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Fachtagung für Personalleiter und Ausbildungsverantwortliche

06.03.2020

Aktuelle Entwicklungen in der


Gesetzgebung und Rechtsprechung
des öffentlichen Arbeits- und Dienstrechtes

Tobias Thauer
Personalleiter
Thüringer Verwaltungsschule
www.tvs-weimar.de
tthauer@vsweimar.thueringen.de
tobias.thauer@outlook.com
Befristungsrecht

©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule


Bekannt: Beschluss vom 6. Juni 2018 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14

Kernpunkt: Verbot mehrfacher sachgrundloser Befristung im Grundsatz


verfassungsgemäß - Auslegung darf klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht
übergehen.

➢ Das Verbot der Mehrfachbefristungen ist grundsätzlich mit den


verfassungsrechtlichen Maßgaben vereinbar

➢ Die
✓ Verhinderung von Kettenbefristungen und die
✓ Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als
Regelbeschäftigungsform trägt der Pflicht des Staates zum Schutz der
„strukturell unterlegenen Beschäftigten“ im Arbeitsverhältnis Rechnung

➢ Allerdings gilt dies nur, soweit die Beschäftigten nach Art und Umfang der
Vorbeschäftigung tatsächlich des Schutzes vor Kettenbefristungen bedürfen und
andernfalls das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform gefährdet
wäre
©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule
Bekannt: Beschluss vom 6. Juni 2018 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14

ABER:
Unzumutbar ist ein generelles Verbot lt. BVerfG der erneute sachgrundlosen
Befristung, wenn:

1. Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der


Beschäftigten nicht besteht und
2. das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete
Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten

Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung


➢ sehr lang zurückliegt,
➢ ganz anders geartet war oder
➢ von sehr kurzer Dauer gewesen ist
(nicht abschließend!)

Daher weiterhin neue Urteile im Kontext des § 14 Abs. 2 TzBfG

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Befristungsrecht – neue Urteile

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17: 22 Jahre sind eine sehr lange Zeit

SV: Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom 22.10.1991 bis zum 30.11.1992 ein
Arbeitsverhältnis bei der BA.

Aufgaben:
➢ Tätigkeit als Hilfssachbearbeiterin für Kindergeld, v.a.
➢ entscheidungsreife Bearbeitung von Kindergeldanträgen
➢ einfacher Schriftverkehr sowie
➢ Erteilung von telefonischen Auskünften in Kindergeldangelegenheiten

Neuer AV am 01.10.2014, zunächst befristet bis zum 30.6.2015.


Verlängerung des AV am 03.06.2015 bis zum 30.6.2016.

Aufgaben:
➢ Tätigkeit als Telefonserviceberaterin im Servicecenter

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17 22 Jahre sind eine sehr lange Zeit

Ergebnis: Sachgrundlose Befristung – 22 Jahre als sehr lange zurückliegende


Vorbeschäftigung

Die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung ist den


Arbeitsvertragsparteien unzumutbar, wenn die Vorbeschäftigung fast 22 Jahre
zurückliegt und besondere Umstände, die eine Anwendung von § 14 Abs. 2 TzBfG im
Einzelfall gebieten, nicht vorliegen.

Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der
erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine
Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17 22 Jahre sind eine sehr lange Zeit

Begründung: Nach der Entscheidung des BVerfG genügt es zwar nicht, dass die
Vorbeschäftigung lang zurückliegt, sie muss vielmehr sehr lang zurückliegen.

➢ Das ist bei mehr als 22 Jahren regelmäßig anzunehmen, sofern nicht besondere
Umstände dennoch eine Anwendung des Verbots erfordern.

➢ Bei einer solchen Zeitspanne besteht keine Gefahr der Kettenbefristung.

Dafür, dass ein Zeitraum von 22 Jahren als sehr lang im Sinne der Rechtsprechung des
BVerfG anzusehen ist, spricht auch die ebenfalls den Bestandsschutz betreffende
Regelung des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB, nach der die längste Kündigungsfrist nach einer
Dauer von 20 Jahren greift.

M. E. kritisch zu betrachten!

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urteil vom 12.6.2019 – 7 AZR 548/17: Kein Vorbeschäftigungsverbot nach § 14


Abs. 2 TzBfG bei noch nicht laufendem Arbeitsvertrag

SV: Die Parteien schlossen unter dem 22./28. Mai 2014 einen AV, wonach der Kläger in
der Zeit vom 01.10.2014 bis 30.09.2015 als „Medizinischer Präparator/Medizinischer
Sektionsassistent“ beschäftigt werden sollte.

Aufgrund der Erkrankung eines ihrer Mitarbeiter bat die Beklagte den Kläger, seine
Tätigkeit bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufzunehmen.

Mit Änderungsvertrag vom 01.08.2014 vereinbarten die Parteien, dass der Kläger
bereits ab dem 14.07.2014 befristet bis zum 13.07.2015 beschäftigt wird.

Mit weiteren Änderungsvertrag vom 13. März 2015 verlängerten sie die Vertragslaufzeit
nochmals bis zum 31. Januar 2016.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urteil vom 12.6.2019 – 7 AZR 548/17: Kein Vorbeschäftigungsverbot nach § 14


Abs. 2 TzBfG bei noch nicht laufendem Arbeitsvertrag

Kläger hat die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht und die Auffassung
vertreten, die Befristung sei nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt, da zwischen
den Parteien aufgrund des Vertragsschlusses vom 22./28. Mai 2014 bereits vor dem 1.
August 2014 ein Arbeitsverhältnis iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestanden habe

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die
Befristung bis zum 31. Januar 2016 sei nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt.

Der nicht in Vollzug gesetzte Arbeitsvertrag vom 22./28. Mai 2014 sei keine
Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urteil vom 12.6.2019 – 7 AZR 548/17: Kein Vorbeschäftigungsverbot nach § 14


Abs. 2 TzBfG bei noch nicht laufendem Arbeitsvertrag

Ergebnis: Das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierte Verbot der sachgrundlosen


Befristung nach einer Vorbeschäftigung knüpft an den Bestand eines
Arbeitsverhältnisses an.

Das Arbeitsverhältnis entsteht zu dem Zeitpunkt, zu dem die wechselseitigen


arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten begründet werden sollen, also im
Regelfall erst mit dem arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsbeginn.

Daher steht § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG der Vereinbarung einer Befristung ohne
Sachgrund nicht entgegen, wenn die Laufzeit eines von den Vertragsparteien zuvor
geschlossenen Arbeitsvertrags noch nicht begonnen hat.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urt. v. 12.6.2019 – 7 AZR 429/17: geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1


Nr. 1 SGB IV ist keine Vorabbeschäftigung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG

SV: Der 1985 geborene Kl. war bei der Bekl. in der Zeit vom 26.7.2004 bis zum
4.9.2004 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags als „Ferienbeschäftigter“ (strittig:
geringfügige Basis?) eingestellt.

Mit Wirkung zum 1.9.2013 stellte die Bekl. den Kl. erneut befristet zunächst bis zum
28.2.2014 als Montierer ein.

Dieser befristete Arbeitsvertrag wurde in der Folgezeit mehrfach bis zum 31.8.2015
verlängert.

Kl. die Unwirksamkeit der Befristung zum 31.8.2015 geltend gemacht. Er hat die
Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG wegen seiner
Vorbeschäftigung im Jahr 2004 nicht ohne Sachgrund zulässig.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urt. v. 12.6.2019 – 7 AZR 429/17: geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1


Nr. 1 SGB IV ist keine Vorabbeschäftigung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG

Erinnerung:

Das Verbot ist unzumutbar, wenn eine


➢ Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der
Beschäftigten nicht besteht und
➢ das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete
Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang
zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urt. v. 12.6.2019 – 7 AZR 429/17: geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1


Nr. 1 SGB IV ist keine Vorabbeschäftigung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG

Ergebnis: Handelte es sich bei dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis um eine nur


geringfügige Nebenbeschäftigung während der Schul-, Studien- oder
Ausbildungszeit, kann dies die Annahme rechtfertigen, das Verbot der sachgrundlosen
Befristung sei nicht erforderlich, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als
Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Eine solche Beschäftigung ist von vornherein nur auf


➢ vorübergehende,
➢ häufig kurze Zeit und
➢ nicht auf eine längerfristige Sicherung des Lebensunterhalts angelegt.

Sie hat für die soziale Sicherung und für die Altersversorgung regelmäßig nur
untergeordnete Bedeutung und hat zudem meist eine andere Tätigkeit zum
Gegenstand als die spätere -auf Dauer angelegte- Erwerbstätigkeit.
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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

BAG, Urt. v. 12.6.2019 – 7 AZR 429/17: geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1


Nr. 1 SGB IV ist keine Vorabbeschäftigung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG

Diese Umstände können geeignet sein, die Annahme zu rechtfertigen, es bestehe

➢ weder eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen


Unterlegenheit des Arbeitnehmers noch
➢ sei das Verbot der sachgrundlosen Befristung erforderlich, um das unbefristete
Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

LAG Düsseldorf, Urteil v. 9.3.2019, 3 Sa 1126/18: Vom Arbeitgeber bezahlte


Dienstreise erhöht die Beschäftigungsdauer

SV: Rechtsanwalt bewarb sich Mitte August 2016 auf eine Ausschreibung des
Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

Er wurde zunächst befristet nach § 14 Abs. 2 TzBfG für 6 Monate als so-genannter
„Anhörer“ eingestellt.

Ab dem ersten Arbeitstag, dem 5.9.2016, bis zum 23.9.2016 besuchte er eine
Schulung für Anhörer in Nürnberg, wozu er von seinem Wohnort im Einvernehmen
mit dem BAMF bereits einen Tag vorher, also am Sonntag, den 4.9.2016, anreiste.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

LAG Düsseldorf, Urteil v. 9.3.2019, 3 Sa 1126/18: Vom Arbeitgeber bezahlte


Dienstreise erhöht die Beschäftigungsdauer

Die anfallenden Reisekosten wurden vom BAMF erstattet, auch die Übernachtung vom
4.9.2016 auf den 5.9.2016.

Im Februar 2017 wurde das Arbeitsverhältnis bis zum 4.9.2018 verlängert; danach
erhielt der Beschäftigte jedoch keine unbefristete Stelle.

Er klagte auf Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch wirksame


Befristungsabrede zum 4.9.2018 beendet worden sei.

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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

LAG Düsseldorf, Urteil v. 9.3.2019, 3 Sa 1126/18: Vom Arbeitgeber bezahlte


Dienstreise erhöht die Beschäftigungsdauer

Ergebnis: Das LAG hat entschieden, dass die sachgrundlose Befristung des
Arbeitsvertrags unwirksam ist, weil die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene
Höchstdauer von 2 Jahren um einen Tag überschritten wurde.

Die Dienstreise des Klägers am 4.9.2016 ist bereits als Arbeitszeit anzusehen.

Das LAG begründet dies damit, dass die einvernehmliche und vom Arbeitgeber bezahlte
Dienstreise nicht zur Freizeit des Klägers zählt, sondern innerhalb des
Arbeitsverhältnisses erbracht wurde.

©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule


Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG

LAG Düsseldorf, Urteil v. 9.3.2019, 3 Sa 1126/18: Vom Arbeitgeber bezahlte


Dienstreise erhöht die Beschäftigungsdauer

Sie ist Teil der arbeitsvertraglich versprochenen Dienste i. S. v. § 611 Abs. 1 BGB,
sodass das Arbeitsverhältnis nicht erst am 5.9.2016, sondern bereits am 4.9.2016
begonnen hatte.

Somit endete der in § 14 Abs. 2 TzBfG vorgeschriebene maximale 2-Jahres-Zeitraum


mit Ablauf des 3.9.2018, sodass diese Höchstdauer überschritten wurde.

Nach Ansicht des LAG ist es auch unerheblich, dass die Dauer nur um einen Tag
überschritten wurde.

Hinweis: Das LAG hat die Revision zum BAG zugelassen.

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Urlaubsrecht

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BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17: Kein Urlaub während des Urlaubs

Bislang: Urlaubsansprüche entstehen auch während eines ruhenden


Arbeitsverhältnisses.

Begründung: "Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist nach dem


Bundesurlaubsgesetz allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung.
Der Urlaubsanspruch nach den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG steht nicht unter der Bedingung,
dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht hat

Für einen Urlaubsanspruch war allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses


relevant. Ob und wie viel der Arbeitnehmer im Kalenderjahr tatsächlich gearbeitet hatte,
war ohne Bedeutung.

Für das BAG war entscheidend, dass das BUrlG keine Quotelung oder
Umrechnungsformel vorsah (BAG, Urt. v. 06.05.2014, Az. 9 AZR 678/129).

Die Frage, wovon sich der Arbeitnehmer im ruhenden Arbeitsverhältnis erholen sollte,
stellte sich das BAG nicht.
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BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17: Kein Urlaub während des Urlaubs

Bislang: auch anteilige Kürzungen des gesetzlichen Mindesturlaubs für Zeiten des
ruhenden Arbeitsverhältnisses, wie es einige Tarifverträge (§ 26 TVöD/TV-L!) vorsehen,
lehnte das BAG ab.

Der gesetzliche Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG beruhe auf dem europarechtlich
garantierten Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub von mindestens
vier Wochen, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 (Arbeitszeitrichtlinie) und sei daher
unabdingbar.

©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule


BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17: Kein Urlaub während des Urlaubs

Nunmehr: Arbeitet ein Arbeitnehmer wegen eines vertraglich vereinbarten


Sonderurlaubs in einem Kalenderjahr durchgehend nicht, so entsteht auch kein
Anspruch auf Erholungsurlaub (BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17).

Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG
nach dem maßgeblichen Arbeitsrhythmus:

➢ So besteht ein Anspruch auf 24 Urlaubstage, wenn der Arbeitnehmer an sechs Tagen
pro Woche arbeitet.

➢ Beinhaltet der Arbeitsrhythmus eine Fünftagewoche, beläuft sich der


Urlaubsanspruch auf 20 Tage.

Die Anzahl der Urlaubstage verringert sich entsprechend, wenn sich die
Arbeitszeit auf weniger Tage in der Kalenderwoche verteilt. Liegt die Anzahl der
wöchentlichen Arbeitstage bei Null, entsteht auch kein Urlaubsanspruch.

©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule


BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17: Kein Urlaub während des Urlaubs

Achtung: Auf andere ruhende Arbeitsverhältnisse nicht uneingeschränkt


übertragbar!

So eindeutig das Urteil des BAG auch sein mag: Es wäre voreilig, die Umrechnung von
Arbeitstagen in Urlaubstage auch auf andere Fälle eines ruhenden Arbeitsverhältnisses
anzuwenden (z. B. bei lang andauernder AU!!).

Die Besonderheit liegt darin, dass der Sonderurlaub zwischen den Vertragspartnern
vereinbart war und die Hauptleistungspflichten einvernehmlich ausgesetzt waren.

©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule


BAG Urt. v. 24.09.2019, 9 AZR 481/18 Kein Urlaub während der Freistellungsphase
der ATZ (Blockmodell)

SV: Zwischen AG und AN bestand ein Vollzeitarbeitsverhältnis auf der Basis einer 40-
Stunden-Woche.

2014 wird ein Altersteilzeitvertrag geschlossen, beginnend ab 1.12.2014. Danach endet


das Arbeitsverhältnis -ohne Kündigung- am 31.7.2017.

Die Arbeitszeit wird um die Hälfte reduziert, mithin auf 20 Wochenstunden


(Blockmodell).

Die Arbeitszeit wird so verteilt, dass der Arbeitnehmer vom 1.12.2014 bis 31.03.2016 in
Vollzeit arbeitet (Arbeitsphase) und vom 1.4.2016 bis 31.7.2017 von der
Arbeitsleistung freigestellt ist (Freistellungsphase).

©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule


BAG Urt. v. 24.09.2019, 9 AZR 481/18 Kein Urlaub während der Freistellungsphase
der ATZ (Blockmodell)

SV: Zum Urlaub wurde vereinbart, dass dieser 30 Arbeitstage im Jahr beträgt.

Im Jahr des Wechsels zwischen Arbeits- und Freistellung erhielt der Arbeitnehmer den
Urlaub anteilig für die Arbeitsphase gewährt. Mit Eintritt in die Freistellungsphase sind
alle Urlaubsansprüche aus diesem Teil erfüllt.

Bezahlt wurde der Kläger während der gesamten Altersteilzeit auf der Basis von 20
Stunden zuzüglich der Aufstockungsbeträge. Somit wurden für den Zeitraum 1.01.2016
bis 31.03.2016 insgesamt 8 Tage Urlaub gewährt.

Der Kläger möchte die Abgeltung für nicht genommenen Urlaub für die restlichen 22
Tage aus dem Jahre 2016 und weitere 30 Tage für das Jahr 2017.

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BAG Urt. v. 24.09.2019, 9 AZR 481/18 Kein Urlaub während der Freistellungsphase
der ATZ (Blockmodell)

Ergebnis: wie vor

➢ Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt jährlich 24 Werktage, So besteht ein


Anspruch auf 24 Urlaubstage, wenn der Arbeitnehmer an sechs Tagen pro Woche
arbeitet/ 20 Tage bei einer 5-Tage-Woche.

➢ Die Freistellungsphase ist bei der Berechnung mit "null" Arbeitstagen in Ansatz zu
bringen.

➢ Beinhaltet der Arbeitsrhythmus jedoch eine „0-Tage-Woche“, so ergeben sich im


Endeffekt 0 Urlaubstage

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BAG Urt. v. 24.09.2019, 9 AZR 481/18 Kein Urlaub während der Freistellungsphase
der ATZ (Blockmodell)

Ergebnis: wie vor

Einem Arbeitnehmer, der sich in der Freistellungsphase eines


Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befindet und im gesamten Kalenderjahr von der
Arbeitspflicht entbunden ist, steht mangels Arbeitspflicht kein gesetzlicher Anspruch auf
Erholungsurlaub zu.

Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase im Verlauf des
Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der
Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden.

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BAG, Urteil vom 19.03.2019; Az: 9 AZR 362/18: Kürzung des Urlaubsanspruchs nach
BEEG zulässig

SV: Eine Arbeitnehmerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2016.

Von Januar 2013 bis Dezember 2015 befand sie sich durchgehend in Elternzeit.

Mit der Kündigung beantragte sie Urlaub für den Zeitraum der Kündigungsfrist - unter
Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche. Der
Arbeitgeber erteilte ihr Urlaub, ohne den auf die Elternzeit entfallenden Urlaub zu
berücksichtigen. AG hat Kürzung bei der Gewährung von EZ bereits angekündigt.

Die Arbeitnehmerin klagte daraufhin vor Gericht auf Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen
Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit.

Fraglich: Kürzung des europarechtlich garantierten Mindesturlaubs zulässig?

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BAG, Urteil vom 19.03.2019; Az: 9 AZR 362/18: Kürzung des Urlaubsanspruchs nach
BEEG zulässig

Ergebnis: Die Arbeitnehmerin hatte mit ihrer Klage keinen Erfolg.

Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin aus
den Jahren 2013-2015, in denen sie sich in Elternzeit befand, rechtmäßig gemäß § 17
Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel
gekürzt habe.

Die Richter wiesen in ihrem Urteil darauf hin, dass das Kürzungsrecht des Arbeitgebers,
die Abgabe einer darauf gerichteten empfangsbedürftigen rechtsgeschäftlichen
Erklärung erfordert (Hinweis: vorab mit „Gewährung“ der Elternzeit bereits dem AN
mitteilen!).

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BAG, Urteil vom 19.03.2019; Az: 9 AZR 362/18: Kürzung des Urlaubsanspruchs nach
BEEG zulässig

Ergebnis:

Der Arbeitgeber müsse also für den Arbeitnehmer erkennbar erklären, dass er den
Urlaub in der Elternzeit kürzen möchte.

Das BAG stellte in seiner Urteilsbegründung auch fest, dass das Kürzungsrecht des
Arbeitgebers nicht nur den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch den
vertraglichen oder tarifvertraglich vereinbarten Mehrurlaub erfasse - immer
vorausgesetzt, dass die Arbeitsvertragsparteien keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG
abweichende Regelung für diesen vereinbart hätten.

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BAG, Urteil vom 19.03.2019; Az: 9 AZR 362/18: Kürzung des Urlaubsanspruchs nach
BEEG zulässig

Praxishinweis:

Bei Beendigung des AV zum Ende der Elternzeit hin wandelt sich der Urlaubs- in einen
reinen (finanziellen) Abgeltungsanspruch.

Das BAG war bislang der Auffassung, dass die Kürzungserklärung auch noch nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben werden könne (vgl. BAG,
23.04.1996 – 9 AZR 165/95; BAG, 28.07.1992 – 9 AZR 340/91.

Das BAG hat bereits 2015 entschieden, dass § 17 Abs. 1 BEEG auf den
Urlaubsabgeltungsanspruch keine Anwendung findet (BAG, 19.05.2015 – 9 AZR
725/13).

Diese Änderung der Rechtsprechung beruht darauf, dass der Anspruch auf
Urlaubsabgeltung nach neuerer Ansicht des BAG ein reiner Geldanspruch und nicht
mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs ist.
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BAG, Urteil vom 19.03.2019; Az: 9 AZR 362/18: Kürzung des Urlaubsanspruchs nach
BEEG zulässig

Praxishinweis:

Ist der Geldanspruch erst entstanden, bildet er einen Teil des Vermögens des
Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen
Zahlungsansprüchen.

Dieser selbständige Geldanspruch kann nicht gekürzt werden!

Wird das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit durch Aufhebungsvertrag oder im


Anschluss durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet (vgl. § 19 BEEG), können
Arbeitgeber nur

➢ während der einzuhaltenden Kündigungsfrist oder


➢ vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags

von ihrer Kürzungsbefugnis Gebrauch machen.


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BAG, Urteil vom 19.03.2019; Az: 9 AZR 362/18: Kürzung des Urlaubsanspruchs nach
BEEG zulässig

Praxishinweis:

§ 16 Abs. 1 BEEG: „Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin die
Elternzeit zu bescheinigen“

Daher Hinweis an den Arbeitnehmer bereits bei „Gewährung“ der Elternzeit, dass die
Kürzungsmöglichkeit durch den AG in Anspruch genommen wird!

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BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 45/16 : Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Mindesturlaub und Zusatzurlaub für Schwerbehinderte

SV: Die Kl. ist Alleinerbin ihres am 20.12.2010 verstorbenen Ehemanns (Erblasser).

Dieser war bis zu seinem Tod bei der Bekl. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39
Stunden in einer Fünftagewoche beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
Anwendung

Der Erblasser wurde im Dezember 2010 rückwirkend zum 18.8.2010 als


schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Einschließlich eines zeitanteiligen Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen hatte


er vor seinem Tod für das Jahr 2010 einen Resturlaubsanspruch von 25 Arbeitstagen.

Die Kl. verlangte von der Bekl. den dem Erblasser vor seinem Tod zustehenden Urlaub
abzugelten.
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BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 45/16 : Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Mindesturlaub und Zusatzurlaub für Schwerbehinderte

Ergebnis:

Bei richtlinienkonformer Auslegung der BUrlG steht den Erben eines im laufenden
Arbeitsverhältnis verstorbenen Arbeitnehmers nach § 1922 BGB
(Gesamtrechtsnachfolge) iVm. § 7 BUrlG ein Anspruch auf Abgeltung des von diesem
nicht genommenen gesetzlichen Erholungsurlaubs zu.

Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist die Vergütungskomponente des Anspruchs auf


bezahlten Jahresurlaub fest mit dem Freistellungsanspruch verbunden.

Endet das Arbeitsverhältnis, erlischt der Freistellungsanspruch; die


Vergütungskomponente wird durch § 7 Abs. 4 BUrlG als spezialgesetzliche Regelung
des Leistungsstörungsrechts in der Gestalt des Abgeltungsanspruchs selbstständig
aufrechterhalten.

©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule


BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 45/16 : Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Mindesturlaub und Zusatzurlaub für Schwerbehinderte

Ergebnis:

Der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX teilt das
rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs; auch er ist gegenüber den
Erben abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers endet

Die Grundsätze über die Vererbbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers gelten auch für einen
tariflichen Mehrurlaub, soweit ein TV keine anderslautenden Regelungen beinhaltet
(so nicht § 26 TVöD, § 26 TV-L)

©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule


BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 149/17: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Wirkung einer tariflichen Ausschlussfrist

SV: Die Kl. verlangt von der Bekl., Urlaubsansprüche ihres verstorbenen Ehemanns aus
den Jahren 2012 und 2013 abzugelten.

Die Kl. ist Erbin ihres am 22.9.2013 nach einer lang andauernden Erkrankung
verstorbenen Ehemanns (Erblasser). Dieser war bis zu seinem Tod bei der Bekl. auf
Grundlage des TVöD Beschäftigter beim Wasser- und Schifffahrtsamt in K.

Der Erblasser wurde mit Wirkung zum 1.12.2012 mit einem Grad der Behinderung von
100 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Zum Zeitpunkt seines Todes am 22.9.2013 stand ihm für das Jahr 2012 noch ein
Arbeitstag Erholungsurlaub zu. Für das Jahr 2013 hatte er Anspruch auf 20 Arbeitstage
Erholungsurlaub, vier Arbeitstage tariflichen Zusatzurlaub und drei Arbeitstage
Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen.

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BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 149/17: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Wirkung einer tariflichen Ausschlussfrist

SV: Am 1.10.2013 wandte sich die Kl. an die Bekl. und bat im Rahmen eines
persönlichen Gesprächs mit dem Sachbearbeiter um Abgeltung der offenen
Urlaubsansprüche des Erblassers.

Am 7.10.2013 wiederholte sie diese Bitte telefonisch gegenüber dem Sachbearbeiter


und bat gegebenenfalls um schriftliche Erläuterung der Ablehnung.

Die Bekl. teilte der Kl. mit Schreiben vom 9.10.2013 unter Bezugnahme auf die
Entscheidung des BAG vom 20.09.2011 mit, die Abgeltung von Urlaub setze voraus,
dass der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch lebe. Als
höchstpersönlicher Anspruch sei der Urlaubsanspruch nicht vererbbar.

Mit Schreiben vom 06.01.2015 und Anwaltsschreiben vom 26.02.2015 verlangte sie
nochmals mit Verweis auf das EuGH-Urteil Abgeltung. Die Kl. erhob sodann am
30.07.2015 vor dem Arbeitsgericht Zahlungsklage hinsichtlich ihrer
Abgeltungsansprüche für insgesamt 28 Urlaubstage.
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BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 149/17: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Wirkung einer tariflichen Ausschlussfrist

Ergebnis: Der Anspruch der Kl.  auf Abgeltung der Urlaubsansprüche des Erblassers
aus den Jahren 2012 und 2013 ist gem. §37 TVöD verfallen. Der UA ist
zwargrundsätzlich abzugelten, aber nach § 37 TVöD bereits verfallen.

§ 37 TVöD erfasst „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“. Zu diesen gehört -aufgrund


fehlender sachlicher Einschränkungen- der tariflichen Ausschlussfrist u.a. auch der
Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann auch als reiner Geldanspruch einer tariflichen
Ausschlussfrist unterliegen.

Die Kl. hatte die tarifliche Ausschlussfrist des TVöD zu beachten, obwohl sie nicht in
einem Arbeitsverhältnis zur Bekl. stand und selbst nicht tarifgebunden ist. Dies folgt aus
dem Grundsatz der Universalsukzession, § 1922 BGB.

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BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 149/17: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Wirkung einer tariflichen Ausschlussfrist

Ergebnis: Die Ausschlussfrist begann mit Fälligkeit des Anspruchs am 23.9.2013 zu


laufen.

Der Abgeltungsanspruch entsteht mit der rechtlichen Beendigung des


Arbeitsverhältnisses (und dem Wegfall des Abgeltungsverbots). Er wird grundsätzlich
gleichzeitig fällig.

Mit den innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 37 TVöD am 1. und 7.10.2013 an die
Mitarbeiter der Bekl. gerichteten mündlichen Aufforderungen, die Bekl. möge den
Urlaub des Erblassers an sie abgelten, wahrte die Kl. die tarifliche Ausschlussfrist nicht.
Der Tarifvertrag verlangt eine schriftliche (ggf. Textform) Geltendmachung.

Zum Zeitpunkt der schriftlichen Geltendmachung durch die Kl. mit Schreiben vom 6.1.
und 26.2.2015 war der Anspruch bereits verfallen.

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SGB IX

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LAG Berlin-Brandenburg, Urt. V. 12.02.2019, 21 Sa 1643/17: schwerbehinderte
Bewerber sind auch bei internen Stellenausschreibungen einzuladen

Grundsatz: schwerbehinderte Bewerber sind zum VSG einzuladen, soweit sie nicht
„offensichtlich ungeeignet“ sind, § 165 Satz 2 SGB IX.

SV: Schwerbehinderter Kläger hat sich auf zwei intern ausgeschriebene Stellen der BA
mit identischem Anforderungsprofil beworben. Eine Stelle war in Berlin zu besetzen,
eine in Cottbus.

Die Behörde lud den Kläger für die Stelle in Berlin zum Vorstellungsgespräch. Für
Cottbus erhielt er jedoch keine Einladung.

Als der schwerbehinderte Mann für beide Stellen eine Absage erhielt, verlangte er eine
Diskriminierungsentschädigung nach dem AGG. Als öffentlicher Arbeitgeber sei die BA
verpflichtet gewesen, ihn für jede zu besetzende Stelle zum Vorstellungsgespräch
einzuladen.

Dies gelte auch für intern ausgeschriebene Stellen mit demselben


Anforderungsprofil.
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LAG Berlin-Brandenburg, Urt. V. 12.02.2019, 21 Sa 1643/17: schwerbehinderte
Bewerber sind auch bei internen Stellenausschreibungen einzuladen

Ergebnis: Durch die unterbliebene Einladung für die Cottbuser Stelle sei der Kläger
wegen seiner Behinderung benachteiligt worden.

Ihm stehe daher eine Diskriminierungsentschädigung zu.

Entschließe sich ein öffentlicher Arbeitgeber zur Durchführung von Auswahlgesprächen,


müssten geeignete schwerbehinderte Bewerber immer eingeladen werden, auch wenn
die Stelle nur intern ausgeschrieben wurde.

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LAG Berlin-Brandenburg, Urt. V. 12.02.2019, 21 Sa 1643/17: schwerbehinderte
Bewerber sind auch bei internen Stellenausschreibungen einzuladen

Ergebnis: Bei Mehrfachbewerbungen um Stellen mit identischem Anforderungsprofil


müsse grundsätzlich für jede Bewerbung ein Auswahlgespräch geführt werden.

Ausnahme: Das Auswahlverfahren und die Personen der Auswahlkommission sind


identisch, und zwischen den jeweiligen Auswahlentscheidungen liegen nur wenige
Wochen (Revision zugelassen).

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LAG Berlin-Brandenburg, Urt. V. 12.02.2019, 21 Sa 1643/17: schwerbehinderte
Bewerber sind auch bei internen Stellenausschreibungen einzuladen

Bereits 2013 hatte das BAG entschieden, dass öffentliche Arbeitgeber sämtliche
schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, wenn
diese vom Anforderungsprofil her für die Stelle infrage kommen (AZ: 8 AZR 188/12).

Diese Pflicht gelte auch bei sehr vielen behinderten Bewerbern. Das Gesetz gebe
„dem einzelnen schwerbehinderten Bewerber einen Individualanspruch auf Einladung zu
einem Vorstellungsgespräch“.

Die Pflicht öffentlicher Arbeitgeber zur Einladung zum Bewerbungsgespräch gilt nach
einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vom
09.09.2015 auch dann, wenn der schwerbehinderte, fachlich geeignete Bewerber einen
schriftlichen Eignungstest nicht bestanden hat (AZ: 3 Sa 36/15).

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LAG Berlin-Brandenburg, Urt. V. 12.02.2019, 21 Sa 1643/17: schwerbehinderte
Bewerber sind auch bei internen Stellenausschreibungen einzuladen

Handelt es sich dagegen um eine ausgeschriebene Stelle nur für behinderte


Menschen, besteht nach einem Urteil des AG Ulm vom 02.08.2016 keine
Verpflichtung zur Einladung aller geeigneten schwerbehinderten Stellenbewerber (AZ:
5 Ca 86/16).

Das Indiz einer Benachteiligung wegen der Behinderung greife nicht, wenn behinderte
Bewerber eingestellt werden sollen, so die Richter im Streit um die Besetzung der Stelle
eines kommunalen Behindertenbeauftragten.

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LAG Schleswig-Holstein, Urt. V. 18.12.2018, 1 Sa 26 öD/18: Keine Einladungspflicht
schwerbehinderter Bewerber bei gestuften Ausschreibungsverfahren

Wird eine Stelle im öffentlichen Dienst intern und (nur bei nicht erfolgreicher Besetzung)
extern ausgeschrieben (sog. „gestuftes Ausschreibungsverfahren“) und konnte die Stelle
bereits intern besetzt werden, so muss auch ein externer schwerbehinderter Bewerber
nicht mehr eingeladen werden.

Eine Einladungspflicht nach § 165 SGB IX besteht in solch einer Konstellation


gerade nicht.

Es liegt keine Diskriminierung vor, wenn ein Bewerber das Kriterium „interner
Beschäftigter“ nicht erfüllt.

Eine Stellenausschreibung kann unter den Vornehalt gestellt werden, dass


externe Bewerber nur zum Zuge kommen, wenn sich kein interner geeigneter
Kandidat findet.

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BAG, Beschluss vom 22.01.2020 - 7 ABR 18/18: Keine Beteiligung der
Schwerbehindertenvertretung bei Angelegenheiten nicht gleichgestellter
behinderter Menschen

SV: Ein Jobcenter setzte die Arbeitnehmerin im November 2015 für die Dauer von sechs
Monaten in ein anderes Team um, ohne zuvor die Schwerbehindertenvertretung
unterrichtet und angehört zu haben.

Mit Bescheid vom 21. April 2016 stellte die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitnehmerin
rückwirkend zum 4. Februar 2015 einem schwerbehinderten Menschen gleich.

Die Schwerbehindertenvertretung hat geltend gemacht, der AG habe sie vorsorglich


auch dann zu unterrichten und anzuhören, wenn behinderte Arbeitnehmer, die
einen Gleichstellungsantrag gestellt und dies dem AG mitgeteilt haben, auf einen
anderen Arbeitsplatz umgesetzt werden sollen.

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BAG, Beschluss vom 22.01.2020 - 7 ABR 18/18: Keine Beteiligung der
Schwerbehindertenvertretung bei Angelegenheiten nicht gleichgestellter
behinderter Menschen

Ergebnis: Die Beteiligungspflicht bei Umsetzungen besteht demnach nicht, wenn die
Umsetzung einen behinderten Arbeitnehmer betrifft, der lediglich einen Antrag auf
Gleichstellung gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist – selbst wenn dies dem
AG bekannt ist.

Die Gleichstellung erfolgt erst durch die konstitutiv wirkende Feststellung der
Bundesagentur für Arbeit. Erst ab diesem Zeitpunkt besteht das Beteiligungsrecht
der Schwerbehindertenvertretung (bei der Umsetzung).

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BAG, Beschluss vom 22.01.2020 - 7 ABR 18/18: Keine Beteiligung der
Schwerbehindertenvertretung bei Angelegenheiten nicht gleichgestellter
behinderter Menschen

Ergebnis: Zwar wirkt die Gleichstellung nach § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf den Tag
der Antragstellung zurück, dies begründet jedoch nicht die Verpflichtung des
Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung vor der Entscheidung über den
Gleichstellungsantrag vorsorglich über eine Umsetzung zu unterrichten und zu dieser
anzuhören.

M.E.: Anhörung ohne Rechtsgrund (Gleichstellung) und entsprechender (gesetzlicher)


Ermächtigung der SBV auch datenschutzrechtlich bei „freiwilliger Beteiligung“ kritisch –
Weitergabe persönlicher Daten!

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Kündigungsrecht

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

SV: Die Klägerin ist bei der beklagten Gewerkschaft als Verwaltungsangestellte
beschäftigt. Sie ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Die Klägerin ist alkoholabhängig. In den letzten 4,15 Kalenderjahren ihrer Anstellung
war sie an 983 Tagen krankheitsbedingt arbeitsunfähig, mithin durchschnittlich 236
Tage pro Jahr.

In dieser Zeit führte die Klägerin einige Entwöhnungsversuche durch, die sie entweder
frühzeitig abbrach oder sie bald wieder rückfällig wurde.

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

SV: Die auf Basis der "Gesamtbetriebsvereinbarung zur Betrieblichen Suchtprävention


und Suchthilfe" (GBV Sucht) geplanten Gespräche fanden größtenteils nicht statt, da die
Klägerin entweder nicht erschien oder kurzfristig abgesagt hatte.

Einige Monate vor der außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist der
Beklagten, der zwei Abmahnungen zuvorgekommen waren, lieferte der Sohn der
Klägerin diese wegen Alkoholmissbrauchs in eine Klinik ein.

Die Klägerin war in den letzten 4,15 Jahren vor ihrer Kündigung 16 Mal stationär im
Krankenhaus aufgenommen worden.

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

Ergebnis: Die Kündigung der Klägerin ist gem. § 626 BGB wirksam.

Eine außerordentliche Kündigung kann nach ständiger Rechtsprechung auch i.R.d. §


626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sein.

In Ausnahmefällen kommt eine außerordentliche Kündigung in Betracht, etwa wenn die


ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher (TVöD TG West!) oder
einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist.

Allerdings muss dann zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend eine der fiktiven
ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende soziale Auslauffrist eingehalten werden.

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

Ergebnis: Die Wirksamkeit einer Kündigung ist im bekannten 3 Stufen Schema zu


prüfen.

Auf der 1. Stufe ist eine negative Gesundheitsprognose erforderlich, wobei


vergangene Erkrankungen indizielle Bedeutung haben.

Im Rahmen der 2. Stufe müssen die prognostizierten Fehlzeiten geeignet sein, eine
krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn sie zu einer
erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen.

Zuletzt ist auf 3. Stufe zu prüfen, ob die Beeinträchtigung vom Arbeitgeber


billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

Ergebnis:

Bezüglich der 1. Stufe ist festzustellen, dass die Klägerin über die vergangenen 4,15
Kalenderjahre hinweg durchschnittlich 236 von 261 Tagen krankheitsbedingt
arbeitsunfähig war.

Dieser Wert ist prognosefähig, da die Klägerin nicht geltend machte, dass ihre
Krankheit ausgeheilt sei oder eine Therapie begonnen habe, bei der nunmehr
davon auszugehen sei, dass die Alkoholsucht nicht mehr auftreten werde

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

Ergebnis:

Es besteht weiterhin eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen


(2. Stufe) der Beklagten.

Bei einem Umfang von ca. 10% der möglichen Arbeitstage mit absteigender
Tendenz ist das Arbeitsverhältnis sinnentleert und es ist völlig unvorhersehbar, wann die
Klägerin eine Arbeitsleistung erbringen kann.

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

Ergebnis:

Die Interessenabwägung (3. Stufe) ist auch zulasten der Klägerin vorzunehmen.

Hierbei sind zu Gunsten der Klägerin vor allem ihr


➢ hohes Lebensalter,
➢ die lange Betriebszugehörigkeit,
➢ die Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person und die
➢ Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt insbesondere als Alkoholikerin

zu berücksichtigen.

Demgegenüber ist jedoch das Interesse der Beklagten als höher einzuschätzen,
jedenfalls ein sinnvolles Arbeitsverhältnis durchzuführen zu können.

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

Ergebnis:

Es kann dem AG nicht zugemutet werden, bis zum Renteneintritt ein Arbeitsverhältnis
fortzusetzen, von dem er praktisch nichts hat.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin insgesamt die Möglichkeit hatte,
nicht nur mit einer Entwöhnungsmaßnahme, sondern mit insgesamt 3
Entwöhnungsmaßnahmen ihre Alkoholsucht zu bekämpfen.

Künftig ist zudem eher mit größeren Schwierigkeiten als mit einer abnehmenden
Tendenz zu rechnen.

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LAG Berlin-Brandenburg Urteil v. 24.7.2019 - 15 Sa 2498/18: Außerordentliche
Kündigung gem. § 626 BGB wegen jahrelanger Alkoholerkrankung

Ergebnis:

Eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist gem. § 626 BGB kann
gerechtfertigt sein, wenn eine
1. negative Gesundheitsprognose vorliegt,
2. aufgrund der Krankheit (hier: eine Alkoholerkrankung) der Arbeitnehmerhin die
prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der
betrieblichen Interessen führen werden und
3. infolge der gebotenen Interessenabwägung die Beeinträchtigung vom
Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.

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LAG Köln Urteil v. 6.9.2018 - 6 Sa 64/18 : Unwirksamkeit der Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses wegen vieler Einzelverstöße

SV: Der Kläger ist bei der Beklagten, ein Servicedienstleistungsunternehmen,


beschäftigt.

Der Kläger hat Vertrauensarbeitszeit, womit er keine festen Arbeitszeiten hat.

Ein Meeting mit unter anderen der Teamleiterin sagte er allerdings erst eine Minute vor
Beginn des Meetings krankheitsbedingt ab. Laut der Beklagten häuften sich ähnliche
Vergehen, wie insbesondere das Ignorieren von Anweisungen und das
Nachgehen einer Nebentätigkeit ohne Genehmigung.

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LAG Köln Urteil v. 6.9.2018 - 6 Sa 64/18 : Unwirksamkeit der Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses wegen vieler Einzelverstöße

SV: Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.

In Gesamtschau bestehe durch die einzelnen kleineren Pflichtverletzungen eine


Situation, in der es ihr nicht mehr zumutbar ist, weiter mit dem Kläger zu arbeiten.

Mit Klage vor dem Arbeitsgericht beantragte der Kläger insbesondere die Feststellung,
dass die Kündigung unwirksam sei.

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LAG Köln Urteil v. 6.9.2018 - 6 Sa 64/18 : Unwirksamkeit der Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses wegen vieler Einzelverstöße

Ergebnis: Die Kündigung ist unwirksam. Sie ist sowohl als fristlose Kündigung mangels
wichtigen Grundes als auch als ordentliche Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung
unverhältnismäßig.

Bei vielen Einzelverstößen, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen
können, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem
Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte.

Die Dokumentationsfunktion der Abmahnung hat gerade zum Gegenstand, dem


Arbeitnehmer zu signalisieren, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.

Kommt aber dieses Signal vom Arbeitgeber nicht, kann dem Arbeitnehmer nicht
vorgeworfen werden, er hätte bei dem jeweiligen Pflichtverstoß Nummer wissen
müssen, dass nunmehr auch ohne vorherige Abmahnung arbeitsrechtliche
Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen.

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LAG Köln Urteil v. 6.9.2018 - 6 Sa 64/18 : Unwirksamkeit der Kündigung eines
Arbeitsverhältnisses wegen vieler Einzelverstöße

Ergebnis: Auflösungsantrag gem. § 9 KSchG

Gründe, die gem. § 9 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen


können, sind vorliegend nicht ersichtlich.

Der Auflösungsantrag erfordert im Vergleich mit der gescheiterten Kündigung eine


zusätzliche Begründung.

Es ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar, dass Gründe, die für eine Kündigung des
Arbeitsverhältnisses nicht ausreichen, dann jedoch als erheblich genug
angesehen werden, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG zu
rechtfertigen.

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BAG Urt. v. 11.12.2019, Az. 5 AZR 505/18: Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit ist
auch bei neuer Krankheit grundsätzlich auf sechs Wochen beschränkt.

SV: Kl. war eine Altenpflegerin aus Niedersachsen. Sie war im Jahr 2017 zunächst gut
drei Monate wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig.

Am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit bescheinigte ihr eine andere Ärztin wegen einer
für den nächsten Tag geplanten Operation als "Erstbescheinigung" eine weitere
Arbeitsunfähigkeit.

Diese dauerte rund sechs Wochen, in denen die Frau weder Entgeltfortzahlung vom
Arbeitgeber noch Krankengeld einer Krankenkasse erhielt.

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BAG Urt. v. 11.12.2019, Az. 5 AZR 505/18: Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit ist
auch bei neuer Krankheit grundsätzlich auf sechs Wochen beschränkt.

SV: Mit ihrer Klage verlangte sie rund 3.400 Euro brutto nebst Zinsen vom AG.

Sie sei wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig gewesen, die Arbeitsunfähigkeit
wegen ihrer psychischen Erkrankung sei bereits beendet gewesen.

Ihr Arbeitgeber sah das anders und vertrat die Auffassung, dass von einem
einheitlichen Verhinderungsfall auszugehen sei.

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BAG Urt. v. 11.12.2019, Az. 5 AZR 505/18: Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit ist
auch bei neuer Krankheit grundsätzlich auf sechs Wochen beschränkt.

Ergebnis: der Senat gab dem AG Recht und bestätigte ein vorangegangenes Urteil des
LAG Niedersachsen.

"Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem
zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere
Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen,
dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren
Arbeitsverhinderung geendet hatte„ (Mitteilung BAG).

Dies sei der Klägerin aber nicht gelungen.

Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit ist auf sechs Wochen beschränkt. Wer sich
im Anschluss daran erneut krankschreiben lässt, muss laut BAG im Streitfall
beweisen, dass die alte Krankheit bereits überwunden war.

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BAG Beschluss v. 06.03.2020, Az. 08-15/20 : Zu viel Urteile in einer Tagung an einem
Freitag vor Dienstende sind unzumutbar (EV)

SV: Vortragender quälte Teilnehmende mit zu vielen Urteilen, und das an einem Freitag!

Antragsteller: irgendwann geht nichts mehr in den Kopf rein, man hat Hunger & freut
sich auf das Wochenende.

Antragsgegner: unstrittig.

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Ergebnis:

Vielen herzlichen Dank


für ihre Aufmerksamkeit & ein schönes
Wochenende!

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme im kommenden Jahr!

Tobias Thauer
www.tvs-weimar.de
tthauer@vsweimar.thueringen.de

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