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6 1 Gelungene Kommunikation in der Physiotherapie

tung tätig ist, arbeitet recht flexibel und über- men durch diese Beispiele eine weitere Vorstel-
nimmt teilweise auch Aufgaben, die über die phy- lung davon, welche Gesprächssituationen in der
siotherapeutische Behandlung hinausgehen (z. B. physiotherapeutischen Praxis auftreten können,
die Behandlungszeit in den täglichen Ablauf der die ein kompetentes Handeln seitens des Physio-
Einrichtung passend für Patienten integrieren, therapeuten erfordern.
Tätigkeiten der Pflege einfließen lassen). Weiter-
hin gibt es Patienten, die in einem Physiothera- Gesprächsbeispiele aus der
peuten mehr sehen, als den Fachmann für Bewe- physiotherapeutischen Praxis
gungsabläufe und körperbezogene Therapie. Dann
wird der Therapeut mit persönlichen Geschichten Stellen Sie sich vor, Sie können einen Vormittag
oder negativen Erfahrungen des Patienten mit lang einen Einblick in eine Praxis für Physiothera-
Physiotherapie konfrontiert, mit Sorgen und Ängs- pie haben, ohne dass Sie selbst im Behandlungs-
ten oder sogar mit persönlicher Kritik belastet. raum anwesend sein müssen. Sie können sehen,
In diesem Kapitel werden vier Beispiele aus der hören und ein Gefühl dafür bekommen, wie die in
Praxis vorgestellt. Es handelt sich um imaginäre der Praxis beschäftigten Physiotherapeuten mit
Fälle, die Grundmuster der Kommunikation zwi- ihren Patienten umgehen und umgekehrt. Die
schen Patient und Therapeut veranschaulichen. Behandler und Patienten verhalten sich also abso-
Wir möchten, dass sich die Leser eine Vorstellung lut natürlich und realitätsbezogen. Dies ist ja bei
von diesen Situationen machen und sich in den einer Hospitation vor Ort nicht immer der Fall, wie
Therapeuten hineinversetzen, als ob sie selbst mit Sie vielleicht aus den Praxisbesuchen wissen, bei
diesem Fall konfrontiert wären. Wir möchten die denen Sie von einer Lehrkraft Ihrer Ausbildungs-
Leser ermutigen, die dann entstehenden inneren stätte besucht wurden. Darüber hinaus haben Sie
Reaktionen, d. h. Gedanken, Impulse, Körperemp- einige Hintergrundinformationen über die ver-
findungen, Gefühle mit Interesse zur Kenntnis zu schiedenen Therapeuten zur Verfügung, die Ihnen
nehmen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass eigene dabei helfen, deren Gesprächsverhalten genauer
Erfahrungen mit Patienten lebendig werden, so einzuschätzen. Am Ende der jeweiligen Behand-
dass Sie einen Bezug zur eigenen Tätigkeit herstel- lungssituation erhalten Sie sogar einen Einblick in
len und auf diese Weise ihren Lernprozess anregen die innere Welt – das subjektive Erleben – des
können. Die Leser mit wenig Berufserfahrung Therapeuten, zumindest soweit ihm dies selbst
(Schüler im Praktikum, Berufsanfänger) bekom- klar ist.

Fall 1:

Annika Könner ist eine junge Physiotherapeutin mit der Praxis, schätzt Annikas soziale und fachliche Kom-
zwei Jahren Berufserfahrung. Sie ist sehr gewissen- petenz. Daher bekommt Annika häufig Patienten mit
haft, überaus motiviert und möchte ihren Patienten besonders schwierigen Störungsbildern zugeteilt. Die
wirklich weiterhelfen. Daher besucht sie regelmäßig Seitenbemerkungen von Kollegen über manche ihrer
Fortbildungen, um ihre fachliche Kompetenz kontinu- Patienten, dass diese „psychisch überlagert“ seien,
ierlich weiterzuentwickeln (erfolgreich hat sie bereits ärgern Annika, ohne dass sie jedoch im Team offen
Lehrgänge für manuelle Therapie, Lymphdrainage, Stellung dazu bezieht. Trotz ihrer Fachkompetenz und
Dorn-Methode, Progressive Muskelentspannung und ihres hohen Engagements fühlt sich Annika nach einem
ein Feldenkrais-Seminar absolviert und setzt die langen Arbeitstag oft sehr ausgelaugt und kraftlos.
Erkenntnisse und Techniken eifrig bei ihren Patienten Ihre Patientin Frau Wort kennt Annika bis jetzt nur von
um). Annika legt Wert darauf, den Patienten und Kol- der Terminvereinbarung. Sie weiß, dass Frau Wort 53
legen gegenüber stets freundlich und hilfsbereit zu Jahre alt ist und nach einer Operation der rechten
sein und sie weiß, dass es sehr wichtig ist, den Patien- Schulter vor zwei Wochen nun ein Rezept für Physio-
ten gut zuzuhören – so wie sie es in der Ausbildung therapie bekommen hat.
und in ihrer ersten Praktikumsstelle gelernt hat. Leider kommt Frau Wort beim ersten Termin fünf
Schließlich können im Gespräch wichtige Informatio- Minuten zu spät, da sie die Praxis nicht gleich gefun-
nen auftauchen, die sie für eine befundgerechte Wei- den hat. Bei der Begrüßung wirkt Frau Wort gehetzt,
terbehandlung des Patienten benötigt. Zu ihrer dama- verkrampft – beispielsweise hält sie die rechte Schul-
ligen Ausbilderin hat sie immer noch freundschaftli- ter deutlich nach oben und vorn versetzt – und sie
chen Kontakt und wenn sie sich treffen, kommen sie scheint starke Schmerzen beim Bewegen zu haben.
jedes Mal richtig ins Fachsimpeln über aktuelle Fälle Ihre Augenbrauen sind auffällig zusammengezogen,
aus der Praxis. Ihr jetziger Vorgesetzter, der Besitzer so dass dazwischen sogar eine Hautfalte sichtbar ist.

Hoos-Leistner, Gesprächsführung für Physiotherapeuten (ISBN 9783131476913), © 2016 Georg Thieme Verlag KG
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Patienten und Therapeuten 7

Frau Wort tritt trotz der Beschwerden wie eine sehr Schulterbeschwerden erwartet. Da diese Schmerzen
resolute Frau auf und sie äußert gleich zu Beginn, dass in den letzten Monaten immer stärker wurden, habe
sie nicht versteht, warum sie jetzt schon Übungen der Arzt die Operation empfohlen. Sie habe große
machen soll, wenn die Schulter doch noch so weh tut. Hoffnungen in die Operation gesetzt, weil sie im All-
Annika denkt sich, dass Frau Wort anscheinend tag viel zu tun hat. Annika behandelt gerade die
glaubt, dass Physiotherapie identisch mit „Übungen“ schmerzbedingten muskulären Verspannungen mit
ist – möglicherweise weil der Arzt eine entsprechende einem Massageverfahren und fragt nach, wie der All-
Bemerkung gemacht haben könnte. Annika erklärt ihr tag der Patientin aussieht. Nun folgt eine sehr
freundlich, dass es zunächst darum geht, eine genaue umfangreiche Schilderung von Frau Worts Tagesab-
Befundung der betroffenen Region und der Funktion lauf, die sich von ihren Einschränkungen bei der Kör-
zu machen und dann zu entscheiden, welche Behand- perpflege über ihre Halbtagstätigkeit als Sekretärin in
lung hilfreich ist. Annika argumentiert, dass das Ziel der örtlichen Verwaltung, die Betreuung ihres Enkel-
der Physiotherapie nach einer Schulteroperation darin sohnes am Nachmittag bis hin zur Pflege ihres 85-jäh-
besteht, dass die Schmerzen beseitigt werden und die rigen Vaters, der im Nachbarhaus wohnt, erstreckt.
Beweglichkeit wieder hergestellt wird. Wann und wel- Frau Wort vergisst nicht, die komplizierten Bezie-
che Übungen eingesetzt werden, werde dem Hei- hungskonstellationen im Büro zu erläutern und schil-
lungsverlauf angepasst. Diese von Annika ruhig und dert präzise, wie liebenswert ihr Enkelsohn sei, was er
klar vorgebrachten Aussagen scheinen bei der Patien- mit seinen acht Monaten schon alles könne und wie
tin anzukommen und sie wird etwas ruhiger. Auf die schwierig es oft sei, ihrer Tochter klarzumachen, was
Nachfragen von Annika zu Art, Stärke und Ort der der Kleine wirklich brauche. Da Annika genau zuhören
Schmerzen gibt die Patientin anfangs fast noch etwas will, um sich in die Patientin hineinzuversetzen und
widerwillig die erforderlichen Angaben. Im Verlauf der möglicherweise weitere wichtige Informationen für
Anamnese, Inspektion und Palpation wird die Patien- die Behandlung zu bekommen, wird es im Verlauf des
tin zunehmend kooperativer – schließlich achtet Gespräches immer anstrengender für Annika, weil
Annika genau darauf, Schmerzen zu vermeiden und Frau Wort in ihren Schilderungen kaum noch zu brem-
sehr sensibel mit Frau Wort umzugehen. Aufgrund sen zu sein scheint und immer weitere Details erzählt.
der guten Ausbildung und ihrer Erfahrungen mit der Annika ist sehr bemüht, alle Äußerungen nachzuvoll-
Behandlung von Schulteroperationen weiß sie, welche ziehen und im Gespräch aufzugreifen, was ihr aller-
Bewegungen und Gelenkstellungen mit hoher Wahr- dings nicht mehr so gut wie vorher gelingt, weil ihr
scheinlichkeit Schmerzen auslösen und welche entlas- Frau Wort in ihrem Redefluss dazu keine Möglichkeit
tend wirken. Als Annika mit einigen schmerzlindern- gibt. Am Ende der Behandlung strahlt Frau Wort über
den Techniken aus der manuellen Therapie beginnt, das ganze Gesicht und lässt Annika kaum die Möglich-
atmet Frau Wort deutlich hörbar auf und ihre keit, sich – natürlich freundlich – zu verabschieden,
Gesichtszüge entspannen sich sichtbar. Es scheint obwohl der nächste Patient schon wartet.
sogar fast ein kleines Lächeln in Frau Worts Gesicht zu Annika denkt sich auf dem Weg zum anderen Behand-
beobachten zu sein. lungszimmer, dass das eine wirklich gelungene Be-
Durch den einfühlsamen und fachlich kompetenten handlung war, weil sie bei Frau Wort eine deutliche
Umgang beginnt Frau Wort immer mehr aufzutauen Schmerzlinderung bewirken konnte. Gleichzeitig spürt
und sie fängt an, über die Fragen von Annika zur sie eine Verspannung im Nackenbereich und eine
Befundung hinaus von sich und ihrem Alltag zu erzäh- enorme Müdigkeit im Kopf. Sie fragt sich, ob gerade
len. Sie sagt, dass sie sehr enttäuscht ist, dass die leichte Kopfschmerzen im Anzug sind, während sie
Operation noch keinen Effekt gehabt hat und dass sie den nächsten Patienten begrüßt. Vor dem Einschlafen
im Moment eingeschränkter ist als vor dem Eingriff. am Abend fällt ihr Frau Wort wieder ein und sie muss
Eigentlich hätte sie eine deutliche Verbesserung ihrer noch einige Zeit über die Situation nachdenken.
vor der Operation bereits über Jahre bestehenden Annika schläft unruhig in dieser Nacht.

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8 1 Gelungene Kommunikation in der Physiotherapie

Reflexion von Fall 1:

Wodurch hat die Therapeutin das Vertrauen der Patientin gewonnen? Welche Einstellungen der Therapeutin
haben dazu beigetragen?
Die Therapeutin hat das Vertrauen der Patientin gewonnen, indem sie

Folgende Einstellungen der Therapeutin haben dazu beigetragen:

Für wie gelungen halten Sie die Behandlung?


0 1 2 3 4 5
nicht gelungen sehr gelungen
Wie ging es der Patientin am Anfang und wie am Ende der Behandlung?
Am Anfang:
Am Ende:
Wie ging es der Therapeutin am Anfang und am Ende der Behandlung?
Am Anfang:
Am Ende:
Für wie gelungen halten Sie den Gesprächsverlauf?
0 1 2 3 4 5
nicht gelungen sehr gelungen
Wenn Sie die Behandlung in zwei Phasen einteilen würden: Wo wäre Ihrer Ansicht nach der kritische
Übergang?
Phase 1:
Phase 2:
Übergang:
Inwieweit und in welcher Phase hatte die Therapeutin die Kontrolle über das Gespräch?

Welche Gedanken und Einstellungen der Therapeutin könnten dazu beigetragen haben, dass sich der
Gesprächsverlauf auf diese Weise entwickelt hat?

Welche Gedanken, Impulse, Körperempfindungen, Gefühle haben Sie bei sich selbst in der ersten
Behandlungsphase wahrgenommen, wenn Sie sich in die Lage der Therapeutin versetzen?

Welche eigenen Reaktionen haben Sie aus der Perspektive der Therapeutin beim Lesen der zweiten Phase
bemerkt?

Was könnte der Therapeutin Ihrer Meinung nach helfen, das Gespräch auch in der zweiten Behandlungsphase
aktiv und zielgerichtet zu steuern?

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Patienten und Therapeuten 9

Fall 2:

Josef Boss ist der Inhaber der Praxis. Er verfügt inzwi- Stau auf der Autobahn bei der Rückfahrt vom Seminar
schen über 20 Jahre Berufserfahrung und leitet die und dieses interessante Supinationstrauma des Pati-
Praxis seit zehn Jahren. Darüber hinaus ist er seit 15 enten vorher, das Josef Boss’ Aufmerksamkeit ganz in
Jahren als Physiotherapeut im Leistungssport für die Anspruch genommen hat – beginnt die Behandlung
Betreuung eines Nationalkaders tätig. Aufgrund der etwas später als geplant. Josef Boss betritt den Raum
Wettkampfvorbereitungen und der internationalen gewohnt schwungvoll und gut gelaunt. Bei der Begrü-
Meisterschaften ist er häufig auf Reisen. Durch seine ßung scheint Herr Lang die kurze, etwas undeutlich
kontinuierliche eigene Weiterbildung und den Aus- artikulierte Entschuldigung des Therapeuten wegen
tausch mit erfahrenen Kollegen ist er selbstverständ- der Verspätung kaum zu hören. Herr Lang wirkt viel-
lich auf dem neuesten fachlichen Stand. Als Physio- mehr leicht ungehalten und ungeduldig und zeigt sich
therapeut war er vorher in unterschiedlichen Berei- vom Auftreten des Praxisinhabers sichtlich unbeein-
chen tätig, unter anderem in Kliniken mit den Schwer- druckt. Er antwortet auf die Frage von Josef Boss
punkten Neurologie, psychosomatische Medizin und knapp, dass er heftige Beschwerden in der Lendenwir-
Orthopädie. Da er inzwischen einen hervorragenden belsäule habe. Er erwähnt mit gewichtigem Unterton,
Ruf als Physiotherapeut hat, wird er seit einigen Jahren dass er selbstständig und geschäftlich viel unterwegs
vom Verband als Fachreferent für Schulungen in sei. Herr Lang äußert, dass er nur in diese Praxis
Sportphysiotherapie angefragt. Die Veranstaltungs- komme, weil sein Arzt im Gebäude nebenan prakti-
teilnehmer schätzen seine zielorientierte und praxis- ziert und er das Schild der Praxis gesehen habe. Er
bezogene Art der Vermittlung und seinen Humor, mit betont, dass es sehr wichtig sei, schnell wieder ganz
dem er selbst abstrakte Inhalte interessant gestaltet. fit zu sein. Die weiteren Fragen, die Josef Boss ihm
Josef Boss ist ein Mann mit viel Energie und dem Mut, während der Befunderhebung stellt, scheinen ihm
Dinge anzupacken. Auf sein Praxisteam ist er stolz und nicht zu gefallen und er ist der Meinung, der Thera-
er freut sich darüber, dass die Praxis fachlich und wirt- peut sollte erst mit dem Arzt sprechen. Herr Lang
schaftlich gut läuft. Nicht ganz zufrieden ist er damit, denkt, dass Massagen ihm am besten helfen. Übun-
dass er Behandlungen teilweise nicht selbst zu Ende gen habe er während mehrerer Kuren genug gelernt.
führen kann, weil er aufgrund seines Engagements für Relativ unbeirrt zieht Josef Boss die erforderlichen
die Nationalmannschaft und die Fortbildungen oft Handgriffe und Tests durch, um sich ein Bild von den
unterwegs ist. Die bei ihm in Behandlung befindlichen körperlichen Zusammenhängen zu machen. Dieser
Patienten werden in den Zeiten seiner Abwesenheit vorwurfsvolle und etwas besserwisserische Ton des
durch seine Mitarbeiter/innen versorgt. Diese bewun- Patienten gefällt ihm gar nicht und er wartet einen
dern ihn wegen seines scharfen diagnostischen Blicks günstigen Zeitpunkt ab, um seinen Humor einzuset-
und der großen therapeutischen Erfolge, die er auf- zen. Allerdings hat er ein etwas komisches Gefühl und
weisen kann. die sonst so vertrauten Scherze, die bei Patienten gut
Heute kommt Herr Lang zu Josef Boss in Behandlung. ankommen, bringt er diesmal nicht über die Lippen.
Da eine Mitarbeiterin den Termin vereinbart hat, weiß Er hat vielmehr im Nachhinein den eigenartigen Ein-
Josef Boss über den Patienten nur, dass er wegen druck, dass ihm dieser erste Kontakt wie eine Art
Rückenbeschwerden in die Praxis kommt und wenig Kampf vorkam, wer der Stärkere oder Kompetentere
Zeit hat. Da Josef Boss zeitlich etwas im Verzug ist – von beiden ist.

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10 1 Gelungene Kommunikation in der Physiotherapie

Reflexion von Fall 2:

Wie würden Sie den Kontaktaufnahme zwischen Josef Boss und Herrn Lang beschreiben?

Für wie gelungen halten Sie das erste Gespräch?


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nicht gelungen sehr gelungen
Wie würden Sie die Einstellungen von Josef Boss gegenüber Herrn Lang beschreiben? Welche Erwartungen
hatte er? Wie könnten Einstellungen und Erwartungen dazu beigetragen haben, dass sich der Ge-
sprächsverlauf auf diese Weise entwickelt hat?
Einstellungen:
Erwartungen:

Wie würden Sie die Einstellungen von Herrn Lang gegenüber Josef Boss beschreiben? Welche Erwartungen
hatte er? Wie könnten Einstellungen und Erwartungen dazu beigetragen haben, dass sich der
Gesprächsverlauf auf diese Weise entwickelt hat?
Einstellungen:
Erwartungen:

Wie ging es dem Patienten? Wie verstanden dürfte sich Herr Lang gefühlt haben? Was hätte sich Herr Lang
vom Therapeuten im Gesprächsverlauf gewünscht?

Wie ging es dem Therapeuten? Wie zufrieden dürfte Josef Boss mit dem Gespräch sein?

Welche Gedanken, Impulse, Körperempfindungen, Gefühle haben Sie bei sich selbst wahrgenommen, wenn
Sie sich in die Lage des Therapeuten versetzen?

Was könnte dem Therapeuten Ihrer Meinung nach helfen, das Gespräch bei der nächsten Behandlung aktiv
und zielgerichtet zu führen? Was sollte Josef Boss ansprechen und wie sollte er sich Herrn Lang gegenüber
verhalten?

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Patienten und Therapeuten 11

Fall 3:

Die junge Annika Könner – die Sie schon bei Fall 1 ken- Dabei klingt ein gewisser Stolz in seiner Stimme mit.
nen gelernt haben – hat nachmittags einen Hausbe- Nachdem Annika mit der Behandlung des Knies begon-
such bei Herrn Müller. Herr Müller ist Anfang dreißig nen hat, äußert Herr Müller, dass er den Service, von
und wurde vor fünf Tagen am Knie operiert. Annika soll einer attraktiven jungen Frau behandelt zu werden,
laut der Verordnung des Arztes die noch bestehende, nicht zu hoffen gewagt hätte. Dabei mustert er Annika
starke Schwellung nach der Operation lindern und das breit lächelnd. Die Therapeutin lächelt freundlich
Gelenk mobilisieren. Weiterhin soll sie den Gang an zurück und denkt sich erst einmal nichts weiter dabei.
Stützen überprüfen und mit dem Patienten Treppen- Nach einiger Zeit, als sie sein Bein mit ihren Händen
steigen üben. Herr Müller macht auf Annika schon bei bewegt, sagt Herr Müller zu Annika, dass er ihre kalten
der Begrüßung einen offenen, freundlichen Eindruck. Hände sehr anregend findet, weil ihm in ihrer Gegen-
Er lächelt sie an und freut sich scheinbar, dass er von ihr wart direkt ganz warm wird. Annika ist diese Bemer-
als Therapeutin zuhause betreut werden soll. Er kung etwas peinlich und sie weiß nicht genau, wie sie
erwähnt von sich aus, dass er sportlich sehr aktiv ist. darauf reagieren soll. Daher sagt sie einfach: „Soso.“

Reflexion von Fall 3:

Wie würden Sie die Kontaktaufnahme zwischen Herrn Müller und Annika Könner beschreiben?

Für wie gelungen halten Sie die Reaktionen von Annika Könner auf die Bemerkungen des Patienten?
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nicht gelungen sehr gelungen
Wie würden Sie die Einstellungen von Herrn Müller gegenüber Annika Könner beschreiben? Welche
Erwartungen hat er? Wie könnten Einstellungen und Erwartungen dazu beigetragen haben, dass sich der
Gesprächsverlauf auf diese Weise entwickelt?
Einstellungen:
Erwartungen:

Wie würden Sie die Einstellungen von Annika Könner gegenüber Herrn Müller beschreiben? Welche
Erwartungen hat sie? Wie könnten Einstellungen und Erwartungen dazu beigetragen haben, dass sich der
Gesprächsverlauf auf diese Weise entwickelt?
Einstellungen:
Erwartungen:

Wie ging es dem Patienten? Was wünscht sich Herr Müller möglicherweise von der Therapeutin?

Wie ging es der Therapeutin? Wie zufrieden dürfte Annika Könner mit dem Gespräch bis jetzt sein?

Welche Gedanken, Impulse, Körperempfindungen, Gefühle haben Sie bei sich selbst wahrgenommen, wenn
Sie sich in die Lage der Therapeutin versetzen?

Wie sollte die Therapeutin mit der Situation im Weiteren umgehen? Was könnte sie falsch machen? Welche
Verhaltensweisen würden Sie als notwendig bezeichnen? Was sollte Annika Könner jetzt oder bei der
nächsten Behandlung ansprechen? Wann und warum?

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12 1 Gelungene Kommunikation in der Physiotherapie

Fall 4:

Kerstin Klar ist ebenfalls eine Angestellte in der Praxis aufgeweckt, aber wenig zu einer aktiven Teilnahme
von Josef Boss. Sie ist eine erfahrene Therapeutin, die motiviert. Bei der Befunderhebung stellt Kerstin Klar
vorher in der Pädiatrie, Gynäkologie und in der Ortho- unter anderem fest, dass Marco seinen Fuß überhaupt
pädie gearbeitet hat. An diesem Nachmittag hat sie nicht anheben kann und somit beim Gehen beeinträch-
einen neuen Patienten, den sie am Ende des Arbeitsta- tigt ist. Das ganze Gangbild ist verändert. Kerstin Klar
ges noch zusätzlich behandeln soll. Marco ist sechs hat den Eindruck, dass der Junge keinen Bedarf an der
Jahre alt und kommt in Begleitung seiner Mutter in die Therapie sieht. Marco scheint sich nicht richtig zu kon-
Praxis. Die Therapeutin erfährt von der Mutter, dass zentrieren und lieber an der Therapiebankmechanik
das Kind eine Lähmung des rechten Fußes hat, die es spielen zu wollen, als aktiv mitzuarbeiten. Da Kerstin
sich vor vier Monaten beim Eintreten einer Scheibe in Klar inzwischen schon etwas müde ist – schließlich hat
der Schule zugezogen hat. Die Mutter erwähnt auch, sie heute schon 15 Patienten behandelt – ist sie ratlos,
dass sie noch drei Kinder habe, die alle jünger seien als was sie tun soll, um Marco mehr für die Behandlung zu
Marco. Der Junge wirkt auf Kerstin Klar recht zappelig, gewinnen.

Reflexion von Fall 4:

Was wäre Ihrer Ansicht nach notwendig, um einen guten Kontakt zu Marco aufzubauen und eine Basis für die
Zusammenarbeit zu schaffen?

Wie geht es dem Patienten im Alltag? Wie geht es ihm in dieser Behandlung? Was würde sich Marco
möglicherweise von der Therapeutin wünschen?

Wie geht es der Therapeutin? Was erwartet sie sich vom Patienten?

Welche Gedanken, Impulse, Körperempfindungen, Gefühle haben Sie bei sich selbst wahrgenommen, wenn
Sie sich in die Lage der Therapeutin versetzen?

Wie sollte die Therapeutin mit der Situation im Weiteren umgehen? Was könnte sie falsch machen? Was
wäre hilfreich? Was sollte Kerstin Klar jetzt oder bei der nächsten Behandlung ansprechen?

Nun haben Sie drei Therapeuten und vier Patien- sollen. Im folgenden Kapitel möchten wir erläu-
ten kennen gelernt. Diese Fälle werden wir in die- tern, was wir unter kompetenter Gesprächsfüh-
sem Buch immer wieder aufgreifen. Sie stehen rung in der Physiotherapie verstehen.
beispielhaft für wichtige Aspekte der Gesprächs-
führung in der Physiotherapie. In allen Fällen ver-
halten sich die Therapeuten motiviert und interes- 1.3 Kompetente Gesprächsführung
siert am Patienten. In der Praxis ist dies allerdings
nicht immer selbstverständlich – wenn Therapeu- Was sind die Voraussetzungen für eine qualitativ
ten beispielsweise während der Behandlung we- hochwertige und nachhaltige Behandlung in der
nig aufmerksam sind, weil sie gerade an ein Physiotherapie? Im Grunde geht es darum, eine
wichtiges privates Thema denken oder wenn sie positive Zusammenarbeit zwischen Patient und
fast ausschließlich über sich selbst sprechen. Therapeut zu gewährleisten. Der Therapeut hat
Im weiteren Verlauf des Buches werden noch dabei die Aufgabe, eine möglichst hohe Passung
weitere Beispiele aus der Praxis hinzukommen, zwischen der Person (gemeint ist hier der Patient)
die Ihnen bei der Reflexion und Weiterentwick- mit ihren Bedürfnissen, ihrem Befinden und ihren
lung Ihres eigenen Kommunikationsstiles helfen Ressourcen – das sind Fähigkeiten und Möglich-

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