g/m3)


Homogenes Feld: Kein Einfluß (!)
Inhomogenes Feld: Einfluß komplex, aber gering
(meist vernachlässigt, sonst
kf = 0,9 – 1,1 nach VDE 0432)

1
Ud = ⋅ U d0
kf

• Aufstellungshöhe
Wirkt sich auf den Luftdruck aus, der wiederum Ud beeinflußt (s.o.)

Barometrische Höhenformel:
ρ⋅g⋅H

pNN kg
p = p NN ⋅ e mit ρ = 1,3 kg / m 3 1 Pa = 1
m s2
g = 9,81 m / s 2

Für SF6 gilt analog:

α E E  α k E
= k2  d −    mit α ⋅ d = k fol gt = = Ed −   ⋅ p
p  p  p 0  k2 k2 ⋅ d  p 0

E k k 14
U d = E d ⋅ d =   ⋅ p ⋅ d + mit k = 14 bei SF6 und = ≈ 0,5
 p 0 k2 k2 27,7

wird die Durchschlagspannung für SF6

kV
U d = 8,84 ⋅ p ⋅ d + 0,5 kV
bar ⋅ mm

Es ergibt sich hier für d = 10 mm und p0: Ud = 88,9 kV

Bei SF6 sind in der Praxis die Abweichungen von diesem Wert größer als bei Luft:
Oberflächenrauhigkeiten und Konditionierungseffekte verringern die Durchschlagspannung.

Die vorgenannten Formeln gelten eigentlich nur bis p∙d < 2 bar∙cm (α∙d <18). Bei größeren
Werten wird die Townsend’sche Elektronenlawine instabil und es entwickelt sich daraus eine
Kanalentladung, auch Streamermechanismus genannt.

2.1.3 Durchschlagspannung im inhomogenen Feld (Spitze-Spitze, Spitze-Platte)


Für den technisch interessanten Bereich ergibt das Paschen Gesetz annähernd eine Gerade
für das homogene Feld (s.o.).

Für das inhomogene Feld (Normalfall in der Praxis) liegt die Durchschlagspannung bei
gleicher Schlagweite niedriger wegen der örtlich höheren Feldstärke.

31
Elektrische Energieübertragung und -verteilung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rehm

Ausserdem treten bei steigender Spannung Vorentladungen in Form von Teilentladungen


auf, bevor es dann bei weiterer Spannungssteigerung zum Durchschlag kommt.

Außerdem hängt Ud von der Elektrodenform, die den Grad der Inhomogenität bestimmt, und
von der Polarität ab.

Erklärung der unterschiedlichen Kurvenverläufe aus dem Entladungsmechanismus:

Der Polaritätsunterschied kommt zu Stande durch die unterschiedliche Wanderungs-


geschwindigkeit von Elektronen und Ionen:

Elektronen sind im elektrischen Feld etwa 500 mal schneller als Ionen.

Daher wandern die Elektronen schneller ab und es bildet sich bei beiden Polaritäten der Spitze
eine (überwiegend) positive Raumladungswolke vor der Spitze aus, jedoch mit
unterschiedlicher Wirkung auf Ud, wie nachstehende Bilder verdeutlichen.

a) Positive Spitze – negative Platte

Kurve 0: Feld bei Ua = Anfangsspannung


Kurve 1: Feld nach Einsetzen der Stoßionisation
Elektronen wandern schneller ab, pos.
Ionen bleiben vor Spitze übrig.

Kennzeichen: “Positive Pseudospitze“


(verringert die Schlagweite, Folge: kleineres Ud )
Aussehen der Vorentladung: Ruhig vorwachsend
von Spitze aus

b) Negative Spitze – positive Platte

Kurve 0: Feld bei Ua (wie oben)


Kurve 1: Feldstärke-Erhöhung vor neg. Spitze
durch pos. Raumladungswolke. Weniger
Spannung für Restfeld

Kennzeichen: “Aufsteilung des Feldes“


(vermindert Spannung an der Strecke, höheres U
für Durchschlag nötig).

Aussehen der Vorentladung: Zusammengezogener


Leuchtpunkt vor Spitze, im Innern impulsförmige
Entladungen (“Trichel-Impulse“).

c) Spitze - Spitze

Beide Verhältnisse gleichzeitig: Ud dazwischen

d) Wechselspannung

Durchschlag erfolgt in der Halbwelle mit der niedrigeren Durchschlagspannung, also in der
positiven bei etwas höherer Spannung wegen des wechselnden Raumladungsaufbaus.

32
Elektrische Energieübertragung und -verteilung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rehm

Näherungsformeln für die Durchschlagwechselspannung (nach Roth):


(U Effektivwerte in kV, d Abstand in cm, δ = 1)

Spitze – Spitze: Ud, eff = 14 + 3,16 · d (eine Spitze geerdet) d= 8 – 140 cm


Ud, eff = 11 + 3,61 · d ( “ ) d= 140 –250 cm
Ud,eff = 14 + 3,36 · d (nicht geerdet, d = 8 – 140 cm
erdsymmetrisch)

Spitze– Platte: Ud, eff = 3,36 ∙ d (Platte geerdet) d = 30 – 250 cm

Überschlägig kann man daher unabhängig von der Elektrodenform mit 3 - 3,4 kV pro cm
Schlagweite rechnen.

Die Durchschlagwechselspannung wird in der technischen Praxis auch als Stehwechsel-


spannung bezeichnet.

2.1.4 Glimmentladungen
Bei Erreichen der Anfangsspannung Ua setzt an der Elektrode mit der höchsten Feldstärke
Glimmen ein. Die Anfangsspannung ist also gleich der Glimm-Einsatzspannung.

Die Anfangsfeldstärke Ea, die für eine Glimmentladung (bei Drähten auch Korona genannt)
nötig ist, kann nur empirisch bestimmt werden, z. B. nach Peek:

 B  kV
Ê a = A ⋅ δ ⋅ 1 +  in , wenn r in cm r = Krümmungsradius
 δ ⋅r  cm δ = relative Luftdichte
A, B = Konstanten

Die Konstanten A und B sind abhängig von Elektrodenform und Dielektrikum und gelten bei
Wechsel- und Gleichspannung (nach Hilgarth):

Elektrodenform A in kV/cm B in cm 0,5


Luft SF6 Luft SF6
Zylinder 30 90,5 0,33 0,12
Kugel 30 90,5 0,47 0,17

Nach der geräuschlosen Glimmentladung setzt bei weiterer Spannungssteigerung eine stark
zischende und gut sichtbare Stielbüschelentladung, auch Streamer genannt, ein (bei UBü).

Glimm- und Stielbüschelentladungen sind Teilentladungen (TE) oder Vorentladungen, da sie


vor dem Durchschlag auftreten und nur einen Teil der Schlagweite überbrücken. Der
Durchschlag entwickelt sich aus den TE erst bei höherer Spannung (Ud).

Ihr Aussehen ist in Luft hellblau leuchtend, die Form polaritätsabhängig:


Positive Spitze: Vorgeschobene, ruhig leuchtende Raumladung
auf stielförmigem Kanal.

Negative Spitze: Zusammengezogene punktförmige Raumladung.


Trichel – Impulse meist nicht sichtbar, aber vorhanden.

33
Elektrische Energieübertragung und -verteilung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rehm

Kurvenverlauf von Ua, UBü und Ud abhängig vom Abstand d am Beispiel von zwei Drähten:

Bei kleinen Schlagweiten ist das Feld weniger inhomogen: die drei Spannungen fallen
zusammen.

Bei stark inhomogenen Feldern und höheren Drücken sinkt die Durchschlagspannung auf die
Anfangsspannung, da es keine Vorentladungen vor dem Durchschlag gibt wegen zu kleiner
freier Weglänge. Die erste Vorentladung führt zum Durchschlag.

Oberhalb des kritischen Drucks pkrit verhält sich also das stark inhomogene Feld wie ein
homogenes Feld.

Luft: pkrit = 12 bar

SF6: pkrit = 1,5 bar

Durchschlagspannung bei hohen Drücken

Das bedeutet, daß der kritische Druck nur bei SF6-Anwendungen überschritten wird, wo der
Nenndruck i.a. bei 3 – 4 bar liegt.

Bei sehr großen Schlagweiten weicht die Durchschlagspannung stärker nach unten ab, so
dass die Werte für Ud weiter bis auf etwa 2 kV/cm Scheitelwert verringert werden müssen.

34
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Durchschlagspannung bei großen Schlagweiten

Wegen praktischer Größenbegrenzung sind damit in Luft als maximal mögliche Nenn-
spannung (Effektivwert der Leiter-Leiter-Spannung) anzusetzen:
3
Un,max = ⋅ 2000 kV = 2500 kV
2

Die Glimmentladung an Drähten, die man auch als Korona bezeichnet und die bei unseren
Freileitungen deutlich hörbar ist, entsteht deswegen, weil wegen der Bauform und der
Spannung die Anfangsfeldstärke Ea überschritten ist. Dies ist bei üblichen 220 kV und 400
kV-Leitungen schon im Nennbetrieb der Fall. Eine Verringerung der Korona-Verluste wird
durch Verwendung von Bündelleitern erreicht (Feldstärkeminderung).

Bei Wechselspannung treten die Entladungen nur in der Kuppe der Spannung nach Über-
schreiten der Anfangsspannung Ua auf, zünden also in jeder Halbwelle neu.

Wegen des feldschwächenden Effekts der Raumladung ergeben sich in der negativen
Halbwelle impulsförmige Entladungen (Trichel-Impulse)

Die Strom- und Spannungsverhältnisse am Draht bei Korona zeigt folgendes Bild:

Wie man sieht, sind Koronastrom iKor und Spannung in Phase, es entstehen also durch die
Korona ohmsche Verluste (physikalisch durch Reibung der Ladungsträger).
35
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Die Anfangsspannung Ua berechnet sich mit der Anfangsfeldstärke Ea (nach Peek) und dem
Schwaiger’schen Faktor für die Leiteranordnung zu

Ua = E a ⋅ η ⋅ d

wobei die Anfangsfeldstärke Ea für positive und negative Polarität praktisch gleich ist (im
Gegensatz zur Durchschlagfeldstärke, s.o.).

Oberflächeneinflüsse auf die Anfangsspannung der Korona bei Freileitungen:


• Konstruktiv: Leiterbündel (z.B. St-Al-Seile)
Hohlseile
Bündelleiter
• Äußere: Oberflächenrauhigkeiten
Verschmutzung der Seile
Witterungseinflüsse

Daher werden Faktoren eingeführt: m1 = Oberflächenrauhigkeitsfaktor = 0,6 – 0,8


m2 = Witterungsfaktor = 0,5 – 1

Damit wird die Anfangsspannung:

U a = m1 ⋅ m 2 ⋅ E a ⋅ η ⋅ d ca. 17 kV/cm Eff.-Wert

Ein Maß für die Koronaverluste ist der Koronaleitwert iKor/u in mA/(km∙kV).

2.1.5 Gase höherer Durchschlagfestigkeit


Isoliergase sind elektronegative Gase (s.o.), die durch Anlagerung von Elektronen negative
Ionen bilden. Dadurch wird die Zahl der Elektronen verringert, die Folge ist höhere elektrische
Festigkeit.
Dieses Verhalten ist abhängig von Molekülabmessungen, großer Affinität von Elektronen zu
Ionen (vor allem bei Halogenen) und starker Polarisation der Moleküle.
Weitere Bedingungen für ein gutes Isoliergas sind
• Niedrige Verflüssigungstemperatur (hoher Druck möglich bei normaler Temperatur)
• Große chemische Indifferenz
• Beständigkeit bei elektrischen Entladungen

Dies ist erfüllt für Freon (C Cl2 F2) und Schwefelhexafluorid (SF6).

Druckgrenzen: Freon p < 6 bar


SF6 p < 20 bar

(Daher ist SF6 gewählt worden)

36
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Vergleich Luft – Isoliergase:

Relative Durchschlagfestigkeit von SF6 gegenüber Luft:

Ud,Gas = k ⋅ U d,Luft

mit dem rel. Festigkeitsfaktor k = 2,4 – 2,6 für Freon bzw. k = 2,3 – 2,5 für SF6 (praktisch).
Die theoretischen Werte liegen etwas höher, z. B. Ed, SF6 = 89 kV/(cm·bar) gegenüber Luft mit
Ed, Luft = 30 kV/(cm·bar).

Die Durchschlagspannung ist analog zu Luft, aber mit dem Gasdruck p:

U d,Gas = E d,Gas ⋅ p ⋅ d ⋅ η

SF6 wird heute als Isolier- und Löschgas für Hochspannungsschaltanlagen an Stelle von Luft
eingesetzt (Schalter, gekapselte Schaltanlagen (GIS), Rohrgaskabel bzw. Rohrleiter (GIL)).
Vorteile sind:
• Kompakte Abmessungen, Raumbedarf nur 10 % gegenüber Freiluftanlagen
• Unabhängigkeit von Umwelt (salzhaltige Luft, Luftdruck, Wetter, Verschmutzung)
• Hohe Betriebssicherheit (Berührungsschutz)

Nachteile sind aber auch vorhanden:


• Höhere Kosten
• Saubere Montage und Vorortprüfung bei Inbetriebnahme nötig (Uprüf > Un)
• Trennerschaltungen ergeben sehr schnelle Überspannungen
• Fehlersuche schwieriger

2.1.6 Der Stoßdurchschlag


Während in den bisherigen Betrachtungen eine konstante, nur langsam gesteigerte Spannung
zum “stationären“ Durchschlag führte, soll jetzt der Durchschlag bei einer plötzlich angelegten
Impulsspannung (Stoßspannung) untersucht werden. Zweck ist die Nachbildung von
Überspannungen zu Prüfzwecken. Der Mechanismus unterscheidet sich in einigen Punkten
vom stationären Durchschlag

Eine Stoßspannung wird mit ihrer Steilheit definiert: Stirn- und Rückensteilheit (T1/T2-Welle).

Stoßspannungsverlauf
T1 /T2 - Welle

Häufig verwendet (Nachbildung der Blitzüberspannung) wird die 1,2/50-Welle. Dies bedeutet
eine Stirnanstiegszeit von 1,2 μs sowie eine Rücken-Halbwertszeit von 50 μs.

37
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Für eine andere häufig vorkommende Überspannung, die Schaltüberspannung, wird meist die
250/2500-Welle verwendet (Einheit immer in μs).

Wenn man eine Funkenstrecke mit einem solchen Spannungsimpuls beaufschlagt, stellt man
fest:
• Entladeverzug, d. h. der Durchschlag erfolgt bei entsprechender Spannungshöhe nicht im
Spannungsmaximum, sondern später (z.B. bei Tc, s. Bild)
• Streuung der Entladeverzugszeiten
• Entladeverzug besteht aus Aufbauzeit der Entladung und Streuung durch die nicht immer
gleiche Bereitstellung des Anfangselektrons
• Durchschlag erfolgt bei höherer Spannung als bei Wechselspannung

Trägt man die Stoßdurchschlagspannung über der mittleren Durchschlagzeit td, mittel auf, erhält
man die Stoßkennlinie für einen Prüfling. Als Spannung wird der Scheitelwert angegeben. Wie
man erkennt, können bei genügend hoher angelegter Spannung auch Stirn-durchschläge
auftreten.

Diejenige Spannung, bei der die Hälfte aller Spannungsstöße zum Durch- oder Überschlag
führt, nennt man 50%-Durchschlagstoßspannung Ud,50.

Da die Entladeverzugszeiten zu klein für den Aufbau einer Townsend-Lawine sind, muß ein
anderer Effekt für Beschleunigung sorgen: die Strahlung des Ionisationsprozesses.

Man erklärt daher die Kanalentladung oder den Streamermechanismus wie folgt:

Bedingung: Elektronenlawine erreicht kritische Verstärkung (s.o.) α∙d = 18 bzw.


nkrit = eαd = e 18 = 10 8 .

Das Raumladungsfeld ist jetzt in der Größenordnung des angelegten Feldes, dadurch entsteht
eine Feldverzerrung, der Lawinenkopf sendet Strahlung aus. Diese ionisiert zusätzlich und
stellt neue Anfangselektronen für Lawinen zur Verfügung. Da Strahlung sich mit
Lichtgeschwindigkeit fortpflanzt, kann somit schnell eine größere Schlagweite überbrückt
werden (Blitzentladung).

Dieser zickzack-förmige Vorentladungskanal heißt Streamer, bei größeren Stromstärken


entwickelt er sich zum Leader mit Streamerkopf. Die Vorwachsgeschwindigkeit eines
derartigen Vorentladungskanals beträgt etwa 10 – 100 cm/μs, je nach Feldstärke. Wenn der
Streamer/Leader die Gegenelektrode erreicht, folgt der Haupt-Entladungsstrom durch den
aufgebauten Kanal, daher Kanalentladung.

Nach diesem Schema (Streamer, Leader, Durchschlag) läuft auch die Blitzentladung ab .

38
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2.2 Der Durchschlag in festen Isolierstoffen


In der Hochspannungstechnik kommen zum Einsatz:
Porzellan, Glas, Steatit (Mg-Silikat), Glimmer, Papier getränkt, PVC, PE, VPE, Epoxid-harze,
Preßstoffe.

Man unterscheidet zwei verschiedene Formen des Durchschlags:


• Wärmedurchschlag
• Elektrischer Durchschlag

Abhängig von der Beanspruchungsdauer hat die Durchschlagspannung in festen Medien


folgenden Verlauf:

2.2.1 Wärmedurchschlag
Jeder Isolierstoff hat eine geringe Leitfähigkeit, Folge: es entstehen Stromwärmeverluste,
außerdem bei Wechselspannung durch die Verlustziffer εr· tanδ gekennzeichnete dielek-
trische Verluste. Im quasihomogenen Feld ergeben sich abhängig vom Effektivwert der
Feldstärke E die spezifischen dielektrischen Verluste pro Volumeneinheit:

Pv‘ = E 2· ω· ε· tan δ in W/cm3 (E = Eeff)

Beide zusammen führen zu örtlicher Erwärmung,


die, wenn nicht abgeführt, nach einiger Zeit zum
Durchschlag führen kann, da die Verlustziffer mit
der Temperatur stark ansteigt.

Wenn also erzeugte Wärme > abgeführte Wärme


(Wärmegleichgewicht gestört), erfolgt Durchschlag.

Je inhomogener der Isolierkörper ist, desto wahrscheinlicher ist ein solcher Wärmedurch-
schlag. Die Dicke der Isolierstoffschicht spielt dabei – anders als beim Luftdurchschlag – keine
Rolle. Die niedrigsten Ud – Werte ergeben sich für Wechselspannung wegen der dielektrischen
Verluste, die bei Gleichspannung nicht auftreten.

Bei Kabeln daher unbedingt Verlegungsvorschriften (Wärmeableitung) beachten, diese


bestimmen wesentlich die Strombelastbarkeit!

2.2.2 Elektrischer Durchschlag


Im Bereich kurzer Zeiten werden infolge hoher Feldstärke durch Stoßionisation mit freien
Elektronen Lawinen gebildet und zwar vornehmlich in Spalten, an Korngrenzen und sonstigen
Gefügestörungen.

39
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• Äußere Feldemission: Elektronen werden von der Oberfläche dem Isolierstoff


zugeführt (stark inhomogene Felder)

• Innere Feldemission: Elektronen des Valenzbandes werden durch Feldkräfte in


Leitungsband gehoben (ohne Stoß). Dies kommt vor allem bei amorphen, also
nichtkristallinen Stoffen vor.

• Volumeneffekt: In dünnen Schichten (Folien) kommt die höchste


Durchschlagfeldstärke vor (bis 8 MV/cm) → erschwerte Elektronenvermehrung. Bei
kleinerem Volumen weniger “Haftstellen“, wo sich Elektronen herauslösen.

Aussehen der Vorentladungskanäle: verästelt, “treeing“ (Bäumchenwachstum).

Der elektrische Durchschlag ist unabhängig von der Temperatur, aber im homogenen Feld –
im Gegensatz zum Wärmedurchschlag – linear abhängig von der Isolierdicke d.

Bei Wechselspannung wird also im Bereich kleiner Isolierdicken ein elektrischer Durchschlag,
bei großen Isolierdicken ein Wärmedurchschlag wahrscheinlich sein.

Im inhomogenen Feld ist Ud stark abhängig von der Elektrodenform, zudem treten Teil-
durchschläge auf, die den Isolator örtlich beschädigen, woraus sich dann ein Volldurchschlag
entwickeln kann, aber nicht muß.

Für die von VDE 0303 geforderte Minutenprüfung wurde empirisch gefunden:

Ud = K ⋅ 3 d2 mit d = Dicke des Isolierstoffs


K = Materialkonstante = f (ϑ)
= 120 für Porzellan bei ϑ = 20 °C
= 70 “ “ “ ϑ = 90 °C

Lufteinschlüsse mindern Ud besonders stark wegen der geringen Dielektrizitätskonstante von


Luft. Außerdem ist die Alterung des Isolierstoffs zu beachten, die auch ohne Fehlstelle immer
eintritt (z.B. in 20 kV-Anlage Abnahme von Ud in 20 a um 17 % gemessen).

2.2.3 Überschlag und Oberflächenentladung


Entladungen können nicht nur im Inneren eines festen Isolierstoffs stattfinden, sondern auch
an der Oberfläche.

Man bezeichnet als Überschlag (im Gegensatz


zum Durchschlag) eine Entladung, die längs
einer aus Isolierstoff und Gas bzw. Flüssigkeit
gebildeten Grenzschicht verläuft (Oberflächen-
entladung).

Die Überschlagspannung Uü hängt ab von


• der Oberflächenbeschaffenheit des Feststoffs
• dem Kriechweg s

Sie ist kleiner als die Durchschlagspannung des Isolier-


stoffs, bestimmt also die Dimensionierung eines Isolators.
(s > 2 cm pro kV Betriebsspannung).

40
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Verminderung von Uü durch Fremdschichten (Schmutz, Salz), vor allem, wenn sie feucht sind
(sog. Fremdschichtüberschlag). Starker Regen wäscht diese Schichten ab und erhöht damit
Uü wieder.

Der Kriechweg s wird i. a. verlängert durch Schirme. Das Fadenmaß a ist besser meßbar und
entspricht dem Weg des Lichtbogens.

So gilt beispielsweise für Stützer aus Porzellan oder Gießharz bei Wechselspannung abhängig
vom Fadenmaß

U ü = 25 + 3,05 ⋅ a Effektivwert in kV, wenn a in cm

Als Vorentladungen treten an Grenzflächen fester Isolierstoffe folgende Oberflächen-


entladungen auf:
• Glimmen als Streifenentladung
• Gleitentladungen als Gleitfunken bzw. Gleitstielbüschel

Die Einsetzspannung einer Glimmentladung auf einer Oberfläche ist


k
Ua,~ = mit a = 0,45 − 0,5
ca

Dabei ist c = C/A die Oberflächen-Kapazität des Isolierstoffs in F/cm2 (also die Kapazität der
einzelnen Oberflächen-Elemente gegen den Leiter, s. Bild), k eine formabhängige Konstante
und Ua,~ der Effektivwert (!) der Anfangsspannung.

So gilt z. B. für eine durchführungsähnliche Anordnung bzw. einen Kabelendverschluß


1,06 ⋅ 10 −5
Ua,~ = (Eff. - Wert in kV, c in F/cm 2 )
c 0,45

Wird der Spannungsfall an C1 zu groß (Spannungsteiler),


entsteht aus der Glimmentladung die Gleitentladung
mit der Einsetzspannung
1,355 ⋅ 10 −4 kV
Ug,~ = 0,44
(Eff. - Wert in kV, c in F/cm 2 ) oder
c
25,8 kV
Ug,~ = 0,44
(Eff. - Wert in kV, c in pF/cm 2 )
c

Für ebene Anordnungen gilt nach Einsetzen von

C ε0 ⋅ εr
c= =
A d

die Anfangsspannung
0,5
d 
Ua,g = K ⋅   (Eff. - Wert in kV, mit d = Dicke des Isolierstoffs in cm)
 εr 
Metallrand in Luft K = 8 für Glimmeinsatz und K = 80 für Gleitfunkeneinsatz
“ “ SF6 K = 21 “ “ “ K = 80 “ “
“ “ Öl K = 30 “ “ “ K = 80 “ “

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Entstehung der Gleitentladungen: Gleitstielbüschel entstehen durch


Ladungswechsel bei Wechselspannung auf der
Oberfläche, aber auch bei Stoßspannung wegen
des hohen dU/dt, an allen Anordnungen mit hoher
Oberflächenkapazität c.

Voraussetzung ist eine sprühende Kante (Sprüh-


pol) sowie eine Normalkomponente der Feld-
stärke zur Isolator-Oberfläche (Feldlinien
„schneiden“ die Oberfläche).

Sie sind als Gleitfunken sehr energiereich und


können die Oberfläche des Isolierstoffs zerstören.

Aussehen auf ebener Fläche (Spitze auf Platte): Lichtenberg-Figuren (s. Praktikum).

Typische Gleitanordnungen: Durchführungen, Nutaustritt elektrischer Maschinen,


Kabelendverschluß, Kappenisolatoren.

2.3 Der Durchschlag in flüssigen Isolierstoffen


2.3.1 Isolieröle
Es werden eingesetzt: Mineralöle, Silikonöle

Die Durchschlagfestigkeit ist sehr hoch (z.B. für reines Trafo-Öl bis 1000 kV/cm), die
Stoßfestigkeit liegt noch höher.

Das Problem ist jedoch die Reinheit: schon geringe Verunreinigungen oder Alterungs- und
Zersetzungsprodukte setzen Ud entscheidend herab. Bei Trafo-Öl kann daher nur eine
Festigkeit von ca. 200 kV/cm technisch ausgenutzt werden

Beispiel: Messungen in Öl mit Wasser- und Fasergehalt:

Ölmenge Fasergehalt Wassergehalt Festigkeits-Abnahme


0,123 mg 0,05 %o 50 %
1l 0,123 mg 0,2 %o 60 %
1,1 mg 0,2 % 85 % (!)
0,0 mg 2 % 30 %

Daraus ist ersichtlich, dass das Wasser in den Fasern die erhebliche Ud – Abnahme bewirkt.

Gegen Stoßbeanspruchung ist Öl sehr viel widerstandsfähiger, positiver und negativer Stoß
ergeben dieselben Werte, die Elektrodenform ist von großem Einfluss.

Verlauf der Durchschlagfestigkeit ist ähnlich wie bei Gasdurchschlag:

42
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Bedeutung der Isolieröle: - Hohe elektrische Festigkeit


- Relativ gute Wärmeabfuhr
- Schutz der festen Isolierstoffe vor Feuchtigkeit
- Ausfüllen von Hohlräumen
- Löschung von Lichtbögen

Daher werden sie heute noch in Transformatoren (Papier/Öl) eingesetzt.

2.3.2 Durchschlagsmechanismen
Neben Verunreinigungen und Feuchtigkeit spielen Temperatur, Druck, Elektrodenform und
Abstand eine entscheidende Rolle für die Durchschlagfestigkeit. Die Messwerte streuen
erheblich.

• Wärmedurchschlag: Es bildet sich durch Wärme Gas und Dampf, das Wärme-
gleichgewicht wird instabil → Durchschlag

• Mechanischer Durchschlag: Feldkräfte verformen vorhandene Gasblasen, darin entsteht


Stoßionisation, die zum Durchschlag führt (ohne Wärmewirkungen)

• Elektrischer Durchschlag: Die zum Durchschlag führende Stoßionisation findet in der


Flüssigkeit selbst statt (Ionisierungsdurchschlag).

Zur ersten Gruppe gehört der relativ häufig in Öl/Papier-Isolierungen (Transformator, Wandler)
auftretende Faserbrückendurchschlag.

Dabei richten sich längsorientierte Fasern (anderes εr als Öl) in Feldrichtung aus und bilden
eine Strombrücke zwischen den Elektroden. In der Nähe der Elektroden können die Teilchen
umgeladen und abgestoßen werden, vorzugsweise bei Gleichspannung. Bei
Wechselspannung keine Umladung, da Fasern zu träge.

Behinderung des Faserbrückendurchschlags durch stark inhomogene Feldanordnungen (Vor-


entladungen erzeugen Ölströmung) und durch Schirme (vergleichmäßigen das Feld und
verhindern sicher eine Brückenbildung) bei gleichzeitig großer Schlagweite.

2.3.3 Prüfung von Isolierölen


Die VDE- Durchschlagspannung ist die Spannung, bei der eine Ölschicht von 2,5 mm Dicke,
die sich zwischen zwei Kugelkalotten befindet, durchschlagen wird. Gemessen wird der
Effektivwert der beim Durchschlag erreichten Spannung. Angegeben wird der arith-metische
Mittelwert aus 6 Versuchen.

Mindestwert für Neuöle: UVDE ≥ 50 kV.

Im praktischen Betrieb müssen Isolieröle von Zeit zu Zeit aufbereitet und bezüglich Durch-
schlagfestigkeit überprüft werden (ca. alle 1 bis 2 Jahre).

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Isolierstofftabellen

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2.4 Der Durchschlag im Vakuum


2.4.1 Elektronenemission
Die Theorie der Elektronenemission von Fowler und Nordheim beschreibt die Emission von
Elektronen aus einer idealen Metalloberfläche. Erreicht die anliegende Feldstärke den Bereich
von 1MV/mm, wird die Potentialbarriere so stark deformiert, dass der Potentialwall auf eine
Stärke im nm-Bereich reduziert wird. Diese Barriere kann von Elektronen des Fermi-Niveaus
durchtunnelt werden, und ein Emissionsstrom wird messbar.

Die sogenannte Fowler-Nordheim-Gleichung lautet:

mit E: Feldstärke in V/m


I: Emissionsstrom in A
Ae: Emissionsfläche in m2
Φ: Austrittsarbeit in eV (Cu: 4,5 eV)

Es tritt jedoch bereits bei Feldstärken ab 107 V/m eine


Elektronenemission auf, die durch
eine Felderhöhung auf einer Mikrospitze zu erklären ist

Es ergibt sich: Emik = β·Emak

45
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In der folgenden Grafik ist die Fowler-Nordheim-Gleichung mit dem Feldverstärkungsfaktor β


dargestellt:

Bei dem Vakuumdurchschlag gibt es zwei Emissionsprozesse:

• den kathodeninitiierten Durchbruch:


Durch den Feldemissionsstrom verdampfen praktisch immer vorhandene feine
Unebenheiten auf der Metalloberfläche durch hohe Stromdichten schlagartig und setzen
den für den weiteren Ionisationsvorgang notwendigen Metalldampf frei.

• den anodeninitiierten Durchbruch:


Die aus dem negativ geladenen Leiter austretenden Elektronen werden zum positiven
Leiter hin durch das elektrische Feld stark beschleunigt und schlagen auf diesem ein.
Dadurch wird die Anode stark aufgeheizt und Teile der Metalloberfläche verdampfen und
bilden leitfähige Gasschichten. Dabei entsteht auch Röntgenstrahlung.

In der Praxis treten beim Vakuumdurchschlag meist Kombinationen aus beiden


Emissionsprozessen auf.

2.4.2 Spannungs-Schlagweiten-Charakteristik
Es ergibt sich folgender Zusammenhang zwischen der Durchschlagspannung Ud und der
Schlagweite s:

Ud = f·sα

mit Ud: Durchschlagspannung in kV


s: Schlagweite in mm
f: anordnungsabhängiger Faktor
α: Kennlinienexponent (=0,6)

46
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2.5 Blitzschutz
2.5.1 Die Blitzentladung
Die Wolke hat in Mitteleuropa überwiegend negative Polarität. Die Trennung der Ladungen in
der Wolke ist noch nicht vollständig geklärt. Es lagern sich an Wassertröpfchen und
Eiskristallen negative Ionen an, an die Luft positive Ionen, die beide durch Reibung der auf-
steigenden Luftschichten entstehen. Es bilden sich Ladungs-Cluster beider Polaritäten
innerhalb der Wolke aus, die zu Potentialunterschieden sowohl gegeneinander (Wolke-Wolke-
Blitze) als auch gegenüber Erde führen (Wolke-Erde-Blitze).

Ablauf der Entladung:


Zunächst schiebt sich von der Stelle höchster Feldstärke (meist an der Wolkenunterseite) ein
Ladungsschlauch von einigen Dezimetern Durchmesser mit dünnem Plasmakern gegen Erde
vor, der sogenannte Leitblitz (Geschwindigkeit etwa c/1000 = 300 km/s).

Durch erhöhte Feldstärke bei Annäherung des Leitblitzes geht von exponierter Stelle auf der
Erde eine Fangentladung aus, die sich nach einigen 10 m mit dem Leitblitzkopf trifft und die
Einschlagstelle festlegt. Danach entlädt sich der Ladungsschlauch bzw. die beteiligte
Wolkenladung. Dies ist der stromstarke Hauptblitz (Geschwindigkeit c/10 = 30.000 km/s), der
einen hohen Stoßstrom (10 – 40 kA) im getroffenen Objekt bewirkt.

Wegen der kurzen Dauer (etwa 100 μs) ist die umgesetzte Ladung klein (einige As)

Als Besonderheiten treten auf:

• Mehrfachentladungen (Folgeblitze mit steilerer Stirn durch den vorhandenen Kanal)


• Verästelungen bei negativem Wolke-Erde-Blitz
• Erde-Wolke-Blitze bei Türmen ab 60 m Höhe (höchste Feldstärke an Turmspitze)
• Wolke-Wolke-Blitze, wenn Feldstärke dort höher ist als gegen Erde
• Kugelblitze (örtliche Ionisierung in Kugelform, z.B. durch entsprechend geformte Felder)
und Perlschnur-Blitze (nur erste Vorentladung sichtbar).

Abwärtsblitz
Leader geht von Wolke aus Fangentladung bestimmt den Einschlagpunkt

Aufwärtsblitz
Leader geht von Turmspitze o.ä.aus (H ≥ 60 m).

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2.5.2 Blitzschutz von Freileitungen

• Direkter Blitzeinschlag in die Leitung (Höhe der Überspannung ist von der Betriebs-
spannung unabhängig). Gefährlichste Überspannung, Überschlag der Leiterisolation ist
i.a. die Folge. (Prüfung mit 1,2/50 μs – Blitzstoßspannung).

Auf der Erde: ca. 100 Blitzentladungen pro Sekunde.


Blitzstromstärke:
36 % aller Blitze IB < 10 kA
61,5 % “ “ IB = 10 – 50 kA
2% “ “ IB = 100 – 150 kA
0,5 % “ “ IB > 150 kA

Höchster beobachteter Wert: IB = 400 kA


Stirnsteilheit: 1 – 20 kA/μs
Polarität in Europa: 87 % negativ, 13 % positiv

• Rückwärtiger Überschlag: Vom Erdseil ins Leiterseil bei zu hohem Mastwiderstand gegen
Erde (UMast = IMast ∙ RE). Dabei ist UMast > Stoßüberschlagspannung der Isolatoren.

• Mittelbare Blitzüberspannung durch Einschlag in der Nähe der Leitung (Naheinschlag).


Spannungshöhe dabei 25 – 50 kV, also nur für Mittelspannungs-Freileitungen gefährlich.

Hier geht es hauptsächlich um den Schutz bei Blitzeinschlag. Diesen übernehmen Erdseile.
Sie sollen durch ihre Position am Mast die Entladung auf sich lenken und so die Leiterseile
schützen.

Position der Erdseile:

Schutzraum des Erdseils:


Das Erdseil stellt eine Fanganordnung dar, sie legt also den Einschlagpunkt des Blitzes fest.
Bei den am häufigsten vorkommenden Wolke-Erde-Blitzen wird der Einschlagpunkt durch den
Ausgangspunkt der Fangentladung festgelegt. Der von der Wolke zur Erde vordringende

48
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Leitblitz bewirkt eine ständige Erhöhung der Bodenfeldstärke. Wenn sich der Leitblitz einem
Objekt auf der Erde bis auf einige 10 m genähert hat, startet wegen der hohen Feldstärke eine
Fangentladung vom nächstgelegenen Punkt und legt damit den Einschlagpunkt fest.

Das geometrisch-elektrische Modell der CIGRE (Blitzkugelverfahren) gibt den Zusammen-


hang zwischen Blitzstromstärke iB und Enddurchschlagstrecke hB an.

Je größer der Maximalwert des Blitzstroms iB ist, desto größer ist die Enddurchschlagstrecke
hB zwischen Leitblitzkopf und dem Objekt, von dem die Fangentladung ausgeht.
Empirische Beziehung dafür:
0,8
hB  îB 
= 6,7  
m  kA 
 

Aus der obigen Formel ergeben sich folgende Zahlenwerte für die Enddurchschlagstrecke hB:

% aller Blitze 1 9 90
Minimaler Wert für iB 7,7 3,1 1,6
in kA
Enddurchschlagstrecke hB 34 17 10
in m

Man kann also für die Auslegung überschlägig annehmen:

hB = 40 m für normale Anforderungen


20 m für hohe Anforderungen
10 m für extrem hohe Anforderungen

Der Schutzraum eines Erdseils ergibt sich aus diesen Überlegungen als Funktion der
Enddurchschlagstrecke hB (Blitzkugelverfahren): Man rollt eine Kugel mit Radius hB um das
Objekt mit dem Erdseil; nicht berührte Räume sind Schutzbereich.

Grundsätzlich haben Erdseile nur einen Sinn, wenn die Masten, mit denen sie galvanisch
verbunden sind, gut geerdet sind.
Wenn der Blitz in ein Erdseil einschlägt, hängt die Höhe der Erdseilspannung vom Widerstand
der Erdverbindung ab.

UMast = IMast · RE

49
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Ist dieser zu hoch, entstehen wegen zu hoher Erdseilspannung rückwärtige Überschläge vom
Erdseil in das Leiterseil (ca. 10–15 % aller Blitzeinschläge sind rückwärtige Überschläge).
Daher wird das Erdseil an jedem Mast wirksam geerdet.

Messung des Erdwiderstands


Die Maststromstärken (Verteilung des Stroms auf etwa 5-6 Maste) liegen zwischen 20 und 60
kA. Die zulässigen Erdwiderstände betragen 5-40 Ω (höhere Werte für höhere Nenn-
spannungen).

Arten von Erdern: - Plattenerder (senkrecht verlegt)


- Rohrerder (bei mehreren: Abstand 4-5 m)
- Oberflächenerder (Metallbänder in 1 m Tiefe)

Entscheidend für Erdung sind die Bodenverhältnisse:


• Moorboden 5 – 40 Ω m
• Lehmboden 20 – 200 Ωm
• Trockener Boden 200 – 2500 Ωm
• Felsen 2000 – 3000 Ωm

2.5.3 Stationsschutz
Die Schutzmassnahme besteht aus Funkenstrecke und Überspannungsableiter.

50
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Die Funkenstrecke:
Sie besteht aus zwei in bestimmtem Abstand an dem zu schützenden Gerät angebrachten
Hörnern oder Stäben. Sie wird heute nur
noch verwendet, um den Lichtbogen an
einer bestimmten Stelle zu halten, wo er
ungefährlich ist.
Kein genaues Ansprechen, da abhängig von
Kurvenform der Überspannung und von der
Polarität. Daher als Reserveschutz anzusehen.

Der Metalloxid-Überspannungsableiter:
Zweck: Absenken der Überspannung auf einen Wert, den die Isolierung aushält. Bei Schalt-
überspannungen soll er nicht ansprechen.

Bedingungen für das Arbeiten des Ableiters sind also:


• Ansprechen erst bei Überspannungen, die isolationsgefährdend sind.
• Absenken der Überspannung auf ungefährlichen Wert.
• Löschung des nachfolgenden Betriebsstroms ohne Abschalten der Leitung.

51
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52
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3. Erzeugen und Messen hoher Spannungen


3.1 Erzeugen hoher Spannungen
3.1.1 Wechselspannung
Hohe Spannungen werden benötigt zum Prüfen der Spannungsfestigkeit von
Hochspannungsisolierungen bei Anlagen und Geräten. Die hohen Nennspannungen
resultieren aus der Forderung nach großen Leistungen bei gleichzeitig beherrschbaren
Stromstärken.

Prüfspannung > Betriebsspannung Un (Bemessungsspannung UB)

Allgemein gilt:

Uprüf ,eff = (2,2 Un + 20 ) kV und Uprüf ,stoß = 2,2 Uprüf ,eff

Mindestdurchschlagspannung Ud, min = 1,1 Uprüf (kein Durchschlag bei Prüfung)

Die genauen Prüfspannungen sind für jeden Gerätetyp in VDE 0111 festgelegt, zum Beispiel:

Nennspannung Un (in kV) 110 380


Maximalspannung Um 123 420
Steh-Wechselspannung 250 - 310 630 - 900
Steh-Stoßspannung (1,2/50) 390 - 505 1130 - 1425
50% - Stoßspannung 430 - 560 1260 - 1570

Dabei bedeuten: Steh-Wechsel/Stoßspannung muß das Gerät mindestens aushalten


50%-Stoßspannung: die Hälfte aller Stoßbeanspruchungen führt zum
Durchschlag

Bauarten von Prüftransformatoren:


• Gießharzisolierter Trockentransformator (bis 200 kV)
• Ölisolierter Transformator (bis 2 MV)
- Stahlkesselbauweise (mit Hochspannungs-Durchführung)
- Isoliermantelbauweise (ohne Hochspannungs-Durchführung)

53
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Durchführungen der Hochspannung durch den geerdeten Kessel sind ein Problem bei
Transformatoren mit sehr hoher Spannung (UHV, bis 6 MV nötig).

Daher werden wenn möglich Isolierkessel eingesetzt (Porzellan, GFK) mit Deckel als
Elektrode. Bei höheren Spannungen als Kaskade übereinander gestapelt (s. Bild).

Wechselspannungs-Kaskade:

Spannungsveränderung erfolgt durch einen Stelltrafo (0 – 230 V) auf der Niederspannungs-


seite. Üblich ist eine 1 min-Wechselspannungsprüfung mit den Prüfwerten nach VDE für jedes
Hochspannungsgerät (Trafo, Motor, Schalter, Isolator etc.).

3.1.2 Gleichspannung
In Frage kommen hier Gleichrichter-Schaltungen als
- Einweggleichrichter
- Vervielfachungsschaltungen (Greinacher-Kaskade bis 15 Stufen)
- Elektrostatische Bandgeneratoren (v.d.Graaf-Generator), veraltet

Einweggleichrichtung

Verdoppelungsschaltung nach Greinacher


Dioden-Sperrspannung in beiden Schaltungen 2 UTr = USS !

54
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Vervielfachungsschaltung (Greinacher-Kaskade), aus Verdoppelungschaltung entstanden

3.1.3 Stoßspannung
Zweck: Nachbildung von Überspannungen, die durch Blitzschlag in den Hochspannungs-
netzen auftreten (äußere Überspannungen) oder durch Schalthandlungen (innere Über-
spannungen). Dazu wird eine keilförmige Impulsspannung verwendet.

Ihr Kennzeichen sind die Stirnzeit und die Rückenhalbwertszeit T1 bzw. T2. (T1/T2 – Welle).

Gebräuchlich für Stoßspannungsprüfungen sind


• 1,2/50 μs – Welle für Blitzstoßspannung
• 250/2500 μs – Welle für Schaltstoßspannung
• Toleranzen für Prüfspannung: + 3 % für den Scheitelwert
+ 30 % für die Stirnzeit
+ 20 % für die Rückenzeit

Diese Prüfstoßspannung muß künstlich erzeugt werden. Grundschaltung dafür ist eine
Kondensatorauf- und -entladung, eingeleitet durch eine Schaltfunkenstrecke (nach VDE
0432):

55
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Der Spannungsausnutzungsgrad ist:

bzw.

Da es sich bei der Stoßspannungserzeugung um Kondensatorentladungen handelt, sind die


Zeitkonstanten R· C maßgebend für die Form der Stoßwelle:

T1 ~ Rd ·Cb und T2 ~ Re ·Cs

In der Praxis ergeben sich Abweichungen von der idealen e-Funktion durch
• Induktivitäten des Stoßkreises [(0,5 – 1) μH/m2].
• zeitliche Änderung des Funkenwiderstands an der SFS
• Nebenkapazitäten

Daher werden nach VDE Korrektur-Faktoren k1 und k2 eingeführt, so dass sich die Zeiten wie
folgt berechnen lassen:

T1 = k1∙ τ1 T2 = k2∙τ 2

Mit den Zeitkonstanten


C s ⋅ Cb (Schaltung b)
τ1 ≈ R d ⋅ und τ 2 ≈ R e ⋅ (C s + C b )
C s + Cb

und den Korrekturfaktoren (für beide Schaltungen)

T1/T2 1,2/50 250/2500


k1 2,96 2,41
k2 0,73 0,87

folgt beispielsweise für die Stirn- und Rückenzeit der 1,2/50-Welle

Cb ⋅ C s
T1 = 2,96 ⋅ R d ⋅ und T2 = 0,73 ⋅ R e ⋅ (C b + C s )
Cb + C s
Daraus lassen sich die erforderlichen Bauteile der Anlage bestimmen. Die Energie (Arbeit)
einer Stoßanlage errechnet sich zu:

W s = 1/2∙ Cs∙U02

56
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Für sehr hohe Stoßspannungen wird die Vervielfachungsschaltung nach Marx allgemein ver-
wendet (Marx’scher Stoßgenerator). Er arbeitet nach dem Prinzip: Aufladung der Stoß-
kondensatoren parallel, Entladung in Reihe. Beispiel für eine 3-stufige Anlage:

Wegen der Erdkapazitäten werden die charakteristischen Bauteile Cs, Rd, Re und RL auf die
einzelnen Stufen aufgeteilt.

Pro Stufe: Cs‘ = n ∙ Cs Rd‘ = Rd /n Re‘ = Re /n

Der Stoßdurchschlag ist ein statistischer Vorgang wegen der Bereitstellung des Anfangs-
elektrons. Daher ergeben sich Schwankungen in der Höhe der Durchschlagspannung. Aus
diesem Grund wird meist die 50%-Durchschlagstoßspannung Ud,50 , d.h. die Spannung, bei
der die Hälfte der Stoßbeanspruchungen zum Durchschlag führt, gemessen.

Eine statistische Auswertung (Mittelwert, Standardabweichung) ist möglich. Beispielsweise


ergibt eine Reihe von Messpunkten folgende Darstellung (Gauß – Verteilung):

57
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Die schon erwähnte Stehstoßspannung ist demnach der Ud0-Wert.


Eine bessere Annäherung an die Wirklichkeit ergibt sich häufig mit der Weibull-Verteilung, die
im Vergleich mit der Glockenkurve nach Gauß leicht unsymmetrisch ist.

3.2 Messen hoher Spannungen


3.2.1 Elektrostatischer Spannungsmesser
Prinzip: Messung der Kraft F pro Elektrodenoberflächen-Einheit, für gegebene Anordnung
also:
1 1
F= ⋅ E ⋅ D ⋅ A = ⋅ ε ⋅ E 2 ⋅ A = c ⋅ U2
2 2
Für Wechselspa nnung U = U ( t ) ist der arithmetische Mittelwert der Kraft
T T
1 1
F=
T ∫
0
F ( t ) dt = c ⋅
T 0 ∫
⋅ U 2 ( t ) ⋅ dt = c ⋅ U 2eff

Es werden also mit dem elektrostatischen Spannungsmesser Effektivwerte gemessen, also


Einsatz für Gleich- und Wechselspannung. Innenwiderstand = ∞ (!), direkte Hoch-
spannungsmessung möglich.

Ausführung z. B. als Meßgerät nach Starke-


Schroeder:
2 runde parallele Platten mit Rogowski-Profil als
Rand und einem Eischnitt in einer Platte mit kleiner
Messelektrode, auf die die Feldkraft einwirkt.
Übertragung der Messgröße durch Lichtstrahl auf
quadratisch geteilte Skala. Messbereichsänderung
einfach durch Abstandsveränderung der Platten
möglich.

58
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3.2.2 Kugelfunkenstrecke (KFS)


Zwei Kugeln, übereinander angeordnet, von denen die untere geerdet ist, dienen wegen ihres
quasi homogenen Feldes zum Kalibrieren anderer Hochspannungs-Messgeräte.

Die Durchschlagspannung Ud einer KFS ist nur eine Funktion der Schlagweite s, des
Kugeldurchmessers D und der relativen Luftdichte δ

Ud = f (s, D, δ)
und damit sehr genau reproduzierbar.
Ud = f (s) ist nach Paschen berechenbar oder
einfachen VDE-Tabellen zu entnehmen.

Da diese Werte für Normalbedingungen (δ = 1)


gelten, ist der gefundene Wert Ud0 mit der realen
Luftdichte δ umzurechnen.

Ud = δ· Ud0

Gemessen werden also nur der Kugelabstand s bei Durchschlag sowie die meteorologischen
Daten am Versuchsort (Druck, Temperatur).

Fehlerquellen bei Messungen mit der KFS sind Unebenheiten und Schmutz auf der Kugel-
oberfläche, sowie Feldverfälschung durch Gegenstände in der Umgebung. Daher ist der frei
zu haltende Schutzraum um die Kugeln zu a ≥ 3,5 · D festgelegt (a = Radius des
Schutzraums). Die Genauigkeit der Messung ist trotzdem nicht höher als + 3 %.

Bei zu großen Schlagweiten wird das Feld inhomogen, daher ist die maximale Schlagweite
etwa halb so groß wie der Kugeldurchmesser (Werte in Klammern in VDE-Tabelle). Daraus
folgt:

Ud, max in kV D in mm.

Nachteile der Kugelfunkenstrecke sind der Zusammenbruch der Messspannung beim Durch-
schlag sowie die Streuung der Spannungswerte, die eine Mittelwertbildung aus mehreren
(meist 5) Durchschlagswerten nötig machen. Eine Vorionisierung der Strecke (z.B. mit UV-
Licht) verringert diese Streuung (Anfangselektron!).

Messbar sind Wechsel,- Gleich- und Stoßspannungen, jeweils mit dem Scheitelwert.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Durchschlagspannung Ud0 (Scheitelwert in kV) einpolig
geerdeter Kugelfunkenstrecken bei Normalbedingungen in Luft (1013 hPa/20°C) abhängig
vom Kugeldurchmesser D und der Schlagweite:

59
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Die häufig gebrauchte Kapazität einer Kugelfunkenstrecke lässt sich abhängig von der
Schlagweite s empirisch angeben:

s
C= in pF, wenn s in cm
3,6 (f − 1)

60
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Geometriefaktor f wie nebenstehend abhängig vom


Verhältnis Schlagweite s zu Kugelradius r.

f1 für ungeerdete, f2 für einpolig geerdete


Funkenstrecken.
(nach Schwab).

Bei der Messung von Stoßspannungen ist zu beachten, dass zunächst Ud,50 am Prüfobjekt
eingestellt wird. Danach wird der Kugelabstand verringert und zwar soweit, bis die Hälfte aller
Stoßbeanspruchungen an der KFS durchschlägt.

3.2.3 Spannungsteiler
Für kontinuierliche Messungen häufigste Messmethode. Prinzip:
UH = i ⋅ (Z H + Z N ) ; UN = i ⋅ Z N
ZH + ZN
UH = UN ⋅
ZN
UN wird gemessen.

Messfehler durch immer vorhandene Induktivität des


Messkreises
sowie durch Nebenkapazitäten vor allem bei kapazitiven
Teilern.
Ausführung als - ohmsche Teiler (Gleichspannung
- Kapazitive Teiler (Wechsel/Stoßspannung)
- gemischt ohmisch-kapazitive Teiler mit RH
CH = RN CN (Stoßspannung)
Schaltungsmöglichkeiten von Spannungsteilern:

Anwendung: Kapazitiver Teiler mit Scheitelspannungsmessgerät:

61
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Hier gilt:

CH + CN
UH = UN ⋅
CH

3.2.4 Induktive Spannungswandler


Diese werden ausschließlich für Betriebsmessungen im Hochspannungsnetz, nicht jedoch im
Labor eingesetzt.

Es sind einpolige Spezialtransformatoren


mit einer relativen Kurzschlussspannung von 0,2 %.

Meist mit Mess- und Schutzwicklung


(offene Dreieckswicklung für Erdschlussschutz).

Sekundärspannung üblicherweise 100 V,


Leistung von 15 bis 300 VA.

Schaltung im Drehstromnetz

3.2.5 Trafo-Übersetzungsverhältnis
Die Prüfschaltung stellt grundsätzlich einen kapazitiv belasteten Transformator dar. (Kein
Leerlauf!).

Stark vereinfachtes Ersatzbild und Zeigerdiagramm:

Wie leicht zu erkennen ist, gilt: U1 ≠ U2.

Das Trafo-Übersetzungsverhältnis ist also lastabhängig und damit zur Ermittlung der Hoch-
spannung aus der gemessenen Niederspannung nicht geeignet (Fehler > 15 %!).

3.2.6 Strommessung über Vorwiderstand

UH = R∙ i

Genauigkeit ca. 2 %, nur für Gleichspannung.

Als Widerstände können verwendet werden:


• Flüssigwiderstände (Wasser, Alkohol)
• Kohleschichtwiderstände
• Metallbänder (Schniewindt-Bänder, Hochohm-Kordeln)

62
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3.3 Messung von Teilentladungen


3.3.1 Anwendungsfeld der TE-Messung
In elektrischen Betriebsmitteln für Hochspannung lassen sich lokale begrenzte Bereiche hoher
elektrischer Feldstärke nicht immer ausschließen. Solche Bereiche sind die Umgebung von
Schraubverbindungen von Leitern und Sammelschienen, Kabelverschlüssen, gasförmige
Einschlüsse (Luftblasen) in festen Dielektrika und schließlich Isolierflüssigkeiten in öl- oder
chlophengekühlten Transformatoren und Wandlern.

Hohe elektrische Feldstärken in Gasen bewirken deren Ionisation und damit einen statischen
Ladungstransport, also einen Strom mit sehr breitem kontinuierlichem Frequenzspektrum.
Teilentladungen beeinträchtigen stets die Betriebssicherheit elektrischer Betriebsmittel:

Bei nur geringfügig ansteigender Spannung bzw. Feldstärke kann z.B. ein Überschlag mit
anschließender Lichtbogenbildung erfolgen. Außerdem bewirkt die Teilentladung chemische
Reaktionen in Gasen, z.B. in Luft entsteht das chemische außerordentliche reaktionsfähige
Ozon (O3), das riechbar ist und organische Isolierstoffe angreift. Isolieröle werden durch TE
chemisch zersetzt, so dass auch hier die langfristig fortschreitende Verschlechterung des
Dielektrikums sich negativ auf die Betriebssicherheit elektrischer Betriebsmittel auswirkt.

Es ist deshalb vernünftig, die TE in elektrischen Betriebsmitteln zu unterbinden oder sie auf
„ungefährliche“ Werte zu begrenzen. Hierzu ist eine Messtechnik notwendig, die die
zahlenmäßige Bewertung der TE in elektrischen Betriebsmitteln erlaubt.

3.3.2 Innere bzw. äußere TE


Wenn man von Teilentladungen spricht, sollte zunächst geklärt werden um welche Art, innere
oder äußere TE, es sich handelt.

Innere Teilentladungen
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, sind im folgenden Bild einige dieser typischen
Anordnungen mit möglichen Teilentladungen zusammengestellt.

Typische Anordnung innerer Teilentladungen (Elektroden: 1, 2)

Allen diesen typischen Anordnungen ist gemeinsam, dass bei ausreichend hoher
Spannungsbeanspruchung Teildurchschläge (siehe Ziffer 3) auftreten, die Auswirkungen auf
die Lebenserwartung der Gesamtisolierung haben können.

63
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Äußere Teilentladungen
An Elektroden mit starker Krümmung setzt in Gasen bei Überschreitung der Einsetz- spannung
Stoßionisation ein. Elektronenlawinen und Fotoionisation führen im stark inhomogenen Feld
zu unvollkommenen Durchschlagskanälen, die bei Wechselspannung nach dem Verlöschen
der Teilentladungen im Spannungsnulldurchgang neu zünden müssen. Diese als äußere
Teilentladungen oder Koronaentladungen bezeichnete Erscheinung hat vor allem für
Hochspannungsfreileitungen große praktische Bedeutung, da die Aufrechterhaltung der
Entladung Energie verbraucht (Koronaverluste) und die auftretenden Stromimpulse
elektromagnetische Wellen erzeugen (Funkstörungen). Äußere Teilentladungen treten auch
in Prüfkreisen für zerstörungsfreie Hochspannungsprüfungen auf, wo sie vor allem eine
Erfassung von für das Dielektrikum möglicherweise gefährlichen inneren Teilentladungen
erschweren.

Typische Anordnungen mit äußeren Teilentladungen

3.3.3 TE-Ersatzschaltbilder

Innere Teilentladungen
Als sehr nützlich hat sich für den Fall innerer Teilentladungen das schon im Jahre 1932 von
Gemant und v. Philippoff aufgestellte einfache Ersatzschaltbild erwiesen.

Das untere Bild zeigt links schematisch ein Dielektrikum mit einer inneren Fehlstelle und rechts
das „klassische“ kapazitive Ersatzschaltbild.

i(t) Prüfling
1

u2 C2
C1 R
u(t) C3

u1 C1 F

2
Fehlstelle

64
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An den Klemmen des Prüflings, z.B. eines Kabel, liegt die Spannung U an. Der Prüfling selbst
weist die Kapazität C3 im TE-freien Teil auf. Eine TE-behaftete Stelle z.B. ein im Dielektrikum
befindlicher Hohlraum, weist vor dem Einsetzen der TE die Kapazität C1 auf, die mit der
Kapazität C2 des gesunden Dielektrikums in Serie geschaltet ist. Übersteigt die Spannung an
C1 die Zündspannung zu der TE im Hohlraum, so tritt an Stelle der Serienkapazität C1 und C2,
nur noch die Kapazität C2. Vereinfacht dargestellt, schließt die Funkentstrecke F die Kapazität
C1 kurz. Mit der Veränderung der Kapazität efolgt ein Ladungsausgleich an den Klemmen des
Prüflings (sog. „scheinbare“ Ladung). Diese Ladung ist nicht messbar.

Spannungs- und Stromverläufe am „klassischen“ kapazitiven Ersatzschaltbild

Äußere Teilentladungen
Auch für äußere Teilentladungen lässt sich ein Ersatzschaltbild aufstellen, mit dessen Hilfe
eine Erklärung der physikalischen Vorgänge in einer Entladungsstrecke nach versucht werden
kann. C1 stellt in diesem grob vereinfachten Ersatzschaltbild für impulsförmige Teilentladungen
eine der jeweils durchschlagenden Gasstrecke zugeordnete Kapazität dar, die beim Erreichen
der Zündspannung uz der Funkenstrecke F vollständig entladen wird. Die vor der Spitze
gebildeten Ladungsträger wandern in den Feldraum und führen dort zu einer gewissen
Leitfähigkeit, die im Ersatzschaltbild durch R2 dargestellt wird. C3 ist eine durch die Anordnung
gegebene Parallelkapazität.

Anordnung mit äußeren Teilentladungen und Ersatzschaltbild

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3.3.4 Zeitlicher Verlauf von Teilentladungen


Untersuchungen an verschiedenartigen Prüflingen haben ergeben, dass bei TE in festen
Isolierstoffen die Anstiegszeiten der TE-Impulse bei wenigen Nanosekunden und die
Rückenhalbwertszeiten bei einigen 10 ns liegen. TE im Öl verursachen Stromimpulse mit
deutlich längeren Anstiegszeiten im Bereich von 1 ms und Rückenhalbwertszeiten von einigen
μs.

Das folgende Bild zeigt den vereinfachten Kurvenverlauf i(t) eines TE-Impulses als
Überlagerung zweier Exponentialfunktionen. Hierbei sind T1 die Zeit bis zum Maximum imax
und T2 die Rückenhalbwertzeit, bei welcher der Impuls auf imax/2 gefallen ist. Die Ladung des
Stromimpulses ergibt sich als Fläche des Strom-Zeit-Verlaufs zu



q :=  i ( t) dt
⌡0

Idealisierter TE – Impuls

3.3.5 TE – Prüfkreise
Die folgenden 3 Grundschaltungen werden zur Messung von Teilentladungen angewandt:

66
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Die Meßimpedanz Zm (bzw. der Ankopplungsvierpol) dient dazu, die aus dem Hochspannungs-
Prüfkreis ausgekoppelten TE-Impulse dem TE-Meßgerät zuzuführen. Meßimpedanz und
Eingangsteil des TE-Meßgerätes sind zwar räumlich voneinander getrennt, sie müssen aber
zusammen betrachtet werden, wenn die Eigenschaften der Meßeinrichtung ermittelt werden
sollen. Die Meßimpedanz wird stets in unmittelbarer Nähe zum Prüfling oder zum
Kopplungskondensator angeordnet, während das TE-Meßgerät, das über ein längeres
Koaxialkabel angeschlossen ist, sich außerhalb des Hochspannungsbereichs befindet.
Vielfach stellt die Meßimpedanz Zm einen Widerstand Rm in der Größenordnung von 100 Ω
dar. Parallel zum Widerstand ist gewöhnlich ein Überspannungsableiter zum Schutz des TE-
Meßgerätes und eine Induktivität zur Ableitung des netzfrequenten Wechselstroms geschaltet.
Diese Bauelemente sind üblicherweise in einem Abschirmkasten mit zwei Eingangsklemmen
und einem geschirmten Ausgang zum Anschluss des Koaxialkabels untergebracht; hierfür ist
der Ausdruck „Ankopplungsvierpol“ gebräuchlich. Die hochfrequenten TE-Impulse sind der
Prüfspannung überlagert und müssen zur Messung in geeigneter Weise aus dem Prüfkreis
ausgekoppelt werden.

Eine sehr häufige verwendete Schaltung ist im oberen Bild unter Schaltung a) wiedergegeben.
Hierin ist der Prüfling vereinfacht als Kondensator Ca dargestellt. Die TE-Impulse gelangen
von Ca über einen Kopplungskondensator Ck auf die Meßimpedanz Zm. Das Filter Z zwischen
Prüfling und Hochspannungsversorgung dient dazu, Störungen aus dem Bereich der
Spannungsquelle zu verhindern.

Schaltung b) zeigt einen Prüfkreis, in dem Zm direkt im Erdkreis des Prüflings liegt. Dies setzt
voraus, dass der Prüfling vom Erdpotential isoliert betrieben werden kann. Der Rückschluss
der TE-Impulse erfolgt über Ck. Dieser kann gelegentlich entfallen, wenn die Streukapazität
gegen Erde groß gegenüber der Prüflingskapazität Ca ist. Zur Erzielung einer großen
Meßimpfindlichkeit ist es dann häufig günstiger, wenn Z entfällt, so dass die
Transformatorenstreukapazität vollständig wirksam wird.

Äußere Störungen bei TE-Messung können bis zu einem bestimmten Grad in der
Brückenschaltung c) eliminiert werden. Der Parallelzweig mit Ca* und Zm* soll frei sein von TE,
aber sonst möglichst dem Hauptzweig mit dem Prüfling Ca gleichen. Das TE-Meßgerät
befindet sich in der Brückendiagonale. Bei Brückengleichgewicht, das durch Abgleich der
Meßimpedanzen Zm und Zm* erreicht wird, ist die Anzeige des TE-Meßgeräts weitgehend
unbeeinflußt von äußeren Störungen. Die Brückenschaltung eignet sich daher für TE-
Prüfungen in ungeschirmten Messräumen.

67
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4. Betriebsmittel der elektrischen Energieversorgung


4.1 Drehstromsysteme
Da elektrische Energieübertragung und Verteilung in der Regel mit Drehstrom der Frequenz
50 Hz, im Ausland auch 60 Hz, durchgeführt wird, sollen zunächst einige Beziehungen von
Drehstromsystemen wiederholt werden:

Es wird stets von symmetrischen Belastungen ausgegangen. Die Spannungen und


Ströme sind um je 120° verschoben, haben aber den gleichen Betrag. Daher genügt
es, stets nur einen Leiter zu betrachten.
Angegeben werden stets die verkettete Spannung und ein Leiterstrom. Am Beispiel
einer 110-kV-Leitung soll dies erläutert werden. Wird sie vom Transformator mit Nenn-
spannung eingespeist, kann man dort zwischen den Leitern die Spannung 110 kV
messen, zwischen Leiter und Erde aber nur 110 kV/√3 = 63,5 kV.

Einige Beziehungen zwischen Wirkleistung P, Blindleistung Q und Scheinleistung S sowie


zwischen Wirk- und Blindstrom IW/IB und dem Wirkleistungsfaktor cos ϕ:

U
S = P + jQ = 3 ⋅ U ⋅ I * = 3 ⋅ ⋅I* bzw. S* = P - jQ = 3 ⋅ U * ⋅I
3
P = 3 ⋅ U ⋅ I ⋅ cos ϕ
Q = 3 ⋅ U ⋅ I ⋅ sin ϕ
S = 3 ⋅ U ⋅ I = P2 + Q2

I W = I ⋅ cos ϕ
I B = I ⋅ sin ϕ

68
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4.2 Aufbau von elektrischen Energieversorgungsnetzen


Das nachstehende Bild stellt vereinfacht den Aufbau eines elektrischen Energieversorgungs-
netzes mit einem Kraftwerk, sowie Höchstspannungsnetz (400 kV), Hochspannungsnetz (110
kV), Mittelspannungsnetz (20 kV und 10 kV) und Niederspannungsnetz (0,4 kV) dar. Im skiz-
zierten ländlichen Raum werden mehr Freileitungen verwendet, in Ballungsräumen werden
dafür Kabel herangezogen. Generell kann man sagen, dass bei Neuverlegung von Nieder-
und Mittelspannungsleitungen der Trend überall zum Kabel geht.

69
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Welche Spannungen gibt es nach VDE 0176 in Deutschland?

Bemessungs- 3,5,6,10,15,
0,4 60, 110 220, 400
spannung/kV 20,25,30
Spannungsbe-
Niederspannung Mittelspannung Hochspannung Höchstspannung
reich
Großabnehmer, Großabnehmer,
Anwendung Kleinverbraucher Überlandversor- Regionalversor- Verbundwirtschaft
gung gung
Größenordnung
maximal übertrag- einige 10 - 100 kW einige 10 MW ca. 100 MW >1000 MW
bare Leistung

Die elektrische Energieversorgung ist durch folgende Eigenschaften charakterisiert:

Die Übertragung und Verteilung sollen so sicher und so wirtschaftlich wie möglich
sein.
Es wird das n-1 Prinzip angewandt: Das Netz ist so aufgebaut, dass bei Ausfall eines
Betriebsmittels die Versorgung – auch nach zumutbarer Ausfallzeit – weiter geführt
werden kann. Kein Betriebsmittel darf dabei überlastet werden.

Eine Zuordnung von ausgefallener Leistung zu zumutbarer Ausfallzeit zeigt das nächste
Bild.

Beispiel: Das dargestellte Netz versorgt über zwei Transformatoren und einige 110-kV-Lei-
tungen zwei Umspannwerke mit einer Leistungsabnahme von 80 MVA in B und 50 MVA in C.

1. Ist das Netz Leitung (n-1) sicher? Lassen Sie zur Beantwortung fiktiv jeweils ein Be-
triebsmittel – Leitung oder Transformator – ausfallen und prüfen Sie, ob ein anderes
Betriebsmittel überlastet ist. Alle Leitungen sind als verlustfrei zu betrachten.
2. Welche Erweiterungen sind erforderlich, um die n-1 Sicherheit zu erreichen? Es kön-
nen zusätzliche Transformatoren aufgestellt werden als auch Parallelleitungen zu den
bestehenden Leitungen geplant werden. Zusätzliche neue Trassen für Leitungen sind
nicht verfügbar.

70
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Übertragungsfähigkeit jeder
200 MVA 110-kV-Leitung: 100 MVA

110 kV
A

50 km 50 km
B C
80 MVA 50 MVA

1. Ausfall A-B keine Versorgung B und C


Ausfall B-C keine Versorgung C
Ausfall Transformator keine Versorgung B und C
2. Parallelleitung zu A-B
Parallelleitung zu B-C
Zweiter Transformator in A
Aber noch immer ist das Netz (n-1) nicht sicher! Fällt eine der (jetzt) 2 parallelen Lei-
tungen von A-B aus, wird die eine Leitung mit 130 MVA überlastet. Daher ist eine
dritte Leitung A-B erforderlich.

4.3 Freileitungen
Aus wirtschaftlichen Gründen werden immer dort, wo es möglich ist, Freileitungen gebaut. Sie
fallen durch ihre unterschiedlichen Mastkopfbilder auf. In Deutschland werden sehr oft Donau-
mastbilder und die Einebenenanordnung verwendet. Beispielhaft werden nachstehend ein
110-kV-Mast mit einem Donaumastbild skizziert und ein kombinierter Mast, oben für 400 kV
mit einem Donaumastbild, und unten für 110 kV mit einer Einebenenanordnung.

60 m

6,5 m

35 m 4m

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Weiterhin sind unterschiedliche Mastarten zu nennen: Tragmaste, welche die Leiterseile nur
tragen, Abspannmaste, welche sie abspannen und Kräfte aufnehmen können, Winkelmaste,
welche Kräfte in verschiedenen Richtungen aufnehmen und Endmaste vor Schaltanlagen
oder Kabelübergängen.

Die Leiterseile sind verdrillt, sie bestehen meist aus Aldrey (Aluminiumlegierung) und Stahl.
Dies bedeutet, dass das Leiterseil zwei Querschnitte aufweist, zum einen die Summe der
Einzelquerschnitte, der für den Ohmschen Widerstand von Bedeutung ist (Nennquerschnitt)
und zum anderen den Querschnitt, der sich aus dem Durchmesser errechnet! Die Nennquer-
schnitte reichen von 16 mm²/2,5 mm² (Al/St) bis 680 mm²/85 mm² (Al/St).

Oft sieht man bei Spannungen ab 220 kV Bündelleiter (mit 2´er, 3´er oder 4´er Bündel), die
zur Herabsetzung der Oberflächenrandfeldstärke (Korona!) dienen. Es ist mit Hinblick auf den
Hochfrequenzstörpegel ein maximaler Effektivwert von ca. E< =17,5 kV/cm örtlich einzuhal-
ten. (Anmerkung: Das magnetische Feld erreicht Werte von B<= 100 mT).

Früher wurden reine Blitzschutzseile verwendet, heute erfüllen meist Lichtwellenleiter-Erd-


seile mit Lichtwellenleiter unter anderem auch die Funktion des Blitzschutzes.

Für die Isolatoren wird Glas oder Porzellan angewandt, sie werden als Hängekette oder Lang-
stab, als Stütz-, Hänge- oder Abspannisolatoren ausgeführt.

4.4 Kabel
Als Werkstoff für die Leiter wird entweder weichgeglühtes Elektrolytkupfer oder Leitaluminium
verwendet. Je nach Größe des Querschnittes verwendet man ein- oder mehrdrähtige Rund-
oder Sektorleiter. Zur Isolation der Kabel wird heute ausschließlich vernetztes Polyäthylen
(VPE) herangezogen. Ein weiterer Kabeltyp zum Transport großer Leistungen über kürzere
Entfernungen ist das GIL-Kabel, welches mit SF6 als Isolationsmedium arbeitet.

220 kV-VPE-Kabel

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GIL-Rohrleiter

Oft ist die Belastbarkeit von Leitungen zu bestimmen. Hierbei ist wichtig:

Bei der Abführung der Stromwärmeverluste, die über die Kabeloberfläche radial an
die Umgebung abgegeben werden, spielt bezüglich der Belastbarkeit die Art der Ver-
legung eine große Rolle. Werden Kabel parallel verlegt, sinkt die Belastbarkeit.
Um festzustellen, ob Kabel und andere Betriebsmittel überlastet sind, ist die Belast-
barkeit festzustellen.

4.5 Leitungsbeläge
Die homogene Leitung ist ein System mit kontinuierlich verteilten Parametern:
• R´ : Widerstandsbelag
• L´ : Induktivitätsbelag
• C´ : Kapazitätsbelag
• G´ : Ableitungsbelag

Ein differentielles Element einer homogenen Leitung nur mit Hin- und Rückleiter - Länge dx -
hat das Aussehen:

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Bei der Drehstromleitung sind zusätzliche Kopplungen zwischen den Leitern zu berücksichti-
gen.

Man möchte praktisch aber lieber mit dem einfacheren ESB der Doppelleitung arbeiten. Daher
müssen L´ und C´ auch die Kopplungen berücksichtigen. Die korrespondierenden Werte be-
zeichnet man als

Betriebskapazität
Betriebsinduktivität

Im Detail erfordern die Formeln zur Berechnung von Betriebskapazität und Betriebsinduktivi-
tät erheblichen Rechenaufwand, die Aufgabe tritt selten auf, daher soll hier darauf verzichtet
werden. Einige typische Werte von L’ und C’ sind:

L´ in mH/km C´ in nF/km
110-kV-Freileitung 1,3 9,0
110-kV-Kabel 0,34 320

Meist werden die Werte auf eine Längeneinheit, meist km, bezogen

Freileitungen weisen wegen des größeren Leiterabstandes die größere Induktivität und klei-
nere Kapazität auf, Kabel wegen des geringen Leiterabstandes die größere Kapazität und
kleinere Induktivität.

Im Bild ist dargestellt, aus wie vielen Einzelkapazitäten sich die Betriebskapazität C ergibt. C
ist die Kapazität, die der schwarze Leiter sieht. Analoges gilt für die Betriebsinduktivität.

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CL
CL

C
CL
Ce Ce Ce

4.6 Transformatoren
Transformatoren oder Umspanner dienen zur Verbindung der verschiedenen Spannungsebe-
nen. Die hier betrachteten Trafos weisen größere Leistungen auf. Typische Werte sind:

20 kV/0,4 kV: 200 kVA, 400 kVA, 630 kVA, 1000 kVA, 1600 kVA
110 kV/20 kV: 31.5 MVA, 40 MVA, 63 MVA
400 kV/110 kV: 300 MVA

Weiterhin haben größere Trafos einen Stufenschalter mit Anzapfungen, um die Spannung bei
Belastung konstant zu halten. Das Ersatzschaltbild ist bekannt:

I1 I2'
R1 X1σ X2σ’ R2'

U1 Xh RFe U2'

Wird vereinfacht
R1T XT

UK ZT IrT

Drehstromtransformatoren können mit unterschiedlichen Schaltungen von OS- und US-


Wicklungen ausgeführt werden. Bei den Maschinentransformatoren wählt man üblicherweise
für die Unterspannungsseite Dreieckschaltung, für die Oberspannungsseite die Sternschal-
tung mit herausgeführtem Neutralleiter.

Die Wicklungsspannungen von OS- und US-Wicklung auf je einem Schenkel sind immer in
Phase. Wenn die Schaltung von OS- und US- Wicklung nicht identisch ist, also z.B. 2 Wick-
lungen von unterschiedlichen Schenkeln (Phasen) in Serie geschaltet sind, sind sie gegen-
einander phasenverschoben. Der Winkel zwischen den Zeigern U1 und U2 beträgt je nach
Schaltgruppe ein Vielfaches von 30°.

Im der nächsten Tabelle sind die wesentlichen Schaltgruppen von Drehstromtransformatoren


aufgelistet.
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Mit Hilfe der Kurzschlussspannung uKr = UK/UrT ist die Impedanz ZT zu bestimmen. Die Be-
messungsscheinleistung SrT ergibt sich aus der Bemessungsspannung UrT und dem Bemes-
sungsstrom IrT. Zur Berechnung des Ohmschen Widerstandes RT sind die gesamten Wick-
lungsverluste PKrT bei Bemessungsstrom IrT erforderlich.

UK U U U2
ZT = = u Kr ⋅ rT ⋅ rT = u Kr ⋅ rT
I rT I rT U rT S rT

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U rT2
Z T = RT + jX T = u Kr ⋅
S rT
U rT2 P P ⋅ U 2 rT
RT = u Rr ⋅ = KrT2 = KrT 2
S rT 3 ⋅ I rT S rT
X T = Z T2 - RT2

Bei Drehstrom gelten die Gleichungen analog, es ist die verkettete Spannung einzusetzen.
Der Wert ist durch Umrechnung mit dem Quadrat des Übersetzungsverhältnisses ü² auf eine
Spannungsebene zu beziehen. Der Wert von ü ergibt sich aus den Bemessungsspannun-
gen.

Beispiel: Für einen 31,5 MVA-Drehstromtransformator mit der oberspannungsseitigen Be-


messungsspannung UrOS = 123 kV und der oberseitigen Nennspannung UNOS = 110 kV sowie
den analogen unterspannungsseitigen Werten UrUS = 21 kV und UNUS = 20 kV sollen der
Ohmsche Widerstand RT und die Kurzschlussreaktanz XT bezogen auf die Unterspannung
bestimmt werden. Alle Spannungen sind verkettet. Die Kurzschlussspannung beträgt uKr =
13,2 %, die Wicklungsverluste bei Bemessungsstrom PKrT = 50 kW. Welchen Wert haben RT
und XT bezogen auf die Oberspannungsseite?

U rT2 ( 21000 V )2
Z T = RT + jX T = u Kr ⋅ = 0,132 ⋅ = 1,848 Ω
S rT 31,5 ⋅ 106 VA
PKrT PKrT ⋅ (U rT ) 2 50000 W ⋅ (21000 V )2
RT = = = = 0,022 Ω
3 ⋅ I rT2 S rT2 ( )
31,5 ⋅ 10 6 VA
2

X T = Z T2 - RT2 = (1,848 Ω) 2 - (0,022 Ω) 2 = 1,848 Ω

2
 123kV 
RT ´= ü 2 ⋅ RT =   ⋅ 0,022Ω = 0,75 Ω
 21kV 
2
2  123kV 
X T ´= ü ⋅ X T =   ⋅ 1,848Ω = 63,40 Ω
 21kV 

4.7 Schutzeinrichtungen für elektrische Netze


4.7.1 Anforderungen an Schutzeinrichtungen
Die Aufgabe von Schutzeinrichtungen ist es, die schwerwiegenden Auswirkungen von Isolati-
onsfehlern im Netz (im starr geerdeten Netz z.B. der dreipolige Erdkurzschluß) so gering wie
möglich zu halten. Dazu müssen Schutzeinrichtungen das Auftreten eines derartigen Fehlers
im Netz sofort erkennen und Gegenmaßnahmen veranlassen. Schutzeinrichtungen können
das Auftreten von Fehlern nicht verhindern, aber sie können die nachteiligen Auswirkungen
dieses Fehlers auf das Netz verhindern bzw. kleinhalten.

Schutzeinrichtungen müssen deshalb bestimmten Bedingungen genügen, wie sie im unteren


Bild dargestellt sind.

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Selektivität
Nur die Leistungsschalter an den beiden Enden einer fehlerbehafteten Leitung dürfen ausge-
löst werden. Fällt noch ein zusätzlicher Leistungsschalter in einer anderen Station oder auf
einer anderen Leitung, dann ist diese Auslösung unselektiv. Zum Erzielen der Fehlerortselek-
tivität gibt es im wesentlichen zwei Verfahren:

• Zeitstaffelung
Bewußte Zeitverzögerung in der Funktion der Schutzeinrichtung, wobei die Zeitverzöge-
rung meist von einer bestimmten Größe abhängig ist, z.B. die stromabhängige Zeitkennli-
nie (AMZ) und die distanzabhängige Zeitkennlinie (Distanzschutz)

• Vergleichsmessung
Die Werte der zu messenden Größe werden an den Enden des zu schützenden
Bereiches miteinander verglichen

Schnelligkeit
Um die Auswirkungen eines Kurzschlusses auf den Netzbetrieb so gering wie möglich zu hal-
ten müssen die Schutzeinrichtungen den Fehler so rasch wie möglich aus dem Netz schalten.
Distanzschutzeinrichtungen z.B. schalten Fehler auf ihrem zu schützenden Leitungsbereich
in Schnellzeit (Kommandozeit des Relais + Eigenzeit des Leistungsschalter) ab.
Fällt ein Relais aus und ein anderes übernimmt den Reserveschutz, erhöht sich zwar die Ab-
schaltzeit, die Selektivität bleibt aber gewahrt.

Genauigkeit und Empfindlichkeit


Dies ist nicht immer leicht zu realisieren, da die maßgebenden Messgrößen sich je nach Art
des Fehlers innerhalb sehr großer Bereiche bewegen können (Kurzschlussstrom: Ik≤In bis
Ik>100·In, Kurzschlussspannung: Uk≈Un bis Uk→0).

Der Distanzschutz muss z.B. bei einem einpoligen Fehler im Freileitungsnetz mit geerdetem
Sternpunkt die gültige Kurzschlussschleife bestimmen können, damit eine einpolige Kurzun-
terbrechung möglich ist.

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Zuverlässigkeit
Die Schutzeinrichtung soll bei Auftreten eines Fehlers richtig, d.h. schnell und selektiv aus-
lösen und im fehlerfreien Zustand bzw. bei einem Fehler, für den diese Schutzeinrichtung

nicht zuständig ist, nicht auslösen. Es soll also weder zu einer Überfunktion noch zu einer
Unterfunktion kommen.

Messverfahren der Selektivschutztechnik


Für den Selektivschutz stehen unmittelbar drei physikalische Größen des Netzes zur Verfü-
gung:
• Strom
• Spannung
• Frequenz

Über Messwandler werden diese Größen dem Schutzrelais zur Weiterverarbeitung zugeführt.
Grundsätzlich gibt es 3 Gruppen von Messverfahren in der Selektivschutztechnik:

1. Direkte Messung einer elektrischen Größe

2. Bildung und Messung einer abgeleiteten elektrischen Größe z.B. bei Distanzmessung: Ver-
knüpfung von Strom und Spannung zur Berechnung einer Widerstandsgröße, die der Lei-
tungslänge proportional ist und eine Fehlerortberechnung ermöglicht

3. Vergleichsmessung einer elektrischen Größe; aus dem Vergleich zweier Messwerte, die an
zwei räumlich verschiedenen Stellen gemessen werden, kann auf Fehler in diesem Bereich
geschlossen werden

Heute werden ausschließlich Geräte in Digitaltechnik eingesetzt, da diese alle notwendigen


Berechnungen und Parametrierungen flexibel ermöglichen.

4.7.2 Distanzschutzgeräte
Bei Zeitstaffelschutzeinrichtungen wird die Kommandozeit der hintereinander in der Kurz-
schlussbahn liegenden Relais so gestaffelt wird, dass das der Kurzschlussstelle am nächsten
liegende Relais die kürzeste Auslösezeit hat und damit die Abschaltung des Fehlers zuerst
veranlasst.

Der unabhängige Maximalstromzeitschutz (UMZ) hat den Nachteil, dass z.B. für eine Stich-
leitung bei mehreren Stationen in Reihe relativ hohe Abschaltzeiten an der Einspeisestation
entstehen. Weiterhin kann der UMZ bei bestimmten Netzkonstellationen, z.B. Ringleitungen
nicht mehr selektiv gestaffelt werden.

Deshalb können nur sogenannte Distanzschutzeinrichtungen die beiden Forderungen nach


Selektivität und Schnelligkeit unter den schwierigsten Netzkonstellationen bei ein- und mehr-
seitiger Speisung erfüllen.

Die auf dem Markt befindlichen Distanzschutzeinrichtungen haben stufenförmige Zeit-Impe-


danz-Kennlinien mit drei bis vier Stufen. Ihre Arbeitsweise im Netzbetrieb soll anhand vom
nächsten Bild geschildert werden, das den Schutz einer einfachen Ringleitung mit drei Statio-
nen B, C, und D zeigt.

79
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Im Verlauf der eigentlichen Ringleitung sind in allen Abgängen Distanzrelais eingebaut. Die
Staffelung dieser Distanzrelais wird anhand des Staffelplans mit den eingetragenen Komman-
dozeiten der einzelnen Distanzrelais in Abhängigkeit von der jeweiligen Entfernung des Feh-
lers vom Relaisort dargestellt. Zur Vereinfachung sind gleiche Leiterquerschnitte im ganzen
Ring angenommen, damit sind die Leitungslängen proportional den Kurzschlussimpedanzen.

Die Distanzrelais müssen im allgemeinen gerichtet, d.h. jeweils nur in einer Kurzschluss-
leistungsrichtung betrieben werden.

Im Staffelplan sind oben die Kennlinien der von links nach rechts wirkenden und unten die in
umgekehrter Richtung wirkenden Distanzrelais aufgetragen. Damit kein weiter zurückliegen-
des Relais einem anderen unselektiv vorgreift, müssen die Stufenkennlinien der einzelnen
Distanzrelais so gelegt werden, dass der Sicherheitsabstand von mindestens 15% zwischen
den aufeinanderfolgenden Kennlinien eingehalten wird. Damit werden alle Leitungskurz-
schlüsse jeweils vom nächstliegenden Relais selektiv in Schnellzeit abgeschaltet und der Ring
kann offen weiterbetrieben werden.

Um eine Abschaltung von Fehlern kurz hinter der nächsten Station, d.h. am fernen Ende der
zu schützenden Leitung, in der Schnellzeit mit Sicherheit zu vermeiden, kann die Einstellung
der ersten Staffelstufe nicht auf 100% der zu schützenden Streckenlänge vorgenommen wer-
den. Durch Toleranzen in der Messgenauigkeit der Relais, der Widerstandsänderung mit der
Temperatur und der Ungenauigkeit der Wandler muss mit Fehlern in der Größenordnung von
5%, gerechnet werden. Deshalb hat sich in der Praxis die Einstellung für die Schnellstufe mit
85% der Leitungslänge durchgesetzt. Man erkennt am dargestellten Staffelplan weiterhin,
dass jeweils jedes Distanzrelais als Reserveschutz für alle vor ihm liegenden Relais wirkt.

Zur Erzeugung der stufenförmigen Auslösezeitcharakteristik ist eine Impedanzmessung


(entsprechend der Entfernung der Fehlerstelle zum Distanzrelais) erforderlich. Digitale Di-
stanzschutzeinrichtungen arbeiten überwiegend mit Phasenvergleichssystemen und haben
polygonale Auslösekennlinien, die der idealen Kennlinie sehr nahe kommen (s. Bild unten).

80
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Die Reaktanzgerade und die Widerstandsgerade sind die Begrenzungen des Distanzent-
scheids. Eine Auslösung erfolgt, wenn die Fehlerimpedanz beim Ablauf der zugehörigen Zeit-
stufe in ihrer Zone liegt. In Rückwärtsrichtung erfolgt die Begrenzung durch die Richtungsge-
rade, die vom zweiten in den vierten Quadranten verläuft.

4.7.3 Aufstellen eines Staffelplans


Der Staffelplan basiert auf einer Kennliniendarstellung der einzelnen Distanzrelais im Netz.
Es werden dabei die Kommandozeiten über den Widerstands- bzw. Entfernungswerten eines
vorgewählten Leitungszuges aufgetragen. Die Kennlinie eines Distanzrelais beginnt beim zu-
gehörigen Spannungswandler. Der Stromwandler bestimmt mit seinem Einbauort und Einbau-
richtung die Richtung der Kennlinie. Das Aufstellen der Staffelpläne eines Netzes beginnt mit
dem Aufteilen in bestimmte Leitungszüge, die am Anfang und Ende starke Einspeisungen
haben und der Festlegung der Staffelrichtung.

Weiterhin sind die Einstellkriterien zu definieren, d.h. z.B. die Staffelsicherheit mit 15% (Si-
cherheitsabstand zwischen aufeinanderfolgenden Kennlinien) und die Staffelzeit zwischen
den Stufen mit 0,3 s. Die Netzgestalt hat einen großen Einfluss auf die Einstellung der Di-
stanzrelais.

Für die Kennliniengestaltung kann man zuerst nach folgenden Regeln verfahren und muss
aber dann die Werte praktisch überprüfen und eventuell ändern:

Za = Widerstand der zu schützenden Leitung


Zb = Widerstand der 1. nachfolgenden Leitung
Zc = Widerstand der 2. nachfolgenden Leitung

Einfachleitungen
1. Widerstandsstufe Z1 = 0,85·Za
2. Widerstandsstufe Z2 = Za + 0,6·Zb
3. Widerstandsstufe Z3 = Za + Zb + 0,2·Zc
81
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Doppelleitungen
1. Widerstandsstufe Z1 = 0,85·Za
2. Widerstandsstufe Z2 = Za + 0,3..0,4·Zb
3. Widerstandsstufe Z3 = Za + max 0,6·Zb
wenn jeder Widerstandsstufe hintereinanderfolgender Kennlinien die gleiche Zeit zugeordnet
wird, oder auch

1. Widerstandsstufe Z1 = 0,85·Za
2. Widerstandsstufe Z2 = Za + max 0,45·Zb
3. Widerstandsstufe Z3 = Za + Zb + 0,1·Zc
wenn die 3. Zeitstufe gestaffelt wird.

Beispiel:
Ausgehend von dem oben dargestellten Ringnetz sind die Einstellwerte der Distanzrelais mit
der Leistungsrichtung von links nach rechts (Relais 1, 3, 5) zu berechnen. Es ist der Staffelplan
und die Impedanzkennlinie darzustellen.

Alle Freileitungen haben gleichen Querschnitt mit R’ = 0,03 Ω/km und X’ = 0,4 Ω/km:

lAB = 40 km
lBC = 30 km R' = 0,03 Ω/km
lCD = 30 km X' = 0,4 Ω/km
lDA = 20 km
kI = 600 A / 1 A
kU = 220 kV / 100 V

Lösung:
Impedanzverhältnis der Wandler k = kI/kU = 0,2727
Da die Leitungen gleiche Querschnitte haben, kann man mit den Leitungslängen rechnen:

Relais 5:
Stufe 1: l1 = 0,85·lCD = 0,85·30 km = 25,5 km
R1 = k·R'·l1 = 0,2727·0,03 Ω/km·25,5 km = 0,208 Ω
X1 = k·X'·l1 = 0,2727·0,4 Ω/km·25,5 km = 2,781 Ω
Relais 3:
Stufe 1: l1 = 0,85·lBC = 0,85·30 km = 25,5 km
R1 = k·R'·l1 = 0,2727·0,03 Ω/km·25,5 km = 0,208 Ω
X1 = k·X'·l1 = 0,2727·0,4 Ω/km·25,5 km = 2,781 Ω

Stufe 2: l2 = lBC + 0,6·lCD = 30 km + 0,6·30 km = 48 km


R2 = k·R'·l2 = 0,2727·0,03 Ω/km·48 km = 0,392 Ω
X2 = k·X'·l2 = 0,2727·0,4 Ω/km·48 km = 5,235 Ω
Relais 1:
Stufe 1: l1 = 0,85·lAB = 0,85·40 km = 34 km
R1= k·R'·l1= 0,2727·0,03 Ω/km·34 km = 0,278 Ω
XI = k·X'·l1 = 0,2727·0,4 Ω/km·34 km = 3,71 Ω

Stufe 2: l2 = lAB + 0,6·lBC = 40 km + 0,6·30 km = 58 km


R2 = k·R'·l2 = 0,2727·0,03 Ω/km·58 km = 0,474 Ω
X2 = k·X'·l2 = 0,2727·0,4 Ω/km·58 km = 6,326 Ω

Stufe 3: l3 = lAB + lBC + 0,2·lCD = 40 km + 30 km + 0,2·30 km = 76 km


R3 = k·R'·l3 = 0,2727·0,03 Ω/km·76 km = 0,622 Ω
X3 = k·X'·l3 = 0,2727·0,4 Ω/km·76 km = 8,29 Ω

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Überprüfung des Sicherheitsabstandes von 15%:

Relais 3: l1 = 25,5 km von Relais 3 aus

Relais 1: l2 = 58 km von Relais 1 aus, daraus folgt 58 km-40 km = 18 km von Relais 3 aus
→ 25,5·0,85 muß größer sein als 18, um Abstand einzuhalten

25,5·0,85 = 21,675 > 18 → Sicherheitsabstand wurde eingehalten!

Im Staffelplan sind die Distanzzonenwerte in Kilometern angegeben. Deswegen sind bei der
Impedanzkennlinie im Bild unten auch die vom Relais gemessenen Entfernungswerte (d/km)
zu den tatsächlichen Entfernungswerten (l/km) aufgetragen.

Die Impedanzkennlinie eines Distanzrelais zeigt also an, welchen Distanzwert das Relais bis
zum Fehlerort wirklich misst.
´
Für Relais 1 heißt das:

U A I A ⋅ α ⋅ Z AB l
Z1 = = = α ⋅ Z AB mit α = AF
IA IA l AB

Z1 = Impedanz, die vom Relais wirklich gemessen wird


UA, IA = Spannung und Strom am Relaiseinbauort
ZAB = Leitungsimpedanz der Leitung zwischen Station A und B
lAF = Entfernung zwischen Relais 1 und Fehlerort F (zwischen A und B)
lAB = Leitungslänge zwischen Station A und B

Spannung, Strom und Impedanzen sind natürlich komplexe Größen.

Die obige Gleichung Z1 = f(ZAB) stellt eine einfache Geradengleichung dar, d.h. die Relais
messen distanzgetreu (s. Bild unten).

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5. Berechnung von Leitungen und Netzen


5.1 Netzstrukturen
Das deutsche Höchstspannungsnetz mit den Spannungsebenen 400 kV sowie 220 kV ist aus
Gründen der Versorgungssicherheit vermascht.

Quelle: www.vdn-berlin.de

Das unterlagerte 110-kV-Netz dient der großräumigen lokalen Versorgung, es wird ebenfalls
vermascht betrieben.

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Mittelspannungsnetze (20 kV, 10 kV) und Niederspannungsnetze werden in der Regel einsei-
tig gespeist und als Strahlennetz betrieben. Die nachstehende Skizze zeigt beispielhaft den
Aufbau eines Netzes in einem großen kommunalen Gebäude.

Die Skizze zeigt die wesentlichen Leitungen und Sammelschienen. Man erkennt für alle Sam-
melschienen die (n-1)-Sicherheit, ggf. auch erst nach Schließen eines Schalters.

5.2 Leitungsgleichungen
Das Verhalten jeder Leitung wird durch die Leitungsdifferentialgleichungen beschrieben. Be-
trachtet man ein sehr kurzes Leitungsstück, so kann man für dieses folgende Gleichungen
nach Kirchhoff aufstellen:

∂i
Masche : i R′∂x + L′∂x + u + ∂u - u = 0
∂t
∂(u + ∂u)
Knoten : - i + (i + ∂i) + C ′∂x + G′∂x(u + ∂u) = 0
∂t
Vernachlässigt man in der zweiten Gleichung die Glieder zweiter und höherer Ordnung, so
erhält man die Leitungsdifferentialgleichungen:

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∂u ∂i
- = R′i + L′
∂x ∂t
∂i ∂u
- = G ′u + C ′
∂x ∂t

Als Lösung unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen und sinusförmiger Vorgänge er-
geben sich nach aufwendiger Rechnung die Leitungsgleichungen für eine symmetrisch bela-
stete Drehstromleitung:

U1 U2
= cosh( γ l) + I 2 Z * sinh( γ l)
3 3
U
I 1 = 2 sinh( γ l) + I 2 cosh( γ l)
3Z
Als Wellenwiderstand Z bezeichnet man die Größe:

R′ + jωL′
Z=
G′ + jωC′

Die Übertragungskonstante ist definiert:

γ = α + jβ = ( R´+ jωL´) * (G´+ jωC ′)

Sie setzt sich aus dem Realteil – der Dämpfungskonstante α - und dem Imaginärteil – der
Phasenkonstante β - zusammen. α wird Dämpfungsmaß genannt, β Phasenmaß. Bei der
Drehstromleitung sind für die Berechnung des Wellenwiderstandes Z und der Übertragungs-
konstanten γ Betriebsinduktivität und Betriebskapazität der Drehstromleitung heranzuziehen,
zudem wird mit verketteten Spannungen gearbeitet!

5.3 Hoch- und Höchstspannungsleitungen


Mit den Leitungsgleichungen sind alle stationären und sinusförmigen Vorgänge der Energieüber-
tragung auf beliebig langen verlustbehafteten Leitungen zu berechnen. Da sie die Hyperbelfunk-
tionen enthalten und in der Praxis nicht die Berücksichtigung aller Einflussparameter wie z. B.
aller Leitungsbeläge erforderlich ist, werden sie unter bestimmten Bedingungen fallweise verein-
facht. Zu beachten ist unbedingt:

Es ist komplex zu rechnen.


Da an den Knotenpunkten Leistungen abgenommen werden, die Leitungsgleichungen
aber mit Strömen I = S/(√3*U*) arbeiten, muss evt. die Spannung zunächst geschätzt
werden, was zu einem iterativen Verfahren führt. Dies wird später ausführlich gezeigt.

5.3.1 Verlustfreie Leitungen


Da die Verluste bei der elektrischen Energieübertragung gering sind – für deutsche Netzbetreiber
ist ein Wert von 3 – 4 % anzusetzen, in anderen Regionen auch mehr - kann man für bestimmte
Betrachtungen (Spannungs- und Stromverhältnisse, Blindleistungsbetrachtungen) verlustfreie
Leitungen mit R´ = 0 und G´ = 0 annehmen. Damit vereinfachen sich die Leitungsgleichungen mit
den Hyperbelfunktionen sowie Z und γ.

87
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γ= jωL′ * jωC ′ = j ωL′ * ωC ′ = jω L′C ′


γ = jβ mit β = ω L' C ' rein imaginär
ωL′ L'
Z= = = Z rein reell
ωC ′ C'

Weiter gilt hiermit :

sinh( γ l) = sinh(jβ l) = j sin( β l)


cosh( γ l) = cosh(jβ l) = cos( β l)

Damit erhält man die Leitungsgleichungen für die verlustfreie Leitung in Matrixform:

 U1  U 
   cos(βl ) jZ * sin(βl )   2 
 3  =  *  3 
 I   j * (1 / Z ) * sin(βl ) cos(βl )   
 1  I2 

Die Matrix wird auch als Kettenmatrix (A) bezeichnet.

In einem Beispiel soll die Arbeit mit diesen Leitungsgleichungen illustriert werden. Eine 400-
kV-Leitung der Länge l = 180 km versorgt aus einem Netz (1) einen Abnehmer (2) mit elektri-
scher Energie bei der Betriebsfrequenz f = 50 Hz. Am Ende in (2) wird bei einem Spannungs-
betrag von ║U2║ = U2 = 390 kV die Scheinleistung S2 = 900 MW + j 300 Mvar abgenommen.
Die Werte der Leitungsbeläge sind: R’ = 0, L’ = 0,827 mH/km, C’ = 13,8 nF/km und G´ = 0.

(1) 400-kV-Leitung
l, f, R’, L’, C’, G’ (2)

S1 = P1 + jQ1
400-kV-Netz U1, I1
S2 = P2 + jQ2
U2, I2
Gesucht sind:

1. Der Wellenwiderstand Z, das Phasenmaß βl und die Kettenmatrix (A).


2. Die komplexe Spannung am Anfang U1 sowie ihr Betrag U1, der komplexe Strom am
Anfang I1 und der sog. Leitungswinkel ϑ zwischen den Spannungen U1 und U2.
3. Die Scheinleistung S1 am Anfang.
4. Die (Wirk-) Verlustleistung PV sowie der Blindleistungsbedarf QLtg der Leitung für diesen
Betriebspunkt.

88
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5. Das qualitative Zeigerdiagramm (Leitungsdiagramm) mit allen Spannungen und Strö-


men. Es ist zu beachten, dass in der Energietechnik die reelle Achse oft nach oben
gezeichnet wird.

L´ 0,827 * 10 -3 Ωs Ωkm
1. Z = = = 244,80 Ω
C´ 13,8 * 10 -9 km s
1 Ωs s
β l = ω L′C ′ * l = 2π * 50 * 0,827 * 10 -3* 13,8 * 10 -9 * 180km
s km Ωkm
β l = 0,191 (ACHTUNG : Radiant! ) → β l = 10,95 °

 cos( β l ) jZ * sin( β l )   0,9818 j46,5005 Ω 


  =  
 j * (1 / Z ) * sin( β l ) cos( β l )   j0,7759mS 0,9818 

* S2 900MW + j300MVar
2. I 2 = = = (1332,4 + j444,1)A
3*U2 3 * 390kV
Hinweis : U 2 in reelle Achse! Vorzeichen I 2 drehen (konj. kompl.)

U 1 / 3   0,9818 j46,5005 Ω   390kV / 3 


 =  *  
 I   j0,7759mS   (1332,3 - j444,1)A 
 1   0,9818   

U 1 = (418,7 + j107,3)kV U 1 = 432,2kV


I 1 = (1308,1 - j261,3)A
107,3kV
ϑ = arctan( ) = 14,4°
418,7kV

3. S 1 = 3 * U 1* I *1 = 3 * (418,7 + j107,3)kV * (1308,1 + j261,3)A


S 1 = 900,0MW + j432,6MVar

4. P1 = 900 MW → PV = 0 → ok, da die Leitung als verlustfre i betrachtet wird!


QLtg = (432,6 - 300)MVar = 132,6MVar

5. Leitungsdiagramm

89
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5.3.2 Verlustbehaftete Leitungen


Hier sind die Leitungsgleichungen mit den Hyperbelfunktionen zu nutzen. In Matrixschreib-
weise lauten sie:

 U1  U 
   cosh(γ l ) Z * sinh(γ l )   2 

 3  =  (1 / Z ) * sinh(γ l ) 
cosh(γ l )  
* 3
 I   
 1   I2 

Die Matrix wird auch hier als Kettenmatrix (A) bezeichnet

Das Beispiel aus dem letzten Kapitel soll die Arbeit erläutern werden. Zum besseren Verständ-
nis werden allen Daten nochmals angegeben. Eine 400-kV-Leitung der Länge l = 180 km ver-
sorgt aus einem Netz (1) einen Abnehmer (2) mit elektrischer Energie bei der Betriebsfrequenz
f = 50 Hz. Am Ende in (2) wird bei einem Spannungsbetrag von ║U2║ = U2 = 390 kV die
Scheinleistung S2 = 900 MW + j 300 Mvar abgenommen. Die Werte der Leitungsbeläge sind:
R’ = 0,05 Ω/km, L’ = 0,827 mH/km, C’ = 13,8 nF/km und G´ = 0.

(1) 400-kV-Leitung
l, f, R’, L’, C’, G’ (2)

S1 = P1 + jQ1
400-kV-Netz U1, I1
S2 = P2 + jQ2
U2, I2

Gesucht sind:

1. Der Wellenwiderstand Z, das Übertragungsmaß mit der Dämpfungskonstante α und dem Pha-
senmaß βl und die Kettenmatrix (A)
2. Die komplexe Spannung am Anfang U1 sowie ihr Betrag U1, der komplexe Strom am Anfang
I1 und der sog. Leitungswinkel ϑ zwischen den Spannungen U1 und U2.
3. Die Scheinleistung S1 am Anfang.
4. Die (Wirk-) Verlustleistung PV sowie der Blindleistungsbedarf QLtg der Leitung für diesen Be-
triebspunkt.

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1 Ωs Ω
1. ωL' = 2π * 50 * 0,827 * 10 −3 = 0,2598
s km km
1 s S
ωC ' = 2π * 50 *13,8 *10 −9 = 4,335 * 10 − 6
s Ω * km km
R′ + jωL′ 0,05Ω / km + j 0,2598Ω / km
Z= = = (245,93 − j 23,45)Ω = 247,04Ω * exp(− j 5,45°)
G ′ + jω C ′ j 4,335 * 10 −6 S / km
Ω S
γ = α + jβ = ( R´+ jωL´) * (G´+ jωC ) = (0,05 + j 0,2598) * j 4,335 * 10 −6
km km
1
γ = (0,1017 *10 −3 + j1,066 *10 −3 )
km
γ l = 0,0183 + j 0,1919

sinh(γ l ) = 0,0180 + j 0,1908


cosh(γ l ) = 0,9818 + j 3,4904 * 10 −3
 cosh(γ l ) Z * sinh(γ l ) 
   0,9818 + j 3,4904 * 10 −3 (8,891 + j 46,492)Ω 

( A) =  1 =
 * sinh(γ l ) cosh(γ l )   (−0,91014 * 10 −6 + j 0,7756 * 10 −3 ) S 0,9818 + j 3,4904 * 10 −3 
Z 
* P + jQ2 (900 MW + j 300 MVar )
2. I 2 = 2 = = (1332,4 + j 444,1) A U 2 in reelle Achse!
3 *U 2 3 * 390kV
I 2 = (1332,4 − j 444,1) A

U1    390000V 
   0,9818 + j 3,4904 * 10 −3 (8,891 + j 46,492)Ω   
=
 3   (−0,91014 * 10 −6 + j 0,7756 * 10 −3 ) S  *
−3  
0,9818 + j 3,4904 * 10   (1332,4 − j 444,1) A 
3
 I1    

U 1 = (439,2 + j101,8)kV U 1 = 450,8 kV


I 1 = (1309,5 − j 256,7) A
Im(U 1 ) 101,8kV
ϑ = arctan( = arctan( ) = 13,05°
Re(U 1) 439,2kV

*
3. S 1 = 3 * U 1 * I 1 = 3 * (439,2 + j101,8)kV * (1309,5 + j 256,7) A
S 1 = P1 + jQ1 = (950,8MW + j 426,2 MVar )

4. PV = P1 − P2 = 950,8MW − 900 MW = 50,8MW


QLtg = Q1 − Q2 = 426,2 MVar − 300 MVar = 126,2 MVar

91
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5.4 Leerlauf einer Leitung


Es soll weiterhin die verlustfreie Leitung betrachtet werden. Aus den Leitungsgleichungen
ergibt sich mit I2 = 0.

U1 U 2 U1
= cos( β l) + j I 2 Z * sin( β l) → U 2 =
3 3 cos( βl)
U2 U2
I1 = j sin( β l) + I 2 cos( β l) → I 1 = j sin( β l)
3* Z 3* Z
U 1 sin( β l) U1
I1 = j = j * tan( βl)
3 * Z cos( βl) 3* Z
2
U
S 1 = 3 * U 1 * I = -j 1 * tan( βl)
*
1
Z

Man erkennt:

Eine Spannungserhöhung am offenen Ende (Ferrantieffekt)


Einen Strom am Anfang trotz Leerlauf
Eine kapazitive Leistung am Anfang

Um die Spannungserhöhung am offenen Ende oder bei schwach belasteter Leitung zu ver-
meiden, schaltet man eine Spule am Leitungsende zu. Dies wird als Querkompensation be-
zeichnet.

Im Beispiel der 400-kV-Leitung beträgt die Spannung am offenen Ende ohne Querkompensa-
tion bei U1 = 400 kV = const.:

U1
U2 =
cos( βl)
400kV
U2 = = 407,2kV
0,9818

Im Leitungsdiagramm sieht man deutlich die Spannungsüberhöhung am Ende sowie den ka-
pazitiven Strom am Anfang.

92
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5.5 Natürliche Leistung


Auch hier soll die verlustfreie Leitung betrachtet werden. Sie wird mit einem Ohmschen Wider-
stand R, der den Wert des Wellenwiderstandes Z hat, abgeschlossen. Da ein Widerstand mit
solchen Leistungen technisch nicht möglich ist, nimmt man an, dass am Ende eine ohmsche
Last abgenommen wird, die einem Abschluss mit dem Wellenwiderstand entspricht.

Aus den Leitungsgleichungen erhält man mit I2= U2/(√3*Z):

U1 U2 U2
= * cos( β l)+ j * Z * sin( β l)
3 3 3* Z
U1 U2 U
= * (cos( βl)+j sin( βl)) = 2 * e jβl → U 1 = U 2 (Beträge gleich! )
3 3 3
U2 U2
I1 = j sin( β l) + cos( β l)
3* Z 3* Z
I 1 = j I 2 * sin( β l ) + I 2 * cos( β l ) = I 2 * e jβ l → I1 = I 2 ( Beträge gleich )

Die bei einem (theoretischen) Abschluss der Leitung mit dem Wellenwiderstand Z übertragene
Leistung wird die Natürliche Leistung PNat genannt. Sie ist eine Kenngröße der Leitung.

Da die Leitung hier als verlustfrei betrachtet wird, ist die am Anfang eingespeiste Wirkleistung
gleich der am Ende angenommenen Wirkleistung, im Folgenden mit PNat bezeichnet.

PNat = 3 * U 1 * I1 = 3 * U 2 * I 2
Üblicherweise berechnet man PNat mit Hilfe der Nenn-
U2 U 22 U 12 spannung: PNat = UN2/Z
PNat = 3 *U 2 * = =
3*Z Z Z
Es sind folgende Besonderheiten bei der Übertragung von PNat zu sehen:

Die Leitung nimmt keine Blindleistung auf oder gibt welche ab, da am Anfang und am
Ende Strom und Spannung jeweils in Phase sind.
Die Beträge der Spannungen und Ströme am Anfang und Ende sind gleich - wie be-
rechnet
Der Leitungswinkel ϑ ist gleich dem Phasenmaß β l .

Das Zeigerdiagramm verdeutlicht diese Aussagen.

93
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Im betrachteten Beispiel der 180 km langen 400-kV-Leitung, die den Wellenwiderstand Z =


244,8 Ω aufweist, soll der Wert der Natürlichen Leistung bei Betrieb mit der Nennspannung UN
= 400 kV bestimmt werden, die Spannungsbeträge an Anfang und Ende und der Winkel zwi-
schen den Spannungen an Anfang und Ende.
2
(400kV )
P nat = = 653,6MW U 1 = U 2 = 400kV ϑ = βl = 10,95°
244,8 Ω

Leitungen werden ober- und unterhalb von PNat betrieben. Die Natürliche Leistung ist lediglich
ein besonderer Betriebspunkt und damit eine Kenngröße der Leitung:
P < P Nat → kap. Verhalten P > PNat → ind . Verhalten

5.6 π - Ersatzschaltbild für kurze Leitungen


Das π-Ersatzschaltbild (ESB) ist leichter verständlich als die Leitungsgleichungen. Zudem sind
Vernachlässigungen besser erklärbar!

Man erhält die Werte der Elemente des π-Ersatzschaltbildes über einen Vergleich der
Kettenmatrix (A) der Leitung für kleine Längen und der entsprechenden Kettenmatrix
eines π-Vierpoles bzw. Zweitores.
Für kleine Werte des Phasenmaßes βl ≤ 12° sind die sinh und cosh Funktionen der
Leitungsgleichungen durch die ersten Glieder einer Reihe zu nähern. βl ≤ 12° gilt – mit
typischen Werten - bis zu folgenden maximalen Längen:

l ≤ 200 km Freileitung
l ≤ 100 km Kabel

Diese aufwendigen Rechnungen sollen hier jedoch nicht durchgeführt werden, nur die
Ergebnisse werden angegeben. Das Bild zeigt das bekannte π-ESB.

I1 ∆U/√3 I2
I1C R jωL=jX I2C
U1/√3 U2/√3
jωC/2 jωC/2

Die Ableitung G wird in der Praxis in der Regel vernachlässigt G´= 0. Die Werte der anderen
Elemente berechnen sich:

ωC l
R = R'*l ωL = ωL'*l = ωC '*
2 2

Es sind unbedingt die maximal zulässigen Leitungslängen zu beachten!!

Das praktische Arbeiten mit dem π-ESB wird in einem Beispiel erläutert. Eine 110-kV-Freilei-
tung (R’ = 0,156 Ω/km, ωL’ = 0,393 Ω/km und C’ = 9,87 nF/km) der Länge l = 60 km versorgt
aus einem Netz (1) ein 110 kV/20 kV-Umspannwerk (2) mit elektrischer Energie bei der Be-
triebsfrequenz 50 Hz. In (2) wird bei einem Spannungsbetrag von U2 = 111,0 kV die Schein-
leistung S2 = 50 MW + j 25 MVar abgenommen.

94
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(1) 110-kV-Leitung
l, f, R’, L’, C’, G’ (2)

S1 = P1 + jQ1
110-kV-Netz U1, I1
S2 = P2 + jQ2
U2, I2
Gesucht sind:

1. Das π-ESB mit Werten.


2. Die Beträge der Spannung am Anfang U1 und des Stromes am Anfang I1. Weiter ist
der Leitungswinkel ϑ zwischen den Spannungen U1 und U2 zu bestimmen.
3. Die Scheinleistung S1 am Anfang.
4. Die (Wirk-) Verluste PV auf der Leitung.
5. Das qualitative Zeigerdiagramm (Leitungsdiagramm).


1. R = R′ * l = 0,156 * 60km = 9,36 Ω
km

jωL = j0,393 * 60km = j23,58 Ω
km
ωC l 1 60km s
j = j2πf * * C ′ = j2π * 50 * * 9,87 * 10-9 = j0,093mS
2 2 s 2 Ω * km

95
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S2 50MW + j25MVar
2. I *2 = = = (260,1 + j130,0)A
3*U 2 3 * 111kV

Hinweise : U 2 in reelle Achse! und Vorzeichen I 2 drehen (konjugiert komplex! )

I 2 = (260,1 - j130,0)A
U2 jωC 111kV
I 2C = * = * j0,093mS = j6,0A
3 2 3
I L = I 2 + I 2C = (260,1 - j124,0)A

∆U = 3 * (R + jωL)* I L = 3 * (9,36 + j23,58)Ω * (260,1 - j124,0)A


∆U = (9,28 + j8,61)kV
U1 ∆U U 2
= + U 1 = ∆U +U 2
3 3 3

U 1 = (9,28 + j8,61)kV + 111kV = (120,28 + j8,61)kV


U = 120,6kV
1

8,61kV
ϑ = arctan( ) = 4,1°
120,28kV
U jωC (120,28 + j8,61)kV
3. I 1C = 1 * = * j0,093mS = (-0,5 + j6,5)A
3 2 3
I 1 = I L + I 1C = (260,1 - j124,0 - 0,5 + j6,5)A = (259,6 - j117,5)A
*
S 1 = 3 * U 1 * I 1 = 3 * (120,28 + j8,61)kV * (259,6 + j117,5)A
S 1 = 52,33MW + j28,35MVar

4. PV = P1 - P 2 = 52,33MW - 50MW = 2,33MW


oder :
2
PV = 3 * I L * R
( 2
PV = 3 * (260,1A ) + (124,0A )
2
) * 9,36 Ω
2

PV = 2,33MW (einfacher! )

96
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5. Leitungsdiagramm

Sind die konstante Spannung am Einspeisepunkt am Anfang (U1= const.) und die abgenom-
menen Wirk- und Blindleistungen am Ende der Leitung (P2, Q2) gegeben, so geht man iterativ
vor. Als Startwert für die unbekannte Spannung am Ende der Leitung U2, die in die reelle Achse
zu legen ist, zu erhalten, setzt man die Nennspannung UN an. Das obige Flussdiagramm illu-
striert das Vorgehen.

97
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Es ist zu vermerken, dass die Betrachtungen des Betriebsverhaltens von Leitungen entweder
mit dem π-ESB oder den Leitungsgleichungen vollkommen äquivalent sind.

Als Beispiel soll die Spannung U2 bei Leerlauf am Ende der bekannten 180 km langen 400-kV
- Freileitung (f = 50 Hz, L´= 0,827 mH/km, C´= 13,8 nF/km) mit Hilfe des π - ESB berechnet
werden. Die konstante Spannung am Anfang sei U1 = 400 kV (in der reellen Achse) .

Da die Leitungslänge unter 200 km (Freileitung) liegt, kann man das π-ESB für kurze Längen
anwenden. Weiterhin ist zu beachten, dass der Kondensator am Anfang wegen der konstanten
Spannung U1 am Anfang für die Berechnung der Spannung U2 am Ende keine Rolle spielt.

1 Ωs
jωL = j2π * 50 * 0,827 * 10-3 * 180km = j46,77 Ω
s km
ωC 1 s 180km
j = j2π * 50 * 13,8 * 10-9 * = j0,390mS
2 s Ω * km 2

U1 1
*
3  jω C 
 
U2
=  2 
3 1
jω L +
 jω C 
 
 2 
U1 U1
U2 = =
ωC ωC
1 + jωL * j 1 - ωL *
2 2
400kV
U2 = = 407,6kV (gleichphasig mit U 1 )
1 - 46,77 Ω * 0,390mS

98
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5.7 Mittel- und Niederspannungsleitungen


Hier sollen verschiedene Netzformen wie ein- und zweiseitig gespeiste Netze sowie die ver-
maschten Netze betrachtet werden.

Zu beachten ist unbedingt:

Es genügt reell zu rechnen.


An den Knotenpunkten wird stets zunächst die Nennspannung angenommen. Mit die-
ser kann dann ein Laststrom berechnet werden. Iteratives Rechnen entfällt. Dies ist
möglich, weil die Spannungsschwankungen relativ klein sind.
Aufgrund der Leitungslängen, Abstände und Betriebsspannungen kann man oft Ver-
nachlässigungen durchführen. Die Tabelle zeigt Details:

Spannungsbereich Welche Leitungsbeläge sind i. Wie ist zu


d. R. zu berücksichtigen? rechnen?
Hoch- und Höchstspannung R’, L’ und C’ komplex
Nieder- und Mittelspannung R’ und L’ reell

5.7.1 Warum kann man reell rechnen?


Dazu sollen zunächst die Begriffe Längs- und Querspannungsfall am Beispiel einer Mittelspan-
nungsfreileitung erklärt werden. Ihr ESB hat folgendes Aussehen:

Der Spannungsfall errechnet sich:

∆U
= ( R + jX ) * ( IW − jI B ) = ( R * IW + X * I B ) + j ( X * IW − R * I B )
3
= Längsspgsfall + jQuerspgsfall
∆U = 3 * {( R * IW + X * I B ) + j ( X * IW − R * I B )}

Im Zeigerdiagramm sind die Verhältnisse deutlicher zu sehen:

99
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Aufgrund der kurzen Längen im Mittel und Niederspannungsnetz ist der Querspannungsfall
vernachlässigbar, es bleibt ein reeller Ausdruck übrig:

∆U = ∆U = 3 * ( R * I W + X * I B )

Man kann also reell rechnen! IW und IB werden getrennt betrachtet!

Nachfolgend sollen zahlreiche Beispiele in verschiedensten Netzformen die Arbeitsweise dar-


stellen.

5.7.2 Einseitig gespeiste Leitung mit einem Abnehmer


Als Beispiel soll die Versorgung eines Zementwerkes mit elektrischer Energie über eine 20-
kV-Freileitung der Länge 8 km berechnet werden. Die Skizze zeigt die Situation:

20-kV-Sammel-
schiene
20-kV-Leitung
(1) l = 8 km
R’ = 0,306 Ω/km
X’ = 0,362 Ω/km
(2)
PV
P2 = 6 MW
110-kV-Netz cos ϕ2 = 0,75
U2,

100
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Bekannt ist die Spannung am Speisepunkt U1 = 21,0 kV. Gesucht sind die Spannung U2 und
die Verlustleistung PV auf der Leitung bei Versorgung mit Freileitung 3*95/15 mit den angege-
benen Daten. Alternativ ist die Spannung U2 und die Verlustleistung PV bei Versorgung mit
Kabel NA2X2Y 3*1*95 (R’= 0,320 Ω/km, X’= 0,110 Ω/km, l = 8 km) gesucht.

Das π-ESB für Freileitung und Kabel hat folgendes Aussehen.

∆U/√3 IW, IB

R X
U1/√3 U2/√3

Für Freileitungen errechnen sich der Ohmsche Widerstand und der Blindwiderstand:

R = R '*l = 0,306Ω / km * 8km = 2,448Ω


X = X '*l = 0,362Ω / km * 8km = 2,896Ω

Am Ende wird die Nennspannung U2 = 20,0 kV angenommen. Damit:

P2 6 MW
IW = = = 173,21A
3 *U 2 3 * 20,0kV
I B = I W * tan(arccos(cos ϕ )) = 173,21A * tan(41,41°) = 173,21A * 0,882 = 152,75 A
∆U = 3 * ( R * I W + X * I B ) = 3 * (2,448Ω * 173,21A + 2,896Ω * 152,75 A) = 1,50kV
U 2 ' = 21,0kV − 1,50kV = 19,50kV = U 2
PV = 3 * ( I W2 + I B2 ) 2 * R = 3 * ( I W2 + I B2 ) * R = 3 * ((173,21A) 2 + (152,75 A) 2 ) * 2,448Ω = 392kW

Für Kabel gilt, wiederum mit dem obigen π-ESB:

R = R'*l = 0,320Ω / km * 8km = 2,560Ω


X = X '*l = 0,110Ω / km * 8km = 0,880Ω

I W = 173,21A
I B = 152,75 A
∆U = 3 * ( R * I W + X * I B ) = 3 * (2,560Ω * 173,21A + 0,880Ω * 152,75 A) = 1,0kV
U 2 ' = 21,0kV − 1,00kV = 20,00kV = U 2
PV = 3 * ( I W2 + I B2 ) * R = 3 * ((173,21A) 2 + (152,75 A) 2 ) * 2,56Ω = 410kW

Aus den Gleichungen:

101
Elektrische Energieübertragung und -verteilung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rehm

∆U = 3 * ( R * I W + X * I B )
PV = 3 * ( I W2 + I B2 ) * R

sieht man, dass es zwei Möglichkeiten gibt, den Spannungsfall und die Verluste zu verringern:

R ↓ d .h. neue Leitung


I B ↓ d .h. Blindstromkompensation

5.7.3 Einseitig gespeiste Leitung mit mehreren Abnehmern


Als Beispiel soll das skizzierte Niederspannungsnetz der Nennspannung 400 V – ein Strah-
lennetz - berechnet werden.
0,4-kV-Sammel- 200 m
schiene
(2)
(1)
P2
(3)
200 m 150 m
(A)
20-kV-Netz
P1 P3

Die Spannung an der Sammelschiene A ist konstant und hat den Wert UA = 410 V (> UN).. Es
sind Kabel des Typs NAKBA 3*95 mm² mit den Leitungsbelägen R’ = 0,197 Ω/km und X’ =
0,084 Ω/km - Bemessungsstrom Ir = 218 A - verlegt. Lasten: P1 = 50 kW, P2 = 70 kW und P3 =
30 kW. Der mittlere Leistungsfaktor liegt bei cos ϕ = 0,9 induktiv.

1. Die Wirk- und Blindströme der drei Lasten sind zu bestimmen.


2. Dann sind die Leitungströme (Wirk- und Blind) zu berechnen.
3. Gesucht ist die kleinste Spannung, also U2.
4. Zudem ist festzustellen, ob die Kabel überlastet sind.
5. Im Lastpunkt (2) wird zusätzlich eine PV-Anlage angeschlossen, die maximal 90 kW
Wirkleistung einspeist. Von (2) her werden dann also 20 kW eingespeist. Wie ändern
sich die Spannungen U1 und U2?

102
Elektrische Energieübertragung und -verteilung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rehm

P1 := 50 ⋅ kW P2 := 70 ⋅ kW P3 := 30 ⋅ kW UA := 410 ⋅ V
Ω Ω
UN := 400 ⋅ V cos ϕ := 0.9 R´ := 0.197 ⋅ X´ := 0.084 ⋅
km km
1. Wirk- und Blindströme der Lasten
P1
I1W := I1W = 72.17A
3 ⋅ UN

I1B := I1W ⋅ tan ( ( acos ( cos ϕ) ) ) I1B = 34.95A


P2
I2W := I2W = 101.04A
3 ⋅ UN
I2B := I2W ⋅ tan ( acos ( cos ϕ) ) I2B = 48.93A
P3
I3W := I3W = 43.3A
3 ⋅ UN
I3B := I3W ⋅ tan ( acos ( cos ϕ) ) I3B = 20.97A

2. Leitungsströme Index W für Wirk und B für Blind

I12W := I2W I12W = 101.04A


I12B := I2B I12B = 48.93A
I13W := I3W I13W = 43.3A
I13B := I3B I13B = 20.97A

IA1W := I1W + I12W + I13W IA1W = 216.51A


IA1B := I1B + I12B + I13B IA1B = 104.86A

3. Spannungsfälle und Spannungen


lA1 := 0.2 ⋅ km l13 := 0.15 ⋅ km l12 := 0.2 ⋅ km
∆UA1 := 3 ⋅ ( R´ ⋅ lA1 ⋅ IA1W + X´ ⋅ lA1 ⋅ IA1B) ∆UA1 = 17.83V
∆U12 := 3 ⋅ ( R´ ⋅ l12 ⋅ I12W + X´ ⋅ l12 ⋅ I12B) ∆U12 = 8.32V
U2 := UA − ∆UA1 − ∆U12
U2 = 383.9V
4. Kabel überlastet? Kritisch: 1-2!
2 2
IA1 := IA1W + IA1B IA1 = 240.56A
IA1 > 218 A Überlast!
5. Einspeisung 90 kW PV-Wirkleistung in (2)
P2 = 20 kW Lieferung (-) und I2B = 48,93 A (Bezug)
( −20kW)
I2WPV := I2WPV = −28.87A
3 ⋅ UN
I12WPV := I2WPV I12B von oben I2WPV = −28.87A

∆U12PV := 3 ⋅ ( R´ ⋅ l12 ⋅ I12WPV + X´ ⋅ l12 ⋅ I12B) ∆U12PV = −0.546V

IA1WPV := I1W + I12WPV + I13W IA1WPV = 86.6A


∆UA1PV := 3 ⋅ ( R´ ⋅ lA1 ⋅ IA1WPV + X´ ⋅ lA1 ⋅ IA1B ) ∆UA1PV = 8.96V
U2PV := UA − ∆UA1PV − ∆U12PV U2PV = 401.6V

103
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5.7.4 Zweiseitig gespeiste Leitung


Hier sind zunächst die Belastungen der Leitungen - Ströme oder Leistungen – auf der Basis
einer verlustfreien Leitung in Bezug auf Wirk- und Blindleistungsverluste zu bestimmen.

Danach kann man mit den bekannten Methoden weiterarbeiten und etwa die Spannungen der
Lasten und Verluste bestimmen. Das Vorgehen ist also dergestalt, dass diese Netzformen auf
bekannte Konfigurationen wie die einseitig gespeiste Leitung zurückgeführt werden. Die fol-
genden Rechnungen gelten unter den Annahmen:

Überall werden gleiche Leitungen verwendet, Ausnahmen werden gekennzeichnet.


Alle Speisepunkte haben die gleichen Spannungen

Für den Fall eines Abnehmers lässt sich die Leistungsverteilung einfach errechnen.

lA1 lB1

(1)
(A) (B)
P1

PB lB1

PA lA1 (1) P1
(A) + (B)

PA * l A1 = PB * l B1
PA + PB = P1
l A1
PA + PA * = P1
l B1
PA * l B1 + PA * l A1 = P1 * l B1
P1 * l B1
PA =
l A1 + l B1

104
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Für mehr als eine Last – im Beispiel zwei - lässt sich dies erweitern. Dabei werden die Lei-
tungsverluste und der Blindleistungsbedarf der Leitung vernachlässigt. In einem zweiten
Schritt können diese dann berücksichtigt werden.

lGes
l1
l2

(1) (2)
PA PB (B)
(A)
QA QB
P1 P2
Q1 Q2

∑ (P *l )
i i
PA = B
PB = (∑ Pi ) − PA
lGes
A

∑ (Q * l ) i i
QA = B
QB = (∑ Qi ) − Q A
lGes

Unter Pi und Qi werden hier die Abnehmerleistungen verstanden. Zu beachten ist besonders
die Aufsummierung der Produkte Abnehmerleistung * Länge von B nach A!

Am Beispiel eines 20-kV-Ringnetzes soll die Vorgehensweise demonstriert werden. Gesucht


sind die Wirk- und Blindleistungen auf den Leitungen, die so genannten Lastflüsse.

(1)
PA
QA 2 km
20-kV-Sammel- 4 MW
schiene (A)
3 km 2 MVar

(2)
2 km 1 km
110-kV-Netz (B)
PB (3) 6 MW
QB 0 MVar
3 MW
1 MVar

105
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∑ (P * l )
i i
3MW * 2km + 6 MW * 3km + 4 MW * 5km 44 MW * km
PA = B
= = = 5,5MW
lGes 3km + 2km + 1km + 2km 8km
PB = (∑ Pi ) − PA = 13MW − 5,5MW = 7,5MW
A

∑ (Q * l ) i i
1MVar * 2km + 2 MVar * 5km 12 MVar * km
QA = B
= = = 1,5MVar
lGes 3km + 2km + 1km + 2km 8km
QB = (∑ Qi ) − Q A = 3MVar − 1,5MVar = 1,5MVar

Jetzt können mit Hilfe der Nennspannung die Ströme auf den einzelnen Leitungen berechnet
werden, und damit sowie mit den Leitungsdaten die Spannungen an den Knotenpunkten und
die Verluste.

Am Schluss ist noch zu vermerken, dass häufig, besonders in Niederspannungsnetzen, mit


Strömen statt mit Leistungen gearbeitet wird.

5.7.5 Berechnung vermaschter Netze


Mit den folgenden konventionellen Methoden sind relativ einfache vermaschte Netze zu be-
rechnen. Die nachstehenden Methoden gehen von überall gleichen Leitungen aus. Es gilt das
Prinzip, das Netz auf bekannte vereinfachte Konfigurationen zurückzuführen. Das schema-
tische Vorgehen und die Hilfsmittel dazu zeigen die nächsten beiden Skizzen.

106
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Vermaschtes Originalnetz

Vereinfachung mit
Werkzeugen der Rücktransformation
Netzumwandlung Rückrechnung

Berechnung der Leitungs-


belastungen des vereinfachten
Netzes

Werkzeuge der Netzumwandlung


Parallelschalten von Leitungen (bekannt)
l1
A B l = l1*l2/(l1+l2)
A B
l2
Verwerfen von Leistungen P oder Strömen I

P oder I P oder I
D

A C B A C B

Dreieck-Stern-Transformation
2 2

l1S = l12*l13/(l12+l13+l23)
1 S 1 S

3 3
Rückrechnung von Leistungen P (oder Strömen I)
aus Dreieck in Stern
2 2
PS2, lS2
1 P1S, l1S S 1

P12* l12 =
3 P1S*l1S+PS2*lS2

107
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Beispiel: Das dargestellte Niederspannungsnetz ist aus gleichen Kabeln (R’ = 0,30 Ω/km) auf-
gebaut. Im Lastpunkt wird ein Wirkstrom von 100 A bei cos ϕ = 1 abgenommen. Gesucht sind
die Ströme auf allen Leitungen und die Spannung im Lastpunkt 2 bei UAB = 410 V = const.

Das Netz wird umgezeichnet, die Dreieck-Stern-Transformation wird durchgeführt.

Die Last 100 A wird von 2 nach S verworfen, man erhält eine zweiseitig gespeiste Leitung.

108
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Die Einspeiseströme IA und IB berechnen sich nach den Gleichungen für die zweiseitig gespei-
ste Leitung.

∑ ( Iν * lν )
B 100 A * 116,8 m
I A= = = 57,25 A
Σ li 116,8 m + 87,2 m
I B = 100 A − 57,25 A = 42,75 A

Jetzt kann die Rückrechnung erfolgen:

42,75 A

I 12 * 12m = 57,25 A * 7,2 m + 100 A * 3,36 m I 12 = 62,35 A


I 23 * 28m = −100 A * 3,36 m - 42,75 A * 16,8 m I 23 = -37,65 A
I 13 * 60m = 57,25 A * 7,2 m - 42,75 A * 16,8 m I 13 = -5,10 A

Die Leitungsströme in das Netzbild eingetragen:

Berechnung der Spannungsabfälle und der Knotenspannung in 2.

109
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∆U A1 = 3 * [( I W )A1 * R A1 + ( I B )A1 * X A1 ]

∆ U A1 = 3 * [( I W )A1 * R A1 ] = 3 * (57,25 A * 0,08 km * 0,30 ) = 2,38 V
km

∆ U 12 = 3 * [( I W )12 * R12 ] = 3 * (62,35 A * 0,012 km * 0,30 ) = 0,39 V
km
U 2 = 410 V - 2,38 V - 0,39 V = 407,23 V

5.8 Knotenpotentialanalyse und Lastflussrechnungen


Lastflussrechnungen basieren in der Regel auf dem Verfahren der Knotenpotentialanalyse.
Das Verfahren ist aus Grundlagen der Elektrotechnik bekannt. Heute verwendet man in der
Regel Software zur Netzberechnung, in die Lastflussprogramme integriert sind.

Mit Hilfe von einfachen Regeln ist ein Gleichungssystem für die Bestimmung aller n unbekann-
ten Knotenspannungen Ui/√3 (von i = 1 …i = n) eines elektrischen Energieversorgungsnetzes
aufzubauen. Da in der Praxis meist Drehstromsysteme in höheren Spannungsebenen betrach-
tet werden, wird mit komplexen Größen gearbeitet. Dieses Gleichungssystem besteht aus der
Admittanzmatrix (Y), dem Knotenspannungsvektor (U) und dem Knotenstromvektor (I) und
lautet:

1
(Y ) * (U ) = ( I )
3

Zur Aufstellung dieses Gleichungssystems ist es oft sinnvoll, eine Skizze des Netzes mit allen
Admittanzen verfügbar zu haben.

Das Verfahren der Knotenpotentialanalyse arbeitet originär mit Stromquellen. Bei den nach-
folgenden Anwendungen sind diese stets in Spannungsquellen umzuwandeln. Die unten auf-
geführten Bildungsgesetze berücksichtigen dies. Sie lauten:

1. Man nummeriere alle n Knoten des Netzwerkes in aufsteigender Reihenfolge. Keine Nummer
erhalten der bzw. die Slackknoten. Dies sind Knoten mit konstanter, belastungsunabhängiger
Spannung.
2. Für die Admittanzmatrix (Y) der Größe n*n gilt:

Das Diagonalelement Yii ergibt sich als positive Summe aller am Knoten i anliegenden
Admittanzen,
Das Nichtdiagonalelement Yij ist der negative Wert der Admittanz zwischen den Knoten
i und j

3. Für die Aufstellung des Knotenstromvektors (I) sind zwei Fälle zu unterscheiden:

Werden am Knoten i Ströme abgenommen - beispielsweise im Mittel- und Niederspannungs-


netz - so berechnet sich das Element Ii aus der Summe aller am Knoten i anliegenden Ströme.
Einspeisende Ströme sind positiv zu zählen. Ist der Knoten i direkt ohne Zwischenknoten mit
einem oder mehreren Slackknoten (Knoten mit konstanter Spannung) verbunden, so sind noch
alle Produkte Admittanz zum Slackknoten multipliziert mit der Spannung des Slackknotens zu
addieren. Hinweis: Diese Aktion kommt daher, dass hiermit eine Spannungsquelle (Slackkno-
ten) mit Innenwiderstand (Leitungsadmittanz) in eine Stromquelle mit Paralleladmittanz umge-
wandelt wird.
In diesem Fall ergibt sich zusammen mit der Admittanzmatrix (Y) ein lineares Gleichungssy-
stem.

Werden am Knoten i komplexe Leistungen Si abgenommen - beispielsweise im Hoch- und


Höchstspannungsnetz - so berechnet sich das Element Ii wiederum aus der Summe aller am

110
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Knoten i anliegenden Ströme, welche sich hier aus den Leistungen und Knotenspannungen
errechnen: Ii = Si/(√3*Ui*). Einspeisende Ströme sind positiv zu zählen. Ist der Knoten i direkt
ohne Zwischenknoten mit einem oder mehreren Slackknoten verbunden, so sind – wie oben -
noch alle Produkte Admittanz zum Slackknoten multipliziert mit der Spannung des Slackknotens
zu addieren.
Hier erhält man zusammen mit der Admittanzmatrix (Y) ein nichtlineares Gleichungssystem,
das durch entsprechende Methoden (Newton-Raphson-Verfahren u.ä.) zu lösen ist.

Ein Beispiel – bereits bekanntes Netz - soll das Verfahren erklären. Gesucht sind die Span-
nungen der drei Knotenpunkte 1, 2 und 3 sowie der Strom zwischen 1 und 2.

Mit den genannten Regeln ist folgendes Gleichungssystem aufzubauen:

 410 
 375,001 − 277,7778 − 55,5556   U 1   3 + 41,6667   9863,0750 
  1      
 − 277,7778 396,8254 − 119,0476  * U 2  =  − 100  =  − 100 
 − 55,5556 − 119,0476 207,9365  3  U   410 + 33,3333   7890,4458
   3    
 3 

 U 1   407,6164 
   
Die Lösung ist: U 2  =  407,2278 V
 U   407,7760 
 3  

Damit ergibt sich der Strom zwischen 1 und 2:


U1 U2 1
I 12 = Y12 * ( - ) I 12 = * (407,6164V - 407,2278V)* 277,7778S = 62,32A
3 3 3

111
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6. Berechnung symmetrischer Kurzschlüsse


6.1 Allgemeines
Die in Drehstromnetzen wichtigsten Fehlerarten zeigt das unten stehende Bild. Ca. 85 % al-
ler Fehler sind einpolig.

Die auftretenden Fehlerströme beim einpoligen Fehler hängen davon ab, welche Stern-
punktbehandlung bei den das Netz speisenden Transformatoren gewählt wurde. Beim drei-
poligen Fehler spielt die Art der Sternpunktbehandlung keine Rolle, denn an der Fehlerstelle
ist die Summe aller Ströme Null.

Ist der Sternpunkt mit einer Kurzschlussstrombegrenzungsdrossel mit der Erde verbun-
den, so soll diese nur mit ihrer Reaktanz den einpoligen Kurzschlussstrom begrenzen.
Ein starr geerdeter Sternpunkt bringt den größten einpoligen Kurzschlussstrom mit sich,
der dann abzuschalten ist.
Der isolierte Sternpunkt ermöglicht ebenfalls einen weiteren Betrieb des Netzes beim
einpoligen Fehler. Der einpolige Fehlerstrom wird nur durch die Netzkapazitäten be-
grenzt.
Die Widerstandserdung arbeitet ähnlich wie die Kurzschlussstrombegrenzungsdrossel.
Durch ihren Widerstand begrenzt sie den einpoligen Kurzschlussstrom.
Bei der induktiven Erdung - auch Löschspule oder Petersenspule genannt - wird ver-
sucht, einen Parallelschwingkreis mit den Kapazitäten im Netz aufzubauen, um den ein-
poligen Fehlerstrom zu minimieren. Das Netz kann beim einpoligen Fehler weiter betrie-
ben werden.

112
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Wann ist die Berechnung welcher Kurzschlussart heranzuziehen?

Für die Dimensionierung der Betriebsmittel auf dynamische, mechanische und thermi-
sche Beanspruchung wird der maximale dreipolige Kurzschlussstrom herangezogen.
Für die Ansprechsicherheit der Schutzeinrichtungen wird in Netzen mit starr geerdetem
Sternpunkt der einpolige, in Netzen mit isoliertem Sternpunkt der zweipolige Kurz-
schlussstrom herangezogen.

Weitere Randbedingungen:

Es ist zwischen generatornahem und generatorfernem Kurzschluss zu unterscheiden.


Nur der dreipolige generatorferne Kurzschluss wird behandelt!
Da die Übergangswiderstände an der Kurzschlussstelle sehr schwer zu bestimmen sind
(z.B. Lichtbogen!), geht man von einer satten Verbindung aus!
Es sind die Normen nach DIN VDE 0102 „Berechnung von Kurzschlussströmen in Dreh-
stromnetzen“ aus dem Jahr 1988anzuwenden. Sie werden nachstehend dargestellt. Zu
erwähnen ist, dass diese mit VDE 0102/DIN EN 60909-0 vom Juli 2002 in Details aktua-
lisiert wurde.
Es wird mit absoluten Größen gerechnet, das in der Praxis ebenfalls anzufindende „per
unit“ Verfahren wird nicht behandelt.

6.2 Modellbildung
Für die Rechnungen benötigt man Modelle oder Ersatzschaltbilder (ESB) der Betriebsmittel.
Für die wichtigsten Betriebsmittel wie Fremdnetze, Transformatoren und Leitungen ist die Be-
rechnung ihrer Elemente in der Tabelle auf der nächsten Seite dargestellt. Nicht behandelt
werden Asynchronmotoren und Kraftwerkseinspeisungen. Hier ist wieder auf DIN VDE 0102
zu verweisen. Auf bei schwierigeren Fragen, etwa der Behandlung von stromrichtergespeisten
Antrieben, erhält man hier Hinweise.

In der Tabelle werden die Begriffe wie „Bemessungsscheinleistung“ (Sr, r = rated), „Bemes-
sungsspannung“ etc. benutzt. Auf diese Werte sind die Betriebsmittel dimensioniert. Im Ge-
gensatz dazu sind die Nennwerte wie etwa die Nennspannung (UN) zu sehen. Bei diesen
Werten werden die Anlagen meist betrieben.

113
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Betriebsmittel Modell Berechnung


Transformator U rT2
UrT: Bemessungsspannung auf der Z T = RT + jX T = u Kr *
Ober- oder Unterspannungsseite S rT
/rT : Bemessungsstrom auf der Ober- oder Unter- U rT2 PKrT PKrT * U rT2
spannungsseite RT = u Rr * = =
S rT 3 * I rT2 S rT2
SrT: Bemessungsscheinleistung
PKrT: Gesamte Wicklungsverluste X T = Z T2 − RT2
bei Bemessungsstrom
ukr: Bemessungswert der Kurzschlussspannung Meist werden die ohmschen Anteile
urr: Bemessungswert des ohmschen Spannungs- vernachlässigt!
falls
Leitung
R’: Ohmscher Widerstand pro Längeneinheit R Ltg = R' * l
X’: Betriebsreaktanz pro Längeneinheit
l: Länge X Ltg = X ' * l

Fremdnetz 2
c * U NQ
S’’KQ: Anfangs-Kurzschlusswechselstromleistung ZQ = ''
am Anschlusspunkt des Netzes S KQ
UNQ: Nennspannung des Netzes am Anschluss- c = 1,1 bei U NQ > 1kV
punkt Q
U NQ > 35kV → Z Q = 0 + jX Q

Sonst : X Q = 0,995 * Z Q RQ = 0,1 * X Q

113
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6.3 Verfahren der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle


Am besten wird das Vorgehen in einem Beispiel erläutert. Die unten skizzierte Anordnung
stellt das bekannte Beispiel „Versorgung eines Zementwerkes mit elektrischer Energie“ dar.
Nur die Knotenbezeichnungen wurden anders gewählt, das Fremdnetz ist zu berücksichtigen.
Bei stationären Lastflussrechnungen ist von einer konstanten Spannung an der 20-kV-Sam-
melschiene auszugehen. Der Spannungsregler des Transformators arbeitet in Zeitbereich von
einigen Sekunden. Die Vorgänge bei einem Kurzschluss finden jedoch im Bereich von ms
statt. Daher ist das speisende Netz mit zu berücksichtigen. In dieser Konfiguration ist der ma-
ximale dreipolige Kurzschlussstrom am Knoten (3) zu berechnen.

Folgende Daten der Betriebsmittel sind gegeben:

110-kV-Fremdnetz: Kurzschlussleistung SK'' = 2000 MVA.


Der Transformator (SrT = 31,5 MVA) weist die oberspannungsseitige Bemessungsspan-
nung UrOS = 123 kV/oberseitige Nennspannung UNOS = 110 kV auf, die analogen unter-
spannungsseitigen Werte betragen UrUS = 21 kV /UNUS = 20 kV. Die Kurzschlussspan-
nung beträgt uKr = 13,2 %, die Wicklungsverluste bei Bemessungsstrom PKrT = 50 kW.
Die Mittelspannungsleitung der Nennspannung 20 kV der Länge 8 km hat den
Ohmschen Widerstand R’ = 0,306 Ω/km und den Blindwiderstand X’ = 0,362 Ω/km.

Am besten merkt man sich die durchzuführenden fünf Schritte des Verfahrens der Ersatz-
spannungsquelle an der Fehlerstelle in Form eines "Kochrezeptes"!

Schritt Aktion
Das gegebene Netz kann erforderlichenfalls - muss aber nicht - jetzt schon auf der Basis
der gegebenen Längen vereinfacht werden (Dreieck-Stern-Transformation, Parallelschal-
1
tungen von Leitungen). Ausgehend von diesem vereinfachten Netz zeichnet man das
komplette Ersatzschaltbild.
2 Alle Queradmittanzen gegen Erde und nichtmotorischen Lasten werden vernachlässigt.
3 Alle wirksamen inneren Generatorspannungen werden kurzgeschlossen.
Die Daten aller Elemente sind zu berechnen. Das Netz ist jetzt auf der Basis von Impe-
danzen ggf. weiter zu vereinfachen. Sind Transformatoren im Netz, so sind alle Daten auf
die Spannungsebene des Fehlers zu beziehen. Dazu werden die entsprechenden Daten
mit dem Quadrat des Übersetzungsverhältnisses der jeweiligen Transformatoren
4
umgerechnet, hierzu sind die Bemessungsspannungen der Transformatoren heran zu
ziehen. Für die Umrechnung gilt ganz trivial: Kleine Spannung kleine Impedanz, große
Spannung große Impedanz. Jetzt kann man die Impedanz ZK der Kurzschlussbahn,
also den Innenwiderstand oder die Innenimpedanz des speisenden Netzes berechnen.
An der Fehlerstelle wird eine Ersatzspannungsquelle eingeführt. Ihre Spannung beträgt
c * U N / 3 . Dabei ist UN die Nennspannung an der Fehlerstelle. c ist der weiter hinten
5 stehenden Tabelle "Maximale und minimale Kurzschlussströme" zu entnehmen. Mit der
Ersatzspannungsquelle und der Impedanz ZK der Kurzschlussbahn kann man den An-
fangskurzschlusswechselstrom an der Fehlerstelle I K'' = (c * U N / 3 ) / Z K berechnen.

114
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Stellt man diese 5 Schritte grafisch dar, erhält man das folgende Bild:

Die Berechnung der einzelnen Elemente der Ersatzschaltbilder ergibt:

2
2 c * U 2N 21kV 2 1,1* ( 110000 V )
X Q = ür * =( )* = 0,194 Ω
S K ′′ 123kV 2000 * 106 VA
U rT2 ( 21000 V )2
Z T = RT + jX T = u Kr * = 0,132 * = 1,848 Ω
S rT 31,5 * 106 VA
P * (U ) 2 50000 W * (21000 V )
2
P
RT = KrT2 = KrT 2 rT = = 0,022 Ω
3 * I rT S rT 31,5 *10 6 VA (
2
)
X T = Z T2 − RT2 = (1,848 Ω) 2 − (0,020 Ω) 2 = 1,848 Ω
Ω Ω
R Ltg = l * R′ = 8 km * 0,306 = 2,448 Ω X Ltg = l * X ′ = 8 km * 0,362 = 2,896 Ω
km km
R K = 0,022 Ω + 2,448 Ω = 2,470 Ω
X K = 0,194 Ω + 1,848 Ω + 2,896 Ω = 4,938 Ω
2 2 2 2
Z K = R K + X K = ( 2,470 Ω ) + ( 4,938 Ω ) = 5,521 Ω

Jetzt kann der Anfangskurzschlusswechselstrom IK´´ berechnet werden. Hier wird – wie spä-
ter gezeigt – c=1,1 eingesetzt. Das Ergebnis ist zweckmäßig in kA anzugeben.

c *U N 1,1 * 20 kV
I K ´´= = = 2,30 kA
3 * ZK 3 * 5,521 Ω
Oft wird der Wert der Kurzschlussleistung angegeben. Sie errechnet sich:
S K ´´= 3 * U N * I K ´´= 3 * 20 kV * 2,30 kA = 80 MVA

115
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6.4 Maximale und minimale Kurzschlussströme


Nach VDE 0102 sind der kleinste und der größte Kurzschlussstrom zu berechnen.

Für die Berechnung der maximalen Kurzschlussströme die nachstehend aufgeführten


Randbedingungen zu beachten:

Die Netzeinspeisungen liefern die maximale Kurzschlussleistung


Die Netzschaltung wird so ausgewählt, dass der maximal mögliche Kurzschluss-
strom fließt
Alle möglichen Motoren und Generatoren sind am Netz
Die Leitertemperatur beträgt 20 °C

Für die Bestimmung der minimalen Kurzschlussströme ist zu berücksichtigen:

Es ist die Netzschaltung zu wählen, wo der kleinste Kurzschlussstrom fließen


wird
Motoren werden vernachlässigt
Die Wirkwiderstände von Leitungen sind entsprechend der Leitertemperatur am
Ende des Kurzschlusses einzusetzen. Für Leitungen in Niederspannungsnetzen
wird ein Wert von 80 °C eingesetzt.

Der Spannungskorrekturfaktor c der Ersatzspannungsquelle an der Fehlerstelle wird mit


Hilfe der Spannungsebene des Fehlers ermittelt:

Spannungskorrekturfaktor c
Spannungsbereich Maximaler Kurz- Minimaler Kurz-
schlussstrom schlussstrom
UN= > 1 kV 1,1 1
UN= 400/231 V 1 0,95
Sonstige Spannungen (z.B. 660 V) 1,05 1

6.5 Stosskurzschlussstrom
Jetzt soll für das bekannte Beispiel der zeitliche Verlauf des Kurzschlussstromes berechnet
werden. Es gilt das bereits abgeleitete Ersatzschaltbild, für das eine Differentialgleichung
den auftretenden Schaltvorgang beschreibt.

Der zeitliche Verlauf des Kurzschlussstromes iK ergibt sich als Lösung der Differentialglei-
chung, wobei ψ der sog. Schaltphasenwinkel ist. Er gibt an, in welchem Zeitpunkt die
Spannung eingeschaltet wird.
di K U
RK * i K + LK * = 2 * (c * N * sin(ωt + ψ ))
dt 3

116
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Mit der Anfangsbedingung

t=0 iK = 0

hat diese Gleichung die Lösung:

  −t 
  
i K = 2 * I K ´´*sin (ωt + ψ − ϕ K ) − e  T  * sin (ψ − ϕ K )
 

Dabei stellt IK´´ den bekannten Anfangskurzschlusswechselstrom dar:

c *U N / 3
I K ´´=
(RK )2 + (ωLK )2
ϕ K = arctan(ωLK / RK ) ist der Kurzschlusswinkel und T = LK / R K die Zeitkonstante.

Mit den Daten des Beispiels, also RK = 2,470 Ω und ωLK = 4,938 Ω ergeben sich:

c *U N / 3
I K ´´= = 2,30 kA wie bereits berechnet!
(RK )2 + (ωLK )2
ωLK 4,938 Ω
ϕ K = arctan( ) = arctan( ) = 63,426°
RK 2,470 Ω
LK 4,938 Ω /(2 * π * 50 1 / s ) 0,016 Ωs
T= = = = 6,364 ms = 6,364 *10 −3 s
RK 2,470 Ω 2,470 Ω

Ohne Ableitung sei erwähnt, dass ik für ψ=0° maximal wird. Damit erhält man den Verlauf
des Kurzschlussstromes iK.

5,0

4,0 Stosskurzschlussstrom IS

3,0 IK´´

2,0

1,0
iK/kA

0,0
0 20 40 60 80 100
-1,0

-2,0

-3,0

-4,0

-5,0
t / ms

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Man erkennt eine Sinusschwingung mit überlagertem Gleichstromanteil, der aber abklingt.
Wichtig ist der maximale Wert des Kurzschlussstromes, der Stosskurzschlussstrom IS. Wie
gesagt, erreicht er den maximalen Wert bei dem Schaltphasenwinkel ψ = 0, wenn also beim
Nulldurchgang der Spannung eingeschaltet wird bzw. der Kurzschluss auftritt. Dieser ungün-
stigste Fall wird stets angenommen. Auf IS sind Schaltanlagen mechanisch zu dimensionieren.

Der Stosskurzschlussstrom IS ist – wie aus der Lösung der Differentialgleichung ersichtlich -
vom Verhältnis des Ohmschen Widerstandes zum Blindwiderstand der Kurzschlussbahn ab-
hängig. Er lässt sich einfach über die so genannte Stossziffer κ bestimmen.

I S = κ * 2 * I K ´´

κ wiederum ist einfach dem unten stehenden Diagramm zu entnehmen oder auch zu berech-
nen: κ = 1,02 + 0,98 * exp(−3 * ( R K / X K ))

2,0
1,9
Stossziffer/Stossfaktor

1,8
1,7
1,6
1,5
1,4
1,3
1,2
1,1
1,0
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2

RK/XK

Daher wählt man folgendes praktische Vorgehen zur Berechnung:

1. Berechnung Anfangskurzschlusswechselstrom IK´´


2. Berechnung Verhältnis RK/XK der Kurzschlussbahn, mit Hilfe des Diagramms erhält
man die Stossziffer κ .Ist der Kurzschluss mehrseitig gespeist, so ist das kleinste
RK/XK - Verhältnis aller Zweige wählen!
3. Berechnung des Stosskurzschlussstroms I S = κ * 2 * I K ´´

Im berechneten Beispiel bestimmt sich der Stosskurzschlussstrom IS zu:

Bekannt sind: RK =2,470 Ω


XK =4,938 Ω RK/XK = 0,500
Aus dem Diagramm κ = f(RK/XK) erhält man: κ = 1,24
Stosskurzschlussstrom IS = 1,24*/2*2,30 kA = 4,0 kA (ok, siehe Verlauf
iK).

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In einem etwas umfangreicheren Beispiel soll das praktische und etwas verkürzte Vorgehen
bei einer Kurzschlussrechnung gezeigt werden. Das skizzierte, als verlustfrei betrachtete
Drehstrom-Höchstspannungsnetz der Nennspannung 220 kV soll bezüglich des maximalen
Kurzschlussstromes an (4) untersucht werden. Dieses Netz ist etwas komplexer als normal,
bedingt durch die Dreiecksmasche (2) – (3) – (4). Dies erfordert eine Dreieck-Stern-Transfor-
mation.

Es wird aus zwei Fremdnetzen der Nennspannung 400 kV gespeist. Aus diesen steht
an der Oberspannungsseite der Transformatoren in 1 und 2 jeweils eine unendliche
Kurzschlussleistung an.
Die beiden identischen Transformatoren weisen jeweils eine Bemessungsscheinlei-
stung von SrT = 300 MVA und eine Kurzschlussspannung uKr=16 % auf. Ohmsche An-
teile sind zu vernachlässigen. Die oberseitige Bemessungsspannung beträgt 420 kV,
die unterspannungsseitige Bemessungsspannung 230 kV.
Alle Leitungen haben die Reaktanz X´ = 0,30 Ω/km, ohmsche Anteile sind zu vernach-
lässigen, die Kapazitäten werden nach VDE 0102 sowieso vernachlässigt.

220-kV-Leitungen
(1) (2) (3)
100 km 150 km

100 km 50 km m
400-kV- 100 k 400-kV-
Fremdnetz (4) Fremdnetz

Gesucht ist der maximale dreipolige Anfangskurzschlusswechselstrom an Sammelschiene


(4). Dazu sind die nachstehenden Schritte durchzuführen.

1. Zu zeichnen ist für einen dreipoligen Fehler in (4) das Ersatzschaltbild mit allen für
die Kurzschlussrechnung nach VDE 0102 relevanten Elementen und der Ersatzspan-
nungsquelle an der Fehlerstelle. Alle Werte dieser Elemente sind zu berechnen.
2. Ausgehend von Schritt 1 ist eine Dreieck-Stern-Transformation des dort gezeichne-
ten Ersatzschaltbildes durchzuführen.
3. Auf der Basis von Schritt 2 sind die Gesamtreaktanz der Kurzschlussbahn XK und
der maximale dreipolige Anfangskurzschlusswechselstrom IK´´ bei einem Fehler an
Sammelschiene (4) zu berechnen. Welcher Stosskurzschlussstrom IS errechnet sich
dort?

119
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2
c * U NQ 1,1 * (400 kV ) 2
ZQ = ''
= =0
S KQ ∞
U rT2 (230000 V ) 2
Z T = RT + jX T = u Kr * = 0,16 * = 28,213 Ω
S rT 300 *10 6 VA
RT = 0
1 Ω
X 12 = *100 km * 0,30 = 15,0 Ω
2 km
Ana log : X 23 = 45,0 Ω X 24 = 15,0 Ω X 34 = 30,0 Ω

2. Jetzt sind die Stern-Dreieck-Transformation durchzuführen und die Reaktanz der


Kurzschlussbahn XK zu bestimmen. Damit können der maximale dreipolige Anfangs-
kurzschlusswechselstrom IK´´ und der Stosskurzschlussstrom IS berechnet werden.

Die Dreieck-Stern-Transformation liefert folgende Werte:

Π (anliegende X ) Dreieck
X Stern =
Σ(aller X ) Dreieck
45 Ω * 15 Ω
X 2S = = 7,5 Ω
45 Ω + 15 Ω + 30 Ω
X 3S = 15,0 Ω
X 4 S = 5,0 Ω

4. Damit ist die Gesamtreaktanz der Kurzschlussbahn XK bzw. der Innenwiderstand des
speisenden Netzes zu bestimmen.

X K = 5,0 Ω + [(7,5 Ω + 15,0 Ω + 28,213 Ω) (15,0 Ω + 28,213Ω)] = 28,332 Ω


1,1 * 220 kV
I K ´´= = 4,93 kA
3 * 28,332 Ω
RK / X K = 0 → κ = 2
I S = κ * 2 * I K ´´= 2 * 2 * 4,93 kA = 13,95 kA

120
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7. Berechnung unsymmetrischer Kurzschlüsse


7.1 Verfahren der symmetrischen Komponenten
Um unsymmetrische Lastfälle in einem Drehstromsystem berechnen zu können, kann man
entweder mithilfe der komplexen Rechnung Ströme und Spannungen der 3 unterschiedlich
belasteten Phasen der Anordnung berechnen oder man verwendet die Methode der
symmetrischen Komponenten.

Mit dieser Transformation lässt sich ein beliebiges unsymmetrisches Strom- oder
Spannungssystem 1, 2, 3 in drei symmetrische Systeme mit den Bezeichnungen m, g, 0
zerlegen. Dieses transformierte System besteht aus drei symmetrischen Systemen, die die
sogenannten „Symmetrischen Komponenten“ genannt werden:

• Mitsystem: Symmetrisches Drehstromsystem mit üblicher Phasenfolge


(rechtsdrehend), Index m
• Gegensystem: Symmetrisches Drehstromsystem mit entgegengesetzter Phasenfolge
(linksdrehend), Index g
• Nullsystem: System aus drei Strömen/Spannungen mit gleicher Größe und gleicher
Phasenlage, Index 0.

Mitsystem Gegensystem Nullsystem

Mit den um 120° verschobenen Einheitszeigern 1, a, a2

a = e j 120° = - 0,5 + j 0,866 a2 = e j 240° = - 0,5 – j 0,866 1+ a + a2 = 0

setzen sich die die realen Leiterströme jeweils aus den 3 Komponentenströmen zusammen:

I1 = Im1 + Ig1 + I0 Im1 =


1
3
(
I1 + a I2 + a I3
2
)
2
I2 = Im2 + Ig2 + I0 = a Im1 + a Ig1 + I0 Ig1 =
1
3
( 2
I1 + a I2 + a I3 )
1
2
I3 = Im3 + Ig3 + I0 = a Im1 + a Ig1 + I0 I0 = (I1 + I2 + I3 )
3

121
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Gleiches gilt für die Spannungen, hier in Matrizen-Darstellung:

U1  1 1 1 Um1  Um1  1 a a  U1 


2

   2      1  2   
U 2  = a a 1 ⋅  Ug1 
 U g1  = ⋅ 1 a
3 
a  ⋅ U2 
1  U3 
2
U3   a a 1  U0   U0  1 1
 

Es gibt, wie oben in den Schaltbildern gezeigt, eine Mit-, eine Gegen- und eine Nullimpedanz
Zm, Zg, Z0 .

Mit den Quellenspannungen der drei Systeme Uqm, Uqg und Uq0 lautet das unsymmetrische
Spannungssystem in Komponentenform z.B. für Phase 1:

Um1 = Uqm − Im1 ⋅ Z m


Ug1 = Uqg − Ig1 ⋅ Z g
U0 = Uqo − I0 ⋅ Z 0

Üblicherweise ist die reale Drehspannungsquelle symmetrisch, also Uqg = 0 und Uq0 = 0, dann
gilt:

Um1 = Uqm − Im1 ⋅ Z m


Ug1 = − Ig1 ⋅ Z g
U 0 = − I0 ⋅ Z 0

Dabei ist die Mitimpedanz Zm die Impedanz der Betriebsmittel bei symmetrischer Belastung,
also gleich der Phasenimpedanz der Leitungen, der Kurzschlussimpedanz der Transforma-
toren und Drosselspulen sowie der im Zeitpunkt des Kurzschlusses wirksamen Generator-
Impedanzen.

Die Gegenimpedanz Zg ist gleich der Mitimpedanz Zm bei


• Transformatoren und Drosselspulen
• Kabeln
• Freileitungen,

da hier die Phasenfolge keinen Einfluss auf die Impedanz hat.

Dagegen sind wegen des Einflusses der Drehrichtung Gegen- und Mitimpedanz verschieden
bei
• Generatoren und Motoren (praktisch jedoch nur bei Schenkelpolbauweise Xg/Xd‘‘ = 1,2
(mit) und Xg/Xd‘‘ = 1,5 (ohne Dämpferkäfig). Turbogeneratoren Xg/Xd‘‘≈ 1)

Die Nullimpedanz Z0 wird gemessen, indem man an das Betriebsmittel zwischen die parallel
geschalteten drei Phasen und die gemeinsame Rückführung eine einphasige
Wechselspannung anlegt:

122
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Es gilt:

∙ + ∙3
= = = +3

d. h. die Nullimpedanz ist die normale Impedanz plus die dreifache Impedanz der
Erdrückleitung.

Z0 ist abhängig von


• der Schaltungsart der Transformatoren,
• dem Aufbau der Kabelmäntel,
• der Leitfähigkeit des Erdbodens u. ä..

Als Beispiel folgt die Darstellung eines Netzes in Komponentenform:

Schaltbild einpolig und dreipolig Komponenten-Netzwerk

7.2 Berechnung unsymmetrischer Fehlerfälle


Auch hier - wie beim dreipoligen Kurzschluss – wird das Verfahren der Ersatzspannungs-
quelle verwendet. Dabei wird die Spannung an der Fehlerstelle vor Kurzschlusseintritt durch
eine Ersatzspannungsquelle ersetzt. Alle anderen Spannungsquellen im Netz entfallen dabei.

Querzweige, wie Belastungen, Leitungskapazitäten etc., werden nicht berücksichtigt, der


ohmsche Widerstand R kann im Hoch- und Mittelspannungsnetz in der Regel vernachlässigt
werden, so dass nur mit der Reaktanz X gerechnet wird.

Die Größe der Ersatzquelle ist c⋅Un/√3 mit c = 1,1 für die Bestimmung des größten
Kurzschlussstroms im Hoch- und Mittelspannungsnetz.

Durch die Zerlegung des unsymmetrischen Netzes in drei unabhängige Komponenten ist eine
einpolige Betrachtung des Drehstromnetzes möglich.

123
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Im Fehlerfall werden die 3 Komponenten-Netze zusammengeschaltet, so dass die


tatsächlichen Leiterströme und Spannnungen ermittelt werden können. Die Art der
Zusammenschaltung ist von den Randbedingungen des Fehlers abhängig. Dabei ist die
Sternpunktreaktanz immer dreifach einzusetzen, wie oben erläutert.

Da der zweipolige Kurzschlussstrom – wie eine Berechnung nach dieser Methode ergibt –
stets kleiner ist als der dreipolige Kurzschlussstrom (Faktor √3/2 für Xm = Xg), soll er hier nicht
betrachtet werden. Viel mehr interessiert der einpolige Erdkurzschlussstrom im geerdeten
Netz, der auch größer sein kann als der dreipolige.

Dieser soll nun mit dem beschriebenen Verfahren bestimmt werden.

7.3 Einpoliger Erdkurzschluss


Annahme: L1 ist mit Erde kurzgeschlossen:

Randbedingungen des Fehlers: I2 = I3 = 0 und U1 = 0

Diese werden eingesetzt in die Transformationsgleichungen auf S. 121:


1
Im1 = I1 = Ig1 = I0 und U1 = Um1 + Ug1 + U0 = 0
3

Damit lässt sich die Zusammenschaltung der 3 symmetrischen Komponenten-Netzwerke für


diesen Fehlerfall vornehmen:

124
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Der gesuchte 1-polige Erdkurzschlussstrom I1 ergibt sich aus dem zusammengesetzten


Schaltbild und nach Einsetzen der obigen Beziehungen:

U1 = U qm − Im1 ⋅ Z m − Ig1 ⋅ Z g − I0 ⋅ Z 0 = 0
1
Uqm =
3
(
I1 Z m + Z g + Z 0 )
3 U qm c ⋅ Un
I1 = mit U qm =
Zm + Z g + Z 0 3

''
Ik 1 =
3 ⋅ c ⋅ Un
(X ''
d einsetzen )
Zm + Z g + Z0

Für Zm = Zg = Z und Z0 = Z + 3 Ze folgt:

'' 3 ⋅ c ⋅ Un 3 ⋅ c ⋅ Un
Ik1 = =
2⋅ Z + Z0  Z 
Z  2 + 0 
 Z 

und durch Vergleich mit dem Ausdruck für den dreipoligen Kurzschlussstrom

'' c ⋅ Un '' '' 3


Ik 3 = Ik 1 = Ik 3 ⋅
3 ⋅Z Z0
2+
Z

Nach längerer Ableitung erhält man die Spannung der gesunden Phasen U2 und U3:

Un  2 Z / Z − 1  Un  Z /Z −1
U2 = a − 0 U3 = a − 0 
3  Z 0 / Z + 2  
3  Z 0 / Z + 2 

Für Z0 = ∞ (ungeerdetes Netz) ergibt sich mit |a2 –1| = √3: U2 = Un = √3 ·ULE
wie früher bereits berechnet.

Als Erdungsziffer ε und Erdfehlerfaktor δ bezeichnet man die Spannung der gesunden
Phasen bezogen auf die Nennspannung, also
U2 δ
ε = =
Un 3

Sie lassen auf die Wirksamkeit der Sternpunkterdung schließen. Für die starre Erdung sollte
nach VDE ε = 0,8 gelten.

Beispiel für die Bestimmung von Ik3‘‘ und Ik1‘‘:

Für die Übergabestelle einer 220 kV – Station wird die dreipolige Anfangs-Kurzschluss-
leistung zu Skn‘‘ = 12 GVA angegeben, außerdem sei Z0/Z = 3.

a) Wie groß ist Ik1‘‘?

125
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S k'' n 12 ⋅10 6 kVA


Ik'' 3 = = = 28,6 kA
3 ⋅ c ⋅ Un 3 ⋅1,1⋅ 220 kV
3 3
Ik'' 1 = Ik'' 3 ⋅ = 28,6 kA ⋅ = 17,2 kA
Z0 5
2+
Z

b) Welche Werte haben die Spannung der gesunden Phasen, der Erdfehlerfaktor und die
Erdungsziffer?

 Z /Z −1  2
U2 E = U1E  a 2 − 0  = U1E  − 0,5 − j 0,866 −  = U1E (− 0,9 − j 0,866 )
 Z0 / Z + 2   5
U
U 2 E = 1,25 ⋅ U1E = 1,25 ⋅ n = 0,72 ⋅ Un = 159 kV ; ε = 0,72 ; δ = 1,25
3

Wie man erkennt, hängt die Spannung von dem Verhältnis Z0/Z ab.

c) Bei welchem Z0/Z wird ε = 0,8 (VDE-Wert)?

U2 E 1 Z0 / Z − 1 Z0
= (0,5 + x )2 + 0,866 2 = 0,8 → x = 0,58 = → = 5,14
Un 3 Z0 / Z + 2 Z

126
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8. Erdschlussströme und deren Kompensation


8.1 Berechnung des 1-poligen Erdschlussstromes
In Mittel- und Hochspannungsnetzen entsteht bei einer Erdverbindung eines Leiters aufgrund
von kapazitiven Kopplungen der 3 Leiter zur Erde ein Erdschlussstrom, der aus dem Leiter
zur Erde und von dort über die Erdkapazitäten der anderen beiden Leiter zurück zu den
Spannungsquellen fließt. Das folgende Schaltbild zeigt die Situation:

Als Drehspannungsquelle ist ein Dy5-Transformator angenommen, dessen Sternpunkt


zunächst über eine Induktivität geerdet ist. Diese Induktivität kann entweder unendlich groß
sein, dann ist der Sternpunkt isoliert von der Erde, oder sie kann einen bestimmten Wert
annehmen, wodurch eine Kompensation des Erdschlussstromes erreicht wird (siehe 8.2).

Für die 3 symmetrischen Sternpunktspannungen gilt:

Nun werden die 3 Maschenumläufe gebildet:

1
0

1
0

Die 3 Maschengleichungen werden addiert, die 3 Sternspannungen fallen wegen der Summe
Null weg:

1
3 0

Nun werden die Ströme I1, I2 und IL durch IE ersetzt. Die Stromsumme an der Erde ergibt:

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bzw.

Der Sternpunktstrom lautet:

Oben eingesetzt ergibt sich:


1
3 0

1
3 0

1
3 0

3 0

Damit lautet der 1-polige Erdschlussstrom allgemein:


1
3

Für den Fall ohne Sternpunktinduktivität ist der 1-polige Erdschlussstrom:

In Betragsdarstellung:
√3

8.2 Kompensation des 1-poligen Erdschlussstromes


Da im Falle eines Erdschlusses an der Fehlerstelle Ströme bis zu 60 A je nach Größe des
Teilnetzes entstehen können, die mit einem Lichtbogen eine hohe Brandgefahr darstellen,
liegt es nahe, den Strom durch eine induktive Kompensation zu reduzieren. Man schaltet
dazu in den Sternpunkt eine sogenannte Petersenspule, wie unter 8.1 bereits berücksichtigt.

Der Ausdruck für den Erdschlussstrom wird dann Null, wenn der Klammerausdruck Null wird:

1
3 0

1 1
3

Damit ergibt sich die erforderliche Induktivität der Petersenspule zu:

1
3

Im realen Netz sind zusätzliche ohmsche Widerstände vorhanden, dieser Wirkstrom kann
natürlich nicht wegkompensiert werden, er wird als Reststrom bezeichnet.

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