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Lärmschutz: Diese Projekte in Zürich könnten bald gebaut werden 15.05.

23, 12:41

Wende beim Lärmschutz: fünf Orte, an


denen in der Stadt Zürich künftig
Wohnungen gebaut werden könnten
Der Grundsatzentscheid des Bundesrats könnte den städtischen
Wohnungsmarkt beleben.

Michael von Ledebur


20.12.2022, 05.00 Uhr

Christian Beutler / Keystone


Baugerüste an der Bederstrasse in Zürich-Enge: Ein Projekt für
124 Wohnungen konnte wegen der strengeren Handhabung des
Lärmschutzes nicht realisiert werden.

Für die Stadtzürcher Immobilienwirtschaft brachte der vergangene


Freitag einen Befreiungsschlag. Während sechs Jahren war es praktisch
unmöglich, an lauten Lagen zu bauen, weil die Gerichte Bauprojekte
schärfer beurteilten als früher. Letzte Woche nun hat der Bundesrat eine
Botschaft zum «Bauen im Lärm» publiziert, die einer Kurskorrektur in
dieser Frage gleichkommt.

Für zahlreiche Bauprojekte bedeutet dies, dass es wieder eine


Perspektive auf Realisierung gibt. Hunderte Wohnungen gelangen so auf
den ausgetrockneten Zürcher Wohnungsmarkt.

Im Kern der Diskussion steht die sogenannte Lüftungsfensterpraxis.


Zürich und einige andere Kantone massen Lärmgrenzwerte nicht an

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allen Fenstern eines Neubaus, sondern eben am Lüftungsfenster, das


beispielsweise gegen den Hof hin lag. Wenn der Immissionsgrenzwert
dort eingehalten wurde, konnte eine Bewilligung erteilt werden. 2016 hat
das Bundesgericht dies als bundesrechtswidrig verboten und damit die
Vorschriften zum Lärmschutz deutlich strenger ausgelegt. Zwar
erlaubten die Gerichte weiterhin Ausnahmen, aber diese mussten sehr
gut begründet sein. Es entstand der Eindruck, als zögen die Gerichte die
Schraube immer mehr an.

Der Grundsatzentscheid des Bundesrats läuft jetzt auf eine Rückkehr


zur Lüftungsfensterpraxis hinaus.

Nun wäre die Annahme naiv, dass die auf Eis gelegten Wohnbauprojekte
quasi auf Knopfdruck aufgetaut werden könnten. Im aus Sicht der
Bauherren besten Fall tritt die Gesetzesänderung im Sommer 2024 in
Kraft. Hinzu kommt, dass den einzelnen Projekten auf dem Weg zu einer
Baubewilligung der übliche Gang durch die Instanzen bevorsteht, wenn
die Nachbarn Einsprache einlegen. Dies nimmt ebenfalls Zeit in
Anspruch. Und die Parameter verändern sich während einer derart
langen Planungszeit. Das kann dazu führen, dass ein Projekt aus Sicht
des Bauherrn nicht mehr zeitgemäss erscheint und angepasst werden
muss.

Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch bei der Zürcher Kantonalbank,


spricht von einem «bedeutenden Richtungswechsel», der über die
konkreten Bauprojekte hinausgehe. Die rechtlichen Unsicherheiten beim
Lärmschutz seien für Investoren ein Grund, die Finger von Projekten im
innerstädtischen Bereich zu lassen. Dort habe man stets das Problem,
drei einander eigentlich widersprechende Bedürfnisse zu vereinen –
Lärmschutz, das Bedürfnis nach Wohnraum sowie das nach Mobilität. In
diesem Spannungsfeld sei ein pragmatischer Ansatz «bitter nötig».

Selbst wenn die jetzt blockierten Wohnungen sofort erstellt werden


könnten – sie wären angesichts einer Leerstandsquote von 0,07 Prozent
in der Stadt Zürich innert kürzester Zeit gefüllt. Kubli sagt, es sei
auffällig, dass es trotz Anlagenotstand nicht gelinge, das Bedürfnis nach
Wohnraum zu erfüllen. Nun, da die Zinsen anstiegen, gebe es für Anleger
wieder vermehrt andere Möglichkeiten, zu investieren. «Umso wichtiger
ist es, dass sich die Politik jetzt bewegt», sagt Kubli.

Wie rasch die in der Stadt Zürich blockierten Wohnungen gebaut werden
können, ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Eine Übersicht.

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Bederstrasse: ein neuer Anlauf

Seit 2016 plant die Swisscanto-Anlagestiftung an der Bederstrasse in


Zürich Enge eine Siedlung mit 124 Wohnungen. Die Bederstrasse ist laut,
weshalb das Bauen nur mit einer Ausnahmebewilligung möglich ist. Die
Bausektion des Zürcher Stadtrats hatte die Baubewilligung erteilt, die
kantonale Baudirektion hatte die Ausnahmebewilligung genehmigt. Das
Zürcher Verwaltungsgericht jedoch hob die Ausnahmebewilligung auf:
Die Alternativen seien beim Lärmschutz zu wenig geprüft und erörtert
worden. Das Bundesgericht stützte dieses Urteil.

Von den geplanten 124 Wohnungen sind die Immissionsgrenzwerte bei


99 mindestens in einem Raum überschritten. Im Lichte der neuesten
Entwicklung ist gut möglich, dass diese Probleme lösbar sind. Weil sich
der Bundesrat in seiner Botschaft an der Lüftungsfensterpraxis
orientiert, müssen die Grenzwerte nicht an allen Fassaden eingehalten
sein. Hinzu kommt, dass auf der Bederstrasse in den nächsten Jahren
Tempo 30 eingeführt werden kann, was die Lärmemission weiter senkt.

Swisscanto erarbeitet derzeit ein Bauprojekt unter Berücksichtigung der


heute geltenden Lärmschutzrichtlinie. Ein Zeitplan bis zur Realisierung
liegt noch nicht vor, aber Swisscanto will möglichst bald eine
Baueingabe. «Allfällige Veränderungen der regulatorischen Vorgaben
werden in den Projektierungen berücksichtigt», schreibt die
Medienstelle.

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PD
Visualisierung der beiden neuen Siedlungen. Ganz links im Bild
das Lochergut.

«Seebahnhöfe»: 14 Jahre Planung, null Ertrag

Seit geschlagenen 14 Jahren planen die Allgemeine Baugenossenschaft


Zürich (ABZ) und die Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals
(BEP) die «Seebahnhöfe», einen Ersatzneubau. Heute sind die
Liegenschaften getrennt, liegen aber nebeneinander. Das Doppelprojekt
würde, wenn realisiert, Wohnraum für 1000 Leute schaffen, wobei die
ABZ 210 Wohnungen plant, die BEP deren 140.

Die Realisierung hat sich immer weiter nach hinten verschoben. Im


Frühjahr wurde bekannt, dass die ABZ ihre befristeten, per 31. März 2023
auslaufenden Mietverträge verlängert hat, vorerst um ein Jahr. Die BEP
hat die 113 bestehenden Wohnungen dem Jugendwohnnetz zur
Zwischennutzung übergeben.

Anders als andere Bauherren haben BEP und ABZ kein konkretes
Bauprojekt eingegeben. Es war absehbar, dass die bisherige Planung vor
Gericht nicht würde standhalten können – übrigens trotz der geplanten
Reduktion auf Tempo 30 auf der Seebahnstrasse vor der Haustüre. Dies
könnte sich aufgrund der neuen Rechtslage jetzt ändern. Die beiden
Genossenschaften müssen allerdings noch ein zweites Problem lösen:
Die Stadt exerziert am «Seebahnhof» die neuen Vorgaben zum
preisgünstigen Wohnraum durch, und da gibt es noch Klärungsbedarf
mit der Stadt.

Geht es an die Realisierung, müssen ABZ und BEP zunächst einen


privaten Gestaltungsplan eingeben. Ist er genehmigt, kann die
Baueingabe folgen. Zum Zeitplan gibt es derzeit keine Angaben.

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Gaetan Bally / Keystone


Das Areal Brunaupark mit Siedlung und Ladenzentrum.

Brunaupark: Auch die Alternative wird angefochten

Die Pensionskasse der CS möchte den Brunaupark neu gestalten.


Auslöserin war die Hauptmieterin Migros, die dort ein grosses
Ladenzentrum betreibt, das dringend erneuert werden muss. 239
Wohnungen sollen abgebrochen und 500 neue gebaut werden, was
einem Plus von 261 Wohnungen entspricht. Das Projekt verlief nicht
störungsfrei: Es gab einen schlagzeilenträchtigen Streit um die
Kündigungsfristen bei den bisherigen Mieterinnen und Mietern, der
mittlerweile beigelegt ist. Und aus Lärmschutzgründen hob das
Baurekursgericht die Baubewilligung auf, weil die
Lärmschutzvorschriften nicht eingehalten worden seien.

Das Projekt ist beim Bundesgericht hängig. Dieser Entscheid ist aber
belanglos geworden, weil die CS-Pensionskasse eine zweite Version
erarbeitet hat, mit Wohnungsgrundrissen, die mit den heutigen
Lärmschutzvorgaben kompatibel sind. Dies ist an dieser Lage eher
machbar als andernorts. Bis zur Realisierung der 500 Wohnungen wird
es einige Jahre dauern, weil sich der Bau über mehrere Etappen
hinziehen wird. Zudem wurde das neue Bauprojekt zwar diesen Herbst
von den Behörden bewilligt. Es ist aber bereits angefochten worden,
wenn auch nicht aus Lärmschutzgründen.

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PD
Der Neubau an der Winterthurerstrasse soll die Gebäude der
ersten Bauetappe der Baugenossenschaft Oberstrass ersetzen
(erbaut 1923-1926).

Winterthurerstrasse: gescheitertes Modellvorhaben

Jahrelang hatte die Baugenossenschaft Oberstrass einen Ersatzneubau


an der Winterthurerstrasse vorangetrieben und dabei ein besonderes
Augenmerk auf den Lärmschutz gelegt. 134 neue Wohnungen sollten
hier entstehen. Während des ganzen Planungsprozesses war die
Baugenossenschaft von den Behörden von Stadt und Kanton beraten
worden. Dennoch scheiterte das Bauvorhaben bereits in erster Instanz
vor dem Zürcher Baurekursgericht. Dies zur Überraschung aller
Beteiligten. Denn die Behörden von Stadt und Kanton hatten als
Reaktion auf erste Urteile zum Lärmschutz die Lüftungsfensterpraxis
verfeinert und die Hürden für Ausnahmegenehmigungen für das Bauen
an lauten Lagen erhöht. Nun zeigte sich, dass dies den Gerichten noch
immer zu wenig weit ging.

Den neuen, vom Bundesrat angedachten Vorgaben würde das Vorhaben


der Baugenossenschaft entsprechen. Sie könnte das Projekt neu
eingeben. Ab Baufreigabe bis zum Wohnungsbezug würde es 3,5 Jahre
dauern. Starten würde man wieder auf Feld 1. Zu erwarten wäre, dass die
Nachbarn erneut Einsprache einlegen würden. Der Lärmschutz wäre
diesmal allerdings kein Argument mehr.

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