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e-HNO: Kasuistiken

HNO 2012 · 60:659–661 S. Lehmann1 · G. Tzamalis2 · U. Reichelt3 · S. Jovanovic4


DOI 10.1007/s00106-012-2505-2 1 HNO-Klinik, Helios-Klinikum Berlin-Buch
Online publiziert: 26. April 2012 2 HNO-Klinik, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinikum Benjamin Franklin
© Springer-Verlag 2012 3 Institut für Pathologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinikum Benjamin Franklin

4 Meoclinik, Berlin

Redaktion

Leiomyom
B. Wollenberg, Lübeck

Ein seltener Tumor der Gl. parotis

Falldarstellung Vergrößerungen und Verhärtungen in In der bereits ambulant durchgeführten


der Drüse, Druckdolenz, Verschieblich- MRT zeigte sich in der T2-Wichtung eine
Anamnese keit von Raumforderungen, pathologi- unscharf begrenzte, hypointense Läsion
sches Sekret aus den Ausführungsgän- in der linken Gl. parotis. In den durchge-
Wir berichten über eine 68-jährige Pa- gen und auf Symmetrie des Gesichts ge- führten Blutuntersuchungen fanden sich
tientin, die sich 2009 mit einer seit mehre- achtet werden. Im Anschluss empfeh- keine Auffälligkeiten.
ren Wochen bestehenden präaurikulären len wir die Durchführung einer Sonogra-
Schwellung links in unserer HNO-Hoch- phie, die als Goldstandard in der bildge- Differenzialdiagnosen
schulambulanz vorstellte. Vorausgegan- benden Diagnostik bei Speicheldrüsenpa-
gen war bereits die ambulante Vorstellung thologien anzusehen ist. In seltenen Fällen Bei progredienten Vergrößerungen in der
beim HNO-Arzt, der uns die Patientin zur und bei nicht richtungsweisenden Befun- Regio parotidea muss sowohl an benigne
operativen Sanierung des in der ambulant den kann die Durchführung verschiede- als auch an maligne Veränderungen ge-
durchgeführten Magnetresonanztomo- ner bakteriell-, viral- und autoimmunse- dacht werden. Bei neoplastischen Läsio-
graphie (MRT) beschriebenen, unklaren rologischer Blutuntersuchungen diagnos- nen stellt sich in 80% der Fälle ein gutarti-
Tumors überwies. Anamnestisch wurde tisch hilfreich sein. In bestimmten Fällen ger Tumor dar (z. B. pleomorphe Adeno-
keine B-Symptomatik genannt. Die Fra- kann die diagnostische Palette sialendo- me, Zystadenolymphome), 20% sind bös-
gen nach Noxen wie Alkohol oder Niko- skopisch oder mittels eines Schnittbild- artig (Mukoepidermoidkarzinome, ade-
tin wurden ebenfalls verneint. verfahrens, z. B. MRT, ergänzt werden, nozystische Karzinome, Adenokarzino-
um das Ausmaß und die Entität des Pro- me, Azinuszellkarzinome, Plattenepithel-
Befund zesses besser einschätzen zu können. karzinome, entartete pleomorphe Adeno-
Bei der klinischen Untersuchung der me).
In der HNO-ärztlichen Untersuchung Patientin ließ sich palpatorisch eine in- Bei einer unklaren Raumforderung in
zeigte sich eine etwa 10×15 mm große, in- dolente Verdickung der linken Regio par- der Gl. parotis muss differenzialdiagnos-
dolente präaurikuläre Raumforderung in otidea feststellen. Anschließend wurde tisch auch an eine virale Infektion (HIV,
der linken Regio parotidea. Die enorale eine B-Mode-Sonographie der Gl. par- Paramyxoviren) sowie an Autoimmun-
Schleimhaut war reizlos und feucht. Aus otis und der Halsweichteile durchgeführt.
dem Stenon-Gang konnte beidseits klarer Hierbei zeigte sich eine echoarme, inho-
Speichel exprimiert werden. Der Zahnsta- mogene, unscharf begrenzte Raumfor-
tus war saniert. Eine Dysgeusie oder Xe- derung mit Binnenechostruktur ventro-
rostomie wurde verneint. Die Fazialis- lateral des linken Kiefergelenks mit einer
funktion war regelrecht. Größe von etwa 8,9×14 mm (. Abb. 1)
Eine Lymphknotenvergrößerung
Diagnostik oder ein vermehrter Lymphknotenbe-
satz konnte nicht nachgewiesen werden.
Bei unklaren Prozessen im Bereich der
Gl. parotis sollte zunächst eine klinische
Auszugsweise vorgetragen auf der 81. Jahres-
Untersuchung der Region mittels Inspek- versammlung der Deutschen Gesellschaft für
tion und Palpation erfolgen. Dabei soll- Hals- Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals- Abb. 1 8 Sonographie der Gl. parotis links.
te auf pathologische Erscheinungen wie chirurgie, 12.–16.Mai 2010, Wiesbaden. Raumforderung von 8,9 × 14 mm Größe

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licher Prozess zum Vorschein trat, ent-


schlossen wir uns zu einer Schnellschnitt-
biopsie. Diese ergab keinen Malignitäts-
verdacht.
Aufgrund der ausgeschlossenen Ma-
lignität sowie der kritischen topographi-
schen Beziehung des Prozesses zum Ge-
sichtsnerv wurde zunächst auf eine tota-
le Entfernung verzichtet.

Histologie und Diagnose


Abb. 4 8 Leiomyom der Gl. parotis. Wachstums-
fraktion <1% (Ki-67; Vergr. 100:1)
Die histologische und immunhistologi-
Abb. 2 8 MRT. Hypointense Läsion im Kiefer- sche Aufarbeitung ergab ein regressiv ab-
winkel links, koronare Darstellung, T2-Wichtung gewandeltes Leiomyom mit Expression
von Aktin vom glatten Typ und einer
Wachstumsfraktion von < 1% (Ki-67-In-
dex, . Abb. 4, 5)

Diskussion
Leiomyome zählen zu den benignen, mes-
enchymalen Tumoren aus glatten Muskel-
zellen mit häufigster Lokalisation im Ute-
rus [2]. Seltener trifft man sie auch in an-
deren Regionen, wie z. B. an Gefäßen, in
der Speiseröhre oder im Bereich der ablei- Abb. 5 8 Leiomyom der Gl. parotis. Expression
tenden Harnwege. Im Kopf-Hals-Bereich glattmuskulären Aktins durch die Tumorzellen
findet man Leiomyome eher selten, den- (SMA; Vergr. 100:1)
noch wurden bereits Fälle mit Lokalisa-
Abb. 3 8 MRT. In T2-Wichtung hypointense Lä-
tion in der Nasenscheidewand, im Sinus
sion am Kieferwinkel links, axiale Darstellung maxillaris, im Hypopharynx sowie im La- eine Sonographie oder bei unklarem Be-
rynx beschrieben [1, 5, 6, 7, 8, 9, 10]. fund eine MRT erfolgen. Ein Jahr nach
Das Leiomyom der Gl. parotidea stellt der Operation zeigte sich in der Verlaufs-
erkrankungen (Kollagenosen, Sarkoido- eine onkologische Rarität dar. Bis heute MRT der Patientin ein Narbenareal mit
se, Heerfordt-Syndrom) gedacht werden. wurde ein einziger Fall eines Leiomyoms Anteilen vom Resttumor, welcher nicht
der Gl. parotis aus Japan beschrieben [4]. größenprogredient war. Die Fazialisfunk-
Therapie und Verlauf Von allen im menschlichen Körper tion war uneingeschränkt.
auftretenden Leiomyomen befinden sich
Aufgrund des progredienten Wachs- etwa 8–13% in der Kopf-Hals-Region [3]. Fazit für die Praxis
tums und der in der MRT nachgewiese- Aufgrund des benignen Charakters, der
nen unklaren pathologischen Kontrast- langsamen Wachstumsrate sowie der sehr F Differenzialdiagnostisch muss sowohl
mittelanreicherung vereinbarten wir mit niedrigen Entartungsrate der Leiomyome an benigne als auch an maligne Tu-
der Patientin eine operative Sanierung im Kopf-Hals-Bereich sollte eine kom- moren im Bereich der Gl. parotis ge-
(. Abb. 2, 3). plette Resektion nur bei entsprechender dacht werden.
Im Rahmen der operativen Explora- Klinik und nach Abwägung der Opera- F Aufgrund des benignen Charakters
tion zeigte sich ein diffuser, raumfordern- tionsrisiken angestrebt werden. und der geringen Entartungstendenz
der Prozess in unmittelbarer Nähe des Im gleichen Zusammenhang wird auf der Leiomyome sollte im Bereich der
Kiefergelenks mit breitflächigem Kon- die Bedeutung einer sorgfältigen histolo- Gl. parotis nur nach genauer Analyse
takt zum Hauptstamm des N. facialis. Der gischen Begutachtung für die Therapie- der anatomischen Gegebenheiten
Nerv war hierbei langstreckig vom Tumor planung und die Nachsorge hingewie- und nach Abwägung der dadurch
komplett ummauert. Da makroskopisch sen. In Anlehnung an den einzigen bis- entstehenden Operationsrisiken eine
die Läsion keine typischen morphologi- her beschriebenen Fall in der Literatur vollständige Resektion erfolgen.
schen Charakteristika eines der häufigen sollte unseres Erachtens zur Verlaufsbe- F Empfehlenswert ist die regelmäßige
solitären Speicheldrüsenbenignome auf- obachtung neben der klinischen Eva- Nachbetreuung der Patienten, um
wies und hier eher ein diffuser, entzünd- luation bildgebende Diagnostik wie z. B. eine Größenprogredienz und ggf.

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Zusammenfassung · Abstract

neu aufgetretene Malignitätszeichen Literatur HNO 2012 · 60:659–661


frühzeitig zu erkennen. DOI 10.1007/s00106-012-2505-2
1. Ardekian L et al (1996) Vascular leiomyoma of © Springer-Verlag 2012
the nasal septum. Otolaryngol Head Neck Surg
114:798–800 S. Lehmann · G. Tzamalis · U. Reichelt ·
Korrespondenzadresse 2. Böcker W, Denk H, Heitz U (2004) Pathologie, 3. S. Jovanovic
Aufl, Urban & Fischer, München Jena, S 928
S. Lehmann 3. Geißler M et al (2007) Raumforderung des harten Leiomyom. Ein seltener Tumor
HNO-Klinik
Helios-Klinikum Berlin-Buch
Gaumens. HNO 55:48–50
4. Kido T, Sekitani T (1989) Vascular leiomyoma of the
der Gl. parotis
Schwanebecker Chaussee 50 parotid gland. ORL Otorhinolaryngol Relat Spec Zusammenfassung
13125 Berlin 51(3):187–191
5. Kutta H et al (2007) Schwellung der Halsweichteile.
Leiomyome sind gutartige, aus glatten Zellen
sina.lehmann@ bestehende Tumoren und amhäufigsten im
helios-kliniken.de HNO 55:557–559
6. Labruna A et al (1995) Leiomyoma of the maxilla- Uterus lokalisiert. Seltener trifft man sie auch
ry sinus: A diagnostic dilemma. Otolaryngol Head in anderen Regionen, wie z. B. an Gefäßen,
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor Neck Surg 112:595–598 in der Speiseröhre oder im Bereich der ablei-
gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes- 7. Singh R et al (2008) Leiomyoma of the nasal sep- tenden Harnwege. Im Kopf-Hals-Bereich stel-
senkonflikt besteht. tum. Indian J Cancer 45(4):173–175 len Leiomyome eine Rarität dar.Wir berichten
8. Yingying Xu et al (2008) Vascular leiomyoma of the
über eine Patientin, die sich mit einer progre-
larynx: a rare entity. ORL 70(4):264–267
9. Yuh-Chyun Chiang et al (2007) Glossal vascular dienten Schwellung der Gl. parotis vorstellte.
leiomyoma. Otolaryngol Head Neck Surg 136:315– Histologisch ergab sich das Bild eines regres-
316 siv abgewandelten Tumors.
10. Wang CP et al (2004) Vascular leiomyoma of the
head and neck. Laryngoscope 114(4):661–665 Schlüsselwörter
Tumoren · Leiomyom · Parotistumoren ·
Drüsenneoplasien · Gl. parotis

Leiomyoma. A rare neoplasia


of the parotid gland
Abstract
Leiomyomas are benign neoplasias consist-
ing of smooth muscle tissue, with the most
common localization being the uterus. Less
often incidence is observed in other regions
such as the blood vessels, esophagus and
lower urinary tract. Leiomyomas occur on-
ly rarely in the head and neck area. We re-
port about a female patient being treated be-
cause of progredient swelling and enlarge-
ment of the left parotid gland. The histolo-
gical specimen revealed a regressive trans-
formed tumor.

Keywords
Tumors · Leiomyoma · Parotid neoplasms ·
Glandular neoplasms · Parotid gland

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