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Schreiben im DaF-Unterricht – Von der Idee zum eigenen Beitrag BDV Magazin April 2018

Schreiben im DaF-Unterricht –

Von der Idee zum eigenen Beitrag

Das vorliegende Heft ist dem Schreiben, einer der vier grundlegenden Sprachfertigkeiten im
Prozess des Fremdsprachenerwerbs, gewidmet.

In der Forschungsliteratur sind verschiedene Definitionen von Schreiben zu lesen, die


spezifische Aspekte dieser Tätigkeit hervorheben. Portmann vertritt die Meinung, dass das
Schreiben als Problemlösen aufgefasst werden kann, denn Schreiben bedeutet, eine Aufgabe
zu formulieren, d.h. einen Text zu schreiben, die mit Hilfe vorhandener Kompetenzen gelöst
werden kann (vgl. Portmann 1991:277). Molitor-Lübbert fasst das Schreiben als Instrument
des Denkens auf. Das Schreiben dient nicht nur zum Ausdruck von Gedanken, sondern es
beeinflusst auch den Prozess des Denkens (vgl. Molitor-Lübbert 2002:34).

Das Schreiben ist eine bewusste sprachliche Handlung, ein ständiges Suchen und Finden.
Suchen nach einer Idee und dem passenden Plan zur Realisierung der Idee, nach dem
treffenden Wort, nach der korrekten grammatischen Form und Struktur, Bemühen um einen
kohärenten Text. Voraussetzung für gelungenes Schreiben ist einerseits die Bereitschaft des
Schreibers/Lerners, über den zu produzierenden Text dauernd nachzudenken und mit dem
mentalen Entwurf im Kopf zu vergleichen, andererseits die Fähigkeit des Schreibers/Lerners
das Produkt – den geschriebenen Text – aus der Perspektive des Adressaten zu beurteilen (vgl.
auch Berning 2011).

Die angeführten Meinungen verweisen darauf, wie komplex und vielfältig die Tätigkeit
„Schreiben“ sein kann. Das Schreiben ist für den Fremdsprachenerwerb von besonderer
Wichtigkeit, im Schreibprozess wird gespeichertes lexikalisches, grammatisches,
textspezifisches Wissen sowie Weltwissen aktiviert und in neuen Zusammenhängen
angewendet. Auf diese Weise unterstützt das Schreiben das Denken in der Fremdsprache.
Nicht zuletzt trägt das Schreiben als “eine selbstgesteuerte, Gedanken sowohl produzierende
wie verändernde Tätigkeit” zur weiteren Entwicklung der Persönlichkeit der Lerner bei (vgl.
Portmann 1991:406).

Im Fremdsprachenunterricht werden dem Schreiben verschiedene Funktionen zugeschrieben:

- Lern- und Übungsfunktion, wenn die Lerner Grammatik, Wortschatz,


Rechtschreibung üben, Fragen schriftlich beantworten, Diktate schreiben usw. (vgl.
Portmann 1991:191). Kast bezeichnet das Schreiben bei der Erfüllung von solchen
Aufgaben als Mittlerfertigkeit (vgl. Kast 1999:320). Das Schreiben unterstützt also
den Prozess des Fremdsprachenerwerbs – es werden Wortschatzeinheiten,

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Marijka Dimitrova

morphologische Formen, syntaktische Strukturen, Besonderheiten der deutschen


Rechtschreibung mit Hilfe des Schreibens angeeignet und gefestigt.

- Das Schreiben nicht nur als Mittel zum Zweck, sondern auch als Zielfertigkeit (vgl.
Kast 1999:221, Huneke/Steinig 2013:154), wenn die Lerner Briefe, E-Mails oder
Postkarten an Freunde schreiben, einen Lebenslauf, Bewerbungsbrief verfassen,
Formulare ausfüllen etc., d.h. die Lerner eignen sich die Fähigkeit an, in
verschiedenen Kontexten Informationen an einen Kommunikationspartner zu
vermitteln, indem sie die Konventionen in der Zielsprache und Zielkultur beachten,
sie können also bestimmte Textsorten produzieren und mit Textsorten richtig
umgehen.

Wenn es um das Schreiben als Zielfertigkeit geht, können an dieser Stelle einige Arten des
Schreibens mit konkreten Schreibaufgaben angeführt werden (vgl. dazu Häussermann/Piepho
1996, Heyd 1997, Gabriel 2004):

- Freies Schreiben, noch expressiv-kreatives Schreiben genannt, wenn man sich zu


einem Thema frei äußert: z.B. Schreiben nach Text-, Bildimpuls, nach musikalischem
Impuls, nach Wortvorgaben u.a.;

- Gelenktes Schreiben: bei den Schreibaufgaben handelt es sich um die Förderung von
Teilfertigkeiten, z.B. Sätze durch passende Verknüpfungsmittel zu einem
zusammenhängenden Text miteinander verbinden, einen Paralleltext schreiben u.a.;

- Kommunikativ-orientiertes Schreiben: in diesem Fall sind die Aufgaben so


konzipiert, dass die Lerner auf die Kommunikation in Realsituationen vorbereitet
werden, z.B. Briefe (persönlichen Brief, Geschäftsbrief, Bewerbungsbrief,
Glückwunschbrief, Kondolenzbrief), E-Mails, Lebenslauf, Beschreibungen, Berichte,
Erläuterungen, Kommentare, Protokolle u.a. schreiben.

Der Schreibprozess wird als Teil eines Komplexes sich gegenseitig beeinflussender
Komponenten betrachtet (vgl. Hayes & Flower 1980, Grießhaber 2011). Bei der einen
Komponente geht es um die Schreibaufgabe und ihr Umfeld. Die andere Komponente betrifft
das Langzeitgedächtnis. Vom Langzeitgedächtnis ruft der Schreiber/Lerner Informationen
zum Thema ab, hier ist das sprachliche Wissen gespeichert, sowie Wissen über Schreibpläne,
Textsorten etc. Im Informationsspeicher befindet sich auch erstsprachliches Wissen, auf dieses
Wissen kann der Lerner beim Schreiben zurückgreifen. Die dritte Komponente bezieht sich
auf die Organisation des eigentlichen Schreibprozesses. Der Schreiber/Lerner entwickelt und
bearbeitet die passenden Schreibpläne in Abhängigkeit von dem Thema, dem Adressaten, der
Textsorte usw., die Ideen werden schriftlich formuliert, die schon niedergeschriebenen
Textteile werden überarbeitet (vgl. auch
https://daz.alp.dillingen.de/index.php/grundlagen/wie-koennen-wir-die-schueler-

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Schreiben im DaF-Unterricht – Von der Idee zum eigenen Beitrag BDV Magazin April 2018

unterrichten/57-schreiben). Die dritte Komponente beinhaltet also das Planen, Schreiben und
Überarbeiten des Textes.
Die beschriebenen Komponenten stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. Die mit
diesen Komponenten zusammenhängenden Informationen werden aufeinander bezogen,
verarbeitet und ständig überprüft. Dazu kommt noch der kulturelle Hintergrund des
Schreibers/Lerners, aufgrund dessen die Aufgabe und die Planung anders verstanden und
aufgefasst werden können, als erwartet. Darüber hinaus ist das Niveau der Beherrschung der
Fremdsprache ausschlaggebend für die Erfüllung der Schreibaufgabe. Bei eingeschränkten
Sprachkenntnissen kann die schriftliche Aufgabe ein schwer zu überwindendes Hindernis
sein, was meistens zur Demotivierung der Lerner führt. Deshalb ist es in didaktisch-
methodischer Hinsicht von Relevanz, den Schreibprozess in Einzelschritte zu zerlegen und
sich damit auseinanderzusetzen, sodass die Lerner in Abhängigkeit von ihrer
Schreibkompetenz Schreibaufgaben auf allen Niveaustufen (laut des Gemeinsamen
europäischen Rahmens für Sprachen) mit Erfolg lösen können.

Heute, im Zeitalter des Computers und der digitalen Medien, der Mobilität und der globalen
Kommunikation, haben das Schreiben und bestimmte Formen der schriftlichen
Kommunikation einen hohen Stellenwert, sodass es sich lohnt, sich dieser Sprachfertigkeit,
aus der gegenwärtigen Perspektive gesehen, noch einmal zuzuwenden.

In den Beiträgen im Heft wird der Fokus auf folgende Aspekte gerichtet. Das Schreiben
wird von Plamen Tsvetkov als kognitiver Prozess und soziale Handlung am Beispiel von
ausgewählten Schreibmodellen dargestellt. Verschiedene Schreibaufgaben, die
reproduzierenden, produzierenden oder einen Mischcharakter haben, stehen im Mittelpunkt
der Ausführungen von Nikolay Stefanov. Auf das kreative Schreiben geht Asya Kuleva ein,
indem sie gute Beispiele aus ihrer Praxis anführt. Das Schreiben als produktive sprachliche
Tätigkeit wird von Janka Koeva anhand einer Diagrammbeschreibung treffend illustriert. Auf
welche Probleme können die Lerner stoßen, wenn das Schreiben in einem mehrsprachigen
Umfeld angeeignet wird, darauf macht uns Viktor Monev aufmerksam. In ihren Beiträgen
teilen Rumjana Vojnova und Aleksandra Ćeh (Slowenien) neu gewonnene Kenntnisse infolge
der Teilnahme an Fortbildungsseminaren mit und verweisen auf einige Möglichkeiten der
Anwendung dieser Kenntnisse im DaF-Unterricht.

Zum Schluss möchten wir uns bei den Beiträgerinnen und Beiträgern sehr herzlich bedanken
für die vielfältigen und inspirierenden Einblicke in ihre Arbeit, gerichtet auf die Förderung der
Schreibfertigkeit im DaF-Unterricht.

Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir viel Vergnügen bei der Lektüre des neuen Heftes!

Marijka Dimitrova

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Marijka Dimitrova

Literaturverzeichnis

Berning, Johannes (2011): Textwissen und Schreibbewusstsein als zentrale Elemente von Schreibkompetenz.
In: Berning, Johannes (Hg.) Textwissen und Schreibbewusstsein: Beiträge aus Forschung und Praxis. Berlin: LIT
Verlag, S. 7-28.

Gabriel, Maria (2004): Projekt Schreibwerkstatt oder die Fertigkeit Schreiben im Fremdsprachenunterricht.
http://www.usuaris.tinet.cat/asgs/Forum 2004/.../Maria_Gabriel.doc (Stand: 21.01.2018)

Grießhaber, Wilhelm (2011): Sprechen und Planen rund um zweitsprachliches Schreiben. In: Berning, Johannes
(Hg.) Textwissen und Schreibbewusstsein: Beiträge aus Forschung und Praxis. Berlin: LIT Verlag, S. 231-262.

Hayd, Gertraude (1997): Aufbauwissen für den Fremdsprachenunterricht (Deutsch als Fremdsprache). Ein
Arbeitsbuch. Tübingen: Narr.

Hayes, John R./Flower, Linda S. (1980): Identifying the Organization of Writing Processes. In: Gregg, Lee W.
& Erwin R. Steinberg (Ed.) Cognitive Processes in Writing. Hillsdale/New Jersey: Erlbaum, S. 3-30.

Häussermann, Ulrich/Piepho, Hans-Eberhard (1996): Aufgabenbuch Deutsch als Fremdsprache. Abriss einer
Aufgaben-und Übungstypologie. München: Iudicum, S. 319-398.

Huneke, Hans-Werner/Steinig, Wolfgang (2013): Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung. Berlin: Erich
Schmidt Verlag.

Kast, Berd (1999): Fertigkeit Schreiben. Fernstudieneinheit 12. Berlin, München, Wien, Zürich, London,
Madrid, New York: Langenscheidt.

Molitor-Lübbert, Sylvie (2002): Schreiben und Denken. Kognitive Grundlagen des Schreibens. In: Perrin,
Daniel u.a. (Hg.): Schreiben. Von intuitiven zu professionellen Schreibstrategien. Opladen: Westdeutscher
Verlag, S. 33-46.

Portmann, Paul (1991): Schreiben und Lernen. Grundlagen der fremdsprachlichen Schreibdidaktik. Tübingen:
Niemeyer.

https://daz.alp.dillingen.de/index.php/grundlagen/wie-koennen-wir-die-schueler-unterrichten/57-schreiben
(Stand 21.01.2018)

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Der Schreibprozess. Schreiben als Prozess BDV Magazin April 2018

Der Schreibprozess. Schreiben als Prozess


Plamen Tsvetkov, Sofioter Universität „St. Kliment Ochridski“

Plamen Tsvetkov ist als Oberassistent am Institut für Deutsche Sprache und Literatur II an der Fakultät für
klassische und moderne Philologien der Sofioter Universität „St. Kliment Ochridski“ tätig. Promotion zum
Thema „Die wechselseitige Beeinflussung von Erst- und Zweitsprache bei der Textproduktion“.
Themenschwerpunkte in Forschung, Lehre und Publikationen: Stilistik, Textlinguistik, Sprachkontakt- und
Mehrsprachigkeitsforschung.
E-Mail: plamen.tsvetkov@gmail.com
pccvetkov@uni-sofia.bg

Abstract: Die Entwicklung der Schreib- bzw. Textkompetenz ist ein vielschichtiger und langwieriger Prozess,
der verschiedene Teilfähigkeiten umfasst. Der vorliegende Beitrag klärt in kurzer und übersichtlicher Weise, was
der Schreibprozess beinhaltet. Dafür werden die einschlägigen und in den Untersuchungen zur Schreibfertigkeit
meist zitierten Modelle herangezogen, die die beim Schreiben beteiligten Komponenten systematisieren. Anhand
dieser Modelle werden die Hauptprozesse des Schreibens – Planen, Formulieren (Verschriftlichen) und
Überarbeiten (Revidieren) – thematisiert.

Der Beitrag richtet sich an Lehrende in der Schreibdidaktik – nicht nur im Fach Deutsch als Fremdsprache. Er
bietet die theoretische Grundlage für Lehrveranstaltungen zu Themen wie Schreibkompetenz,
Schreibfördermaßnahmen, Bewertung und Korrektur von Schreibaufgaben etc.

Schlüsselwörter: Schreiben, Schreibprozess, Schreibkompetenz, Schreibmodelle

1. Einleitung

Krings (1992:47) definiert den Schreibprozess wie folgt: Unter Schreibprozess sollen „[…]
alle mentalen Prozesse und alle zugeordneten materiellen Handlungen verstanden werden, die
ein Schreibprodukt […] überhaupt erst entstehen lassen. Der Schreibprozeß beginnt somit mit
der Wahrnehmung einer vorgegebenen oder dem Bewußtwerden einer selbstgestellten
Schreibaufgabe und endet mit der 'Verabschiedung' des Textproduktes in einer aus der
subjektiven Sicht des Textproduzenten endgültigen Form. Der Schreibprozeß ist die
'Ontogenese' eines Textproduktes.“ Nimmt man diese Definition beim Wort, so liegt der
Schreibprozess der Textproduktion zugrunde. Er beginnt mit einem Schreibimpuls
(Schreibanlass) und endet mit der subjektiven Entscheidung des Schreibers, den fertigen Text
als abgeschlossen, in ein konkretes Ziel umzusetzen. „Textproduktion hingegen ist die
Bezeichnung für alle Aktivitäten des (solistischen, aber auch gemeinsamen) Formulierens.“
(Antos 2008:242 [Hervorhebungen im Original]).
Die Auseinandersetzung mit dem Schreibprozess – ausgehend vom muttersprachlichen
Unterricht – beginnt Anfang der 80er Jahre in den USA (Hayes/Flower 1980, Flower 1981,
Nystrand 1986, Bereiter/Scardamalia 1987), löst die bis dahin gängige Auffassung ab, dass
Schreiben eine Aneinanderreihung von Produktionsstufen wäre und verändert in der Folge
auch weltweit die Sichtweise auf das Schreiben. Grundsätzlich lassen sich drei Konzeptionen

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Plamen Tsvetkov

unterscheiden, die verschiedene Aspekte des Schreibprozesses beleuchten: das kognitive (z.
B. Hayes/Flower 1980), das kommunikative (z. B. Böttcher/Becker-Mrotzek 2003, Becker-
Mrotzek/Böttcher 2006) und das epistemisch-heuristische Modell1 (z. B. Ortner 2000).

2. Schreiben als Problemlöseprozess (Hayes/Flower 1980)

Als Urmodell des Schreibens dient die Darstellung von Hayes und Flower aus dem Jahr 1980.
Dieses kognitive, stark an der Problemlösetheorie (z. B. Klix 1971, Newell/Simon 1972; vgl.
auch die Beiträge in Funke (Hrsg.) 2006) orientierte Modell, betrachtet Schreiben – im Sinne
von Textproduktion2 – als Problemlöseprozess3. Es gehört zu den bekanntesten
Schreibmodellen und ist mittlerweile in zahlreichen Publikationen beschrieben und
kommentiert worden (u. a. Börner 1989, Wolff 1992, Wrobel 1995, 2010; Böttcher/Becker-
Mrotzek 2003, Becker-Mrotzek 2004, Kupfer-Schneider 2005, Pospiech 2005, Becker-
Mrotzek/Böttcher 2006, Kinkel 2010, Chaabani 2012). Trotz der Kritik 4 (vgl. z. B. Ludwig
1983, 1989; Molitor 1984, Molitor-Lübbert 1996, Sieber 2003, Fix 2008) gelingt es den
Autoren erstmals den Schreibprozess analytisch zu beschreiben und in verschiedene
interagierende und rekursiv organisierte Subprozesse zu zerlegen 5: Planen (planing),

1 Bei epistemisch-heuristischen Konzepten wird der enge Zusammenhang von Schreiben und Denken
hervorgehoben (vgl. Molitor-Lübbert 2003). Es handelt sich um ein „Wissen schaffendes Schreiben“ (Ortner
2000:4), das als Idealfall der Schreibkompetenz aufzufassen ist. „Das epistemisch-heuristische Schreiben ist ein
Komplex von Gepflogenheit, mit bestimmten Reizen, Themen, Figuren, Begriffen umzugehen. Der Text, der
dabei entsteht, ist eine Gestalt im Sinne der Gestaltpsychologie, eine Gestalt, die sich aus den vorliegenden
Reizen, Elementen und Daten, ergibt.“ (Ortner 1995: 323). Epistemisch-heuristische Modelle werden mit Blick
auf den erwachsenen Schreiber entwickelt. Aus diesem Grund wird auf eine detaillierte Vorstellung eines solchen
Modells verzichtet.

2 Es muss allerdings eingeräumt werden, dass nicht immer bei der Produktion eines Textes geschrieben wird.
Und nicht immer, wenn geschrieben wird, entsteht ein Text. Obwohl die Begriffe Textproduktion und Schreiben
keinesfalls zusammenfallen, werden sie im Folgenden synonym verwendet.

3 Die Grundlage zur Entwicklung dieses Modells bildeten empirische Daten. Allerdings bedienten sich die
Autoren nicht fertiger Schreibprodukte, sondern sie verwendeten Protokolle lauten Denkens aus der
Problemlösetheorie.

4 Es wurde vor allem von didaktischer Seite kritisiert, dass sich das Modell von Hayes und Flower (1980)
ausschließlich an ideale Schreiber wendet. Sieber (2003:213) bemerkt in einem Überblicksartikel, dass das
Modell „sich ausschließlich am Expertenkönnen ausrichtet.“ Außerdem bieten die Autoren keine Hinweise, wie
„aus Schreibnovizen Schreibexperten werden können“ (Molitor-Lübbert 1996:1008). Fix (2008:44) übt aus
linguistischer Perspektive Kritik am Modell. Es fehle die Genauigkeit in Bezug auf die Sprachverarbeitung.
Hayes (1996) selbst modifiziert das Modell durch Einbeziehung zusätzlicher Komponenten, indem die
Interaktion zwischen diesen Komponenten hervorgehoben wird. Auf eine detaillierte Vorstellung des neueren
Modellentwurfs wird an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet. Vgl. hierfür beispielsweise Becker-
Mrotzek/Böttcher (2006:40f.).

5 Zur besseren Verständlichkeit nutze ich im Folgenden die deutsche Übersetzung (Molitor-Lübbert 1996:1006).
Die englischen Begriffe in Klammern sind die Originalbegriffe entnommen aus Hayes/Flower (1980).

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Der Schreibprozess. Schreiben als Prozess BDV Magazin April 2018

Formulieren (translating) und Überarbeiten (reviewing), die jeweils Subkomponenten


enthalten und durch die Kontroll- und Steuerungsinstanz6 (monitor) koordiniert werden.

Abb. 1: Das Modell des Schreibprozesses nach Hayes/Flower (1980:11)

Im Gegensatz zu Vorläufermodellen (vgl. z. B. Rohmann/Wlecke 1964 in: Romberg 1993:90)7


verläuft der Schreibprozess als Teilprozess eines Komplexes sich gegenseitig beeinflussender
Komponenten: Langzeitgedächtnis des Autors (the writer’s long-term memory),
Schreibprozess (writing process), Aufgabenumfeld (task environment). Bei der
Textproduktion aktiviert der Schreibende sein bereits vorhandenes Wissen (Wissen zum
Thema, Wissen über potenzielle Leser, Wissen über die jeweilige Struktur einer Textsorte
bzw. Textschemata, Sprachwissen)8 und greift während des gesamten Schreibprozesses
unaufhörlich auf sie zurück. Das Aufgabenumfeld beeinflusst maßgeblich den Umgang mit

6 Dieser Monitor reguliert den gesamten Schreibprozess und kontrolliert das Schreiben in Hinblick auf die
Sprachrichtigkeit, Sprachkonventionen, Umfang und Verständlichkeit (vgl. Merz-Grötsch 2005:88).

7 Zitiert nach Romberg (1993:90). Es handelt sich um ein streng linear konzipiertes Modell.

8 Hayes und Flower nennen in diesem Zusammenhang fünf W-Fragen, auf die der Schreiber Bezug nehmen
kann: who, what, where,when, why (vgl. Hayes/Flower 1980:12).

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Plamen Tsvetkov

diesem Wissen, indem es die für die Problemlösung9 relevanten Erkenntnisse aktiviert und sie
auf die Informationen über die Ziele des zu produzierenden Textes lenkt.
Das Modell von Hayes und Flower dient als Ausgangspunkt sowohl für die empirische als
auch für die theoretische Schreibprozessforschung und wurde daher oft weiterentwickelt.
Ludwig (1983) z. B. gründet seinen Vorschlag auf das Modell von Hayes/Flower (1980),
äußert Kritik10 daran und entwickelt es weiter. Ergänzt wurde der Ansatz durch das „Zwei-
Strategien-Modell“ von Bereiter/Scardamalia (1987), in dem die Unterschiede in den Texten
von Schreibnovizen und -Experten in den Mittelpunkt gestellt wurden. Beide Modelle leisten
einen wichtigen Beitrag in Hinsicht auf die Maßnahmen zur Schreibförderung. So schlägt
Sieber (2003:219) ein Drei-Säulen-Modell der Schreibförderung vor, das den schulischen
Schreibunterricht auf drei Säulen (Schreibprozesse, Überarbeitungsprozesse und
Beurteilungsprozesse) darstellt.

Schreibprozesse Überarbeitungsprozesse Beurteilungsprozesse


Klare Vorstellungen über Abstand zum Text gewinnen Texte von anderen zur
den Schreibanlass Kenntnis nehmen
entwickeln
Sammeln und Planen von Dissonanzen entdecken Über Textqualitäten reden
Inhalten lernen
Schreibprozesse Alternativen finden Von der Fremd- zur
mehrphasig anlegen Selbstbeurteilung

Tabelle 1: Ein Drei-Säulen-Modell der Schreibförderung nach Sieber (2003:219)


Anhand dieses Modells zeigt Sieber (2003: 219) auf, „in welchen Bereichen ein besonderer
Bedarf an Weiterentwicklung besteht: Für die erste Säule (die Anregung von
Schreibprozessen) sind in der Sprachdidaktik viele Erfahrungen und Anregungen greifbar.
Hingegen ist bei den beiden weiteren Säulen noch vieles zu tun – am meisten dort, wo es um
den Aufbau der Selbstbeurteilungskompetenz hinsichtlich der Textqualität geht.“
Es liegen im deutschsprachigen Raum umfangreiche Studien vor, die sich auf bestimmte
Teilkomponenten des Schreibprozesses beziehen (u. a. Rau 1994, Winter 1992, Fix 2004,
Becker-Mrotzek 2007). Des Weiteren werden unter Beibehaltung der Grundlagen des Modells
von Hayes/Flower (1980) Schreibprozessmodelle für die fremdsprachliche Textproduktion
entwickelt (Börner 1987, 1989; Krings 1989, 1992a; Grießhaber 2010).
9 Beim Problemlösen werden unterschiedliche Arbeitsschritte unterschieden, die auf Schreibprozessmodelle
übertragbar sind: Problemwahrnehmung und Problemformulierung, Produktion von Ideen, Suche nach
Handlungsmöglichkeiten und Wirkungsabschätzung, Prüfung und Bewertung der Alternativen, Entschluss als
Auswahl einer Alternative, Durchführung der ausgewählten Handlung, Erleben und Beobachten der
Konsequenzen (vgl. Merz-Grötsch 2005:85).

10 Für ihn zeichnet sich dieses Modell durch eine einseitige Orientierung auf kognitive Prozesse aus. Der Faktor
der Motivation werde unzureichend berücksichtigt, der Bereich der motorischen Umsetzung fehle völlig (vgl.
Ludwig 1983:40ff.).

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Der Schreibprozess. Schreiben als Prozess BDV Magazin April 2018

3. Schreiben in der Fremdsprache (Börner 1989)

Nach Börner (1989:350) weise die Tätigkeit des übenden fremdsprachlichen Schreibens
einige grundlegende linguistische, didaktische und sprachpsychologische Merkmale auf, die
geeignet seien, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu verwandten Tätigkeiten wie
muttersprachlichem Schreiben sowie fremdsprachlichem Sprechen und Lesen zu
verdeutlichen. Sie beträfen den Kommunikationsrahmen, die Lehrsituation, den schreibenden
Lerner, den Schreibprozess und die Aufgabenstellung. Das Modell von Hayes/Flower (1980)
wird von Börner (1987) modifiziert, fremdsprachendidaktisch interpretiert und ein Jahr später
wiederum in einigen Punkten weiterentwickelt.

Abb. 2: Schreiben in der Fremdsprache nach Börner (1989:355)

Seine Erkenntnisse sollen hier kurz skizziert werden:

a) das von Börner (1989) dargestellte Modell unterscheidet drei Ebenen: erstens die
Ebene der eigentlichen Schreibprozesse mit den Komponenten Planen, Formulieren
und Überarbeiten sowie einer kognitiven Kontrollinstanz (Monitor); zweitens die
Ebene der Schreibumgebung im engeren Sinne. Auf dieser Ebene wird die während
der Schreibübung ablaufende Lehr-Lerninteraktion beschrieben, die wiederum auf der
dritten Ebene lehrseitig geplant, gesteuert und bewertet wird (vgl. Börner 1989:354).

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Plamen Tsvetkov

b) bei der Textproduktion in der Fremdsprache verfügt der Schreibende über eine
unvollständige Sprachkompetenz, die sich aber in der Regel erweitern soll. Es wird
neben der Muttersprache eine Interimsprache11 Lint bzw. eine L2 im Langzeitgedächtnis
vorausgesetzt.

c) im Bereich des Formulierens werden für den L2-Textproduzenten die speziellen


Komponenten Ausdruck, grammatische Synthese und Graphie hinzugefügt, die bei
Hayes/Flower (1980) fehlen. Bei der fremdsprachlichen Textproduktion werden Laute
in Grapheme umgesetzt, Wörter zu Syntagmen aneinandergereiht und Satzteile
schließlich zum fertigen Text verkettet unter Berücksichtigung von Orthographie,
Interpunktion, Semantik, Grammatik und Textpragmatik der jeweiligen Zielsprache.

d) Fremdsprachliche Textproduktion erfordert einen speziellen Input, der didaktisch


aufbereitet ist.
Börner entwickelt sein Modell im Rahmen der Fremdsprachenlehr- und -lernforschung
(Sprachlehrforschung)12, die das Zusammenwirken konkreter Lehr- und Lernprozesse im
komplexen Bedingungsgefüge des Unterrichts13 betrachtet.

4. Schreiben als kommunikatives Handeln (Böttcher/Becker-Mrotzeck 2003,


Becker-Mrotzeck/Böttcher 2006)

Aus einem anderen Blickwinkel wird der Schreibprozess von denjenigen Modellen betrachtet,
die Schreiben als Bestandteil der schriftlichen Kommunikation ansehen (Jechle 1992, Wrobel
1995, Böttcher/Becker-Mrotzek 2003, Becker-Mrotzek/Böttcher 2006). Im Gegensatz zur
gesprochenen Sprache findet der Handlungsvollzug zwischen Sender und Empfänger im
Rahmen einer „zerdehnten Sprechsituation“ (Ehlich 1989:91) ausschließlich über den Text
statt, der expliziter sein und eine höhere Kohärenz sowie semantische und syntaktische
Geschlossenheit aufweisen muss, um die Zerdehnung des Kommunikationsprozesses zu
überwinden. Die schriftbezogene Kommunikation verlangt Eindeutigkeit und zeichnet sich
durch eine ausgesprochene Neigung zur Schriftlichkeit bzw. Akribie aus 14. Jeder Ausdruck
muss das Gemeinte ausdrücken, damit der Leser nicht ein beliebiges Textverständnis für sich
konstituieren kann. Außerdem ist nicht nur die o. g. Eindeutigkeit und Organisation in der

11 Darunter wird der beim Erlernen einer Fremdsprache durch Unterricht erreichten Entwicklungsstand
verstanden (vgl. Barkowski/Krumm (Hrsg.) 2010:137).

12 Zur Fremdsprachenlehr- und -lernforschung (Sprachlehrforschung) vgl. Edmondson/House (2011). Zur


Abgrenzung von Fremdsprachenlehr- und -lernforschung und Fremdsprachendidaktik vgl. Bausch et al. (2007).

13 Es geht um die sog. Faktorenkomplexion der Fremdsprachvermittlung.

14 Ausgehend von den Überlegungen zu konzeptioneller und medialer Mündlichkeit und Schriftlichkeit von
Texten (vgl. Koch/Oesterreicher 1985 et al.) bezieht sich das kommunikative Schreibmodell von Becker-
Mrotzek und Böttcher (2003) und (2006) auf die mediale Verwirklichung schriftlicher Kommunikation, ohne die
Konzeption der Äußerung zu berücksichtigen.

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Der Schreibprozess. Schreiben als Prozess BDV Magazin April 2018

Darstellung der Texte wichtig, sondern auch die Kenntnis der sozialen Regeln und Muster.
Die obigen Überlegungen zeigen, dass Schreiben ein höchst komplexer Vorgang ist, der von
anderen Sprachfähigkeiten nicht isoliert werden darf. Das Modell von Böttcher/Becker-
Mrotzek (2003) und Becker-Mrotzek/Böttcher (2006) beruht auf den Überlegungen von
Hayes/Flower (1980) unter besonderer Berücksichtigung der o. g. Kritikpunkte.

Abb. 3: Schreibmodell nach Böttcher/Becker-Mrotzek (2003:19) und Becker-


Mrotzek/Böttcher (2006:27)

Die Textproduktion wird systematisch in den Gesamtzusammenhang einer kommunikativen


Situation einbezogen und als komplexe sprachliche Handlung eingestuft (vgl.
Böttcher/Becker-Mrotzek 2003:18, Becker-Mrotzek/Böttcher 2006:28). „Sie beginnt damit,
dass der Schreiber seine aktuelle Situation so einschätzt, dass er darin einen Schreibanlass
sieht. Erst dadurch wird aus den objektiven Umständen für den Handelnden eine
Schreibsituation, eine Situation der schriftlichen Kommunikation. Der Schreiber entwickelt
aufgrund dieser Einschätzung eine Schreibmotivation, die er anschließend in ein konkretes
Ziel umsetzen muss.“ (Böttcher/Becker-Mrotzek 2003:18ff., Becker-Mrotzek/Böttcher
2006:28). Becker-Mrotzek und Böttcher (2003/2006) sehen die Phasen Einschätzung,

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Plamen Tsvetkov

Motivation und Zielsetzung als abhängig von den kognitiven Voraussetzungen15 des
Textproduzenten.

Gemeinsam ist den Schreibmodellen von Hayes/Flower (1980) und Becker-Mrotzek und
Böttcher (2003/2006) ihre Rekursivität und die Wichtigkeit der Wissenskomponente 16.
Außerdem wird die Textproduktion als Problemlöseprozess aufgefasst.

Der wichtigste Unterschied beider Schreibmodelle liegt in der stärkeren


Adressatenbezogenheit17 und in der Einbettung des Schreibens in die schriftliche
Kommunikationssituation (= zerdehnte Sprechhandlung), wie es im Modell von Becker-
Mrotzek und Böttcher (2003/2006) der Fall ist. Demzufolge scheinen das sprachliche Wissen,
die soziale Kognition und die Einschätzung der Situation in besonderem Maße relevant.

5. Fazit

Zur Beschreibung des Phänomens Schreiben wurden eine ganze Reihe teilweise höchst
unterschiedlicher Theorieansätze entwickelt, die die Schreibforschung stark beeinflusst haben.
Schreiben – im Sinne von Textproduktion – wird nicht nur als kognitiver Problemlöseprozess,
sondern als soziale Handlung verstanden, bei der die entstandenen Texte eine komplexe
kommunikative Beziehung zwischen Schreiber und potenziellen Lesern herstellen (vgl. dazu
auch Brinkers kommunikationsorientierte Textdefinition 201018).

Literaturverzeichnis

Antos, Gerd (2008): Schriftliche Textproduktion: Formulieren als Problemlösung. In: Janich, Nina
(Hrsg.): Textlinguistik. 15 Einführungen. Tübingen: Narr Francke Attempto Verlag, S. 237-254.
Barkowski, Hans/Krumm, Hans-Jürgen (Hrsg.) (2010): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und
Zweitsprache. Tübingen: Narr Francke Attempto.
Bausch, Karl-Richard/Christ, Herbert/Krumm, Hans-Jürgen (2007): Das Lehren und Lernen
fremder Sprachen als Gegenstand von Wissenschaften. In: Bausch, Karl-Richard/Christ, Herbert/Krumm,

15 Die kognitiven Voraussetzungen umfassen nicht nur Sachverhaltswissen und sprachliches Wissen, sondern
auch soziale Kognition, allgemeine Motivation sowie die Einstellung zum Schreiben.

16 Bei Hayes/Flower (1980) wird jedoch die Wissenskomponente außerhalb des Schreibprozesses verortet. Für
Becker-Mrotzek und Böttcher (2003/2006) spielt sie im Bereich der kognitiven Ressourcen eine wichtige Rolle
bei der Textproduktion.

17 Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel hat nicht nur bei der Textproduktion, sondern auch bei der
Beurteilung von Textkompetenz einen wichtigen Stellenwert (vgl. Schmölzer-Eibinger 2011:143f.). Ist der
Schreiber auch kognitiv in der Lage, sich in die Rolle seines Lesers hineinzuversetzen, kann er die aktuelle
Situation und die Erwartungen des Rezipienten einschätzen. Schindler (2004) untersucht, wie sich Schreiber
beim Verfassen eines Textes an einem Adressaten orientieren.

18 Das kommunikative Textbeschreibungsmodell ist im Zusammenhang mit der pragmatischen Wende in der
Textlinguistik (Anfang der 1970er Jahre) zu verstehen. „Unter pragmatischer (sprechakttheoretischer)
Perspektive erscheint der Text nicht mehr als grammatisch verknüpfte Satzfolge, sondern als (komplexe)
sprachliche Handlung, mit der der Sprecher oder Schreiber eine bestimmte kommunikative Beziehung zum
Hörer oder Leser herzustellen versucht.“ (Brinker 2010:15 [Hervorhebungen im Original])

12
Der Schreibprozess. Schreiben als Prozess BDV Magazin April 2018

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15
Nikolay Stefanov

Schreibaufgaben und Schreibziele im DaF-Unterricht


Nikolay Stefanov, Wirtschaftsuniversität Varna

Nikolay Stefanov ist Lektor für DaF im Lehrstuhl für Westeuropäische Sprachen an der Wirtschaftsuniversität
Varna. Seine wissenschaftlichen Interessen liegen auf dem Gebiet der Methodik und Didaktik für DaF, des
Wirtschaftsdeutschen und der spezialisierten Sprache für Tourismus.

E-Mail: berlagnost@yahoo.com

Abstract: Im vorliegenden Fachartikel wir eine kurze Übersicht über Schreibaufgaben und Schreibziele im und
für den DaF-Unterricht gemacht. Die verschiedenen Formen von Schreibaktivitäten werden in ihrem
Zusammenhang untereinander vorgestellt, in ihrer Entwicklung von den einfachsten Schreibformen am Anfang
bis zu komplexeren Aufsätzen und Handelskorrespondenz, mit Blick auf das Zusammenspiel der vier
Fertigkeiten im DaF-Unterricht. Das Verhältnis von reproduzierenden und produzierenden Aufgaben und
Aktivitäten bei der Bewältigung von sprachlichen und außersprachlichen Zielsetzungen wird beachtet, um den
Prozess des Lernens und des Lehrens besser zu beleuchten. Die Korrektur und Benotung von Aufsätzen wird vor
dem Hintergrund des Lernprozesses thematisiert.

Schlüsselwörter: DaF, Schreiben, Schreibaufgaben, Schreibziele, Fertigkeiten

1. Schreiben unter den vier Fertigkeiten

Schreiben ist eine produktive Verwendungsform von Sprache, wie das Sprechen auch. Sowohl
beim Schreiben als auch beim Sprechen werden Äußerungen produziert. Der Unterschied ist,
die Äußerung ist beim Schreiben schriftlich, grafisch, zeitlich versetzt und indirekt. 19
Äußerungen müssen korrekt und verständlich für den Hörer oder Leser sein. Während Hören
und Sprechen beim Erstsprachenerwerb unbewusst erlernt werden, werden Lesen und
Schreiben bewusst erworben, und zwar nur in Kombination. Die schriftsprachlichen
Fertigkeiten werden stark von kulturellen Gegebenheiten geprägt (Schriftsysteme,
Leserichtung, Textmuster sind jeweils anders in verschiedenen Kulturen). Das Lesen ist
Kontroll- und Begleitinstanz des Schreibens: Lesen kontrolliert und begleitet ständig den
Schreibprozess und beeinflusst dessen Qualität stark. Die sprachliche Verarbeitung ist beim
Lesen und Schreiben langsamer als beim Hören und Sprechen, sowohl beim Produzenten als
auch beim Rezipienten.

2. Typen von Schreibaufgaben

Es gibt reproduzierende, produzierende Schreibaufgaben und solche, die Merkmale beider


Typen haben.

19 Huneke, Hans –Werner/Steinig, Wolfgang (1997): Deutsch als Fremdsprache. Eine Einführung.
Berlin: Erich Schmidt

16
Schreibaufgaben und Schreibziele im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

Bei reproduzierenden Aufgaben müssen einzelne Schriftzeichen, Wörter und Texte wiederholt
reproduziert werden. Das ist die Grundlage für die weiteren Stufen, die mit Produktion
verbunden sind. Bei der Reproduktion von sprachlichen Schriftzeichen geht es darum, sich
sprachliche Mittel anzueignen und zu üben (Wörter bzw. Vokabeln, Rechtschreibung,
grammatische Strukturen, Textsorten usw.). Abschreiben kann auch eine intensive Form von
Lesen sein. Mitschreiben, Notizen machen sind andere Varianten.

2.1 Nachspuren (Nachpausen): Auf dem Blatt vorgegebene Schriftzeichen (Buchstaben,


Wörter, Zahlen, Bilder) noch einmal (oder vielmals) schreiben bzw. vervollständigen.

Ein gepunktetes oder als Schatten gedrucktes oder anders “verstecktes“ Schriftzeichen wird
vom kleinen Kind nachgespurt, d. h. noch einmal oder vielmals geschrieben, grafomotorisch
kopiert. Eine Modifikation: Die Hand der Lehrperson führt die Hand des Lerners.

2.2 Abschreiben: Da ist kein Schatten zum Nachspuren und keine führende Hand, sondern
die Schriftzeichen in greifbarer Nähe, und Platz, um sie wiederholt zu reproduzieren. Da die
Zeichen sehr komplex sind, werden am Anfang ihre Komponenten herausgelöst und getrennt
geschrieben.

Die Alphabetisierung ist ein komplexer Prozess, bei dem relativ viel geschrieben bzw.
abgeschrieben wird. Wenn die Lerner schon die kyrillische Schrift beherrschen, läuft der
Prozess der Alphabetisierung in lateinischer Schrift viel schneller. Und wenn die Lerner schon
die lateinische Schrift beherrschen, brauchen sie nur noch einige Anweisungen. Der erste
Schritt der Alphabetisierung, das Schreiben der Buchstaben, wird bei erwachsenen Lernern,
die die lateinische Schrift schon beherrschen, so gut wie übersprungen. Für sie gibt es am
Anfang die Buchstaben-Lautzuordnung. Im Gegensatz dazu gibt es die Lerner, die nicht oder
nicht ausreichend alphabetisiert sind (in Deutschland sind es ca. 4 Millionen Menschen,
vorwiegend Bürger und Bürgerinnen mit Migrationshintergrund).

Wenn DaF-Lerner schon die kyrillische Schrift von ihrer Muttersprache beherrschen, bringt
das positive und negative Einflüsse für das Erlernen der lateinischen Schriftzeichen mit,
wobei die positiven normalerweise überwiegen. Kyrillische Buchstaben, die ähnlich oder
gleich aussehen wie die lateinischen (z. B. m, u, g, b, p, H), aber einen unterschiedlichen
Lautwert tragen, sind in der Regel schwieriger und erfordern einen höheren Übungsaufwand.

Bereits in der frühen Phase des Nachspurens und Abschreibens findet komplexes Lernen statt,
das unter anderem sehr viel Konzentration erfordert. Die Buchstaben werden in verschiedenen
Farben geschrieben, mit Wörtern bzw. Gegenständen und Lebewesen assoziiert / verbunden /
kombiniert. Die Grundsteine zur Kreativität werden auch hier mal lose in die Landschaft
gelegt. Als geistige Wesenheiten existieren diese Steine schon immer, genauso wie davor und
danach. Die Kreativität ist schon da, und das Schreiben und die Kreativität leben nahe
beieinander. Das Schreiben erscheint als eine kreativere Tätigkeit im Vergleich zum Lesen,

17
Nikolay Stefanov

Hören und Sprechen, da der Prozess des Entstehens sichtbarer und länger ist und das Produkt
als Gegenstand vor uns steht, ähnlich wie die Zeichnung, das Gemälde oder die Plastik.

Schreiben ist absolut notwendig um eine Sprache zu lernen, sei es die Muttersprache oder eine
Fremdsprache. Dafür braucht die Lehrperson ein großes Arsenal an möglichen
Schreibübungen, um sie differenziert und zielgerichtet je nach Gruppe und einzelnen Lernern
zu verwenden. Am Anfang steht natürlich nicht Aufsatz und Erörterung, sondern Abschreiben
in verschiedenen Formen. Mögliche Aufgaben sind es zum Beispiel Druckschrift in
Schreibschrift umzusetzen, Bilder zu beschriften, alle möglichen Aufgaben zum Assoziieren,
Kombinieren, usw.

Wenn wir schon auf Wortgruppen- und Textebene sind, was wir eigentlich schon von Anfang
an sind, auch wenn Lerner gar nicht schreiben können, haben wir Aufgaben wie Zuordnung
von Wortgruppen (Verb mit Substantiv, usw.) und im nächsten Schritt Lückentexte mit
vorgegebenen Wörtern, was traditionell eine Schreibaufgabe ist, bei der man Wörter, Teile
von Wörtern, Wortgruppen und größere Komplexe in einen Text hineinschreibt. Im Grunde
genommen handelt es sich hier um eine kombinatorische Aufgabe und das Schreiben ist
sekundär.

2.3 Lückentexte

Für Muttersprachler ist die Beherrschung ihrer eigenen Sprache vor allem Kombinatorik, sie
können das Spiel spielen, auch wenn sie keine Regeln im Vorfeld studiert haben. Sie haben
immer einige mehrere Schlüssel in der Hand (auf der Zunge) und im letzten Moment
entscheiden sie sich mit einer sehr guten Erfolgsrate für das Richtige, sie knacken den Code,
kriegen die Kurve. Das tun sie in einem frischen Tempo, es geht “fließend” immer weiter, im
Unterschied zu den Stockungen und Pausen bei Nicht-Muttersprachlern am Anfang. Bei
Lückentexten ohne Vorgabe der Wörter und Ausdrücke kann der Lösungsprozess langsamer
oder schneller sein im Vergleich zu Lückentexten mit Vorgabe. Allgemein sind aber
Lückentexte mit Vorgabe schneller zu erledigen, Erfolgserlebnis kommt schneller und öfter,
und in der Kombinatorik kann der Nicht-Muttersprachler in kürzerer Zeit wie ein
Muttersprachler sein. Das Fließen der Sprache stockt nicht zu oft. Die Lückentexte ohne
Vorgabe zählen der Form nach zu produzierenden Aufgaben, da formal gesehen ein Wort /
Ausdruck in die Lücke geschrieben wird, nachdem es geistig produziert / erinnert wird. Der
Unterschied ist aber gar nicht so groß. Meiner Meinung nach läuft es darauf hinaus, dass der
Lösungsprozess bei Lücken ohne Vorgabe kurzfristig langsamer ist, ohne Vorgabe aber die
kreativere Variante ist. Kreativität und Intuition können dann später die Geschwindigkeit
nachholen, die kurzfristig am Anfang fehlt. Schreiben scheint wegen einiger formeller
Merkmale irgendwie verwandt mit Kreativität zu sein, und Kreativität mit Freiheit. Dagegen
wirken natürlich die traditionellen starren Regeln der Textsorten und die vorgegebenen
Schreibformen bzw. Darstellungsformen (z. B. journalistisches Schreiben).

18
Schreibaufgaben und Schreibziele im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

„Lückentexte bilden zudem einen Zwischenschritt zwischen Multiple Choice Fragen und
Freitext.“20 Weiter auf der Webseite www.grundschule-arbeitsblaetter.de werden Lückentexte
im Bereich Lesen behandelt. Dazu wird aber vermerkt, dass Lückentexte verschiedene
Kompetenzen fördern: “das Sinn entnehmende Lesen“, „die Rechtschreibung und auch die
Abschreibkompetenz, sofern die einzusetzenden Wörter vorgegeben werden“, weiter nennt
man auch Übung des Fachwortschatzes und Wiederholung des Lernstoffs. Zum Spaßfaktor:
“Lückentexte machen Kinder sehr viel Spaß. Zum einen ähneln sie mit ihren fehlenden
Worten den beliebten Rätseln. Zum anderen haben Kinder bei Lückentexten das Gefühl, gar
nicht so viel arbeiten zu müssen, da ja ein Großteil des Textes schon fertig ist.“ So „... kann
man Lückentexte sehr effektiv auch bei Kindern einsetzen, die bei Schreibaufgaben oft zur
Arbeitsvermeidung oder gar zur Arbeitsverweigerung neigen.“ (Zitate aus derselben
Webseite.) Voraussetzung für das Schreiben ist: Man hat schon genug Texte gelesen und
gehört, ein gewisses “Repertoire“ an Texten gesammelt. Lückentexte sind schon so eine
leichte Beute, ähnlich wie Lesetexte, die man zum Vergnügen liest.

Es gibt einen „Pufferbereich“ zum eigentlichen produzierenden Schreiben, der ausreichend


ausgefüllt werden muss. Wenn man schon viele Geschichten gehört, genossen und wiederholt
hat, hat man bereits auch Spaß daran, selber eine auserwählte Geschichte zu reproduzieren. In
der Auswahl und im Erlebnis des Geschichte-Erzählens, im Selberbauen einer Geschichte
oder einer anderen gezielten überlegten Äußerung, darin findet man bereits die Grundlage des
produzierenden Schreibens. Die Motivation spielt dabei eine Schlüsselrolle, was ja Glück
oder Pech ist, weil Motivation gar nicht immer positiv ist. Im Unterricht bemüht man sich
deswegen um eine fördernde Lernumgebung und um disziplinierende Einflüsse. Didaktisch-
methodische Vorschriften schaffen einen Rahmen, der aber nicht hilfreich sein muss.
Vorschriften schreiben nur vor.

2.4 Pufferbereich

Es gibt verschiedene Formen von schriftlichen Aufgaben und Übungen, die dazu dienen, den
Pufferbereich vor dem eigentlichen produzierenden Schreiben auszufüllen. Das ist z. B. die
Wörterschlange in verschiedenen Varianten. Eine Variante sind z. B. Bezeichnungen von
Tierarten oder Gemüse-, Obstarten nebeneinander ungetrennt als ein ganzes Wort, und die
Aufgabe besteht darin, die Bezeichnungen herauszuschreiben, zu sortieren und in eine Tabelle
zu setzen und Artikel und Pluralform dazu zu schreiben. Das könnte so aussehen:

apfelbananenkirscheorangengurketomatebirnezwiebel

Oder die Schlange ist ein sinnvoller Text, aber ohne Wörtertrennung und Zeichensetzung,
dann schreibt der Lerner einen normalen Text mit Wörtern und Zeichensetzung, Groß- und
Kleinschreibung. Zum Beispiel das Gleichnis vom verlorenen Sohn:

20 https://www.grundschule-arbeitsblaetter.de/deutsch/lueckentexte/

19
Nikolay Stefanov

einmannhattezweisöhneundderjüngerevonihnensagtezumvatervatergibmirdenteildesvermögen
sdermirzukommt!

Eine andere Variante ist das Wortgitter, das ist ein ausgefülltes Kreuzworträtsel, in dem man
die Wörter suchen muss, die zu einer Gruppe gehören, z. B. Familienmitglieder.

Sofern es um das Wörtersuchen geht, sind das vielmehr Leseaufgaben als Schreibaufgaben.
Die zweite Variante der Schlange ist aber ein Schritt weiter im Bereich des Schreibens.

2.5 Diktat

Nach Joachim Riehme: „Das Diktat in der Disziplin Grammatik / Orthografie ist eine
methodische Maßnahme, die die Schüler veranlasst, mündlich vorgetragenes Sprachmaterial
als Übung oder Leistungskontrolle wortwörtlich aufzuschreiben.“21

Bei Schleichdiktaten (= Laufdiktaten, Wanderdiktaten) wird Text nicht mündlich vorgetragen,


sondern einzelne Wörter, Ausdrücke, Teile eines ganzen Textes, gedruckt oder geschrieben
auf Zetteln, an mehreren Stellen im Klassenzimmer verteilt. Die Lerner können von den
Zetteln von ihrem Platz aus nicht lesen, sie müssen zum Zettel gehen, sich den Text genau
merken, zu ihrem Platz zurückgehen und so den Text stückweise abschreiben. Bei dieser
Diktatform wird der Text visuell präsentiert im Unterschied zum gesprochenen Diktat. So
werden visuelle Lerntypen angesprochen. Im Unterschied dazu, haben auditive Lerner einen
legalen Vorteil bei gesprochenen Diktaten. Im Laufdiktat wird Diktat mit Bewegung
kombiniert.22 Natürlich fördern Laufdiktate das Gedächtnis, das Memorieren. Die Lerner
können selbst die Schreibung überprüfen und korrigieren. “So lernen sie gleichzeitig, Sätze in
sinnvolle Abschnitte zu unterteilen.“ (ebd.)

Ziel von visuellen und auditiven Diktaten ist es, den Lernern die richtige Schreibung von
Wörtern und Ausdrücken beizubringen und ihnen die Sicherheit mitzugeben, dass sie
Rechtschreibnormen beherrschen. Wenn weniger bekannte und unbekannte Wörter,
Ausdrücke und Strukturen im Diktat auftauchen, soll der Lerner trotzdem das Richtige
schreiben oder sich eine oder mehrere Varianten überlegen, wie es richtig geschrieben wird,
aufgrund von bereits vorhandenem Wissen. Die Lerner versuchen orthografische Strukturen
und Muster zu erkennen, sich diese anzueignen und zu verwenden, um im Endeffekt eine
richtige Kopie des Textes zu bekommen. An sich ist das Endprodukt des Diktats, oft so
mühsam zustande gebracht, nicht der Mühe wert, da der Text schon vorhanden ist. Der
Prozess des Diktierens und Schreibens im Diktat hat auch eine schwere Monotonie an sich.
Trotzdem gehört das Diktat noch nicht der Vergangenheit. So viele Variationen und

21 Riehme, Joachim: Rechtschreibunterricht – Probleme und Methoden. Frankfurt a. M.: Diesterweg Verlag
1987, S. 145

22 https://www.grundschule-arbeitsblaetter.de/deutsch/diktate/

20
Schreibaufgaben und Schreibziele im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

unendliche Vielfalt bietet die moderne Didaktik nicht, dass man die Diktate ganz und gar
vergisst.

Im Diktat müssen Lerner genau zuhören und sich konzentrieren. Das Diktat ist eine
Möglichkeit das Hörverständnis im DaF-Unterricht zu verbessern. Gleichzeitig wird auch
Konzentration gefördert. Soweit diese Vorteile im Vordergrund stehen, sind Diktate im DaF-
Unterricht gut verwendbar. Systematische Verwendung unter Leistungsdruck und mit Fokus
auf Fehler (klassisch: nur Fehler werden gezählt und besprochen) bringt viel Frust. Um nur
ein Bespiel zu geben: „Diktate bringen Frust und belasten oft die Eltern-Kind-Beziehung“ 23
Auf derselben Webseite weist die Lerntrainerin Sabine Omarov aus Paderborn (Praxis für
Lerntraining bei Lese-Rechtschreib- und/oder Rechenschwäche) darauf hin, dass sie in ihrer
Praxis Diktate verwendet, „wenn die Schüler so gut wie alle Rechtschreibthemen geübt
haben“, wenn die Schüler schon sehr viel können, die Regeln schon kennen und sie im Diktat
anwenden, und zwar ganz bewusst.

Wie Lehrkräfte und Lerner mit Fehlern in Diktaten und anderen Schreibübungen umgehen,
wie Fehler gekennzeichnet, korrigiert, bewertet werden, ist ein Diskussionsthema im
Muttersprachenunterricht Deutsch.24 Die Auswahl an Möglichkeiten ist im DaF-Unterricht
natürlich viel enger. Was Muttersprache und DaF gleichermaßen betrifft, ist einerseits die
Tatsache, dass ständiger Akzent auf Fehler die Lerner (und die Lehrkräfte) auf die Dauer
demotiviert. Andererseits, Lerner sind nicht gleich. Es gibt Lerner, die aus Fehlern lernen, und
es gibt auch solche, die sozusagen die Fehler lernen.

In der Sekundarstufe sind von Anfang an kurze Diktate und regelmäßige schriftliche
Hausaufgaben absolut erforderlich. Diese sollten durch den Lehrer, durch den Tischnachbarn,
in Gruppenarbeit usw. kontrolliert und berichtigt werden. Die DaF-Lerner sollen dazu
befähigt werden, sich bestimmte Muster anzueignen, Analogien zu verwenden, immer mit
Feedback: Ist es dasselbe oder ein bisschen anders. Falsch Geschriebenes wird im Wort und
im Satz korrigiert, ggf. werden weitere Beispiele gegeben, die dasselbe sprachliche Material
oder Muster enthalten. Ob man durch Fehler lernt, ist in der Praxis umstritten. Bei der
Kontrolle und Selbstkontrolle sind Schüler daran zu gewöhnen, das Geschriebene wiederholt
durchzulesen und Fehler zu entdecken und zu berichtigen, unter Verwendung von
Lösungsschlüsseln, Regelwerken, Wörterbüchern. Der Fokus darf aber nicht zu stark auf
Fehler gerichtet sein (Diktatfrust). Im Endeffekt ist Sicherheit in der Verwendung von Sprache
und ein gesundes Selbstbewusstsein Ziel der Übung. Motivation, Spaß und Belohnung sind
die universellen Kommunikationsmittel.

23 http://www.sabine-omarow.de/allgemein/diktate-bringen-frust-und-belasten-oft-die-eltern-kind-beziehung/

24 https://diepresse.com/home/bildung/schule/pflichtschulen/630595/Schulstudie_Aus-Fehlern-lernen-die-
Schueler-nichts

21
Nikolay Stefanov

2.6 Aufsatz

„Ein Schulaufsatz ist ein von einem Schüler verfasster, in sich geschlossener Text zu einem
(meist) vom Lehrer vorgegebenen Thema in einer vorgegebenen Form.”25

Von Anfang an haben wir betont, dass Schreiben eine produktive Verwendungsform von
Sprache ist. Erst beim Aufsatz haben wir aber eine produktive (produzierende) und nicht nur
eine reproduktive (reproduzierende) Leistung. Damit ist ein großer Schritt getan. Die Lerner
übernehmen Verantwortung für ihren Text. Sie lösen ein Problem, indem sie einen Text
verfassen. Sie erbringen eine komplexe Leistung und zeigen Reife. Sie gliedern und
organisieren ihre Gedanken. Sie treten in einen Kommunikationsprozess mit vielen möglichen
Lesern ein. Sie lernen verschiedene Aufsatzformen zu bewältigen. Alles, was sie bisher
gelernt haben, darf verwendet werden. Sie müssen die Form meistern und den
kommunikativen Zweck des Textes erfüllen. Einerseits ist das allzu viel auf einmal,
andererseits lohnt es sich.

Das Schreiben von Aufsätzen in der Muttersprache beginnt bereits ganz früh in der Schule.
Noch im mündlichen Sprachgebrauch werden wichtige Strukturen gelegt: Das Sprechen in
ganzen Sätzen, ein möglichst großer Wortschatz.26

Ganz früh werden Bildergeschichten geschrieben. Ausgewählte Bilder in einer bestimmten


Abfolge zeigen eine Geschichte, die dann von den Lernern auf das Blatt gebracht wird. Die
Geschichte muss zusammenhängend, in sich stimmig und unterhaltsam sein (ebd.).
Verschiedene Geschichten sind möglich, was die Aufgabe weitgehend kreativ macht, aber das
ist kein Freitext. Die Anreize sollen grundsätzlich von den Bildern kommen, und eine gewisse
Form wird bereits eingeführt: Mit Einführung, Hauptteil und Schluss. Natürlich ist es am
Anfang sehr wichtig, dass sich die Lerner überhaupt ans Schreiben wagen und später mit der
Zeit ein gesundes Selbstvertrauen aufbauen.

Eine andere Form von Bildergeschichte ist eine Variation von Leseverstehen: Gegeben sind
Bilder und Text dazu und die Aufgabe besteht darin, Fragen zum bebilderten Text zu
beantworten (z. B. Multiple-Choice-Fragen). Ein Bespiel: Gute Besserung, Dafi!27

Die Aufgabe kann auch sein, zu einem Text zu zeichnen oder zu malen. Dagegen spricht,
Zeichnen und Malen sind keine typischen DaF-Aktivitäten. Dafür spricht, jeder macht es
manchmal zur Entspannung. Ein Beispiel: Ich bin die schönste Blume28. Um eine Blume zu
zeichnen, muss man die Beschreibung ganz genau nehmen (Leseverstehen). Im Anschluss
25 https://de.wikipedia.org/wiki/Schulaufsatz

26 https://www.grundschule-arbeitsblaetter.de/deutsch/aufsaetze/

27 http://www.deutschalsfremdsprache.ch/contentLD/DFN/Bi110gBesserung.pdf

28 https://vs-material.wegerer.at/deutsch/pdf_d/lesen/sinnlesen/ab/lese_zeichenblatt/Leseblatt_blume.pdf

22
Schreibaufgaben und Schreibziele im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

könnte man das umgekehrt machen: Anweisungen zum Zeichnen schreiben, und der Partner
soll das zeichnen, was da beschrieben steht. Das Prinzip lautet: Variieren.

Die ersten Anlässe für Aufsätze im kommunikativen DaF-Unterricht sind “Mein


Tagesablauf“, „Mein Hobby“, Lerner können sich selbst und andere Personen vorstellen.
Weiterhin geben die Themen, die im Unterricht behandelt werden, Anlass, sich zu
Problemstellungen zu äußern, mit Vorsprung für die mündliche Kommunikation, weil das eine
Grundvoraussetzung für den kommunikativen Unterricht ist. Mögliche Themen, zu denen
noch früh geschrieben werden kann, sind: „Wie grüßen sich Leute in Deutschland und in
meinem Land / in anderen Ländern”, „Was für ein Geld-Ausgeber bist du?“ Am Anfang
fehlen noch einem die Worte, um komplizierte Zusammenhänge zur Sprache zu bringen, aber
im Sprechen wie im Schreiben muss man lernen, auch mit einfacheren Sprachmitteln zum
Ziel zu kommen, zumal ja das Ziel im Unterricht ist, ein bisschen Small Talk zu üben und zu
variieren, das bringt sehr viel mehr als die ganze Mühe, in der Fremdsprache so ein
Klugscheißer zu sein wie in der Muttersprache.

Je erwachsener die DaF-Lerner sind, desto früher kann man auch mit Vorträgen anfangen,
mit oder ohne Vorbereitung: Der Lehrer/die Lehrerin kann zum Beispiel zu verschiedenen
Themen Fragen im mündlichen Unterricht stellen, die die Lerner aufgrund von Fachwissen
auf ihrem Gebiet beantworten können, im Unterricht hilft die Lehrkraft schnell mit
Ausdrücken und Strukturen, und doch wechseln sich dabei die Rollen: Lerner geben etwas
von ihrem Wissen preis und treten als gut informierte Fachleute auf. Einen kleineren Teil von
diesem Prozess kann man in die schriftlichen Hausaufgaben verlegen, in der Form von
Aufsätzen oder, ein wenig später, von Vorträgen, zu denen ja auch mehr oder weniger
schriftliche Arbeit gehört. Vorträge haben einen deutlichen Vorsprung vor Aufsätzen im
kommunikativen Unterricht. Am Aufsatz findet aber mehr und feinere Spracharbeit statt. Ein
Vortrag nimmt viel Zeit ein, sowohl im Unterricht als auch in der Vorbereitung. Aufsatz geht
auch ohne Informationen sammeln, mit mehr Fokus auf Vokabeln, Grammatik und Strukturen.
Im Aufsatz kann man (muss man) die neuesten Strukturen, Grammatikregeln und Vokabeln
verwenden und so auch festigen.

Wie schon am Anfang angesprochen, ist das Schreiben und seine Kontrollinstanz, das Lesen,
kulturbedingt. Wenn man die Sprache lernt, lernt man auch noch die Kultur des jeweiligen
Landes kennen, und dazu gehören verschiedene Besonderheiten, wie Sprache funktioniert.
Man lernt, wie verschiedene Äußerungen funktionieren, wie Texte funktionieren, die
Textsorten. Bei den kleinen Kindern fängt man an mit Kinderreimen, Liedern und Märchen.
Die ersten Formen von Aufsätzen sind in der Muttersprache eben Märchen,
Bildergeschichten, Reizwortgeschichten, Nacherzählungen, Briefe, Beschreibungen, Berichte.
Jede Aufsatzform unterscheidet sich nach Sprachmitteln, Textstruktur, Adressat, Intention. Die
Textsorten werden nach und nach eingeführt und Schüler damit vertraut gemacht. Schüler
schreiben dann selbst Texte, in denen sie die Merkmale der Textsorten erarbeiten und
einsetzen. In der Schule werden über die Jahre viele Aufsätze im Muttersprachenunterricht

23
Nikolay Stefanov

geschrieben. Im DaF-Unterricht sind es natürlich viel weniger, da die reproduzierenden


Schreibaktivitäten im Vordergrund stehen und das Sprechen wichtiger erscheint, zumal die
Grammatik so eine große Hürde darstellt. Zu einem guten Fremdsprachenunterricht gehört
aber alles das, was zu einem Muttersprachenunterricht gehört, aber eben gezielter, mit
kleineren Zielsetzungen und in kleinerem Umfang, indem man versucht, den Nachteil, dass
die Fremdsprache nur im Unterricht gebraucht wird, so gut es geht, zu kompensieren. Es
besteht die Gefahr einer Zerkleinerung von Zielen: Bis zum nächsten Test überleben, einen
Aufsatz abschreiben.

2.6.1 Aufsatzkorrektur und Aufsatzbewertung durch die Lehrkräfte im DaF-Unterricht

In der Korrektur und Bewertung von Aufsätzen im DaF-Unterricht nehmen Lehrkräfte mehr
oder weniger Bezug auf Rechtschreibung und Grammatik, indem sie Fehler korrigieren, aber
nicht nur das. Sie beachten auch weitere Kriterien wie Gliederung (Einführung, Hauptteil,
Schluss), Reichtum des Wortschatzes, verschiedene Regeln zu Satzanfängen: Diese sollen
variiert werden, oder bestimmte Wörter passen gut oder nicht so gut oder können gar nicht am
Satzanfang stehen. Das Thema des Aufsatzes soll getroffen und nicht verfehlt werden. Das
sind ja alles allgemeine Kriterien, die aus Erfahrungswerten gewachsen sind. Eine erfahrene
Lehrkraft weiß schon, wie ein guter Aufsatz aussieht, und einige Kriterien zur Bewertung
würden auch nicht schaden.

Grundlage für eine genauere Bewertung ist die Beschreibung der Kompetenzen auf den
verschiedenen Stufen des sprachlichen Könnens, wie sie im Gemeinsamen Europäischen
Referenzrahmen für Sprachen gegeben werden.29

Für die PISA-Studie und die DESI-Studie wurden jeweils komplexe und detaillierte
Kompetenzbeschreibungen und Bewertungsskalen entwickelt. Trotz des Gemeinsamen
Europäischen Referenzrahmens unterscheiden sich die Beschreibungen und Skalen je nach
Umfang, Zweck und anderen Spezifika der Studien und auch für die verschiedenen Sprachen.

Eine komplexere Skala für die Bewertung von Schreibaufgaben im DaF-Unterricht kann man
natürlich nicht von Anfang an benutzen. Davor steht ein langer Prozess: Der Aufbau des
Repertoires von rezipierten (vor allem gelesenen) Texten, das stufenweise Einüben von
verschiedenen Textsorten möglichst in allen Fertigkeiten, aber vor allem im Lesen und
Schreiben. Ganz früh werden müssen Schreibaufgaben von detaillierten Beschreibungen und
Erläuterungen begleitet werden, schriftlich oder mündlich. Im Anfängerunterricht sind es die
neuen Vokabeln und grammatischen Regeln und Strukturen, die im Schreiben verwendet
werden sollen. Weiter sind es die Satzanfänge, die allgemeine Gliederung des jeweiligen
Textes, spezifische Ausdrücke, die Adressierung – alle diese Mittel, die dem schreibenden
Lerner zur Verfügung stehen sollen, damit er/sie sich daran hält. Weiter können mehr oder
weniger detaillierte Angaben dazu stehen, was mit dem Text erreicht werden soll,
29 https://www.goethe.de/Z/50/commeuro/303.htm

24
Schreibaufgaben und Schreibziele im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

kommunikative Absicht, Mittel und Wege, um eine kommunikative Absicht zu erreichen. Die
Lerner sollen die Werkzeuge in der Hand haben, um ihre Texte zu produzieren und weiter
auch noch die Freude daran, mit jedem neuen Schreibversuch etwas Neues zu erreichen, das
für die jeweilige Aufgabe vorgegeben und verlangt/erwartet wird. Die ganze Geduld, Texte
wiederholt zu lesen und zu berichtigen und verbessern, alles das muss auch erst gelernt
werden, ohne dass dabei einem die Lust am Schreiben vergeht. Auf einer sehr
fortgeschrittenen Stufe dieses Prozesses steht die Bewertung von Schreibaufgaben aufgrund
von komplexeren Kompetenzbeschreibungen und Bewertungsskalen.

Nach dem roten Stift für die orthografischen und grammatischen Fehler steht im nächsten
Schritt die Bewertung und Beachtung dessen, wie die spezifischen Vorgaben zur jeweiligen
Aufgabe gehalten worden sind. In einer sehr frühen Phase, aber auch in späteren Phasen
könnten das Satzanfänge sein. Später könnten das argumentative Strukturen sein. Ganz früh
ist es Adressierung und bewusste Zielsetzung, was eine große Schwierigkeit darstellt, denn
der Wortschatz und die Grammatik sind noch so problematisch. Alles das braucht mehr Zeit,
Geduld und persönliches Engagement der Lehrkraft, und bei den Lernern sind die
Schwierigkeiten nicht kleiner.

3. Handelskorrespondenz

Lerneinheiten, Kurse und Module zu Handelskorrespondenz und Geschäftsbriefen werden auf


einem höheren Niveau sprachlichen Könnens angeboten, normalerweise wird B1-B2
vorausgesetzt. Das hat viele Gründe. Erstens wird in Geschäftsbriefen Fachsprache
verwendet. So gut es geht, muss Allgemeinsprache vor Fachsprache gehen, wenn das Ziel des
Unterrichts eine flexible selbständige Verwendung der Sprache sein sollte. Zweitens wird für
Geschäftsbriefe eine Form verlangt, die sehr genau gehalten werden soll. Auf einem niedrigen
Niveau bereitet das viel Stress, wenn man etwas, das man nicht versteht, ganz genau machen
soll. Drittens gehören zum Geschäftsbrief bestimmte grammatische (morphologisch-
syntaktische) und lexikalische Spezifika, komplexe Satzkonstruktionen, eine oft sehr formelle
Sprache und fachliche Kenntnisse auf dem entsprechenden Gebiet.

Das Ziel einer Ausbildung in Handelskorrespondenz ist es, den Lernern zu helfen, schriftliche
Aufgaben in ihrem Berufsleben erfolgreich zu erledigen. Viele der Textsorten der
Handelskorrespondenz trifft man auch im privaten Alltag: Bestellung bei einem Versandhaus
machen, Beschwerden schreiben, eine Firma um einen Kostenvoranschlag für Reparaturen zu
Hause bitten. Als Privatperson muss man in bestimmten Situationen einen Auftrag stornieren
oder eine Lieferung reklamieren. Diese private Perspektive kann man im Unterricht als
Übergang zum beruflichen Geschäftsverkehr benutzen.

Am Anfang einer Lehreinheit zur Handelskorrespondenz stehen die Regeln, wie ein
Geschäftsbrief (und eine geschäftliche E-Mail) geschrieben wird, was der Geschäftsbrief
enthalten soll, wie die Anordnung auf dem Blatt sein soll. Im Computer gespeicherte Vorlagen

25
Nikolay Stefanov

ermöglichen spätere Änderungen und Korrekturen am Text und Verwendung von schon
vorhandenen Elementen als Bausteine für weitere Briefe. Wenn die Form sehr starr ist, kann
man in der Praxis sogar Formulare benutzen und nur die aktuellen Angaben ausfüllen, was
man im Kontext des DaF-Unterrichts als Leseaufgabe betrachten kann. Früher haben wir hier
vermerkt, dass Lückentexte im Bereich Lesen behandelt werden können. Die Person, die die
Handelskorrespondenz zu erledigen hat, kann möglicherweise so viel konkretes Wissen zur
Sache besitzen, dass sprachliches Können dann gar nicht mehr notwendig ist, um die konkrete
Aufgabe zu erledigen.

Sprachliches Können wird aber sehr wohl verlangt, wenn man mithilfe von Geschäftsbriefen
in verschiedenen Situationen verschiedene Ziele mit unterschiedlich strukturierten Texten
erreichen will. Nach der Darstellung der grundsätzlichen Form des Geschäftsbriefes am
Anfang folgen dann die verschiedenen Arten von Geschäftsbriefen, die zu den verschiedenen
Situationen im Geschäftsalltag passen: Mitteilung, Gesprächsnotiz, Arbeitsprotokoll,
Unfallbericht; Bestellung, Rechnung, Lieferschein, Überweisung; Anfrage, Angebot
(Kostenvoranschlag), Auftrag, Auftragsbestätigung; Absage, Reklamation,
Zahlungserinnerung (Mahnung).

Je nach Zielsetzung des Briefes gehören bestimmte lexikalische Mittel dazu: Wenn z. B. der
Brief eine Einladung ist, werden entsprechende lexikalische Mittel verwendet, wie „ich würde
Sie gern einladen”, „wir würden uns freuen, wenn Sie ... (Ort, Zeit) kommen könnten”. Die
Aufgaben werden zuerst als Lückentexte mit vorgegebenen Wörtern gegeben. Ein anderer
Aufgabentyp ist es, Redewendungen nach Situationen und Teilsituationen (Arbeitsschritten)
zu sortieren. Bei einem Terminvorschlag könnten das z. B. folgende Schritte sein:
Besprechungspunkte nennen, Termin vorschlagen, Ort des Treffens vorschlagen.
Voraussetzung dafür ist, dass die Redewendungen an sich für die Lerner keine Schwierigkeit
darstellen, und sie lernen den Gebrauch in Situationen dazu. Das ist der klassische Weg, wie
man das in der Muttersprache lernt, und in DaF sollte man besser nicht zu stark davon
abweichen.

Bei der Einführung zu den einzelnen Textsorten (Anfrage, Überweisung, Angebot) sollte eine
kurze Definition zur Textsorte stehen. Dann kommen wichtige Begriffe, die man bei der
entsprechenden Textsorte kennen soll. Bei einer Rechnung ist das z. B. Betrag, Skonto,
Mehrwertsteuer (MwSt.), netto, gesamt, Artikelnummer, Bezeichnung, Rabatt. Diese Begriffe
müssen die Lerner einfach kennen, und der schnellste Weg ist es in die Muttersprache und aus
der Muttersprache zu übersetzen. Eine zweite Variante ist die Sortierung von Ausdrücken in
die Situationen, wie schon erwähnt. Eine dritte Variante ist es, das Grundvokabular in einem
kurzen Text zu verwenden, dann können die Lerner zum Teil selber auf die Bedeutung der
Vokabeln kommen, und für den Rest hilft die Lehrkraft. Was unbedingt vorhanden sein soll,
ist ein Grundvokabular, um die entsprechende Textsorte gründlich zu verstehen und vor dem
Hintergrund der generellen Zielsetzung eines Geschäftsbriefes: Genaue Information und
Abwicklung von Geschäften, Vertragsschließung.

26
Schreibaufgaben und Schreibziele im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

Ein anderer Aufgabentyp ist es, durcheinander gebrachte Sätze zu einem Brief zu ordnen, was
ja eine Lese- und Abschreibaufgabe ist, aber voll in Ordnung ist. Anschließend kann man eine
Situation nennen, eventuell mit einigen Ausdrücken dazu, und die Lerner einen Brief
selbständig schreiben lassen. Das hat bereits die Spezifik einer Schreibaufgabe, aber ohne die
„Angst vor dem weißen Blatt“. Es ist kein Zufall, dass am Anfang des Lernens bei den
kleinen Kindern Mitbrüllen und Abschreiben steht. Dieses Lernmodell geht einfach nie
verloren.

Wenn schon ein Minimum an lexikalischen Mitteln vorhanden ist, kann man es anhand von
weiteren Texten erweitern. Grammatische und stilistische Besonderheiten von
Geschäftsbriefen kann man auch noch dazu thematisieren und eventuell extra üben, wenn die
Zeit dafür vorhanden ist.

27
Asya Kuleva

Gewagt zu wagen
oder Kreatives Schreiben im DaF-Unterricht

Asya Kuleva, Mathematisches Gymnasium „Baba Tonka“- Ruse


Asya Kuleva ist Deutschlehrerin am Mathematischen Gymnasium „Baba Tonka“- Ruse. Sie schreibt auf dem
Gebiet der Methodik des Fremdsprachenunterrichts, der Drama- und Theaterpädagogik und der
Literaturwissenschaft. Sie führt Workshops mit Elementen des Forum- und Playback-Theaters und Social-Skills-
Trainings. Asya Kuleva ist moderne Schriftstellerin, bekannt mit ihren Romanen und Erzählungen.

E-Mail: assia_if@abv.bg

Abstract: Kreativ schreiben heißt kreativ denken und handeln. Der Artikel setzt das kreative Schreiben als
Element der Fertigkeit Schreiben im Fremdsprachenunterricht ins Zusammenspiel mit den anderen drei
Fertigkeiten (Lesen, Hören, Sprechen) und behandelt Übungen und Spiele, die zum kreativen Schreiben
aufmuntern. Die Autorin legt in der Praxis erprobte, feuerfeste Muster dar, die nach dem Hauptmerkmal
Vorbestimmtes Modell typologisiert und angeordnet sind und individuell und gruppenweise ausgeführt werden
könnten: visuelle Modelle, Textmodelle und Mischmodelle. Vier Beilagen ergänzen die theoretische Darlegung.
Das kreative Schreiben entwickelt die kreative Bildung und die kreative Ausdruckskraft der Lerner. Sie haben
die Möglichkeit, ihr kreativ-schaffendes Potential aufzudecken. Durch die Erfahrung entwickeln sie
Selbstsicherheit und stellen sich vor den anderen als Herrscher der Sprache vor. Sie begreifen die Sprache als
Mediator zwischen ihnen und der Welt. Sie lernen die literarischen Prozesse kennen und entwickeln einen Sinn
für Literatur, was das große Plus für die Facebook-Generation ist.

Schlüsselwörter: DaF-Unterricht, Didaktik und Methodik des FSU, kreatives Schreiben

Der Erwerb einer Fremdsprache bedeutet die Entwicklung der vier Fertigkeiten – die
rezeptiven Lesen und Hören, und die produktiven Sprechen und Schreiben. Die Abbildung
zeigt, dass sie eng verbunden sind und gleichzeitig und -mäßig mittels neuer,
unkonventioneller Methoden und Techniken entwickelt werden sollten, die die
Neuropsychologie befolgen. Laut deren funktionieren gemeinsam die Zentren in der
Gehirnrinde, die für die menschlichen Fähigkeiten verantwortlich sind, und kommunizieren
aktiv miteinander, d.h. dass das Lesen, das Hören, das Sprechen und das Schreiben nicht nur
verbunden sind, sondern einander aushelfen und ergänzen. Es steht schon fest, dass das
Sprechen und das Schreiben als produktive Fertigkeiten in Zusammenhang stehen – die Idee
(der Inhalt) braucht passende Ausdrucksmittel und die Worte werden ins Zusammenspiel des
Satzensembles gebracht. Beim Schreiben wird auch gesprochen, besonders bei den
Anfängern, die gleichzeitig schreiben und laut oder im Stillen die Idee verbalisieren. Die
letzten Untersuchungen auf dem Gebiet der Neuropsychologie zeigen, dass das Schreiben
zugleich mehrere Kanäle ankurbelt:

 Visuelle – Wir sehen, was wir schreiben;


 Auditive – Wir verbinden Phoneme mit Graphemen;
 Sprachliche und motorische – Beim Schreiben artikulieren wir inwendig das, was wir
schreiben;
 Motorische – Wir bewegen die Hand.

28
Gewagt zu wagen oder Kreatives Schreiben im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

Selbst die einfache Bewegung der Hand und der Finger hilft uns, die neue Information
aufzunehmen und ins Gedächtnis zu schreiben und weiter kreative Einfälle und
Gedankenblitze auszulösen. Das (kreative) Schreiben hält wie Pech und Schwefel mit dem
Lesen zusammen, das einen Sinn für die Sprache entwickelt. Die produktive Fertigkeit
Schreiben erwächst aus dem rezeptiven Lesen. Schreiben lernt man im Prinzip nicht durch
Schreiben, sondern durch Lesen (Krashen 1985:98). Jeder Schriftsteller kommt über kurz oder
lang zu dem Moment, wenn er sich gezwungen sieht und fühlt, sein Werk mit der Welt zu
teilen, es akustisch umzukleiden, vor den anderen auszusprechen und auditiv (hörbar) es
wahrzunehmen. Das Perpetuum mobile funktioniert auf dieselbe Weise, egal ob man in seiner
Muttersprache oder in einer Fremdsprache dichtet. Dieses universelle Arbeitsprinzip aber ist
im Fremdsprachenunterricht nicht mit Gold zu bezahlen, denn er ermöglicht die synchrone
Entwicklung der produktiven und rezeptiven Fertigkeiten, was von großer Bedeutung für
einen kreativen Fremdsprachenunterricht (FSU) ist. Hm, da taucht folgende Frage auf: Wer
sollte kreativ sein? Der Lehrer? Der Lerner? Oder beide? Was ist eigentlich Kreativität? Ist sie
wirklich so wichtig im FSU oder ist sie überschätzt?

Kreativ schreiben heißt kreativ denken und handeln, was wichtig für die weitere Entwicklung
und Verwirklichung der Lerner ist. Das kreative Schreiben (KS) ist eine Herausforderung
sowohl für den Lehrer als auch für den Lerner. Man muss den Unterricht nach den Prinzipien
des kreativen Verhaltens”( Kirst/Dickmayer 1971:127) veranstalten. Es gibt immer noch
keinen einheitlichen Begriff für “kreativ” und “Kreativität”. Man spricht von “schöpferisch”,
“ideenreich”, “erfinderisch”, “konstruktiv”, “aufbauend”. Was ist eigentlich „kreatives
Denken“ (creative thinking), worüber 1970 zum ersten Mal Edward De Bono schreibt? Es
geht um eine Denkweise (“thinking out of the box” nach De Bono), die das Bekannte, Übliche
ignoriert und neue, unkonventionelle Standpunkte, Wege und Problemlösungen sucht.

29
Asya Kuleva

Kreativ sind nicht nur die berühmten Maler, Darsteller, Erfinder. Wir alle sind als kreativ
geboren, doch diese Gabe muss entwickelt werden.
Wichtiger beim KS ist der Weg, der schöpferische Prozess, und nicht so sehr das Ziel (das
Produkt, der Text), auch aus psychologischen Gründen: Der Schüler überwindet unmerklich
die Sprachhemmungen, die Bedenken und die Komplexe. In diesem Sinne könnten wir das
KS mit der Dramapädagogik verbinden, die eher das Sprechen und Hören entwickelt, aber im
dramapädagogischen Prozess wird auch gezielt mit dem KS gearbeitet und man fängt auch
damit an.
Jeder Schüler, der einen Text schreibt, denkt und handelt eigentlich kreativ und teilt mit den
anderen seine Erfahrung, seine Kenntnisse und Gefühle anhand des Inhalts einerseits und
anhand der Ausdrucksmittel, die er im Text benutzt. Auf diese Weise präsentiert er sich selbst
vor der Welt. Das ist wichtig für die Entfaltung seines kreativen Potentials. Um kreativ zu
denken und zu handeln, braucht man nicht viel: 1. Vorstellungskraft, die ständig entwickelt
werden muss; 2. Mut, die Situation/das Problem mit Gegenständen, Pflanzen, Tieren,
Menschen u.a. zu assoziieren; 3. Bereitschaft, die Situation/das Problem mittels Denkketten,
-brücken, -anschüssen und -synthesen (Cluster; Mind Map u.a.) zu verbildlichen; 4.
Konzentration, und nicht an letzter Stelle 5. Sinn für Humor. Es geht um selbständiges, aber
auch gemeinsames bei der Gruppenarbeit, Suchen und Er/Finden von Lösungen, und
überdies um Fehltritt und Bauchlandung – dagegen ist niemand rückversichert und dazu
brauchen wir einen Sinn für Humor.
Das KS könnte eine gezielte Vorbereitung und Vorarbeit mit Wortschatzübungen über das
Thema oder das Sensibilisieren von bestimmten Konstruktionen und Ausführungsschemata
umfassen. Es folgt üblicherweise dem Paradigma Wort → Satz → Text, besonders bei den
Textmodellen, über die weiter die Rede ist. Im Unterschied dazu verläuft der Prozess beim
Freien Schreiben (FS) ohne vorgegebene Muster und Entwürfe.
Einige Impulse und Techniken im Bereich des KS habe ich schon in meinem Artikel
„Leidenschaften, die keine Leiden schaffen. Kreatives Schreiben und Dramaspiel im
Fremdsprachenunterricht.“ In: BDV-Magazin. Dezember 2014, S.14-17 (http://bdv-bg.eu/wp-
content/uploads/2017/03/BDV-Magazin-Dezember-2014-Motivation.pdf) erwähnt. Jetzt
erweitere ich das Feld und füge noch einiges hinzu, was die Lücken ausfüllen und
kompensieren könnte. Leider gibt es in den Lehrbüchern fast keine authentischen Lesetexte
und das Schreiben ist gewissermaßen vernachlässigt. In der didaktischen Fachliteratur sieht es
ähnlich aus, wegen des von der Linguistik durchgesetzten Modells des kommunikativen
Erwerbs einer Fremdsprache. Das Schreiben als kommunikativer Akt wird im Rahmen des
Informationsaustausches begrenzt und behandelt, wie etwa einen formellen Brief zu erstellen,
um Auskunft zu bekommen, oder einen informellen Schreiben an Freunde, Familie u.a. zu
erfassen, Formulare auszufüllen, zu simsen… Die kommunikative Pragmatik behandelt die
Sprache, einschl. das Schreiben, als sozialen Akt und weiter betrachtet das Schreiben als einen
linearen Prozess der Informationsübermittlung, d.h. am allerwichtigsten ist das Produkt (die
Information).
Das ist von Bedeutung natürlich, aber es reicht nicht. Wenn wir den Prozess selbst in Betracht
ziehen und bewusst und gezielt daran im Unterricht arbeiten würden, überzeugen wir uns
davon, welche Anlässe und Impulse als SelbstErkenntnis und SelbstEntfaltung uns das
Schreiben gibt. Das Schreiben ist kein linearer, sondern ein konzentrischer Prozess. G. Rodari
macht in seinem Buch „Grammatik der Phantasie“ die Assoziation mit dem Stein, der in den

30
Gewagt zu wagen oder Kreatives Schreiben im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

Sumpf geworfen ist und wellenähnlich neue Ideen, Impulse und Schreibsucht entfesselt
(Rodari 1981:12-13). Wollen wir den Stein werfen, liebe Kollegen und Kolleginnen?
Ich erwähne stichwortartig einige produktive Techniken, die den Impuls geben und die Idee
verbalisieren könnten. Damit arbeiten Sie schon, denn sie sind in allen Lehrbüchern heute zu
finden:
1. Assoziogramm und Wortigel:
- die Bildung von assoziativen Ketten ist ein dynamischer und in seinem Wesen ein
kreativer Prozess;
- verbindet die Erfahrung und die Kenntnisse mit den menschlichen Sinnen
(Geschmack, Geruch, Gehör, Spürsinn, Gesichtssinn).
2. Cluster („to cluster“ – anhäufen, bündeln):
- mit dem Kern (Idee; Thema) in der Mitte anfangen;
- jeden neuen Kreis mit dem vorhergehenden anhand eines Pfeils verbinden;
- den Weg zurück zum Kern finden;
- passend eher für das FS.
3. Mind map (Mindmapping - strahlendes, radiales Denken):
- vom Kern gehen viele Strahlen (Assoziationen) hinaus, die sich weiter verzweigen;
- verschiedene Farbstifte benutzen;
- viel freier und gelassener als der Cluster, wo Ordnung und Unterordnung herrschen;
- wie eine Datenbank, Bibliothek jedes Menschen betrachten;
- 3-dimensional – zeitlich, räumlich, farbig gestalten;
- passend für das KS, weil die starke Verbindung mit dem Kern bleibt.
4. Bilder und Collagen:
- sogar die einfache Beschreibung eines Bildes weckt und entwickelt die Kreativität;
- die Beschreibung ruft eine Geschichte hervor, die muss aufgeschrieben und mit
passenden Ausdrucksmitteln attraktiv den anderen erzählt werden;
- damit wird der Sinn für Sprache entwickelt und die linguistische Intelligenz
weitergebildet;
- passende Bilder im Internet leicht zu finden.
Meine Schüler arbeiten kreativ mit den Bildern von Rob Gonsalves (1959 – 2017) und
Rene Magritte (1898 – 1967 ). Noch kreativer wird der Prozess, wenn die Lerner selbst
vor dem Schreiben ein Bild collagieren.

Das KS im FSU wirkt mit interaktiven und spielerischen


Arbeitsmodellen und -formen zusammen. Es braucht
motivierende und motivierte (!) Schreibanlässe und
-impulse, die die Lerner zum Erdichten einer (eigenen)
Lebensgeschichte oder ihrer Träume und SelbstVisionen
verleiten könnten. Ins Spiel verwickelt, fangen auch
diejenigen, die das Ding da für doof finden, an, zu
schreiben – zuerst nur für sich selbst, ein Weilchen später
für den „fiktiven Leser“ und letzten Endes werden diese
Gegenspieler am produktivsten und überwinden
unmerklich allerlei Schreibhemmungen (Kast 1999:125). In
diesem Sinne ist es empfehlenswert, noch am Anfang des
Spracherwerbs mit kurzen, ganz einfachen Texten zu

31
Asya Kuleva

beginnen. Sie fordern zu Lesen, Diskussion, Nachdenken und Schaffen von neuen Texten auf
(Pommerin 1996:10). Ich würde hinzufügen, dass damit das Interesse an der Literatur
überhaupt erweckt und wach gehalten wird, was besonders wichtig für die Facebook-
Generation ist.
In der Fachliteratur sind viele Aufgaben, Übungen und Spiele zu finden, die das KS
aufmuntern und entwickeln. Ich führe nur die in meiner Praxis erprobten, feuerfesten Muster
an, die ich nach dem Hauptmerkmal Vorbestimmtes Modell aufteile und anordne. Die
könnten individuell und gruppenweise ausgeführt werden.

1. Visuelle Modelle
Christa Zopfi und Emil Zopfi sind der Meinung, dass man für das KS außer Papier, Stift,
Schere u.ä. auch “die ganze Welt um uns herum” braucht (Zopfi/Zopfi 1995:17). Ich erwähne
nur einige Modelle aus ihrem Buch, die ich kreativ in meiner Praxis benutze.
- „Die Gegenstände erzählen“ (BDV-Artikel)
- “Die Schatztruhe” – Gegenstand und Foto wählen und eine Geschichte dichten.
Arbeitsweise: Die Gruppe sitzt im Kreis. In der Mitte liegen Fotos von Menschen, Tieren,
Gegenständen, Gemälden u.ä. Dazu noch die Schatztruhe (Kiste, Kasten, Schachtel, Dose),
die gleiche Zahl Gegenstände (Waschklammer, Handtuch, Stift, Haarspange u.ä.) enthält.
Jeder nimmt einen Gegenstand und dann wählt ein Foto, das seiner Meinung nach assoziativ
mit dem Gegenstand verbunden ist. Es kann vorkommen, dass spontan ein, sagen wir,
visuelles Phantasiebinom entsteht, d.h. auf den ersten Blick haben die beiden nichts
gemeinsam. Und das ist der Treffer, bei dem die interessantesten Geschichten anfallen, und
man kann den Flügelhauch der Fantasie hören.
- Texterstellung anhand der Collagetechnik – Die
Technik ist wohlbekannt und darüber schreibt auch G.Rodari im
Buch „Grammatik der Fantasie” (Rodari 1981:87).
- Texterstellung zu einem Bild (BDV-Artikel)
- Ein Bild/Foto vollzeichnen/malen und einen Text dazu
erstellen – Die Lerner bekommen Arbeitsblätter, darauf
steht nur ein Teil des Bildes. Sie müssen es 1. bis zum
Ende zeichnen/malen, 2. eine Geschichte ausdenken und
einen passenden Titel finden. Der 2. Teil der Aufgabe
könnte zu Hause gemacht werden (Beilagen 1, 2).
- Puzzleordnen eines Bildes mit einem oder einigen
fehlenden Stücken – eine Variante der oben erwähnten Technik.
Nach dem Ordnen machen die Lerner Vermutungen und dichten Geschichten

2. Textmodelle (vom Wort zum Satz und dann zum Text)


- Das wohlbekannte Elfchen – Bei den Anfängern wäre es besser, wenn das
Texterstellen visuell unterstützt wird (Beilage 3)
- Akrostichon – Ein Akrostichon mit dem eigenem Namen oder mit dem Namen des
besten Freundes, aber auch nach einem Wort oder Thema zu schaffen, macht immer Spaß -
am Anfang nur aus Worten gedichtet, und später aus ganzen Sätzen, die eine spannende
Geschichte erzählen.
- Ein Märchen vor/nach/umdichten oder dem Leitmodell „Thema – Rhema“ nach
Esa/Grafmann folgen (Еsa/Graffmann 1993:25-34). Die Autoren erklären, dass das Thema

32
Gewagt zu wagen oder Kreatives Schreiben im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

das bekannte ist, worüber wir schreiben werden, z.B. bekannte Märchenfiguren, und das
Rhema stellt das Neue dar, was zum Thema geschrieben/erfunden wird. Ein Beispiel:

Es war einmal ...


Schreibt ein Märchen! Ihr könnt euch ausdenken, was ihr wollt. Alles ist erlaubt. Ihr müsst
aber ein paar von den vorgeschlagenen Wörtern benutzen. Aus jeder Reihe mindestens eins:
1. König / Königin / Tochter / Töchter / Sohn / Söhne
2. Zauberer / Zauberin / Hexe / Fee / Zwerg / Nixe
3. Schloss / Berg / Wald / Hütte / See

In der 1.Zeile wählen wir das Thema „Königin”. In der 2. Zeile bleibt sie als Thema und
„Hexe” wird Rhema 1. In der 3. Zeile wird Rhema 1 Thema 2, und ihr Rhema ist „Wald” usw.
1. Thema

2. Thema 1 ↔ Rhema 1

3. Thema 2 ↔ Rhema 2

.....

Diese Aufgabe könnte individuell oder gruppenweise ausgeführt werden, wie etwa der eine
Lerner bestimmt das Thema und der andere wählt das Rhema. Hier ist das Produkt meiner
Elfklässler (ohne Korrektur):
„Es war einmal ein Königreich. Alle Leute, die in diesem Reich wohnten, waren glücklich und
ruhig. Der König hieß August und die Tochter Anna.
Aber es gab etwas, was traurig war. Die Mutter war seit 5 Jahren tot. Die Tochter war
schon eine hübsch Frau, sollte bald heiraten. Im Schloss gab es viele Blumen, sie dufteten
wunderschön und große rote Apfeln. Anna pflegte allein dies Blumen und Äpfel. Das
Mädchen war sehr verliebt. Es gab einen schönen Junge mit blonden Haaren und blauen
Augen. Er hieß Thomas. Sie wollten einander heiraten. Aber der Vater sagte Nein. Anna sollte
einen alten Mann heiraten, er war reich. Anna und Thomas waren unglücklich. Sie trafen sich
und entschieden sich in färne Länder zu laufen. Aber sie hatten nur ein Pferd. Aber sie
machten das und waren glücklich zusammen.
Das Märchen kann uns zeigen, dass die Liebe stärker ist als alles.“

- Märchen als Echo-Text nach B. Kast – Verwechseln von Helden und Motiven (Kast,
1999:132), z.B. „Rotkäppchen vergisst seinen Schuh bei den 7 Zwergen“; „Zwei Igel
besuchen den botanischen Garten und der eine verläuft sich in den Kakteenalleen”, „Das
Äffchen Susu findet den Zauberspiegel der Königin“, „Eine Mückendame verliebt sich in ein
Model aus Gips”…
- Genreumkleiden eines Textes – (nach Boals Forum-Theater), Fabeln, kurze Texte
als Parodie, Satire, Interview, Anzeige, Gedicht um/nachschreiben und vortragen, die
Verfremdung eines Textes (BDV-Artikel)

33
Asya Kuleva

- Reißverschlusslyrik – der 1. schreibt eine Zeile (die 2. Zeile bleibt im Kopf), der 2.
schreibt die 3. Zeile (die 4. Zeile bleibt im Kopf) ..., d.h. der eine schreibt die geraden Zeilen
und der andere die ungeraden.
- Dem Schema Einführung – Inhalt mit Höhepunkt – Finale folgen
Die bulgarischen Schüler haben eine gute Vorbereitung im Fach Muttersprache und
Literatur, die ihnen auch im FSU hilft. Selten brauchen sie beim KS Unterstützung mittels
bekannter Schemata. Wenn ihre Kreativität aus irgendwelchen Gründen in einem Moment
ausbleibt, könnten wir ihnen das geläufige Modell anbieten, bei dem sie sich selbst helfen,
wenn sie links einzelne Worte aufschreiben und rechts Figuren, Zeichen, Symbole zeichnen.

1. Einführung
...............................................................................................
..................................................................................................

2. Inhalt mit Kulmination


.................................................................................................
..............................................................................................
..............................................................................................

3. Schluss
...............................................................................................
..............................................................................................

Endgültiger/letzter Titel: ......................................................................

Ein letzter Hinweis vor dem Schreiben: Auf keinen Fall mit dem Titel anfangen! Niemand
weiß ja, wie sich seine Geschichte entwickelt. Der noch am Anfang festgelegte Titel erstickt
die Fantasie einerseits, und andererseits richten die Lerner ihre Aufmerksamkeit und ihre
Mühe darauf, einen attraktiven Titel auszudenken, und dann geht sehr schnell die Inspiration
und die Motivation, die Geschichte (bis zum Ende) zu schreiben, verloren.
- das „Geländergedicht” (Kast 1999:132), das auf Antizipation (Voraussehen,
Zuvorkommen) beruht, d.h. der Leser errät was folgt, wie etwa beim Echo-Text. Das
Geländergedicht hat keinen Anfang oder Schluss, und die Lerner müssen sie dichten. Oder
sie sind da, aber der Inhalt ist etwas lückenhaft. Es ist wichtig, dem Stil, der Struktur, der
Syntax usw. zu folgen. Seit Jahren arbeiten wir am 14. Februar mit dem Text einer
unbekannten Autorin. An dem Tag schreiben wir gemeinsam den längsten Liebesbrief. (Leider
kann ich heute die Quelle nicht finden ) Die expressiven Gedichte von jungen Autoren
stehen den bulgarischen Lernern sehr nah und sie arbeiten gern damit.

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Gewagt zu wagen oder Kreatives Schreiben im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

Morgen
(von Manuela W. für Sebastian R.)

Morgen sag’ ich,


wie sehr ich mich in dich verliebt habe.
Morgen sag’ ich,
wie sehr ich dich brauche.
Morgen sag’ ich,
dass ich deine Nähe genieße,

Morgen…
Morgen…
Morgen…
Morgen…

Morgen sag’ ich nichts,


denn mich verlässt der Mut,
wie schon so viele Tage vorher.

Das unerwartete Ende des Textes hat fast jeder erlebt. Unerwartet bewältigen die Lerner die
Endstellung auch.
- Die Satzschlange macht den Lernern Spaß, weil sie einfache Regeln hat. Das Modell
kennen wir von den Lehrwerken für Anfänger – Sätze ohne Satzzeichen, Großschreibung u.ä.
Die Übung könnte komplizierter und kreativer werden, wenn die Lerner die Aufgabe
bekommen, einen sinnvollen, korrekten Satz mit 26 Wörtern (von A bis Z oder umgekehrt) zu
bilden. Meine Schüler haben folgendes gedichtet: Als Bernd circa drei englische Grapefruits
genoss, hat in jeder Klasse laut Mundfunk noch Obst...
Ab und zu muss man Kompromisse machen (Buchstaben wiederholen), damit die Schlange
immer länger wird. Eine andere Variante arbeitet mit zwei Substantiven am Anfang und am
Ende, z.B. Der Wurm isst den Apfel. → Der Apfel liebt die Sonne. → Die Sonne schenkt
Wärme. →... Je nach dem verfügbaren Wortschatz bildet die Gruppe ihre Assoziationskette
Bei А1 tauchen am schnellsten die Substantive auf, und die transitiven Verben etwas später.
Die sind scheu, sagen meine Schüler. Damit wird auch die Geradestellung geübt. Bei den
Anfängern mache ich es leichter mit dem Kinderspiel “Krokodil kaut Käse“ – einen Satz mit
3 Wörtern bilden, die mit dem 1. Buchstaben des eigenen Vornamen beginnen, z.B. Asya ass
Ananas. Dann machen die Schüler weiter: Ivo isst Ingwer. Мitko macht Musik.
Die Satzschlange hat zahlreiche produktive Varianten, die das kreative Denken und Schreiben
ansprechen.

3. Mischmodelle – visuell-textuelle Modelle


Der Begriff ist nicht ganz korrekt, denn die oben angeführten Modelle, Aufgaben und
Techniken enthalten Elemente aus den beiden Modellen. Das inhaltsreiche, heitere und
humorvolle Bild gibt Impulse zum KS und umgekehrt – der interessante Text bewegt die
Hand und bringt ein Bild hervor.
Comics mit Wortballons – (Beilage 4: „Der verlorene und vergessene Schuh von
Aschenputtel“ mit 2 Wortballons, die Geschichte weiter dichten als Dialog zwischen dem

35
Asya Kuleva

Schuh und der Rose oder als Monolog der Rose als Perspektivenwechsel) und die heute
beliebten japanischen Mangaserien wirken Wunder. Die Prototype der Comicfiguren finden
wir in den Märchen und selbstverständlich in Buschs Bildergeschichten über Max und Moritz.
Die sind umgeformt und unserer Mediengegenwart angepasst. Das große Plus der Comics ist
ihre kurze, straffe Form und die stereotypischen Situationen, die sie behandeln. Es ist leicht,
fast gleich zu erkennen, wer der böse und wer der gute Held ist, und immer siegt das Gute
über das Böse. In den Mangaserien sieht der böse auch mies aus – schmutzig, mit verfilztem
Haar, zusammengezogenen Brauen und zusammengekniffenen Lippen. Mit solchen
Textfiguren ist viel leichter zu arbeiten als mit komplizierten Personen, die in der Geschichte
entwickelt und erläutert werden sollten. Das passende Sujet oder/und die entsprechende Figur
motivieren weiter auch die passiven Lerner, ihr Comics-Abenteuer zu inszenieren und die
Regie zu führen.

Das KS entwickelt die kreative Bildung und die kreative Ausdruckskraft der Lerner. Sie
machen ihrer Fantasie und auch ihrer Lernlust im FSU Dampf und das ist wichtig, denn
- die Lerner haben die Möglichkeit, ihr kreativ-schaffendes Potential zu entdecken und
aufzudecken;
- durch die Erfahrung entwickeln sie Selbstsicherheit und stellen sich vor den anderen
als Herrscher der Sprache;
- sie begreifen die Sprache als Mediator zwischen ihnen und der Welt;
- sie entdecken das KS als Mediator der Selbstreflexion und des Selbstbewusstseins;
- sie lernen die literarischen Prozesse kennen und entwickeln einen Sinn für Literatur.
Kurz gesagt, sie entdecken in sich den Schöpfer und den Herrscher nicht nur der Wörter,
sondern auch der Welt, in der sie leben. Und das heißt, liebe Kollegen und Kolleginnen, dass
wir nicht auf dem falschen Dampfer sind.

Literaturverzeichnis
Еsa, Mohammed/Graffmann, Heinrich (1993): Grammatikarbeit am Text. Einige textlinguistische Ansätze im
Deutschunterricht. In: Fremdsprache Deutsch, H.9, S. 25-34.

Kast, Bernd (1999): Fertigkeit Schreiben. Goethe-Institut München.

Kirst, H./Dickmayer, U. (1971): Kreativitätstraining. Stuttgart.

Krashen, Stephen (1985): The input hypothesis. London.

Pommerin, Gabriele (1996): Kreatives Schreiben. Handbuch für den deutschen und interkulturellen
Sprachunterricht in den Klassen 1-10. Weinheim u. Basel.

Zopfi, Christa/Zopfi, Emil (1995): Wörter mit Flügeln. Kreatives Schreiben. Bern.

Родари, Джани (1981): Граматика на фантазията. София:Наука и изкуство.

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Gewagt zu wagen oder Kreatives Schreiben im DaF-Unterricht BDV Magazin April 2018

Beilage 1
Wer/Was ist auf dem Foto? Fehlt etwas? Was zum Beispiel? Du kannst alles schreiben und
zeichnen, was dir einfällt 

Beilage 2
Worüber könnten die Frau und die Katze sprechen? Was ist los? Dichte eine Geschichte 

37
Asya Kuleva

Beilage 3
Frühling/Ostern

Beilage 4
Der verlorene und vergessene Schuh von Aschenputtel

38
Schreiben im Fortgeschrittenenunterricht. Eine Diagrammbeschreibung BDV Magazin April 2018

Schreiben im Fortgeschrittenenunterricht. Eine Diagrammbeschreibung


Janka Koeva, Hll. Kyrill-und-Method-Universität

Janka Koeva, Assoc. Prof. Dr. sc., unterrichtet Methodik und Didaktik des DaF-Unterrichts an der Hll. Kyrill-
und-Method-Universität zu Veliko Tarnovo, Bulgarien (Philologische Fakultät, Lehrstuhl für Methodik des
Sprach-und Literaturunterrichts). Wissenschaftliche Interessen: Methodik und Didaktik des DaF-Unterrichts,
universitäre Lehrerausbildung, schulische Schreibformen, Mehrsprachigkeit, Neurodidaktik, Textlinguistik,
Psycholinguistik.

E-Mail: ya.koeva@uni-vt.bg; janka.koeva@gmail.com

Abstract: Der vorliegende Beitrag behandelt die Bedeutung des Schreibens im Fremdsprachenunterricht, das
Schreiben im Ensemble der anderen Sprachtätigkeiten, Klassifikationen der Schreibtätigkeiten und -übungen.
Einen besonderen Akzent wird auf die Diagrammbeschreibung im Schulunterricht gelegt. Es werden die Etappen
des textsortenspezifischen Kenntniserwerbs dargestellt, die die Fähigkeiten entwickeln, ein Diagramm schriftlich
zu interpretieren.

Schlüsselwörter: Fremdsprachenunterricht, Schreiben, Diagrammbeschreibung

1. Einleitung

In der theoretischen Diskussion und sprachpraktischen Arbeit im Deutschunterricht war das


Schreiben bis Mitte der 1980er Jahre von untergeordneter Bedeutung. Es wurde nur als
Hilfsmittel zum Erwerb der sprechsprachlichen Kompetenz betrachtet, indem die
Entwicklung der eigenen Schreibkompetenz kein Lehr- und Lernziel war. Die Fertigkeit
Schreiben trat erst im Fortgeschrittenenunterricht „aus ihrem Schattendasein“ (Kaufmann u.a.
2008:111). In jüngster Zeit wird das Schreiben als „eine Form sprachlichen Handelns“ (Bohn
2001:924, zit. nach Kaufmann u.a. 2008:111) wahrgenommen, bei der der
Mitteilungscharakter und die Adressatenbezogenheit von Texten den Blick auf die
kommunikative Funktion von Geschriebenem in einem jeweils spezifischen sprachlichen
Kontext lenken (vgl. dazu Kaufmann u.a. 2008:111).

Die Bedeutung des Schreibens im Fremdsprachenunterricht erweist sich aus folgenden


Gründen (Kaufmann u.a. 2008:111-112):

1. Bedeutung des Schreibens in Hinblick auf die schriftkulturellen Anforderungen der


modernen Gesellschaft: In der heutigen Informationsgesellschaft sind die
Partizipationschancen an den gesellschaftlichen Prozessen daran gebunden, dass der
einzelne über schriftsprachlichen Fähigkeiten verfügt, die besonders im Arbeitsleben
angefordert werden.
2. Bedeutung des Schreibens als Instrument zur Aneignung der Sprache: Schreiben ist
hier ein Instrument, um sich Wortschatz und Grammatik anzueignen, sie zu speichern
und später wieder abzurufen (instrumentales Schreiben).

39
Janka Koeva

2. Schreiben im Ensemble der anderen Sprachtätigkeiten

Die Sprachtätigkeiten Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben stehen in aktiven


Wechselwirkungen und üben einen Einfluss aufeinander bei der Aneignung einer
Fremdsprache. Diese wechselseitigen Beziehungen werden von Bohn (1994:111-112)
dargestellt:

Sprechen und Schreiben sind produktive sprachliche Tätigkeiten, was übereinstimmende


Erzeugungsmechanismen voraussetzt. Neben der Schreibform wird dem Sprachbenutzer auch
die Lautform bewusst, was sich darin äußert, dass das Schreiben von inneren
Artikulationsbewegungen begleitet wird. Schreiben übt einen positiven Einfluss auf die
Entwicklung des Sprechens.

Lesen und Schreiben sind an das graphische System einer Sprache gebunden. Beide werden in
einem geeigneten Lernmilieu bewusst erworben und führen zur Beherrschung der
schriftsprachlichen Kommunikation. Schreibfähigkeit kann nur zusammen mit der
Lesefähigkeit erworben werden. Das Lesen fungiert als optisches Kontrollmechanismus beim
Schreiben.

Hören und Schreiben entwickeln sich nicht isoliert voneinander. Die Verbindung dazwischen
besteht im Zusammenwirken von verboakustischen und graphomotorischen Komponenten:
Der Höreindruck beeinflusst sowohl positiv als auch negativ die Schreibleistung. Mit dem
Erwerb der Schreibfähigkeit entwickelt sich die Fähigkeit zum Differenzieren und
entsprechend graphischem Fixieren von sprachlichen Einheiten mit
bedeutungsunterschiedlicher/bedeutungsunterscheidender Funktion.

3. Klassifikationen der Schreibtätigkeiten und -übungen

Nach der Art der sprachlich-geistigen Anforderungen lassen sich unterscheiden (Bohn 1994:
109-110):

 Das reproduktive Schreiben: Der Inhalt ist vorgegeben. Der Schreibende hat die
Äußerung (vollständig) zu erfassen und schriftlich zu fixieren.
 Das reproduktiv-produktive Schreiben: Der Inhalt ist vorgegeben. Der Schreibende
muss die Äußerung erfassen und schriftlich fixieren, wobei häufig der Text
umgeschrieben werden muss – Auswählen, Verdichten, Erweitern u.a.
 Das produktive/freie Schreiben: Ausgehend von einer vorgegebenen oder selbst
gewählten Schreibintention konzipiert der Schreibende den Inhaltsplan (notwendige
schriftsprachliche Mittel auswählen und den Ergebnistext fixieren).
Kaufmann u. a. (2008:111-112) fassen die Schreibtätigkeiten folgenderweise zusammen:

 Funktionales Schreiben (vor allem mit reproduktivem Charakter): unterstützt den


Spracherwerbs- und -festigungsprozess.

40
Schreiben im Fortgeschrittenenunterricht. Eine Diagrammbeschreibung BDV Magazin April 2018

 Kommunikativ-funktionales Schreiben: Verfassen von Briefen oder Notizen. Der


Schreibende gibt ausgewählte Informationen an einen bestimmten Adressaten weiter
und bedient sich dabei konventionalisierter Textsorten und Textmuster.
 Personales Schreiben: persönliche Erfahrungen und eigene Gefühle ausdrücken.
 Freies Schreiben: bezieht sich auf das Ausmaß der Vorlagengebundenheit.
In Anlehnung an Piepho (1980:69) stellt Kast (1995:27-155) Schreibfertigkeitsübungen vor,
die zu einer kommunikativ-pragmatischen Kompetenz (Briefe, Zusammenfassung usw.) und
einer bewusstmachenden, kreativen, heuristischen30 Kompetenz führen:

1. Übungen, die das Schreiben vorbereiten


„Bei diesen Übungen werden noch keine Texte produziert, sondern sie bereiten auf die
Textproduktion vor, indem der dafür notwendige Wortschatz erarbeitet, erweitert, geübt
und bereits vorhandenes Wissen aktiviert wird, Redemittel zur Verfügung gestellt,
Satzteile und Sätze geschrieben werden, mit ihnen geübt und mit Konnektoren
(Konjunktionen, Adverbien, Partikeln) gearbeitet wird, Rechtschreibung und
Zeichensetzung geübt werden usw.)“ (Kast 1995:27). Dazu gehören:
Wortschatzerweiterungen, Wortketten, Alphabetwörter, Wörterbasteln, Wortsätze,
Assoziogramme, Konnektoren (Sätze verbinden und Beziehungen herstellen), Referenzen
helfen, aus einzelnen Sätzen einen Text zu machen, logische Sätze rekonstruieren,
Rechtschreibung und Zeichensetzung.

2. Aufbauende Übungen
„Bei diesen Übungen werden komplexere schriftliche Aktivitäten in Teiltätigkeiten
aufgeteilt, um so Schwierigkeiten zu isolieren und zu üben. Zum einen geht es um
Satzkonstruktions- und Satzkombinationsübungen, zum andern um
Texterstellungsübungen, bei denen der Schüler eine produktive Rolle übernimmt, als in
den Übungen, die die Schreibfertigkeit vorbereiten“ (Kast 1995:61). Dazu gehören:
Ursachen und Folgen (Ausreden erfinden), Satzkombinationen (aus mehreren Sätzen
einen machen), Sätze miteinander kombinieren, Personenbeschreiben.

3. Strukturierende Übungen
Das sind Übungen „im Bereich der Textarbeit, des Gliederns und Strukturierens von
Texten, wobei der reproduktive Anteil zugunsten des produktiven immer stärker in den
Hintergrund tritt. Im Wesentlichen handelt es sich um Übungen nach dem Prinzip vom
Wort zum Satz zum Text..., d.h. es sind Übungen, mit denen sprachliche Komplexität
aufgebaut wird und Teilkompetenzen, die für diesen Prozess benötigt werden, erworben
werden können“ (Kast 1995:69-70): Ein Dialog wird eine Erzählung, Textergänzungen,
kollektiver Dialog, eine Zusammenfassung schreiben, von der Bildgeschichte zum Text.

30 heuristisch: hilft beim Lösen von Problemen, führt zu neuen Einsichten und Erkenntnissen.

41
Janka Koeva

4. Heuristische Übungen
Während des Schreibens können Erfahrungen in Frage gestellt, verworfen und durch
andere versetzt werden. Der Übergang von strukturierenden Übungen zu heuristischen
Übungen ist fließend. „Heuristisches Schreiben hat viel mit dem Schreiben zu tun, das
auch personenorientiertes Schreiben [...], personales Schreiben [...] usw. genannt worden
ist. Es ist ein Gegenbegriff zum kommunikativen Schreiben, das rein zweckhaft,
alltagspragmatisch ausgerichtet ist, und soll ausdrücken, daß in diesem Schreiben der
Schreibende als Person spricht [...]“ (Kast 1995:106). Der Schreibprozess geht vom
bildlichen zum begrifflichen Denken über: vom Bild zum Wort zum Satz zum Text.

5. Auf reale Kommunikationssituationen bezogene Übungen: Briefe, Postkarten,


Klassenkorrespondenz, Formulare ausfüllen usw. Auf fortgeschrittener Stufe sind
Berichte, Erläuterungen, Kommentare, Mitschrift, Protokolle usw. hinzuzufügen.

4. Eine Diagrammbeschreibung im Deutschunterricht

„Das Interpretieren von Diagrammen ist eine wichtige Alltagskompetenz. Daher sollte sie im
Schulunterricht erlernt und geübt werden. Dabei ist es wichtig, das Thema anhand von
Beispielen zugänglich zu machen, die von den Schülern leicht nachvollzogen werden können
und die aus dem Alltag bekannt sind“
(https://www.researchgate.net/publication/267841046_Diagramminterpretation).
Die Diagrammbeschreibung entwickelt die Fähigkeiten zum systematischen Auswerten von
Informationen, Interpretieren von Zahlen, Daten, Fakten in Bezug auf ein bestimmtes Thema,
Einordnen von Quellen, Herausarbeiten von konkreten Informationen, Gewichten und
Schlussfolgern. Dabei wird gelernt, Quellen und Informationen kritisch zu hinterfragen und
vermeintliche Fakten differenziert zu betrachten
(https://www.scook.de/widget/scook/.../unterrichtsideen/355892).
Sechsundzwanzig Zehntklässler am Gymnasium für Mathematik und Naturwissenschaften in
Veliko Tarnovo, die Deutsch intensiv erlernen, beginnen die oben genannten Fähigkeiten zu
entwickeln, indem sie zunächst einen Lückentext mit fehlenden Begriffen und Werten aus der
Infografik „Die steigende Lebenserwartung der Deutschen“ ergänzen und folgende
Redemittel zur Grafikbeschreibung aktivieren:

So können Sie Ihre Darstellung einleiten:

Auf dem Schaubild ist/sind…dargestellt/zu sehen.

Das Schaubild enthält statistische Angaben über…

Das Schaubild gibt Informationen darüber,…

Das Schaubild informiert über…

Das Schaubild zeigt…

42
Schreiben im Fortgeschrittenenunterricht. Eine Diagrammbeschreibung BDV Magazin April 2018

So interpretieren Sie ein Schaubild:

 Bei….nimmt…den ersten Platz ein.


 Bei….liegt….an dritter Stelle.
 Der Anteil der…beträgt…x Prozent/Personen.
Nur…Prozent/Personen der….

 Immerhin…Prozent der….
 Der Anteil der…ist mit…wesentlich höher/größer.
 Der Anteil derjenigen, die…, ist mit…bedeutend geringer.
Die Kompetenz der Lernenden entwickelt sich weiter durch mündliche Beschreibung der
Grafik „Wer macht die Hausarbeit“, nachdem die Diagramminterpretation vorgelesen wird:

Die Vorgehensweise erfolgt nach folgenden Schritten


(https://ssag.sk/studovna/files/Redemittel-zur-Beschreibung-einer-Statistik.pdf):
• Markieren Sie:

- das Thema der Grafik (Unterschrift bzw. Untertitel)


- die Quelle (von wem wurde die Grafik erstellt bzw. veröffentlicht)
- die Legende (Um welche Angaben handelt es sich? Auf welchen Zeitraum / Zeitpunkt
beziehen sich die Angaben? Welche konkreten Informationen wurden in der Statistik
erfasst?)
• Notieren Sie die Redemittel zur Versprachlichung der Grafik

43
Janka Koeva

• Formulierungshilfen

Zum Thema:

Die Grafik liefert Information über...

Das Schaubild informiert über... / gibt Auskunft über...

Die Grafik zeigt / veranschaulicht / verdeutlicht...

Im vorliegenden Schaubild wird / werden .............. dargestellt

Zur Quelle:

Die Angaben / Daten / Informationen stammen von / aus

Die Quelle wird .......... angegeben

Zur Legende:

Die Angaben erfolgen in Tausend / Millionen etc. ............

Die Angaben beziehen sich auf den Zeitraum von... bis / auf das Jahr...

Die Angaben umfassen den Zeitraum von... bis...

Im ersten Teil des Schaubildes.......... / Im zweiten Teil der Abbildung..........

Auffallend ist, dass...........

Im Vergleich zu ............

Im Gegensatz zu.......... / Im Unterschied zu..........

Zum statischen Schaubild:

Der Anteil / der Prozentsatz / die Anzahl / die Zahl beträgt... / liegt bei...

Der Spitzenreiter ist... / An erster (zweiter, dritter Stelle) steht...

Den ersten Platz belegt...

Der Mittelwert beträgt...

Zum dynamischen Schaubild:

ansteigen / wachsen / sich erhöhen von ... auf ... Prozent / Tausend Mio.

um ... Prozent / Tausend Mio.

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Schreiben im Fortgeschrittenenunterricht. Eine Diagrammbeschreibung BDV Magazin April 2018

sinken / fallen / zurückgehen von ... auf ... Prozent / Tausend Mio.

um ... Prozent / Tausend Mio.

Aus dem Schaubild ist zu schlussfolgern, dass............

Aus der Grafik kann man erkennen, dass..........

Der Grafik kann man entnehmen, dass..........

Die Grafik lässt die Tendenz zu.......... erkennen

Die Grafik lässt die Tendenz erkennen, dass..........

In der nächsten Unterrichtsstunde, nachdem die Vorgehensweise und die Redemittel schon
geübt wurden, bekommen die Lernenden die Aufgabe, das Diagramm zum Thema „Ist
Heiraten Deiner Meinung nach bei Jugendlichen heute „in“ oder „out“?“ schriftlich zu
beschreiben:

Zur Bewertung der Leistungen beim schriftlichen Ausdruck dienen die Kriterien Inhalt (I),
Sprache (S), Rechtschreibung (R) und Form (F), für die unterschiedliche maximale
Punktevergabe vorgesehen wird: I – 8, S – 8, R – 2, F – 2.

45
Janka Koeva

Zum Inhalt:

Die Lernenden sollten alle Vorgaben inhaltlich sinnvoll verarbeiten, einen klaren, gut
strukturierten Text mit der Hervorhebung von Hauptpunkten verfassen, den Text durch einen
angemessenen Schluss abrunden, eigene Meinung äußern und sprachliche Mittel zur
Diagrammbeschreibung anwenden. Die abgenommene Punktevergabe basiert auf der Quelle,
der Legende und dem statischen Schaubild. Die Ergebnisse lassen sich folgenderweise
darstellen:

Punkteanzahl 8 7 6 5 4 3 2 1
Prozentanzahl 46 % 8% 15 % 8% 8% 4% 11 % 0%

Zur Sprache:

Hierzu gehören die Lexik/der Ausdruck, die Morphologie und die Syntax. Die Lernenden
sollten Ausführungen und Gedanken mit verschiedenen sprachlichen Mitteln formulieren, den
Wortschatz nach Textsorte und Thema variieren, grammatikalische Korrektheit beibehalten. In
dieser Hinsicht sind einige Fehler festzustellen:

• Lexikalische Einheiten werden nicht angemessen verwendet: Entstelung statt Einstellung,


trandig statt trendy, die Meinung vertragen statt vertreten, Die Grafik hat zwei Meinungen,
58 % der Jungen haben keine Meinung, Viele Jugendliche ... geben keine Angabe zum
Thema..., Die Fazit ist... u.a.

• Im Bereich der Morphologie stoßen die Lernenden auf folgende Schwierigkeiten:


Adjektivdeklination (die befragte Personen, ein gute Vorbild u.a.), Artikel, Kasus und
Deklination der Substantive (Ich bin gegen die Ehe und die Heiraten, Mehr als die Hälfte die
Jungen..., zu ihren Kinder, viele Jugendlichen u.a.), Verben mit Präpositionen (informieren
für, nach, negativ für das Heiraten gestimmt u.a.).

• Die syntaktischen Fehler beziehen sich vor allem auf die Verbstellung im Haupt- und
Nebensatz: Meiner Meinung nach, die klassische Familie ist die Grundzelle der
Gesellschaft..., Ich denke, dass Heiraten ist modern..., ..., dass die Ehe nicht modern ist und
mehr Personen sind gegen die Ehe, ..., dass mehrere Menschen möchten heiraten nicht u.a.

Die Sprachkenntnisse können in der folgenden Tabelle dargestellt werden:

Punkteanzahl 8 7 6 5 4 3 2 1 0
Prozentanzahl 0% 28 % 12 % 16 % 11 % 11 % 11 % 0% 11
%

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Schreiben im Fortgeschrittenenunterricht. Eine Diagrammbeschreibung BDV Magazin April 2018

Zur Rechtschreibung:

Die meisten Lernenden können die Regeln für Orthographie und Interpunktion korrekt
anwenden, abgesehen von gelegentlichen Schreibfehlern: Kleinschreibung der Substantive
(information, fazit, im vergleich, in blau u.a.), Ignorieren von Umlauten (uber, Halfte, wahlen
u.a.), Interferenzfehler unter dem Einfluss des Englischen (Iungen, Iugendlichen, Iahr, actuel
u.a.) und des Bulgarischen (speziall). Die Leistungen werden folgenderweise bewertet: 2
Punkte – 58 %, 1 Punkt – 38 %, 0 Punkte – 4 %.

Zur Form:

Die schriftlichen Arbeiten sind textsortenadäquat, kommunikativ angemessen und werden


dementsprechend bewertet: 2 Punkte – 73 %, 1 Punkt – 27 %.

Laut Punkteanzahl lassen sich die Gesamtleistungen der Lernenden in der folgenden Grafik
darstellen, in der senkrecht die Prozentanzahl angegeben wird:

5. Schlussbemerkungen

Aus den analysierten schriftlichen Arbeiten ist zu schlussfolgern, dass die Lernenden sowohl
die entsprechenden Redemittel zur Diagrammbeschreibung als auch die richtige
Vorgehensweise erworben haben, um schrittweise Fähigkeiten zu entwickeln, Informationen
auszuwerten, Zahlen, Daten und Fakten zu interpretieren, Quellen einzuordnen, konkrete
Informationen herauszuarbeiten, eigene Meinung zu äußern und Fazit zu ziehen. Dabei wird
das Feingefühl herausgebildet, textsortenadäquat und kommunikativ angemessen zu
schreiben.

Diagrammbeschreibung setzt selbstständiges Denken voraus und gehört zu den schriftlichen


Komponenten der Sprachdiplome (Test DaF, ÖSD u.a.).

47
Janka Koeva

Literaturverzeichnis

Bohn, Reiner (1994): Schreiben. In: Henrici, Gert/Riemer, Claudia (Hg.): Einführung in die Didaktik des
Unterrichts Deutsch als Fremdsprache mit Videobeispielen, Bd. 1. Baltmannsweiler: Schneider Verlag
Hohengehren, S. 103-127.

Kast, Bernd (1995): Fertigkeit Schreiben. Berlin – München – Leipzig – Wien – Zürich – New York:
Langenscheidt.

Kaufmann, Susan u.a. (2008): Fortbildung für Kursleitende Deutsch als Zweitsprache. Ismaning: Hueber
Verlag

Diagramminterpretation. https://www.researchgate.net/publication/267841046_Diagramminterpretation (Stand


22.01.2018).

Redemittel zur Beschreibung einer Statistik / einer Graphik / eines Schaubildes / eines Diagramms / einer
Tabelle. https://ssag.sk/studovna/files/Redemittel-zur-Beschreibung-einer-Statistik.pdf (Stand 22.01.2018)

Schaubilder im Unterricht: Warum, wann und wie.

https://www.scook.de/widget/scook/.../unterrichtsideen/355892 (Stand 22.01.2018)

48
Schreiben im Fortgeschrittenenunterricht. Eine Diagrammbeschreibung BDV Magazin April 2018

Anhang: Schriftliche Diagrammbeschreibung

49
Victor Monev

Die Herausforderung Schreiben zu lernen in einem mehrsprachigen Umfeld


Victor Monev, Wirtschaftsakademie „D.A.Tsenov”, Svishtov

Viktor Monev ist Lektor für Deutsch als Fremdsprache im studienbegleitenden DaF-Unterricht und in der
Erwachsenenbildung seit 1997. Doktor in Methodik des Fremdsprachenunterrichts, Sofioter Universität „Sankt
Kliment Ochridski“ 2010.

Webseite: vmonev.wordpress.com und startdeutschblog.wordpress.com

E-Mail: v.monev@uni-svishtov.bg

Abstract: Schreiben gehört zu den wichtigsten Aktivitäten im Fremdsprachenunterricht. Die Lerner brauchen
die Schreibfertigkeit, um Wörter zu lernen, Notizen zu machen und vieles mehr. Pragmatisch gesehen, ist
Schreiben nötig, um Kontakte mit Institutionen zu knüpfen und zu pflegen. Die Fertigkeit „Schreiben“ kann auch
bei der Beurteilung der sprachlichen Kompetenz herangezogen werden. Bei den verschiedenen
Zertifikatsprüfungen kann der Subtest „Schriftlicher Ausdruck“ u.a. Defizite in der Beherrschung einer
Fremdsprache signalisieren. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Problemen, die mit Schreiben in einem
mehrsprachigen Umfeld verbunden sind.

Schlüsselwörter: Schreiben, Mehrsprachigkeit, Deutsch als Fremdsprache

Schreiben gehört unumstritten zum Kern des


Fremdsprachenunterrichts. Diese Fertigkeit brauchen
die Lerner, damit sie die neuen Vokabeln festhalten,
Notizen zum Unterricht machen oder Übungen in
ihren Arbeitsbüchern oder auch online machen
können. Die rezeptive Seite des Schreibens ist die
Grundlage des eigentlichen Lernens. Im institutionell
gesteuerten Unterricht ist es nicht denkbar, eine
Sprache ohne schreibtechnische Fertigkeiten zu
organisieren. Beispiele aus der Praxis zeigen den Fall der „falschen Anfänger“, deren
sprachlichen Kenntnisse meistens auf der Umgangssprache basieren und ihre
Kommunikationsfähigkeit nur auf Gegenstände und Ereignisse aus der unmittelbaren
Umgebung beschränken.

Schreiben ist in vielen Fällen lernprozessbezogen, z.B. wenn grammatische Übungen auf
Papier/an der Tafel/auf der Lernplattform gemacht werden oder bei Diktaten, die das
Verhältnis von Wort und Schrift bei den Lernern sichern sollen. In diesem Sinne hilft die
Orthographie, die Aneignung der jeweiligen Fremdsprache zu kontrollieren. Ein großer
Vorteil des Schreibens ist die Mitteilungsdimension – durch Verfassen verschiedener Texte
können die Lerner ihre Gedanken systematisieren und zum Ausdruck bringen. Schreiben ist
dann eine produktive und lernerzentrierte Fertigkeit, besonders wenn es um persönliche
Briefe, Rezensionen oder Zusammenfassungen geht.

50
Die Herausforderung Schreiben zu lernen in einem mehrsprachigen Umfeld BDV Magazin April 2018

Ein Merkmal der Schreibfertigkeit ist, dass Schreiben im Gegensatz zum Sprechen ein
langsamer Prozess ist (Storch 2009:248). Zum Schreiben braucht man kognitive Aktivitäten
wie Recherchieren in den zugänglichen Quellen, Nachdenken über die Struktur und die
Inhalte des Textes, Suche nach passenden Formulierungen sowie Kontrolle über die
inhaltliche und die orthographische Richtigkeit. In der gesprochenen Rede sind grammatische
Brüche möglich, auch wenn unerwünscht, in der geschriebenen hat die Korrektheit einen
Vorrang. Schreiben ist eine lernintensive Aktivität, die viel Zeit beanspruchen kann, wenn
man auf die gegebenenfalls notwendigen Korrekturen und Überarbeitungen eines Textes
Rücksicht nimmt.

Werden bei den Lernern Fortschritte im Schreiben festgestellt, können positive Impulse auf
die anderen sprachlichen Fertigkeiten erwartet werden. Das betrifft speziell die grammatische
Korrektheit und die Sprechfertigkeit.

Es besteht die Auffassung, dass Schreiben etwas schwieriger ist als die anderen sprachlichen
Fertigkeiten. Bei Kahl findet man eine grafische Darstellung der Abhängigkeit zwischen dem
Schwierigkeitsgrad im Unterricht (die subjektive Wahrnehmung der Situation beim Lernen
einer Sprache) und der sogenannten „persönlichen Hemmungsschwelle“ (Kahl 2018:online).
Die Abbildung 1 bezieht sich konkret auf Plattdeutsch, kann mit gewisser Sicherheit auch bei
anderen Sprachen Anwendung finden.

Abb. 1: Stellung von Schreiben gegenüber anderen sprachlichen Fertigkeiten (nach Kahl)

Die Abbildung verdeutlicht, dass allgemeines Verstehen der Lerninhalte die Basis für die
Entwicklung der Fertigkeiten „Lesen“, „Sprechen“ und „Schreiben“ ist. Es kann vermutet
werden, dass sich gewissermaßen „Verstehen“ mit „Hörverstehen“ überdecken, oder dass
unter „Verstehen“ wohl „Hör- und Hörsehverstehen“ zu denken sind. Leider fehlen
entsprechende Details beim Autor. Es ist jedoch aufschlussreich, dass der Schreibfertigkeit ein

51
Victor Monev

größerer Schwierigkeitsgrad zugeordnet wird (die höchste Stufe auf dem Bild). Für die Lerner
ist es auch offensichtlich am schwierigsten, zu schreiben. Die Frage ist, ob diese Darstellung
der Realität entspricht?

Die traditionellen Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache (DaF) haben gewisse
Gemeinsamkeiten: Die Einheiten fangen mit einem grafischen Einstieg (Bilder, Kollagen,
Fotogeschichten), mit Hör- und Lesetexten an und dann kommt es zu verschiedenen Übungen
zur Festigung des Gelernten; zunächst hören und verstehen bzw. lesen und verstehen, den
neuen Wortschatz lernen und dann produktiv sprechen und schreiben. Die modernen
Technologien erlauben eine gewisse Sprengung dieses Modells durch Klassenprojekte,
Präsentationen, Rollenspiele und Diskussionen im Unterricht. Es kann immer wieder eine
Hemmung bei den Lernern festgestellt werden, wenn es um Verfassung eigener schriftlicher
Texte geht. Das kann u.a. damit begründet werden, weil „sich bestimmte Lernertypen lieber
mündlich, andere lieber schriftlich ausdrücken“ (Storch 2009:249). Für die erste Gruppe ist
Schreiben eher hemmend, während für die zweite das eine Möglichkeit zum fundierten und
gut überlegten Ausdruck eröffnet.

Die Aufgaben zum Schreiben sind definitiv vom jeweiligen sprachlichen Niveau der Lerner
abhängig. Im Übungstest 1 zur Prüfung Start Deutsch 1 (TELC 2017:20) findet man die
relativ simple Aufgabe (Teil 1), ein Formular anhand vorgegebener Daten auszufüllen:

Diese Aufgabe zum Schreiben setzt die Lesefertigkeit voraus und ist mit einer weiteren
Aufgabe (Teil 2) erweitert:

52
Die Herausforderung Schreiben zu lernen in einem mehrsprachigen Umfeld BDV Magazin April 2018

Die oben aufgeführten Schreibaufgaben entsprechen dem Prinzip der Progression, nach dem
bei einem geringen Stand der Kenntnisse und der sprachlichen Kompetenz der Lerner relativ
einfache Aktivitäten geplant werden sollen. Bei Ulrich Bliesener findet man einige allgemeine
Hinweise und Regeln für die Schreibschulung (Bausch/Christ/Krumm 2007:249). Schreiben
ist demnach ein komplizierter Vorgang, für den inhaltliche Kriterien und die Beachtung der
grammatischen Regeln bestimmend sind. Zu den wichtigsten Regeln gehören u.a.
Regelmäßigkeit (die Aufgaben zur Schreibschulung müssen ein fester Bestandteil des
gesamten Unterrichts sein), Stufung der Übungen (die Übungen müssen der Klasse und dem
Lernstand der Schüler entsprechen) und inhaltliche Komplexität (bei fortgeschrittenen
Lernern kann mit einer Textlänge von ca. 600 Wörtern gerechnet werden.)

Auf der Stufe B1 kann z.B. eine Schreibaufgabe aus der Zertifikatsprüfung so aussehen
(TELC 2014:17):

53
Victor Monev

Es wird der Hinweis gegeben, vor dem Schreiben eine passende Reihenfolge der Punkte zu
überlegen, eine entsprechende Einleitung und einen angemessenen Schluss zu überlegen. Aus
technischen Gründen (Zeitaufwand für die Kontrolle) wird in vielen Fällen ein Rahmen für
die Schreibaufgabe gegeben – Bearbeitung bestimmter Punkte, Angabe der verwendeten
Wörter u.ä.

In der Fachliteratur findet man einige Hinweise über den Stand der Schreibfertigkeit im DaF-
Unterricht. Zwar wird im Fremdsprachenunterricht viel geschrieben und Schreiben wird als
eine systematische Förderung der Sprachfertigkeit verstanden. Die Vernachlässigung des
Schreibens wird bei Storch z.B. als Reaktion auf den Vorrang der Schriftlichkeit im
altsprachigen Unterricht verstanden. Die Förderung der mündlichen Fertigkeiten stand im
Zentrum des Unterrichts bei der audio-lingualen und der audio-visuellen Methode. Im frühen
kommunikativen Unterricht der 70er und 80er Jahre wird Kommunikation im Sinne der
mündlichen Kommunikation verstanden (Storch 2009:249).

Es gibt auch Faktoren aus der unmittelbaren Umgebung, die die Schreibfertigkeit der Lerner
beeinflussen. An erster Stelle würde ich den Einfluss der ersten Sprache („Muttersprache“)
und die Konventionen im Heimatland angeben: Wenn die Verfassung schriftlicher Texte
(persönliche Briefe, Grußkarten, Leserbriefe u.a.) in der Ausgangskultur einen begrenzten
Umfang hat, kann man nur schwer vermuten, dass die Lerner die Wichtigkeit verstehen
würden, viele/lange/komplizierte geschriebene Texte in der Zielsprache zu schreiben. Die
bulgarische Kultur des alltäglichen Umgangs setzt vor allem auf die mündliche
Kommunikation: man verabredet sich am Telefon, erkundigt sich persönlich nach wichtigen
Informationen und schreibt selten Briefe/Postkarten/Einladungen. Das hat sicher mit den
verschiedenen Herangehen zur Unsicherheitsvermeidung in Bulgarien und in Deutschland zu
tun. Erst ein Aufenthalt in einem Land, wo die Zielsprache gesprochen wird, kann die
besondere Rolle der schriftlichen Kommunikation im Deutschen hervorheben.

Ein weiterer Punkt ist die Interferenz mit der ersten Fremdsprache, die in Bulgarien und in
vielen Ländern das Englische ist. Deutsch wird meistens als zweite oder dritte Fremdsprache
gelernt. Das bringt viele Schüler auf die Idee, die Regeln der Orthographie aus dem
Englischen ins Deutsche zu übertragen. Da kommt es zu lustigen Un-Wörtern wie „otsch“
statt „auch“, „Uand“ statt „Wand“ usw. Die Lerner zeigen auch eine gewisse Neigung, die
deutschen Wörter auf Englisch zu schreiben, vor allem wenn diese ähnlich klingen z.B. hause
und Haus, school und Schule u.a. Auf solche Fälle stößt man auf den niedrigen
Sprachniveaus, die Fehler kommen recht seltener bei dem selbstständigen Sprachgebrauch
vor. Auf den höheren Stufen kann man vielmehr mit fehlerhaften Übertragungen von
phraseologischen Wendungen aus einer in eine andere Sprache rechnen (Deutsch: Ich verstehe
nur Bahnhof (= Ich verstehe nichts) ist nicht gleich Englisch: I understand only train station).

54
Die Herausforderung Schreiben zu lernen in einem mehrsprachigen Umfeld BDV Magazin April 2018

Abb. 2: Fehlerhafter Transfer einer Redewendung aus dem Deutschen ins Englische

Die Interferenz mit der ersten Sprache (Muttersprache) und der ersten Fremdsprache lässt sich
an erster Stelle in der Aussprache merken – immer häufiger beeinflusst nicht das Bulgarische,
sondern das Englische die Lautbildung der Lerner. Das mag komisch klingen, aber ist nicht
selten bei Erwachsenen feststellbar, die wegen Aufenthalte in englischsprachigen Ländern
(USA, Großbritannien) über gewisse phonetische Einstellungen verfügen. Die Interferenz mit
dem Bulgarischen scheint hingegen in den letzten Jahren nachzulassen. Zur Verwirrung der
Lerner trägt mit gewisser Sicherheit „Denglisch“ als eine Entwicklung aus der neueren Zeit
bei. Da viele Schüler und Erwachsene bereits Kenntnisse im Englischen haben, können sie
nicht immer zwischen den rein englischen Wörtern und den eingedeutschten Wörtern
differenzieren. Aus diesem Grund vergisst man diese Wörter groß zu schreiben, wenn sie
Nomen sind, und bildet falsche Pluralformen wie Computers statt Computer.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Schreibfertigkeit einen bedeutenden Platz
im Fremdsprachenunterricht hat. Es wirken jedoch verschiedene Faktoren wie kulturbedingte
Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zielsprache, Interferenzen von anderen Fremdsprachen
und der Gebrauch von internationalen Wörtern, die gewisse Hindernisse für die einwandfreie
Textproduktion bilden.

55
Victor Monev

Literaturverzeichnis

Bildungsraum.at https://www.bildungsraum.at/now-we-have-the-salad/ (Stand 10.02.2018)

Bliesener, Ulrich (2007): Übungen zum Schreiben. In: Bausch, Karl-Richard/ Christ, Herbert und Krumm Hans-
Jürgen (Herausgeber) (2007): Handbuch Fremdsprachenunterricht. Tübingen und Basel: Francke Verlag.

Dr. Klaus-Werner Kahl. http://www.plattdeutsch.net/pages/platt-schreiben.php (Stand 10.02.2018)

Storch, Günther (2009): Deutsch als Fremdsprache. Eine Didaktik. Theoretische Grundlagen und praktische
Unterrichtsgestaltung. Paderborn: Wilhelm Fink Verlag.

TELC (2017): Übungstest 1 Start Deutsch 1. Prüfungsvorbereitung. Frankfurt am Main.

TELC (2014): Übungstest 1 Zertifikat Deutsch für Jugendliche B1. Prüfungsvorbereitung. Frankfurt am Main.

Wortgerecht.de (Einführungsbild links) https://www.wortgerecht.de/werbetexte-schreiben/ (Stand 10.02.2018)

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Digitale Medien geben dem Deutschunterricht Schreibinstrumente und Begeisterung BDV Magazin April 2018

Digitale Medien geben dem Deutschunterricht


Schreibinstrumente und Begeisterung

Rumjana Vojnova,
Nationales Humanistisches Gymnasium „Hl. Hl. Kyrill und Method“ – Blagoevgrad

Rumjana Vojnova ist ausgebildete Multiplikatorin für Deutsch und arbeitet als Hauptlehrer für Deutsch am
Nationalen Humanistischen Gymnasium “Hl. Hl. Kyrill und Method” in Blagoevgrad, Bulgarien. Seit ihrer
Fortbildung 2011 in Finnland interessiert sie sich für digitale Medien und ihren sinnvollen Einsatz im
Deutschunterricht. Kreativste Ideen schöpft sie von der Internationalen Online - DAFWEBKON, gefördert
durch: Deutsche Welle, HUEBER, KLETT, Deutsch als Fremdsprache.
E-Mail: rumjana@hotmail.com

Abstract: Der Artikel ermutigt die Deutschlehrer durch Lehrerfortbildung die Digital-Native-Kompetenz der
Schüler zielgerichtet zu festigen, so dass die Medienkompetenz zum Faktor für die Entwicklung der
Schreibfertigkeit im Deutschunterricht wird. Es werden die Vorteile von den Anwendungen PicCollage und
TRICIDER hervorgehoben.

Schlüsselwörter: DaF-Unterricht, digitale Medien, Schreiben

Im Rahmen des Projekts “Mediengestütztes Lehren und Lernen „DIP in SOE“31 (2015-2017)“
wurde ich zusammen mit DeutschlehrerInnen aus ganz Bulgarien in Goethe Institut Sofia
fortgebildet. Unsere Kursleiterinnen waren Rossitsa Vassileva, Pavlina Stoyanova, Ljubov
Mavrodieva.

Unser Kurs „Digitale Medien im Deutschunterricht“ („Kompetenzorientiert lehren und lernen:


digital – interkulturell - projektorientiert“) schloss vom 06.11.2017 bis 08.12.2017 eine
Präsenzphase und zwei Online-Phasen ein. Wir haben in der Lernplattform von Goethe
Institut gearbeitet und unsere Arbeitsergebnisse wurden dort gespeichert, so dass wir die
Möglichkeit hatten, nach dem Kurs in der Lernplattform wieder mal Hilfe, Ideen und
Kreativität zu tanken und uns zur Arbeit mit digitalen Medien zu begeistern. Wir hatten zwei
Listen zur Verfügung: App-Liste und Liste-Web 2.0-Anwendungen.

Ich habe für die 8. Klasse meinen Unterrichtsentwurf geplant und mit der 8. Klasse die
Praxisarbeit, die ein Teil vom Kurs war, realisiert. Die Nachricht, dass wir im
Deutschunterricht (DU) mit digitalen Medien arbeiten, verbreitete sich rasch im Gymnasium.
Die Klassen mit Deutsch als erste Fremdsprache (10 b, 11 b, 12 b) aber auch Schüler mit
Deutsch als zweite Fremdsprache (12 a) wollten am „Projekt“ teilnehmen. Ich habe den
Schülern über meine Fortbildung am Goethe Institut in Sofia erzählt. Wir haben fertige
PicCollagen benutzt, damit wir Vermutungen über die Person machen, die die Collage
hergestellt hatte. Die Anleitung zur Arbeit mit einer PicCollage 32 war sehr nützlich. Die
Schüler benutzten sie, um einen Text zum Bild zu schreiben. (Der Text stand bald auf dem
Bild oder in den Sprechblasen.)

31 http://www.goethe.de/ins/hr/prj/mll/dib/de15967930.htm

32 https://rumjana.files.wordpress.com/2017/12/anleitung_zur_arbeit_mit_piccollage.pdf

57
Rumjana Vojnova

Die Schüler waren begeistert. Jeder suchte mit seinem Smartphone die PicCollage oder eine
andere App, mit der man Collage machen könnte. Probleme traten auf: Einer hatte keinen
Platz im Smartphone, der andere hatte keine Internetverbindung, aber alle suchten eine
positive Lösung und einen kreativen Ausgang aus der Situation. Bilder wurden von einem
Smartphone in ein anderes weitergeleitet. Wir brauchten ein Kabel, damit die Bilder per
Laptop in das richtige Smartphone kommen. Ein schöpferisches Labor. Das Thema sollte den
Schülern leicht fallen: sich vorstellen, über die Schule und die eigene Umgebung berichten.
Redemittel als Hilfe habe ich auch vorbereitet. Ich besprach mit den Schülern (Partnerarbeit)
den Textinhalt und gab Ratschläge.
Venislava aus der Klasse 12 b fasste unsere Schwierigkeiten zusammen, nachdem sie eine
Umfrage mit den Schülern gemacht hatte:
„Eine der Schwierigkeiten, warum die Schüler die Digitalaufgaben nicht leicht lösen können,
ist die Tatsache, dass es nicht genug Digitalmedien im Klassenzimmer gibt. Nicht jeder von
uns hat die Möglichkeit, sich das passende Endgerät zu kaufen, so dass man frei surfen kann
und zu den notwendigen Apps oder Web 2.0 – Anwendungen gelangen kann. Wenn man ein
Endgerät zu Hause hat, kann sich aber nicht jeder ein „schnelles“ Internet leisten. Es wäre
vorteilhaft, wenn die Schule Maßnahmen trifft und dieses Problem beseitigt, wenn wir in
Situationen sind, in denen wir für das Unterrichtslernziel digitale Medien benutzen sollen.
Hätten wir wenigstens einen Computer im Klassenzimmer, wäre das eine Möglichkeit, dass
Schüler und Lehrer bei ihrer Arbeit erleichtert werden. In anderen Ländern ist das ein Teil
vom Schulleben. Mit Hilfe von digitalen Medien lösen die Schüler leichter ihre Aufgaben und
fühlen sich nicht unwohl, wenn sie wegen fehlender Technik die Aufgabe nicht erledigen
können.“

Die Arbeit mit Trichter war unser Schwerpunkt. Im Fortbildungskurs hatten wir eine
Anleitung zur Arbeit mit Tricider33 bekommen, die mir im DU sehr nützlich war. Viele
Schüler, die eine gute Collage gemacht haben, konnten sie nicht in Tricider hochladen wegen
der Größe. Ich habe dabei geholfen - mit Hilfe von Paint-App. Sich jede Arbeit in Ruhe
anzusehen, zu kommentieren und seine Stimme zu geben – das war die Hausaufgabe. Das
Ziel der Abstimmung war eher noch eine weitere Werbung für unsere Arbeit zu machen. So
wurden unsere Collagen in Tricider 34 von viеlen Schülern gesehen und kommentiert.
Obwohl einige der Schüler diese digitalen Instrumente kannten, die wir als innovativ in der
Deutschstunde benutzten, war mein Hauptziel, allen Schülern die Möglichkeiten dieser Apps
und der Web 2.0-Anwendungen zu zeigen. Ich wollte mich als Lehrer orientieren, womit wir
im Klassenzimmer arbeiten können, wenn wir da kein Internet haben? Wie arbeite ich in der
Praxis mit digitalen Medien, indem sie kein Lernziel mehr sind, d.h. wenn ich das Lernziel
(z.B. Schreiben) nicht benachteilige zugunsten der technischen Anleitungen zur Arbeit mit
digitalen Medien.
Die Listen, die ich im Kurs bekommen habe, hießen schon “online-Liste” und “offline –
Liste”:

33 https://rumjana.files.wordpress.com/2017/12/tricider_anleitung.pdf

34 http://www.tricider.com/admin/3OnptelshJ3/3aKLCdH5Np

58
Digitale Medien geben dem Deutschunterricht Schreibinstrumente und Begeisterung BDV Magazin April 2018

Online: Liste – Web 2.0-Anwendungen 35


Offline: App-Liste36
Für mich war es wichtig, in Partnerarbeit, in Gruppenarbeit oder im Nachhilfeunterricht die
Schüler mit den digitalen Instrumenten so vertraut zu machen, dass niemand benachteiligt
wird und sich niemand diskriminiert fühlt, weil er die passende Technik nicht benutzt.
Wir haben vereinbart, dass wir nun auf die Arbeitsweise mit der Technik (Smartphone,
Tablet), bzw. auf die Apps und die Anwendungen aufpassen und als Beispielfotos unsere
Schulumgebung benutzen: Klassenzimmer, Lieblingsgegenstand, Korridor, Lieblingsplatz in
der Schule, Schulgebäude, Schulhof usw.
Die Schüler haben von mir Anweisungen bekommen, was sie in Tricider machen sollen:
Klicken Sie auf „Idee hinzufügen“ (Add idea) – Button in Grün links unten – wenn Sie
eine Collage hochladen möchten. Schreiben Sie Ihren Namen und die Klasse (Add
description).
Klicken Sie auf „Argument hinzufügen“ (Add argument), plus oder minus, damit Sie
Ihre Meinung über die Collage der Mitschüler schreiben. Vergessen Sie Ihren Namen
und die Klasse nicht.
Machen Sie Vermutungen über die Vorlieben der Schüler, indem Sie Ihre Collagen
aufmerksam beobachten. Wenn Sie keine Collage hochgeladen haben, dann drücken
Sie hier Ihre eigenen Vorlieben zum Thema „Meine Welt“ aus.
Laden Sie Ihre Freunde zum Bewerten der Collagen ein und zum Abstimmen (vote).

35 https://rumjana.files.wordpress.com/2017/11/liste-web-2-0-anwendungen.pdf

36 https://rumjana.files.wordpress.com/2017/11/app-liste.pdf

59
Rumjana Vojnova

Für die Kollegen in der Schule, für die Schulleitung, für die Schüler am Gymnasium, die
andere Fremdsprachen lernen, für die Eltern habe ich über meine Fortbildung auf Bulgarisch
berichtet: https://rumjana.wordpress.com/schreiben/

60
Digitale Medien geben dem Deutschunterricht Schreibinstrumente und Begeisterung BDV Magazin April 2018

Literaturverzeichnis
Goethe Institut, App-Liste
Goethe Institut, Liste- Web 2.0 - Anwendungen
Goethe Institut, Anleitung zur Arbeit mit PicCollage
Goethe Institut, Anleitung zur Arbeit mit Tricider

61
Rumjana Vojnova

„Das Schreiben” von den Besten lernen

Rumjana Vojnova,
Nationales Humanistisches Gymnasium „Hl. Hl. Kyrill und Method“ – Blagoevgrad

Rumjana Vojnova ist ausgebildete Multiplikatorin für Deutsch. Sie arbeitet als Hauptlehrer für Deutsch am
Nationalen Humanistischen Gymnasium “Hl.Hl. Kyrill und Method” in Blagoevgrad, Bulgarien. Seit ihrer
Fortbildung 2014 in Dresden an einem PASCH-Seminar des Goethe Instituts interessiert sie sich dafür, wie alle
Schüler in Bulgarien von den PASCH -Vorteilen lernen könnten.
E-Mail: rumjana@hotmail.com

Abstract: Am Beispiel einer Projektmappe, ausgearbeitet im Rahmen des Deutschen Sprachdiploms der KMK
B2/C1, zeigt die Autorin, wie das gute Vorbild der PASCH-Schulen für alle Schulen nützlich sein könnte. Die
Schreibidee des Schülers Ljubomir Tsvetkov zum Oberthema “Kultur” (Unterthema “Musik”) hat die Autorin im
Projekt “Deine Stunde” des Bildungsministeriums in Burgarien als Portfolio-Idee der Gruppe “Zum Erfolg mit
Deutsch” realisiert.

Schlüsselwörter: DaF-Unterricht, Schreiben, Projekt, Kultur

Den Schüler Ljubomir Tsvetkov aus dem Fremdsprachengymnasium “Akad. Ljudmil


Stoyanov” in Blagoevgrad – jetzt Student an der Jacobs University Bremen – kannte ich als
einen begabten Klavierspieler in Konzerten an der Amerikanischen Universität in Bulgarien.
Als er mir eine Kopie seiner Projektmappe mit dem Erörterungsaspekt “Welche Wirkung hat
die Musik auf den Menschen?” schenkte, bewunderte ich Tage lang die 30 Seiten.

62
“Das Schreiben” von den Besten Lernen BDV Magazin April 2018

Hätte ich in der Buchhandlung diese Projektmappe entdeckt, so hätte ich viel bezahlt, um sie
zu besitzen. Eine Schatzkiste für mich und für meine Schüler. Das Inhaltsverzeichnis hat mich
fasziniert. Alles, was ich in der Presse gern lesen würde, stand da: Positive Wirkung der
Musik auf den Menschen (Einfluss der Musik auf die Gesundheit – Immunsystem,
Nervensystem, Herzkreislaufsystem, Verbesserung des Erinnerungsvermögens,
Schmerzlinderung, Antidepressivum) , Musik bei Operationen, Musik im Sport, Musik als
verbindende Kraft, Musik als Rettung, Musik bei der Erziehung und der Ausbildung.

Als Deutschlehrerin war ich zuerst vom Titel angezogen: “Experiment – Musik beim
Fremdsprachenlernen”. Der Autor Ljubomir Tsvetkov (12. Klasse) macht ein
Versuchsprotokoll und eine dazugehörende Versuchsbeobachtung mit einem Schaubild. Die
Versuchsdeutung ist klar: “Beim Tanzen und Mitsingen merken sich die Kinder aus der
Musikgruppe die Wörter mit Leichtigkeit …. Das Singen hilft den Kindern, ihren Wortschatz
zu erweitern und ihre Aussprache zu verbessern.”37

Inhaltsangabe, Kommentar, Essay, Erörterung – immer mit Begründung der Textwahl, mit
Quellenangabe. Das Interview mit der Klavierpädagogin an dem Amerikanischen College in
Sofia las ich gern. Von dem “Vergleich zwischen der Musikausbildung in Bulgarien und
Deutschland” war ich begeistert. Jedem Deutschlerner wünsche ich die einmonatige
Erfahrung, die Ljubomir Tsvetkov nach der erfolgreichen Teilnahme an der PAD-Olympiade
gesammelt hat.

Da wurde mein Interesse geweckt, was für negative Wirkung der Musik auf den Menschen
der Zwölftklässler entdeckt hat. Der Autor hat einen Artikel in der Zeitung “Die Welt”
gelesen, in dem die negative Wirkung von Hintergrundmusik beim Autofahren durch zwei
Experimente bewiesen wurde. Eine Inhaltsangabe hat Ljubomir Tsvetkov des Artikels “Laute
Musik und Gesundheit” gemacht – als Quelle wird das öffentliche Gesundheitsportal
Österreichs genannt.

Nicht nur eine reiche Text- und Textsortenauswahl, nicht nur eine gelungene Integration
verschiedener Unterthemen in zwei Aspekten (positiv und negativ), nicht nur unterschiedliche
Darstellungsformen, sondern eine Zusammenfassung aus Wichtigem in Fachportalen
Österreichs und aus der überregionalen Presse Deutschlands. Das konnte ich meinen Schülern
mit Hilfe von Ljubomir Tsvetkovs Projektmappe als Beispiel und Kreativimpuls anbieten.
Wir wünschten uns, dass wir die Möglichkeit hätten, die Projektmappen der DSD-Schüler in
Bulgarien (in Europa und in der Welt) auf Papier oder online lesen zu können.

Die Projektmappe von Ljubomir Tsvetkov war ein gutes Beispiel für unsere Arbeit am Projekt
“Deine Stunde”. Im Schuljahr 2016-2017 haben wir eine kleine Broschüre aus den besten
Ausarbeitungen im Portfolio jedes Projektteilnehmers zusammengestellt und ins Bulgarisch
für die Eltern übersetzt. Im Schuljahr 2017-2018 schlossen sich Freiwillige aus allen Klassen
zu unserem Projektziel an, zum Portfolio auch eine zusammenausgearbeitete Projektmappe
zum Thema “Mode” zu veröffentlichen.

37 Tsvetkov Ljubomir, Welche Wirkung hat die Musik auf den Menschen?, Projektmappe, Deutsches
Sprachdiplom der KMK B2/C1, FSG “Akad. Ljudmil Stoyanov” – Blagoevgrad, 2016.

63
Aleksandra Čeh

Seminar in Berlin: Migration und Partizipation


I.Teil
Aleksandra Čeh, Grundschule Markovci, Slowenien
Aleksandra Čeh ist Magister der Deutschsprache und ist an der Grundschule Markovci seit 1998 tätig. Sie
arbeitet auch als Hochschullehrerin für Fachterminologie der deutschen Sprache. Seit ihrer Fortbildung 2012 in
Teneriffa interessiert sie sich für Neurolinguistische Programmierung (kurz NLP). NLP bezeichnet eine
umstrittene Sammlung von Kommunikationstechniken und Mustern zur Analyse von Wahrnehmung. Das Ziel ist
eine "erfolgsorientierte Kommunikation". Im Jahr 2017 hat sie auch den Titel „NLP Anwender für Schule und
Unterricht“ erworben. So schöpft sie ihre kreativen Ideen durch die Teilnahme an verschiedenen Seminaren.

E-Mail: aleksandra.ceh@guest.arnest.si

Abstract: Der Beitrag stellt einen Überblick über das Goethe Seminar in Berlin »Migration und Partizipation«
dar, um weitere Deutschlehrer und -lehrerinnen zu ermutigen, sich zu diesartigen Seminaren anzumelden. Durch
den Austausch des Wissens knüpft man neue Kontakte, erfährt man was Neues über die Länder, die Kultur und
Sprache, weil meistens die Gruppe sehr multikulturell ist. Das ist eine groβe Bereicherung nicht nur für die DaF-
Lehrkräfte sondern auch für unsere Schüler. Und das gehört zu unseren Aufgaben, dass wir ständig Kontakte zur
Arbeitswelt pflegen und dass die Entwicklungen sowohl bei Lehrern als auch bei Schülern einen bemerkbaren
Fortschritt machen.
Schlüsselwörter: DaF-Unterricht, Migration, Projekt

Ich habe Anfang Juli 2016 als Goethe Stipendiatin an einem Seminar in Berlin teilgenommen.
Das Thema war Migration und Partizipation – ein sehr aktuelles Thema heutzutage.
Die Debatte um Migration erlebt gerade einen neuen Höhepunkt, Einwanderung und deren
Auswirkungen sind in Deutschland aber kein neues Phänomen. Berlin hat wirklich einen
starken Migrationshintergrund.
Berlin ist eine Stadt der Vielfalt und hier ist wirklich sehr schwer, einen echten Berliner zu
treffen, weil fast jeder einen Migrationshintergrund hat. Das haben wir mit Hilfe von vielen
Umfragen von Passanten selbst festgestellt. Das war eine Gruppenarbeit, auf verschiedenen
Bezirken verteilt. Wir haben Prenzlauer Berg auf eigene Faust, verschiedenste Ecken der Stadt
erkundigt.
Was haben wir noch durch die Woche gelernt, gesehen, welche Erfahrungen haben wir
gesammelt?
1. Tag: Besuch des Deutschen historischen Museums: Ausstellung Immer bunter;
Deutschland als Einwanderungsland.

Die Ausstellung "Immer bunter. Einwanderungsland Deutschland" zeigt den historischen


Verlauf der Migrationsbewegungen in Deutschland, vom Zuzug der Gastarbeiter in den
1960er Jahren bis zur Flüchtlingsmigration von heute.

64
Seminar in Berlin: Migration und Partizipation I.Teil BDV Magazin April 2018

Bild 138

Anhand von 800 Objekten beleuchtet die Ausstellung die verschiedenen Facetten und Etappen
der Einwanderung, ihre unterschiedlichen Gesichter und die Geschichten dahinter.
Sie zeugen von der Vielfalt der Alltagskulturen und Weltbilder, den Veränderungen des
Umgangs mit Migration, aber auch von Konflikten und Gewalttaten. Die Ausstellung stellt die
Diskussion um Integration und Assimilation, Identität und Staatsangehörigkeit, den Umgang
mit fremden Kulturen und Religionen und nationaler Identität ebenso dar wie
Parallelgesellschaften, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie.39

Bild 240

38 https://www.google.si/search?q=%22Immer+bunter.+Einwanderungsland+Deutschland%22&source

39 https://www.dhm.de/ausstellungen/archiv/2016/immer-bunter.html

40 https://www.dhm.de/presse/immer-bunter.html

65
Aleksandra Čeh

Der Regisseur Fatih Akin zeigt in seinem Film die Probleme einer in Deutschland
aufgewachsene Türkin, die eine Scheinehe führt, um den Moralvorstellungen ihrer Familie zu
entsprechen.
Mich persönlich inspirierten die Interviews mit Geflüchteten
(https://www.dhm.de/ausstellungen/immer-bunter.html) und die Filme über Gastarbeiter aus
der Türkei und aus dem ehemaligen Jugoslawien: die Geschichten stellten ihre Probleme dar:
Identitätsfrage, Assimilation, Agression und Fremdenfeindlichkeit. Die Geschichten brachten
Emotionen auf.

Bild 341

2. Tag: Besuch des Notaufnahmelagers Marienfelde; Workshop in der


Erinnerungsstätte.

41 https://www.dhm.de/ausstellungen/archiv/2016/immer-bunter.html

66
Seminar in Berlin: Migration und Partizipation I.Teil BDV Magazin April 2018

Bild 4, 5, 642

Das Notaufnahmelager Marienfelde war eines von drei Lagern, das nach dem
Bundesnotaufnahmegesetz das Notaufnahmeverfahren für Deutsche aus der DDR und aus
Ost-Berlin abwickelte.
Die Gründung der Erinnerungsstätte im Jahr 1993 hatte das Ziel, die Geschichte des
Notaufnahmelagers und der deutsch-deutschen Fluchtbewegung zu erforschen, zu
dokumentieren und einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.
Die Ausstellung informiert über das Aufnahmeverfahren sowie über Ursachen und Verlauf
von Flucht und Ausreise.
Diese deutsch-deutsche Fluchtbewegung beleuchtet damit einen zentralen Aspekt der
deutschen Teilung und ihrer Auswirkungen. Beide Seiten der Grenze werden dabei in den
Blick genommen und in ihrer Beziehung zueinander dargestellt: Die Motive, die die
Menschen dazu bewogen, die DDR zu verlassen, verdeutlichen den Zugriff des diktatorischen
Staates bis ins alltägliche Leben des Einzelnen; der weitere Lebensverlauf nach der Flucht –
vom Notaufnahmeverfahren bis zur gelungenen (oder gescheiterten) Integration –
veranschaulicht die Chancen und Probleme im Westen und die Bedeutung, die die Flüchtlinge
aus der DDR für die bundesrepublikanische Politik und Gesellschaft hatten.
Rund vier Millionen Menschen verließen zwischen 1949 und 1990 die DDR in Richtung
Bundesrepublik; 1,35 Millionen von ihnen passierten das 1953 gegründete Notaufnahmelager
in Berlin-Marienfelde. Hier wurden sie untergebracht und versorgt. Hier durchliefen sie auch
das notwendige Verfahren, um eine Aufenthaltsgenehmigung für die Bundesrepublik und
West-Berlin zu erhalten.43

42 http://www.deutschlandfunkkultur.de/deutsch-deutsche-geschichte-das-einzige-schlupfloch.1001.de.html?
dram:article_id=298005

43 http://www.notaufnahmelager-berlin.de/de/

67
Aleksandra Čeh

Warum flohen die Menschen aus der DDR? Hier ein Video dazu:
https://www.youtube.com/watch?v=geM_4d6_sPg
Mit meiner Gruppe haben wir einen kurzen Workshop »Wege in den Westen« vorbereitet,
und hier sind kleine Details von unserer Präsentation; die Flucht und ihre Exemplare.
Über 3,8 Millionen Menschen haben den Staat, davon viele illegal und unter großer Gefahr
verlassen. Nur unter Lebensgefahr konnte man die Grenze selbst direkt überwinden.
Tatsächlich verloren viele Menschen an der innerdeutschen Grenze oder der Berliner Mauer
ihr Leben, aber Not macht auch erfinderisch:
Fluchtgeschichten:
- Flucht-Tunnel in Berlin (39 Versuche, z.B. im September 1962 gelang es 29 Personen
durch einen von der Bernauer Straße unter der Berliner Mauer gegrabenen Tunnel zu
fliehen. Nicht weit davon entfernt flohen 57 Personen im Oktober 1964 durch einen
145 m langen Tunnel;
- auf dem Luftwege mit Heißluftballonen oder Leichtflugzeugen (sogar verfilmt
wurde die Flucht mit einem Heißluftballon, wie eine solche Flucht im September
1979 zwei Familien aus Thüringen gelang (siehe auch: Ballonflucht);
- mehrere umgebaute Autos;
- ein Mini-U-Boot, von dem sich ein Flüchtling durch die Ostsee ziehen ließ;
- selbstgebaute Motordrachen, ausgestattet z.B. mit einem Trabant-Motor und dem
Tank eines Jawa – Motorrads.44
Das waren die spektakulären Fluchtversuche, aber einige Menschen versuchten es ganz
einfach ohne jedes Gepäck, sie verließen ihre Familie, Bekannte, ihr ganzes Vermögen nur
- mit einer Zaubertasche: sie enthält nur Zahnbürste, Geld, Zigaretten und
Ausweispapiere;
- mit einem Fluchtkoffer: damit versuchten sie, Privat- oder Dienstreisen
vorzutäuschen;
- mit einem Ausreisekarton: sie haben eine behördliche Genehmigung bekommen, aus
der DDR ausreisen zu dürfen, und in diesem Karton haben sie ihre Sachen eingepackt,
weil jeder Gegenstand nummeriert und registriert wird.

3. Tag: Besuch bei ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft


Ihr Ziel ist:
- gleiche Rechte und gleiche Chancen,
- keine Diskriminierung in Betrieben,
- die Migranten werden zu Fachtagungen und Workshops eingeladen,

44 http://www.kollektives-gedaechtnis.de/texte/siebziger/martin.html

68
Seminar in Berlin: Migration und Partizipation I.Teil BDV Magazin April 2018

- ihnen ist eine Erhöhung von Mindestlohn gelungen.


Bei ver.di handelt es sich um die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die in Deutschland seit Mai 2011
gilt. Es geht bei ver.di aber auch um all jene, die ohne Dokumente hier leben.
Bei Bewerbungen lassen sie nicht Ausländer aus. Hier bewirbt man sich ohne Namen und
Fotos, nur die Leistungen sind ihnen wichtig.
4. Tag: Besuch des Willi-Graf-Gymnasiums
Hospitationen in Flüchtlingsklassen
Wir haben uns in zwei Gruppen geteilt. In unserer Klasse waren 10 Schüler, unterschiedlichen
Alters und alle lernen Deutsch als Fremdsprache. Sie sind alle Anfänger und das Gespräch
nach zwei Stunden Hospitationen war sehr schwierig.
Ich habe ein Gespräch mit Mahmut und seiner Schwester Sidra geführt, 16 und 13 Jahre alt.
Sie sind aus Syrien nach Deutschland mit Auto und dann mit Boot geflohen. Die Eltern lernen
auch Deutsch. Sie haben noch keine Arbeit, sie sind ohne Ausweispapiere hier. Ein Rest der
Familie lebt immer noch in Syrien, und Mahmut hat gesagt, dass es ihnen schlecht geht, weil
sie kein Geld haben.
Auf die Frage, was machen sie nach dem Unterricht, haben sie geantwortet: sie hören Musik,
sie sprechen mit ihren Freunden aus dem Notaufnahmelager und lernen Deutsch, machen die
Hausaufgaben. Also ganz normale nette Kinder wie überall auf der Welt.
Die Lehrerin hat gesagt, dass sie eine Zeit brauchte, um ihnen die Verhaltensregeln
beizubringen. Und sie sind integrationswillig. Die Flüchtlinge waren an einen frontalen
Unterricht gewöhnt, und jetzt in Deutschland ist alles mehr offen und flexibel. Sie müssen
viele Sachen verinnerlichen. Jetzt spielen schon Mädchen und Jungs zusammen Fuβball und
Volleyball. Und dass ihnen nicht zu langweilig in der Schule wird, machen sie auch einen
Klassenaustausch, damit sie sich besser kennenlernen, also auch mit den deutschen Kindern.
Sie lernen nicht nur Deutsch, sondern auch Mathematik und Geographie. Sie machen auch
Ausflüge mit dem Spendegeld (Stadtbesichtigung, Zoo-Besuch ).
Am Nachmittag haben wir noch das Jugendmuseum Villa Global besucht und Workshop mit
Frau Ellen Roters gemacht. Das war aber sehr interessant:
Berlin verändert sich und auch die VILLA GLOBAL hat sich verändert. Viele neue Leute sind
eingezogen: THE NEXT GENERATION.
In 14 Räumen kannst du die unterschiedlichsten Menschen kennenlernen: vom Kleinkind bis
zur Oma, vom Rapper bis zur Journalistin, vom Mädchen, das Mut zeigt, bis zum jungen
Mann, der seinem Traum folgen will. Manche sind in Berlin geboren oder wohnen schon
lange hier, andere erst seit kurzer Zeit. Sie alle haben ihre Zimmer selbst eingerichtet und sind
auch in Videointerviews zu sehen.
Wir haben uns in all diesen Räumen umgeschaut und die Vielfalt der Menschen in Berlin –
auch ihre Gemeinsamkeiten entdeckt.

69
Aleksandra Čeh

Ich habe den Raum von einer jungen Frau ein bisschen näher erforscht. Warum gerade ihre
Wohnung? Mir sind sofort Bücher aufgefallen. Sie hat den gleichen Geschmack für die
Bücher wie ich.
Ihre Möbel sind aus Ikea, sie hört gern deutsche Musik zu. Sie hatte viele Modezeitschriften
auf dem Tisch. Sie ist hier geboren, ihre Eltern stammen aus dem Iran und haben sich
während des Studiums in Berlin kennengelernt. Sie ist stolz auf sie und hofft, auch mal so viel
zu erreichen. Ihr Vater war Sänger, aber Pop Musik war in Iran verboten.
Ihr Name ist Pegah…
Pegah arbeitet als Geschäftsführerin im Jugend Museum. Das ist kein leichter Job! Zum
Glück hat sie viele gute Freunde, mit denen sie in ihrer Freizeit chillen kann. Da wird dann
Shisha geraucht, Hip-Hop gehört und gerappt. Ein Leben ohne Musik kann sie sich nicht
vorstellen.
Pegahs Eltern stammen aus Iran. Sie wünscht sich einen Mann und Kinder, dann wäre ihr
Glück perfekt.

70
Seminar in Berlin: Migration und Partizipation I.Teil BDV Magazin April 2018

Sie können auch selbst erfahren, wer alles in der Villa Global wohnt unter der Webadresse
http://www.villaglobal.de/plan.html.
Am 5. und letzten Tag haben wir Auswertungen der Recherchen gemacht und ein
Gesamtbild erstellt. Am Abend sind wir alle noch zum Abendessen in Clärchens Ballhaus
gegangen. Das Ballhaus ist eines der letzten erhaltenen Ballhäuser aus der Zeit um 1900 in
Berlin. Während der DDR war es sowohl Ost- als auch West-Deutschen als Treffpunkt
bekannt.

Bild 1045

45 https://www.google.si/search?q=cl%C3%A4rchens+ballhaus+berlin&source

71
Aleksandra Čeh

Literaturverzeichnis

 https://www.dhm.de/ausstellungen/archiv/2016/immer-bunter.html

 https://www.dhm.de/ausstellungen/immer-bunter.html

 http://www.notaufnahmelager-berlin.de/de/

 https://www.youtube.com/watch?v=geM_4d6_sPg

 http://www.kollektives-gedaechtnis.de/texte/siebziger/martin.html

Bilderverzeichnis

 Bild 1: https://www.google.si/search?q=%22Immer+bunter.+Einwanderungsland+Deutschland
%22&source
 Bild 2: https://www.dhm.de/presse/immer-bunter.html
 Bild 3: https://www.dhm.de/ausstellungen/archiv/2016/immer-bunter.html
 Bilder 4, 5, 6: http://www.deutschlandfunkkultur.de/deutsch-deutsche-geschichte-das-einzige-
schlupfloch.1001.de.html?dram:article_id=298005

 Bilder 7, 8, 9: http://www.villaglobal.de/pegah.html
 Bild 10: https://www.google.si/search?q=cl%C3%A4rchens+ballhaus+berlin&source

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Wo bist du denn her? II.Teil BDV Magazin April 2018

Wo bist du denn her?


II. Teil

Aleksandra Čeh, Grundschule Markovci, Slowenien

Aleksandra Čeh ist Magister der Deutschsprache und ist an der Grundschule Markovci seit 1998 tätig. Sie
arbeitet auch als Hochschullehrerin für Fachterminologie der deutschen Sprache. Seit ihrer Fortbildung 2012 in
Teneriffa interessiert sie sich für Neurolinguistische Programmierung (kurz NLP). NLP bezeichnet eine
umstrittene Sammlung von Kommunikationstechniken und Mustern zur Analyse von Wahrnehmung. Das Ziel ist
eine "erfolgsorientierte Kommunikation". Im Jahr 2017 hat sie auch den Titel „NLP Anwender für Schule und
Unterricht“ erworben. So schöpft sie ihre kreativen Ideen durch die Teilnahme an verschiedenen Seminaren.

E-Mail: aleksandra.ceh@guest.arnest.si

Abstract: Es wird immer wieder die Frage gestellt, wie soll das Neue, das auf einem Seminar Gelernte im
Unterricht vermittelt werden, damit alles nicht umsonst ist. Das Thema »Migration und Partizipation« ist sehr
aktuell und notwendig, dass wir auch in der Schule versuchen, den Schülern ein Gefühl des Mitleides und der
Hilfsbereitschaft beizubringen. Aufgrund der Internetverwendung und unter Musikbegleitung habe ich einen
interessanten und anders gestalteten Deutschunterricht vorbereitet.

Mein Ziel war das Thema Migration und Integration den DaF-Lernern näher zu bringen, ihnen das Interesse an
damit verbundenen Fragen und Aufgaben zu wecken. Für sie sind nicht nur die „Fakten“ von besonderer
Relevanz, sondern auch die interkulturelle Lebenswirklichkeit. Der Themenkomplex motiviert zur Reflexion und
zum Vergleich und ist daher für die Anbahnung interkulturellen Lernens sehr gut geeignet. Daneben regen die
aktuellen Entwicklungen auch in Slowenien dazu an, mehr über Gründe, Wirkungen und Reaktionen zu erfahren.
Die Thematik fordert zur Meinungsäußerung heraus, so können Lerner diskutieren, kommentieren und auch
erörternde Texte verfassen.

Schlüsselwörter: DaF-Unterricht, Schreiben, kreatives Schreiben, Migration

Unterrichtseinheit: Migration und Partizipation: Wo bist du denn her?


Einstieg: Heranführen der Schüler an das Thema der Stunde : Neugierde und Interesse am
Thema sollen geweckt werden.
Zuerst habe ich ein Bild gezeigt, und die Schüler beantworten die Fragen. Mit den Fragen
versuchte ich zum Thema Migration zu kommen und in den Schülern bestimmte Gefühle über
andere Menschen aufzuwecken.

73
Aleksandra Čeh

 Was sehen Sie auf dem Bild?


 Wie sieht der Mann aus?
 Was macht er?
 Wohin führt ihn die Reise?
 Was geht ihm alles durch den
Kopf?
 Wie fühlt er sich dabei?

Dann schauten wir uns ein neues Bild an, die Schüler müssen die beiden Bilder vergleichen.

 Was sehen Sie hier?

 Welche Unterschiede stellen Sie zwischen den beiden Bildern fest?

 Welche Gemeinsamkeiten finden Sie?


Die Einführungsphase endete mit dem folgenden Arbeitsblatt.

74
Wo bist du denn her? II.Teil BDV Magazin April 2018

BRAINSTORMING ZU MIGRATION

Assoziieren Sie – Was verbinden Sie mit dem Begriff MIGRATION. Finden Sie für jeden
Buchstaben des Wortes einen Begriff, in dem dieser Buchstabe enthalten ist!

M
I
G
R
A
T
I
O
N

Es folgt die zweite Phase Erarbeitung: Nun eignen sich die Schüler neues Wissen, neue
Kompetenzen an. Hier benutzte ich verschiedene methodische Zugänge und Arbeitsformen
(Einzel-, Gruppenarbeit etc.).

Die Schüler hörten sich das Lied an und beantworteten die Fragen.
https://www.youtube.com/watch?v=RLFvQGLPdug
Text des Liedes:
MIGRATIONSHINTERGRUND
„Wo kommst Du denn her fragt man mich. W – FRAGEN ZUM TEXT
Aus dem Hamburger Norden sage ich. 1. Wer singt das Lied?
Doch das reicht ihnen nicht sie wollen
mehr. 2. Wo wohnt sie jetzt?
Denn mein Name verrät viel zu sehr, 3. Was ist ihre Heimat?
Migrationshintergrund ist wie ein bissiger
4. Was will sie vergessen?
Hund..."
Türkenhüften tanzen, das sieht man ihnen 5. Was stört sie? Warum will sie ihre
an, Eltern klagen?
assimilieren heisst Hüfte verlieren, 6. Wie klingt die Musik?
Strache, Sarazzin und Haider und Co.
7. Was bedeutet »assimilieren heisst
habʼn den selbʼn verklemmten Po,
Hüfte verlieren«?
ich vergönnʼs ihnen so.
Vielleicht haben sie ja recht 8. Was bedeutet »böses Blut im
Ich hab böses Blut im Gepäck… Gepäck«?
9. Welche Gefühle erweckt die Musik?

75
Aleksandra Čeh

Auf diese Webseite http://www.mgh-musik.de/ bekamen die Schüler noch mehr


Informationen über die Band. Sie recherchierten und machten ein Igelbild.

Mit dem nächsten Arbeitsblatt förderte ich die Freude am Schreiben. Kreatives Schreiben hilft
den Lernenden, Schreibhemmungen zu überwinden, denn kreatives Schreiben findet in einer
angstfreier Atmosphäre statt. Kreatives Schreiben erlaubt den spielerischen Erwerb der
fremdsparchlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in Grammatik, Wortschatz, Ausdruck. Und
letztendlich so entstandene Texte laden zum Lesen, Diskutieren und zur Reflexion ein.

ARBEITSBLATT ZUM TEXT »MIGRATIONSHINTERGRUND«

Kreatives Schreiben

Wählen Sie eine Aufgabe und schreiben Sie sie auf einem Blatt!

 AUFGABE 1: Schreiben Sie ein Interview mit dem Mädchen!

 AUFGABE 2: Schreiben Sie einen Brief an den Freund / die Freundin aus der Sicht
dieses Mädchens!

 AUFGABE 3: Schreiben Sie eine Zusammenfassung des Liedes!

 AUFGABE 4: Schreiben Sie eine neue Strophe dazu!

 AUFGABE 5: Suchen Sie im Internet die Bilder, die zu diesem Text passen würden und
schreiben Sie kleine Geschichten zu den Bildern!

 AUFGABE 6: Schreiben Sie eine Nachricht zum Thema des Liedes!


 AUFGABE 7: Machen Sie eine Internetrecherche und suchen Sie Lieder mit gleicher
Thematik aus! Wie stellen die anderen Texte diese Thematik vor?

76
Wo bist du denn her? II.Teil BDV Magazin April 2018

 AUFGABE 8: Stellen Sie sich vor: sie sind ein Migrant in einem neuen Land. Wie
fühlen Sie sich, was denken Sie, was wünschen Sie sich etc.
Ich erzählte den Kindern über meinen Besuch im Jugend Museum mit der Ausstellung VILLA
GLOBAL – THE NEXT GENERATION.

Berliner Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer Stadtgesellschaft auf, die von einer
kulturellen Vielfalt geprägt ist wie nie zuvor. Eine Gesellschaft, in der ganz selbstverständlich
Menschen leben, die sich mehreren kulturellen Räumen zugehörig fühlen, deren Identitäten
wechseln können, die in Bewegung sind.

Im Mittelpunkt der VILLA GLOBAL stehen Menschen zwischen 13 und 79 Jahren, die zum
Leben der Stadt Berlin gehören. Sie alle haben die Ausstellung mit vorbereitet, ihre
Geschichten preisgegeben und bei der Ausgestaltung der 14 Räume aktiv mitgewirkt. Ihre
engagierte Beteiligung gibt den Räumen eine Authentizität und Tiefe, die ohne sie niemals zu
erreichen gewesen wäre.
Die Räume zeigen gleichzeitig, warum eindeutige Zuordnungen und Kategorisierungen von
Menschen so schnell problematisch werden können. So ist zum Beispiel in einem Raum der
Satz zu lesen: »Ich bin Moslem und habe eine jüdische Freundin, das glaubt mir keiner!«

Sie sind herzlich eingeladen, sich in der VILLA GLOBAL umzuschauen und die Vielfalt der
Menschen und ihre Gemeinsamkeiten in Berlin zu entdecken!

WER WOHNT IN VILLA GLOBAL?


Machen Sie sich auf den Weg und lernen Sie die Menschen kennen!

1. Schritt: Suchen Sie die folgende Webseite http://www.villaglobal.de/, lesen Sie die
Seite und klicken sie auf den orange gefärbten Quadrat:
http://www.villaglobal.de/plan.html

77
Aleksandra Čeh

ARBEITSBLATT (RECHERCHE IM INTERNET)

2. Schritt: Jetzt suchen Sie sich einen Raum aus! Ihre folgende Aufgabe ist ein Plakat
über die Person zu machen mit der Hilfe der Tabelle und der folgenden Fragen!
 Wer wohnt in diesem Raum?
 Wie sieht er/sie aus?
 Was ist seine / ihre Geschichte – stellen Sie die Person vor!
 Wie sieht seine / ihre Wohnung aus?
 Was können Sie noch über die Person entdecken, wenn Sie sich die Räume
anschauen?
 Was sind ihre Aussagen über Heimat, Migrationsherkunft, Erziehung und Identität?

NAME
ALTER
BERUF
HOBBY
HERKUNFT
MUTTERSPRACHE
seit wann lebt er / sie in
Berlin
sein / ihr Satz

78
Wo bist du denn her? II.Teil BDV Magazin April 2018

Die letzte Phase – Stundenabschluss oder in unserem Fall Schluss der Einheit: Jeder nannte
einen Aspekt, der neu für ihn war, den er sich auf jeden Fall merken wird … Dabei durfte
jeder Aspekt nur einmal genannt werden.

Literaturverzeichnis
 https://www.google.si/search?q=immer+bunter+einwanderungsland
 https://www.youtube.com/watch?v=RLFvQGLPdug
 http://www.mgh-musik.de/
 http://www.villaglobal.de/
 http://www.villaglobal.de/plan.html
 http://www.villaglobal.de/fotos.html: Fotos
 http://www.villaglobal.de/trailer.html: Videotrailer
 http://www.jugendmuseum.de/villa-global.html: Leseheft zur Ausstellung + Glossar (S. 54 – 60)

79
Rumjana Vojnova

Das eTwinning-Schulsiegel – Anerkennung für eTwinning-Schulen


Rumjana Vojnova,

Nationales Humanistisches Gymnasium „Hl. Hl. Kyrill und Method“ – Blagoevgrad

Rumjana Vojnova ist ausgebildete Multiplikatorin für Deutsch und arbeitet als Hauptlehrer für Deutsch am
Nationalen Humanistischen Gymnasium “Hl. Hl. Kyrill und Method” in Blagoevgrad, Bulgarien. Seit 2009
arbeitet sie an eTwinning-Projekten zusammen mit AIMI JÕESALU, Deutschlehrerin aus Estland.

E-Mail: rumjana@hotmail.com

Abstract: Der Artikel informiert die Deutschlehrer über das eTwinning-Schulsiegel. 46 Das ist ein neues Siegel
zur Würdigung der eTwinning-Arbeit auf Schulebene. Der Bewerbungszeitraum dauert bis zum März 2018. Die
Schulen müssen Belege für die verschiedenen Kriterien vorlegen und der endgültige Eintrag muss von der
Schulleitung unterzeichnet werden. Ausgezeichnete Schulen werden in bestimmten Bereichen als führend
anerkannt. Das Nationale Humanistische Gymnasium “Hl.Hl.Kyrill und Method” in Blagoevgrad bewirbt sich
für dieses neue Siegel. Der Stundenplan ist ein Beleg für die eSafety-Praxis.

Schlüsselwörter: eTwinning-Schulen, Unterrichtsentwurf, DaF-Unterricht

Unterrichtsentwurf für die Deutschstunde

Datum: 07.02.2018

Deutschlehrerin: Rumjana Vojnova

Кlasse: 12 б

Fach: DaF

Thema: Datenschutz

Hauptziel: den 6.Februar begehen, den internationalen Safer Internet Tag, den Tag für mehr
Internetsicherheit, mit einem Interview mit Frederick Richter, Stiftung Datenschutz

46 https://www.etwinning.net/de/pub/highlights/the-etwinning-school-label---.htm

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Das eTwinning-Schulsiegel – Anerkennung fur eTwinning-Schulen BDV Magazin April 2018

Nebenziele:

1. Den Wortschatz mit Vokabeln zum Thema “Internetsicherheit” erweitern

2. Detailliertes Leseverstehen vom Interview zum Thema “Internetsicherheit”

3. Entwicklung der Fähigkeit, die eigene Meinung in einer Diskussion zum Thema
“Datenschutz” zu entwickeln

4. Veröffentlichung von einer eigenen Meinung zum Thema “Datenschutz” in TwinSpace , wo


am Projekt “So leben wir in Europa” die Schüler aus Bulgarien und aus Estland arbeiten

Sozialformen: Partnerarbeit oder Gruppenarbeit

Schritt 1: Der Lehrer berichtet über die Internetplattform “Internet-abc”47

Schritt 2: Vorstellung vom Flyer “Themen-Special”, Februar 2018: “Kinder und


Datenschutz?”

Schritt 3: Kinder und Datenschutz? - Vermutungen äußern - worum geht es im Interview?

Schritt 4: Die eigene Meinung auf Deutsch äußern: Ist es notwendig, dass die Kinder und die
Jugendlichen im Thema “Datenschutz im Internet” unterrichtet werden?

Schritt 5: In Partnerarbeit oder in Gruppenarbeit bekommen die Schüler Teile vom


gedruckten Interview mit der Aufgabe: “Lesen Sie den Text, schreiben Sie Stichpunkte,
suchen Sie unbekannte Vokabeln im Wörterbuch und erklärten Sie sie im Plenum auf
Deutsch.”

Schritt 6: Stellen Sie den Text im Plenum vor: Nacherzählung, Inhaltsangabe oder
Präsentation

Schritt 7: Für oder gegen den Unterricht mit Kindern und Jugendlichen zum Thema
“Datenschutz”. Die eigene These mit Hilfe von Redemitteln argumentieren.

Schritt 8: Als Hausaufgabe schreiben Sie Ihre Meinung über den Datenschutz im Internet (50
Wörter) und veröffentlichen Sie sie in TwinSpace 48- “So leben wir in Europa”.49,50

47 https://www.internet-abc.de

48 https://twinspace.etwinning.net/57207/pages/page/350748

49 https://rumjana.wordpress.com/2018/02/

50 https://rumjana.wordpress.com/2018/02/07/8563/

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Rumjana Vojnova

Literaturverzeichnis

Flyer “Themen-Special”, Februar 2018: “Kinder und Datenschutz?”

Quelle: Internet-abc - das Portal für Kinder, Eltern und Pädagogen. https://www.internet-abc.de/

Interview mit Frederick Richter, Stiftung Datenschutz. https://www.internet-abc.de/eltern/aktuelles/themen-


specials/kinder-und-datenschutz/

Anhang

Internet-abc: Kinder und Datenschutz

Interview mit Frederick Richter, Vorstand der Stiftung Datenschutz

Hintergrundinformationen zum Thema “Datenschutz”

Tipps für Eltern und Kinder

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