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06.03.2020
Tobias Thauer
Personalleiter
Thüringer Verwaltungsschule
www.tvs-weimar.de
tthauer@vsweimar.thueringen.de
tobias.thauer@outlook.com
Befristungsrecht
➢ Die
✓ Verhinderung von Kettenbefristungen und die
✓ Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als
Regelbeschäftigungsform trägt der Pflicht des Staates zum Schutz der
„strukturell unterlegenen Beschäftigten“ im Arbeitsverhältnis Rechnung
➢ Allerdings gilt dies nur, soweit die Beschäftigten nach Art und Umfang der
Vorbeschäftigung tatsächlich des Schutzes vor Kettenbefristungen bedürfen und
andernfalls das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform gefährdet
wäre
©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule
Bekannt: Beschluss vom 6. Juni 2018 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14
ABER:
Unzumutbar ist ein generelles Verbot lt. BVerfG der erneute sachgrundlosen
Befristung, wenn:
BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17: 22 Jahre sind eine sehr lange Zeit
SV: Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom 22.10.1991 bis zum 30.11.1992 ein
Arbeitsverhältnis bei der BA.
Aufgaben:
➢ Tätigkeit als Hilfssachbearbeiterin für Kindergeld, v.a.
➢ entscheidungsreife Bearbeitung von Kindergeldanträgen
➢ einfacher Schriftverkehr sowie
➢ Erteilung von telefonischen Auskünften in Kindergeldangelegenheiten
Aufgaben:
➢ Tätigkeit als Telefonserviceberaterin im Servicecenter
BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17 22 Jahre sind eine sehr lange Zeit
Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der
erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine
Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden.
BAG, Urt. v. 21.8.2019 – 7 AZR 452/17 22 Jahre sind eine sehr lange Zeit
Begründung: Nach der Entscheidung des BVerfG genügt es zwar nicht, dass die
Vorbeschäftigung lang zurückliegt, sie muss vielmehr sehr lang zurückliegen.
➢ Das ist bei mehr als 22 Jahren regelmäßig anzunehmen, sofern nicht besondere
Umstände dennoch eine Anwendung des Verbots erfordern.
Dafür, dass ein Zeitraum von 22 Jahren als sehr lang im Sinne der Rechtsprechung des
BVerfG anzusehen ist, spricht auch die ebenfalls den Bestandsschutz betreffende
Regelung des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB, nach der die längste Kündigungsfrist nach einer
Dauer von 20 Jahren greift.
M. E. kritisch zu betrachten!
SV: Die Parteien schlossen unter dem 22./28. Mai 2014 einen AV, wonach der Kläger in
der Zeit vom 01.10.2014 bis 30.09.2015 als „Medizinischer Präparator/Medizinischer
Sektionsassistent“ beschäftigt werden sollte.
Aufgrund der Erkrankung eines ihrer Mitarbeiter bat die Beklagte den Kläger, seine
Tätigkeit bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufzunehmen.
Mit Änderungsvertrag vom 01.08.2014 vereinbarten die Parteien, dass der Kläger
bereits ab dem 14.07.2014 befristet bis zum 13.07.2015 beschäftigt wird.
Mit weiteren Änderungsvertrag vom 13. März 2015 verlängerten sie die Vertragslaufzeit
nochmals bis zum 31. Januar 2016.
Kläger hat die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht und die Auffassung
vertreten, die Befristung sei nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt, da zwischen
den Parteien aufgrund des Vertragsschlusses vom 22./28. Mai 2014 bereits vor dem 1.
August 2014 ein Arbeitsverhältnis iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestanden habe
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die
Befristung bis zum 31. Januar 2016 sei nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG gerechtfertigt.
Der nicht in Vollzug gesetzte Arbeitsvertrag vom 22./28. Mai 2014 sei keine
Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.
Daher steht § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG der Vereinbarung einer Befristung ohne
Sachgrund nicht entgegen, wenn die Laufzeit eines von den Vertragsparteien zuvor
geschlossenen Arbeitsvertrags noch nicht begonnen hat.
SV: Der 1985 geborene Kl. war bei der Bekl. in der Zeit vom 26.7.2004 bis zum
4.9.2004 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags als „Ferienbeschäftigter“ (strittig:
geringfügige Basis?) eingestellt.
Mit Wirkung zum 1.9.2013 stellte die Bekl. den Kl. erneut befristet zunächst bis zum
28.2.2014 als Montierer ein.
Dieser befristete Arbeitsvertrag wurde in der Folgezeit mehrfach bis zum 31.8.2015
verlängert.
Kl. die Unwirksamkeit der Befristung zum 31.8.2015 geltend gemacht. Er hat die
Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG wegen seiner
Vorbeschäftigung im Jahr 2004 nicht ohne Sachgrund zulässig.
Erinnerung:
Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang
zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
Sie hat für die soziale Sicherung und für die Altersversorgung regelmäßig nur
untergeordnete Bedeutung und hat zudem meist eine andere Tätigkeit zum
Gegenstand als die spätere -auf Dauer angelegte- Erwerbstätigkeit.
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Die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG
SV: Rechtsanwalt bewarb sich Mitte August 2016 auf eine Ausschreibung des
Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Er wurde zunächst befristet nach § 14 Abs. 2 TzBfG für 6 Monate als so-genannter
„Anhörer“ eingestellt.
Ab dem ersten Arbeitstag, dem 5.9.2016, bis zum 23.9.2016 besuchte er eine
Schulung für Anhörer in Nürnberg, wozu er von seinem Wohnort im Einvernehmen
mit dem BAMF bereits einen Tag vorher, also am Sonntag, den 4.9.2016, anreiste.
Die anfallenden Reisekosten wurden vom BAMF erstattet, auch die Übernachtung vom
4.9.2016 auf den 5.9.2016.
Im Februar 2017 wurde das Arbeitsverhältnis bis zum 4.9.2018 verlängert; danach
erhielt der Beschäftigte jedoch keine unbefristete Stelle.
Ergebnis: Das LAG hat entschieden, dass die sachgrundlose Befristung des
Arbeitsvertrags unwirksam ist, weil die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehene
Höchstdauer von 2 Jahren um einen Tag überschritten wurde.
Die Dienstreise des Klägers am 4.9.2016 ist bereits als Arbeitszeit anzusehen.
Das LAG begründet dies damit, dass die einvernehmliche und vom Arbeitgeber bezahlte
Dienstreise nicht zur Freizeit des Klägers zählt, sondern innerhalb des
Arbeitsverhältnisses erbracht wurde.
Sie ist Teil der arbeitsvertraglich versprochenen Dienste i. S. v. § 611 Abs. 1 BGB,
sodass das Arbeitsverhältnis nicht erst am 5.9.2016, sondern bereits am 4.9.2016
begonnen hatte.
Nach Ansicht des LAG ist es auch unerheblich, dass die Dauer nur um einen Tag
überschritten wurde.
Für das BAG war entscheidend, dass das BUrlG keine Quotelung oder
Umrechnungsformel vorsah (BAG, Urt. v. 06.05.2014, Az. 9 AZR 678/129).
Die Frage, wovon sich der Arbeitnehmer im ruhenden Arbeitsverhältnis erholen sollte,
stellte sich das BAG nicht.
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BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17: Kein Urlaub während des Urlaubs
Bislang: auch anteilige Kürzungen des gesetzlichen Mindesturlaubs für Zeiten des
ruhenden Arbeitsverhältnisses, wie es einige Tarifverträge (§ 26 TVöD/TV-L!) vorsehen,
lehnte das BAG ab.
Der gesetzliche Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG beruhe auf dem europarechtlich
garantierten Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub von mindestens
vier Wochen, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 (Arbeitszeitrichtlinie) und sei daher
unabdingbar.
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG
nach dem maßgeblichen Arbeitsrhythmus:
➢ So besteht ein Anspruch auf 24 Urlaubstage, wenn der Arbeitnehmer an sechs Tagen
pro Woche arbeitet.
Die Anzahl der Urlaubstage verringert sich entsprechend, wenn sich die
Arbeitszeit auf weniger Tage in der Kalenderwoche verteilt. Liegt die Anzahl der
wöchentlichen Arbeitstage bei Null, entsteht auch kein Urlaubsanspruch.
So eindeutig das Urteil des BAG auch sein mag: Es wäre voreilig, die Umrechnung von
Arbeitstagen in Urlaubstage auch auf andere Fälle eines ruhenden Arbeitsverhältnisses
anzuwenden (z. B. bei lang andauernder AU!!).
Die Besonderheit liegt darin, dass der Sonderurlaub zwischen den Vertragspartnern
vereinbart war und die Hauptleistungspflichten einvernehmlich ausgesetzt waren.
SV: Zwischen AG und AN bestand ein Vollzeitarbeitsverhältnis auf der Basis einer 40-
Stunden-Woche.
Die Arbeitszeit wird so verteilt, dass der Arbeitnehmer vom 1.12.2014 bis 31.03.2016 in
Vollzeit arbeitet (Arbeitsphase) und vom 1.4.2016 bis 31.7.2017 von der
Arbeitsleistung freigestellt ist (Freistellungsphase).
SV: Zum Urlaub wurde vereinbart, dass dieser 30 Arbeitstage im Jahr beträgt.
Im Jahr des Wechsels zwischen Arbeits- und Freistellung erhielt der Arbeitnehmer den
Urlaub anteilig für die Arbeitsphase gewährt. Mit Eintritt in die Freistellungsphase sind
alle Urlaubsansprüche aus diesem Teil erfüllt.
Bezahlt wurde der Kläger während der gesamten Altersteilzeit auf der Basis von 20
Stunden zuzüglich der Aufstockungsbeträge. Somit wurden für den Zeitraum 1.01.2016
bis 31.03.2016 insgesamt 8 Tage Urlaub gewährt.
Der Kläger möchte die Abgeltung für nicht genommenen Urlaub für die restlichen 22
Tage aus dem Jahre 2016 und weitere 30 Tage für das Jahr 2017.
➢ Die Freistellungsphase ist bei der Berechnung mit "null" Arbeitstagen in Ansatz zu
bringen.
Vollzieht sich der Wechsel von der Arbeits- in die Freistellungsphase im Verlauf des
Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten entsprechend der
Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht berechnet werden.
SV: Eine Arbeitnehmerin kündigte ihr Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2016.
Von Januar 2013 bis Dezember 2015 befand sie sich durchgehend in Elternzeit.
Mit der Kündigung beantragte sie Urlaub für den Zeitraum der Kündigungsfrist - unter
Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche. Der
Arbeitgeber erteilte ihr Urlaub, ohne den auf die Elternzeit entfallenden Urlaub zu
berücksichtigen. AG hat Kürzung bei der Gewährung von EZ bereits angekündigt.
Die Arbeitnehmerin klagte daraufhin vor Gericht auf Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen
Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit.
Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin aus
den Jahren 2013-2015, in denen sie sich in Elternzeit befand, rechtmäßig gemäß § 17
Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel
gekürzt habe.
Die Richter wiesen in ihrem Urteil darauf hin, dass das Kürzungsrecht des Arbeitgebers,
die Abgabe einer darauf gerichteten empfangsbedürftigen rechtsgeschäftlichen
Erklärung erfordert (Hinweis: vorab mit „Gewährung“ der Elternzeit bereits dem AN
mitteilen!).
Ergebnis:
Der Arbeitgeber müsse also für den Arbeitnehmer erkennbar erklären, dass er den
Urlaub in der Elternzeit kürzen möchte.
Das BAG stellte in seiner Urteilsbegründung auch fest, dass das Kürzungsrecht des
Arbeitgebers nicht nur den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch den
vertraglichen oder tarifvertraglich vereinbarten Mehrurlaub erfasse - immer
vorausgesetzt, dass die Arbeitsvertragsparteien keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG
abweichende Regelung für diesen vereinbart hätten.
Praxishinweis:
Bei Beendigung des AV zum Ende der Elternzeit hin wandelt sich der Urlaubs- in einen
reinen (finanziellen) Abgeltungsanspruch.
Das BAG war bislang der Auffassung, dass die Kürzungserklärung auch noch nach
Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben werden könne (vgl. BAG,
23.04.1996 – 9 AZR 165/95; BAG, 28.07.1992 – 9 AZR 340/91.
Das BAG hat bereits 2015 entschieden, dass § 17 Abs. 1 BEEG auf den
Urlaubsabgeltungsanspruch keine Anwendung findet (BAG, 19.05.2015 – 9 AZR
725/13).
Diese Änderung der Rechtsprechung beruht darauf, dass der Anspruch auf
Urlaubsabgeltung nach neuerer Ansicht des BAG ein reiner Geldanspruch und nicht
mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs ist.
©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule
BAG, Urteil vom 19.03.2019; Az: 9 AZR 362/18: Kürzung des Urlaubsanspruchs nach
BEEG zulässig
Praxishinweis:
Ist der Geldanspruch erst entstanden, bildet er einen Teil des Vermögens des
Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen
Zahlungsansprüchen.
Praxishinweis:
§ 16 Abs. 1 BEEG: „Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin die
Elternzeit zu bescheinigen“
Daher Hinweis an den Arbeitnehmer bereits bei „Gewährung“ der Elternzeit, dass die
Kürzungsmöglichkeit durch den AG in Anspruch genommen wird!
SV: Die Kl. ist Alleinerbin ihres am 20.12.2010 verstorbenen Ehemanns (Erblasser).
Dieser war bis zu seinem Tod bei der Bekl. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39
Stunden in einer Fünftagewoche beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)
Anwendung
Die Kl. verlangte von der Bekl. den dem Erblasser vor seinem Tod zustehenden Urlaub
abzugelten.
©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule
BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 45/16 : Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Mindesturlaub und Zusatzurlaub für Schwerbehinderte
Ergebnis:
Bei richtlinienkonformer Auslegung der BUrlG steht den Erben eines im laufenden
Arbeitsverhältnis verstorbenen Arbeitnehmers nach § 1922 BGB
(Gesamtrechtsnachfolge) iVm. § 7 BUrlG ein Anspruch auf Abgeltung des von diesem
nicht genommenen gesetzlichen Erholungsurlaubs zu.
Ergebnis:
Der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX teilt das
rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubs; auch er ist gegenüber den
Erben abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers endet
Die Grundsätze über die Vererbbarkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses durch Tod des Arbeitnehmers gelten auch für einen
tariflichen Mehrurlaub, soweit ein TV keine anderslautenden Regelungen beinhaltet
(so nicht § 26 TVöD, § 26 TV-L)
SV: Die Kl. verlangt von der Bekl., Urlaubsansprüche ihres verstorbenen Ehemanns aus
den Jahren 2012 und 2013 abzugelten.
Die Kl. ist Erbin ihres am 22.9.2013 nach einer lang andauernden Erkrankung
verstorbenen Ehemanns (Erblasser). Dieser war bis zu seinem Tod bei der Bekl. auf
Grundlage des TVöD Beschäftigter beim Wasser- und Schifffahrtsamt in K.
Der Erblasser wurde mit Wirkung zum 1.12.2012 mit einem Grad der Behinderung von
100 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Zum Zeitpunkt seines Todes am 22.9.2013 stand ihm für das Jahr 2012 noch ein
Arbeitstag Erholungsurlaub zu. Für das Jahr 2013 hatte er Anspruch auf 20 Arbeitstage
Erholungsurlaub, vier Arbeitstage tariflichen Zusatzurlaub und drei Arbeitstage
Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen.
SV: Am 1.10.2013 wandte sich die Kl. an die Bekl. und bat im Rahmen eines
persönlichen Gesprächs mit dem Sachbearbeiter um Abgeltung der offenen
Urlaubsansprüche des Erblassers.
Die Bekl. teilte der Kl. mit Schreiben vom 9.10.2013 unter Bezugnahme auf die
Entscheidung des BAG vom 20.09.2011 mit, die Abgeltung von Urlaub setze voraus,
dass der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch lebe. Als
höchstpersönlicher Anspruch sei der Urlaubsanspruch nicht vererbbar.
Mit Schreiben vom 06.01.2015 und Anwaltsschreiben vom 26.02.2015 verlangte sie
nochmals mit Verweis auf das EuGH-Urteil Abgeltung. Die Kl. erhob sodann am
30.07.2015 vor dem Arbeitsgericht Zahlungsklage hinsichtlich ihrer
Abgeltungsansprüche für insgesamt 28 Urlaubstage.
©Thauer, Tobias, 2020: Thüringer Verwaltungsschule
BAG, Urt. v. 22.1.2019 – 9 AZR 149/17: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers –
Wirkung einer tariflichen Ausschlussfrist
Ergebnis: Der Anspruch der Kl. auf Abgeltung der Urlaubsansprüche des Erblassers
aus den Jahren 2012 und 2013 ist gem. §37 TVöD verfallen. Der UA ist
zwargrundsätzlich abzugelten, aber nach § 37 TVöD bereits verfallen.
Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann auch als reiner Geldanspruch einer tariflichen
Ausschlussfrist unterliegen.
Die Kl. hatte die tarifliche Ausschlussfrist des TVöD zu beachten, obwohl sie nicht in
einem Arbeitsverhältnis zur Bekl. stand und selbst nicht tarifgebunden ist. Dies folgt aus
dem Grundsatz der Universalsukzession, § 1922 BGB.
Mit den innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 37 TVöD am 1. und 7.10.2013 an die
Mitarbeiter der Bekl. gerichteten mündlichen Aufforderungen, die Bekl. möge den
Urlaub des Erblassers an sie abgelten, wahrte die Kl. die tarifliche Ausschlussfrist nicht.
Der Tarifvertrag verlangt eine schriftliche (ggf. Textform) Geltendmachung.
Zum Zeitpunkt der schriftlichen Geltendmachung durch die Kl. mit Schreiben vom 6.1.
und 26.2.2015 war der Anspruch bereits verfallen.
Grundsatz: schwerbehinderte Bewerber sind zum VSG einzuladen, soweit sie nicht
„offensichtlich ungeeignet“ sind, § 165 Satz 2 SGB IX.
SV: Schwerbehinderter Kläger hat sich auf zwei intern ausgeschriebene Stellen der BA
mit identischem Anforderungsprofil beworben. Eine Stelle war in Berlin zu besetzen,
eine in Cottbus.
Die Behörde lud den Kläger für die Stelle in Berlin zum Vorstellungsgespräch. Für
Cottbus erhielt er jedoch keine Einladung.
Als der schwerbehinderte Mann für beide Stellen eine Absage erhielt, verlangte er eine
Diskriminierungsentschädigung nach dem AGG. Als öffentlicher Arbeitgeber sei die BA
verpflichtet gewesen, ihn für jede zu besetzende Stelle zum Vorstellungsgespräch
einzuladen.
Ergebnis: Durch die unterbliebene Einladung für die Cottbuser Stelle sei der Kläger
wegen seiner Behinderung benachteiligt worden.
Bereits 2013 hatte das BAG entschieden, dass öffentliche Arbeitgeber sämtliche
schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, wenn
diese vom Anforderungsprofil her für die Stelle infrage kommen (AZ: 8 AZR 188/12).
Diese Pflicht gelte auch bei sehr vielen behinderten Bewerbern. Das Gesetz gebe
„dem einzelnen schwerbehinderten Bewerber einen Individualanspruch auf Einladung zu
einem Vorstellungsgespräch“.
Die Pflicht öffentlicher Arbeitgeber zur Einladung zum Bewerbungsgespräch gilt nach
einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vom
09.09.2015 auch dann, wenn der schwerbehinderte, fachlich geeignete Bewerber einen
schriftlichen Eignungstest nicht bestanden hat (AZ: 3 Sa 36/15).
Das Indiz einer Benachteiligung wegen der Behinderung greife nicht, wenn behinderte
Bewerber eingestellt werden sollen, so die Richter im Streit um die Besetzung der Stelle
eines kommunalen Behindertenbeauftragten.
Wird eine Stelle im öffentlichen Dienst intern und (nur bei nicht erfolgreicher Besetzung)
extern ausgeschrieben (sog. „gestuftes Ausschreibungsverfahren“) und konnte die Stelle
bereits intern besetzt werden, so muss auch ein externer schwerbehinderter Bewerber
nicht mehr eingeladen werden.
Es liegt keine Diskriminierung vor, wenn ein Bewerber das Kriterium „interner
Beschäftigter“ nicht erfüllt.
SV: Ein Jobcenter setzte die Arbeitnehmerin im November 2015 für die Dauer von sechs
Monaten in ein anderes Team um, ohne zuvor die Schwerbehindertenvertretung
unterrichtet und angehört zu haben.
Mit Bescheid vom 21. April 2016 stellte die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitnehmerin
rückwirkend zum 4. Februar 2015 einem schwerbehinderten Menschen gleich.
Ergebnis: Die Beteiligungspflicht bei Umsetzungen besteht demnach nicht, wenn die
Umsetzung einen behinderten Arbeitnehmer betrifft, der lediglich einen Antrag auf
Gleichstellung gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist – selbst wenn dies dem
AG bekannt ist.
Die Gleichstellung erfolgt erst durch die konstitutiv wirkende Feststellung der
Bundesagentur für Arbeit. Erst ab diesem Zeitpunkt besteht das Beteiligungsrecht
der Schwerbehindertenvertretung (bei der Umsetzung).
Ergebnis: Zwar wirkt die Gleichstellung nach § 151 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf den Tag
der Antragstellung zurück, dies begründet jedoch nicht die Verpflichtung des
Arbeitgebers, die Schwerbehindertenvertretung vor der Entscheidung über den
Gleichstellungsantrag vorsorglich über eine Umsetzung zu unterrichten und zu dieser
anzuhören.
SV: Die Klägerin ist bei der beklagten Gewerkschaft als Verwaltungsangestellte
beschäftigt. Sie ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Die Klägerin ist alkoholabhängig. In den letzten 4,15 Kalenderjahren ihrer Anstellung
war sie an 983 Tagen krankheitsbedingt arbeitsunfähig, mithin durchschnittlich 236
Tage pro Jahr.
In dieser Zeit führte die Klägerin einige Entwöhnungsversuche durch, die sie entweder
frühzeitig abbrach oder sie bald wieder rückfällig wurde.
Einige Monate vor der außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist der
Beklagten, der zwei Abmahnungen zuvorgekommen waren, lieferte der Sohn der
Klägerin diese wegen Alkoholmissbrauchs in eine Klinik ein.
Die Klägerin war in den letzten 4,15 Jahren vor ihrer Kündigung 16 Mal stationär im
Krankenhaus aufgenommen worden.
Ergebnis: Die Kündigung der Klägerin ist gem. § 626 BGB wirksam.
Allerdings muss dann zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend eine der fiktiven
ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende soziale Auslauffrist eingehalten werden.
Im Rahmen der 2. Stufe müssen die prognostizierten Fehlzeiten geeignet sein, eine
krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn sie zu einer
erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen.
Ergebnis:
Bezüglich der 1. Stufe ist festzustellen, dass die Klägerin über die vergangenen 4,15
Kalenderjahre hinweg durchschnittlich 236 von 261 Tagen krankheitsbedingt
arbeitsunfähig war.
Dieser Wert ist prognosefähig, da die Klägerin nicht geltend machte, dass ihre
Krankheit ausgeheilt sei oder eine Therapie begonnen habe, bei der nunmehr
davon auszugehen sei, dass die Alkoholsucht nicht mehr auftreten werde
Ergebnis:
Bei einem Umfang von ca. 10% der möglichen Arbeitstage mit absteigender
Tendenz ist das Arbeitsverhältnis sinnentleert und es ist völlig unvorhersehbar, wann die
Klägerin eine Arbeitsleistung erbringen kann.
Ergebnis:
Die Interessenabwägung (3. Stufe) ist auch zulasten der Klägerin vorzunehmen.
zu berücksichtigen.
Demgegenüber ist jedoch das Interesse der Beklagten als höher einzuschätzen,
jedenfalls ein sinnvolles Arbeitsverhältnis durchzuführen zu können.
Ergebnis:
Es kann dem AG nicht zugemutet werden, bis zum Renteneintritt ein Arbeitsverhältnis
fortzusetzen, von dem er praktisch nichts hat.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin insgesamt die Möglichkeit hatte,
nicht nur mit einer Entwöhnungsmaßnahme, sondern mit insgesamt 3
Entwöhnungsmaßnahmen ihre Alkoholsucht zu bekämpfen.
Künftig ist zudem eher mit größeren Schwierigkeiten als mit einer abnehmenden
Tendenz zu rechnen.
Ergebnis:
Eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist gem. § 626 BGB kann
gerechtfertigt sein, wenn eine
1. negative Gesundheitsprognose vorliegt,
2. aufgrund der Krankheit (hier: eine Alkoholerkrankung) der Arbeitnehmerhin die
prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der
betrieblichen Interessen führen werden und
3. infolge der gebotenen Interessenabwägung die Beeinträchtigung vom
Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss.
Ein Meeting mit unter anderen der Teamleiterin sagte er allerdings erst eine Minute vor
Beginn des Meetings krankheitsbedingt ab. Laut der Beklagten häuften sich ähnliche
Vergehen, wie insbesondere das Ignorieren von Anweisungen und das
Nachgehen einer Nebentätigkeit ohne Genehmigung.
SV: Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.
Mit Klage vor dem Arbeitsgericht beantragte der Kläger insbesondere die Feststellung,
dass die Kündigung unwirksam sei.
Ergebnis: Die Kündigung ist unwirksam. Sie ist sowohl als fristlose Kündigung mangels
wichtigen Grundes als auch als ordentliche Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung
unverhältnismäßig.
Bei vielen Einzelverstößen, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen
können, summiert sich ohne Abmahnung kein Gesamtverstoß von so erheblichem
Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte.
Kommt aber dieses Signal vom Arbeitgeber nicht, kann dem Arbeitnehmer nicht
vorgeworfen werden, er hätte bei dem jeweiligen Pflichtverstoß Nummer wissen
müssen, dass nunmehr auch ohne vorherige Abmahnung arbeitsrechtliche
Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen.
Es ist verfassungsrechtlich nicht vertretbar, dass Gründe, die für eine Kündigung des
Arbeitsverhältnisses nicht ausreichen, dann jedoch als erheblich genug
angesehen werden, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG zu
rechtfertigen.
SV: Kl. war eine Altenpflegerin aus Niedersachsen. Sie war im Jahr 2017 zunächst gut
drei Monate wegen einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig.
Am letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit bescheinigte ihr eine andere Ärztin wegen einer
für den nächsten Tag geplanten Operation als "Erstbescheinigung" eine weitere
Arbeitsunfähigkeit.
Diese dauerte rund sechs Wochen, in denen die Frau weder Entgeltfortzahlung vom
Arbeitgeber noch Krankengeld einer Krankenkasse erhielt.
SV: Mit ihrer Klage verlangte sie rund 3.400 Euro brutto nebst Zinsen vom AG.
Sie sei wegen eines neuen Leidens arbeitsunfähig gewesen, die Arbeitsunfähigkeit
wegen ihrer psychischen Erkrankung sei bereits beendet gewesen.
Ihr Arbeitgeber sah das anders und vertrat die Auffassung, dass von einem
einheitlichen Verhinderungsfall auszugehen sei.
Ergebnis: der Senat gab dem AG Recht und bestätigte ein vorangegangenes Urteil des
LAG Niedersachsen.
"Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem
zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere
Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen,
dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren
Arbeitsverhinderung geendet hatte„ (Mitteilung BAG).
Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit ist auf sechs Wochen beschränkt. Wer sich
im Anschluss daran erneut krankschreiben lässt, muss laut BAG im Streitfall
beweisen, dass die alte Krankheit bereits überwunden war.
SV: Vortragender quälte Teilnehmende mit zu vielen Urteilen, und das an einem Freitag!
Antragsteller: irgendwann geht nichts mehr in den Kopf rein, man hat Hunger & freut
sich auf das Wochenende.
Antragsgegner: unstrittig.
Tobias Thauer
www.tvs-weimar.de
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