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LATEINISCHES TI UND KI

IM

RUMÄNISCHEN,

ITALIENISCHEN UND S ARDISCHEN

VON

DE. S E X T I L PUSCARIU

LEIPZIG
KOMMISSIONSVERLAG VON J. A. BARTH
1904
Sonderabdruck aus dem XI. Jahresberichte des Instituts
für rumänische Sprache zu Leipzig.

Druck von A u g u s t P r i e s in Leipzig.


SEINEM HOCHVEREHRTEN LEHRER

GUSTAY WEIGAND
IN DANKBARER ERINNERUNG

DER VERFASSER
Inhaltsverzeichnis.

Seite
Vorwort . . • 1
Einleitung 2
I. Abschnitt: Rumänisch 39
A. Nachtonig Ti 40, Ki 45, Di 47, Gi 51 . . . . 40—52
B. Vortonig aj vor o, u 52, b) vor a 61 52 —65
C. Si, Sti, Ski 66—71
D. z und i (j) 71—76
II. Abschnitt: Albanesisch 76—81
III. Abschnitt: Sardisch 81—90
IV. Abschnitt: Italienisch 90—157
I. Ti intervokalisch 93
II. Ti. Ki nach Konsonanten, (TTi 105, KKi 106,
cti, pti 113) 97
III. Ki 116
V. Abschnitt: Rückblick 157—178
Index (Lat. 178, Alb. Franz. It. 184, Rum. 185, Sard. 186) . 178-186
Berichtigungen 187
Yorwort.

In vorliegender Arbeit wollte ich zeigen, daß die Un-


regelmäßigkeiten des lat. Ti untMSi im Romanischen nicht
gleich geartet sind, daher auch zu deren Erklärung nicht
dieselben Mittel gebraucht wejtfen dürfen. Die Doppelform
p r e g i o = p r e z z o < PRETIUM teilt das Italienische mit
dem Französischen (pris aber place), nicht aber mit dem
Rumänischen; dagegen kehrt ital. - a z z o = - a c c i o auch im
rum.: - a t = - a c i ü wieder. Im ersten Falle handelt es sich
um eine westromanische, im letzten um eine urromanische
Erscheinung. Wenn aber rum. t ä c i u n e < TITIONE ver-
schieden von a t i t a r e < * A D T I T I A R E ist, so haben wir es
mit einer einzelsprachlichen Entwicklung des Rumänischen zu
tun. Diese drei Arten von „Ausnahmen" suchte ich im Rumä-
nischen, im lat. Element des Albanesischen, im Italienischen
und im Sardischen nachzuweisen und zu erklären. Erst wenn
auf diese Art auch die übrigen rom. Sprachen untersucht
sein werden, wird es möglich sein in zusammenhängender
Weise die Schicksale des lat. Ti und Ki im Romanischen zu
prüfen und damit eines der schwierigsten Probleme der rom.
Lautlehre zu lösen.
Zu meiner phonetischen Transskription bemerke ich, daß
die Zeichen c und j vermieden werden, z ist stimmhaftes s,
s:z, t s : d z , t s : d z sind klar. Die entsprechenden Längen wer-
den durch Verdoppelung des Dauerlautes tss, dzz wieder-
gegeben. Die Mouillierung wird durch einen Strich ange-
1
§ 1. — 2 —

zeigt: k, g, s, z, ts, dzz etc. $ bedeutet den zwischen s und


ts, c, g den zwischen ts, dz und s, z liegenden Laut, also
etwa t s , ts, dg; ts, dz, s, z sind die im Istro-rumänischen
zwischen ts, dz, s, z und ts, dz, s, z (spitzer als diese, breiter
als jene) stehenden Laute; o, e bedeuten die Diphthonge mit
schwebendem Akzent in rum. Dialekten: oa, ea (Weigands
p), e bezeichnet den reduzierten Vokal; e, 0, bezw. e, o
(nur wo nötig bezeichnet) gelten für geschlossene, bezw. offene
e, 0. Diese Transskription ist überall, wo es mir möglich war,
für das Sardische, Albanesische und die dialektischen Formen
des Rumänischen und Italienischen angewendet worden. Für
die Schriftsprachen habe ich die übliche Orthographie bei-
behalten: lat. CiEPA, ital. m e z z o , p o z z o ( = medzzo, potsso),
rum. m i e z , p u t , c e a p a ( = miez, puts, tsape).

Einleitung.
§ 1. Die herkömmliche Einteilung der romanischen
Sprachen hat seit Diez nur unbedeutende Änderungen er-
fahren; sie ist in Meyer-Lübkes Einführung in das Studium
der romanischen Sprachwissenschaft (Heidelberg 1901) S. 16
die folgende: 1. R u m ä n i s c h , 2. R ä t o r o m a n i s c h , 3. I t a -
l i e n i s c h , 4. P r o v e n z a l i s c h , 5. F r a n z ö s i s c h , 6. Spa-
n i s c h , 7. P o r t u g i e s i s c h , 8. S a r d i s c h . Diese „durch
politische und literarische Verhältnisse bedingte Einteilung"
entbehrt einer historischen Berechtigung und hat oft zu
falschen Schlüssen geführt. Nehmen wir, um dies zu zeigen,
sechs Punkte der romanischen Grammatik, um sie in den
einzelnen rom. Sprachen zu verfolgen.
1. Auslautendes, unbetontes m ist in allen romanischen
Sprachen verstummt.
2. Betontes 1 wird überall, außer im Sardischen, wie e
behandelt.
3. Betontes ü erscheint überall, außer im Sardischen und
Rumänischen, also o.
4. Der präpositionslose Dativ hat sich nur im Rumä-
nischen bis auf den heutigen Tag erhalten.
5. Intervokalisches c wird, außer im Rumänischen und
Süditalienischen, zu g.
6. Das Suffix - c u l u s erscheint überall teils als - c u l u s ,
teils als - c l u s .
Wollen wir aus diesen, und ähnlichen Erscheinungen
Schlüsse ziehen, so ergibt sich, daß wir chronologisch zwei
Stadien unterscheiden können a) U r r o m a n i s c h : hierher ge-
hört das Verstummen des auslautenden m in unbetonter Silbe,
- c u l u s neben - c l u s , die Monophthongisierung des ae zu e
und andere durch zahlreiche Belege gesicherte Erscheinungen,
b) — wenn wir vom Sardischen vorläufig absehen, — eine
S p a l t u n g zwischen Rumänisch und dem Reste der roma-
nischen Sprachen. Diese Gabelung entspricht den historischen
Tatsachen und auch Weigand hat in seinen Vorlesungen
schon vor Jahren darauf hingewiesen. Im Anfange des II. Jh.
wird Dazien durch die Römer kolonisiert; aber schon nach
170 Jahren wird diese östliche Provinz aufgegeben, und die
nun ihrem Schicksale überlassenen Vorfahren der Rumänen,
— ob südlich, nördlich oder beiderseits der Donau, ist eine
Frage, die hier nicht in Betracht kommt, — sind von dem
Reste der römischen Nation geographisch wie politisch ab-
gesondert. Dadurch tritt nun im III. Jh. n. Chr. eine Spal-
tung des Urromanischen, welche wir am besten mit 0 s t -
und W e s t - R o m a n i s c h bezeichnen, ein. Auf dem letzteren
Gebiet können wir noch für lange Zeit nur von e i n e r west-
romanischen Sprache reden, die infolge des regen Verkehrs
der einzelnen Provinzen untereinander, d i e s e l b e n Entwick-
lungen zeigt: ü > o, Ersetzung des Dativs durch den Akku-
sativ mit einer Präposition (im A.-franz. und A.-prov. erst
im XI. Jh. n. Chr. durchgeführt, vgl. Meyer-Lübke Rom.
Gram. III § 47), Aufnahme von Lehn- und Buchwörtern ger-
manischen und lateinischen Ursprungs etc., lauter Erschei-
nungen, die das Rumänische nicht mehr mitmachen kann.
Einige dieser westromanischen Evolutionen können in späterer
— 4 —

Zeit nicht mehr das ganze große Gebiet beherrschen, so dringt


ein * p a g a r e <C PAGARE bis nach Sizilien, aber *miga <C
MICA unterbricht schon viel weiter nördlich seine Wande-
rung; andererseits entwickeln sich mit der Zeit die dialek-
tischen Unterschiede, die das Westromanische in die heutigen
sechs Sprachen: Italienisch, Rätoromanisch, Französisch, Pro-
venzalisch, Spanisch und Portugiesisch teilen.
§ 2. Eine Stellung für sich nimmt das S a r d i s c h e ein,
welches in merkwürdiger Weise Altertümliches und Neues in
sich vereint. Die Ursache liegt in der Geschichte und in der
geographischen Lage dieser Insel. Nach Korsika (259 v. Chr.)
und Sizilien (241 v. Chr.) ist Sardinien (238 v. Chr.) das erste
an Rom angegliederte Gebiet, und dennoch sind die Sarden
im Jahre 19 nach Chr. noch nicht vollkommen romanisiert.
„Ihre Unterwerfung", schreibt H. Niessen in seiner „Itali-
schen Landeskunde" (Berlin 1883) I S. 361, „ist überaus lang-
sam von statten gegangen. Das Innere bot zu wenig, was
die Habsucht reizen konnte: bitterer Honig wird als einziger
Ausfuhrartikel namhaft gemacht. Die Römer begnügten sich
schließlich damit, daß die Sarden Ruhe hielten und die Acker-
baudistrikte mit ihren Einfällen verschonten. Noch im ersten
Jahrhundert unserer Zeitrechnung sprachen Berggemeinden
den Befehlen der Statthalter ungescheut Hohn. Aber all-
mählich hat die Zeit auch hier ihre Wirkung geübt, die Sar-
den wurden latinisiert und haben den Sprachschatz ihrer Be-
drücker unter allen Völkern am reinsten bis auf den heutigen
Tag bewahrt." Trotz der relativ geringen Entfernung von
Italien ist Sardinien durch seine Bodengestaltung nicht ge-
eignet, mit diesem Lande in regem Verkehre zu stehen und
heute noch tritt diese Isoliertheit stark zu tage. Aus dieser
Tatsache ist das Altertümliche in der Sprache dieser Insel zu
erklären. Die Romanisierung eines Teiles derselben datiert
aus sehr alter Zeit, als noch der Unterschied zwischen i und e,
zwischen ü und o allgemein in der Sprache existierte, als
DOMUS noch nicht durch CASA, MAGNUS noch nicht durch
GRANDIS verdrängt waren (sard. d o m u , m a n n u ) . Dann
— 5 —

kam die Zeit, wo Rom sich nicht mehr viel um Sardinien


kümmerte, hauptsächlich auch wegen des dort herrschenden
ungesunden Klimas. Die besten Gebiete in der Ebene waren
schon in römischer Hand. So erklären sich auch manche über-
raschenden lexikalischen Übereinstimmungen zwischen dem
Sardischen und Rumänischen (NONNA im Sinne von „Tauf-
patin" nur im Sard. und Rum., sonst „Amme, Nonne",
H/EDUS nur sard. edu, rum. l e d und alb. e{>. ferner LIBER-
TÄRE, SCIRE, PERTUNDERE, VITRICUS etc.). Diese im
III. Jh. n. Chr. noch allgemein üblichen Wörter, wurden
später im Westromanischen durch andere verdrängt. AVenn
diese Altertümlichkeiten nicht nur auf der frühromanisierten
Ebene, sondern auch in den erst spät entnationalisierten Berg-
gemeinden zu treffen sind, so ist das selbstredend so zu er-
klären, daß die lateinische Sprache, wenn auch langsam, so
doch eben von diesem Flachland, und nicht von Rom aus
weiter in die Insel vordrang. — Neben den Altertümlichkeiten
findet man im Sardischen dagegen neue Entwicklungen, die
dem Rumänischen fremd, dem Westromanischen dagegen
eigen sind, so die Erweichung der interdentalen Tenuis in
Media, die eine der spätesten Strömungen im Westromanischen
ist, dann Wörter germanischen oder gelehrten Ursprungs, die
nach dem III. Jahrhundert ins Romanische drangen u. a.
Wenn auch der Verkehr mit Italien im Anfang sehr be-
schränkt war, stand Sardinien doch einerseits mit Afrika,
andererseits mit Spanien in Verbindung. Mit diesen Teilen
des späteren römischen Reiches war der Verkehr natürlich.
„Zwar wächst die Entfernung Spaniens von der Insel unge-
fähr auf das Doppelte der Entfernung Italiens", lehrt H. Nies-
sen S. 355, „aber dafür ist die Insel diesem ab- und jenem
zugewandt. Die westliche ist in jeder Hinsicht die bevor-
zugte Stirnseite. Im Gegensatz zum hafenlosen Osten, besitzt
sie ein entwickeltes Gestade." Dazu stimmt auch die dem
Italienischen fremde, dem ganzen romanischen Westeuropa
eigene Erhaltung des auslautenden -s im Sardischen u. a.
Auch mit Afrika, das um 35 km der Insel näher liegt als
Italieri, war durch den schon zu phönizischen Zeiten blühen-
den Hafen von Cagliari ein reger Verkehr im Gange. Manche
Eigentümlichkeiten der Sprache weisen auf afrikanisches La-
tein der christlichen Periode, und die Schriften Lucifer von
Cagliaris, die direkt als „eine Quelle des Lateins der streng-
kirchlichen Litteratur" gelten können, zeugen von dem ent-
wickelten geistigen Leben Sardiniens im IV. Jahrhundert.
§ 3. Wenn wir nach diesen Erörterungen eine wissen-
schaftliche Einteilung der romanischen Sprachen geben wollen,
so ergibt sich folgendes Bild:
Urromanisch

I t a l . R ä t o r . F r a n z . P r o v . Span. P o r t u g .
Diese Einteilung, worin, um einen drastischen Vergleich
zu gebrauchen, dem Rumänischen die Rolle der Tante gegen-
über den Schwestersprachen Italienisch, Rätoromanisch, Fran-
zösisch etc. zufällt, läßt allein auch S c h l ü s s e auf die für uns
so wichtige Chronologie des Vulgärlateins, ziehen. Die be-
kannte Gröbersche Theorie (Archiv für lat. Lex. I, 204 ff.),
nach welcher die einzelnen romanischen Sprachen das Vulgär-
latein der Periode der römischen Kolonisierung in den be-
treffenden Provinzen repräsentiert, läßt uns, wie schon oft
betont wurde, im Stiche. Nach Gröber müßten z. B. wegen
der Tatsache, daß lat. Ke, Ki überall, außer im Sardischen,
assibiliert erscheint, die Anfänge dieser Assibilierung seit
dem Jahre 238 v. Chr. datiert werden. Es stellt sich bei
näherer Betrachtung indessen heraus, daß das früher koloni-
sierte Spanien Ke, Ki assibiliert, während die später roma-
— 7 —

nisierte illyrische Küste sie durchaus palatal erhält. Der


Grundfehler dieser sonst so scharfsinnigen Theorie besteht
darin, daß ihr Erfinder den regen Verkehr unter den einzelnen
römischen Kolonien außer Acht gelassen hat, welchem allein
die noch Hunderte von Jahren dauernde, fast vollkommene
Gleichheit und Ausgleichung der Provinzialismen in der all-
gemeinen Verkehrssprache zuzuschreiben ist. Es ging „die
Kolonisierung überhaupt nicht so massenhaft vor sich, daß
die direkte Einführung einer bestimmten Phase des italischen
Lateins irgendwo denkbar wäre. Die großartigsten Ansiede-
lungen erfolgten unter Cäsar und Augustus, welche aber ihre
Veteranen über das ganze Land zerstreuten Über-
haupt bildete die Latinisierung keinen Damm gegen die Ein-
flüsse anderer Reichsteile; den römischen Verkehr kann man
sich nicht großartig genug vorstellen", bemerkt mit Recht
K. Sittl im „Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen
Altertumswissenschaft" 1892, S. 284. Erst in dem Augen-
blicke, wo ein Teil des römischen Reiches infolge irgend
einer politischen oder historischen Begebenheit, vom übrigen
römischen Gebiete getrennt wurde und der Verkehr mit
diesem gänzlich aufhörte, ist man berechtigt, einen Schluß
auf die römische Volkssprache dieser selben Zeitperiode zu
ziehen. Dies kann mit großer Vorsicht mit Sardinien, und
hat in unbedingt größerem Maßstabe, als es bis jetzt getan
wurde, mit dem Rumänischen zu geschehen. A u s dem R u -
mänischen lassen sich mit u n t r ü g b a r e r Sicherheit
auf die g e m e i n r o m a n i s c h e S p r a c h e des III. J b . n. Chr.
S c h l ü s s e z i e h e n , u n d dies so l a n g e , als k e i n e s i c h e r e n
D a t e n ü b e r e i n e n V e r k e h r z w i s c h e n dem O s t - u n d
W e s t - R o m a n i s c h e n n a c h d e m III. J h . n. Chr. er-
w i e s e n sind.

Anm. Hierzu bemerkt F. G. Mohl in der Zeitschrift f.


rom. Phil. XXVI, 593 iL — Neuerdings tritt 0. Densusianu
in seiner Histoire de la langue roumaine I S. 204 ff. für die
schon vor Jahren von G.Paris (Romania I, lff.) ausgesprochene
Theorie ein, daß zwischen den Rumänen und den übrigen
Romanen (hauptsächlich den italischen) noch lange Zeit nach
dem III. Jh. n. Chr. ein Verkehr, der auch in der Sprache
Spuren hinterlassen hätte, bestanden habe und sucht dies zu
beweisen. Seine Argumente sind zahlreich, aber wie er selbst
für die meisten zugibt, nicht überzeugend. Als Hauptbeweis
bringt Densusianu den Übergang von k e , k i > t s e , t s i , der
nicht im Rum. vollzogen sei, sondern sich aus Italien nach
Osten verbreitet habe (S. 215). Das arum. mgl. ts sei später
aus ts entstanden. Mohls Einwendung, daß das Albanesische
und Vegliotische, die die Vermittler zwischen Italienisch und
Rumänisch sein mußten, ke, ki als solche bewahren, sucht D.
anderswo (Romania XXIX S. 325ff.) zu widerlegen. Aber
ganz abgesehen davon, kann sich Densusianus Argument
nicht behaupten, wie man aus § 90 ersieht, da arum. mgl.
ts nicht aus t s entstanden sein kann, sondern wie drum,
irum. ts (ts) direkt auf ke, ki zurückgehen, die sich, unab-
hängig von Italien, auf rumänischem Boden verändert haben
(vgl. § 91). Dann führt D. ital. rum. k, g << cl, gl an, und
zwar nimmt er an, daß die beiden Sprachen gemeinsam bis
zur Stufe kl' gl' (noch heute im Arum. Mgl. und Irum. be-
wahrt) gelangt seien (S. 216).' Aber die Mouillierung des CL
ist schon urromanisch (§ 72) und nicht nur italienisch und
rumänisch. Den Übergang von intervokalischen 1 zu r, der
im Rum. unbedingt ist, jedoch nicht unter die ältesten Laut-
gesetze gerechnet werden darf, da ihn auch albanesische
(slmbure, viezure) und griechische Wörter (Sln-Nicoarä) mit-
machen, will D. auch als eine Strömung aus Italien erklären.
Um dies nur irgendwie glaubhaft zu machen, müßte er aber
doch vor allem das hohe Alter und die geographische Ver-
breitung dieser Erscheinung in Italien beweisen (denn vom
Genuesischen kann das Rum. doch nicht direkt dieses sein r
bekommen haben). Unter seinen weiteren Argumenten, die
wirklich erstaunliche Ähnlichkeiten aufweisen, und auch einen
Zusammenhang zwischen Rum. und Ital. zweifellos machen
(man denke an die Behandlung des auslautenden -s!), befindet
sich aber kein einziges, welches uns zwingen müßte, es n a c h
dem III. Jh. n. Chr. zu datieren. Daß bis zu dieser Zeit,
Dacien mit dem Reste des römischen Reiches, und hauptsäch-
lich mit Italien und Rätien im regen Verkehr stand, bezweifelt
ja niemand ( c u t e z a ist außer im alb., k u d z o n und a.-ven.
— 9 —

s c o t e z a r auch im a.-aquil. ( s c u t t i a ) belegt, so daß die Ent-


lehnung aus dem Griechischen (xotti'£<ö) wohl uralt ist.)
Wichtiger scheinen die Beweise die ein anderer Anhänger
dieser Theorie, Candrea-Hecht (Romania XXXI, 296ff', und
„Les elements latins de la langue roumaine" Paris 1902 S. 6)
bringt. Nach ihm könnten die Wörter p r e o t „Priester",
b o t e z (arum. p ä t e d z u , mgl. b a t i z , irum. botez) „taufen"
und p r e m i n da nicht direkt aus PRE(S)BITER, BAPTIZO
und PILEBENDA erklärt werden, sondern man muß an-
nehmen, daß sie „zugleich mit einer Menge anderer (?) Wörter,
die der christlichen Kirche angehören, zu uns aus Italien ge-
kommen sind, zugleich mit dem Christentum, d. h. in einer
jüngeren Periode." Was das letzte Wort anlangt, welches
Candrea durch eine Kreuzung mit c u m i n d u <1 COMMENDO
erklärt, so beweist es nichts, da diese Kreuzung nur vor dem
Verstummen des intervokalischen v hat stattfinden können.
Dasselbe gilt für PREBITER, in welchem zur Zeit, wo inter-
vokalisches -v- noch bestand, der Nachtonvokal synkopiert
wurde: *PREBTER, woraus regelmäßig p r e u t arum. p r e f t u ,
irum. p r e w t alb. p r i f t . Wichtiger ist das letzte Beispiel,
weil es nach Cs. Ansicht aus Italien unter der Form b a t t i z o
zu den Rumänen gelangte, also zu einer Zeit, wo in Italien
die Gruppe p t zu t t schon assimiliert war.
Ich glaube hingegen, daß b o t e z (aus *bätez) die regel-
rechte Entwickelung der Gruppe p t im Rum. zeigt. Schon
Weigand (Jb. II, 221 ff) sprach sich in ähnlicher Weise aus,
nur sind seine Beweise wenig überzeugend. Er zitiert näm-
lich für den Übergang von primären und sekundären p t > t
die Fälle VICTIMO > v a t ä m „verletze" (arum. vatäm „tödte,
schmerze, zwicke"); INDIRECTUS > i n d ä r ä t neben i n -
d ä r ä p t „rückwärts" und *ADRECTO > a r ä t „zeige" (irum.
(a)rötu). Keine dieser Etymologien ist indessen meiner Mei-
nung nach richtig. Arum. v a t ä m spricht mit seinem a ebenso
gegen VICTIMO wie irum. a r ö t u durch sein 6 gegen *AD-
RECTO. Herr N. Sulica teilt mir mündlich mit, daß er
v a t ä m aus einem Typus *VATIMO hervorgegangen glaubt,
welcher durch eine Kontamination von VICTIMO „opfere"
und VATES „die Person, welche die Opfer vollbrachte" ent-
standen sei. A r ä t kann weder Miklosichs *ADRECTO noch
Hasdeus *ADREP[U]TO (Etymologicum Magnum) noch Can-
— 10 —

dreas *ARATO (Elements latins S. 91) sein, sondern stammt,


wie Meyer-Lübke gezeigt hat (Zeitschrift rom. Phil. XIX,
574—575), aus dem bei Cassiodor belegten ELATO, -ARE.
I n d ä r ä t endlich, entspricht genau dem lat. IN-DE-RETRO
(it. d i e t r o , neap. d e r e t o , n d e r e t o , gall. a d a r e d d u < AD-
DERETRO, Alatri d e r e t g , Lecce d e r e t u a.-berg. de d r e d ,
franz. d e r r i e r e , prov. d e r e i r e ) , dagegen scheint i n d ä -
r ä p t n i c „widerspänstig" wohl aus einem I n d ä r ä p t <C IN-
D1RECTUS „ungrad(er Mensch)" entstanden zu sein. Da
man das Wort aber an i n d ä r ä t „rückwärts" anlehnte (vgl.
auch alb. p r a p e „starrköpfig" - p r a p a „rückwärts". Dens.
Hist. 299), entstand einerseits i n d ä r ä t n i c , andererseits In-
däräpt.
Es gibt aber andere Fälle, die beweisen, daß pt (•< pt
und et) vortonig zu t wird, während es als p t nach dem Tone
besteht, daß also die Behandlung von p t , e t paralell mit der-
jenigen von ps, es ist (COXA > c o a p s ä aber *MAXILLA >
mäsea) und infolgedessen BAPTIZO > b o t e z die regel-
rechte Entwicklung zeigt. Neben LUCTA > l u p t ä , kommt
bei Dosofteiü (Viata sfint. 130 b/1) das Adjektio n e l u t a t e c
„unüberwindlich" vor, welches ein *LUCTATICUS voraus-
setzt. C ä t e l bedeutet neben „Hund" auch „Knoblauchknolle",
in welch' letzterem Sinne es unmöglich vom lat. CATELLUS
stammen kann. Da man rum. neben c ä t e l de u s t u r o i ü
auch c ä p ä t l n ä de u. gleichwertig verwendet, so liegt es nahe
das Wort aus CAP[I]TELLUM „Köpfchen" abzuleiten (vgl.
auch c ä c i u l ä § 26 Anm.). Der meglenitische Dialekt zeigt
gerade wie die anderen Mundarten die Bewahrung des nach-
tonigen p t ( s a p t i < SEPTEM, o p t < OCTO etc.), nur in
drei Fällen nicht: f a t (drum. arum. f a p t ) < FACTUM, d i s t e t
„wecke auf" (drum. arum. d e s t e p t ) und s t e t „warte" (drum,
arum. istr. a s t e p t ) . Die Erklärung des ersten Falles gehört
in die Flexionslehre. Auf die Etymologie der zwei letzteren
wirft das Megl. ein helles Licht. Man leitet a s t e p t gewöhn-
lich von *ASTECTO (durch Assimilation aus i S P E C T O , wie
sie. a s t i t t a r i , tarent. a s t i t t a r e , kal. a s t e t t a r e , a.-log.
u s e t t a r e Codaghe 205 n.-log. i s e t t a r e neben i s p e t t a r e
„erwarten") ab und vielleicht mit Recht. Im Aromunischen
hat a s t e p t u neben der Bedeutung „erwarten", häufig die-
jenige von „aufnehmen". Schon Urban Jarnik, der zuerst
— 11 —

darauf aufmerksam macht (Zeitschrift rom. Phil. XXI, 276),


schlägt ACCEPTARE vor, und Geheeb (Jb. V, 17) richtiger
EXCEPTARE, woraus auch friul. s(c)ietä (neben s p i e t a < <
ASPECTARE) vgl. Bartoli a. a. 0. 30 Anm. Eine Entschei-
dung läßt sich schwer fällen, da beide Etymologien möglich
sind, und sich sowohl aus „erwarten" der Sinn „aufnehmen",
als auch umgekehrt, hat leicht entwickeln können; vielleicht
liegt eine Fusion beider Wörter vor. Die Hauptsache für
uns ist, daß *ASTECTO oder EXCEPTO regelrecht a s t e p t ,
während *ASTECTARE oder EXCEPTARE > a s t e t a ergab.
Nun fand Ausgleichung statt, und zwar so, daß das Meglen
die erste, die anderen Dialekte die letzte Form verallge-
meinerten. D e s t e p t ist etymologisch dunkel. Candrea (Les
elements latins 90) schlägt folgende Etymologie vor: wie
a s t e p t < *ASTECTO = ASPECTO, so d e s t e p t < *DIS-
TECTO = DISPECTO. Die Bedeutungsentwicklung wäre
nach ihm: „regarder, — ouvrir les yeux — ouvrir les yeux
apres le sommeil — se reveiller". Wenn schon diese Her-
leitung dadurch zweifelhaft wird, daß in a s t e p t vielleicht gar
nicht * ASTECTO vorliegt, kann sie zwei andere Schwierig-
keiten nicht überwinden. DISPECTO hat überall da, wo es
sich im Romanischen erhalten hat, die Bedeutung (die im
übrigen schon lateinisch ist) „verachten", außerdem heißt
d e s t e p t nicht „se reveiller" wie Candrea übersetzt, sondern
„reveiller", paßt also nicht mehr zu „ouvrir les yeux" Wenn
wir in den romanischen Sprachen das Wort für „wecken"
suchen, so finden wir unter anderen ein (*DE)-EXCITARE,
auf dem ital. d e s t a r e , kal. s i t a r e , Lecce: d i s e t u , log.
i s k i d a r e , kamp. s i d ä i , romagn. d i s t e s , lomb. d e s s e d ä zu-
rückgehen (auch alb. t s o n aus *skton „stehe auf etc." stammt
aus EXCITO vgl. G. Meyer, Alb. Wrtb. 448); dieses hätte
rum. d e s t e t ergeben, eine Form, die sich tatsächlich im Megl.
findet. Zu einer Zeit nun, wo noch auf dem ganzen Gebiet
a s t e p t — a s t e t a flektiert wurde, hat man auch zu d e s t e t ä
ein d e s t e p t gebildet, welches von da angefangen dieselben
Schicksale mit a s t e p t teilt, umsomehr als man ein Analogon
in astern-destern hatte. SEPTIMANA hat sich einerseits
regelrecht zu stämlnä (aus sätämina) entwickelt, andererseits
hat SEPTEM oder urrum. siepte die Erhaltung des p in
säptäminä bewirkt. — Wörter wie f ä p t u r ä < FACTURA,
— 12 —

l ä p t u c ä <C LACTUCA etc. sind natürlich an f a p t , l a p t e an-


gelehnt. Schwieriger ist zu urteilen ob c t i und p t i derselben
Regel folgen. I n t e l e p c i u n e < INTELLECTIONEM kann
durch I n t e l e p t < INTELLECTUM erhalten sein. Sonst
haben wir nur noch zwei Fälle, die sich widersprechen:
*ACCAPTIARE >• a c a t a r e (vgl. § 2 Anm., a c ä t ist aus den
endungsbetonten Formen rückgebildet) und RAPTIONEM >»
r ä p c i u n e „September". Ich vermute, daß dies letzte Wort,
welches den anderen Dialekten gänzlich abgeht, und auch im
Drum, höchst selten ist, einfach eine Fabrikation der latini-
stischen Schule ist. — In der Behandlung der Gruppe c c t ,
ebenso wie in derjenigen des Lautkomplexes ccs, gehen die
Dialekte auseinander. Der Beispiele sind wenige und sie be-
stehen aus Pronominibus, die mit ECC' komponiert sind. Je
nach dem Alter der Synkope konnte dieses CC zu f oder h
vorschreiten oder nicht: ECC'SIC > arum. aksi(tse), drum.
*asf + a > a s ä , ECC'TALEM > arum. a h t ä r e , a f t a r e mgl.
h t a r i , f t a r i , drum, a t a r e (vielleicht auch a c a t a r e <*actare),
ECC'TANTÜM > arum. ahti(n)t (auch ahints, ahätu durch
Dissimilation?), drum. a t l t . — Wir sehen also, daß die Ver-
teidiger der Theorie, nach welcher zwischen Italienisch und
Rumänisch auch nach dem III. Jh. n. Chr. ein reger Verkehr
stattgefunden habe, noch keinen einzigen überzeugenden Be-
weis zu bringen vermochten. Das vollständige Fehlen in der
Sprache der Rumänen von Lehnwörtern germanischen Ur-
sprungs und christlichen Latinismen, die nach dem III. Jh. im
Westromanischen in so großem Maße eindringen, ist aber ein
starker Beweis für unsere Annahme.
§ 4. Für das Verständnis der i-Verbindungen ist diese
i Scheidung zwischen Ost- und Westromanisch von besonderer
Wichtigkeit. Wir werden z. B. sehen, daß die Affizierung
des T durch folgendes i sehr früh begann und schon vor der
Scheidung, die im III. Jahrhundert stattfand, auf eine fort-
geschrittene Stufe gelangte, die wahrscheinlich einem ts, d. h.
einem i-haltigen ts-Laut gleich war. Wenn wir aber die
weitere Entwicklung dieses ts im Ost- und Westromanischen
betrachten, so sehen wir einen erheblichen Unterschied. Im
Osten ist sie vom Wortakzente abhängig (rum. p u t s <
PUTEUS aber t ä t s u n e < TITIONE), im Westen dagegen
— 13 —

nicht (ital. p o t s s o , t i t s s o n e ) , im Rum. ist sie so regel-


mäßig, wie man sie nur wünschen kann, im Westen dagegen
zeigt sie eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten, die, im
großen und ganzen, über das ganze Gebiet verbreitet sind. Da
es sich aber fast ausschließlich um Wörter handelt, die im
Rumänischen gar nicht existieren, so liegt es nahe anzu-
nehmen, daß wir in diesen Ausnahmen spezifisch westroma-
nische Erscheinungen, die später als in das III. Jh. n. Chr. zu
datieren sind, zu erblicken haben, und nicht solche, die ihren
Ursprung schon in der urromanischen Periode haben. Daraus
ergeben sich für uns zwei wichtige Anhaltspunkte: 1. Das
Rumänische kann als Kriterium für die Chronologie der i-Ver-
bindungen benutzt werden und 2. wenn man die Ausnahmen
einer westromanischen Sprache erklärt hat, so hat man den
Schlüssel für die Ausnahmen der übrigen gefunden. Die
Unregelmäßigkeit: ital. p o z z o , t i z z o n e gegen p a l a g i o ,
r a g i o n e , kehrt auch im Französischen, Provenzalischen etc.
wieder, ist aber dem Rumänischen fremd, wie auch die Wörter
PALATIUM, RATIONE. Wir haben es daher mit einer Er-
scheinung, die nach dem III. Jh. in dem durch regen Verkehr
zusammengehaltenen Westen zu tun, präziser, mit Wörtern,
die nach dem III. Jh. in die romanische Volkssprache des
Westens eindrangen. Wir werden im Folgenden sehen, auf
welchem Wege und um welche Zeit dies geschehen ist, hier
soll nur darauf aufmerksam gemacht werden, daß, sobald ital.
p a l a g i o erklärt ist, auch franz. p a l a i s etc. nicht mehr un-
klar sein wird.
§ 5. Trotz der überzeugenden Darstellungen Gröbers
(Archiv lat. Lex. I, 35—67) und G. Paris' (Journal des Sa-
vants 1900, S. 294—307, 356—375) wird das Verhältnis
zwischen Vulgär- und Hochlatein zu oft verkannt. Die Be-
nennung V u l g ä r l a t e i n selbst gibt den größten Anlaß zu
fehlerhaften Anschauungen, da man sich geneigt fühlt, das
Romanische als eine Fortsetzung der vom v u l g u s gesproche-
nen Sprache zu betrachten; ebenso kann der von Meyer-Lübke
in seiner Einführung gebrauchte Ausdruck G e m e i n r ö m i s c h
— 14 —

mißdeutet werden, wie dies auch tatsächlich von Mohl (in der
Kritik zum genannten Werke, Zeitschrift rom. Phil. XXVI
593 ff-) geschah, der das Wort „gemein" mit „ordinaire" nicht
mit „commun" übersetzt. Das Romanische beruht nicht auf
der Sprache einer bestimmten Periode, oder einer gewissen
Volksschicht, sondern sie beginnt mit den Anfängen der
römischen Sprache, wie sie vom g e s a m m t e n Volke gebraucht
wurde, durchläuft Jahrhunderte, um in den heute in Rumä-
nien, Italien, Spanien etc. gesprochenen Sprachen zu endigen.
Im dritten Jahrhundert n. Chr. wird ein Teil des romanisch
sprechenden Volkes vom Rest isoliert. Da erst kann man
eine Scheidung machen, indem man mit U r r o m a n i s c h die
einheitliche Sprache des römischen Reiches v o r dem Ende
des III. Jh. bezeichnet, zum Unterschied von der jetzt ge-
spaltenen O s t - und W e s t r o m a n i s c h e n Sprache.
§ 6. Das Verhältnis der romanischen Umgangs- und
der lateinischen Literatursprache, sowie ihre gegenseitige Be-
einflussung war zu verschiedenen Zeiten verschieden. Obwohl
die zweite aus der ersten entstammt, entfernt sie sich allmäh-
lich von ihr dadurch, daß die Umgangssprache durch natür-
liche Entwicklung eine andere Richtung als die geschriebene
und dadurch in ihrer Entfaltung gehemmte, durch das Grie-
chische beeinfluj&e Latein einschlägt. Doch war in der ersten
Kaiserzeit dieser Unterschied gering. Das Latein wurde von
der gesamten Bevölkerung in ihrer innersten Struktur ver-
standen und g e f ü h l t , und wenn auch im gemütlichen, häus-
lichen Leben der römische Bürger romanisch sprach, so be-
diente er sich im Amte und in der Schule des Lateins. Auf
dem Forum aber, im allgemeinen Verkehr, war seine Sprache
ein Kompromiß beider, bei welchem je nach dem Bildungs-
grad des Römers und der Intimität, in der er sich zum An-
gesprochenen befand, mehr oder weniger die Latinismen über-
wogen. So schrieb man zu Augustus Zeiten allgemein im
Akkusativ MENSAM, man sprach aber zuhause MENSA. Auf
dem Forum sprach man bald, bald unterdrückte man das aus-
lautende m, gerade so wie der gebildete Rumäne heute im
gemütlichen Leben c a l u sagt, c a l u l aber schreibt, während
er im Umgang, je nach dem es ihm die Intimität vorschreibt,
eine freiere oder eine sorgfältigere Sprechweise zu gebrauchen,
bald c a l u und bald c a l u l anwendet. Dies geschieht selbst-
verständlich unwillkürlich, und so groß auf dem Papiere der
Unterschied zwischen c a l u (mensa) und c a l u l (mensam) ist,
so unbedeutet ist er in Wirklichkeit. Nun stand aber um
diese Zeit die römische Literatur in ihrem goldenen Zeitalter
und der allgemeine Bildungsgrad war am größten. Wenn
also eine gegenseitige Beeinflussung der zwei Sprachen statt-
fand, — und dies war ja unvermeidlich, da beide von dem-
selben Individuum gesprochen wurden, — so mußte diese
selbstverständlich zugunsten des Lateins ausfallen. Zwar er-
lauben sich die Poeten, die sonst alles, was nicht Latein war,
verhöhnten, die Lizenz die Endung ia, ium, dort, wo das Vers-
maß sie verlangte, auch im Hexameter anzuwenden, — aber
der Einfluß der Schriftsprache auf die häusliche war bei
weitem größer. Man sprach z. B. zu Hause OCLU, während
man OCULUM schrieb. Nun dringen aus dem Latein in die
Umgangssprache nicht nur Formen wie MIRACULUM, son-
dern sogar echt volkstümliche Ausdrücke wie PICLA werden
zu PICULA umgestaltet (rum. p ä c u r ä ) . Das sind die ersten
Latinismen im Romanischen und sie erklären Widersprüche,
wie ital. m a s c h i o , m u s c o l o neben rum. m a s c u r , m u s c h i ü .
§ 7. Bald sollte es aber anders werden. Mit dem Be-
ginne des Verfalls des römischen, öffentlichen Lebens sank
mit großer Geschwindigkeit auch der allgemeine Bildungsgrad
der Massen, das Latein wird nicht mehr so oft gesprochen
und auf dem Forum, im allgemeinen Verkehre, bedient man
sich schon der ungezwungenen Redeweise, die am häuslichen
Herde, ausschließlich bis dahin Gebrauch war. Dazu kommt
noch ein ausschlaggebender, neuer Faktor: das Christentum.
Zuerst auf die tiefsten Klassen der Bevölkerung beschränkt,
gewinnen die neuen Lehren immer weitere Kreise der Gesell-
schaft, indem sie von u n t e n n a c h o b e n dringen; die christ-
lichen Prediger sind schlichte Leute, die bei allen Gelegen-
— 16 —

heiten die Einfachheit in allen Offenbarungen des Lebens, da-


mit auch in der Sprache, priesen. Das ist der Beginn des
Erstarrens der lateinischen Sprache. Aus dem allgemeinen
Verkehre vertrieben, flüchtete es in die Ämter und in die
Schulen: Das Latein wird nicht mehr g e s p r o c h e n , sondern
nur noch g e s c h r i e b e n , es kann keinen Einfluß mehr auf
die Umgangssprache ausüben, die sich nun in voller Freiheit
mit Raschheit weiterentwickelt, sich immer mehr von der
Schriftsprache entfernend. Das ist das Bild, der vorroma-
nischen Sprache zu Ende des III. Jh. — Im Osten, wo die Ro-
manen schon Christen waren, und wo die einst so blühende
Kultur fast völlig schwand, konnte sich nun das Rumänische
in seiner vollkommenen Schlichtheit entwickeln, unbehindert
von einem Schriftlatein, das man bald ganz vergaß.
§ 8. Anders im Westromanischen. Der nun schon sichere
Niedergang des Lateins schreitet bis zu seiner gänzlichen Ver-
nichtung vor. Gröber hat a. a. 0. mit großer Wahrschein-
lichkeit die Mitte des VI. Jh. n. Chr. als den Zeitpunkt des
größten Verfalls des Lateins bezeichnet; in dieser Periode
konnten die der Schrift unkundigen Könige nicht einmal einen
lateinisch schreibenden Notar finden. Es beginnt nun, als ob
sie eine Vergeltung für ihre frühere Fesselung suchen wollte,
die Umgangs- auf die Schriftsprache einen bedeutenden Ein-
fluß auszuüben. Dies war um so natürlicher, als die wenigen,
die noch klassisches Latein schreiben konnten, es nicht mehr
sprachen, es lernen mußten und nicht mehr imstande waren,
die ihnen nun vollkommen fremden Konstruktionen zu be-
herrschen. Der vulgäre Einschlag in den lateinischen Schrif-
ten dieser Periode ist riesengroß und er beschränkt sich nicht
nur auf Grammatik und Wortschatz, sondern dringt auch in
die Aussprache. So z. B. fängt etwa im IV. Jh. n. Chr. in
der Aussprache der Westromauen das K vor folgendem e, i
affiziert zu werden an und durchläuft die Stufen k, t', ts um
dann in den verschiedenen Gegenden zu ts (s, }>) oder ts (s)
zu werden (§ 92): CENTUM wird zu k e n t u , t ' e n t u etc. Nun
dringt diese Aussprache auch in die der Ämter und Schulen.
— 17 —

Die Nachbarvölker entlehnen den Romanen nicht nur Wörter


wie CINGULA > t ' i n g l a (kymrisch tengl), *(LEPULA >
*t'epula (baskisch tipula), sondern auch ein Wort wie CENSUS
> • *t'ens (fränkisch tins), vgl. Schuchardt, Z. f. rom. Phil. XXI,
235. Wie Mohl (Z. f. rom. Phil. XXVI, 595) gezeigt hat,
kann dieses Wort, welches sich durch die Erhaltung der
Gruppe ns als Latinismus entpuppt, nur aus den Amtern
(Steuerämtern) entlehnt sein. Dieser Lautstand muß vor dem
VI. Jh. allgemein gewesen sein, da das germ. t i n s noch die
zweite Lautverschiebung mitmachen konnte (wenn nicht etwa
das ahd. zins direkt aus der späteren Aussprache t s e n s u s
des lat. CENSUS stammt). Zu Zeiten Karls des Großen, als
das klassisch sein sollende Latein wieder künstlich hergestellt
und in Ehren gebracht wurde, wußte niemand mehr, daß ein
Wort wie CENTUM jemals anders als t s e n t u m ausgesprochen
wurde, welche Aussprache als die offizielle dekretiert und bis
auf den heutigen Tag in den deutschen Schulen bewahrt
wurde. Somit wird der Name CAESAR, den einst die Deut-
schen als K a i s e r aufnahmen, heute von ihren Nachkommen
in anachronistischerWeise als t s e s a r , selbst t s a e s a r gelesen.
§ 9. Manchmal entstanden ganz interessante Kompro-
mißformen. Wir können aus der gleichen Behandlung a l l e r
romanischen Sprachen schließen, daß Ti noch vor dem Ende
des III. Jh., also in urromanischer Periode, in der Umgangs-
sprache einen ts-ähnlichen Laut ( = ts) hatte. Inschriftliche
Belege aus dieser Zeit fehlen zwar (das viel zitierte CRES-
CENTSIANUS Grutner, S. 127, VII, 1 aus dem Jahre 140
n. Chr. ist nach der neuen Ausgabe des Corpus zu streichen),
aber sie sind für spätere Zeiten zu finden, so: CRASSANO
für Gratianus (Mai J. Chr. 263,5) aus Sentium 367—383 n. Chr.,
dann aus Mauret. Caes. MARSAS für Martias im Jahre 442
n. Chr. (C. I. L. VIII, 9751) und aus demselben Orte die un-
datierten TERENSUS und MARSALIS (C. I. L. VIII, 9927,
9942). Das s bezw. ss ist eine ungeschickte Wiedergabe des
ts(s), für welchen Laut das lat. Alphabet kein Zeichen be-
saß. Aus dem VI. Jh. zitiert Corssen (Aussprache 2 55ff.);
2
— 18 —

CONSTANTSO Fleetw. Mon. Christ. S. 377, 2, CONSTANZO


Syll. J. V. 23, S. 555, dazu die Eigennamen CARIZZE, BO-
NIZZA Fabretti VIII, XXIV; X 473 (vgl. Schuchardt, Voka-
lismus I, 152). Und nun die Grammatiker. Die Aussprache
t s wird schon für das IV. Jh. von S e r v i u s (in Don. K. IV,
445, 8—12 und in Verg. Georg. II, 126) bezeugt. Er redet
über eine Aussprache des TI und Dl + Vokal im Inlaut,
welche „in s i b i l u m transeunt"; man soll das griechische
Wort M e d i a „sine sibilo" aussprechen. In der ersten Hälfte
des V. Jh. gibt uns P a p i r i u s (bei Cassiodor K. VII, 216, 8)
eine ähnliche Erklärung, jedoch drückt er sich über die Natur
des Zischlautes klarer aus, wenn er bemerkt, daß: „iustiTIa
cum scribitur, tertia syllaba sie sonat, quasi constet ex tribus
litteris T, Z et I, cum habeat duas: T et I." Aber, fügt er
hinzu, diese Assibilierung findet in vier Fällen nicht statt:
1. in Fremdwörtern, 2. im Anlaut, 3. in der Gruppe STI +
Vokal (iustius, castius) und 4. da, wo der dem TI folgende
Vokal ein I war (otii). Im selben Jahrhundert schreibt P o m -
p e i u s (K. V, 104, 6, 286, 7) dasselbe, nur erklärt er, im Gegen-
satze zu Servius, daß man TI, DI -j- Vokal a s s i b i l i e r e n
m u ß , wenn man korrekt sprechen will, so oft sie inlautend
sind und nicht einem s (castius) folgen: „quotiescumque post
TI vel DI syllabam sequitur vocalis, illud TI vel DI in s i b i -
l u m v e r t e n d u m est . . . ." Aus seinen Beispielen (Aven-
tius, Amantius) erhellt, daß die Assibilierung auch nach Kon-
sonanten geschah. Ähnlich erklärt C o n s e n t i u s (395, 5), der
wahrscheinlich ein Zeitgenosse des Pompeius war, die reine
Aussprache des TI, DI + Vokal als „vitium". Endlich hebt
im VII. Jh. Isidor (Orig. I, 26, 28, XX, 9, 4) hervor, daß Ti
den Laut des griechischen' (u. z. stimmlosen) Z ausdrücke. Der
entsprechende stimmhafte Laut liegt in HODIE vor, das zu
seiner Zeit in Italien o z i e lautete: „cum i u s t i T I a sonum Z
litterae exprimat, tarnen, quia latinum est, per T scribendum
est sicut m i l i T I a , m a l i T I a , n e q u i T I a et cetera similia
. . . . m o z i c i a quasi m o D I c i a . . . . Z pro D, sicut solent
Itali dicere ozie pro HODIE."
— 19 —

§ 10. Aus diesen Grammatikerstellen ersehen wir folgen-


des: Im IV. Jh. n. Chr. sprach man allgemein Ti als ts im
Westromanischen aus. Die jungen Romanen, die zu Hause
p e t s a sagten, haben auch in der Schule das geschriebene
PETIA so gelesen. Der gute Schulmeister Servius verlangt
im IV. Jh. von seinen Zöglingen, zum mindesten das grie-
chische Wort Media so zu lesen wie man es schreibt und
nicht wie das lat. media. Andere Lehrer nehmen aber diese
Aussprache nicht so kaltblütig hin. Sie sehen das geschriebene
Wort vor sich, die Silbenzahl des Wortbildes stimmt nicht
mehr mit derjenigen des ausgesprochenen Wortes und der
junge Romane der p e - t s a zu sagen gewöhnt ist, von seinem
Lehrer aber immer wieder darauf gedrillt wird, p e - t i - a zu
lesen, gelangt zur Kompromiß form: p e - t s i - a , die dem an
dem Buchstaben, nicht an dem Laute hängenden Grammatiker,
genügen mußte. Dieser Umstand wird für das V. Jh. durch
Papirius bezeugt. Er wird bald verallgemeinert und vom
Pompeius als der allein richtige dekretiert. In den Urkunden
von Ravenna (VI. Jh. n. Chr.) findet man tatsächlich diese ge-
l e h r t e Aussprache auch in der Schrift bezeugt: ömva^urAvs),
dov<x£iove[t, öova&ovsg, axrC,io (Marini Pap. dipl. XCIII 83,
89, CX 9, 18). Später, als Karl der Große die Wiederher-
stellung des verfallenen Lateins unternahm, adoptierte er diese
Aussprache als die offizielle und sie blieb bis auf den heu-
tigen Tag in unseren Schulen. Wenn also in der nach-
karolingischen Zeit ein Wort aus dem Latein in die Volks-
sprache drang, konnte es nur mehr diese Aussprache haben.
Daher kann man ital. a n z i a n o , g r a z i a r e , franz. a n c i e n
g r a c i e r nicht auf spätlateinische * ANTE ANUS, *GRATIARE,
sondern nur auf *ANTSIANUS, GRATSIARE zurückführen
(vgl. G. Paris a. a. 0 . S. 305 Anm. 2 und 5).
Anm. In einer gotischen Urkunde aus Neapel, aus dem
Jahre 551 n. Chr. (Maßmann 90. 96. 126. 139) finden wir für
lat. KAUTIO die Schreibung K a v t s y o , welche darauf deutet,
daß das Wort zweisilbig war. Wenn hingegen Ulfilas l a i k t j o
für lat. LECTIO hat, so beweist das nichts gegen die frühe
2*
10. — -20 —

Assibilierung des Ti, denn der hochgebildete Bischof hat auch


wirklich unassibiliertes Ti gesprochen.
Seelmann, dem ich die Grammatikerstellen entnommen,
kommt zu ganz anderen Schlüssen (Aussprache 290ff.). Nach
ihm war zu Servius' Zeiten Ti, Di in der Aussprache nicht
mehr rein, sondern TAT1US, MEDIA lauteten T a - t i u s ,
m e - d i a . Zur Zeit des Papirius rückte dieses Ti zu tji weiter.
„In der Transskription des Papirius soll das T offenbar den
explosiven Klapplaut, I den spirantisierten Halbvokal i und Z
das beide vermittelnde, zwischen j und s klingende iotazistisehe
Beigeräusch charakterisieren". Aus den Angaben des Pom-
peius zieht er nur den Schluß, daß er „die reine Aussprache
des fraglichen TI bezw. DI für einen Jotazismus ausgibt".
Das dritte Studium des Assibilationsprozesses endlich, welchen
die allgemeine spezifisch lateinische Volkssprache durchzu-
machen hatte, ließ die Spirantisierung von dem begleitenden
i aus auch auf den bis dahin unverletzten dentalen Klapplaut
einwirken, das T demnach unmerklich in die entsprechende
Affrikata und echte Spirans übergehen: Ti > tji > tsji, s j i :
iusti-sjia. Isidor deutet darauf hin . . . . " Diese Auffassung
steht im Widerspruch mit den Angaben der Grammatiker und
sie scheidet nicht zwischen Umgangs- und Schulsprache. Die
Grammatiker können doch nur für diese letztere als Zeugen
angerufen werden. Aber auch sonst sagt Servius ausdrück-
lich das Ti, Di in s i b i l u m t r a n s e u n t . Unter dem terminus
technicus „ s i b i l u s " kann er doch nur das verstanden haben,
was auch der Grammatiker Pompeius meint, d. h. Ts! Vom
Aufhören des Silbenwertes des i (der in der Umgangssprache
schon Jahrhunderte früher nicht mehr vorhanden war) redet
keiner der Grammatiker, sondern Papirius betont gerade, daß
„lustitia cum scribitur, t e r t i a s y l l a b a (== ti) sie sonat, quasi
constet ex tribus letteris: T, Z et I, cum habeat duas T et I".
Pompeius schreibt vor: „illud TI . . . in sibilum vertendum
est", aber er unterläßt es nicht, gleich hinzuzufügen: „sed ita
exprimere debes: v i t a n d u m est, u t s y l l a b a (ti) ista verta-
tur in sibilum". Das will doch nichts anders heißen, als daß
der Schulmeister Pompeius TERTIA schreibt, TER-TSI-A
d. h. die Kompromißform gelesen haben will, aber TER-TSA
d. h. die allgemeine romanische Aussprache des Verkehrs
nicht duldet (vgl. Corssen Aussprache 2 S. 65 „man soll n i c h t
— 21 — §§ 11, 12.

t s i , wie bloßes ts oder s sprechen"). Endlich hebt Isidor


hervor, daß, „solent Itali dicere ozie (nicht etwa *oze) pro
h o d i e " . Außerdem stimmt ja die Regel des Pompeius genau
mit der heutigen Schulaussprache des Lateins.
§ 11. Und dennoch hörte das Latein nie gänzlich auf,
auf die westromanische Umgangssprache einen Einfluß aus-
zuüben, der sich freilich nunmehr auf den Wortschatz be-
schränkt. Der Grund liegt wiederum in der christlichen Re-
ligion, welche bald eine große Verbreitung gewinnt. Sie er-
streckt sich über alle sozialen Klassen, wird zur Staatsreligion,
die Priesterwürde bekleiden nicht mehr arme Leute, sondern
die Gelehrten dieser Zeit, die Mönche, — welche bald die
einzigen Schriftkundigen bleiben sollten. Überall wird die
S c h r i f t gepredigt. Da diese als h e i l i g angesehen wird, darf
man an ihren Worten nichts ändern, — und es sind die Worte
der Schrift, d. h. Latinismen, die nun massenhaft in die Um-
gangssprache dringen. Es sind teils neue Ausdrücke für neue
Begriffe (BENEDICTIO etc.), teils neue Wörter, welche die
alten verdrängten, wie z. B. ECCLESIA für die BASILICA
(rum. b i s e r i c ä , sonst nur noch im rtrom. erhalten) der alten
Christen. Dies ist die zweite Schichte von Latinismen im
Romanischen. Sie ist im Ostromanischen durch kein einziges
Beispiel vertreten. Erst viel später, nach Karl dem Großen,
als das Latein wiederauflebte und zur Sprache der Wissen-
schaft wurde, drang mit der steigenden Kultur die dritte
Schichte der Latinismen in die einzelnen romanischen Sprachen.
Es sind das z. T. neugebildete spätlateinische Wörter, wie
die oben zitierten *ANTSIANUS (aus ANTSIA),*GRATSIARE
(aus GRATSIA), teils latinisierte Romanismen. So geht z. B.
nfr. s t a g e auf ein oft belegtes mittellat. STAGIUM zurück,
welches nichts anderes ist als eine Latinisierung des afranz.
e s t a g e (nfranz. etage), eine afranz. Ableitung von e s t e r <[
STARE.
§ 12. Wenn wir uns dieses Bild, welches das älteste
Westromanische in seinen verschiedenen Entwicklungsstadien
zeigt, vor Augen halten, werden wir manche der in diesem
§ 12. — 22 —

Sprachkomplexe vorkommenden Unregelmäßigkeiten in der


Behandlung der i-Gruppen leichter verstehen. Wie schon oben
erwähnt wurde, kennt das Italienische außer den regelmäßigen
Ergebnissen von T i ] > t s s auch eine Reihe von Fällen, wo
diese Gruppe als g und eine andere, wo sie als t s i erscheint:
p o z z o < P U T E U , p a l a g i o < PALATIUM und g r a z i a <
GRATIA. Dies letzte Wort ist sicher ein Latinismus, welcher
wie a n z i a n o , g r a z i a r e der nachkarolingischen Zeit ange-
hört. Unter den anderen ist pozzo zweifelsohne ein altes
Erb wort und zeigt die regelrechte Entwicklung (vgl. § 51).
Wie ist aber p a l a g i o zu erklären? Wir wollen bei diesem
Falle, der sehr lehrreich ist, länger verweilen und alle ähn-
lichen Fälle vorführen, bevor wir eine Erklärung zu geben
versuchen.
BARB1TIUM > b a r b i g i , mil. b a r b i s , ven. b a r b i s i ,
trient. b a r b i z a .
*CYMATIA ( = griech. xvfiäzia) > lomb. simaza.
INDUTIjE > i n d u g i o , Pisa i n d u s o , a.-oberit. i n d u x i a
triest. i n d ü z i a .
MINUTIA > m i n u g i a „corda di budello" (neben m i -
n u z z - a g l i a , - a m e , - o l o und m i n u z i a „cosa di nulla")
neap. [minutseia], cors. m i n u g e , mil. m e n ü s , romagn.
[minutsia], ven. m e n u s a „minuzia", bellum m e n u s a n „mi-
nutame", a.-lomb. m e n u s i e „budella, interiora", dagegen
*MINUTIO > m i n u z z o , romagn. s m n u t s s e .
PALATIUM > palagio (poetischer Ausdruck, neben p a -
l a z z o § 51), a.-gen. p a l a z o (n.-gen. pazo), mil. p a l a s i o
(Bonves.), a.-oberit. p a l a x o .
PRETIUM > p r e g i o „il valore intrinseco o ideale d'un
oggetto", davon ( s ) p r e g i a r e (neben p r e z z o „il valore mer-
cantile computato in denaro" davon ( s ) p r e z z a r e § 51 und
+ prezio), sie. [ p r e d z z u <C ital., p r e t s s i o s u Latinismus],
gall. p r e s u , mil. d e s p r e s i , romagn. p r e z i , trient. prezi, kal.
[prieiu <C ital.] vgl. auch Lecce prietssu neben dispritssu,
Arpino prietsse neben despretsse.
RATIÖNEM und *RATIONO, -ARE > r a g i o n e , - a r e
— 23 —

(neben razione), sie. r a c u n i (nb. radzzuni <C ital.), abruzz


(raeuneiä nb. radzzone < ital.), Pisa r a s o n e , gombit. Sillano,
a.-gen. r a z o n , tarant. r a s o n , gall. r a z o n i (Tempio) cors.
r a g o n e , r e g o n e , mil. r e s ö , a.-berg. r e s o , romagn. r a s o n
a.-€hioggia r a x o n , trient. r a z o n .
SATIONEM, *SATIONO, - A R E > a . - g e n . s a z u n ,
sazonar.
SERVITIUM, *SERVITIALIS > s e r v i g i o , - a l e [nb.
servizio, -ale], sie. [servitssiiu], cerign. [sruitssgie], campob.
[ts§ruwitsei§], a.-gen. s e r v i z o , mil. s e r v i s i i (Bonves.), trient.
s e r v i s i , romagn. s e r v i s l r .
STATIONEM, *STATIONO > stagione „Jahreszeit" -are
(nb. s t a z z o n e „Aufenthalt", -are = stazione, -are), sie.
s t a c u n i [nb. s t a d z z u n i < ital., s t a t s s i u n i < lat.], cerign.
(stadzzoune <C ital.), gombit. s t a z o n , Sillano s t a z o n , gall.
s t a s o n i „Jahreszeit" (neben s t a t s s o n a „faccina di fabbro"
dav. s t a t s s u n a c u „fabbro"), cors. s t a g g o n i (nb. s t a t s s o n a )
a.-Chioggia s t a z o n , a.-ven. s t a z o n , trient. ( s t a d z o n „Jahres-
zeit" < ital.).
Suff. -ITIA >- -ezza (§ 51) und - i g i a (alter- „alterezza",
b a t t - i g i a „Fallsucht", c o m a n d - „Empfehlung", c o d a r d -
covid-, cuvid-, c u p i d - „Begierde", cont-, f r a n c h - „fran-
chezia", g e n t i l - , g r a n d - , g u a r e n t - „Sicherheit", i n g o r d - ,
n e f a n d - , r a c c o m a n d - „raccomandazione" salv-; über
dialektische Formen vgl. Z. f. rom. Phil. XXIV, 547).
Suffix -TIONE > - g i o n e (Die meisten hier anzuführen-
den Beispiele gehören der alten Sprache an (mit + bezeichnet)
und sind heute durch Ableitungen auf - m e n t e ersetzt. Die
Mehrzahl sind gleichbedeutend mit Latinismen auf -zione.
Begrifflich gehören viele der Juristen- (a) oder der Mediziner-
sprache (b) an: a) a l l e n t a - „Bruch", + c a r b o n a - „Kohlen-
staub", + c u r a - „Sorge", f r e g a - „Reiben", g o n f i a - „ Ge-
schwollen sein", -f- mea- „Ausfluß", b) + f a l l i - „Fehlen", +
f i d a - „Bürgschaft" etc. c) Andere Bedeutungen, so: „Farbe":
c a r n a - „Fleischfarbe", p e l l a - „Hautfarbe", p e r l a - „Perlen-
farbe", dann „die Zeit, wo eine Handlung eintritt": f i e n a -
— 24 —

„Zeit der Heuernte", g r a n a - u. g r a n i - „Zeit, in welcher die


Getreidekörner ansetzen" = granulazione, m u d a - „Mauser-
zeit" u. a. + a b b a s s a - „Senken", a l b e r g a - „Herberge",
c a c c i a - „Jagd", i m b a n d i - „Ausrüstung eines Gastmals",
+ p e n s a - „pensamento", + p e n t i - „pentimento", + p r o -
vedi- „provedimento" etc. In den folgenden i s t g i o n e = zione:
+ p a r t i - , + p e r d i - , p i a n t a - , p o t a - , pro(v)vi-, p u n i - ,
p u r g a - , a l a g a - , c o n d a m n a - , + d o n a - , enfia-, f a t a - (sie.
f a t a c u n i ) , liba-, o m b r a - , -j- r a p p o r t a - , + l i y e r a g i o n e =
l i b e r a z i o n e , g u a r n i g i o n e „Besatzung, Garnison", g u a r n i -
z i o n e „Ausstattung, Garnitur". In einem Falle erscheint auch
- z z o n e : a q u a g i o n e = a c q u a z i o n e = a c q u a z z o n e . Aus
den Dialekten erwähne ich: NATIONEM > Pisa nasone,
PACATIONEM > a.-lomb. p a g a s o n , PLORATIONEM >
a.-ven. p l o r a s o n , a.-gen. b e n e i x o n , g u a r i x o n , c o n d e -
n a x o n , dagegen stammt a.-lomb. t r a i ^ ^ o n „tradimento" aus
dem Franz.).
Lassen sich diese Ausnahmen auf lautphysiologischem
Wege erklären? Meyer-Lübke hat es versucht (Z. f. rom. Phil.
VIII, 302—304). Er stellt folgende Regel auf: a) vTi v >
ital. zz, b) y Ti v )> ital. gi. Beispiele für a) p o z z o , p r e z z o ,
t i z z o etc., für b) r a g i o n e , s t a g i o n e - a g i o n e . Danach
wäre einerseits a g u z z ä r e , t i z z ö n e , p r e z z ä r e etc. nach
a g ü z z o , t i z z o , p r e z z o , andererseits p r e g i o , m i n ü g i a nach
p r e g i a r e , m i n u g i ä r e ; s e r v i g i o etwa nach s e r v i g i ä l e ge-
bildet. Für Suff, - i g i a setzt er -ITIES, für b a r b i g i BAR-
BITII voraus, indem er für -Tie, -Tii eine andere Behand-
lung als für -Tia, -Tio annimmt. VENETIA > V e n i g i a
käme nicht in Betracht. — Dagegen sind aber gewichtige
Einwände zu machen. Vor allem bleibt bei seiner Deutung
p a l a g i o unerklärt, neben dem keine endungsbetonte Form
steht. Außerdem zeigt die Bedeutung, daß nicht p r e g i o
„Wert" aus p r e g i a r e „schätzen" entstanden ist, sondern
umgekehrt (ein *PRETIARE kennt das Latein gar nicht).
Bei seiner Deutung des Suffixes - i g i a bleibt das i unerklärt,
da man ein * - i t i e s vorauszusetzen nicht berechtigt ist. Dazu
— 25 —

kommen noch andere Erwägungen. Im Verlaufe dieser Arbeit


wird sich herausstellen, daß der Akzent auf die i-Gruppen
im Italienischen keinen Einfluß hat. Es wäre also, wenn
auch möglich, doch seltsam, daß Ti hiervon eine Ausnahme
bildete. Aber wenn es auch so wäre, so hätte man doch nur
* t i g i o n e etc. Im Rumänischen, wo der Akzent beeinflussend
wirkt, haben wir tatsächlich TITIO > a t s l ' t s aber TITIONE
> t ä t s ü n e , MUSTACIA > m u s t a t s a , aber *MUSTACIOLA
> m u s t ä t s o ä r ä ; eine Ausgleichung findet nicht statt. Außer-
dem werden wir sehen, daß die e r s t e Veränderung der i-
Gruppen im Italienischen die Dehnung des Konsonanten (auch
in vortoniger Stellung) ist, also Ti > TTi. Erst später machen
sich die Einflüsse der umgebenden Laute (oder des Tones)
geltend. Daher erwarten wir einen langen oder zum mindesten
einen stimmlosen Laut als Resultat von Ti (wie er wirklich
in p o z z o , t i z z o n e erscheint). Eine verschiedene Behandlung
des Tie und Tia findet tatsächlich eine Bestätigung im Kie
und Kia (vgl. dial. azza gegen f a t s s e ) , aber FACIES hat
auch zuerst *FAKKiE ergeben, und dann erst hat es sich von
ACIA > *AKKiA gesondert (vgl. § 92), so daß wir auch in
-1TIES gegen -ITIA doch nur einen gedehnten, bezw. stimm-
losen Laut erwarten könnten. Der stimmhafte kurze Konso-
nant dagegen beweist uns zur Genüge, daß wir es in allen
diesen Fällen nicht mit echten Erbwörtern zu tun haben,
sondern entweder mit Entlehnungen, Latinismen oder spät-
romanischen Bildungen. Der letzte Fall ist ausgeschlossen,
da sie ausnahmslos Wörter des lateinischen Lexikons sind.
Für den zweiten Fall tritt D'Ovidio (Note etimologiche, Na-
poli 1899 S. 66ff.) ein, indem er die g-Formen als Entleh-
nungen aus dem Französischen betrachtet und mit P a r i g i <
Paris, L u i g i < Louis, D i o n i g i , F i o r d a l i g i , A m a d i g i ,
M a l a g i g i , T a m i g i vergleicht. Wir fragen uns gleich, warum
wir nicht * p a l a g i , *prigi haben? Wie soll außerdem der
Italiener den Städtenamen V e n i g i a von den Franzosen haben?
Dieser ist ebenso einheimisch, wie franz. P a r i s gewiß nicht
aus dem ital. P a r i g i stammt. Daher ist die unerklärte fran-
— 26 —

zösische und italienische Ausnahme g bezw. z (sie beschränkt


sich nicht auf diese zwei Länder, vgl. Horning, Zeitschrift f.
rom. Phil. XXV, 736—737) gemeinsamen Ursprungs und wenn
man das eine aus dem anderen als entlehnt betrachtet, so hat
man noch keines erklärt. Dagegen wirft die Erklärung der
Unregelmäßigkeit der einen Sprache auch auf die anderen ein
helles Licht.
Wenn wir es aber weder mit Erb- oder Lehnwörtern,
noch mit spätromanischen Bildungen zu tun haben, so bleibt
uns nichts übrig, als sie als Latinismen zu betrachten. Als
solche entpuppen sie sich auch auf den ersten Blick, denn
alle sind Abstrakta, also Wörter, die eher zur Sprache des
Gebildeten, als zu derjenigen des Bauern gehören ( P a l a g i o
ist zwar konkret, aber ein Ausdruck, den der Bauer erst vom
Gebildeten erlernen muß; dies kann früher oder später ge-
schehen, sodaß das Wort wie die Erb Wörter (§ 51), oder wie
die Latinismen behandelt werden kann, *CYMATIA ist ein
technischer Ausdruck, M i n u g i a „Därme" gehört der Sprache
der Mediziner an; ebenso war b a r b i g i „Schnurrbart" ur-
sprünglich ein Abstraktumi „Bartwuchs"). Ferner werden sie
als solche auch durch das volltönende i in norditalienischen
Dialekten (romagn. trient. prezi etc.), durch das i des Suffixes
- i g i a , durch die Nebenform auf - t s i und durch die Tatsache
verraten, daß sie alle dem Rumänischen unbekannt sind. Zwar
ist PRETIUM >» p r e t auch im Rum. vorhanden, aber dort
bedeutet es „Wert" im Sinne des ital. p r e z z o , also der im
Handel gebrauchte Ausdruck, wogegen für die Bedeutung „il
valore intrinseco o ideale d'un oggetto", welche dem ital.
p r e g i o inne wohnt, das rum. Volk keinen Ausdruck besitzt.

Aiim. Horning, der über die Geschichte der rom. i-


Gruppen eingehende und scharfsinnige Studien geschrieben
hat, betrachtet in seinem „Lat. C." S. 30—37 u. 113ff. - i g i a
als Latinismus, die anderen Fälle sieht er aber als Erbwörter
an, ohne eine Lösung für die Unregelmäßigkeit ihrer Gestalt
zu finden (ich verweise auf seine reichhaltige Beispiel-
sammlung aus alten Texten S. 113 ff.), später (Z. f. rom. Phil.
— 27 —
XVIII, 239) neigt er zu Meyer-Lübkes Erklärung von p r e g i o .
Endlich (Zeitschrift f. rom. Phil. XXIV, 545—555) hält er
auch p r e g i o , p a l a g i o , b a r b i g i und m i n u g i e für „halb-
gelehrt". Er frägt sich, ob auch V e n e g i a unter diese ein-
zureihen sei, glaubt aber noch immer an eine erbwörtliche
Gestalt der Wörter r a g i o n e , s t a g i o n e . In diesem so lehr-
reichen Artikel, auf den ich besonders hinweise (in Zeitschrift
f. rom. Phil. XXV, 736—737 bringt er neue Belege), geht er
von der Ansicht aus, daß „in gewissen Gesellschaftskreisen
und zu einer bestimmten Zeit, in sogenannten halbgelehrten
Wörtern Ci, Ti, CE, CI in der Aussprache z (sanftes s) zu-
sammenfielen, während in eigentlichen Buchwörtern jene Laut-
gruppen zu 9 (zy) wurden". Er gelangt also auf anderen
Wegen zu einem ähnlichen Resultate wie das oben angeführte.
Nur scheidet er nicht zwischen vor- und nachkarolingischen
Latinismen iind wirft dadurch ein Wort wie sass. g r a d z i a
und ital. p r e g i o zusammen und trennt dieses von r a g i o n e .
Er fragt sich also nur darnach, ob das Resultat des Ti stimm-
haft sei oder nicht und meint, daß wir es im ersten Falle mit
„halbgelehrten", — dabei vergißt er auch r a g i o n e , — im
zweiten aber mit „gelehrten" Wörtern zu tun haben. Dem
ist aber nicht so. Sass. g r a d z i a unterscheidet sich aber ge-
rade so von sass. p r e z u , wie ital. g r a z i a von p r e g i o und
sicil. s p i d z i a l i von r a c u n i . Während p r e z u (zweisilbig!)
in einer frühen Periode entlehnt wurde, ist g r a d z i a (drei-
silbig!) aus g r a t s i a entstanden, welches in einer bedeutend
späteren Periode dem Lateinischen entlehnt wurde. Welches
die Ursache des Ubergangs von ts ]> dz in diesen Wörtern
war, kann ich bei den mangelhaften diesbezüglichen Nach-
richten nicht entscheiden. In manchen Fällen scheint der
Akzent die Ursache zu sein (vgl. Horning a. a. 0 . S. 545
Anm. 2 und 546); wahrscheinlich aber war hauptsächlich der
Umstand, daß einige dieser Latinismen direkt, andere aber
durch die ital. Schriftsprache in die Dialekte eindrangen, der
Grund. — Was V e n e g i a anlangt, so ist es zweifelsohne ein
Latinismus (wie auch das alte Venitsiani und das heutige
Venezia) und man braucht gar nicht anzunehmen, daß „die
Uberlieferung des Wortes im Volksmunde eine Unterbrechung
erlitten habe". Die Städtenamen k ö n n e n erbwörtliche Form
haben, und dies geschieht auch in den meisten Fällen, sie
— 28 —

m ü s s e n es aber n i c h t und man übertreibt zu oft ihre Be-


weiskraft. Diejenigen, die zuerst das Bedürfnis fühlen, mit
dem N a m e n der Stadt zu arbeiten, sind die schriftkundigen
Beamten und die Gelehrten (Historiker, Theologen etc.), die
natürlich die lateinische Form benützen. Die Bauern aus der
Umgebung, wenn sie von der großen, nahen Stadt reden,
wenden gewiß einfach das Wort S t a d t an („ich fahre nach
der Stadt, ich habe einen Verwandten in der Stadt" etc.), da
es selbstverständlich ist, welche Stadt darunter gemeint wird.
Würde ein Bauer aus der nächsten Umgebung Venedigs von
Rom sprechen, so würde er es gewiß beim Namen nennen,
aber bei der einzigen, großen, nahen Stadt Venedig, braucht
er es nicht zu tun. Der Bewohner der Stadt selbst wird
höchst selten in die Lage kommen, den Namen derselben zu
gebrauchen. Der D o g e von V e n e d i g ist für ihn „unser
Doge" und nur etwa im Gespräch mit einem Fremden wird
er seine Stadt beim Namen nennen. Aber da mischen sich
psychologische Momente, wie Stolz, Lokalpatriotismus etc.
hinein, und er wird die offizielle, lateinische Benennung ge-
brauchen. Diese ist in den meisten Fällen gleich der volks-
tümlichen, weil man in M i l a n o z. B. vergessen hat, daß
die Stadt einst anders ' geheißen hat, aber in V e n e d i g ,
welches spät gegründet wurde, mußte der lateinische Name
VENETIA zu V e n i g i a werden. Sehr lehrreich ist in dieser
Beziehung der Ortsname P e r u g i a , dessen volkstümliche Ge-
stalt (alt. P e r o s c i a ) ganz verschwunden und durch das ge-
lehrte P e r u g i a ersetzt wurde, wie schon das u zeigt. Dies
hatte auch D'Ovidio (Grundriß f. rom. Phil. I, S. 517) ange-
nommen; er ändert aber später (Note etimologiche) seine
Ansicht, und greift zu folgender komplizierten Erklärung:
PERUSIA > P e r o s c i a , eine Ableitung davon ist P e r u g i n o ,
dessen u durch die Tonlosigkeit erklärt wird, dessen g aber
dadurch, daß in * P e r o s c f n o „c voltosi subito secondo la
norma di protonica a g"; aus dem Perugino sei dann wieder
P e r u g i a rekonstruiert. D'Ovidio glaubt aber selber nicht
recht daran, denn (S. 70) angesichts der gelehrten Formen
C h i u s i < CLUS1UM (neben Chiusci, bäuerisch Chiuci und
„halbgelehrt" Chiugi) und A s s i s i << ASISIUM (neben Ascesi
<C *Aseci) schreibt er: „il che monstrerebbe che il mio primo
pensiero su P e r u g i a non istonava dall'ambiente e f o r s e
— 29 —

p u ö a n c o r a a m m e t t e r s i il l a t i n i s m o come c a u s a con-
comitante e accessoria."
In einer Anzahl von Wörtern erscheint ein unklares Suffix
- a g i o , - o g i o , - u g i o z. B. b a r b o g i o „kindisch" (zu barba
„Onkel"?'), b a s t o g i o „Lastträger" (vgl. bastaio „Sattler"),
c a l d e r - u g i o = calder-ino „Stieglitz" (calderugia „Kreuz-
blume"), + d u a g i o „Stoff aus Douai", g r a t t u g i a (cerign.
'rattakäse, campob. grattakace, aquil 'rattakasiu) „Reibeisen",
vgl. g r a t t a p u g i a , g r a t t a b u g i a „Drahtbürste (sollte dies
das Etymon sein?) zum Reinigen der Metalle", m a t t e r u -
g i o l o „dumme Person" (vgl. matto „verrückt"), l a m p u g i a
(Sillano lampuza „lagrima"), r a p e r u g i o l o „Zeißig" = rape-
rino, t a f f e r u g i a = t a f f e r u g l i a etc. Das g könnte aller-
dings auch auf Si beruhen, vgl. m a l e s c i o (dav. maliscenza,
maliscente) „kränklich" (vgl. malazzato), n o c i s c e „einge-
lutzelte, schlechte Nüsse". Dagegen scheint p a r l a g i o „Par-
lamenthaus (in Florenz)", r a n d a g i o „Vagabund", Rück-
bildungen aus + p a r l a g i o n e „Aussprache", a n d a r r a n d a -
g i o n e „umherschweifen" zu sein. V a l i g i a Lecce: b a l i c g
hat Ascoli (Archivio glott. I, 512 Anm.) mit Wahrscheinlich-
keit aus einem (spät gebildeten) *VAL1TIA (von val-ere) „le
cose di qualche prezzo, che il viaggiatore porta seco" abge-
leitet (Körtings Einwand S. 916, daß -itia nicht an Verbal-
stämmen angefügt wird, ist zu beseitigen, da die späten La-
tinismen auf -itia > -igia gerade durch diese Eigenschaft
charakterisiert werden, vgl. comandigia, battigia etc., vgl. auch
Zeitschrift f. rom. Phil. XVIII, 240). ü b e r a.-ital. a l b a g i o
„bianchiccio" mil. a l b a s < *ALBATIUS (DEALBATIORES
bei Augustin), vgl. Salvioni Romania XXVIII, 91.
§ 13. Der Latinismus p r e g i o ist aber anders behandelt
als der Latinismus g r a z i a . Der Grund davon muß also noch
erklärt werden. Wir wissen, daß g r a z i a der nachkarolingi-
schen Latinität angehört; p r e g i o dagegen ist ein sogenanntes
„halbgelehrtes" Wort, entstammt also einer älteren, vorkaro-
lingischen Periode und hatte Zeit, sich mehr in die Volks-
sprache einzubürgern. Wir haben gezeigt (§ 9), daß im V. Jb.
n. Chr. Ti der Erbwörter im Westromanischen als ts lautete,
daß dagegen die Aussprache des Ti in lateinischen Wörtern
t s i war. Nun wissen wir, daß die Verbindung ts sehr leicht
— 30 —

zu s wird, indem die Artikulation des Verschlusses vernach-


lässigt wird. Es ist also wahrscheinlich, daß in irgend einem
Teile des Westromanischen, die Aussprache s für erbwört-
liches Ti schon um diese Zeit existierte. Diese Westromanen
haben dann auch ein lat. PRETIUM nicht mehr als p r e t s i u m ,
sondern als p r e s i u m gelesen, ebenso wie es die heutigen Fran-
zosen tun, die auch deutsches „Zwirn" als s u i r n aussprechen,
da ihnen der ts-Laut fremd ist. Nun stelle man sich vor,
daß in einer solchen s-Gegend ein blühendes Kloster bestand,
wo lateinisch gelernt wurde. Die Mönche, die aus diesen
Schulen als Lehrer über das ganze westromanische Gebiet
wanderten, haben diese Aussprache verbreitet, und sie wurde
zur Mode auch im ts-Gebiet: Italien. Nur so erklärt es sich,
daß z. B. die Latinismen RATIO NE und OCCASIONE (§ 16)
das gleiche Resultat zeigen: ital. r a g i o n e (<[ *rasione),
c a g i o n e . Die Aussprache r a s i o n e ist nicht nur erschlossen,
sie findet sich durch zahlreiche Inschriften aus dem V—VII. Jh.
n. Chr. (meistens aus Gallien) bezeugt: CONS1ENSIA (Vienne),
OBSERVASIONE (Lyon im V. Jhr. n. Chr.), SEPSIES (558
n. Chr.), C. I. L. XII, 2086. SAPIENSIE (Briord, vor 632
n. Chr.), PASIINS (Briord, vor 632 n. Chr.), DISPOSISIO
(Vienne 536 n. Chr.), DULCISIUS (Vienne 559 n. Chr.), PENE-
TENSIA, -SLffi (Venasque Ende V. Jh.).
Außer diesen aus Le Blant: I. Chr. genommenen, findet
man ferner VOCONSIUS, Steiner, I. D. et Rh. 3697, 1 (Saal-
burg bei Homburg), B O N I F A T I U S Mai I. Chr. 368, 4,
iEQUISIA I. R. N. 5727, VESSIUS Renier J. A. 1283 (Lam-
baesa), GERONSIA C. I. L. XII, 2116 + neben GERONTIA
C. I. L. X, 2383 etc. Umgekehrt steht HORTENTIUS
(Grutner, S. 465 IX Nemausus) für Hortensius. Es ist nicht
anzunehmen, daß SI eine ungeschickte Wiedergabe für TS
sei, denn zu dieser Zeit waren schon die Transskriptionen Z,
TS, TZ bekannt (vgl. § 9). Außerdem findet sich kein ein-
ziges Beispiel von S, was doch wunderlich wäre, wenn das I
nicht Silbenwert gehabt hätte. Die Steinmetze waren Leute,
die etwas Latein gelernt hatten, aber orthographisch konnten
— 31 —

sie nicht schreiben, daher gruben sie in ihre Steine, so wie


man ihnen diktierte: SAPIENSIA, OBSERVASIONE etc.
Daß es sich aber wirklich um SI nicht um TS handelte, er-
sieht man aus Fällen wie INDEXIONE (St. Julien en Quint
537 n. Chr. Revel-Tourdan 563 n. Chr.). RESÜRREXI[0]NIS
(Revel-Tourdan 547 n. Chr. Le Blant I. Chr.), HOCSIES
( = octies) C. I. L. 2087 aus 559 n. Chr. OCXI[ES] C. I. L.
XII, 2382 (christlich), denn nur CSI, nicht auch CTS konnte
durch XI wiedergegeben werden. Damit stimmt noch überein,
daß alle angeführten Beispiele Latinismen sind (MARSIAS
Vienne 536 n. Chr. und TERSIO Vienne 536 n. Chr.
C. I. L. XII, 2081, aus 540 n. Chr. TESIA C. I. L. XII, 2187
aus. 564 n. Chr., sind zwar auch als Erb Wörter vorhanden,
wurden aber auf der Grabschrift in der lateinischen Form
wiedergegeben).
§ 14. Die Aussprache RASIONE fällt also in die Zeit
des größten Verfalls des Lateinischen. Ihre Verbreitung er-
klärt sich daher leicht. Die Mönche waren die einzigen
Lateinkundigen; sie bildeten aber eine soziale Klasse für sich
und standen auf dem ganzen westromanischen Gebiet im regen
Verkehr untereinander. Jede Unart in der Aussprache des
Lateins konnte rasch nachgeahmt werden, da niemand mehr
die richtige kannte. Wie lange diese Aussprache gedauert
hat, ist schwer zu sagen; jedenfalls wurde sie nach Karl d.
Großen, der wahrscheinlich auf Grund der Grammatiker, wie
Pompeius, die offizielle Aussprache TSI einführte, vergessen.
Vielleicht läßt sich aber ihre Dauer, auf indirektem Wege,
durch folgende Erwägung feststellen. Der Ubergang von Ti
und Si in ital. g ist abhängig von dem stimmhaftwerden des
intervokalischen S zu Z, denn g ist nur durch die Mittelstufe
Zi erklärlich. Tatsächlich reicht der stimmhafte Laut g bezw.
z im Italienischen, wie aus den Beispielen des § 11 zu er-
sehen ist, nur so weit, wie das intervokalische Z < S. Dort,
wo man caso sagt, hört man auch r a c u n i , k a c u n i , f a t a -
c u n i , b a l i c e (bezw. rasuni, kasuni.). Daraus ergiebt sich
folgendes: Nachdem der Latinismus RATIONE als RASIONE
§§ 15, 16. — 32 —

ausgesprochen zu werden anfing, aber vor der Wiederein-


führung der Lesart RATSIONE durch Karl den Großen, also
in dem Zeitraum, der ungefähr durch die Jahreszahlen 500
und 800 n. Chr. begrenzt ist, begann im Westromanischen
vom Norden aus eine Strömung, welche das intervokalische
S der Erbwörter stimmhaft werden ließ (Z). Diese Strömung
konnte sich jedoch nicht über das ganze Gebiet verbreiten
und in Italien fand sie in Toskana ihre Grenze. Nun geschah
mit Z < S das, was auch mit TS < Ke, Ki sich ereignet
hatte: Die Buchkundigen führten diese Aussprache auch beim
Lesen des Lateins ein. Karl der Große erklärte sie dann als
offiziell und sie ist noch heute in unseren Schulen bewahrt.
Natürlich blieb sie aber Süditalien fremd. Nun, da man
ROZA, SPOZARE las, gab man diese Aussprache auch Wör-
tern wie RAZIONE, OCCAZIONE (im Süditalienischen aber
ROSA, SPOSARE, RASIONE, OCCASIONE), woraus dann
nordital. r a g o n e , südital. r a c u n i .
§ 15. Die relative Zeitbestimmung des Überganges des
Ti > ital. g wird uns auch, durch folgende Erwägung ge-
geben: Das erb wörtliche PRETIUM wurde lautgerecht zu
p r e z z o , da die Zwischenstufe P R f i T T i ü (§ 92) vor der Diph-
thongierung des lat. e > ital. ie in ungedeckter Stellung er-
reicht war, sodaß nunmehr TTj. eine Deckung bildete. Wenn
dagegen p r e g i o volkstümlich wäre, würde man * p r i e g i o
erwarten. (Im Altvenez. ist in p r i e x o der Diphthong sekun-
där und durch das folgende i bedingt, vgl. Yidossich in Zeit-
schrift f. rom. Phil. XXVI, 347), da nach e nur ein Konso-
nant folgt. Wenn dagegen p r e g i o auf dem Latinismus
PRETIUM beruht, so konnte es nur zu einer Zeit in die
Volkssprache eindringen als lat. ungedecktes e (PRE-SI-UM)
nicht mehr diphthongieren konnte.
§ 16. Lehrreich ist ferner der Vergleich von PALA-
TIUM > p a l a g i o mit BAMBACIUM > b a m b a g i a „Baum-
wolle" (dav. b a m b a g i n o , - g i o s o , - g i o n a ) neap. v a m -
m a t s e , sie. b a m m a t s i , cerign. v a m m ä t s § (dav. v a m -
m a t s ä r e „il piccolo strozzino, che ripone i pegni preziosi in
— 33 —

sentoli pieni di bombagia), Lecce a m m a t s e (oder ammace?),


aquil. b a m m a c e , Laue, v a m m a t s g , campob. m a m m a t s a
(dav. m a m m a t s o k e ) , Alatri b a m a t s e , Pisa, gall. b a m b a t s a
(sass. b a m b a d z i ) , a.-berg. b o m b a s , trient. b u m b a s . Das
Wort BAMB ACIUM (*BOMB ACIUM zeigt eine Vermischung
mit BOMBYX „Seidenwurm". Horning verteidigt mit Recht
in Zeitschrift f. rom. Phil. XXVII, 347—349 die Etymologie
Diez': ital. b i g i o „grau" < *BOMBICiUM) ist mittellateinisch
belegt (Du Cange) und stammt aus dem mittelgriechischen
ßct/ißäxiov, ist also kein Erb-, sondern ein spätlateinisches
Wort (vgl. auch Schräder: Zur Handelsgeschichte und Waaren-
kunde I, 242f.; slov. b o m b a z stammt aus dem Istrischen),
sodaß es die regelrechte Entwicklung der Gruppe Ki nicht
mehr mitmachen konnte. Nun wissen wir, daß in einer
späteren Periode auch CE, CI zu ts wurden und diese Aus-
sprache auch in das Schullatein eindrang; man las also
BAMBATSIUM. Dieses ging dann dieselben Wege wie
PALATSIUM und wurde über BAMBAS1UM (BAMBAZIUM)
zu b a m b a g i o bezw. v a m m a c e . Aus den Dialekten lassen
sich noch JUDICIUM > gen. z u i x i o (vgl. Horning, Lat. C.
S. 114, auch a.-franz. ju'is), OFFICIUM > a.-oberit. o f f i x i o ,
FIDUCIA > a.-oberit. f i ( d ) u x i a , piem. f i ü z a (mit stimm-
haften s) etc. anführen. Alle diese beweisen, daß RATS10NE
erst zu einer Zeit, wo lat. CE, CI in der Schulaussprache zu
TSE, TSI geworden waren, zu RASIONE > RAZIONE >
r a g i o n e wurde.
Anm. Die Aussprache CE > TSE > SE erklärt viel-
leicht folgende späte lat. Glosse: „Gieba s e p e s durus cum
herba" (C. Gl. IV, 522, 33), welche mit: „Gleva ( = gleba).
c e s p i s duris ( = caespes durus) cum erva ( = herba) levatur"
(C. Gl. IV, 83, 8) zu vergleichen ist. Dagegen ist das aus
dem Jahre 225 bezeugte MaQöiaxog nicht aus MaQxiaxoc
entstanden, sondern das lat. MARSIÄCUS (vgl. Archiv f. lat.
Lex. X, 506).
In den Latinismen der naclikarolingischen Zeit findet man
t s i für CI, der offiziellen Aussprache entsprechend: ital. de-
l i z i a , a s c i t i z i o , c a r d i n a l i z i o etc.; später aber dringt das
3
— 34 —

ital. t s i auch in die Aussprache des Lateins ein, sodaß das


alte t s i in Latinismen vom neuen t s i zum Teil verdrängt
wird, oder sich neben diesem erhält: a r t i f i z i o = - c i o , +
a s s o z i a r e = - o c i a r e , male-, b e n e f i z i o = - i c i o , c a l i z i o
= icio, + c o m e r z i o = - e r c i o , g i u d i z i o nebst Ableitun-
gen = - c i o , o f f i z i o nebst Ableitungen = - i c i o , o r i f i z i o =
- i c i o , p a t r i z i o = - c i o , sozio (verächtlich) = socio,
s p e z i e „Spezerei" — s p e c i e „Art" — zpezie „Gewürz".
Neben n u n z i o <C NUNTIUS ist umgekehrt auch ein n u n c i o
(pronunziare = - c i a r e etc.) entstanden. Nur mit ts: s o c i e t ä ,
o c e a n o , p r o v i n c i a etc.
§ 17. Wie wir gesehen haben (§ 13) hängt die Ge-
schichte der Wörter p a l a g i o , r a g i o n e etc. auf das engste
mit derjenigen von c a g i o n a r e etc. zusammen. Die Schick-
sale des lat. Si im Italienischen zählen zu den dunkelsten
Problemen des ital. Konsonantismus und wir können nicht
näher auf sie eingehen, da sie nur in Verbindung mit der
Frage des Stimmhaftwerdens des intervokalischen S behandelt
werden können. Diesbezüglich gehen die Meinungen der Ge-
lehrten sehr stark auseinander. Meyer-Lübke (Rom. Gram. I
§ 440) nimmt an, daß im Toskanischen nachtoniges lat. S als
s, vortoniges als z erscheint, Pieri (Archivio glott. ital. XVI,
163—173) glaubt, daß s in allen Stellungen die Regel sei,
z dagegen nur in Latinismen und Lehnwörtern erscheint,
Ascoli dagegen (Archivio glott. ital. XVI, 175—192) will das
s neben z schon auf das Lateinische zurückführen. In einem
Punkte stimmen sie aber alle überein, daß nämlich in Latinis-
men und in Lehnwörtern z erscheint. Dies läßt sich auch
auf Si übertragen. Ohne behaupten zu wollen, daß überall
dort, wo Si ital. g, wir es mit keinen Erbwörtern zu tun
haben, können wir annehmen, daß für Latinismen und Lehn-
wörtern die Regel Si > g giltig ist. Damit ist uns ein neues
Mittel zur Bestimmung der Chronologie des Überganges von
PALATIUM > p a l a g i o gegeben. Für die Gruppe Ti be-
sitzen wir, — außer V e n i g i a , — keine Beispiele, deren Ein-
führung in die Volkssprache historisch nachweisbar wären. Da-
gegen zeigen uns die Heiligennamen AMBROSIUS (340—397)
— 35 —
> ( A m ) b r o g i o , gen. B r ö z u , trient. A m b r o z i , Alatri
(Ambrosii), a.-san. A m b r u o s o , a.-ven. S a n c t o B r u x o n e
(aus 1117), BLASIUS ( + 316) > B i a g i o , Lecce (Vrasi),
Aquila B i a c u , gombit. Biazg, Sillano B i a z e , romagn. Biez,
daß dieser Ubergang nach dem IV. Jahrhundert stattgefunden
hat. Daß die Heiligennamen von der Kirche aus in die Volks-
sprache mit der kirchlichen offiziellen Aussprache des Latein
gedrungen sind, bezweifelt wohl niemand. Sie trafen mit
PALATIUM auf der Stufe PALASIU oder PALAZIU zu-
sammen und ergaben ital. g.
Aiim. Neben Pieri und Ascoli (a. a. 0.) hat sich
D'Ovidio (Note etimologiche. Estratto dal Vol. XXX degli
Atti della Reale Accademia di Napoli. S. 52—70) mit Si
eingehend befaßt, indem er am Schlüsse zu demselben Re-
sultat gelangt wie Meyer-Lübke in seiner Italienischen Gram-
matik §§ 246 und 254. Eine befriedigende Lösung zu geben,
ist ihm aber nicht gelungen. Wenn man annimmt, daß -Si- zu
g und -Si- > c wird, bleiben Fälle wie c i l i e g i a , c i n i g i a
unerklärt. Zwar paßt die erste Regel fürs Toskanische, wo
jedes vortonige Si als g erscheint, nicht aber für die übrigen
Dialekte, wo kein Unterschied zwischen nach- und vortonig
gemacht wird. Man kann auch nicht agio als Entlehnung'
aus dem Französischen deuten, denn, wenn ital. L u i g i =
agio <C franz. Louis = aise, so widersetzt sich dem das
neap. aso, sie. acu (wie neap. k a s o sie. k a c u < CASEUS)
gegenüber neap. sie. L u i d z z i (wie sie. d a m a d z z u franz.
domage). Man muß also ein lat. *ASIUM annehmen, welches
freilich etymologisch dunkel ist. Darin liegt gerade die größte
Schwierigkeit, daß die meisten Si-haltigen Wörter unklar sind.
Wenn man einen Blick auf die italienischen Dialekte wirft,
so bekommt man die Uberzeugung, daß neben den regel-
rechten Ergebnissen von Si ital. c (es ist D'Ovidios Ver-
dienst gezeigt zu haben, daß Fälle wie ital. cacio neben
cascio nur orthographische Variationen der Aussprache k a c o
sind), die Aussprache g mit den Latinismen und den Lehn-
wörtern zugleich in die Sprache eindringt. Diese wird dann
zur Mode und sie nistet sich auch dort ein, wo sie nicht be-
rechtigt war, d. h. in den Erbwörtern. Dadurch erklären sich
Doublette mit c und g; dies letzte verdrängt oft gänzlich das
3*
— 36 —
volkstümliche e. Die verschiedenen Dialekte widersetzen sich
dieser Mode mehr oder weniger, einige assimilieren sogar die
Latinismen den Erbwörtern. Somit hat ein jedes Wort seine
Geschichte für sich. Bei einigen ist die buch wörtliche, bei
anderen die erbwörtliche Gestalt auf ein sehr großes Gebiet
verbreitet. Ohne der Frage weiter nachgehen zu wollen, lasse
ich hier eine Sammlung von Beispielen von intervokalischen
Si im Sardischen und Italienischen folgen. In eckige Klam-
mern setze ich die Latinismen, welche gar nicht assimiliert
wurden und in runde Klammern die Entlehnungen aus Nach-
bardialekten; spaziniert sind diejenigen Formen, die im be-
treffenden Dialekt unregelmäßig sind. *ASIUM > agio,
(adagio), log. aiu, camp, [asiu], neap. (ad)aso, sie. acu (micacu
= a.-ital. m i s a g i o „inedia, sofferenza"), gall.asu, trient. ad azi.
BASIO, -ARE „küssen" baciare, log. basare, camp,
basai, sass. baza, sie. vasari, neap. vasare, gombit. bazare,
a.-gen. bazar, triest. bazar, trient. bazar.
BASIUM „Kuß" ]> bacio. log. basu, camp, basidu, sass.
bazu, sie. vasu, cerign. väse, Lecce asu, aquil. bacu, Teramo
vase, Lanciano, campob. vace, gall. [basu], cors. bacu, Roma
baco, gombit. Sillano ba?g, a.-gen. bazu, triest. trient. bazo.
CASEUS cacio (cascio, cascina, caciaia, a.-ital. casciaia,
caci(u)ola), log. kasu (schon im Statut), camp. Kasosu, sass.
kazu, sie. kacu, neap. kaso, cal. kasu, cerign. käse, Lecce kasu,
aquil. kacu, Teramo kase, Lanciano, campob. kace, gall. kazu,
cors. kacu, gombit. Sillano kaze, a.-berg. kaso (kasontsel),
n.-berg. (kasonsel), mant, (kasontsel), bresc. (kazonsel), tic.
kazö „caciuola", trient. (fromadzu).
CAMISIA > cami(s)cia (dav. camisciole, vgl. cämice „Meß-
gewand"), log.kamisola, n b . k a m H a (wie staione,preiu!), camp,
kamisola, kamisa [nb. kamisia!], sass. kamiza, sie. kamica,
tarant. kamesole, neap. kamisa, kamesela, cerign. kammoise
(dav. kasemuloine), aquil. kamica, Teramo kammise, Al'atri
kamisa, cors. kamica (kamisola), Sillano kamiza," a.-berg.
kamisa, triest. kamiziolin, trient. kamiza, kamizola (vgl. Meyer-
Lübke: Zur Kenntnis des Altlogudoresischen S. 17, nach
welchem nur rum. c ä m a s e und friul. k a m e z e erb wörtliche
Gestalt haben sollen).
CERASIUS, CERESIUS > c i r i e g i o , e i l i e g i o (ceraso
bei Petra rca, auch sonst „in c[nalch6 paesi di Toscana"), log.
— 37 —

kariasa (<[ k a r a s i a ? auch sass. kariaza), camp, t s e r e z a , sie.


tsirasa, neap. tserase, -sa, cal. tserasu, -sa, cerign. tserase,
Lecce tserasu, -sa, Aquila tseraca, Lanc. tserece, -ace, Cas.
tserase „Kirsche", t s e r a s e „Kirschbaum", Arpino täerasa,
Capo di Leuca tsarasa, Roma tserasa, sen. saraza, aret. s e r a g a ,
sau. s a r a g a , gall. ( k i r i a s i <C log.?), cors. t s a r a s a , Lucca
serase, gombit. tsereza, Sillano tsireza, a.-gen. $e(re)za, a.-berg.
tseresa, romagn. bol. tsriza, piem. tseresa, triest. tsarieza, trient.
siriza.
*CINISIA > c i n i g i a „glühende Asche", log. k i i i n a
« *kiniia), camp, t s i n i z u , sass. (kizina log.), sie. (dzinisi
„polvere di carbone" <C span. ceniza), neap. tsenisa, cerign.
tsgnoise, lanc. tsenice, campob. tsenica, gall. ( k i s i n a log.),
cors. c a n u g a < *CINUSIA.
*CONSIO ( = CONSUO) > cucio, log. kosire, camp,
kosiri, sass. kuzi, gall. k u s i , cors. koci, cerign. kusoie, neap.
kösere, kosire, Teramo keüse, campob. kuce, Arpino, Alatri
kose, gombit. kuze, Sillano kuza, triest. kuzo.
*COMBASIARE « BASIS)? „zusammenfügen" > com-
baciare nb. c o m b a g i a r e log. imbasare gall. (imbasa log.)
trient. combazar „pappen".
DERISIONEM > d i l e g i o n e , a.-gen. derizon, lomb.
derezon, a.-lomb. d e r e x o n .
GEUSIjE > cf. § 31.
MANSIONEM > m a g i o n e (poetisch für casa, auch
jmansione]), log. masone „Herde", masonata (Statut), masondza
< *MANSIONEA „porchetti della scrofa", sie. masuni (am-
masunu „pollajo"), cal. masune „casetta di campagna" (am-
masunare „racogliere nel m. i polli e le galline"), cerign.
ammasunäte „appollajato", Lecce masunu „covile", campob.
ammacunate „appollajato", gall. (masoni, masonada <C log.),
a.-gen. mazon, a.-berg. masone, Bari masone „luogo dove
dormono i polli".
NAUSEA > Lecce (n&ssia?), a.-ven. nos(a), parm.
naosa.
OCCASIONEM > ( a c ) c a g i o n e (Ristoro d'Arezzo: ca-
scione), log. k a i o n e (volkstümlich causa) [kasione Statut], sie.
kacuni, neap. accasone, cerign. fakkasseioune], gall. kazoni,
cors. k a g o n e , a.-gen. kazon, romagn. [okasiön], a.-Chioggia
c a x o n , trient. k a z o n , a.-Aquil. c a i o n o .
— 38 —

PENSIONEM >> p i g i o n e , log. p e i o n e , kamp. pesonali,


neap. pesone, cerign. pesoune, Bari pesone Sillano a.-gen.
pizon, trient. pizon.
* P E R T U S [ I ] A R E > p e r t u g i a r e (nb. a.-ital. pertusare),
log. pertusare, kamp. pertusai, neap. pertosare, cal. pertusare,
eerign. pertusg, Lanciano pertuse, a.-gen. (pertuso).
PHASEOLTJS >• f a g i u o l o , log. basolu (schon im Statut),
camp, fasolu, sass. fazolu, neap. fasulu, cerign. fasoule (dav.
sfasuläte), tarant. fasulg, Lecce pasulu, Aquila facolu, Lanciano
facolf, campob. facuolg (dav. sfaculate „ridotto al verde"),
Alatri fasoi, cors. gall. f a s o l u , gombit. fazole, Sillano fazol,
a.-berg. fasol, romagn. fazol, hol. fazol, triest. fas(i)ol, trient.
fazol.
PHASIANUS > f a g i a n o (Ristoro dArezzo fasciano),
log. camp, f a g a n u ! sie. facanu, neap. fasano, lanc. facane,
cors. f a s a n u , gombit. Sillano fazan, triest., trient. fazan.
*PINS[I]0, -ARE > p i g i a r e (pigio, pigione „Trauben-
quetscher"), log. p i i a r e , sie. (pisari, scarpisari „calpestare"),
cerign. pesä (dar. pesaturg), Lecce: pisaturu „pestello del mor-
tajo". a.-gen.. a.-berg. (pisä).
PREHENSIONEM > p r i g i o n e (prigioniere < franz.),
log. presone [Statut presione], camp, presoni, sass. prizoni,
a.-Aquil. p r e s c i o n e ( = c?), neap. presone, sie. pricun, gall.
prizona, cors. p r i g o n e , Gombit. a.-gen. prezon, Sillano prezon,
romagn. parzön, trient. prezon.
RASEA (C. Gl. III, 594, 53; 628, 40, vgl. Wiener
Studien XXV, 106) > r a g ia „Harz", Aquila arracatu (Archivio
glott. ital. IV, 160), Lanciano race, campob. raca „sedimento
tartarico delle botti".
SEGUSIUS > s e g u g i o , mil. savus piem. sus „Spürhund"
« *sa-us).
TENSIONEM > log. tasoni „reta da uccellare".
TONSIONEM > (tosone < franz.) log. tosone, camp,
tosoni.
Dazu kommt ECCLES1A > chiesa (dissimiliert auf der
Stufe K' L' E S' A), log. k r e i a (Statut [neben klesia Statut]),
camp, [kresia] sie. [kresia] neap. [ekkresia, chiesia, gliiesia],
cal. [ghiesia] Lecce [chesia] aquil. (cch(i)esa < ital.) Lanc.
(cchiese < ital.) cchiece (contad.) Pisa (ecchiesa << ital.) gall.
geza, cors. (gesa •< ital.) gombit. ggieza, Sillano (kieza •< ital.)
— 39 — §18.

a.-gen. [dzesia] dzeza, miL dzesa, a.-berg. [zesia, giesia] n.-berg.


tsesa < ital.) romagn. tsiza, piem. [dzesia], Uber das Suffix
-ESIANUS > - i g i a n o. campob. lanc. ecane, neap. rom. -esang.
Sillano -ezan, a.-gen. -ezan, romagn. -zän, vgl. Flechia im
Archivio glott. ital. II, 12—17. Ital. f r u s o n e , f r o s o n e , alt
f r i s o n e „coccothraustes" (mit stimmhaften s) stammt aus dem
Norden, wo dieser Vogel zu Hause ist, und regelrecht aus
FRISIONE (trient frizun, n.-gen. frizun) entstanden ist (vgl.
Zeitschrift f. Österr. Gymnasien 1891, 770). Dasselbe gilt für
r u g i a d a (Ristoro d'Arezzo rosada), neap.rosada, cerign. rucäte,
ven. lomb. rosada, piem. rusä, triest. rosada (vgl. Meyer-Lübke
in Zeitschrift für rom. Phil. XXVII, 369).

I. Abschnitt; Rumänisch.
§ 18. Auf dem ganzen rumänischen Gebiete sind die
Ergebnisse der i-Verbindungen einfach und klar. Da zwischen
Tenuis und Media ein vollständiger Parallelismus herrscht,
werden wir im folgenden auch Di und Gi in unsere Betrach-
tung einziehen. Ti fällt mit Ki und Di mit Gi zusammen.
Der vorausgehende Laut übt keinen Einfluß auf die i-Gruppe,
wohl aber der nachfolgende und der Akzent u. z. so, daß vor
a i m m e r , vor o und u nur nachtonig ts (bezw. dz), v o r -
t o n i g dagegen t s (bezw. dz) erscheint. STi und SKi werden,
— wie Si, — immer zu s.
Aum. Bei Miklosich, Tiktin, Meyer-Lübke und Horning
findet man eher eine Konstatierung der doppelten Entwicke-
lung ts und t s , als eine Erklärung derselben. A. Tavernay.
der nicht immer zwischen Erbgut und Latinismus scheidet,
ist bestrebt in einer Spezialarbeit (in Etudes Romanes dediees
ä Gaston Paris S. 267 ff.) den Zwiespalt in der rumänischen
Behandlung des Ti lediglich aus den umgebenden Lauten zu
erklären. In meiner Kritik dieser Arbeit (Convorbirl literare
1899 S. 533 ff.) verfiel ich in das entgegengesetzte Extrem,
indem ich nur die Rolle des Akzentes anerkannte. Die Wahr-
heit liegt, wie so oft, auch in diesem Falle in der Mitte. —
§19. — 40 —

Das dialektische Material für diese Arbeit ist meistenteils aus


folgenden Werken geschöpft: drum. ( = Dako-rumäniseh) aus
den „Jahresberichten (I—IX) des Instituts für rumänische
Sprache zu Leipzig. Leipzig 1894—1902" (gekürzt: Jb. I—IX);
— a r u m . ( = Arumunisch) aus dem Zettelwörterbuch von
G. Weigand (im Manuskript); — mgl. ( = Meglenisch) aus
dem „Megleno-Romänii de Pericle Papahagi (Estras din Analele
Academiei romäne Seriall Tom. XXV. Mem. sect. liter.) Bueu-
resti 1902"; — irum. ( = Istro-rumänisch) aus dem „Istro-
rumänischen Glossar von Byhan (Jb. VI, 174—398)", wozu die
Berichtigungen von M. Bartoli: „Pubblicazioni recenti di filo-
logia rumena (Estrato dagliStudj di filologia romanza vol. VIII,
fasc. 23) Torino 1901" zu vn-gleichen sind. — Den etymolo-
gischen Fragen legte ich Cihacs: „Dictionnaire d'etymologie
daco-romane" zu Grunde.

A. Nachtonig.
a) Ti.
§ 19. Intervokalisches Ti wird nach dem Tone in allen
Dialekten zu ts: *AD-TITlÖ > a t i t „schüre an", -ITIA,
-ITIES > - e a t ä , - e t e , arum. mgl. - e a t s ä (s. Anm.), *IN-
VITIO > I n v ä t , arum. n v e t s u , mgl. a n v e t s , irum. a n m e t s
„lerne, lehre, gewöhne", NEGOTIUM > n e g o t „Handel",
NEPOTIA C. I. L. III 2599, 2690 etc. (von NEPOTEM, wie
AV-IA, *CAN-IA, CERV-IA vgl. Meyer-Lübke: Einführung
§ 169 abgeleitet) ]> n e p o t ä „Nichte" (Liuba-Iana: Monografia
comunei Maidan S. 25. Herr Bartoli teilt mir mit, daß
NEPOTIA auch im Dalmatischen Spuren hinterlassen hat),
HOSPITIUM > ospä^, arum. u s p e t s „Gastmahl" (mgl.
o a s p i t s ü „Gast, Freund" ist ein vom Plural o ä s p e t i neu-
gebildeter Singular), PALATIUM > arum. p ä r a t s „Gaumen"
(s. Anm.), PETIA > ban. p l t s ä „Fleisch" (wie log. p e t t a
„Fleisch", vgl. Zauner, Romanische Forschungen XIV, 354),
PRETIUM > p r e t „Preis", *PUTEA > p u t a , arum. mgl.
p u t s ä , irum. p u t s e (s. Anm.), PUTEUS > p u t , arum. p u t s u ,
irum. p u t s „Brunnen", *QUATIUM > c ä t u e (§ 27), SATIUM
— 41 — §18.

> s a t „Sättigkeit" (nesat „Unersättlichkeit") Y1TEA > v i t ä ,


mgl. v i t s ä „Weinrebe" (arum. y i t e , y i t ä < V1TIS).
Ailin. - e a t ä (-ete) bildet nach dem Muster der schon im
Lat. belegten a m ä r e a t ä < AMARITIES, b l i n d e t e < B L A N -
DITIES, n e g r e a t ä < N I G R l T I A Adjektivabstrakta: a c r e a t ä ,
albeatä, bätrinete, cäruntete, dulceatä, frumusete,
j u n e t e , m l n d r e t e , t i n e r e t e etc. Arum.: a k r e a t s ä , f u d u l - ,
l ä - , i i v e n d - , m ä r - , m u l t - , m u s ä t - , n i s u r - , v i r g i r - etc.
Mgl. f l ä m i n d e a t s ä etc. Sporadisch findet man die Ableitung
von einem Verb: m i r o s e a t ä „Geruch" (Dosofteiü: Viata sfint.
65b/2), nach a c r e a t ä , das fälschlich zu a c r e s c bezogen wurde,
gebildet. Dadurch, daß jedes rum. Adjektiv auch als Adverb
fungieren kann, erklärt sich, daß - e a t ä auch an Adverbien
angefügt werden kann: b i n e t e , arum. g i n e a t s ä „Gesundheit",
arum. k u r u n d e a t s ä „Eile". Hierher gehört auch das W o r t
d i m i n e a t ä „Morgen" (arum. dim(i)neatsä, dumneatsä, mgl.
dimneatsä, irum. demäretse, domeretse), wofür man gewöhnlich
ein durch nichts gerechtfertigtes lat. *DE MAN ITIA aufstellt.
Das Wort ist vielmehr eine rumänische Ableitung aus dem
ausgestorbenen Adverb *demlne, * d o m i n e < DEMANE
(ital. demani, domani, prov. dema(n), franz. demain) dessen
Existenz durch den Ausdruck des (de) d i m i n e a t ä „in aller
Frühe" < D E IPSO *DEMANE ( + Suff, -eatä) bezeugt wird.
(In einem Text aus dem Jahre 1651 findet man d i n s de
dimineatä, Jb. III, 173. und dies spricht entschieden für die
Etymologie D E IPSO *DEMANE. Wäre aber die Bildung *DE-
MANITIA schon lateinisch, so würde man DE IPSA *DE-
MANITIA erwarten). Auf die Typen *VIVITIA „Lebhaftig-
keit" und *GREVITIA (GREVIS < GRAVIS) „Schwere, Last"
gehen zurück drum, v i a t ä , arum. y i a t s ä (nach yiü <[ VIVUS")
„Leben", mgl. g a t s a (nach giu < VIVUS) „lebendes Wesen"
und drum, g r e a t ä „Schwere im Magen, Ekel", arum. g r e a t s ä
„Last" (vgl. ital. vivezza, gravezza, prov. greveza, -essa, span.
viveza, graveza). Uber die Form des Suffixes vgl. Hartwig
Jarm'k, Zeitschrift rom. Phil. XXVI, 108.
In allen Dialekten kommt das Wort p u t ä „männliches
Glied" vor. In Siebenbürgen und in der Walachei ist der
Gebrauch insofern beschränkt, als dort p u t ä bloß „das Glied
* kleiner Knaben" bedeutet (Jb. VIII, 317), dagegen höre ich
von Herrn M. Popovici, daß die Motzen mit p u t ä die Scham
— 42 —

kleiner Mädchen bezeichnen. Es entspricht genau einem lat.


*PUTEA von PUTÜS „kleines Kind" (vgl. lat. P R Ä P U T I U M .
SALAPUTIUM Archiv, lat. Lex. XIII, 161 und § 71). Von
p u t ä ist das Wort p u t o i ü „Grünschnabel" abgeleitet. — Man
wäre geneigt das Wort p o v a t ä „Rat" als Postverbale von
* p o v ä t a = po + v a t ä <C V1TIARE (vgl. po-negresc) auf-
zufassen. Der Ursprung des Wortes ist jedoch im Slavischen
zu suchen und setzt ein nicht belegtes slav. * p o v e d i c a <C
p o v e d a „führe" voraus. — Cihac I, 277 leitet neben a t i t
„schüre an" auch i n t e t e s c „dränge" von *TITIARE ab.
Wenn man auch vom Sinne beider Wörter ganz absieht, kann
diese Etymologie nicht aufrecht erhalten werden, weil man,
um den Konjugationswechsel erklären zu können, von einem
*TITIUM (ital. tizzo) ausgehen müßte, welches aber nur zu
*tit hätte werden können (daher *intltä). Man ist versucht
an lat. INCITUS „in rasche Bewegung gesetzt" zu denken,
woraus * i n t s e t s e s k „in rasche Bewegung setzen, drängen"
(„calul cu picioarele din pinteni lntetindu-1, asupra lui sä
repezi" — indem [der Soldat] das Pferd mit den Spornen in
rasche Bewegung setzte, warf er sich auf ihn"), jedoch finde
ich weder Spuren von INCITUS im Romanischen, noch Fälle
von der Dissimilation von t s - t s in t - t s im Rumänischen. —
Arum. p ä r a t s „Gaumen" (davon p ä r ä t s e r ) zeigt dieselbe
Volksetymologie, wie das franz. p a l a i s < PALATIUM für
PALATUM. Im Drum, ist die Volksetymologie um einen
Schritt weiter gegangen und das Zäpfchen im Halse heißt, —
neben p ä r ä t u s < PALATUM + Diminutivsuffix - u s (eigentl.
„der kleine Gaumen", auch l i m b u r u s „die kleine Zunge"), —
I m p ä r ä t u s , gleichsam „der kleine fcaiser" ( = impärat) im
PALATIUM. (Ähnlich ist es, wenn der „Gaumen" die
„Himmelsdecke des Mundes" genannt wird: drum, c e r u l
g u r i i , arum. t s e r u l din g u r ä , ital. il c i e l o d e l l a b o c c a ,
a.-berg. el cel d e l a b o c h a glossiert durch „palatum", prov.
l o u ciel de la b o u c o , span. el c i e l o d e l l a b o c a , prtg. o
ceo da b o c a , alb. k e l „Himmel", k e t e z e „Gaumen" (eigtl.
„der kleine Himmel"), russ. ne6o (Plur. ueöeca) „Himmel",
Heöo (Plur. neöa) „Gaumen", bulg. Heöo „Himmel", Hcßue
„Gaumen", vgl. ngriech. ovQavißxoq. In norditalienischen
Mundarten findet man entsprechend für das Zäpchen eine
Volksetymologie nach LUNA, als ob es der Mond am Himmel
— 43 — §18.

(des Mundes) wäre (vgl. Lork Altbergamaskische Sprachdenk-


mäler im Glossar). Wie schon diese Volksetymologie zeigt,
kann das drum, i m p ä r a t (vgl. impäratul oilor = „Esel") mgl.
a m p i r a t (vgl. ampiratu borilor „heftiger Wind") nicht ein
Latinismus sein, wie Meyer-Lübke (Rom. Gram. II § 4) annimmt.
Wohl hat es buchwörtliche Form auf dem westromanischen
Gebiet, wo mit der Zerstörung des römischen Reiches auch
der Begriff „Kaiser" verschwand, um erst einige Hunderte
von Jahren später wieder von Gelehrten eingeführt zu werden
(vgl. G. Paris im Journal des Savants 1900), aber im Ostro-
manischen (vgl. auch alb. m b r e t „Sultan"), sind die Kaiser
nicht durch die Könige verdrängt worden. In den rum. Volks-
märchen spielt der i m p ä r a t eine so bedeutende Rolle, daß
man an die Echtheit des Wortes nicht zweifeln kann. Daß
sich die Form des Nominativs erhalten hat, erklärt sich viel-
mehr daraus, daß dieses Wort tatsächlich bedeutend öfter im
Nominativ, als in irgend einem anderen Kasus vorkommt (vgl.
„Der Kaiser!" „Der Kaiser hat es befohlen!" „Der Kaiser
kommt!" etc. gegenüber dem a m t l i c h e n „Im Namen des
Kaisers" etc.)—Cihac 1,267 will s t r u t „Strauß" von STRÜTHIO
ableiten. Obwohl ein *STRUTHIUS auch durch ital. s t r u z z o
gesichert ist, glaube ich doch nicht das der Name des exo-
tischen Vogels volkstümlich sei. Ich habe auch nur s t r u t
gehört, welches dem Serbischen (struc) entlehnt ist. In der
Bedeutung „Blumenstrauß" ist s t r u t deutschen Ursprungs. —
Endlich sei noch t l t ä , ar. t s i t s ä , mgl. t s ö t s ä , irum. t s i t s e
(alb. (t)si(t)se, serb.' bulg. tsitsa) „Zitze" < TITIA (Archiv,
lat. Lex. XIII, 165) erwähnt.
§ 20. Nach Konsonanten erscheint nachtoniges Ti in
allen Dialekten als t s : MATTIA > m a t e , arum. m a t s e , mgl.
m a t s ä , irum. m ö t s e „Gedärme", SUBGLUTTIO und SUB-
GLUTTIUM > s u g h i t , arum. mgl. s u g l i t s „schluchze,
Schluchzen"; — -ENTIA > - i n t a (s. Anm.), *SEMENTIA
> s ä m i n t ä , arum. s ä m i n t s ä , irum. s ä m i n t s e „Samen",
*SERPENTIA > s e r p i n t ä „Kreuzblume" (auch serparita,
saplrlitä genannt, franz. vermiculaire; den Anlaut verdankt es
dem Wort sarpe); — [ANNUS]TERTIUS > a n t ä r t arum.
a n t s ä r t s u ',im dritten Jahre", mgl. t s ö r t s „der dritte",
*CURTIO > c r u t „spare (eigtl. kürze die Ausgaben), schone"
§19. — 44 —

(ist nicht dem Albanesischen k u r t s e n entlehnt, wie Dens.


Hist. 352 annimmt), MARTIUS > arum. m a r t s u , drum,
m ä r t - i s o r „März" (letzteres beruht nicht auf dem Buchworte
Marte, da - i s o r die vorausgehenden Dentale nicht affiziert:
incet-isor, blind-isor, cäld-isor etc.), SCORTEA > s c o a r t a ,
irum. s k o r t s e „Rinde"; — * I N A L T I O > l n a l t , arum. a n a l t s ,
mgl. n a l t s „hebe", B A L T E U S > b a l t , arum. b a l t s „Schlinge";
— * A C C A P T I O > a c a t , arum. a k a t s , mgl. k a t s , irum. a k ö t s
(s. Anm.).
Anm. Nach dem Muster von CONVENIENTIA >
c u v i i n t ä , SCIENTIA > s t i i n t ä , SUFFERENTIA > s u f e -
r i n t ä , *CREDENTIA > ' c r e d i n t ä bildet man im Rumä-
nischen zahlreiche Verbalabstrakta auf - i n t ä von Verben auf
-ERE u n d - I R E : a d e v e r i n t ä , a l c ä t u - , cä-, d o r - , c u n o s t - ,
fägädu-, feric-, gotov-, Ingadu-, lacu-, lecu-, obicinu-,
p o l z u - , so cot-, u s t e n - , v r ä c l u - etc. Durch Analogie, —
a j u t o r i n t a kann fälschlich auf a j u t o r bezogen werden, —
entstanden denominale Ableitungen, wie: u s u r i n t ä ; selbst
c i t i n t ä (c. cerului „die Weite des Himmels") kommt vor.
F i i n t ä »Wesen" kann nicht auf rum. Boden entstanden sein,
sondern setzt ein schon lat. *FIENT-IA voraus. Dagegen ist
i n s t i i n t ä ein Postverbale zu i n s t i i n t e z und beruht nicht,
wie Byhan meint (Jb. III, 45—47),' auf einem *INSCIENTIA.
P o r a m i n t ä (Dosofteiü: Viata sfint. 86b/17) „kleiner Mantel,
den man auf den Schultern trägt" geht auf ein nicht belegtes
slav. * p o r a m e n i c a (==po + ramena „Schulter" + xca) zurück.
Wörter wie t i p a r i n t ä (== tiparnitä?), a p o s c o r a c h i n t ä etc.,
die bei Dosofteiü u. a. gelegentlich zu finden sind, sind spon-
tane Bildungen der alten Übersetzer, die nie in die Sprache
gedrungen sind. S e d i n t ä , t e n d i n t ä , s e n t i n t ä etc. sind
rumänisierte Neologismen. -ANTIA hat sich nicht erhalten,
und wo man es trifft handelt es sich um Latinismen: a l i a n t ä ,
s i g u r a n t a , s p e r a n t a etc. Nur in einem Falle, in c u t e z -
an^ä „Waghalsigkeit", tritt dieses Suffix an ein volkstüm-
liches Wort an.
Meyer-Lübke (Rom. Gram. II § 364) führt ein c l t ä „Hündin"
an, das mir unbekannt ist und möglicherweise auf *CATT1A
beruht. — In Monografia sätului Mäidan von Liuba-Iana lesen
wir: „Mieix dela odirnire plnä 'n primävara viitoare sä zic
— 45 — §18.

noatim, iar de atunci pinä fatä femeninul sä zice mioara, iar


barbatul t l r t i ü (tertius lat.) pluä cind sä lasä a sä impreuna
cu oile." Ich vermute, daß die Form t i r t i u vom Verfasser
gefälscht ist, um sie dem lat. TERTIUS (gesprochen TERT-
SIUS) ähnlicher zu gestalten; eine Dissimilation aus t l r t u ist
kaum anzunehmen, da sie weder im mgl. t s ö r t s , noch im
drum. arum. a n t ä r t vorliegt. — Über die Etymologie a c a t
< *ADCAPTIO ' kann kein Zweifel bestehen. Die Grund-
bedeutung deckt sich mit derjenigen von p r i n d < P R E H E N D O
und sie liegt vor im mgl. c a t s „prind, aprind". Aus dieser
entwickelte sich entweder diejenige von „jagen", wie in allen
rom. Sprachen (it. cacciare, franz. chasser etc., arum. kätusa
akatsä soaretsi, drum, pisica prinde soareci, irum. noi akätsäm
pestiu cu unditsa = drum, noi prindem pestele cu undita
Bartoli a. a. 0. 37), oder diejenige von „prind de ceva, atirn",
wie im drum, a c a t (traista de cuiü). Dagegen ist das mgl.
k a t s „dass." bulgarischen Ursprungs (kacja, zakacu „ergreife).
— C o n c i ü (auch coanciü, conchiü in Brasov) „Kopfbund" ist
nicht von *COMPTIARE (ital. concio), sondern vom ung.
k o n t y oder serh. k o n c a abzuleiten. — Ob das irum. n u n t s e
das lat. NUPTIiE darstellt und das drum. mgl. n u n t ä arum.
num[p]tä „Hochzeit" ein dazu neugebildeter Singular ist,
oder ob die letzten Formen ursprünglich sind und aus NU PTA.
stammen, — dann wäre das irum. n u n t s e ein Plural, — läßt
sich nicht entscheiden. Für die erste Annahme spricht der
Sinn, für die zweite die Form. Aus dem log. n u n t a s „Hoch-
zeit", das auch ein n zeigt, ersieht man nichts, da es auf beiden
beruhen kann. Dagegen ist es auffallend, daß das Albanesische
n u s e „Neuvermählte" formell auf NUPTIiE zurückgeht, be-
grifflich aber auf NUPTA weist (vgl. G. Meyer: Alb. Wtb.312).

b) Ki.
§ 21. Nach dem Tone wird intervokalisches Ki wie Ti
behandelt, d. h. es erscheint in allen Dialekten als ts: ACIA
> a t ä , arum. mgl. a t s ä , irum. ö t s e „Zwirn", BRACHIUM
> b r a t , arum. mgl. b,rats, irum. b r o t s „Arm", *C^ICIA >
c e a t ä Nebel" (s. Anm.), *FACIA ( = FACIES) > f a t ä , arum.
mgl.' f a t s ä , irum. f ö t s e „Gesicht" — *FACIO « F A C I E S )
> r ä s - f ä t „verhätscheln (eigtl. „Gesichterschneiden, Grimassen
§19. — 46 —

machen"), GLACLA > g h e a t ä , irum. g l ö t s e „Eis", *GLA-


CIUM > arum. mgl. glets(u) „Eis", IUDICIUM > j u d e t ,
arum. d z u d e t s u , mgl. z u d e t s „Urteil, Gerichtsort, Richter",
*IUNICEA « IUNIX) > irum. z u r i t s e „junge Kuh" (vgl.
sicil. dzinitssa, a.-sen. dzenidze, franz. genisse <C *IENIC'EA
= *1UNICEA. Meyer-Lübke Einführung § 110), *IN-GLACIO
> i n g h e t , arum. n g l e t s , mgl. a n g l e t s , irum. ä n g l ö t s „er-
friere", *LACEUS ( = LAQUEUS) > l a t , arum. l a t s , mgl.
l a t s „Schlinge", L I C I A > i t e , arum. l i t s ä , *AD-M1NACI0
> a m e n i n t , a m e r i n t , a m e l i n t (vgl. camp, ameletssai) „drohe"
(der Einschub des N muß sehr alt sein, denn nur so läßt sich
das aus in, nach Analogie der zweiten Person, entstandene
in deuten), MUSTACIA > m u s t a t ä , arum. m u s t a t s ä
„Schnurrbart" (arum. m u s t a k e stammt aus dem Griechischen),
*NUTRICIUM (für N U T R l C I U M ) > n u t r et „Futter", SOCIUS,
SOC1A > sot, s o a t ä , arum. mgl. sots, s o a t s ä „Gefährte,
Gefährtin".
Anni. C e a t ä „Nebel" wurde von Cihac II, 48 von einem
nicht belegten slav. *cadica, Dim. von cadü „Rauch" ab-
geleitet. Wie ich in Convorbirf literare 1903, S. 598—599
gezeigt habe, ist diese Etymologie zu verwerfen und das rum.
Wort von einem lat. *CiECIA „Dunkelheit", Abstraktum auf
-IA von (LECUS, abzuleiten. Der Sinnesübergang von „dunkel"
zu „Nebel" findet sich bei CvECUS und dessen Ableitungen
auf einem weiten Gebiet in Norditalien und Rhätien (Lork:
Altbergamaskische Sprachdenkmäler S. 179, Salvioni: Postille
I, II, Zeitschrift rom. Phil. XXII, 467, Archivio glott. ital. VII,
538 Anm. 2): com. s i g h „torbido, fosco", valtell. siga „nebbia",
mil. s i g h e r a „nebbia", piem. t s e a „nebbia", sopraselv.
t s c h i e r a „nebbia, alone della luna" (vgl. rum. „luna are
ceatä") etc. — Arum. k i t s ä „ein Vogel" könnte *PICEA sein.
— B o a t a „schlechter Streich" wird kaum von dem etymolo-
gisch dunklen b o ä c a n („a fäcut una boacänä) und vom ital.
bozza „Lüge, Flause" zu trennen sein. — Arum. (Olymp.)
g l o t s ä («< glotsä) „Gluckhenne" scheint, trotz der rom. Formen
(ital. chioccia etc.) nicht aus einem urrom. *GLOCIA zu stammen,
sondern, wie das ungebrochene o zeigt, erst aus g l u t s i r e <C
GLOCIRE rückgebildet zu sein (Weigand: Olympo-Walachen
— 47 — §§ 22, 23, 24.

S. 33). • — M ä m ä r u t ä „Marienkäfer" (ital. mammuccia, mam-


molino) könnte, wenn man es mit log. m a m m a r u g u l a ver-
gleicht, ans MAMMA + *ERUCULA > *ERUCIA (§ 71) ent-
standen sein. •— R a t a „Ente", irum. r ö t s e ist, trotz Salvioni
(Zeitschrift rom. Phil. XXII, 475) slavischen Ursprungs, des-
gleichen wie friul. r a t s s e , trev. r a t s a . Der lexikalische Ein-
fluß des Slavischen auf das Rhätische und Norditalienische
ist größer, als man gewöhnlich annimmt.
§ 22. Nach Konsonanten wird nachtoniges Ki wie Ti,
in allen Dialekten zu ts: *CARBUNCIA « CARBUNCULUS
§ 71) > s g r ä b u n t ä „kleines Geschwür", DISCULCIUS >
d e s c u l t , irum. r e s k u t s „baarfuß", *GRANUNCHJS (§ 71)
> g r ä u n t „Korn", * I N - C A L C E O > i n c a l t , arum. a n k a l t s u ,
irum. n k ö t s „ziehe (die Schuhe)an", * T O R C I A « * T O R C U L A
§ 70) > t o a r t ä „Fackel".
§ 23. Daneben erscheint Ki in allen Dialekten in einigen
Beispielen als ts, so vor allem in den Suffixen: - a c i ü , - e c i ü ,
- i c i ü , - o c i ü neben - a t , - e t , - i t , - o t , - u t , ferner in a r i c i ü
ERICIUS. Die Erklärung dieser und ähnlicher Fälle kann
erst in den §§ 70—82 gegeben werden. Hier mag nur hervor-
gehoben werden, daß l u c i ü „Glanz" nicht auf *LUCIUS
(ftihac I, 148) zurückgeht, sondern es ist ein rumänisches Post-
verbale von l u c e s c „glänze" < LUCESCO. Dagegen stammt
l a n c e „Lanze" nicht aus lat. LANCEA, sondern aus slav.
l a n c a oder aus ung. l a n c s a . Ein von Miklosich (Lautlehre
II, 55) zitiertes l a n t e existiert nicht.

c) Di.
§ 24. Intervokalisches Di nach dem Tone wird in allen
Dialekten zu dz oder daraus entstandenem z: *ASSEDIO
a s e z „setze", *HADIE > a z i , arum. a(d)z(ä), mgl. äZ äS
„heute" (s. Anm.), MEDIUS, M E D I A > m i e z „Kern, Inneres",
m i a z ä - z i „Mit-tag", m i a z ä - n o a p t e " Mitternacht", arum.
n e d z u , n a d z ä , mgl. nes, m n a z ä , irum. m l i e z (mez Bartoli
a. a. 0. S. 60 ist durch m e z l o c § 25 Anm. beeinflußt), *MERI-
DIUM > arum. a m i r i d z ü (mgl. mirindz) „locul de odihnit
§19. — 48 —

pentru vite pe la miazäzi", MERIDIO ]> arum. ( a ) m i r i d z ü


(mgl. mirindzu) „a sä odihni uile pe la miazäzi", *CLADEA
> p i a z ä , p i e z (s. Anm.), *PRiEMEDIO > a.-drum. p r e -
m i e d z " in zwei Teile teilen", SP0D1UM > s p u z ä mgl. s p u z ä
„glühende Asche" (s. Anm.).
Anm. In azi haben wir den seltenen Fall von Di vor
e. Die Betonung des Wortes zeigt, daß wir nicht von AD
DIEM ausgehen können, sondern von *HADIE. Diese Form
ist auf rumänischen Boden aus HODIE entstanden zu einer
Zeit, wo zwischen lat. £ und ö kein Unterschied mehr vor-
handen war, so daß h ö d i e als hö(c)die gefühlt werden konnte.
Da aber DIES weiblich war (rum. o zi) hat man HO(C)DIE
in *HA(C)DIE umgewandelt. — Einer mündlichen Mitteilung
Herrn Candreas verdanke ich folgende einleuchtende Etymo-
logie: Die Wörter p i e z „Unheil" und p i a z ä „Vorzeichen"
(„Intilnirea cu popa este privita ca p i a z ä rea; femeile aruncä
ace cu gämälie pe jos, ca sä scape de p i e z . " ap. Dame) sind
falsche literarische Umbildungen nach dem Muster c h e a t r ä
= p e a t r ä , der korrekten Formen c h e a z ä , chez, welche auf
*CLADEA, *CLADEUM < GLADES „Unheil, Unglück" zu-
rückgehen. — S p u z ä kann, wie das anlautende s zeigt, nicht
auf alb. s p u z e zurückgehen (G. Meyer: Alb. Wörtb. 415,
Dens.: Hist. 353), sondern beruht wie dieses auf lat. SPODIUM;
dessen o nasaliert gewesen zu sein scheint. Das arum. hat
s p u r ä , welches auch nur einen lat. Ubergang von d > r
voraussetzen kann; im Meglen findet sich auch s p r u z ä =
spuzä s p u r ä . Aus dem Rum. stammt bulg klruss. s p u z ä . —
Unklar ist b u z ä , arum. b u d z ä , mgl. b u z ä „Lippe", welches
von G. Meyer (Alb. Wörtb. 57) auf das ebenfalls unerklärte
alb. b u z e zurückgeführt wird. Das Wort ist indessen auf
einem so großen romanischen Gebiet verbreitet (vgl. Lork:
Altbergamaskische Sprachdenkmäler S. 167, Archivio glott.
ital. II, 327, VII, 517, Mussafia Beitrag S. 35 Anm.) daß man
eine i-Ableitung von einem schon im Urromanischen vor-
handenen Stamme BUD- annehmen kann. Dieses dürfte auch
im franz. b o u d e r „prendre un air rechigne en f a i s a n t la
m o u e (vgl. § 51 e)" stecken; auch b o u r s o u f l e r (norm, b o u d -
souf 1 er)entspricht genau dem rum. buzumflu(nebenbusumflu,
vgl. russ. nabuvati guby). Im Slavischen kann das Wort aus
— 49 — §18.

dem Rumänischen entnommen sein (poln. b u z a , serb. budzu-


last, budzule, bulg. buza „Backe", zu welcher Bedeutung das
rum. b u z e r a n t „Päderast" paßt, wohl aus alb. b ü # a r „dass."
-f- buza). Gänzlich dunkel ist irum. b u s e n „Kuß" (vgl. span.
h a c e r el b u z „den Handkuß geben, seine Ergebenheit be-
teuern", prtg. b e i c o „Lippe").
§ 25. Nachtoniges Di nach Konsonanten ergibt in allen
Dialekten dz, bezw. z: FRONDEA > f r u n z ä , arum. f r i n d z ä .
mgl. f r u n z ä , irum. f r u n z e „Blatt", *MANDIUS ]> m i n z ,
arum. m ä n d z u , mgl. m ö n d z „Fohlen" (s. A.), *PANDIA >•
p i n z ä , arum. pän(d)zä, irum. p ä n z e (s. Anm.) „Leinen",
*PENDIUS, * P E N D I O > s p i n z , s p i n z u r , arum. s p i n d z u ,
s p i n d z u r u , mgl. s p i n z u r , irum. s p ä n z u r (s. Anm.), PRAN-
DIÜM > p r i n z , arum. p r i n d z u „Mittag"; — HORDEÜM
orz, arum. o r d z u , mgl. (u)ors, irum. orz „Gerste",
*TURDEUS « TIJRDUS) > s t ü r z , arum. s t u r d z u „Kram-
metsvogel", *VIRDIA > v a r z ä , arum. v e r d z u , mgl. v e r d z a ,
irum. v e r d z e „Kraut".
A n m . Die Herleitung Diezens m i n z << MANSTJS ist zu
verwerfen. Andere dachten an einen illyrischen Stamm.
> Festus bezeugt nämlich, daß die messapischen Sallentiner den
Jupiter, dem sie ein Pferd opferten, MENZANA nannten.
Mit diesem Worte hat Tomaschek (Bezzenbergers Beiträge IX,
100—101) und nach ihm G. Meyer (Alb. Wörtb. 276) das alb.
mes verglichen und von einem Typus m a n d i a ausgehend,
das Wort mit m e n d - „saugen" im Zusammenhang gebracht.
Illyrische Herkunft nimmt auch Meyer-Lübke (Literaturblatt
VI, 156) und 0. Densusianu (Hist. langue roum. 29) an, der
übrigens den Fehler begeht, von der Form MENZANA ver-
leitet, m i n z aus einem m e n d i - zu erklären, wogegen die arum.
und mgl. Form sprechen, die m a n d i - voraussetzen. Ich
glaube, daß man auf das dunkle MENZANA, das mit unserem
Wort wahrscheinlich nichts gemein hat, gar nichts bauen darf.
Die Wortgeographie spricht aber direkt gegen eine illyrische
Abstammung, denn außer in Rumänien und Albanien (tosk.
m e s , geg. m a s „männliches Füllen von Pferd und Esel", fem.
tosk. m e z e , geg. m a z e , m e z a t , mz.it, m u z ä t „junger
Stier", m(e)zore „junge Kuh". „Tosk. § weist auf einen
4
§19. — 50 —

untergegangenen Nasal, geg. mas erweist die Qualität des


ursprünglichen Vokals als a, also ergibt sich *manza als
älteste albanesische Form." G. Meyer Alb. Wortb. 276) kommt
das Wort auch auf einem weiten westromanischen Gebiet vor:
log. m a n d z u „giovenco", ital. m a n z o „giovine torello ancora
mansueto o reso tale colla eviratione", sie. m a n z u „zahm",
komask. m a n z a „junge Kuh", corsic. m a n d z o n u „sopranome
di bue", a.-berg. m a n d z „juveneus", m a n d z a „juvenca", trient.
m a n z o „junger Ochs", grödn. m a n t s „Stier", m a n z ä „weib-
liches Kalb", bair. m a n z , m e n z „sterilis vacca", rheinländ.
m i n z e k a l b „juvenca". Alle diese Formen können nur auf
einen lateinischen Grundtypus *MANDXUS, mit der Grund-
bedeutung „Junge eines kauenden Haustieres", zurückgehen.
Die Herleitung aus MANDERE „kauen" liegt auf der Hand
(über die Formation vgl. § 71 Anm.) und wird durch folgende
Erwägung bekräftigt. Dem lat. MANDUCO „kaue" entspricht
im rum. m l n c „esse". Aus m i n c hat sich im Arumunischen
ein sekundäres m i n g u „esse" entwickelt. Nun heißt das
Fohlen im Aromunischen nicht nur m ä n d z u , sondern auch
m i n g u , welches offenbar zu m i n g u „esse" gehört und das
Junge vom Pferd bedeutet, welches nicht mehr saugt, sondern
zu fressen beginnt. (Hat neap. m a z z o n e „terreno erboso
dove si lasciano pascolare i puledri" ein stimmhaftes dzz,
was aus D'Ambras Transkription nicht erkennbar ist, so steht
es für * m a n d z o n e , und ist ein neuer Beweis für die Richtig-
keit unserer Etymologie). — Ebenso wie m l n z nicht von
MANSUS kommen kann, läßt sich auch p i n z a „Leinen" un-
möglich auf lat. PANSA „Ausgebreitetes" (Cihac I, 192) zu-
rückführen (denn dies hätte *pasä ergeben). Dagegen ent-
spricht das Wort genau einem im § 71 Anm. erklärten lat.
*PANDIA vom selben Stamme (PANDERE). Auch ein davon
abgeleitetes Verb *PANDIO, -ARE wird durch p ä n z ä t u r ä
< *PANDIATURA „Tischtuch", eigtl. „Ausgebreitetes" ge-
fordert, da dieses Wort kaum direkt von p l n z ä . wie die
Kollektiva: ital. o s s a t u r a , lat. f o l i a t u r a gebildet ist. — Für
die Pflanze s p i n z „Nießwurz" sucht Cihac II, 357 und Byhan
Jb. V, 333 vergebens eine slavische Etymologie. Bekanntlich
wächst diese Blume auf steinigen Orten, meist auf morschen
Mauern und zwar so, daß sie nach Art der Schlingpflanzen
h e r u n t e r h ä n g t . S p l n z hieß ursprünglich „herabhängend"
— 51 —

und deckt sich genau mit dem in § 71 Anm. beschriebenen lat.


*PENDIUS. Auch s p i n z u r „hänge" geht auf *EX-PENDIO
+ Suff, - u r zurück. — R1 nzä „Lab" arum. a r ä n d z ä , irum.
r a n z e ist das alb. r e n d e s „Lab". (Aus dem Rumänischen
stammt klruss. ryndza, poln. ryndza). Yon diesem Worte ist
*ein anderes r l n z ä (auch r i n s ä ) zu trennen, welches „Kätzchen
von Nußbäumen bedeutet" und aus kslav. r e s a stammt (vgl.
Byhan Jb. V, 329). — Ob in b a r z ä „Storch" "das lat. ARDEA
steckt, mit Einmischung von alb. b a r # „weiß" (vgl. Dens.
Hist. langue roum. 28—29) ist zweifelhaft (vgl. auch n.-griech.
fiJcaQT^ia „Bock, schwarz mit rotem Kinn", klruss. b a r z a
„Schaf mit weißer Brust"). Auch sonst erscheint im Roma-
nischen ARDEA mit einem befremdenden Anlaut (vgl. ital.
log. camp, g a r z a etc.).

d) Gi.
§ 26. Für intervokalisches Gi fehlen die Beispiele gänz-
lich. Man zitiert oft CORRIGIA c u r e a , arum. k u r a o , mgl.
k u r a u ä „Riemen" und man nimmt an, daß Gi zu i geworden
und mit dem vorhergehenden i kontrahiert worden sei. Selbst
wenn Gi, gegen alle Erwartung, nicht dz, sondern i ergeben
hätte, könnten wir doch nur * c u r e a i e haben und nicht c u r e a .
Schon Miklosich hat die richtige Etymologie lat. *CORELLA.
Diminutiv von COR1UM „Leder" (oder vielmehr vom Neutr.
Plur. CORIA) vorgeschlagen und auch Weigand und Densu-
sianu halten an dieser Etymologie fest. Ein zweites Beispiel,
das merkwürdigerweise noch immer angeführt wird, ist cu cu v e a
„Eule", welches man mit ital. c o c c o v e g g i a vergleicht. Schon
die Erhaltung des intervokalischen v im Rumänischen spricht
gegen eine lateinische Etymologie. In beiden Sprachen ist
das Wort griechischer Herkunft (vgl. G. Meyer: Alb. Wörth.
211—212). Für nachkonsonantisches Gi läßt sich drum, o s l n z ä ,
arum. u s ä n d z ä „Fett" < AXUNGIA anführen, dessen Anlaut
an griech. oSyyyiov erinnert (o^vyyiov: arbinaunguen unguina
haec axyngia C. Gl. II, 384, 47). Ein anderes Wort ist b u l z
„Klumpen, Ball", davon i m b u l z e s c „dränge" (eigtl. „zu einem
Klumpen zusammendrücken"), welches mit b u l g u r , b u l g ä r
— 52 —

..dass." zu vergleichen ist. (Dieses wurde von Cihac II, 551


aus dem türk. b u r g u r „Grütze, Griesmehl"! abgeleitet). Sie
decken sich mit zwei lat. Typen *BULGIUS und *BÜLGULUS
vgl. § 71 Anm.), welche möglicherweise mit franz. b o u g e
..partie bombee d'un objet", (ital. bolgia „Tasche") auf das
von Festus bezeugte BULGA „Sack" (keltischer Abstammung
vgl. irländ. b o l g „Sack") zurückzuführen sind.

B. Vortonig.
a) Vor o, u.
§ 27. Wir werden der Einfachheit halber Ti, Ki, Di, —
für Gi fehlen die Beispiele (vgl. indessen § 29), — vor be-
tontem o, u zusammen behandeln, denn die zwei ersten ergeben
t s , das letzte dz, bezw. z in allen Stellungen und in sämt-
lichen Dialekten: *FOETIOLUS ( < F O E T U S ) > f i c i o r , arum.
mgl. f i t s o r , irum. f i t s o r „Bursche, Knabe", TITIONEM >
t ä c i u n e , arum. t ä t s u n e mgl. t ä t s u n i „glühende Kohle",
* M A T T E U C A > m ä c i u c a „Knüttel" (s.Anm.),*MATTEOCUS
> mgl. m ä t s o k u „Knüttel, Keule" (s. Anm.) *CA[T]TEULLA
> c ä c i u l ä , arum. k ä t s u l ä , mgl. katsu(l)ä „Pelzmütze"
(s. Anm.), M E N T I O N A R E > arum. m i n t s u n ä , mgl. m i n t s u n a
„lügen". MENTIONEM>drum, m i n c i u n ä , arum. m i n t s u n e .
- n ä , mgl. m i n t s u n i , - n ä „Lüge" (vgl. Zeitschrift rom. Phil.
XXVII. 743), INTELLECTIONEM > I n t e l e p c i u n e „Weis-
heit"; — PETIOLUS oder: *PECI0LÜS (Romania XXII, 147)
> p i c i o r , arum. t s i t s o r , mgl. p i t s o r , irum. p i t s o r „Fuß",
* M Ü S T A C I O L A > m u s t ä c i o a r ä „Schnurrbärtchen", *GRA-
NÜNCIOLUS « * G R A N Ü N C I U S § 7 1 ) > g r ä u n c i o r „Körn-
lein", U R C E O L U S > u r c i o r „ Krug", *ULCEOLUS « U L C U S )
> u l c i o r „Gerstenkorn"; — A D I U T O > a j u t , arum. a d z u t u ,
mgl. zut, irum. a z u t „helfe", ADIUTORIUM> a j u t o r , arum.
a d z u t o r , mgl. z u t o r „Hilfe", AD1UNG0 > a j u n g , arum.
a d z u n g u , mgl. z a n g „komme an", DEOSUM > j o s , mgl.
zos, irum. zos „unten", s!!MEDIOLULOCU > m i j l o c (arum.
n o l d z i k ä ) , mgl. m e z l u k , irum. m e z l o k „Mitte" (s. Anm.). —
Eine scheinbare Ausnahme liegt in den Wörtern c ä l t u n (auch
coltun) „Strumpf, Schuh", c ä l t u n a r „Schuhmacher" und in
c ä t u e „Kohlenpfanne", doch gehen die ersten zwei nicht
auf lat. CALCEONEM, *CALCEONARIUS (Cihac I, 3 4 - 3 5 ) .
sondern stammen aus dem Neugriechischen; c ä t u e ist dagegen
nicht griechischen (Cihac II, 645), sondern lateinischen Ur-
sprungs, doch gab es im Rumänischen zuerst ein * c ä t ä <
*QUAT1UM « griech. y.vdOiiLov), welches dann mit dem
Diminutivsuffix - u i e weiter gebildet wurde (vgl. indessen
Wiener Studien XXY, 96—97, wo die Form CATTIA aus
Glossen angeführt wird).
Anm. Über die Formation von *MATTEUCA, *MATTE-
OCUS vgl. § 80. Von m ä c i u c ä abgeleitet i s t m ä s c a t „groß-
körnig" < * m ä t s ( u ) k a t , megl. matsköt „groß". Nur im
Suffixe unterscheidet sich vom ersteren m ä c x u l l e „Knopf am
Stock"; es enthält dasselbe Suffix wie c ä c i u l ä . Dieses Wort
ist auf dem ganzen Balkan verbreitet (alb. k e s u l e , bulg.
k a c u l k a , k a c j u l , maz.-bulg. ketsul, ngriech. xarC,ovXa) und
ist aus der rumänischen Hirtensprache entlehnt. Den mit den
Rumänen nicht in Berührung kommenden Slaven und dem
Altgriechischen ist es fremd. Die Etymologie des alb. Wortes
aus CASULA „kleines Haus" (G. Meyer: Alb. Wörtb. 191)
entbehrt jeder Überzeugungskraft und stößt auf lautliche
Schwierigkeiten. Sieht man sich im Lateinischen um, so greift
man, glaube ich, nicht fehl, wenn man eine Form*CA[T]TEULLA
rekonstruiert, eine Ableitung von *CA[T]TEA „Katze". Die
Pelzmütze, welche allgemein die Kopfbedeckung des rum.
Bauers (auch im Sommer) bildet, ist aus unsegerbtem Schaf-
fell -gemacht und zwar so, daß der haarige Teil nach außen
kommt. Das würde allerdings gegen unsere Etymologie
sprechen, da die c ä c i u l ä sicherlich nie aus Katzenfell fabri-
ziert wurde. Man muß sich indessen auf einen anderen Stand-
punkt stellen. Haarige und flockige Gegenstände sind überall
und zu allen Zeiten mit der Katze verglichen worden. Um
vom obszönem Sinne des franz. „(petit) chat" ganz abzusehen,
wird fast in allen Sprachen der Name der Katze für die
flockigen weichen Blüten gewisser Bäume gebraucht: „Kätzchen
der Nußbäume", franz. „chats de saule, de coudrier", rum.
„pisicei de salcie" etc. Das rum. bietet noch ein anderes
§19. — 54 —

Beispiel: das Wort m i t ä „Lämmerwolle", davon m i t o s „lang-


haarig" (besonders von c ä c i u l a und c o j o c „Pelzrock" ge-
braucht), stammt nicht etwa aus poln. j a g n g c y (Cihac II, 198),
sondern ist dasselbe Wort wTie m i t a , dem bekannten Namen
der Katze (deutsch Mieze, ital. micio etc.). Die c ä c i u l a ver-
dankt daher ihren Namen dem haarigen Material, — oft ein
ganzes Lammfell, — aus welchem sie erzeugt wird. Wenn
im Arum. neben k ä t s u l ä auch k ä t s u l ä vorkommt, so ist
dies in neuerer Zeit dem Griechischen entlehnt; dieser Sprache
fehlt auf dem größten Teile des Gebietes der Laut ts, so daß
rum. c ä c i u l a nur als xaz^ovXa übernommen werden konnte.
Was die Lautgruppe -ULLA betrifft, so zeigt das megl. k ä t s u ä
die regelrechte Behandlung (vgl. MEDULLA >> m ä d u ä ) , die
Form c ä c i u l a dagegen ist aus dem Plur. c ä c i u l e , oder aus
den Ableitungen m ä c ä c i u l o s c , c ä c i u l i e rückgebildet (vgl.
destulä). Dies letztere bedeutet „Köpfchen", ein Sinn der sich
leicht aus demjenigen von c ä c i u l a entwickelt haben kann.
Er könnte aber auch ursprünglich sein, und dann würde
c ä c i u l a von *CAP[I]TEULLA"abzuleiten sein « CAPUT,
-ITIS), mit demselben Übergang der Gruppe P T > T wie in
C A P [ l ] T E L L U M > c ä t e l (§ 3 Anm.). Gegen diese Etymologie
spricht aber alb. k e s u l e , welches kaum entlehnt ist und nur
zu *CA[T1TEULLA nicht zu *CAP[I]TEULLA passt (vgl.
PUTEUS > p u s gegen *CAPTIO > k a p s - o i ) . — Man leitet
m i j l o c ..Mitte, Mittel, Kreuz (als Mitte des Körpers aufge-
faßt)" gewöhnlich von MEDIU[S]LOCUS ab. Diese Etymologie
entspricht vollkommen, was die Behandlung des vortonigen
Di betrifft, der aufgestellten Regel, und ich sehe den Grund
nicht ein, warum Densusianu (Hist. langue roum. 243) einen
Einfluß von slav. m e z d a annimmt. Eine Schwierigkeit bietet
nur die Erhaltung des intervokalischen 1, da der rückwirkende
Einfluß des l o c in m i j l o c nicht mehr wahrscheinlich ist, und
dies seit dem Momente, wo der erste Teil der Zusammen-
setzung. wegen der verschiedenen Behandlung der Gruppe Di
(MEDIU > m i e z gegenüber von MEDIU- > mizu-) nicht
mehr als MEDIUS empfunden werden konnte. Dies geht auch
daraus hervor, daß auf einem sehr großen Gebiete m i j l o c
durch Metathese zu m i l j o c , n i l j o c geworden ist, woraus der
Aromune n o l d z i k ä gemacht hat, indem er - o c als Suffix
empfand und durch das häufigere - i k ä ersetzte. Es ist nun
— 55 — §18.

möglich, daß im MEDIUS LOCUS > m i d z u l o c die Synkope


des zwischentonigen u schon zu einer Zeit eingetreten war,
als das intervokalische 1, welches ziemlich spät zu r wurde,
noch rein gesprochen war: m i d z l o c . Wahrscheinlicher dünkt
mir aber die Erklärung, die ich in Convorbiri literare 1903
S. 602—603 gegeben habe: *MEDIOLULOCU (*MEDIOLUS
wird auch vom aberg. m e z u l [del nas, glossiert mit „inter-
sritium"] verlangt) > *MEDIOLLOCU > * m i d z u l ö c u >
mi(ct)zloc. In diesem Falle ist die frühe Synkope des u
zwischen zwei 1 leichter verständlich uud findet eine Be-
kräftigung durch ECCU-ILLE-ILLAC > *EQUILLULAC >
a c e l ä „celui-lä' : , neben *EQUILLU > ac el, woraus ein Suffix
-a, welches auch an a c e s t - a etc. trat. Dagegen ist das arum.
n o l d z u k < * n o d z l u k durch die Betonung MED1US LOCUS,
— in diesem Falle konnte das Wort loc herausgefühlt werden
und es trat keine Suffixvertauschung ein, — zu erklären, was
zugleich den Übergang m i e - n e - > n o - klar macht.
Die zwei Betonungen müssen seit dem Anfang bestanden
haben; sie haben auch im Drum. Spuren hinterlassen und zwar
im dialektischen n i l j o c und im literarischen m l j l o c . Die
literarische Differenzierung m l j l o c „Mitte", — m i j l ö c „Mittel"
i^t nicht durchgeführt und unberechtigt. Wir finden in einem
Lied von Z. Bärsan (Visuri de noroc S. 50):
„Sa mä rog apoi de luna
De m i j l ö c sä tt-o acat.e,
Clnd de m l j l o c te-oi cuprinde,
Cerul tot sä-1 iaü In brate. •—
Ein interessantes Beispiel ist noch das Verb s c o c l o r ä s c
„durchstöbere", welches zweifelsohne eine diminutivisch-itera-
tive Bildung auf -IOLO vom dunklen s c o t „nehme heraus"
ist. Der KonjugationsWechsel ist auffallend. — Über r ä p -
c i u n e < RAPTIONEM vgl. § 3 Anm.
§ 28. Die Mehrzahl der hierher gehörenden Beispiele
wird von den Suffixen -TIONEM, -IOLUS und von den auf
aualogischem Wege entstandenen -IONF.M und -IOSUS ge-
liefert.
I. Während im Italienischen das Suffix -TIONEM ge-
lehrten Ursprungs ist, erscheint es im Rumänischen in seiner
echten und volkstümlichen Gestalt und erfreut sich einer
— 63 —

außerordentlichen Beliebtheit. Nach LAUDATIONEM >


l ä u d ä c i u n e , aruin. a l ä v d a t s u n e , 1NCLINATIONEM > In-
chinäciune, arum. n k l i n i t s u n e , mgl. n k l i n a t s u n i , ORA-
T 1 0 N E M > u r ä c i u n e , a r u m . u r ä t s u n e (Densusianu Romania
XXII, 61), P R i E D A T I O N E M > p r ä d ä c i u n e , ROGATIONEM
> r u g ä c i u n e , arum. r u g ä t s u n e , mgl. r u g ä t s u n i bildete
man a m e s t e c - ä c i u n e , c u m i n e c - , c u m p ä r - , d e s m i e r d - ,
l e r t - (arum. l i r t - ) , t a t - , f e r i c - , i m p ä c - , I m p u t - , i n e c ,
ingrop-, insel-, insur-, intunec-, las-, lumin-, mir-,
orbäc-, plec-, rusin-, sburd-, säman-, scap-, secer-,
s p u r e - , s t r i c - , u s c - (arum. usk-), v i n d e c - , arum. d i -
m a n d - etc. Von Verba auf -IRE: a d e v e r - i c i u n e , a s u p r - ,
buxgu-, c u m p l - , i n c h i p u - , I m p u t - (durch Assimilation
auch i m p u c i c i u n e Gaster Chrest. I, 289, Dosofteiü Viata sfint
300/31, Cipariu Principia 221), o m o r - , p i e r - (arum. ker-),
p l i n - , p u t r e z - , r e p e z - , r ä p - , s t i r p - , z d r o b - , z i m i s l - etc.
Auch Analogiebildungen kommen vor, und zwar nach drei
Richtungen hin: 1) Man trennte ein Wort wie I m p ä c ä c i u n e
in I m p a c + ä c i u n e , und so entstand ein Wort wie arum.
a s p ä r g ä t s u n e an Stelle des zu erwartenden * a s p ä r t s u n e
(vom Partz. a s p a r t ) . 2) Da die Mehrzahl der Wörter auf
- a r e und - i r e denominale Ableitungen sind, konnte ein a c r i -
c i u n e , s e c e r ä c i u n e in a c r u + ä c i u n e , s e c e r e + ä c i u n e
getrennt werden. So gehört d e s e r t ä c i u c e , wenn es „Leerung"
bedeutet zu d e s e r t a „leeren", im Sinne von „Eitelkeit" in-
dessen zu d e s e r t „eitel". Ebenso: d e s t e p t ä c i u n e „Intelli-
genz", i n t r e g ä c i u n e , g o l i c i u n e , m o l i c i u n e , o r b i c i u n e ,
v i o i c i u n e , s l ä b ä c i u n e nb. s l ä b i c i u n e . Von Substantiven
abgeleitet sind b ä r ä c i u n e „Morast" (barä), m ä s c ä r i c i u n e
Gaster Chrest. II, 51, 2. 52, 3. s e t e c i u n e (sete) Gaster Chrest.
I, 281, 3. Cipariu Principia 222. Man findet selbst u n i c l u n e
„Einheit" (unu) Gaster Chrest. II, 361, 2. Cipariu Principia 222,
Dosofteiü Viata sfint, 112b/33. 3) In u r i c i u n e „Häßlichkeit",
i n t e l e p c i u n e „Weisheit" « INTELLECTIONEM) wurden
als Primitiva die Adjektiva u r i t „häßlich" und i n t e l e p t
„weise" gefühlt und der Zusammenhang mit den Verben u r ä s c
— 57 —

„hasse" (Partizip urit „ g e h a ß t " ) und i n t e l e g „verstehe"


(Partizip I n t e l e s „verstanden") verloren. Darnach entstanden
neue Ableitungen von Adjektiven, und zwar so, daß vor dem
Suffix t in t s und dementsprechend d in dz tiberging: linged
— l i n g e j u n e , putred — p u t r e j u n e , repede — r e p e j u n e ,
sarbäd— s ä r b ä j u n e , umed — u m e j u n e , vested — v e s t e j u n e .
Auch für den Übergang von ts > ts, (d)z > (d)z (vgl. unter
II) haben wir zwei Beispiele: istet — i s t e c i u n e und das auf-
fallende botez — b o t e j u n e , arum. p ä t i d z u n e , mgl. b ä t i z u n i
„Taufe", gleichsam *BAPTID10NEM. — Erstarrt ist das
Suffix in p ä s u n e < PASTIONEM, arum. y i z m ä t s u n e
(Weigand), a y i d z m ä t s u n (Papahagi) „September" < *VLN-
DEMIATIONEM (eigtl. „Zeit der Weinlese" vgl. franz.
semaison „Zeit der Saat", fauchaison „Mähzeit", fenaison
„Heuzeit", ital. fienagione, granigione, granagione „Zeit, in
welcher die Getreidekörner ansetzen", m u d a g i o n e „Manser-
zeit" etc.) und in c r ä c i u n , mgl. k r ä t s u n „Weihnachten" •<
CALATIONEM (nach Papahagis überzeugender Etymologie
in Convorbin literare 1903 S. 670—672, welche durch ung.
karacsony, klruss. kerecunü, entlehnt auf der Stufe * c ä r a -
c i u n , bestätigt wird). — Heute sind die Abstrakta auf - c i u n e
in der Schriftsprache unbeliebt, als Reaktion zu der großen
Zahl der hybriden Bildungen wie c o n j u g ä c i u n e , s a l u t ä -
c i u n e , p r e d i c ä c i u n e etc. der latinistischen Schule. Dafür
wird - a t i e und - a t i u n e in Latinismen gebraucht (redactie.
declinatiune). Das Wort n a t i e ist in Siebenbürgen schon
volkstümlich geworden.
II. Beispiele für -IOLUS: cärunt— c ä r u n c i o r , cuminte
— c u m i n c i o r (Marian Ornitologia I, 15), märunt — m ä r u n -
c l o r , afumat — A f u m ä c i o r i (Dorf in der Nähe von Buzeu),
bärbat — B ä r b a c i o r u (Eigenname in Craiova), v i n ä t — v i n e -
c i o r („cä l-e calul v. si pintenog la picior" Volkslied aus
Vilcea), departe — d e p ä r c i o r (Dosofteiü: Viata sfint. 32/1),
fierbinte — f i e r b i n c i o r (Creanga: AmintiriS. 18); — grämadä
— g r ä m ä j o a r ä , lespede — l e s p e j o a r ä (Marian Ornitologia
II, 406), neted — n e t e j o r , oglinda — o g l i n j o a r ä , repede —
§ 53. — 58 —

r e p e j o r (Vlähutä in Sämänätorul I, 362), r o t u n d — r o t u n j o r ,


aprind— a p r i n j o a r e ; — f a l c ä — f ä l c i o r i („mi-a dat o palma
de ml-a scos din titim i ' fälciorii si-o
i rnäsea s'a strämutat diu
locul Tei" Noua rev. rom. I Suplem. II, 138). Nach dem
Muster MUSTACIA > m u s t a t ä — *MUSTACIOLA > m u s -
t ä c i o a r ä trat das Suffix auch an Stämme anf ts, (d)z, indem
es diese in t s , dz verwandelte, so: cositä— c o s i c i o a r ä , cäitä
c ä i c i o a r ä (Convorbiri literare XXXVI, 554), cätrintä — c ä t r i n -
c i o a r ä , cosnitä —cosnicioarä(Jb.VIII,315),istet — i s t e c i o r
(vgl. i s t e c i u n e Gaster Chrestom. II 5, 2. 118, 2. 152, 2), pim-
nitä — p i m n i c i o a r ä , politä — p o l i c i o a r ä (VlähutäDan247),
prepelitä — p r e p e l i c i o a r ä (Marian Ornit.II,221), ulitä — u l i -
c i o a r ä etc.; obraz — o b r ä j o r , pupäzä — p u p ä j o a r ä . Nach
sotie — s o t i - o a r ä richtet sich das Maskulinum s o t — s o t i o r
(statt *socior) und danach bildet man frate — f r ä t i o r (statt
*fräcior). In s t u r z o r , Diminutiv von s t ü r z (Marian Ornito-
logia I, 279) ist nicht etwa ein *TURDIOLUS zu erblicken,
sondern es ist mit Akzentverschiebung aus * s t ü r z u r = stürz
+ ur, (wie in büturä — butöara etc. vgl. Zeitschrift rom. Phil.
XXVII, 741) entstanden.
III. -IOSUS ist aus -OSUS, wie -IOLUS aus -ULUS ent-
standen: er wurde von i-Stämmen auch auf andere übertragen.
Sobald man ein Wort wie SILENTIOSUS „schweigsam" nicht
mehr in SILENTIUM + OSUS „einer der voll Schweigsam-
keit ist", sondern in S1LENTEM + 10SUS „ein gewohnheits-
mäßiger Schweigender" trennte, konnte -IOSUS produktiv
werden. Man begegnet ihm im Rumänischen in allen Funk-
tionen des -OSUS: 1. Es dient zur Ableitung von Adjektiven
von Abstrakten um das Begabtsein, und von Konkreten um
die Fülle auszudrücken ( a r t , ä g o s , f l o c o s etc.): chicä — c h i c l o s
„zottig" (Dosofteiü Viata Sfint 42/22), mustatä — m u s t ä c i o s
„bärtig" (wie barbä — bärbos), arum. gälbadzä — g ä l b ä d z o s >
drum, g r e a t ä — g r e c i o s (Dosofteiü Viata sfint. 206/3), räutate
— r ä u t ä c i o s „zornig", virtute — v i r t u c i o s (Dosofteiü Viata
sfint. 81b/12 104 b/16 Gaster Chrest. 1,265,3. 268). Wie SILEN-
TIOSUS sind gebaut: c r e d i n c i o s , c i v i i n c i o s , p r i i n c i o s ,
— 59 — §§ 55, 56.

p r i m e j d u i n c i o s , ( n e ) p u t i n c i o s , t r e b u i n c i o s . 2. Schon
im späteren Latein trat -OSUS an Adjektiva an, um das
gewohnheitsmäßige Vorhandensein der Eigenschaft zu be-
zeichnen: AQUIL-OSUS, EBRIOSUS, FALSOSUS etc. (Rum.:
b ä d ä r ä n - o s , b ä r b ä t - o s , b e t e g - , u m e d - , u r l t - Gaster
Chrest. I, 181, 3, v e s e l - , v o i n i c - , selbst c u m i n t o s , arum.
adinkos). -IOSUS liegt vor in dieser Funktion in urlt —
u r i c i o s , flämind — f l ä m l n j o s . 3. Dadurch, daß ein Wort
wie LUMINOSUS < LUMEN, -INIS + OSUS seine ursprüng-
liche Bedeutung „voll Licht" zu „leuchtend" verschob, wurde
es auf LUMINARE bezogen und es entstanden deverbale
-OSUS-Ableitungen ( a d u l m e c - o s , a r ä t - , a r z - Dosofteiü
Viata sfint. 128/7, b u e u r - , i n d o l - , i n d e n i n - Gaster Chrest. I,
208,3. i n t u n e c - , l u n e c - m i n g ä i - , l u m i n - , s p ä r i - , s f i - , t ä i - ,
t i n g u i - , arum. a d i l o s , a f u m i t - „beschwert", k ä s t i g - etc.).
Von p u t „stinke" bildet man im Rumänischen p u t o s „stinkig"
(Gaster Chrest. 359, 3), in urromanischer Zeit hat aber ein von
PUTEO abgeleitetes Adjektivum auf -OSUS nur *PUTEOSUS
(wie *DOLEOSUS > d u i o s < DOLEO > dor, *CONVENI-
OSUS > c u v i o s < C O N V E N I O > c u v i n ) lauten können und
dieses liegt vor in rum. p u c i o s ( c i o a r ä p u c i o a s ä „Mandel-
krähe", p u c i o a s ä „Schwefel"). — Nach dem bis jetzt Ge-
zeigten sind folgende Bildungen ohne weiteres erklärlich:
urlt — u r i c i o s „häßlich", AMARITIES — *AMAR1TI0SUS
(vgl. *GRANDITIOSUS, PIGRITIOSUS § 49) > a m ä r ä c i o s
„bitterlich", lipiciü — l i p i c i o s „klebrig", gldiliciü — g i d i l i -
cios „kitzlich", negriciü — n e g r i c i o s „schwärzlich". Nun
konnten aber alle diese Ableitungen auf die Verba: u r ä s c ,
a m ä r ä s c , l i p e s c , g i d i l , n e g r e s c , oder auf die Adjektiva
a m a r , n e g r u bezogen werden, so daß ein neues Suffix - ä c i o s ,
- i c i o s entstehen konnte, welches tatsächlich im Rum. eine
große Anzahl von Adjektiven ableitet a) von Verben auf - a r e :
acät-äcios, amin-, anin-, färlm-, inec-, minc-,schimb-,
s t r i c - , s u p a r - , u s c - ; b) von Verben auf - i r e : ( a ) l i p - i c i o s ,
b a t j o c u r - , färlm-, gidil-, näcaj-, poft-, slip-, sfi-,
s i m t - , s t i d - ; c) von Verben anderer Konjugationen: p l i n -
§29. — 60

g ä c i o s , a p r i n z ä c i o s ; d) von Adjektiven: a l b - i c i o s , a c r - ,
bätrin-, bolnäv-, gälbin-, lesn-, negr-; säräcacios,
g ä l b i c i o s < * g a l b < GALB[IN]US. Bemerkenswert ist
n e m u r i c i o s „unsterblich" (Dosofteiü Viata sfint. 84/34) aus
n e m u r i t o r nach dem Muster b a t j o c u r i t o r = b a t j o c u r i c i o s
geformt. Das mgl. Adverbium s k u n t s o s „verstohlen" ist
ursprünglich Adjektiv gewesen und geht auf s k u n t , Partizip
von s k u n d < ABSCONDO + IOSÜS zurück (vgl. arum. as-
k u n t - i s „Schlupfwinkel").
§ 29. 0. Densusianu (Hist. langue roum. 80) hat gezeigt,
daß rum. j u r , mgl. z u r nur auf einer Aussprache g i u r u s des
lat. GYRUS (griech. yvgoq) beruhen kann, denn *GURUS
hätte * g u r , *GIRUS aber g i r oder * g e r mgl. *zir oder *zer
ergeben. Dieses Beispiel ist von besonderem Interesse, da es
eine vorromanische Wiedergabe iu des griechischen ü-Lautes
v sichert — ähnlich ist es, wenn die Russen das deutsche und
französische ö, ü als io, iu sprechen: Gi.ote Göthe, biuro <1
franz. b u r e a u , — wie sie auch von Meyer-Lübke (Rom. Gram.
I § 17) zur Erklärung von ital. a c c i u g a < griech. arpvi/
mittelst eines lat. *APIUA angenommen wurde. (Charisius
zitiert aus den Reden des C. Sempronius S. 196, 27 K. ein
SYLLA [CARO], welches offenbar SUILLA [CARO] „Sau-
fleisch" sein soll, Archiv lat. Lex. IX, 354. Dieses Beispiel
beweist aber, daß man gewohnt war das griech. v durch lat.
iu [ungeschickt: ui] wiederzugeben, sonst hätte man nicht
für lat. u i das Zeichen Y gewählt). Das Rumänische besitzt
zwei weitere Beispiele dieser Art: c i u m a und c i u t u r ä . Das
lat. CYMA „Sprosse" < griech. xvtua hat in den westroma-
nischen Sprachen die Bedeutung „Gipfel" (ital. c i m a franz.
c i m e etc.). Im Sardischen aber ist noch der alte Sinn von
„Sprosse, Knospe, Lauch" erhalten: log. k i m a , camp, t s i m a .
Alle diese Formen weisen auf die Aussprache CIMA, dagegen
findet man im Campidanesischen auch die Form t s u m m a c c a
(neben tsimagga), welche auf k i u m a weist — es bedeutet
„flusso (di umori)", ursprünglich wohl den „Auswuchs", dann
den „Ausfluß" (vgl. T. Zauardelli: Appunti lessicali I, 32) — und
im Albancsischen küm (nb. kirn) „Art Geschwür" (§ 39). Das
Rumänische stimmt wieder einmal mit dem Sardischen und
Albanesischen überein. Im Arom. und Megl. bedeutet t s u m ä
zunächst eine „Beule, Geschwür", davon mgl. t s u m u l i g ä
„Geschwulst am Kopf", dann überhaupt ein „Büschel (Wolle)".
Ob das Wort für „Pest" drum. arum. mgl. t s u m ä auch den-
selben Ursprung hat, — die Pest äußert sich bekanntlich durch
Geschwüre, — ist dadurch unsicher, weil es auch im Slavischen
(kslav. serb. russ. cuma, bulg. cjuniü, klruss. dzuma, pol. dzuma),
Ungarischen (csuma, csoma) und Türkischen (tsuma) vorkommt.
Dagegen liegt sicher das lat. CYMA „Sproß" in dem Pflanzen-
namen c i u m a f e t i i , (auch m ä r u l porcului „Stechapfel",
ital. p o m o spinolo und n o c e metella, franz. p o m m e epi-
neuse), so genannt nach der Frucht, die eine kugelrunde Form
hat (vgl. Convorbin literare XXXVII, 600—601). C i u t u r ä
„Holzflasche, Mundstück der Pfeife" wird von Cihac (II, 567)
aus dem türk. t s o t r a „bouteille de bois pour mettre de l'eau
en voyage" abgeleitet. Das Wort ist auf der ganzen Balkan-
halbinsel verbreitet: bulg. c u t u r ü , serb. c u t u r a „bouteille
de bois", alb. t s o t r e „hölzerne Weinflasche", ngriech. tgiotq«.,
dann ung. c s u t o r a „Holzkrug, Mundstück der Pfeife", klruss.
c u t o r a „Mundstück der Pfeife". Da das Wort in keiner
dieser Sprachen etymologisch klar ist, ferner da es auch im
Italienischen c i o t o l a „Becher (ohne Fuß)" vorkommt, so ist
es wahrscheinlich, daß das Wort im Romanischen ursprünglich
ist. Als Gegenstand der Hirtenwirtschaft kann das Wort aus
dem Rumänischen in die Nachbarsprachen gekommen sein;
aus dem Italienischen stammt nur alb. t s u t u l , welches ein 1
in der letzten Silbe aufweist. Ital. c i o t o l a und rum. c i u t u r ä
beruhen auf ein vorromanisches * k i u t u l a und dieses ist durch
Metathese (*CYTOLA) aus dem griech. y.özvloc,, xotvfo]
..Becher, Napf, Schale" entstanden.

b) Vor a.
§ 30. Die hierher gehörigen Fälle sind zahlreich, jedoch
meistenteils wenig überzeugend. Die i-Verba der ersten Kon-
§30. — 62 —

jugation: i n ä l t a r e , a c ä t a r e , s u g h i t a r e , a t l t a r e , invat.are,
i n c ä l t a r e , r a s f ä t a r e , i n g h e t a r e , a m e n i n t a r e , (as)mu-
t a r e ; — a s e z a r e , Suffix - e z a r e zeigen sämtlich den Über-
gang t i ä , k i ä > t s ä , dia > (d)zä, aber man kann einwenden,
daß die vier stammbetonten Formen des Präsens indicativi
und conjunctivi (VITIO, VITIAS etc.) die Entwickelung des
ti etc. zu ts (dz) verhindert haben. Ferner gibt es eine ganze
Reihe von Ableitungen, in denen das Primitiv die Entfaltung
zu ts, dz gehindert haben kann: b ä l t a t < *BALTEATUS:
balt; b r ä t a r ä < BRACHIALE: brat; arum. b ä r t a t (und
bältat) „Maß ausgestreckter Arme" < *BRACHIATA: brat;
i n c ä l t a r e „Schuh" (Dosofteiü Viata sfint. 10/2 50/27) <
*CALCEARE ( + Incälta): incalt; (in)cä'ltämint „Schuh"
(Cipariu Principia 122) < CALCEAMENTUM: Incalt; f ä -
t a r ( n i c ) „Heuchler" < * F A C I A R I U S : fatä; f r u n z a r „Laube"
< *FR0NDIAR1UM: frunzä; g h e t a r „Gletscher" < *GLA-
CIARIUM: gheatä; m i n z a t , -ä „junges Kalb" (alb. mezät
„junger Stier"), m i n z ä r e „Schaf mit Milch" < zu *MANDIUS:
mlnz; n e g u t ä t o r , n e g u s t o r « negutsätor Istoria bisearicei
sf. Niculae Brasov) „Kaufmann" < *NEGOTIATORIUS:
negot; p ä n z ä t u r ä „Tischtuch" < *PANDIATURA: pinzä
(vgl. § 25 Anm.), arum. s u t a t ä „Vereinigung" < * S O C I A T A :
sot; v ä r z a r e „Krautkuchen" <*VIR[I]DIARIA: varza. Einige
unter den hier angeführten Beispielen können rumänische Ab-
leitungen sein. Nicht viel zu bauen ist auf d i n t a t „gezähnt",
welches kaum ein *DENTEATUS voraussetzt, sondern wie
d i n t ä r i t auf die Mehrzahl d i n t i zurückgeht (vgl. ban. m o r -
t ä r i e , m o r m i n t ä r i e „Friedhof" <C morti). Überzeugender
ist das Wort m e z i n der mittlere (unter den Geschwistern)
< MEDIANUS, denn sein etymologischer Zusammenhang mit
m i e z „Kern" wird nicht mehr empfunden; auch das Suffix
- i n hat im Rumänischen eine andere Bedeutung. Von
schlagender Beweiskraft sind die Wörter a r t a r „Ahorn" und
m u l z a r e „Milchschaf, das unter den Hammeln weidet und
den Hirten jener die nötige Milch gewährt" (belegt in der
Mehrzahl in der Form desBanaterDialektes :muldzär Jb. 111,321).
— 63 —

Der Zusammenhang derselben mit ACER und MULGEO ist


über alle Zweifel erhaben, auch das Suffix -ARIUM und
-ARIA ist klar. Die Bildung bedarf jedoch einer Besprechung:
a r t a r verlangt eine Grundform *ARCEAR1UM. ACER, -ERIS
wurde zunächst *ACRE, dann trat die Metathese *ARCE ein
(span. arce), an dem das Baumnamen bildende Suffix -ARIUS
hinzukam: * ARCE ARIUS > a r t a r (vgl. sie. a t s s a r u , rom.
a t s s a r , parm. atsser). Was m u l z a r e < *MULGEARIA,
mit demselben Suffix, welches in s u g a r e „Schaf, welches nach
dem Termin gekalbt hat und daher nicht gemolken wird,
sondern dessen ganze Milch dem Lamme überlassen wird"
( < *SUGARIA) und m i n z a r e vorliegt, betrifft, so kann es
nicht an MULGEO angelehnt worden sein, denn dieses ist
von allem Anfang an zu *MULGO umgewandelt worden und
aus ebendemselben Grunde kann es nicht erst auf rumänischem
Boden entstanden sein. Nun möchte man aber gern auch
Beispiele haben, in denen die i-Verbindung zum Stamme ge-
hört und nicht erst durch Derivation entstanden ist. Da ist
an erster Stelle IACEO > z a c (arum. d z a k , mgl. zak, irum.
zök) zu nennen. Anlautendes i- zeigt dieselben Schicksale
wie anlautendes D i - (DEOSUM >• j o s , mgl. zos, irum. zos,
gerade wie I O C O [ R ] > j o c , arum. d z o k u , mgl. zok, irum.
zok), so daß dieses Wort beweiskräftig ist. Von einer Dis-
oder Assimilation (wie im Rätoromanischen) kann hier nicht
die Rede sein: man müßte denn annehmen, daß aus einem
* d z a t s e < IACET das Dakorum. ein d z a t s e dissimiliert und
aus einem * d z a t s e < IACET das Aromunische ein d z a t s e
assimiliert hat, — was natürlich nicht geht. Ein weiteres
Beispiel ist z i n ä (arum. d z i n ä , mgl. dzönä) „Fee", in welchem
schon im Jahre 1848 Schott (Walachische Märchen S. 296)
das lat. DIANA erkannt hatte. Diese Fälle zeigen ohne einen
Zweifel zuzulassen, daß vor betontem a Ti und Ki zu t s , Di
und Gi zu (d)z in allen Dialekten und in allen Stellungen
werden, zum Unterschied von Ti, Ki, Di, Gi vor betontem o
und ü, welche zu ts, (d)z werden. Durch die letztgenannten
sicheren Beispiele werden auch die im Anfange dieses Para-
§ 53. — 64 —

graphen zitierten beweiskräftig. Es wäre auch merkwürdig,


wenn die acht, verhältnismäßig selten gebrauchten stamm-
betonten Formen der Verba auf - i o , - i a r e die unvergleichlich
größere Zahl der auch öfters angewandten (man denke bloß
an das Partizipium und die damit zusammengesetzten Zeiten!)
endungsbetonten Formen nach sich gezogen hätten. Aus
Beispielen wie m u s t ä c i o a r ä g r ä u n c i o r etc. gegen m u s t ä t ä
g r ä ü n t sehen wir, daß die Lautregel im Rumänischen sehr
widerstandsfähig gegen die psychologischen Prozesse der Ana-
logie ist, so daß eine Umbildung von * b r ä t s a r e <C BRA-
CHIALE nach b r a t < BRACHIUM unwahrscheinlich wird.
Anm. Gärtner gibt irum. z a t s a , Bartoli S. 89 schreibt
zaeö. Auf meine diesbezügliche Frage teilt mir Herr Prof.
G. Weigand folgendes mit: „Irum. zök und zök ist g a n z
g l e i c h . G. schreibt z a t s ä , Bartoli korrigiert zaeö. Ein
reines z wird n i c h t gehört, es schwankt immer nach z zu
(nicht nach dem mouillierten z). In Susgnevita wird selbst
von verschiedenen Personen verschieden gesprochen. Gärtners
Gewährsmann Glavina z..B. sprach, wie ich mich überzeugt
habe, alles viel spitzer als Scrobe und Stroligo." (Brief vom
8. März 1903). — 0 . Densusianu (Hist. langue roum. 102) und
vor ihm schon N. Sulicä (Gazeta Transilvaniei 1898 Nr. 144)
verteidigen die von Lexiconul Budan (S. 770) und von Miklo-
sich (Consonantismus II, 4) aufgestellte Etymologie z i n ä <
DINA. Dagegen spricht folgendes: Selbst wenn die Form
DINUS (für divinus welches über * d e v l n u s zu rum. * d e i n
geworden wäre), die bei Plautus vorzukommen scheint und
dann wieder auf einer einzigen Inschrift auftaucht (C. I. L. XI,
4766, wo sie auf einem begreiflichen Schreibfehler beruhen
kann), existiert hätte, so würde ein nicht belegtes *DINA in
den Gegenden wo man reines i nach z spricht (zic, zi etc.)
z i n ä , nicht z i n ä , wie die Form tatsächlich lautet, vorkommen.
Während DIANA auf einem weiten romanischen Gebiete
Spuren hinterlassen hat (vgl. log. i a n a , d z a n a „Hexe", neap.
i a n a r a „versiera", astur, x a n a „hada", vgl. ferner G. Huet
in Le Moyen-Age 1901 S. 31—35 wo afr. g e n e besprochen
wird, Guarnerio Romania XX, 68 Anm. Nigra Archivio glott.
ital. XV, 488), ist nirgends DINUS oder DIVINUS als volks-
tümliches Wort erhalten. Die Bedeutung selbst, — z i n e l e
— 65 — §30.

sind in den rum. Volksmärchen Feen, die ganz dem lat. DIANA-
Typus entsprechen — stimmt nur zu DIANA, nicht zu DI-
VINA. Endlich bestätigt auch das Adjektivum z ä n a t i c
„Phantast" (eigtl. einer der mit seinen Gedanken den Feen
nachjagt) < DIANATICUS (Muratori Anecdot. IV, 99—100
apud Hasdeu, Etymologicum magnum) durch seine Form
und Bedeutung die von uns verteidigte Etymologie. Was
N. Sulicä dagegen geltend macht, ist belanglos. Er zitiert
(Gazeta Transilvaniei 1900 Nr. 91) das arum. dzin „Art Mon-
strum" (Obedenaru Texte macedonene Glossar) und das alt-
rumänische d z i n o i ü „heidnischer Gott" (bei Dosofteiü: Viata
sfint. 30/11 gebraucht für Apollo), als Beleg für die männliche
Form DINUS. Aber d z i n o i ü ist zweifelsohne eine von dzinä
gebildete Maskulinform mittelst des bekannten Suffixes - o i ü
(an ein lat. DI-ANUS von DIES „der Gott des Tages", als
Epitheton des Sonnengottes ist kaum zu denken) und auf
dieselbe Weise erklärt sich das auf arum. Boden entstandene
dzin. — Die Wörter zär (arum. dzär, irum. zer) „Molken"
und zarä „saure Milch" leitet man von SERUM ab. Trotz
der passenden Bedeutung und der Verbreitung dieses Wortes
auf romanischem Gebiet (vgl. Salvioni Postille II), ist diese
Etymologie wegen des unerhörten Übergangs des lat. s > rum.
dz unmöglich. Auch an deutsch „Saure" für zara ist wegen
der banater Form d z a r ä nicht zu denken. Nach eigenen
Forschungen habe ich erfahren, daß in der Hirtensprache zär
die nach der Durchseihung der sauren Milch zum Gewinne
der fetten Teile gebliebene Flüssigkeit bezeichnet. Diese
(zärul dintii) wird noch einmal durchgeseiht und die gebliebene
Flüssigkeit wird z ä r u l al d o i l e a genannt. Wir sehen daher,
daß das D u r c h s e i h e n bei der Fabrikation des zär das Haupt-
merkmal ist. Man denkt unwillkürlich an das griech. öiaQQsiv.
Das Wort z a r a würde ganz dem lat. DIARRHOEA « griech.
öiaQQoia) entsprechen und ein neues Zeugnis für den Über-
gang di a- dza- bilden. Bei dieser Etymologie stößt man
aber auf zwei Schwierigkeiten, die ich nicht zu lösen vermag.
Es ist nämlich zär, nicht z a r ä „saure Milch", welches in der
Bedeutung zu griech. ökxqqeIv paßt und dieses scheint auf
eine Form mit anlautendem die- (irum. zer) zurückzugehen.
Auch zarä kann aus *zeara entstanden sein.

5
§ 53. — 66 —

C. Si, Sti, Ski.


a) Si.
§ 31. Si wird in allen Dialekten und in allen Stellungen
zu s: BASIO, -ARE > arum. b a s , b a s a „küssen", CASEUS
> cas, arum. mgl. irum. k a s „Käse" (vgl. mgl. k a s ä „ciu-
lama" = arum. kulias), C A M I S L A > c ä m a s e , arum. k ä m e a s ä ,
mgl. k ä m e s ä , irum. k ä m e s e „Hemd", CERESIUS, -SIA >
c i r e s , c e r a s e , (arum. t s i r e s i u , t s e r i a s ä ? Densusianu Hist.
langue roum. 71; fehlt bei Weigand), mgl. t s i r e s , t s i r e a s k ä ,
(irum. t s i r i s n e <C kroat. tseresnja) „Kirschbaum, Kirsche",
dav. c i r e s a r , arum. mgl. t s i r e s a r ( u ) „Juni", eigtl. „Monat
der Kirschen" (vgl. § 39 Anm.), *CINUSIA (vgl. cors. canuga
§ 16 Anm.) > c e n u s e , arum. t s i n u s a , t s i - und t s a n u s a ,
irum. t s e r u s e „Asche", *OCCASIONO, -ARE > c a s u n ,
c ä s u n ä „verursachen", R O S E U S > r o s ( u ) (auch r o s i u , dessen
i jung ist und wie das i in a s c h i e nb. a s c h e zu beurteilen
ist), arum. (a)ros, mgl. r o s , irum. r o i s ( = ros + roib <C
RUBEUS) „rot", — *INGRASSIO > in g r a s „mache, werde
fett", *INGROSSIO > I n g r o s „mache, werde dick".
Anm. Die Geschichte des Wortes *CINUSIA ist nicht
ganz klar. Jedenfalls kann rum. c e n u s e nicht, wie ich früher
(Die rum. Diminutivsuffixe § 167) mit Weigand und Philippide
annahm, auf CINIS oder CINUS + Suff, - u s e zurückgehen,
weil diese im Rum. *cine oder *cinu ergeben hätte und wir
haben cenuse. — Drum, mä p i s , arum. me k i s u , mgl. pis,
irum. p i s „pisse" gehört zu dem etymologisch ungeklärten
*PISSIARE (vgl. Meyer-Lübke Einführung § 66; auch kroat.
p i s a t i ) . — Schwierig zu beurteilen sind auch die zwei Fälle
b o a s e „Hoden" und g u s e „Kropf". Byhan (Jb. VI, 196) leitet
b o a s e , mgl. bos Plur. b o a s i , irum. b o s (vgl. auch drum,
b o s o r o g „brüchig", c a r t a b o s „Leberwurst") von akslav.
m o s i n a (-ina ist Suffix) „Beutel"; wie soll man aber den
Übergang m > b rechtfertigen? Cihac I, 27 dachte an lat.
BYRSA ( = griech. ßvQöa „Haut, Leder"). Dieses, oder
richtiger *BYRSEA (vgl. log. busa) könnte nur durch die
Zwischenstufen *BYSSEA > *BOSSEA zu b o a s e gelangen.
— 67 — §§ 55, 56.

Die Geschichte des griech. v im Lat. und der Gruppe RS ist


noch nicht geschrieben worden, daher können wir diese Ety-
mologie vorläufig weder verwerfen, noch gutheißen. Die Be-
deutung paßt vortrefflich, vgl. a.-berg. la b o r s a di t e s t i c o i
glossiert durch „bursa testiculorum", log. b u s a , camp, b u s s a ,
gall. b o s s a , sass. b o s s a , b u s a k k a r a „saccoccia", b u s i n u
„borsetta di pelle di gatto di forma allungata, in cui i zappa-
tori sogliono tenere il tabacco", cerign. v o r s a , alb. b u l t s i - r i
< * B Ü R S l N U M „Backentasche". Guse „Kropf" arum. mgl.
g u s ä „Kropf am Hals", irum. g u s ä „Kropf von Tieren"
kommt sowohl im Balkan vor (alb. bulg. guse, ngriech. yxovOa,
kroat. g ü s a , g ü s a „Kropf der Vögel", ung. gusa) als auch
in der Westromania: gen. gosu, d e s g o s a - s e „vuotare il
gozzo", a.-berg. ol gos glossiert durch „botium" (§ 71), Lucca
g o g i o „Kropf", piem. goso, gose „Kropf, Kehle", lomb. goss,
grödn. gos, wall. dzweK „Zahnfleisch", lotr. zöli „Wange,
franz. g o s i e r „Schlund", ital. t r a g u g i a r e , trient. t a n g u d z a r
„verschlingen", so daß man ohne weiteres annehmen darf, daß
die Balkansprachen das Wort aus dem Rumänischen haben.
Die Etymologie ist, nach Meyer-Lübkes überzeugender Dar-
stellung (Zeitschrift rom. Phil. XV 242—243; vgl. auch Schu-
chardt Zeitschrift rom. Phil. XXI, 199—200, der mit Unrecht
auch ital. gozzo damit in Zusammenhang bringt) in dem bei
Marcellus belegten GEUSIiE ( = gose > gose?) zu suchen.
Mit g u s e hängt zusammen das Wort r ä g u s e s c „werde
heiser", 'welches nicht von RAUCUS (Cihac I, 226: *RAVI-
CUCIRE!) abgeleitet werden kann und s u g u s „würge",
welches sich zu guse, wie s u g r u m „würge" zu g r u m - a z
„Hals" verhält (vgl. ital. d i g r u m a r e = t r a g u g i a r e „gierig
verschlingen", vgl. auch alb. g r u m a s < * g r u m + Suffix -az).
— Einige Philologen wollen drum, i n v ( f ) e r s u n e z „werde,
mache wütend" auf ein lat. *INVERSIONARE zurückführen.
Die Etymologie ist unhaltbar und i n v ( i ) e r s u n e z ist von
v i e r s u n „Kampf, Gewalt" („iarä unulu sau apucatu cu v.
sau Intrat deau inceputü ai cere" Dosofteiü Viata sfint.
269b/32 etc. vgl. Jb. V, 141) abgeleitet und dieses stammt aus
ung. v e r s e n y „Kampf" (nicht aus ung. g e r j e s z t e n i , wie
Cihac II, 509 wollte; für den Übergang von se >• su vgl. Suff,
s u g << ung. -seg). — Aus der Vermischung von SIFILARE
mit SUFFLARE entstand eine Kompromißform *SIU- oder
5*
— 68 —

*SUIF[I]LARE, die durch das im C. Gl. V, 395, 3; 484, 53 be-


legte SUIFLUM „sifilum, sibilum" bezeugt ist. Da aber
SIFILARE mit SIBILARE gleich war (vgl. Meyer-Lübke Ein-
führung § 28), entstand auch ein *SIUBILARE > rum. suer,
arum. su(e)ru „zische" (vgl. ital. z u f o l a , c i u f o l a r e , s u b b i -
are, ven. s u b i a , gal. a s u b i a , teram. tsuffuli, lanc. tsuffelä,
afranz. s u b l e , franz. s i f f l e r , c h i f f l e r , a.-prov. s i u l a r , norm,
s y ü f , morw. sül, wallon h ü f l e , freib. s ü b l y a , span. c h i l l a r ,
s i l b a r , prtg. silvar).
§ 32. S t i und S k i ergeben in allen Stellungen und in
allen Dialekten s: F A S C I A > f a s e , arum. mgl. f a s ä „Windel",
* I N F A S C I O > i n f a s , mgl.anfa's„einwindeln", *1NFASCI0L0
« F A S C I O L A ) > i n f ä s o r „einwickeln", MISTIONEM „Ver-
mischung" > * m i s u n e , dav. m i s u n a „wimmeln", dav. misu-
n o i ü ( m u s u n o i ü , m u s u r o i ü mit Vokalassimilation) „ Ameisen-
haufen", PASTIONEM > p ä s u n e , arum. p ä s u n e , irum.
p ä s u r e „Weide", USTIA > u s e , arum. mgl. u s ä , irum.
u s e „Tür", *USTIOLUM oder OSTIOLÜM > u s o r „Tür-
pfosten".
Anm. Neben f a s e kommt auch f ä s i e vor, welches wie
a s c h i e neben a s c h e zu beurteilen ist. F ä s i e „Streifen" ist
f a s ä + Suff, -le.3 Von diesem abgeleitet ist f ä s i o a r ä „kleiner
Streifen" und s f ä s i u , s f ä s i e z „zerreise". I n f a s u r neben
i n f ä s o r habe ich Zeitschrift rom. Phil. XXVII S. 742 erklärt.
— Neben p ä s u n e gibt Cihac I, 197 auch eine Form p äs d u n e
an, die ich für falsch halte und der latinisierenden Graphie
zuschreibe. Das gleiche glaube ich von I. Maiorescus irum.
Form p a s t s u r e . Dagegen sind u s c i o r „Türpfosten", u s c i o -
a r a „kleine Tür" tatsächlich existierende Formen, nur gehen
diese nicht auf OSTIOLÜM zurück, welches regelrecht zu
u s o r („räzimatä de usoru usei" Noua rev. rom. I, 76) geworden
ist., sondern u s c i o a r ä ist u s e + Diminutivsuffix - c l o r (Die
rum. Diminutivsuffixe § 127: cäs-cioarä, gros-cior etc.). U s c i o r
(dafür bei Dosofteiü Viata sfint. 205b/ll auch u m s o r ) ist eine
Umbildung von u s o r , — welches auch „leicht" heißt, — nach
u s c i o a r ä . — M u s i t a „Art Mücke" ist nicht etwa *MUSCEA
+ i t ä , sondern eine Entlehnung aus dem bulg. oder serb.
m u s i c a „Mücke" ( = niuka + ica).
— 69 — §§ 55, 56.

§ 33. Wir sehen also, daß Sti und Ski im Rumänischen


in derselben Weise wie ssi behandelt werden *INGROSSIO,
-IARE > i n g r o s , -sa wie FASCIO, -IARE > I n f a s , - s ä
und USTIA, OSTIOLUM > u s e , usör. Dies ist nicht auf
das Ostromanische allein beschränkt, sondern kehrt, — und
dazu gesellt sich die Gruppe Xi, — in der ganzen Romania
wieder: franz. g r a i s s e < *GRASSIA — p a i s s o n < PASTI-
ONEM, ital. g r a s c i a — p a s c i o n a . Ich lasse hier die sar-
dischen und italienischen Beispiele folgen:
*-BASSIO, -ARE ( < BASSUS) > sass. a b b a s a , neap.
v a s a r e , Arpino a b b a s e « * A D B A S S I A T U S ) , trient a b a s a r
(könnte auch *ADBASSARE sein, wie ital. (ab)bassare,
gal. a b b a s s a ) . *BASSITJS > log. a b b a s u „unten", sie. b a s u ,
cal. vasu „basso", tarant. cerign. vasg „basso". *GRASSIA
> g r a s c i a „Lebensmittel", trient. g r a s a (konnte auchGRASSA
sein, wie ital. neap. grassa). *GRASSIOLUS>>tarant. r a s u l e
„orzaiuolo". M U S T I O N E M > m o s c i o n e „Sänfer". MESSI-
ONEM > a.-oberit. m e s s o n , piem. m e s s u n , cabbiolo m e s -
sone, valmagg. mo<?om. *NE-ISSE(=IPSE)-U]S1US > (ital.
nessuno <C *NE-ISSU-UNUS), sass. n i s u n u , cerign. n e s u n e ,
aquil. n i s s u n o , campob. n e s u n e (und n e c u n e auch lanc.
n e c u n e , alatri n i t s u n e , wie mm. n i c i u n u < *NEQUE-
UNUS)! *PISSIO, -ARE > p i s c i a r e , neap. p i s a r e (day.
pisa), teram. p i s i t e „pisciato", trient. pisar. *-QUASSIO,
-ARE > a c c a s c i a r e , neap. s c a s a r e . *VISSIUM (Zeitschrift
rom. Phil. XVIII, 230) > v e s c i a „flatus yentris und Art
Schwamm", sie. visa „yenticello leggiero", waldens. yesso
„cagna brutta e poltrona". — ANGTJSTIA > a n g o s c i a , log.
( k o n g o s a <C span. congoxa) sie. [angustia], neap. a n k o s a ,
lanc. [ngust'ig], Teramo [Kangusteie], a.-gen. a n g o s a , gen. a n -
g ü s a , trient. (angosa < ital.). ANGUSTIO, -ARE > a n -
g o s c i a r e , sie. [angustiari], lanc. [ngustia], trient. ( s t r a n g o s a r
„in Angst sein"). BISTIA (Archiv lat. Lex. III, 301 = BESTIA).
> b i s c i a , b i s c i o „Natter" [bestia], neap. [vestia „ignorante"]
sie. [bestia], gombit. [beski'a], Sillano [beskja], lomb. [bestsa],
mil. trient. [bestia], com. b e s a „Schaf"; *EXTRUSTIO, ARE?
— 70 —

(Flechia Archivio glott. ital. II, 154—155) > mil s t r ü s ä


„strascinare". PASTIONEM > p a s c i o n a . POSTEA >
p o s c i a , log. (posca § 86) Lucca, Pisa p o s s a , a.-gen. p o s s a ,
n.-lomb. pos. USTIUM, *USTIOLUM > u s c i o , u s c i u o l o ,
sie. [ostiu], mil. üss (usgio Bonv.) a.-berg. uso (ustso), lomb-
üsö (ü<j), bol. romagn. oss, valcanobb. insö „finestra". ASCIA
> a s c i a log. camp, asa, neap. asa, Sillano asula. FASCIA
> f a s c i a , log. camp, f a s a (faska § 86), aquil. f a s s u , a.-berg.
romagn. a.-ven. f a s s a , bol. trient. fasa. FASCIO, -ARE ]>
f a s c i a r e , log. f a s a r e . *MUSCIONEM « MUSCA) > m o s -
c i o n e „Fliege". NESCIUS, [CONSCIUS] > n e s c i o , log.
camp, [konsu]. *PISCIONEM « PISCIS) > sie. p i s u n i
„polpaccio della gamba". *BUXEUS > sie. v u s u „bosso".
*COXEA, *INTERCOXIUM > c o s c i a , i n t e r c o s c i o , log.
camp, k o s a , neap. k o s a , cerign. n d e k o s g , campob. 'n.drek-
k u o s e , a.-berg. k o s s a , trient. k o s o n . *LAXIO, -IARE >
l a s c i a r e (nb. lassare <[ LAXARE).
§ 34. Man darf also wohl annehmen, daß Sti, Ski, Ksi
schon in vorromanischer Zeit zu Ssi assimiliert worden sind.
Eine Bestätigung dessen findet sich in einer Inschrift aus Rom
(im XY. Bd. Nr. 7250 des C. I. L.): HORTORUM SALLUSSIA-
NORUM ( = SALUSTIANORUM). Auch die Grammatiker
bezeugen uns, obwohl nur indirekt, diese Aussprache. Wir
haben im § 8 gesehen, daß die Schulaussprache PRETSIUM
schon im IY. Jh. n. Chr. bezeugt ist, und daß sie sich als
eine Kompromißform zwischen dem lateinischen PRE-TI-UM
und dem romanischen PRE-TSU erklärt. Nun betonen die-
selben Grammatiker ausdrücklich, daß der Übergang des Ti
> TSI in vier Fällen zu unterbleiben hat 1. natürlich in
Fremdwörtern, 2. im Anlaut, was auf dasselbe herauskommt,
da in echten lat. Wörtern ein wortbeginnendes Ti nicht vor-
kommt, 3. wenn dem TI ein I folgt, weil ein Wort wie OTII
(Genetiv von OTIUM) nur in der Ortographie zwei i hatte
(daher in unserer Schulaussprache OTSII), in Wirklichkeit
aber einem OTI gleich war und 4. in der Gruppe STI +
Vokal: IUSTIUS, CASTIUS. Warum? Der Grund dieser
— 71 — §§ 55, 56.

Ausnahme ist klar. Wäre die Gruppe STi nicht schon, bevor
die Affizierung des Ti begann zu SSi assimiliert worden, so
hätte Ti wie nach anderen Konsonanten TS ergeben, also
PASTIONEM > *PASTSONE. Dann wäre sicher diese roma-
nische Form zugleich mit PRETSU, -ENTSA in die Schul-
aussprache des Lateins gedrungen und hätte zu der Kom-
promißform *PASTSIONEM (wie PRETSIUM, -ENTSIA)
geführt. Da dies aber nicht der Fall war, können wir auf
indirektem Wege schließen, daß in der Gruppe STi das T
dem S schon früh assimiliert wurde. W i r sind aber auch in
der glücklichen Lage die Zeit dieser Assimilation zu be-
stimmen. Das Wort CHRISTIANUS, welches bald nach dem
Auftreten der neuen Lehre, aber nicht früher, gebildet wurde,
zeigt keinen Übergang von Sti > SSi mehr, so daß diese noch
in heidnischer Zeit hat stattfinden müssen. Im Rumänischen,
wo das Wort zweifelsohne volkstümlich ist und zwei der
allerältesten Lautveränderungen mitgemacht hat: 1 — 1 > e — \
(wie TITIONEM > t a c i u n e ) und an > In (wie LANA >
l l n ä ; c r e s t i n statt * c r e s t i n , wie m e z i n < * m e z i n <
MEDIANUS) erscheint CHRISTIANUS nicht als * c r e s i n ,
sondern als c r e s t i n , arum. mgl. k r i s t i n . Die Gruppe STI
wurde in diesem Wort wie jedes STI, STE (STERNO > astern)
behandelt. Vgl. auch § 39 Anm.
Anm. PASSIO für PASTIO findet sich in einem Text
aus dem Jahre 1190 (Charta Ludovici Pii ap. Du Cange), da-
gegen ist auf „PASSALES pro PASC ALES" (Paulus Diaconus
ap. Forcellini) nichts zu bauen. Die Stelle bei Festus (S. 122 M.
ist „passales et oues & Gallinae appellantur quod passim
pascuntur". Festus bezieht PASSALES auf PASSIM und
nicht auf PASCUNTUR.

D. Z und i.
§ 35. Ich bespreche auch das lat. Z « griech. Q und i,
weil diese Laute sehon im Urromanischen mit Di und Gi zu-
sammenfielen, daher sie im Rumänischen vortonig außer vor
a als (d)z, vortonig vor a und nachtonig immer als (d)z er-
§ 53. — 72 —

scheinen. Sie sind im Rumänischen (wie auch im Logudo-


resischen) von GE, Gl v e r s c h i e d e n und dies beweist, daß
GE, Gl bis am Ende des III. Jh. n. Chr. mit Gi, Di, i und Z
noch nicht zusammengefallen sind.
MEDIUS *HADIE DIANA ORYZA BAPTIZARE
Drum. miez azi zinä (urez) boteza
Arum. nedzu adzä dzinä — pätidza
Mgl. nes azä (d)zönä (urez) batiza
Irum. mliez — — (oriz) boteza
IACEO -- ADIUTO DEOSUM *G1URUS (§ 29)
Drum. zak — azut zos zur
Arum. dzak — adzutu — dzur
Mgl. zak — zut zos zur
Irum. zök azut zos —

I0C0R IURATUS IINIPERUS — GENER


Drum. zok zurät zineapän — dzinere
Arum. dzoku dzurat — — dzinere
Mgl. zok zurät — — ziniri
Irum. zok zurät — — ziner
DIGITUS SAGITTA GIN Gl VA ARGENTUM
Drum. dedzet sädzeatä dzindzie ardzint
Arum. dzeadzet — dzindzie —

Mgl. zeizit — — arzint


Irum. zözet — zinzire(?) arzint(?)
Außer b o t e z und dem vielleicht nicht erbwörtlichem
u r e z kommt lat Z nur noch im Suffix -IZO > -ez arum.
- e d z u , mgl. -es « - e z ) , vor, also nur nach dem Tone, oder
vortonig vor a. Für i haben wir dagegen viele Beispiele:
IOCÜS > j o c , mgl. zo'k, irum. zok „Spiel", 10VIS (DIES)
j oi, arum. dzoi(a), mgl. zoi „Donnerstag", IUDICEM >> alt-
drum. j u d e c e ^Richter", IUDICIUM § 21, IUDICO > j u d e c
arum. d z u d e k , mgl. zudik irum. z u d e k „richte", IUGULUM
> j u n g h i ü „Seitenstechen", IUGULO > i n j u n g h i ü , mgl.
z u n g l u „ersteche", IUGUM > j u g , mgl. zug, irum. zug
„ Joch", arum. d z u g „ Gebirgskamm ", IUNIPERUS > j n e a p ä n,
— 73 — §§ 55, 56.

arum. d z u n e a p i n e „Wacholder", I U N I C E M > junice „Färse",


*IUNICEA § 21, * I U N I C A > j u n i n c ä „Färse", IURAMEN-
TUM > j u r ä m i n t , mgl. z u r ä m i n t „Schwur", I U R O > j u r
( i n j u r , s p e r j u r ) , mgl. z u r ( a n z u r , p r e z u r ) , irum. z u r ,
IU[VE]NCUS > j u n c , arum. d z u n g u , mgl. z u n k , irum.
z u n g u „junger Ochs, junger Bär", IU[VE]NIS > j u n e , arum.
d z o n e , mgl. zuni, irum. zure.
§ 36. Zwischen Vokalen kommt i nur in den zwei Bei-
spielen IEIUNO > a j u n , arum. a d z u n u , mgl. z u n „faste"
und EIECTO > a i e p t „werfe, richte auf" vor. Wir sehen
daraus, daß zwischen zwei E das i gehlieben ist, vor anderen
Vokalen dagegen wie anlautend behandelt wurde.
Anm. Anderer Meinung ist Candrea-Hecht (Les elements
latins de la langue roumaine. Paris 1902. S. 40—41). Er nimmt
an, daß die Gruppen IE, II als solche bleiben, oder zu E, I
kontrahiert, wogegen 10, IU über Di zu (d)z wurden. Für den
ersten Fall bringt er folgende Beispiele: *IINUPERUS (Meta-
these aus IUNIPERUS) > i e n u p ä r , *TREIICERE ( = TRA-
I C E R E ) > * t r e i e c e r e > * t r e e c e r e > t r e c e r e , *TREIECTA
( = TRAIECTA) > * t r e i e p t a ; * t r e e p t a > t r e a p t ä . Der-
selbe Verfasser führt noch (Romania XXXI, 296 ff.) den Fall
ADIECTO >• a i e p t „werfen, aufrichten" (während a i e p t
„anlocken" < * ALLECTO) an. Alle seine Beispiele sind
schlecht gewählt. I e n u p ä r ist nicht volkstümlich, sondern
Buchwort. Wir wissen dies bestimmt, da sich IUNIPERUS
unter Weigands Normalwörtern (Nr. 46) findet. Wir sehen
aber daselbst nur die Reflexe z u r e a p ä r , z u n e a p ä n (arum.
d z u n e a p i n e ) < IUNIPERUS und z i r e a p ä n , zin(e)apän,
z i r e a p i n e < IINIPERUS (Appendix Probi 197) — die syn-
kopierten Formen: z n e a p ä n etc. beruhen wohl auf z u n e a p ä n
— und nirgends i e n u p ä r . TRAIICERE (oder gar *treiicere)
hat nie im Volkslatein existiert, sondern dies ist nur eine
etymologisierende Schreibung für TRAICERE (Meyer-Lübke:
Rom. Gram. I § 293), dessen AI (gesprochen M, wie deutsch
„klein", gesprochen „klaen"), wie wir gerade durch rum. t r e c
urteilen können, mit M in C/ELÜM etc. zu e zusammenfiel.
Dasselbe gilt von TRAIECTA > t r e a p t ä . Es wäre auch
IE1UNIUM anzuführen, doch dieses ist ein Fall „sui generis"
§ 53. — 74 —

denn das erste i fiel durch Dissimilation: *EIUNIUM > a j u n


(span. a y u n a r , alb. a g ä n o j . Diese Erklärung dünkt mir wahr-
scheinlicher als die Annahme eines *ADIUNARE, G. Meyer:
Alb. Wörtb. 4, 0. Densusianu Hist. langue roum. 168). Daher
ist a i e p t nicht von ADIECTO, welches nur * a d z e p t hätte
ergeben können, sondern von EIECTO abzuleiten.
Der Monatsname m a i ü (arum. m a i u , mgl. m a i ü , irum.
mai) ist nicht der Fortsetzer des lat. MAIUS, sondern ein
auf der ganzen Balkanhalbinsel verbreitetes lat. Buchwort (alb.
mai, kroat. mai, aksl. mai). — Dunkel ist der Ursprung des
Wortes b a t j o c u r ä „Spott", das man als b a t + j o c + u r ä
empfindet, daher statt des davon abgeleiteten b a t j o c u r e s c
auch I m i b a t j o c (de cineva) durch Volksetymologie ent-
standen ist. (Das Wort muß auch im Arum. existiert haben,
wo man heute mi b a t u pezu k u t s i n e v a sagt. P e z u stammt
aus griech. jtai^co „jouer, badiner".) Wenn das Wort wirk-
lich aus b a t + j o c + u r ä bestehen würde, wogegen auch der
Sinn spricht, würde nach den Gesetzen der rum. Komposition
nur ein * j o c b a t u r ä bestehen können (vgl. mlnä-sterg-urä,
codo-bat-urä, cap-intort-urä etc., ital. latti-vend-olo, terre-muot-
olo vgl. Meyer-Lübke, Rom. Gram. II § 430). Cihac trennte
daher auch mit gutem Grunde b a t j o c u r ä von den lat. Ele-
menten des Rumänischen und suchte dessen Ursprung in
griech. ßayvQiC,a> „beschimpfen, beleidigen" (II, 638), ohne
damit freilich das Richtige getroffen zu haben. Ich glaube,
daß man b a t j o c u r ä , richtiger b a j o c u r ä , nicht von den ety-
mologisch dunkeln ital. b a j u c c a , b a j u c o l a , b a d z z e c o l a
„bagatella", Sillano b a z u l a , Lucca b a d z o r a „tafferia" trennen
kann. Vielleicht gehört aber b a j o c u r ä zu sard. (log. camp,
gall.) b a j o c c u „einäugig, schielend" (vgl. rum. caraghios
„komisch" < türk. kara göz „schwarzäugig"). Jedenfalls
scheint dz auf ein i zurückzugehen.
§ 37. Aus den bisher angeführten Beispielen für die Be-
handlung von Di, Gi und i. ersieht man, daß die Resultate
dz und dz auf einem großen Teil des Gebietes zu z und z
weiter geschritten sind. Es soll hier in großen Zügen die
Verteilung von dz und z (dz und z) besprochen werden. Im
Aromunischen, von vereinzelten Fällen wie azä neben adz
abgesehen, kommt nur dz und dz vor. Im Meglen ist z die
— 75 — §§ 55, 56.

Regel, dagegen findet man dz neben z, und zwar so, daß man
den Grund dieser Verteilung nicht ersehen kann, da Weigands
und Papahagis Angaben sich widersprechen (Papahagi üordz
S. 127, Weigand ors, orzu S. 15). Wahrscheinlich liegen dialek-
tische Verschiedenheiten vor. Im Istrorumänischen findet man
nur z, z und z (aber dzindzire Gärtner 768, gegen zinzire
Nanu II). Im heutigen Dakorumänischen läßt sich die Ver-
teilung von dz, dz und z, z an folgenden Normalwörtern in
Weigands Dialektforschungen verfolgen: orz (Nr. 4), d e g e t
(Nr. 25), g e a n ä (Nr. 25), g e n u c h i ü (Nr. 31), j n e a p ä n (Nr. 46),
j u n e (Nr. 64), D u m n e z e u (Nr. 68), j u r (Nr.68b), j o i (Nr. 76),
zece (Nr. 89—99). Wir ersehen aus seinen Aufzeichnungen
folgendes:
1. lat. i- (june, joi, jur, jneapän) > a) dz nur in Mar-
marosch (Theißgebiet) und in einigen Gebirgsdörfern der
Moldau, sonst überall; b) z (z).
2. lat. GE (deget, geanä, genunchiü) > a) dz Südosten
von Siebenbürgen (Räsinar bis Miercurea, im Olttal, im Kokkel-
und Burzental), in der Großen Walachei, Dobrudscha und
einigen angrenzenden Teilen der Moldau; — b) z (z) im Banat,
Nord- und Westsiebenbürgen, Ungarn bis zum Marmarosch-
gebiet und in der Moldau.
3. lat. D i (orz) > a) dz im ganzen Banat, im Gebiete
der großen Samosch und der Theiß und fast in der ganzen
Moldau; — b) z hat dagegen die Große Walachei, Sieben-
bürgen und Ungarn.
4. lat. DI, DE (dumnezeu, zece) wie lat. Di.
Wir müssen uns mit diesem Bilde, welches nur in großen
Umrissen gezeichnet ist, begnügen; auf Einzelheiten einzugehen
ist hier nicht der Ort. Wir sehen aber daraus, daß das dz-
und das dz-Gebiet nicht zusammenfallen, sondern daß das
letztere größer ist. Im dz-Gebiete selbst sind gewisse Wörter
weiter verbreitet als andere (wie z. B. dumnezeu, das durch
die Kirche die literarische Aussprache auch im dz-Gebiet
behält); am besten ist das dz im Auslaut, wo es als stimm-
lose Lenis ausgesprochen wird, erhalten. Ein einziger Blick
§ 53. — 76 —

auf die heutigen Verhältnisse lehrt uns, daß das dz (dz)-


Gebiet zusehends kleiner wird. Wir haben aber vorläufig
auch nicht die geringsten Anzeichen, welche uns gestatten
würden daraufhin auf die Zeit der Trennung der Dialekte
Schlüsse zu ziehen. Es ist sicher, daß im Urrumänischen noch
allgemein der Verschluß artikuliert wurde. Erst nach der
Trennung des Aromunischen begann das d-Element schwächer
zu werden. In diesem Stadium der Sprache mag sich das
Meglenitische abgesondert haben. Was das Istrische betrifft,
so scheint es zu einem z-, z-Gebiete des Dakorumänischen
gehört zu haben.
Vom Alt(dako)rumänischen müssen wir hier ganz absehen,
denn das Verhältnis des dz (dz) zu z (z) zeigen, hieße eine
Abhandlung für sich und zwar literarhistorischer Natur
schreiben. Es genügt das Schwanken der z und dz-Formen
in Coresis verschiedenen Werken zu sehen, um zu begreifen,
daß bevor jeder Schluß auf die Verbreitung von dz und z
gestattet ist, zuerst festgestellt werden muß, was unter den
alten Texten Originalwerk und was abgeschrieben ist, — eine
Aufgabe die nur durch Spezialuntersuchungen zu lösen ist.
Aber schon bei einem flüchtigen Blick gewinnt man die
Uberzeugung, daß das dz (dz)-Gebiet vor 300—400 Jahren
größer war als heute.

II. Abschnitt: Albanesisch.


§ 38. Das Albanesische zeigt viele gemeinsame Züge mit
dem Sardischen. Die Latinisierung der illyrischen Küste be-
ginnt, wie diejenige Sardiniens, in einer sehr frühen Periode,
begegnet aber einem ebenso hartnäckigen Stamme, wie auf
der Insel des mittelländischen Meeres. Die römische Politik
wendet gegen Ende der republikanischen Zeit ihre Tätigkeit
dem Norden und Westen zu, so daß die auch sonst undank-
bare illyrische Küste von einer gänzlichen Romanisierung be-
wahrt wurde und ihre Bewohner die Sprache ihrer Vorfahren
— 77 — §§ 55, 56.

behalten konnten, ohne jedoch einer starken Einmischung von


romanischen Elementen entgehen zu können. Daraus erklärt
sich das Altertümliche in dem Lautstand des rom. Elementes
des Albanesischen, das sich gerade in der Behandlung der
uns interessierenden Lautgruppen zeigt.
Aiim. Unser Zweck kann es nicht sein, das Albanesische
mehr als anhangsweise und mehr als es gerade zum Verständ-
nis der übrigen romanischen Sprachen nötig ist, zu behandeln.
Mein gesamtes Material entstammt dem Etymologischen Wörter-
buch der albanesischen Sprache von Gustav Meyer (Straßburg
1891) und dem Artikel: Die lateinischen Elemente im Alba-
nesischen, von demselben Verfasser, in Gröbers Grundriß der
rom. Philologie I, 804—821. Ich hätte gerne in diesem Ab-
schnitte auch das Vegliotische behandelt, welches wie das
Albanesische und Logudoresische ke nicht affiziert, aber, da
Bartolis Untersuchungen noch nicht erschienen sind und auf
Ives Angaben (Arch. glott. ital. IX, 115ff.) nicht viel zu bauen
ist, mußte ich davon leider absehen.
§ 39. Ti, Di werden in allen Dialekten und in allen
Stellungen zu (t)s, (d)z, dagegen erscheint k, g für Ki und
Gi, und mit dem letzten übereinstimmend für lat. i. Si wird
zu s:
PUTEUS PETIA RATIONE SCORTEA *CAPTIO
pus pesg arsue skorsa kaps-oi
*STRINCTlÖ
strents-on
MEDIUS RADIA GAUDIUM
mjez (ditä) reze gas (art. gazi)
SOCIUS SOCIA FACIES
sok soke fake
ELEGIUM 1UDICEM *EIUNO PERIURO
lige gük agen-oi perggr-oi
CAMISIA BEST1A PHASEOLUS
kemise bis«? frasule
Weitere Beispiele: Ti: LUTEUM > l u t s e „Schmutz",
l N - V I T I O > m e s - o i „lehre", *1TI0 ( = lto) > e t s - e i „gehe",
§ 53. — 78 —

PATIO, -*IARE > p e s - o n „leide", *PETIO ( = p e t o ) > p ü e s


„frage", SERVITIUM > s e r b e s „Dienst", VITIUM > ves
„Fehler", Suffix -ITIES, -ITIA > - e s e (Beispiele in G. Meyer:
Albanesische Studien I, 81, II, 48); *CURTIO > k u r ( t ) s - e i
„schone" (vgl. § 20), MARTIUS > m a r s , *MELL[I]TIO ( <
mellitus) ]> m e l t s - o n „mache süß", N U P T I i E ; > n u s e „Neu-
vermählte" (§ 20 Anm.). — Di: MERIDIO > m e r d z - e n „halte
Mittagsruhe", GAUDIO > g e z o i „freue mich", INVIDIO >
m d z - o i „grolle, hasse", S P O D I U M > s p uze „glühende Asche"
(vgl. § 24 Anm.), * T R A N S M E D I O > t r a m e z - o i „knete, werfe
untereinander" (vgl. ital. tramezzare „dazwischen legen"); —
Ki: E R I C I U S > i r i k „Igel", *VIRIDACEUS> v e r d a k „gelb-
lich", *COCCEUS ( = coccinus) > k u l „rot" (ital. cocco); —
Gi - ; i: IUDICO > guk-oA „richte", IUNCTURA > g ü m -
t ü r e „Gelenk", IUDiEUS > gurfi; — Si: ECCLESIA > kise.
Anm. Ti: p a l a s „Palast" und wahrscheinlich auch p e l a s
„dass." stammt aus ital. p a l a z z o (vgl. tas < tazza, derase <
terazza etc.); — Ki: Aus dem Plural sok hat man nach m i k
< AMICUS, m i k < AMICI einen Singular sok gebildet.
Ebenso ist l a k „Schlinge" zu beurteilen. Ein vorrom. *SOCUS,
*LAQUUS anzunehmen, wie G. Meyer, ist unnötig. K u m e r k
(krumek) „Zoll" stammt eher aus griech. xov/iegxi „dass.", als
aus lat. COMMERCIUM. Dasselbe gilt auch für s p a n a k
„Spinat" ( = ngriech. önavaxi nicht lat. SPINACEUM, wie
s nicht s zeigt). Ich glaube nicht an G. Meyers Etymologie
(Alb. Wörtb. 49) *BRACHIULE (für BRACHIALE, vgl. ital.
g r e m b i u l e und g r e m b i a l e ) > * b r e k ü l >> * b r e h ü l >
* b r h ü l >• b r ü l „Ellenbogen", mit der Nebenform bru(t)s.
Es gibt im Alb. zwei Fälle die nach § 29 zu beurteilen sind:
CYMA und CYPRUM wurden über * k i u m a , * k i u p r u zu
alb. k ü m (auch kirn) „Art Geschwür" und Kipre (könnte
auch *CIPRUM sein) „Kupfer"; — Di: D j a l „Teufel" <
DIABOLUS ist ein Beweis für das hohe Alter der Affizierung
des Di. Es gehört zu jener Gruppe von Wörtern, die mit
der Verbreitung des Christentums in die Volkssprache drang.
Während das intervokalische b, wie in allen rom. Elementen
des Alb. schwindet, kann die Gruppe dia in DIABOLUS nicht
mehr mit dem schon affizierten älteren dia zusammenfallen.
— 79 — §§ 55, 56.

Dasselbe gilt von CHRISTIANUS > g a r s t e n gegenüber


älterem BESTIA > *BESSIA (§ 33) > b i s a „Dacbs, wildes
Tier" (vgl. ital. b i s c i a „Schlange", com. lad. b e s a „Schaf").
Dagegen zeigt ECCLESIA und IUDtEUS, die zu derselben
Wortfamilie gehören, daß Si und i erst nach der Einführung
des Christentums begannen affiziert zu werden, da sie ebenso
zu Mise und g u d i wurden, wie altes Si und i s, g. — Gi:
über ELEGIUM statt ELOGIUM vgl. Alb. Wörtb. 245. Die
Gruppe n g O g i w u r d e z u n : A X U N G I A > u s u n e „Schweine-
speck", aus * u s u n g e . Diese Form des skutarischen Dialektes
ist die lautgerechte (u statt a durch Assimilation, oder wie
rum. osin(d)zä zu beurteilen) und nicht die südalbanesische
a s ü n g „Fett um die Nieren", welche dem ngriech. ägovyyi
entlehnt ist. Auf dieselbe Weise ist aus *RADICIA (von
RADIX) nach der Einführung des Nasals (wie in p e n g e <
PEDICA) > * r e n k e > * r e n g § (nk > ng) > r e £ e „Wurzel"
(mit anderen Suffixen reze, r g d z i m , woraus rum. razäm)
und scutarisch n i n o i „faste" < * n g e n o i , aus a g e n o i «
IEIUNARE) mit Präfixvertauschung (in- statt a-). Aus
SANGUISUGIA (Acro zu Horaz Art. poet. 476 statt SANGU-
ISUGA), nach der Einstellung des Nasals ( * s a n g u i s u n g i a )
entstand s u s u n e „Blutegel". S p ü z e „Schwamm" kann daher
nicht aus SPONGIA (Grundriß 816) stammen, sondern geht
auf venez. s p o n z a zurück (Alb. Wörtb. 415). Der Wandel
von n g > n ist aber erst auf albanesischem Boden vollzogen
worden, wie dies aus IN + GLIS > * n g l i t > n g i t > n i t
klebe" erhellt. — Im § 36 Anm. ist gezeigt worden, daß rum.
a j u n ä < IEIUNARE, eine Mittelstufe *EIUNARE voraus-
setzt. Dasselbe gilt auch für das Albanesische, wo ein *ADIU-
NARE (Alb. Wörtb. 4) zu *a(d)zen-oi geworden wäre. Daß
der Übergang von i > g relativ spät ist, beweisen, außer dem
oben erwähnten g u d i noch g e l e „Speise" < serbisch j e l o
und girf „Sippschaft" aus einem lat. *IENEA (ital. g e n i a
„Gezücht, Gesindel", cal. i e n i a , sie. i i n i a , altspan. g i n e a
Geschlecht") < griech. yevea, als dieses schon * i e n e a lautete.
Für g ü m e s „Hälfte" setzt G. Meyer (Alb. Wörtb. 143) fol-
gende Entwickelung voraus: griech. o ?j[ii6vg r o rjfiiav wurden,
nachdem sich ein Gleitlaut eingeschlichen hatte, zu o i l m i s i s ,
to i f m i s i , woraus g ü m e s etc. Derselbe Verfasser nimmt
(Alb. Studien II 63) eine Entwickelung von lat. *DIMETATEM
§ 53. — 80 —

statt DIMIDIETATEM an, welche ebenso unwahrscheinlich


ist. Über alb. rnai < lat. MAIUS gilt das im § 36 Anm.
gesagte. — Für die Behandlung von Si kann man noch k e r s i
„Kirsche", k e r s u e r „Juni" (rum. c i r e s a r , altneap. Ion c e r e -
s i a r o „Juni"), welche auf CERASIÜS beruhen, anführen.
G r a s a „Lebensmittel" kann *GRASSIA, aber auch ital. g r a -
s c i a oder serb. g r a s a sein. Aus dem Südital. stammt auch
k a s „Kasten". P o s t § „unter, nieder" ist nicht POSTEA
(Grundriß 817), sondern *POSTE (Alb. Wörtb. 349), während
p e r p o s , r e p o s „unter(halb)" auf POSTEA beruhen. F k o l e
„Zopf gehechelten Flachses" kann nicht FASCIOLA sein (vgl.
Alb. Wörtb. 107). Da wir keine alten alb. Texte besitzen, läßt
sich nicht entscheiden, ob lat. Si direkt zu s wurde, oder ob
es zuerst zu s und dann mit dem alten S zu s sich entwickelte.
§ 40. Ke, Ki, Ge, Gi werden im Alb. zu ke, ki, ge, gi
z. B. VICINUS > f k i n , CEPA > k e p e , &®LUM > k i e l ,
CRUCEM > k r u k , CIV(I)TATEM > k ü t e t , GREGEM >
g r i g e , GEMO > g e m - o i , ARGENTUM > e r g e n t , GEN-
TEM > g i n d e etc. Im Dialekt von Skutari wird sowohl
dieses, als auch das im yorigen § behandelte k, g zu ts, dz:
SOCIUS >• südalb. sok und sok (§ 39 Anm.) scut. s o t s und
s o k , d r e t s < *DRACI, a r d z a n t < ARGENTUM, t s ü m <
CYMA, l e d z i r o i zu ELEGIUM, s d z e t < SAGITTA, d z ü k o i
< IUDICO, d z ü m t ü r < IUNCTURA etc. Ebenso wird auch
illyrisches k, g behandelt: * g i a n i o > d z ä - i § „Jagd" (süd-
alb. ga) etc. Dieser Übergang ist aber verhältnismäßig jung
und wird auch von neuen Entlehnungen mitgemacht: ngriech.
xaZafixoxi >• südalb. k a l a m b o k , scut. k a l a m o t s „Mais",
xepaZog > südalb. k e f e l , scut. t s e f u l , türk. k e h r i b a r >•
südalb. k e h r i b a r , scut. t s e l i b ä r „Bernstein", türk. l e k e >
südalb. l e k e , scut. l e t s e , türk. g ö k s > südalb. g o k s , scut.
dzü(k)s „Brust", türk. k ö t r ü m > südalb. g ü t r ü m , scut.
d z ü t ü r ü m , serb. j e l o >• südalb. g e l e , scut. d z e l - f t , serb.
d j a k o n > * g a k u a > s c u t . d z a k u e „Geistlicher", serb. m e d j a
]> skut. m e d z a „Grenze" etc.
Man ist geneigt zu glauben, daß k i , gi dieselben Schick-
sale hatten wie ke, k i , ge, gi. Das ist aber nicht der Fall
— 81 —
und es läßt sich mit Sicherheit sagen, dzß er Übergang der
letzteren Gruppen zu ke, Iii, ge, gi relativ jung ist. Dies
wird dadurch bewiesen, daß, gerade wie im Rum., auch QUE
QUI, GTJE, GUI, nach Verlust des labialen Elementes, also
erst auf albanesischen Boden zu ke, I i , ge, gi werden:
QUI. > ke, QUIETUS — k e t „beruhige", ANGUILLA >
n g a l e . Ferner wirkt auch sekundäres, aus a entstandenes e
auf K in derselben Weise: CAPER > k e p e r , POLLICAR1S
> p u l k e r „Ballen des Daumens", CARRUS > k e r e etc.,
sogar griechisches xe, xi wird zu Ke, k i : xcacphi > k a f e t ,
xalvxia > k a r i k e etc., dagegen scheint vortonig lat ke, k i
unaffiziert geblieben zu sein: CIRCARE > k e r k - 6 i .
Anm. In m e < magis, k r e s m e < quadragesima ist der
Schwund des g vorromanisch. Alb. k u k „töricht, ungeschickt"
beweist, daß dem ital. c i u c c o , kal. t s i u t s s u „Esel, töricht,
albern" ein Wort mit k - im Anlaut zu gründe liegt; dabei-
ist es von s c i o c c o zu trennen.

III. Abschnitt: Sardisch.


§ 41. Ich behandle das Sardische nicht nach, sondern
vor dem Italienischen, weil es in vielen Punkten mit dem
Rumänischen und Albanesischen übereinstimmt. In anderen
neigt es sich freilich zum Italienischen, aber gerade dadurch
schien mir seine Einreihung an dieser Stelle zweckmäßig.
Mit dem Rumänischen stimmt es darin überein, daß Ki und
Ti einerseits, Di und Gi andererseits dieselben Wege gehen.
Mit dem Albanesischen hat das Logudoresische die Nicht-
affizierung des ke, ki, ge, gi gemein. Dagegen ist, zum
Unterschiede vom Rumänischen und in Übereinstimmung mit
dem Italienischen, der Wortakzent ohne Einfluß und nur die
Umgebung auf die i-Gruppe von Belang und der Parallelismus
zwischen Ti, Ki und Di, Gi hört auf (vgl. § 5 Anm.). — Das
Nordsardische oder Galluresische, da es mehr die Schicksale
des Mittelitalienischen teilt, kann erst im folgenden Abschnitt
C
§ 53. — 82 —

(zusammen mit dem Korsischen) behandelt werden; daher


werden hier unter Sardisch nur die, — allerdings sehr ver-
schiedenen — drei Dialekte: L o g u d o r e s i s c h , C a m p i d a n e -
s i s c h und S a s s a r e s i s c h verstanden.
Anm. Über das Sardische sind wir noch ziemlich dürftig
unterrichtet. Ich habe folgende Arbeiten benutzt: J. I s p a n u :
Vocabolario sardu-italianu et italianu-sardu (Kalaris 1851).
— G. H o f ' m a n n : Die logudoresische und campidanesische
Mundart. Diss. (Marburg 1885). — P. G u a r n e r i o : Gli statuti
della Republica sassarese (Arch. glotl. ital. XIII lff.) — Ascoli
(ebend. II, 133ff.). — W. M e y e r - L ü b k e : Zur Kenntnis des
Altlogudoresischen (Sitzungsber. der Wiener Ak. ph. h. Klasse.
Bd, 145 1903). — H. S c h u c h a r d t : Les modifications syn-
tasiques de la consonne initiale dans les dialectes de la Sar-
daigne, du centre et du sud de l'Italie (Romania II, 1—30).
— P. R o l l a : Fauna popolare sarda (Casale 1895). — Ders.:
Toponimia sarda (Cagliari 1893). — Ders.: Alcune etimologie
dei dialetti sardi (Cagliari 1893). — Ders.: Secondo saggio
di un vocabolario etimologico sardo (Cagliari 1895). —
D e r s . : Note di dialettologia e toponomia italiana (Rossano
1896). — D e r s . : Dialettologia e toponomia spicciola (Nicosia
1898). — Ders.: Gli elementi greci nei dialetti sardi (Palermo
1894). — T i t o Z a n a r d e l l i : Appunti lessicali e toponomastici
(Oneglia 1900). — Für das moderne Sassaresische kommt nur
P. G u a r n e r i o s : I dialetti odierni di Sassari, della Gallura
e della Corsica (Arch. glott. ital. XIII, 125—140 XIV, 137 bis
200, 385—422) in Betracht.
Wenn wir uns den § 2 in Erinnerung bringen, begreifen
wir leicht, warum gerade das Nordsardische nähere Verwandt-
schaft mit Italien zeigt: Der Hafen von Terranova ist lange
Zeit der einzige gewesen, der Sardinien mit Italien verband;
er konnte aber, „an der Nordostecke gelegen, auf die frucht-
bare Niederung im Südwesten keinen Einfluß ausüben' - (Niessen:
Ital. Landeskunde I, 354.).

A. Ti, Ki,
§ 42. Ti und Ki fallen im Sardischen zusammen und
werden in allen Stellungen, ob vor- oder nachtonig, zuts(s).
— 83 — §§ 55, 56.

Eine Ausnahme hiervon bildet das Wort FACIES, worüber


im § 90, dann das log. t t < Ti und Ki, worin in § 43 f.
endlich das camp, t s s < CTi, PTi, vgl. § 63—64. Beispiele:

RETIA RETIOLUM TERTIUS *ALTIARE


Kamp. retssa tertsu altsai
Log. retssa retssolu tertsu altsare
Sass. retssa tetssu atssa

LINTEA *DIRECTIARE *CAPTIARE


Kamp. lentsa adderetssai
Log. lentsa katssare
Sass. katssä

BRACHIUM *BRACHIATA, *AMURCEA CALCEA


Kamp. bratssu bratssada murtsa kartsa
Log. bratssu bratssada murtsa kaltsa
Sass. bratssu — — katsa
LANCEA
Kamp. lantsa
Log. lantsa
Sass. —

Weitere Beispiele: a) K a m p i d a n e s i s c h : l u t s s u < LU-


TEUM, p r e i t s s a < PIGRITIA, p a l a t s s u < PALATIUM,
p u t s s u < PUTEUS, p i a t s s a < PL ATE A, s t r u t s s u <
*STRUTH1US; i s k a b i t s s a i „enthaupten" < * E X C APITIARE,
t i t s s o n i <C TITIONEM; — k u r t s u < *CURTIUS, f o r t s a
<*FORTIA, fortsäi <*FORTIARE, m a r t s u < M A R T I U S ;
s e n t s a < ABSENTIA, s e n t s u < ABSINTHIUM, k a n t -
s o n i < CANTIONEM, l e n t s o l u < LINTEOLUM, k o m i n -
t s a i < *COM[I]NITIARE, - a n t s a < -ANTIA (kuiantsa
„Ehe"); k o n t s a i „conciare", s t r a t s a i „stracciare", s u t s s a i
„succiare" erklären sich wie die entsprechenden ital. Wötern
nach § 64. — a t s s a „Schneide" < *ACIA (für ACIES),
a m b u ( l ) a t s s a < ARMORACIA, f a t s s u (Konjunktiv fatssa,
-as, -at etc.) < FACIO, k o t s s u (Konj. kotssa) < *COCEO
6*
§42. — 84 —

( = coqueo), l a t s s u < *LACEUS ( = kqueus), l i t s s u < LI-


CIIJM, m u s t a t s s u < *MUSTACRJM, s a r t i t s s a „Bratwurst"
< SALSICIA, r i t s s u < ERICIUS, s o t s s u < SOCIUS, s i t s -
s i l u « *silitssu) < *SIL1CEUS, - a t s s u < - A C E U S (bin-
a t s s a „schlechter Wein", l i n g u - a t s s a „Mundstück eines
Musikinstrumentes", s e d a t s s u < *SATACEUM, b e n a t s s u
„Sumpf" < *VENACEU Rolla: See. Sagg. 33) - i t s s u <
-ICEUS ( c a n n i - i t s s u „Hühnerstange", s p e d i r - i t s s u „ver-
schwenderisch"); a t s s a r d z u < *ACIARIUM, r i t s s o n i <
*ERICIONEM, c o r i n t s o l u < * C O R N I C E O L U M Rolla: Etim.
21, m u s t i t s s o l u „vinello" < *MUSTICEOLUM, m u s t a t s -
solu „pasta dolce fatta con mosto" < *MUSTACEOLUM
(Dimin^ von MUSTACEUM) Rolla: Etim. 40; — u n t s a <
UN CIA. *PICCIU vgl. § 62, *MUCCEU § 61. Dieser Zu-
stand ist schon im esten alten Texte, einer in griechischen
Lettern geschriebenen Urkunde (Blanckard und Wechsler in
Bibliotheque de l'Ecole des chartes Bd. XXXV, 225 — 257,
nach 0. Schulz aus „der zweiten Hälfte des XL Jhs." Zeit-
schrift für rom. Phil. XVHI, 151), bewahrt: Ji'läx^ac 13,
(par&vxa (FACIANT) 29, ji<xqz£o> 15, xaQT&M?) 10, 15
(altlog. parthone) a^iäv^a 21.
b) L o g u d o r e s i s c h : i s t r u t s s u , k i t s s u < *CITIUS; —
k u r t s u i s k o r t s a < SCORTEA, i s k o r t s a r e < *EXCOR-
TEARE. f o r t s a , f o r t s a r e , s e n t s a , k o m i n t s a r e , i s k a n t -
s a r e < *EXCANTHIARE Rolla: See. Sagg. 76, k a t s s a r e
< CAPTIARE, f r i t s s a r e < *FRICTIARE, i s p a t s s a r e
„reinigen", < *EXPACTIARE, i s t r a t s s a r e < *EXTRAC-
TIARE, k o n t s a r e < *COMPTIARE, s u t s s a r e ; — a t s s a
„Zwirn" < ACIA, a t s s a „Mut, Dreistigkeit" < AUDACIA,
l a t s s u , s a l t i t s s a „Bratwurst", t r i t s s a < TRICHEA,
m u s t a t s s u , - a t s s u < -ACEUS (koatssa „Schwanzende")
- i t s s u < ICEUS ( k o - i t s s a „esfcremitä" = CAUDA + ICEA,
p r o n - i t s s a „pruno selvatico"), - u t s s u < -UCEUS (kar-
u t s s u „karretto"); m u s t i t s s o l u , m u s t a t s s o l u ; — t s o t s s a
„Gluckhenne" ( t s o t s s i r e „chiocciare") <*CLOCEA, i s k u l t s u
-barfuß" < *EXCULCIUS, k a l t s a r e < CALCEARE, k a l t -
— 92 — §§ 55, 56.

s a m e n t o < C A L C E AMENTUM, u r t s u < U R C E U S , u r t s o l u


< URCEOLUS, m a l t s u = ital. marcio, u n t s a , *PICCIU
§ 62, *MUCCETJS § 61.
c) S a s s a r e s i s c h : p a l a t s s u , p e t s s u < *PETIUM,
p i a t s s a , l ^ s s u „fango" < *LOTIUM (vgl. Zeitschrift für
rom. Phil. XX, 486, Salvioni: Postille II); i h h a b e t s s ä „ent-
haupten", s a t s s a SATIARE, t i t s s o n i ; — m a t s s ä „forte
pestare" (matssura „martello di legno da falegname" it.
mazzero) < *MATTEARE; f o l t s a , m a l t s a , k a n z o n a <
CANTIONE, i h l i u m e n t s a „anfangen", l i n t s o l u ; — r i t s s u ,
t o t s s u < FACIO, d z a t s s u < *GLACIU ( = GLACIES),
l a t s s u , m i n a t s s a < *M1NACIA, s a l # i t s s a „Bratwurst",
t r e t s s a , - a t s s u < -ACEUS ( a g r a t s s u „brusco" <C *ACRA-
CEUS, r a b a t s s o n i zu *RAPACEUM, v i n a t s s u , s i a t s s u
„Sieb"); a t s s o l a „Strähn" < *ACIOLA, a t s s a d z z u <
*ACIARIUM, — t s o t s s a (tsotssi) „Gluckhenne", katssu-
ladzzu < *CALCEOL ARIUS, k a t s s ^ i < *CALCEONEM
( k a t s s e t t a , k a t s s i g g ä abgeleitet von k a l t s a ) , l a h h u t s s a
..alla scalza" < *EXCULCEUS, o n t s a .

A n m . DieWörter P R E T I U M > l o g . p r e i u , sass. p r e z u ,


RATIONEM > (log. reione), kamp. r a z o n i , sass. r a z o n i (da-
von arrazuna),STATIONEM > log. i s t a i o n e , kamp. s t a z o n i ,
sass. s t a z o n i erklären sich wie die entsprechenden Wörter
im Italienischen (§ 11 f.) oder sind direkt aus dem Ital. ent-
lehnt. Sonst gibt es wenig Unregelmäßigkeiten: kamp. t r i t s s a
„Haarflechte" stammt aus der Schriftsprache, p u n t s o n i geht
auf *PUNTIONEM < *PUNCTIONEM zurück. Auffallend
ist die Bedeutung „sich erbrechen" des Verbums k a t s s a i ,
welches kaum von *CAPTIARE zu trennen ist. „Jagen"
heißt in diesem Dialekte b o g a i . Wahrscheinlich gehört
t r i b u t s s u „tridente" zu TRIFURCIUM. Das log. Suffix
- e s a (biv.-, timid.-, turp.- etc.) ist nicht lat. -ITIA, sondern
stammt, wie Hofmann (a. a. 0 . 17) richtig erkannt hat, aus
dem Spanischen. Sass. a t s s a k k ä „acciaccare, ammaccare",
a t s s u p p ä „inzupare" sind dem Spanischen, sass. a f f a k k a
..vicino", a t t a t t u „sazio" dem Logudoresischen entlehnt. —
Über sass. b a m b a d z i < *BAMBACIUM vgl. § 15.
§§ 43, 44. — 86 —

§ 43. Im heutigen Logudoresischen findet sieh eine Un-


regelmäßigkeit. Die Mehrzahl der Beispiele zeigt an Stelle
von t s s ein t t , lat. Ti und Ki entsprechend, so:
vTiv: p u t t u < PUTEUS, a l a b a t t u < LAPATHIUM,
p a l a t t u , p i a t t a , p e t t a „Fleisch" < PETIA (vgl. § 19),
n a s t r u t t u < * N ASTRUTIUM (für nasturtium); — t i t t o n e <
TITIONEM, a t t a t t a r e < *ADSATIARE, m a t t u l u < MAT-
TEOLUM.
v K i v : a t t a „Schneide" <1 *ACIA (für acies), a r m u -
r a t t u , ( e ) r i t t u , f a t t o < FACIO (Konj. fatta, -as etc.), l i t t o s
Plur. < LICIUM, Suffix - a t t u < -ACEUS ( s e d a t t u <
*SiETACEUM, ah a t t u „aqua miele" < *AQUACEUM Rolla:
See. Saggio 8, a l b i n . - , b i n . - , c a d r e . - „großer Sessel", k i i i n . -
„aschgrau", f o r m i i - „unruhig", limb.-), - i t t u << -ICEUS
( a r a b i a d - i t t u „zänkisch", c a n n . - , p a l m . - „Palmenwurzel",
p e n s a d . - „nachdenkend"), - u t t u < -UCEUS ( k e d d - u t t a
„piccola aja"); — a t t a r d z u „Stahl" < *ACIARIUM, c o r -
r i n t o l u „cornetto" < *CORNICEOLUM Rolla: Etymol. 21,
vgl. auch b r a v a t t a r e „prahlen". RTi: m a r t u , i s c u r t o n e
*CURTIONEM; — RKi: t r i u t t u < TRIFURCIUM (vgl.
§ 42 Anm.). — NTi: c a n t o n e , a t t e n t u < ABSINTHIUM,
l e n t o l u (aber lentsa!), a r g e n t o l u ( a r g e n t h o l a Codaghe 44)
< *ARGENTIOLUM, — NKi: l a n t a r e (aber lantsa!). LKi:
c a t t o l a „pianella" < *CALCEOLA Rolla Secc. Saggio 5ü.
CTi: c a t t a r e „zerdrücken" < *COACTIARE Rolla Dial. 8.
PTi: n u n t a s < N U P T L E (vgl. § 20 Anm.).

A n m . S e m e n t a geht auf SEMENTIS, nicht *SEMEN-


TIA (Spano verzeichnet auch ein log. s e m e n t s a ) zurück und
n e t t a „Nichte" stammt nicht ausNEPTIA, sondern, wie camp,
gall. n e t t a und die Schreibung n e t t a im Codaghe 154, 205
zeigen, aus NEPTIS.

§ 44. Dieser Zustand scheint nicht alt zu sein. Die


mittelalterlichen Texte kennen für Ti, Ki in allen Stellungen
nur ein einziges Resultat, welches durch das Zeichen t h wieder-
gegeben wird. Beispiele:
— 87 — §§ 55, 56.

aus dem Statut von Sassari(1316): Marthu, capithu „testa",


platha, lanthare, fatho (fathas, fathan), parthat (parthan) <[
PARTIO, pathat <C PATIO, fortha, isforthare, ispathare, cal-
thare, brathu (vgl. Hofmann a. a. 0.17,43, Guarnerio a. a. 0.108).
aus dem Codaghe di Silki (XI.—XIII. Jh.): parthone, potho
< * P 0 T E 0 , petholu, cucuthu, platha, puthu, putholu, capitha,
capithale, Iscurthu, lenthu; — furrithu < *FORN IC1UM, untha,
fatho, atha, girithola < *GYRICEOLA, Marthane < MAR-
CIANUS, albinathu, cotinatha, Luinathos, Manutha, albuthetu
(vgl. Mever-Lübke a, a. 0. 22).
§ 45. Über den Lautwert dieses Zeichens (th) ist viel ge-
stritten worden. Und doch kann es gar nichts anderes als
einen ts-ähnlichen Laut bezeichnet haben. Dies geht unter
anderen aus folgenden Erwägungen hervor: a) Die Buchwörter
IUSTITIA, OFFICIUM etc., ob sie aus dem Lateinischen, oder
aus der italienischen Schriftsprache entlehnt worden sind,
klangen in der Zeit unserer Dokumente zweifellos IUSTITSIA
OFFITSIUM. Nun finden wir neben latinisierender Schrei-
bungen, wie s e n t e n t i a , i s p a t i u , o f f i c i u , l i c e n c i a , e x e r -
ciciu, condicione, ordinacione, venditione, loca-
t i o n e etc. (vgl. Guarnerio a. a. 0. 108), die Schreibungen:
coniuvanthia, prethu, adprethare, servithu, nun-
thare, altithia, certithia, grandithia, notithia, iu-
s t i t h i a , g r a t h i a (Statut), p e n e t e n t h i a , p e r t e n e n t l i i a ,
I s p e t h i o s a , i u s t i t h i a , P r e t h i o s a etc. (Codaghe), welche
nur dann verständlich sind, wenn t h einen ts-ähnlichen Laut
wiedergab. — b) Außerdem finden wir in Erhwörtern, neben
t h , auch die Schreibung 9 und s, welche sicherlich einen t s -
ähnlichen Laut bezeichnen wollten: a l s a r e , i m p a ^ a r e , i s p a -
<jare, t e r ^ a , t e r s u , b r a ^ u , c o n ^ a , con<jare (Statut); —
c) Da das heutige m u t s e r e < MULIERE im Statut schon
als m ü d e r e vorkommt, so ist darin wohl der Übergang von
Li > t s zu erblicken und die anderen Fälle mit 1 sind nur
der graphischen Tradition treu geblieben. Neben m u 9 e r e
findet man im Statut auch m u c h e r e , welche Form auch im
Codaghe 3 wiederkehrt. Darin ist aber eine beweiskräftige
— 88 —

„umgekehrte Schreibung" zu erblicken. Man schrieb nämlich,


durch etymologische Erwägung veranlaßt, neben f a t h a t auch
f a c h a t < FACIAT. Da in diesem letzteren ch als ts ge-
lesen wurde, wurde dieses Zeichen auch auf m u c h e r e (ge-
sprochen: mutsere) übertragen. — d) Th = ts erscheint auch
in Wörtern, in welchen dieses gar nicht auf ki, ti zurückgeht,
so: t h a n c a Codaghe 222 = spätlat. z a n c a (ngriech. tC,ay/a
aus pers. zanga) u. a. vgl. Meyer-Lübke a. a. 0. 22.
§ 46. Das Zeichen t h ist aus Verlegenheit gewählt worden
und ist die lateinische Umschreibung des griech. welches
damals schon die spirantische Aussprache ]) besaß, was sich
„bei dem starken griechischen Einfluß in Sardinien, der sich
auch darin äußert, daß eine der ältesten Urkunden bekanntlich
in griechischen Lettern geschrieben ist," leicht erklärt (vgl.
Meyer-Lübke a. a. 0. S. 21). Meyer-Lübke nimmt denn auch
an, daß das Zeichen t h den Lautwert }) hatte, aus dem sich
später das moderne t t entwickelt hat, daß also Ti und Ki
über tss, zu t t geworden sei. Wie soll man sich aber
die große Anzahl der noch heute existierenden tss-Formen
(§ 42b) erklären? Es geht doch nicht mit Hofmann (a. a. 0.
S. 44, 110) anzunehmen, daß diese aus dem Kampidanesischen
oder aus dem Süditalienischen entlehnt seien, da Wörter wie
k i t s s u , i s k u l t s u diesen Dialekten fremd sind. Außerdem
sind diese „frühe Entlehnungen" in den alten Texten durchaus
nicht, wie Hofmann meint, nur durch z (c, s), nie durch t h
wiedergegeben, da man z. B. das heutige b r a t s s u in dem
Statut als b r a t h u wiederfindet. Eine Lautregel, nach welcher
die doppelte Entwickelung erklärbar sei, läßt sich auch nicht
aufstellen: l e n t s a , l a n t s a neben l e n t o l u , l a n t a r e ließe auf
eine Wirkung des Akzentes schließen, aber f o r t s a r e , p u n t -
sone einerseits, p u t t u , m a r t u andererseits sprechen ent-
schieden dagegen. Die gleiche Erfahrung macht man, wenn
man den Grund des Zwiespalts in den umgebenden Lauten
sucht. Es ist daher wahrscheinlich, daß die t s s und die t t
Formen, die man in den Wörterbüchern findet, aus zwei ver-
schiedenen Mundarten des Logudoresischen stammen, deren
— 89 §40.

eine allein in den alten Texten vertreten ist. Damit soll auch
die neuerdings erschienenen Angaben des Sarden Campu über-
einstimmen. Ich konnte leider diese Schrift nicht zu Gesicht
bekommen.

Anm. Da im Logudoresischen auch ein t s , welches nicht


auf Ki und Ti beruht in einigen Fällen als t erscheint (log.
t u k k a r u = ital. z u c c h e r o , sass. t r a m a t s s i „Matratze" =
log. t r a m a t t a , camp, t s u g u , t s u r p u = log. t u g u , t u r p u ,
ital. z a f f e r a n o , zio, z a n z a r a « TSINTSALA C. Gl. Y,
526, 1) = log. t i o „Onkel", t a f f e r a n u , t i n t u l a ) wird man
zu folgender Erklärung geleitet: Das t h der alten Texte hat
den Lautwert t s und die heutigen t s s - F o r m e n sind dessen
Fortsetzer. Da nun der log. Artikel su, sa, s u s , s a s lautet,
trat in einem Falle wie s o s * p u t s s o s „die Brunnen" eine
Dissimilation s o s p u t t o s ein, dagegen blieb das t s s in der
Verbindung u n u l a t s s u . Nun trat Ausgleichung ein und
man sagte auch u n u p u t t u und sos l a t s s o s . (Die Dissi-
milation t s — s > t — s scheint auch in folgenden Fällen statt-
gefunden zu haben: log. s a l t i t s s a (aber a u c h camp, s a r t i t s s u )
< s a l s i t s s a (vgl. log. s a l t i a r e , camp, s a l t a i „salzen"), log.
(su) a t t e n t u < ABSINTHIUM; log. ( a t ) t a t t a r e < fAD)-
S ATI ARE, vgl. auch log. sa t i l i b a < (IPSA) S1LIQUÄ,
t a l a u „crusca" zu griech. vgl. Zanardelli a. a. 0 . 30ff.).
Dagegen spricht aber entschieden ein Fall wie F A C I 0 > f a t t o
i alt fatho), wo doch kein umgebendes s die Dissimilation her-
vorrufen konnte. Daher sind wir gezwungen anzunehmen,
daß, während auf einem Gebiet des Log. t s s blieb, auf einem
anderen (dem der alten Texte) schon früh jedes ts(s), auch
wenn es nicht auf Ki, Ti beruhte, zu J)(]d), und daraus zu t(t)
wurde. — Bei Spano findet man auch Formen mit einfachem
t und mit t t i , t i : l i t o s neben l i t t o s , p u t u neben p u t t u ,
k i t u < k i t s s u , p u t a zu ital. p u z z a , s a l t i a r e „salzen",
p r e i t t i a < PIGRITIA, l u t t i u „Schluck" < *GLUTTIÜM
(it. ghiozzo, ven. dzotso, vgl. Nigra Archivio glott. ital. XV,
491). Bevor man an eine Erklärung dieser Unregelmäßig-
keiten denkt, möchte man gerne eine anderweitige Bestätigung
ihrer Existenz haben. — Im Statut findet sich einmal (Archi-
vio glott. ital. XIII, 121) m u r t a „morchia, feccia" < *AMUR-
CEA, heute m u r t s a . Man sieht darin am besten einen Schreib-
§§ 47, 48. — SO —

fehler für m u r t h a , ohne einen Schluß auf das hohe Alter des
Überganges t h t zu wagen.
§ 47. In Buchwörtern erscheint tsi (log. auch ssi, sass.
auch dzi): log. kamp. n e g o z i u , v i z i u (-ssiu), g r a z i a (-ssia,
sass. gradzia), m a l i z i a , g i u s t i z i a ) -ssia, sass. giul}ndzia), s e r -
v i z i u (-ssiu), d i l a z i o n e (-ssione), g r a d a s s i o n e , o f f i z i u
(-ssiu), i u d i z i u (-ssiu), f i d u z i a , g i u d i z i a , n u n z i a r e (-ziai),
a n z i a n u , Suffix - a n z i a (costum.-, circumst.-, testimoni.- vac.-),
- e n z i a (clem.-, cre.-, diffid.-, neglig.-), - z i o n e (colle.-, distra.-,
ere.-, faz.-, fun.-, sun.-, le.-) etc. Schon altkamp.: dsQßir^io,
-in) 21, 32, de).eyüvt^ia 23. Sass.: s p a d z i u , o d z i u , b i d d e -
d z i a , f u l j a a l e d z i a etc.

IY. Abschnitt: Italienisch.


§ 48. Sobald wir den italienischen Boden betreten, stoßen
wir auf eine derartig .große Häufung von Unregelmäßig-
keiten, — die unter verschiedenen Gestalten auch in den
übrigen westromanischen Sprachen auftreten, — daß es
manchmal nur mit größter Mühe möglich ist „Lautgesetz"
von „Ausnahme" zu unterscheiden. Nur eine sorgfälltige
Untersuchung der Dialekte kann hier den richtigen Einblick
in die Schriftsprache gewähren. Es sei aber schon von An-
fang an betont, daß in dieser Arbeit unmöglich auf die
Einzelheiten der verschiedenen mundartlichen Behandlung der
i-Verbindungen eingegangen werden konnte, sondern es
wurden die Dialekte nur als Mittel zum Zweck benutzt. Man
wird daher im folgenden keine Grenzen zwischen den ver-
schiedenen mundartlichen Aussprachen, keine Verfolgung der
Entwicklungsstadien des heutigen Ergebnisses von Ti etc. in
den einzelnen Gegenden zu suchen haben, auch die ungleich-
mäßige Sorgfalt mit der die verschiedenen Dialekte behandelt
o o
sind — der Süden ist eingehender untersucht worden als der
Norden —, sowie die Sprünge über ganze Regionen Italiens,
sind da, wo nicht etwa das sichere Material mangelte, ab-
§48.

sichtlich geschehen. Alte Texte sind nur selten benützt


worden, da es sich ausschließlich um Lautgruppen handelt,
die in die vorlitterarische Periode zurückreichen; außerdem
ist das Schwanken in der Orthographie und der große Einfluß
der Schriftsprache auf die verschiedenen alten Dialektdenkmäler
bekanntlich so groß, daß man leicht zu falschen Schlüssen
gelangen kann. Ich habe es vorgezogen einige Lücken in
meiner Arbeit zu lassen, — sie sind fast nur in den Detail-
fragen wahrnehmbar, — um mit sicherem Material arbeiten
zu können.
A n m . Ein Verzeichnis sämtlicher benützten Werke an-
zugeben ist nicht möglich. Spezialarbeiten über Ki und Ti
sind, außer dem schon zietierten Werke Hornings, nicht vor-
handen. Was sich gelegentlich darüber in den Grammatiken
und Zeitschriften findet, wird, wenn erwähnenswürdig, öfters
zu nennen sein. Mein dialektisches Material entstammt sehr
verschiedenen Quellen. Ich erwähne hauptsächlich folgende
Arbeiten: A. T r a i n a : N o u v o v o c a b o l a r i o s i c i l i a n o -
i t a l i a n o . Palermo 1868- H. S c h n e e g a n s : L a u t e u n d
L a u t e n t w i c k e l u n g des s i z i l i a n i s c h e n D i a l e k t e s . 1888.
— V. D o r s a : La t r a d i z i o n e g r e c o - l a t i n a n e i d i a l e t t i
d e l l a C a l a b r i a c i t e r i o r e . Cosenza 1876. — P- R o l l a :
F a u n a p o p o l a r e s a r d a . Cassale 1895 (S. 59—76 calabre-
sische Etymologien). •— Zeitschrift rom. Phil. XXII, 552 ff.
(Tarantinisch). — M o r o s i : II v o c a l i s m o del d i a l e t t o
leccese. Archivio glott. ital. 117ff. — F. N i t t i d i V i t t o :
II dialetto di Bari, Miliano 1896 — Zingarelli: II d i a l e t t o
di C e r i g n o l a . Arch. glott. XV. — D ' O v i d i o : II d i a l e t t o
di C a m p o b a s s o . Arch. glott.IV.— L u i g i R o s s i C a s e : II
dialetto aquilano nella storia della sua fonetica
(Estratto dal Bolletino di Storia Patria negli Abruzzi Anno VI,
puntata XI). — De L o l l i s : D e l l ' i n f l u s o dell'i p o s t t o n i c o
s u l l a v o c a l e a c c e n t a t a , in q u a l c h e d i a l e t t o [Casalin-
contrada, Teramo] a b r u z z e s e . Archivio glott. ital. XII, 1—23,
187—196. — F. F i n a m o r e : V o c a b o l a r i o dell'uso
a b r a z z e s e 2 (Lanciano). Cittä di Castello 1893. — D ' A m b r a :
V o c a b o l a r i o d o m e s t i c o n e a p o l i t a n o - t o s c a n o . 1873. —
E. P a r o d i : II d i a l e t t o d ' A r p i n o (Vocalismo) Archivio glott.
ital. XIII, 299—308. — L. Ceci: S a g g i i n t o r n o ai d i a -
§ 53. — 92 —

l e t t i d e l l a C i o c e r i a (I. Vocalismo del dialetto d'Alatri).


Archivio glott. ital. X 167—176. — 0. E. G u a r n e r i o : I
d i a l e t t i o d i e r n i di S a s s a r i , d e l l a G a l l u r a e d e l l a
C o r s i c a . Archivio glott. ital. XIII, 125—140 XIV. 137 bis
200, 385—422. — S. P i e r i : F o n e t i c a del d i a l e t t o l u c -
c h e s e Archivio glott. ital. XII, 107—134, M o r f o l o g i a l u c -
c h e s e XII, 161—174, F o n e t i c a del d i a l e t t o p i s a n o XII,
141—160 M o r f o l o g i a p i s a n a XII, 175—180, T o p o n o -
m a s t i c a i l l u s t r a t a d e l l i v a l l i del S e r c h i o e d e l l a
L i m a Archivio glott. ital. Supplimenti periodici Y. — H i r s c h :
D i e M u n d a r t v o n S i e n a . Zeitschrift rom. Phil. IX, 513
bis 570, X 56—70, 411—446. — M u s s a f i a : B e i t r a g z u r
K u n d e d e r N o r d i t a l i e n i s c h e n M u n d a r t e n . Wien 1873.
— S. P i e r i : I I d i a l e t t o g a l l o - r o m a n o di G o m b i t e l l i
n e l l a p r o v i n c i a di L u c c a . Archivio glott. ital. XIII, 309
bis 328. II d i a l e t t o g a l l o - r o m a n o di Ü l l a n o XIII, 329
bis 354. — G. F l e c h i a : A n n o t a z i o n i s i s t e m a t i c h e a l l e
a n t i c h e R i m e G e n o v e s i e a l l e P r o s e G e n o v e s i . Archivio
glottologies ital. VIII 317—406, X 141—1.66. — P a r o d i :
A l c u n e O s s e r v a z i o n i a p r o p o s i t o del l e s s i c o g e n o -
v e s e a n t i c o di G i o v a n n i F l e c h i a . Genova 1886. —-
E. P a r o d i : S t u d j l i g u r i Archivio glott. ital. XV 1—82,
XVI 105—161. — A s c o l i : Archivio glott. ital. II, 116—160
(Piemont). — M u s s a f i a : D a r s t e l l u n g d e r a l t m a i l ä n d i -
s c h e n M u n d a r t n a c h B o u v e s i n s S c h r i f t e n . Wien 1868.
— C. S a l v i o n i : F o n e t i c a d e l d i a l e t t o m o d e r n o d e l l a
c i t t ä di M i l a n o . Torino 1884. Ders.: Annotazioni siste-
matiche etc., Archivio glott. ital. XII 375 ff., XIV 201 ff. —
E. L o r c k : A l t b e r g a m a s k i s c h e S p r a c h d e n k m ä l e r . Halle
1S93. — G. U n g a r e l l i : V o c a b o l a r i o del d i a l e t t o b o l o g -
n e s e con u n a i n t r o d u z i o n e del p r o f . A. F r a u z z i s u l l a
f o n e t i c a e s u l l a m o r f o l o g i a d e l d i a l e t t o . Bologna. —
Mussafia: D a r s t e l l u n g der romagnolischen Mundart.
Wien 1875. — W e n d r i n g e r : D i e p a d u a n i s c h e M u n d a r t
b e i R u z z a n t e . — G. B o e r i o : D i z z i o n a r i o del d i a l e t t o
v e n e z i a n o 2 Venezia 1856. — G. V i d o s s i s c h : S t u d i s u l
d i a l e t t o t r i e s t i n o . Archeografo triestino XXIII 240—304,
XXIV 5—78. — Über die Mundart von Trient verdanke ich
die meisten Daten den freundlichen Mitteilungen des Herrn
stud. phil. C. B a t t i s t i aus Trient.
— 93 —
*

A. Ki, Ti,

I. T i z w i s c h e n Vokalen.

§ 49. Ti wird in ganz Italien, ungehindert vom Akzent


i\nd den umgehenden Lauten zu t s s (c^), oder daraus ent-
standen: ss. Auf dem Gebiete, welches die Doppelkonsonanten
vereinfacht, tritt dafür ts, 9 und s. Es ist indessen zu be-
merken, daß auch auf diesem Gebiete hin und wieder die
S c h r e i b u n g zz ( = tss) und ss vorkommt, die ich auch in
den folgenden Beispielen beibehalten habe. Die zwei schein-
baren Ausnahmen T i > 1) g (pregio), 2) cci (sdrucciolare)
habe ich an anderen Stellen erklärt §§ 8—16, 71). Hier lasse ich
die Beispiele für die regelrechte Entwickelung folgen:
*ABIETEUS [ = abies] > a b e z z o , -a „Tanne", lomb.
abiets. *ACUTIO, - A R E ^ > a g u z z a r e (dav. aguzzo) „schärfen",
sicil. a g u t s s a r i , mil. g ü t s s „acuto", a.-berg. g u t s - e t s s a
„Schärfe" (n.-berg. gös), lomb. g ü t s s , piem. (a)üs, a v ü s ,
triest. gütsar, gütso (nb. guär < *A CUTARE). CAPITIUM.
*CAPITIO, -ARE, *CAPITIALE, *CAPITIONEM > ca-
vezza „Halfter", ac-, s - c a p e z z a r e (scavezzare), c a v e z z o n e ,
c a p e z z a l e „Kopfkissen"; neap. a k k a p e t s s a r e , k a p e t s s a ,
k a p e t s s a l e , Kors. k a v e t s s a (a skavetssa „posto obliqua-
mente", kal. k a p i t s s a , cerign. k a p e t s s e , Bari: k a p i t s s e
„capezzolo", s k a p i t s s o „scampolo", Lanciano: k a p e t s s e ,
campob. k a p e t s s a , Alatri: kapetssa, k a p e t s s a l e , Sillano:
k a w e t s s a , k a b b e t s s a l „capezzale", mil. k a v e t s s a , k a v e t -
s a l , a.-berg. kavetsal pav. k a v e t s a l , krem. k a e s a l , trient
k a v i s . *CUCURB1TEA > c o r b e z z a . *GRAND1TI0SUS
> cerign. g r a n e t s s u s e „schifiltoso come i grandi." GUR-
GUTIA > g a r g o z z a , gombit. g a r g o t s s e . Suff. -ITIA >>
- e z z a (acerb-ezza, acut-, agr-, alid-, alt-, amar-, ampi-, ardit-
argut-, arid-, asciut-, aspr-, astut-, bass-, bell-, bianch-, bond-
brun-, brutt-, calv-, candid-, canut-, car-, castigat-, cattiv-, caut-,
cert-, chiar-, compatt-, compit-, compost-, content-, cont- etc.)
sicil. - i t s s a (bidd-itssa, delikat-, fort-, grand-, fresk-, biank-,
§48.

duts-, kuntint- etc.) kal. - i t s s a (valent-), Lecce: - i t s s a (bidd-


itssa) Bari- itsse (kar-ittse) aquil. - e t s s a (bell-etssa, kar-,
grand-, rik-), A r p i n o -etssa (kar-etssa), Alatri: - e t s s a (bell-,
stran-, car-, munnetsse „immondezza"), neap. - e t s s a (ken-etssa,
pren-), (gall. - e s a < span.: bidd-esa, brutt-, puar-, fultad-, vicc-
vgl. § 42 Anm.), cors. -etssa (vun-etssa „bontä"), Pisa - e s s a
(grand-essa), a.-gen.-e^a (dots-e<;a, bell-, cert-, nek- < NEQUI-
TIA, piar-, asper-, dm-, frank-, vist-, re-, yei-), a.-berg. - e t s a
(mut-etsa, virg-, dur-, fort-, visn- „Nacsbarschaft", grand-),
romagn. - e t s s a (alt-etssa, stran-, asarb-, svalt- „sveltezza", mt-
„mitezza", savur-), a.-ven. - e t s s e (alegrezze, sapesse im Reim
mit belezze) etc. LAPATHIUM > • sie. l a p a t s s u , lomb.
(s)laväts, piem. l a v a s s a , LUTEUM, *L0T1UM (vgl. Zeit-
schrift rom. Phil. XX 486, Salvioni Postille II) > gall.
l o t s s u , kors. l o t s s u „sudiciume", l u t s s o s u „sudicio", mil.
( s ) l o t s s a „melma", romagn. l o t s s „untume", valanz. l u t s s a
„sterco", valses. l o t s s a , bellinz! valtell. slots. *METITIONE
> a.-gen. m e d e i j o n „Ernte". *MITIARE? INITIARE?
(anfangen weich zu werden) > m e z z a r e (dav. mezzo), neap.
n i t s s a , (gall. i m m i t s s i „ammezzire") a.-berg. m i s ä (nberg.
mes), crem, m e s , besc. m e s , mis, cremon. m i t s , n i t s , tir.
m i t s , lomb. emil. n i t s , piem. nis, trient. mis, ven. m i t s s o .
PALATIUM > p a l a z z o (vgl. § 11), neap. p a l a t s s o , sie.
p a l a t s s u , aquil. p a l a t s s u . Lanciano p a l a t s s e , trient.
p a l a s . PETIA, *PETIUM > p e z z a , p e z z o , neap. p e t s s a ,
gall. cors. p e t s s u , Lanc. p e t s s e , Teramo pietsse (Plural),
Lecce p e t s s a , Arpino p i e t s s e , trient. pesa. *PIGRITIOSUS
>• gall. p r i t s s o s u . PLATEA > p i a z z a , neap. kal. k a t s s a ,
gall. p i a t s s a , cors. p i e t s s a , cerign. k a t s s e , aquil. p i a t s s a ,
Lanciano p i e t s s e , campob. k e t s s a , A r p i n o p i a t s s a , Lucca,
Pisa: p i a s s a , Grombit. p i a t s s a , Sillano p i a t s s a , a.-gen.
pia^.a, a.-berg. p i a t s a , trient. p i a s a . PRETIUM >> p r e z z o
(vgl. § 11), cors. p r e t s s u , sicil. p r e t s s u , Lecce p r i e t s s u ,
A q u i l a p r e t s s u , Arpino p r i e t s s e , gombit.pretsse. PUTEUS
> p o z z o , neap. p u t s s o , gall. Lecce, Aquilla p u t s s u , Bari
p u t s s e , cors. p o t s s u , Kai. p o t s s o , cerign. compob. Arpino,
— 95 — §§ 55, 56.

Alatri p u t s s e , Teramo, Lanciano p o t s s e , Lucca p o s s o ,


gombit. Sillano p o t s s e , a.-gen. poijo, mil. romagn. p o t s s ,
a.-berg. p o t s , triest p o t s o , trient. p o s o , belinz. p o t s .
*QUATIUM ( = griech. 5cvü&£iov, xvafhov) > c a z z a (dav.
cazzuola), a.-berg. k a t s a , k a t s u l , crem, k a s s a (de bere),
oberital. k a s s a „Schöpflöffel", trient. k a s a , k a s o l a . RETIA,
*RETIACULUM, RETIOLUM > r e z z a , r e z z u o l a , neap.
r e t s s a , r e t s s o l a , gall. r e t s s a , sie. r i t s s a , r i t s s a g h i u ,
cerign. r e t s s a „reticella", Teramo r i t s s e , tarant. r e t s s a ,
a.-gen. ri^aio (n.-gen. ritjadzzu), sanrem. r e c a i u , ebiavar. r i -
(jadzzu. SATIO, -IARE > [saziare], neap. [satseare], gall.
s a t s s a , trient. [sasia]. SAT1UM > [satseo] gall. s a t s s u ,
trient. [sasi]. SETIIJS « sectius < secus; nicht secius vgl.
Archio lat. Lex. IV, 602ff.) > sezzo, zezzo. SPATIUM <
s p a z z o „Fußboden" (dav. spazzare) neben [spazio], Sillano
s p a t s o z u l „spazzoforno", mil. [spatssi], a.-berg. [spatsi], com.
[spatsi „Raum" aber] s p a t s „Klafter, Raum ausgestreckter
Arme". *STATIUM ( = statio) > kal. s t a t s s u „ovile", gall.
s t a t s s u „(casa di pastori in) campagna", sie. S t a t s s u (Dorf-
name), a.-aquil. statso, a.-berg. s t a t s o „officina, statio",
romagn. s t a t s . *SUSPITIUM ( = suspirium)? > a.-berg.
s u s p i t s „suspirium" (nb. süspis, söspis „nausea, soffice").
*TITIO, -ARE | > a t - , s t i z z a r e , neap. a t t e t s s a r e , kal.
s t i t s s a r e , Teramo s t i t s s i „battere un tizzo acceso", a.-gen.
atiijar, a.-berg. a t i t s a , romagn. a r t e t s s i , trient. s t i s a r e .
TITIONEM > t i z z o n e , neap. t e t s s o n e , Lecce t e t s s u n e ,
Arpino t g t s s o n e , Alatri t i t s s o n e , Triest s t i t s o n , trient
s t i s o n . *TITIUM >» (s)tizzo, s t i z z a , a.-berg. s t i t s o ,
romagn. s t e t s s a , Triest s t i t s o . VITIO, -ARE > i n - , d i s - ,
a v - v e z z a r e , sie. m m i t s s i g g h i a r e „far carrezze", Lecce
m m e t s s a r e , Teramo h a m m e t s s e „avvezza", Lanciano: a m -
m e t s s ä , mil. m a l v e t s ä . VITIUM > v e z z o [nb. vizio]., gall.
v i t s s u , Lecce ' m m i t s s n [nb. itsiu], Lucca v e s s o [nb. visio],
mil. [vitssi], romagn. [vetssi], trient. [visi].
Unter den schon zu römischer Zeit bezeugten Ortsnamen
sind zu erwähnen: ALETIUM >> S t a M a r i a d e l l a L i z z a
§ 53. — 96 —

(Kalabrien), ARETIUM > A r e z z o (Toscana), BILITIUM >


B e l l i n z o n a , CALATIA > C a i a z z o (Appenin), CAPITIUM
> C a p i z z i (Sicilia), CALATIA > S. G i a c o m o d e l l e Ga-
1 azze(Campagna), GNATIilA > T o r r e d ' A g n a z z o (Apulia),
PUTEOLI > P o z z u o l i , SETIA > S e z z a (Latium). Da-
gegen: SPOLETIUM > S p o l e t o (Umbria), TEANUM >
T e a n o (Campagna).
Als Beispiele ältester Zeit zitiere ich aus dem Codex
Cajetanus: p a l a z z u 954, p a l a z z o 1002, 1066, m a r o z z e
1010, c o r n a z z a n o 862, t i z z o 1036, p e z t i a di terra 922,
v e c z a n o 944, b e r n u c z o n i 1064, c a p o m a c z a , g r i t z a n o 999,
s a z o n e 954, m u n d i z a r u 1058, b r i z a n i 831.
Anm. Zu den erwähnten Beispielen kommt noch im
Süden Italiens *POTIO statt POSSUM (vgl. potisit = possit
C. 1. Ii. X 104, 17 Tiriolo) sicil p o t s s u , Lecce p o t s s u (Konj.
potssa), campob. cerign. Arpino, Alatri, Teramo. Lanciano rom.
p o t s s e (Konj. potssa), Bari p o t s s e k e , Aquila p o t s s o hinzu.
(Dagegen gall. cors. p o s s u , gombit. p o s s e , Sillano p o s s a ,
romagn. p o s s , a.-berg: p o s s o etc.). — Unsichere Etymologien
habe ich absichtlich außer acht gelassen. So zeigt campob.
t s u o t t e « * t u o t s s e ) durch sein ts, daß ital. t o z z o neap.
t o t s s o , Lecce s t o t s s a , s t u e t s s u unlateinischen Ursprungs
ist (vgl. campob. tsuoppe = ital. zoppo), spricht also gegen
die Ascolische Etymologie: *TUD1TIARE (vgl. Arch. glott.
ital. I, 36).
§ 50. In Latinismen erscheint regelmäßig t s i , welches
auf einem Teil des Gebietes stimmhaft wird. Im Norden wird
auslautendes - t s i o meist zu tsi. In der Aussprache wird
dieses tsi. gedehnt: v i t s s i o , a t s s i o n e , d z u s t i t s s i a (vgl.
D'Ovidio in Archivio glott. ital. IV, 160, Anm.), so daß die
für die voritalienische Zeit geltende Dehnung vor i sich neuer-
dings zu wiederholen scheint. In den Gegenden wo man ts
wie s spricht, findet man selbstverständlich si auch in Lati-
nismen. Einige Beispiele (auch für cons. Ti) werden genügen:
G r a z i a , o s p i z i o , n e g o z i o , ozio, a m i c i z i a , a c q u i s i z i o n e ,
t r a d i z i o n e , b a l b u z i e , c a l v i z i e , L u c r e z i a (Lat. nicht be-
legt: s a z i o , t o r z i o n e , e z i a n d i o ) etc. Sicil. o t s s i u , s e r -
— 97 — §§ 55, 56.

vizziu, n a z i u << IGNATIUS, Lecce: i z i u s u , i n g u r d i z i a ,


Bari: A l d i z i e „Letizia", y i d z i e , p o b b l a d z i o n e , Cerignola:
r a t s s e i o u n e „orazione", p a t s e i e n d z e < PATIENTIA
PACEM, L e t i d z z e i e , d z z u s t i d z z e i e , v i t s s e i e , s r u t s s e i e
..servizio", Campob. i u s t i t s e i a , L e t i t s e i a , r e k u l i t s § i a ,
fcseru w i t s e i e , v i t s e i e , v e b b e r a t s e i a „verbi gratia", l c b -
beratsioune, patsiendz(ei)a, sendendzeia, gusendzeia
..conoscenza", a t s s e i o u n e , Aquila: y i t s s i n , d z u s t i t s s i a ,
p a t s e n t s i a , d i v i t s i o n e „devozione", s t r u s s i o n e „istru-
zione", s e n t e n s i a , Teramo: d e s g r a d z z e i e , v i t s e i g , s e r -
v i t s e i e , p a t s i e n d z e i g , p e n e t i n d z e i e , d e s i n d z e i e , Napoli:
m e n u t s e i a , s a t s e a r e , Arpino: f f i t s i i „offizio", Alatri:Le-
t i t z i a , r a t s s i o n e „orazione", Gallura: g r a t s i a , s p a t s i u ,
m i n i s p r e t s i u , Corsica: g u d i t s i u , o t s i u , Lucca: g r a s i a ,
giudisio, Lucresia, guidissioso, negosio, visio,
a p p a r i s s i o n , c o n d i s s i o n , g r a s s i o s u , Pisa: i n t e r p r e t a -
sione, e x e c u s i o n e , i n q u i t s i s s i o n e , i n v e s t i g a s s i o n e ,
c i t a s s i o n e , Gombitelli: g r a s i a , a v a r i s i a , Sillano: p a t s -
entsia, kerdentsia, litsentsia, penitentsia, prudentsia,
A. Genua: g r a t s i a , -oso, a v a r i t s i a , s a l v a t s i o n , t e n t a -
tsion, satsiamento, pretsioso, Venitsian, otsioso,
e t s i a n d e , Milano: l e s t i s i a , s v e l t i s i a , i u s t i s i a , p a t s e n t s a ,
clementsia, insolentsia, confidantsia, sostantsia,
A.-Bergamo: a p r e s i a t a , spatsi(o), i u d i t s i o , s t a n t s i a ,
r e d e m t s i o n e , of'fitsio, h e d i f i t s i , n.-berg.: s p e s s i e ,
ö f e s s e , Romagna: m e l a g r a t s i a , p r e z i p e z i , v e t s s i , otsi,
negotsi, astutsia, minutsia, utsiös, sensatsion, per-
s p i k e t s i a , a r t s i n t s i e < LICENTIARE etc.

II. Ti und Ki nach Konsonanten.

§ 51. Nach Konsonanten sind die Schicksale des Ti und


Ki dieselben: sie werden zu ts (woraus z. T. s) oder, wenn
der vorausgehende Konsonant assimilationsfähig ist, zu t s s
(woraus ss). Dort wo NT, RT > ND, RD wird auch NTS,
RTS zu NDZ, RDZ. Nur die Gruppen Sti und Ski, die schon
7
§ 53. — 98 —

im Urromanischen zu Ssi angeglichen worden sind, werden


wie lat. Ssi behandelt (worüber § 32).
§ 52. ~NTi.
*ABANTEO, -ARE > a v a n z a r e , sie. a v a n t s a r i ,
trient. (a)vansar, romagn. v a n t s a i „avanzaglio". ABSEN-
TIA > s e n z a , Bari s e n d z e , Arpino s e n t s a , romagn.
(t)sentsa, a.-ven. s e n s a , trient. s e n t s a . ABSINTHIUM >
[assenzio], a.-berg. a s e n t s . *ANTEA > (din)anzi, neap.
a n t s e , Lanciano n a n d z e , gall. a n t s i , cors. ( i n n ) e n t s i (neben
nantsi), Sillano d e n a n t s e , a.-berg.denants, i n a n t s , n.-berg.
d e n a n t s (nts<Cnts), romagn. i n e n t s , trient. a n t s i . *AMAN-
TIA > a.-ital. m a n z a „amante". Suff. -ANTEA >• - a n z a
(adun-, bur-, complic-, commun-, concord-, + confid-, conson-,
contadin-, (con)temper-, costum-, cre-, figliol-, form-, fratell-,
lagn-, manc-, etc. vgl. Anm.) sicil. - a n t s a (inur-, temper-,
sikur-, us-, dimur-, manc-, kri-), Lecce: - a n t s a (aus-), Bari:
a n d z e (piat-), Aquila: a n t s a (Ii-, kre-, tard-, secur-), Arpino:
a n t s a (piat-), Alatri: a n t s a (kri-, spr-, ner-), neap.: a n t s a
(mandz-), cors.: a n t s a (milur-, spir-, kus-, part-, Pruvid-)
Lucca: - a n s a (sper-), mil.: a n t s a (kri-, pit-, üs-, vesin-),
romagn.: a n t s a (mank-, dugli-, knuns-), a.-gen.: a n t s a (fi-,
alegr-, nomer-, perdun-, abit-, burb-, cont-, de-, monstr-, piet-),
Triest: a n t s a (bond-) etc. CANTIONEM, > c a n z o n e , sie.:
k a n t s u n i , cerign.: k a n t s o u n g , Lecce: k a n t s u n e , neap.:
k a n t s o n t s e l l a , Alatri, cors.: k a n t s o n a , trient.: k a n s o n .
Suff. - E N T 1 A > - e n z a (ard-, atten-, compet-, compiac-, confer-,
confid-, conflu-, congru-, coniv-, conosc-, consegu-, contegn-,
corpul-, cred-, cresc-, diffid-, part- etc. vgl. Anm.), sicil.: e n t s a
(pats-, sapi-, kus-, spart-, speri-, kunfid-, preval-, miscrid-,
disp-), B a r i : - e n d z e (vatssell- „vostra eccellenza"; ad-, audi-).
cerign.: - e n d z e (patsgi-, send-) und e n t s e (kanusts-), Aquila:
- e n t s a (kunfid-), Lanc.: - e n d z e (part-, penet-, patsindzeie),
mil.: - e n t s a (pas-, sent-, kars-, kard-), romagn.: - e n t s a (penit-,
kard-, afluv-), a.-gen.: - e n t s a (korr-, kre-, dekonos-), a.-berg.,
- e n t s a (cred-) etc. *FIDANTIO, -ARE > f i d a n z a r e .
*LEONTEA (nach griech. Xeövxivog? vgl. mhd. Lunze
— 99 —

.,Löwin") > + l e o n z a „leonessa, pantera". LINTEUM >


l e n z a , l e n z o , neap.: l e n t s a , cors.: l e n t s a , a.-gen.: l e n e a ,
LINTEOLUM >• l e n z u o l o , neap.: l e n t s u l g , Lecce.: l a n -
t s u l u , Aquila: l e n t s o l u , Bari: r e n d z e l e , Lailciano: l e n -
d z o l e , Arpino, camp.: l e n d z u o l e , Alatri: l e n t s o i ; gall., cors.:
l i n t s o l u , Gombit. l e n t s o l e , n.-gen. l i n s ö l , mil. l e n t s ö ,
a.-berg. l e n t s o l , tarant. (lantsuele <C ital. vgl. Zeitschrift rom.
Phil. XXII, 552), a.-ven. l e n s u o l o , triest. l i n t s i o l « *lin-
tsuol), trient. linsol. MENTIONO, -ARE „erwähnen" > [men-
zionare], mil. m i n t s o n a , a.-ven. m e n s o n a r . *MENTIONEA,
MENTION ARIUS (vgl. § 2 7 ) > m e n z o g n a „Löge", sie. m i n t -
s u n a r u „bugiardo". NUNTIUS > [nunzio, nuncio], ven.
n o n t s o l o „sagresta-no", triest. Chioggia n o n t s o l o . *PIN[C]-
TIO, -ARE ( < * P I N C T U < P I N G E R E ) > p i n z a r e „stechen"
( p i n z o „Stachel", + p i n z u t o „spitzig"). *PUN[C]TIO, -ARE
> * p u n z o , dav. p u n z e c c h i a r e „häufige Stiche beibringen"
(dav. punzecchio), a.-berg. p e r p o n t s „intersuo" (vgl. perpun-
tura „intersutura"), dav. p e r p o n t s a t r i s „intersutrix". PUN[CJ-
TIONEM > p u n z o n e „Punzen, Stoß mit dem Knöchel der
Faust", s p u n z o n e ( = puntone) „großer Stachel", a.-ven.
s p o n s o n . *RECENTIO, -ARE > moden. a r t s i n t s e r , mant.
ferrar. a r d z i n t s a r , torin. a r d z e n s s e . REDEM[P]TIONEM
> a.-gen. r e e n t j o n , a.-oberit. r e e n t s o n . *STANTIA >
s t a n z a , trient. s t a n s a . *TRIDENTIA >> mil. t r i e n t s a „tri-
dente, forca". *SEMENTIA > s e m e n z a , a.-gen. s o m e n ^ a ,
trient. s o m e n s a .
Dazu kommen noch folgende Städtenamen: ACERUNTIA
> A c e r e n z a (Lucanien), AVENTIA >> A v e n z a (Etrurien),
BANTIjE > S. M a r i a di B a n z i (Lucanien), CONSENTIA
> C o s e n z a (Kalabrien), DIGENTIA > L i c e n z a (Sabin.),
FLORENTIA > F i o r e n z a, FL ORENTIOL A > F i o r e n z u o l a
(Aemilia), FAVENTIA > F a e n z a (Aemilia), L1QUENT1A
(flumen) > L i v e n z a (Venetia), PARENT1UM > P a r e n z o
(Istrien), PICENTIA > S. M a r i a a Y i c e n z a (Picentiner),
POLLENTIA > P o l e n z a (Ligurien), PONTLE > P o n z a ,
PLACENTIA > P i a c e n z a , POTENTIA > P o t e n z a (Cam-
7*
§ 53. — 100 —

pania, Basilicata), S . M a r i a a P o t e n z a (Marke), VALENTIA


> Y a l e n z a (Ligurien), VICENTIA > V i c e n z a (Venetia).
Nack den vielen Namen auf - e n z a richtet sich F o r e n z a
(Apulia) < FORENTUM. A n z i o < ANTIUM ist Latinismus.
— Aus dem Codex Cajetanus führe ich an: l e n z e o l i (1028),
C o n s t a n z o (1029), t r i m e n z u l u (1067), Latinismen: l i c e n -
ziam, licencia.
ANIN. Fälle wie a m e n z a , d e m e n z a , a s s e n z a , eie-
rn enza etc. dürfen nicht als Erbwörter betrachtet werden,
sondern sie sind italianisierte Latinismen, wie auch die meisten
Ableitungen auf - e n z a , - a n z a vgl. d e f i c i e n z a , c o s c i e n z a
nebencoscienzioso, circonstanzaneben circonstanziare,
d i f f e r e n z a neben d i f f e r e n z i a , - z i o s o (viele der - a n z a -
Ableitungen stammen aus dem Provenzalischen). Desgleichen
sind die spätlateinischen Heiligennamen (in Ortsnamen) italia-
nisiert: ORONTIUS > Lecce Ront.su, FIDENT1US > San
F e n z o (Mizzole, provincia di Padova etc.), S. LEONTIÜS >
S a l i o n z e (Valeggio, Verona im Jahre 1396 als Salionzio be-
zeugt), S a l i o n z a (localitä presso Peschiera. Verona). Inter-
essant ist SANCTEUSEBIUS > V a l - s a n z f b i o (Monsel.
Padua).
§ 53. In einigen Wörtern erscheint statt n t s wider Er-
warten n t s , so neben Lecce, kal. t s i n t s u l u « *tsintsulu),
ital. c e n c i o , Alatri t s i n t s e „Fetzen" < *CENTIUM (für
CENTIO nach Ascoli vgl. Archivio glottologico ital. IV,
25), neben sie. a k k u m i n t s a r i , Lecce k u m e n t s u , laue,
k u m e n d z a , campob. k u m e n d z a , Arpino n k u m e n t s a , Alatri
k u m e n t s e , Pisa k o m e n ( t ) s a r e , a.-gen. k o m e n c a r , a.-berg.
k o m e n t s a , a.-ven. s k o m e n s o , trient. k o m e n s a r , a.-aquil.
k o m e n z a (z = ts; Cronaca aquilana XIV. Jh.), begegnet man
ital. c o m i n c i a r e , gall. k u m e n t s a , cors. k u m i n t s a , gombit.
k u m i n t s a r e , sill. k u m i n t s a r und in dem heutigen Aquila-
nischen k o m i n t s a r i < *COMIN[I]TIARE, ferner neben ital.
t e n z o n e ein a.-ital. t e n c i o n e , Pisa t e n t s o n e <C TENTI-
ONEM. WTenn man in ital. c e n c i o Assimilation annehmen
könnte, so bleiben doch die anderen zwei Fälle unerklärt.
Ich glaube, daß man mit Lehnwörtern aus dem Französischen
— 101 — §§ 55, 56.

zu tun hat: e i n e e s , c o m e n c i e r , t e n c i o n , und zwar nicht


mit Wörtern des g e s p r o c h e n e n Französisch, sondern der
französischen L i t e r a t u r s p r a c h e . Es ist bekannt, wie groß
der Einfluß der französischen Literatur im Mittelalter auf die
italienische war; es dringen nicht nur eine große Anzahl von
dem Italienischen unbekannten Wörtern aus dem Westen in
die Sprache ein, sondern es wird beinahe zur Mode, ein-
heimischen Wörtern eine französische Form zu geben. Wenn
man also statt dem alten c o m i n z a r e nach französischem
Muster c o m i n c i a r e schrieb, so haben wir es nicht mit einem
lautlichen Übergang des franz. n t s >• n t s zu tun, sondern
dieses c o m i n c i a r e wurde dann nach italienischer Art als
c o m i n t s a r e gelesen. In der Tat, zeigt die große Verbreitung
der t s - F o r m zur Genüge, daß dies die erbwörtliche Gestalt
sein muß, und die ts-Form, die fast nur auf das Toskanische
(von wo aus sie sich in einige Nachbardialekte verbreitet hat,
wie das Aquilanische beweist) beschränkt ist, taucht gerade
in dem Gebiet auf, welches von der französischen Literatur
am meisten beeinflußt war (auch span. portg. c o m e c a r ist
Lehnwort aus dem Franz.). Wie c o m i n c i a r e , stammt aus
dem Französischen auch m e r c i a r e „ringraziare" <C a,-franz.
m e r c i e r , m i n c i o „weich" (dav. amencire) <C a.-franz. m i n c e ,
f o r c i e r e (neben forziere aus dem gesprochenen Franz.) <
a.-franz. f o r c i e r etc. — Das Wort f a n c i u l l o geht nicht etwa
auf *INFANTEOLUS zurück, sondern auf a.-ital. f a n c e l l o
< f a n t i c e l l o , wie dies aus camp, f a n t s e d d u , l o g . f a n k e d d u
hervorgeht.
§ 54. NKi. Außer *LYNCEA « LYNX) > l o n z a , sen.
l o n t s a „gran ferne" und *TRUNCEUS (§ 71) > cal. t r u n t s u
„tronco", findet man die regelrechte Entwickelung nur noch
im Suffix *-UNCEUS > onzo(lo), worüber im § 71. Da-
gegen gibt es eine große Anzahl von Ausnahmen, die n t s
zeigen. Unter diesen stammt aus dem Französischen ital.
l a n c i a , l a n c i e r e , l a n c i a r e , abruzz. l i e n t s e (in „a de 1." =
„di gran corsa"), gegenüber a,-ital. l a n z a , sie, neap. Pisa.
a.-berg. l a n t s a , trient. l a n s a < LANCEA, a.-berg. s l a n t s a r ,
§ 53. — 102 —

romagn. s l a n t s e <C LANCEO, -ARE. Neben regelmäßigen


UNCIA > sie. u n t s a , Lecce, neap. o n t s a , cerign. Teramo
o n d z e , campob. o n d z a , tarant. o n t s e , a.-Chioggia onea,
trient. onsa, hat das Ital. o n c i a , Lucca, Sillano, Corsica
u n t s a . Diese letzteren sind Latinismen, welche die Erbwörter
verdrängt haben, was bei der Bedeutung des Wortes leicht
begreiflich ist. PROVINCIA > p r o v i n c i a , a.-ven. p r o -
v e n c i a war nie volkstümlich. Neben *BILANCIA ]> sie.
v a l a n t s a , cerign. v e l a n t s e , Lecce e d d a n t s a , a.-berg. triest.
b a l a n t s a , a.-gen. b a r a n ^ a hat das Italienische b a l a n c i a
(dav. balanciaio, -eiere), Teramo v e l a n d z e l e , campob. ve-
l a n d z a , welche a u f B I L A N C E M > b i l a n c e , mit Deklinations-
wechsel (wie in calcio, saldo, sorcio, forbicia, pomicia etc.)
zurückgehen. Das gleiche gilt von ital. p a n c i a , mil. p a n s a
< PANT[I]CEM, gegenüber mil. cors. ven. a.-berg. p a n t s a ,
campob. p a n d z a , lanc. p a n t s e aus schon vorromanischen
*PANT[I]CEA.
Daß die regelrechte Entwicklung der Gruppe NKi nicht
n t s , sondern n t s ist, ersehen wir am besten aus dem sicher-
lich erst mit dem Auftauchen eines Frankenlandes gebildeten
Worte FRANC1A > F r a n c i a , neap. F r a n d z a (sie, Frantsa
< franz.), welches den schon vollzogenen Übergang der Erb-
wörter nicht mehr mitmachen konnte, und wie jedes KI >
tsi wurde. Dasselbe gilt von den aus dem Germanischen ent-
lehnten: g u a n c i a < * w a n k j a , * s c a n c i a r e , woraus s c a n c i a
< s k a n k j a n , g u e n c i a r e , g u e n c i r e < w e n k j a n . Auch
in den durch späte Methatese entstandenen *CRANCIU (CRAN-
CÜS ist in der Mulomedicina Chironis 102, 22 belegt) < *CAN-
C R I U < C A N C E R > g r a n c i o (neben granchio) „Krebs",neap.
g r a n t s o , ven. g r a n t s o (vgl. friul. grants, vegl. gruns) sehen
wir dieselbe Entwickelung zu nts. Wir können daher mit
Bestimmtheit sagen, daß das nur bei Papias belegte PINCI-
ONEM > ital. p i n c i o n e , erst spät in die Volkssprache
Italiens gedrungen ist. Unter den Ortsnamen sind M. P i n c i o
< PINCIUS und M i n c i o (flumen) < M I N C I U S (Poland) Lati-
nismen, dagegen E n z a (flumen) < INCIA (Aemilia) Erbwort.
— 103 — §§ 55, 56.

Amh. R o m a n z o stammt nicht aus *ROMANCIUM(?),


sondern ist ins Italienische durch franz. Vermittelung oder
direkt aus dem Spanischen r o m a n c e « ROMANICE) ge-
kommen. — Im Gegensatz zu Petrocchi, Tanfani und Rigutini
gibt Pieri (Archivio glott. ital. XV 171) für l o n z a die Aus-
sprache l o n d z a an, die er richtig erklärt: „Lo dz (invece
dello ts) si dichiarerä come pronunzia erronea di voce giä
disusata . . . Non e mai nominata oggi, se non come una tra
le famose fiere della Selva dantesca". — G u i n z a g l i o „vin-
ciglio" steht für v i n z a g l i o und geht auf ein * v i n z o << VIN-
CEUM für VINCULUM (nach § 71) zurück. — P i n c i o „Pint,
männliches Glied" scheint ein rekonstruierter Singular zum
Plural p i n c i vom Synonim p i n c o (wohl mit a.-ital. p i n c a
„Art Gurke" verwandt) zu sein.
§55. LTi.
*ALTIO, -ARE > ( i n ) a l z a r e , sie. a u s a r i , Lecce a u § u ,
- r a r e (nb. autu <C *ALTO), aquil. a u t s a , campob. K a u t s a
(nb. Hauta < *ALTARE), Lanciano a l d z a , neap. a u t s a r e ,
Arpino a t s e , Alatri a t s s e , gall. a l t s ä , cors. a r t s u , a.-gen.
aeji „alzi", trient. a l s a r . BALTEUS, BALTEO, -ARE, BAL-
TEANUS (Archiv lat. Lex. II, 477) > b a l z o , b a l z a , b a l -
z a r e , b a l z a n o , neap. b a o t s a n o , cal. ab-, s - b a u t s a r e
seiogliere le vesti succinte", a.-gen. s t r a b a c a r „strabalzare",
a.-berg. b a l t s a n a „subalbus" (vom Pferd, vgl. rum. bältat),
trient. v a u s a . COL[U]TEA(?) >• c o l z a „Rübsamen, Raps",
*TOLL[U]TIO, - A R E ( ? ) > s t o l z a r e ' ( d a v . stolzo).
§ 56. LKi.
CALCEA > ital. c a l z a (dav. calzetta), Capo di Leuca
Vouci (Plur.), neap. k a u t s a (kautsetta), cerign. s k a l t s e
(kaltsette), Lecce k a u c i (Plural, kaucet.tu). aquil. k a r t s e t a ,
campob. k a u t s a , s k a u t s e , cors. k a l t s a , s k a l t s u , Lucca
k a r s a , gombit. Sillano a.-berg. k a l t s a , trient. k a l s a . *CAL-
CEO, - A R E X i n ) c a l z a r e , n e a p . k a u t s a r e , Alatri ( s ) k a u t s ä ,
a.-gen. e n c a ^ a r , trient. c a l s a r . *CALCEARE > c a l z a r e
„Fußbekleidung". CALCEAMENTUM > c a l z a m e n t o , piem.
k a o s a m e n t a . *CALCEOLARIUS > c a l z o l a i o , aquil k a l -
t s u l a r i , a.-berg. k a l t s o l e r , gall. (kaltsulaiu •< ital.) cors.
§ 53. — 104 —

kaltsulacu. CALCEONEM c a l z o n e , neap. k a t s o n e ,


cerign. k a l t s o u n e , aquil. k a u t s u n i , Lanciano k a v e t s o n e ,
campob. k a u t s o u n e , Arpino k a t s u n e (Plural). DISCULCEUS
>• päd. d e s k o l t s e , trient. d e s k o l s „barfuß". *FALCIA ( <
FALX) > Arpino f a u t s e „falce". HELCIARIUS > a l z a i a
(Salvioni, Zeitschrift rom. Phil. XXIII, 516).
Wörter wie s t r a f a l c i a r e , f a l c i o n e etc. sind natürlicli
spätere italienische Ableitungen von falce. Der Ortsname
P i a n o di V o c e < (V)OLCIUM (Etrurien) hat keine erb-
wörtliche Gestalt.
§57. RTi.
CURTIONEM (CURTIO = va C. Gl. III, 305, 17; 517,
66; = vipera II, 576, 5; CURCIO III, 444, 64; 486, 61 vgl.
Wiener StudienXXV, 9 8 ) ^ > s c o r z o n e , sie. s k u r s u n i „coluber
atratus" (marcell. skortsune, otrant. skorsuna etc.), a.-lomb.
skurc^o „serpente", canav. s k ü r s , berg. s k ü r s , s k ö r s (vgl.
span. escuerzo, escorzön). *EXSCORTEO, -ARE > s c o r z a r e .
trient. s c o r s a r e . *FER[I]TIO, -ARE > f e r z a r e „peitschen".
*FORTIA > f o r z a , aquil. (s)fortsa, Lucca, Pisa, trienr.
f o r s a , gombit. f o r t s a . *FORTIO, -ARE > f o r z a r e , a.-gen.
f o r § a r . *MARTIA > m a r z a „Pfropfreis". MARTIUS >
m a r z o , neap. m a r t s o , aquil. cors. m a r t s u , Sillano m a r t s e .
romagn. m e r t s , trient, m a r s o . *MORTIO, ARE < a m m o r -
z a r e „auslöschen", aquil. mil. s m o r t s a , Sillano a m m o r t s a .
triest. s m o r t s a r . TERTIUS (DIES T. NUDIUS T.) *TEK
TIO, -ARE, * T E R T I ( A R I ) O L U S > t e r z o , t e r z u o l o , t e r z a r e
„teilen", cal. d i t e r t s a , sie. aquil. t e r t s u , Lecce, a.-berg.
t e r t s a (fem.), Alatri t e r t s e , gall. t e l t s u , tarant. n u s t e r t s a .
triest. t e r t s a r i o l . SCORTEA > s c o r z a , neap. s k u o r t s o .
cerign. s k o r t s e , Lecce s k o r c a , Bari s k u e r t s e „cantaccio
del pane", Teramo s k u r t s e , Lucca s k o r s a , mil. a.-berg.
s k o r t s a , a.-ven. s c o r ^ o , trient. s k o r s a .
Wenn neben diesem regelrechten r t s ein r t s in Wörtern
wie Pisa: s f o t s ä , sicil. campob. Alatri s k o r t s a , Lanciano
campob. s k u r t s a „levare la scorza" erscheint, so handelt es
sich um Entlehnungen aus dem Französischen (eforcer, ecorce.
— 105 — §§ 55, 56.

ecorcer vgl. § 53). Desgleichen ist ital. a c c o r c i a r e , s c o r -


c i a r e , Bari k u r t s e , Teramo k u r t s a , tarant. s k u r t s a r (trient.
skortare) das a.-franz. e s c o r c i e r , a c c o u r c i e r , nicht das lat,
*EXCURTIARE. Ital. s q u a r c i a r e stammt nicht aus *EX-
QUARTIARE vgl. § 63. Da man aber keinen einzigen Fall
von lat. R T i ^ > r t s hat, muß die auch begrifflich nicht ganz
einleuchtende Schuchardtsche Etymologie (Zeitschrift rom. Phil.
XXIII, 189 u. 419) *CURTIUS > cal. k u r t s u , sie. k u r t s u
„animale piccolo e senza coda" (kurtu „kurz"), abruzz. kurtse
„Ziegenbock" aufgegeben werden.
§ 58. RKi.
*ORCEA ( < ORCUS) > Arpino o r t s a „Popanz, Orkus-,
*TORCIO, -ARE, *TORCIOLARE (§ 70) t o r z a r e (Dante),
r a t o r z o l a r e „sich zusammenknäueln", c a p i t o r z o l o (wie
latti-vend-olo) „Scheinheiliger", b i t o r z ( o l ) o , Verona, t o r t s o
„Fackel". TRIFÜRCIÜM > gall. t r i u t s s u „tridente, forca"
(dav. triutssigga „sventolare il grano"). URCEOLUS > kal.
o r t s u l u , Lecce r $ u l u , tarant. t s i r u l o « *urtsulo).
Wenn dagegen ital. o r c i o , o r c i u o l o , neap. a r t s i u o l o ,
Alatri r eot t s o l a für URCEUS,7 URCEOLUS erscheinen,7 so er-
weisen sie sich wie a r c i o n e m „Holzbogen, Sattel", als Ent-
lehnungen aus dem Französischen (orce, orQuel, arcon). Da-
gegen ist ital. q u e r c i a , Lanciano t s e r k e « *kertse), gombit.
g u e r t s e , mit Deklinationswechsel aus q u e r c e entstanden.
Ital. t o r c i a (dav. torciolo) stammt aus dem franz. t o r c h e
« *TORCA vgl. § 70).
§ 59. TTi.
*GLUTTIUM „Schluck" (vgl. § 46 Anm., besser als Pieris
Ableitung aus *GLUTTA < GUTTULA Arch. glott. ital. XV
344 u. 490) > a.-ital. g h i o z z o , ven. d z o t s o , d z o t s a , trient.
dzoso. *GUTTIUM « GUTTUR vgl. W. Meyer: Lat. Neu-
trum S. 61 oder verkürzt aus gorgozza < GURGUTLA?) > -
gozzo, sie. v o t s s a „Kropf", triest. gos. MATTIA > m a z z a ,
mazzo, L u c c a m a s s a , a.-gen. m a 5 a , a.-berg. m a t s a , n.-berg.
m a s s a , bresc. piem. m a s , neap. m a t s s a „legno tornito 0
nodoso", m a t s s o „intestino retto", trient. m a s a „Keule", mas
— 106 —

„Strauß". *MATTEO, -ARE > a m m a z z a r e „töten, zu einem


Strauß binden" (mattare „töten" < MACTARE), cerign.
( m a t s s e k ä „schiacciare coi denti"?) Arpino s m e t s s a t e ,
a.-berg. a m a t s a r „töten", triest. m a t s a r , trient. m a s a r
„töten". *MATTEALE > a.-berg. m a t s a l „Stange zum
Drehen der Schraubenspindel der Kelter". *MATTEUC(C)A
> „Bündel", *MATTEOCA § 80. *MATTEOLUM > maz-
z u o l a , neap. m a t s s o l a , a.-berg. m a t s o l , bresc. piem. m a s s ö l
„Strauß, Bündel", ven. m a t s s o l a . *SUBGLüTTIO, ARE >
s i n g h i o z z a r e , ( s ) i n g o z z a r e , lomb. emil. mil. a.-berg. i n -
g o s s a , n.-berg. i n g o s a , ven. a n g o s s a „suffogare, far nodo
nella gula", crem, s a n g o s a . SUBGLUTTIUM (Archiv lat.
Lex. IX, 433) > s i n g h i o z z o , neap. s e l l u t s s o , cerign. sed-
z z u t s s e , aquil. s u l l u t s s u , Bari (segghiutte), Lanciano sei-
o t s s e , Teramo, s e l l u t s s e , campob. Arpino s g l l u t s s e , gall.
s i n n u t s s u , cors. s i n g o t s s u , pistoj.singotsso, crem, s a n g o s
(u. sangöt), triest. s a n i o t s .
In einem einzigen Falle scheint TTi zu t s s geworden zu
sein: *GUTTEA^>goccia(dav.gocciare, gocciolare „tröpfeln")
Teramo K o t t s e , Lanciano v ö t s s e (nb. votte), gall. g u t s s a
(nb. gutta), cors. g o t s s a , trient. g o s a (zgosa „es tröpfelt")
worüber im § 71. — Ein schönes Beispiel ist der Ortsname
C o z z o < C Ü T T L E (Libiker).
§ 60. KKi. Fast alle Beispiele mit KKi bieten Schwierig-
keiten. Dennoch ist das Resultat t s s sicher. BISSACIUM
scheint sich nur in Cerignola erhalten zu haben: v e s a t s s e ,
sonst ist ital. b i s a c c i a , neap. v e s a c c i a , campob. v e s a t s s a
ein aus dem Plurale tantum b i s a c c e neugebildeter Singular
(nb. bisacca). ECCEHOC und ECCEHAC zeigen teils ts,
teils t s , je nachdem die Wörter früher oder später zusammen-
gewachsen sind, d. h., je nachdem man sie als ein Wort:
EKKiAK, EKKiOK, oder als zwei Wörter EKKE — AK,
EKKE —OK gefühlt hat: ital. ciö, a.-ital. zä, neap. t s o , t s s o ,
n t s ö , sie. t s s a (Piazz.), t s o k k u , Lanciano t s o , a.-gen. $a,
90, tso, mil. t s ä , t s ä , sä, p e r - s ö , a.-Chioggia t s o , trient.
so. Pieri (Archivio glott. ital. XV, 302) will t o z z o „Stück
— 107 — §§ 55, 56.

Brot" mit t o c c o „Schnitt von Brot" in etymologische Ver-


bindung bringen, und aus einem Typus *TOCCIU ableiten,
dessen Erklärung er uns freilich schuldig bleibt. Dem ital.
•soccio, c o c c i a , neap. k u t s s a „coccia, cranio", sie. k o t s s n
..nuca, oeeipite", cerign. k o t s s e „Schädel", k o t s s e l g „cocci-
ola", Lecce k o t s s a „coccia", k u t s s e t t u „testolina", aquil.
n k o t s s a „in capo", Bari k p t s s e „coccia" (S. 9 gegen kugtsse
S. 10), campob. k o t s s a , k o t s s e l a „conchilio" (aber kutssette
wohl entlehnt aus dem Süden), tarant. k o t s s e liegt, wie ein
Vergleich mit den im § 65 angeführten Fällen beweist, nicht
*COCCEUS, *COCCEA « g r i e c h . xoxxog „Beere", vgl.D'Ovidio
Grundriß rom. Sprachen I, 521) zu Grunde, sondern *COCEUS,
*COCEAmit einfachem c (vielleicht aus griech. xavxa „patera",
vgl. it. cocuzza und alb. koke „Kopf, Hirnschädel", span.
c o g o t e , prov.cogot „Hinterkopf", G.Meyer: Alb. Wörtb. 165).
Endlich gehören hierher noch die im § 71 zu erklärenden
«MUCCEUS > m o z z o , *P1CCEUS> pizzo nebst Ableitungen.
Wir müssen indessen bei diesen zwei Wörtern länger ver-
weilen.
§ 61. Die von MUCCUS „Rotz" abgeleiteten italieni-
schen Wörter zeigen sowohl begrifflich als auch in formeller
H insicht manche Eigentümlichkeiten, deren Erklärung Schwierig-
keiten bereiten. Neben MUCCUS - *MUCCARE — *MUCCI-
CARE begegnet man den i-Ableitungen *MUCCEUS, *MUC-
CEARE und einem aus der Fusion dieser Typen hervor-
gehenden *MUCCEUS + Suffix -ICARE, u. z. so, daß alle
diese Formen in einem bunten Durcheinander erseheinen.
Wir werden an dieser Stelle nur den Sinnesentwickelungen
unsere Aufmerksamkeit widmen.
a) „Rotz" — sich schnauzen": MUCCUS — *MUCCARE.
In diesem Sinne kommen die Wörter in fast allen rom.
Sprachen vor; vgl. Körting 2 Nr. 6332. Das Rumänische ge-
braucht fast ausschließlich den Plural m u c i , — der Singular
m u c „ausgetrockneter Rotz" ist höchst selten, — und so muß
es auch im Italienischen gewesen sein, dessen m o c c i o „Rotz"
(Sillano m o t s s e . ven. m o t s s o , trient. mos) ein neugebildeter
§ 53. — 108 —

Singular vom Plurale tantum m o c c i ist (oder es geht auf


*MOK'K'US § 71 zurück). MÜCCUS hat sich erhalten in
den Ableitungen m o c c o l o „Rotz", in a.-berg, m o k a r o l „na-
sitergium", bresc. cremon. com. m o k a r o l „Schnupftuch" und
in -valtell. m ö k a n „Rotz". Daneben findet sich in dem Sinne
„Rotz" der *MUCCICU-Typus in: ital. m o c c i c o „Rotz", da-
von m o c c i c o s o = m o c c i o s o „schleimig, rotznasig", s m o c -
c i c a r e „lasciarsi cadere i mocci", m o c c i c h i n o „Schnupf-
tuch", gall. m u t s s i k u , cors. m o t s s i k u , gombit. m o t s s e g e ,
aret. pistoj. m ö t s s i k o „Rotz".
b) „rotzig" — „Rotzbub" — „Junge" — „Knecht": Das
rum. m u c o s < MUCCOSUS bedeutet „rotzig", dann aber,
ähnlich wie das deutsche Rotzbub und das franz. m o u c h e r o n ,
wird es von Kindern, im pejorativen Sinne gebraucht. Den-
selben Sinn haben die ital. m o c c i c o n e , m o c c i c o n a „Rotz-
nase, Schmutzfink, dumme Person, Gimpel" — m o c c e c a =
m o c c i o n e = m o c c o l o n e („suol dirsi a' bambini per gar-
rirli del troppo lor piangere, perche nel piangere essi sogliono
gettar dal naso de' mocci o moccoli"), sass. m u k k u n o s u
„moccioso e anche bimbo", Arbedo möseröt „moccicone, uomo
dappoco". Aus der Bedeutung „Junge, Schmutzfink, dumme
Person", konnte leicht diejenige von „junger Diener", die ge-
wöhnlich in den Augen ihrer Herrn als „schmutzig" und
„dumm" gelten, entstehen. Daher leite ich aus *MUCCEUS
= MUCCOSUS das Wort mozzo „zu niederen Geschäften
verwendeter junger Hofdiener, Kammer-. Küchen-, Stall-,
Schiffsjunge", neap. m u t s s o „mozzo", ragazzo", sard. (log.
camp, gall.) m u t s s u „guattero, garzone", m u t s s a „serva" ab.
c) „Rotz" — „Nase, Maul". Während z. B. in Como und
Milano n a r i t s < *NARICEM nicht mehr die Nase, sondern
den darin befindlichen Rotz bedeutet, hat im Rumänischen
gerade die entgegengesetzte Sinnesentwickelung stattgefunden
und arum. m u t s , mgl. m u t s e < *MUC[C]EUS, *MUC[C]EA
bedeutet „Schnauze, Maul". Ein ähnliches Wort muß auch
im log. existiert haben, wie die Ableitung m u t s s i g h i l e
„imboccatura del freno" beweist. Wie *MUCCARE .,die
— 109 —

Nase abwischen", Avird *MUCCEARE „das Maul abwischen"


bedeuten, wie dies das rum. s u m u t (<*SUBMUCCEARE)
„frictionner le museau d'un cheval et lui tirer les oreilles
pour le remettre dune longue course et pour le preserver
du mauvais oeil" zeigt. (In Kronstadt heißt s u m u t „ein
Kind bei der Nase erwischen und es dadurch am Weinen ver-
hindern", wie aus folgender Stelle ersichtlich ist: ,,pin' la
botez il scaldä asa ca il spalä cu säpun . . . si care-1 infasie
ii face cruce si il s u m u t ä de nas, vorba-i cä pentru alte rele,
ca-i copilul mic, or sä nu se deoache". Convorbiri literare
XXXVI, 551).
d) „Maul" — „beiße". Wie von b e c c o „Schnabel" das
Verb b e c c a r e und b e z z i c a r e (§ 62) abgeleitet wird und
„mit dem Schnabel hauen, stechen" heißt, so wird parallel
das dem „Maul" entsprechende Verb „beißen" bedeuten. Ein
*MUCCICO in diesem Sinn ist weit in Rumänien und Italien
verbreitet: rum. m u s c « alt.-rum. mutsk Cod. Vor. 26/5 vgl.
Candrea Romania XXXI, 314, arum. musku, mgl. irum. mu-
tsku vgl. § 71), Lanciano m u t s s e k a „mordere" (dav. mo-
tsseke „morso, boccone"), Teramo m u t s s e k a , campob. m u -
t s s e k e „morsico und morso", Arpino m o t s s e k e „mordo".
Daneben aber, und weit verbreiteter ist in Italien der Typus
*MUCCEUS + Suffix -ICARE: sie. m u t s s i k a r i , neap. m u -
t s s i k a r e , apul. m o t s s i k a r e , kal. m u t s s i k u n e „Biss"
(woraus alb. m u t s i k ü n ) , cerign. m u e t s s e k e „morsico", aquil.
m o t s s e k a , Alatri m u t s s e k a t e „morsicato", t a r a n t . m u t s s e k a ,
Lecce m ö t s s e k u (gegenüber tssisu <C OCCISUS), Roma
m o t s s i k o etc.
e) „Grimasse" — „spotten, hetzen". Im Abruzzesischen
hat m u t s s e k a auch die Bedeutung „spotten", den Papanti
(I parlari in Certaldo S. 55) für Gesso Palena und Chieti be-
zeugt. Dieser Sinn ist aus „beißen" entstanden (vgl. „er ist
bissig") und ist von den nun zu besprechenden Ausdrücken
für „spotten" verschieden. Lork (Altbergamaskische Sprach-
denkmäler S. 177) führt aus Oberitalien folgendes an: ven.
hol. m o k e ..diconsi gli atti e le parole che ci pajono super-
§61. — 110 —

flue e leziose", f a m i g a di m o k e „noii lare smofie", fa di


m o k e a e r g ü „vezzegiare, far carezze eccedenti ed affettate,
lomb. f a la m o k a „aguzzare le labbre inverso uno o cacciar
fuori la lingua o altrimentvi fargli brutto viso in segno di
disprezzo", a.-berg. f a l a m o k a „torzer ol nas", auch trient,
f a r le moke. Damit ist franz. f a i r e la m o u e „grimasse
qu'on fait en allongeant les levres, en signe de mecontente-
ment ou de derision", span. h a c e r m u e c a s „sich zieren" zu
vergleichen. Wenn aber die norditalienischen Formen zu
MUCCUS passen und auch begrifflich aus der Bedeutung
„Maul" (far le moke bedeutet „die Lippen spitzen, indem man
sie vorstreckt") oder aus dem pejorativen Sinn des.Wortes
erklärlich sind (vgl. auch a.-ital. m u c c i a r e „verspotten, ver-
höhnen" aus m o c c i o , valtell. m ö k e n a „scherzo" Arbedo
m u s i d r u „Spott"), widerstreben das spanische und französi-
sche Wort, die teils offenes o, teils einfaches c verlangen,
dieser Ableitung. Die Erklärung ist die folgende: im Vor-
romanischen hat neben MUCCUS auch en *M6CUS existiert,
c
mit dem es sich vermischt hat. Dieses stammt aus dem
griech. ficoxäv, (icöxoq, welches in späten Glossen, gleich t o r -
t i o n a r i u m C. Gl. V, 623 (vgl. a.-berg. „fa la moka over
t o r z e r ol nas"), das lat. s a n n a C. Gl. II, 374 auch
i n g a n n a t u r a C. Gl. II, 682 im Sinne des rum. i n g l n ä t u r ä
„Grimasse, Spott, Nachäffung") übersetzt. Somit erklärt sich
auch das franz. se m o q u e r (aus dem Pikardischen), — engl,
to m o c k stammt aus dem Französischen — und prov. se
m o u c a „spotten". — Auf einem dem „faire la moue" = „die
Lippen spitzen" ähnlichen Sinn beruht das arum. m u t s ä
„zuzeln" •< *MUCCEARE („ku tsubuka'n gurä mutsä ka na-
klu tsi sudze tsltsä" = „er zuzelt mit der Pfeife im Mund,
wie das Kind, welches an der Brust saugt" Obedenaru). Von
„spotten" bis „hetzen" ist nur ein Schritt. Diese letzte Be-
deutung hat das drum, m u t a (Tibuna 1890 No.93), a s m u t a .
a m u t a . s u m u t a < EX-,7 AB-, SUB-*MUCCEARE. Sie
c ' c '
werden speziell für das „Aufhetzen der Hunde, welches da-
durch geschieht, daß man die Lippen spitzt und durch das
— 111 — §§ 55, 56.

Einsaugen der Luft einen zischenden Ton hervorbringt" ge-


braucht. Ich glaube, daß auf *ADMUCCEARE auch das von
Horning (Zeitschrift rom. Phil. XV, 452) zur Bekräftigung
der Gröberschen Etymologie: ital. a m m i c a r e = AD + ME
+ 1CCARE aus dem patois Poitevin angeführte a m o i s s e r
„exciter les chiens ä nous defendre, en criant a moi, ä moi!"
beruht (das „en criant ä moi, ä moi!" ist für die Etymologie
belanglos, weil auch im Rumänischen neben dem zischenden
Ton der Ruf „pe el!" oder „prinde-1" den Hunden zugerufen
wird).
f) „Stumpf" — „verstümmeln". MUCCUS bedeutet außer
„Rotz" auch „Stumpf": rum. m u c de l u m i n a r e „Kerzen-
stumpf", m u c de t i g a r ä „Zigarrenstumpf", m u c ä r i „Licht-
putze". In diesem Sinne ist es auch in Italien verbreitet:
m o c c o l o „Lichtstumpf", davon m o c c o l e t t o , m o c c o l i n o
„kleine dünne Kerze", m o c c o l a i a „Lichtschnuppe". Das ent-
sprechende Verbum *MUCCEARE heißt „abstumpfen, die
Spitze abschneiden": ital. m o z z a r e „abschneiden, kürzen, tag-
liare della estremitä" (z. B. mozzare la coda a un cane), log.
m u t s s a r e „tagliare"; davon ital. m o z z a m e n t o , m o z z a t u r a
(di sigarre), m o z z o „abgeschnitten" und „Abschnitzel", davon
m o z z e t o „kleiner Kerzenstumpf", m o z z o n e „Peitschen-
schnitze", cerign. m e t s s o u n e , neap. m o t s s o n e , campob. me-
t s s o u n e , Lanciano m u t s s o n e „mozzicone di legno bruciato,
di candela" dav. mutssungelle di sichere „sicca"), sicil. m u z -
z u n i „mozzicone, spago ritorto al estremitä del correggiato
della frusta". Endlich die *MUCCEUS + -ICARE-Typen:
( s ) m o z z i c a r e „verstümmeln", a m m o z z i c a t o „in Stücke
zerschnitten", m o z z i c o n e (di candela, di sigaro) „Stumpf",
bol. m u t s g a n , gombit. m o t s s e g o n , Sillano motsseHon.
§ 62. Weit verwickelter ist die vom Stamme PICC-
(Körting 2 No. 7131) abgeleitete Wortsippe. Wir werden
dennoch, wie bei MUCCUS versuchen, die verschiedenen
Sinnesentwickelungen zu verfolgen.
a) „Gipfel" — „Spitze" — „spitziger Gegenstand" —
„stechen": 1. PICC-: ital. p i c c o „Bergspitze", p i c c a „Spieß,
§ 53. — 112 —

Pike", dav. p i c c a r e „stechen, prickeln (Wein)" (dav. p i c c o


„Stechen"), ven. p i k a r , s i c . p i k a r i ; dar.ital. p i c c o n e „Picke".
2. PICCi-, ital. p i z z a „großer, eirunder, oben spitz zulaufen-
der Käse", p i z z o „kleiner, spitzer Kinnbart", p i z z a r e
„zwicken, kneifen, sticheln", sie. p i t s s u „angolo acuto",
p i t s s a „estremitä acuta di checchesia, punta", a p p i t s s a r i
„appendere, sospendere una cosa in qualche punta", sard., cal.
p i t s s u „Spitze, Schnabel" C> p i t s „Schnabel"), oberit.
p i t s a „beccare", tarant, p i t s s u l o „punta", a.-Chioggiapicolo,
Arbedo p i t s „becco, eima", p i t s ä a „beccare", Lanciano p i -
t s s e „punta, estremiä d'un oggetto, m b i t s s ä „ficcare, far
entrar la punta". 3. *PICCICARE (vgl. § 71) hat sich meines
Wissens nur im Rum. p i s c a „zwicken, kneifen, sticheln" <C
* p i t s k a (vgl. Candrea Hecht-Romania XXXI, 314) erhalten.
4. PICCi + ICARE erscheint im Rumänischen in p i t i g o i ü
„Sperling", p i t i g a e s c = ital. pizzicare und in p i s c „Gipfel"
< * p i t s k - < *pits[i]k. Im Italienischen haben wir p i z z i -
c a r e „zwicken, kneifen, sticheln, zupfen" (pizzicato „blatter-
narbig" = rum. piscat, de värsat), dav. p i z z i c o „Priese
Schnupftabak" = p i z z i c h i n o , p i z z i e o r e „Jucken, Kitzeln",
p i z z i c o t t a r e „zwicken", Lanciano p i t s s e k ä „bezzicare, pin-
zare", p x t s s e k e „pizzicotto", ven. p i t s e g a r , sie. p i t s s i k a r i ,
Sillano p e t s i Ü a r , Lucca e s s e r e in p l t s s i k o „essere all'estre-
mitä", camp, p i t s s i ä i „pizzicare", Teramo p e t s s e k i t e , , piz-
zicata, puntura" K a p p i t s s i „entrare a pena", bol. p t s i g e e r
„pizzicare".
b) „Stich" — „Punkt" — „Tupfen" — „Tropfen" —
„wenig" — „klein". Ebenso wie PUNCTUS „Stich" zu der
Bedeutung „Punkt, Tupfen", dann „etwas kleines" gelangt,
so auch die nun zu besprechende Wortgruppe. Rumänisch
haben wir pic „wenig", arum. k i k a , „Tropfen, Bissen" (und
wie GUTTA > g u t ä auch „Schlaganfall") p i c ä , p i c u r a
arum. k i k ä , mgl. p i k „tröpfeln", davon drum. mgl. p i c ä t u r ä
..Tropfen". Im Albanesischen finden wir p i k e „Tupf, Fleck,
Sommerfleck, Tropfen, Schlagfluß", p i k o n „tropfe". Das
Italienische hat p i c c o und p i c c a t o „Tüpfelchen", p i c c o l o
— 113 — §§ 55, 56.

„klein" p i c c i n o , p i c c i o l i n o , p i c c i n a c c i o , p i c c i n a c o ( l o )
„klein(er Mensch), cal. p i c c a „wenig" ( = rum. un pic). Auf
*PIK'0 (§ 71) geht ital. s p i c c i o , p i c c i o l o , neap. p i t s s o l o
„Kleingeld", sard. (camp.?) p i t s s o k k u „Knabe" zurück. Da-
gegen beruht auf PICCi- sard. (log. camp, gall.) p i t t s i u n u
„giovane", a.-berg. p i t s e n a „klein", (trient. p i t s u l „picciolo"
stammt aus dem Friulanischen).
Nach p i c c a r e = p i z z i c a r e richtete sich dann b e c c a r e
= b e z z i c a r e , cors. b e t s s i g ä (dav. betssigu „becco"). Da-
gegen gehört ital. a p p i c c a r e „zusammenkleben" — a p p i c -
c i c a r e (sie. pitssikare „attaccarsi fortemente", Teramo Üappi-
t s s i k i „appiccicare") zu deutsch p i c k e n . Die italienische
Nebenform a p p i c c i a r e ist durch impicciare § 63 beeinflußt
(sie. p i t s s a r e ) . Ital. a p p i c c i a r e „anzünden", Bari a p p i t s s a
f o g g e r e " accendi fuochi", campob. ii a p p i t s s g „metto fuoco",
Alatri ie a p p i t s s e „metto fuoco", mil. p i t s ä „accendere"
geht auf *ADPICEARE « PIX) zurück.
§ 63. KTi, PTi ergeben teils t s s und teils tss. Dies
letztere nur auf dem Gebiet, wo ein ts-Laut vorkommt:
*CAPTIO, -ARE >• c a c c i a r e „jagen" dav. c a c c i a
„Jagd" ( c a z z a r e „das Tau einziehen" als Marineausdruck ist
dem Ligurischen entlehnt) sie. k a t s s a r i , aquil. k a t s s a , lanc.
katssä „mandar via", campob. k a t s s ä „metter fuori", tarant.
gombit., Sillano k a t s s ä , gall., cors. k a t s s a „caccia", a.-gen.
d e s k a i j a r , k a ^ a , mil. k a s ä „stimolare, pungolare", a.-berg.
d e s k a t s a r „vertreiben", n.-berg. k a s s a , a.-Chioggia ka<;adi,
trient. k a s a r , k a s a d o r .
*CO ACTIO, -ARE > Lecce k a t s a r e „zerdrücken".
COCTIONEM > (s)cozzone. *COMPECTIO, -ARE «
COMPECTUS < COMPACISCOR „Vertrag schließen") >
c o m p i c c i a r e „zustande bringen". *COMPTIO, -ARE und
*COM[P]TIO, -ARE > a c - , s - c o n c i a r e (dav. concio), sie.
k u n t s a r i (akkontsu, skontsu <[ ital.), cerign. a k k o n d z e ,
Lecce k o n t s a , aquil. a k k o n t s a t u r i , Lanciano a k k o n d z e ,
campob. a k - , s - k u n d z e , Arpino a k k o n t s § , gombit. k u n -
t s a r e , Sillano k u n t s a r , a.-gen. des-, a - k o n ^ o , mil. konso,
8
— 114 —

nb. k o n t s ä , a.-berg. a k o n t s „Schläfe", trient. k o n s a r .


*CORRUPTIO, -ARE > c o r r u c c i a r e (dav. corruccio), Sil-
lano me k r o t s s a „mi corruccio", romagn. k u r t s e „corruc-
cio". *DISTRICTIA « DISTRICTUS + Suff. IA) > di-
s t r e z z a . *DIRECTIO, -ARE > ad-, in - d i r i z z a r e , sie.
d r i t s s a r i , neap. a d d e r e t s s a r e , Lecce n d r i t s s u „io dirizzo",
cal. a d d i r i t s s a r e , a.-gen. d r i ^ a r , trient. n d r i s a r . DIREC-
TIONE > d i r i z z o n e „hartnäckiger Entschluß" ( p r e n d e r e
un d. = „sich etwas in den Kopf setzen" = „eine gewisse
Richtung einschlagen") [nb. direzione]. *DÜCTIO, -ARE >
d o c c i a r e „harabgießen" dav. d o c c i a , d o c c i o „Wasserröhre",
sie. d u t s s a r e , d u t s s a , piem. doss. *EXCARPTIO « ^ E X -
CARPTUS für EXCERPTUS) > s q u a r t i a r e „ zerreißen ", a.-gen.
s q u a r t j a r *EXPACTIO, ARE? (Körting 2 3015) > (di)spacciare,
*EXPICTIO,-ARE(Körting23022)>spicciare,dispicciare)
Teramo spitssi „ spicciare", Lanciano i i s p i t s s e , , sprudle hervor".
FACTIONEM>>a,-it. f a z z o n e dav.(r)affazzonare [nb.fazione],
sie. f a t s s u n i „fattezze", a f f a t s s u n a r i „schmücken". *FRIC-
TIO, -ARE > f r i z z a r e (dav. frizzo), a.-aquil. f r i e z a n t e .
FRICTIONEM > romagn. f r i t s s o n , trient. f r i s o n „Jucken".
NEPTIA > n e z z a , n.-gen. n e s s a , ven. n e t s s a (masc. netsso),
trient. nesa. N U P T L E > n o z z e , sie. n o t s s i , Lanc. n o t s s e ,
bologn. n o t s , trient. nose. RECTIO, -ARE >> r i z z a r e .
*STR1CTI0, -ARE « STRICTUS) > s t r i z z a r e „pressen",
gombit. s t r i t s s a r e , Sillano s t r i t s s a r . *SUCT10, -ARE >
s u c c i a r e (dav. s u c c i o „Schluck"), a.-berg. sisa, mil. s i s a ,
pistoj. t s u t s s a r e , ven. s u t s a r , trient. t s u t s a r .
In einem Falle kommen beide Ergebnisse vor:
*EXTRACTIO, - A R E > s t r a c c i a r e , gombit. s t r a t s s e ,
mil. s t r a s a . *TRACTIO, -ARE >> t r a c c i a r e , dav. t r a c -
c i a , gegenüber sie. s t r a t s s a r i , kal. s t r a t s s a r e , a.-gen.
straija, trient. s t r a s a r .
Ital. e o z z a r e „mit den Hörnern stoßen," welches Diez von
*COICTIARE < CON + *ICTIARE < ICTÜS « I C E R E )
ableitete (auch franz. cosser), beruht wahrscheinlich nicht auf
einem CTi, wie man aus franz. c o t i r „dasselbe" schließen kann.
— 115 — §§ 55, 56.

§ 64. Wie soll man diese Unregelmäßigkeit erklären?


Es wäre möglich, daß die tss-Formen auf einem andern Laute
beruhen als die tss-Formen. Wenn wir die tss-Beispiele be-
trachten, so sehen wir, daß die meisten schonlateinisch belegt sind:
NEPTIA > n e z z a , N U P T L E > n o z z e , COCTIONEM >
c o z z o n e , DIRECTIONEM > d i r i z z o n e , FACTIONEM >
f a z z o n e , FRICTIONEM > f r i z z o n e . Auch *DISTRICTIA
]>• d i s t r e z z a , wenn es nicht ein Gallizismus ist, muß schon
früh gebildet worden sein, als noch ein Wort wie ANGUST-
IA ihm als Vorbild dienen konnte. D i r i z z a r e , r i z z a r e ,
s t r i z z a r e zeigen durch den Übergang des unbetonten e > i,
gegenüber d i r e t t o , s t r e t t o , daß sie nicht erst aus diesen
gebildet sein können. Über S u z z a r e nb. s u c c i a r e vgl. § 71.
Es bleiben also nur noch die dialektischen c o t s s a r e , t r a -
t s s a r e ( t r a c c i a r e stammt aus dem Französischen vgl. § 53),
die auch auf altem *COACTIARE, *TRACTIARE beruhen
können. Was die tss-Formen betrifft, so sind das alleVerba
auf -IARE, die im Lateinischen nicht belegt sind, und die
auch dadurch sich als späte Bildungen entpuppen, daß sie —
außer *CAPTIARE — dem Rumänischen gänzlich unbekannt
sind. Es ist also wahrscheinlich, daß im ersten Falle Ti, wie
jedes andere Ti zu ts geworden ist und daß dann, als das
Assimilationsgesetz zu wirken begann, das Torausgehende P,
K diesem ts gleichgemacht wurde. Im zweiten Falle aber
haben wir es mit Wörtern zu tun, die erst in einer Periode
gebildet wurden, als das PT, KT ihrer Primativa schon vom
Assimilationsprozesse ergriffen waren, und einen Laut ent-
hielten, der vom T verschieden war, daher auch ein anderes
Resultat als T ergaben ( D i s p i c c i a r e , c o r r u c c i a r e stammen
wahrscheinlich aus dem Französischen, p r o v e c c i o ist nicht
*PROFECTIUM, sondern a.-span. p r o v e c h o ) .

Anm. Meyer-Lübke (Zeitschrift rom. Phil. VIII, 302 bis


304) hat für jedes Ti nach Konsonant folgendes Lautgesetz
aufgestellt: a) -Ti- >> ts(s) ( c a c c i a r e , s t r a c c i a r e , c o n -
ciare, impacciare, squarciare, gocciare, comin-
ciare. L e n z u o l o soll nach l e n z o umgestaltet sein, f a z -
8*
— 116 —

z o n e aus Frankreich stammen), b) -cTi >• ts(s) (nozze,


g o z z o , - a n z a , t e r z o , a n z i , m a r z o etc. D i r i z z a r e , al-
z a r e , s u z z a r e richten sich nach den stammbetonten Formen,
c a c c i a , g o c c i a , d o c c i o sind Postverbalia). Darauf ist
folgendes zu erwidern: selbst wenn der Akzent auf die i-Ver-
bindungen im Italienischen einen Einfluß gehabt hätte, frägt
man sich, warum sich c a c c i o nach c a c c i a r e und d i r i z z a r e
nach d i r i z z o (dessen i dann unerklärt bleibt) gerichtet hatte?
Kommen vom ersten die endungsbetonten Formen öfters, als
vom zweiten vor? Ich glaube nicht. Wie soll man aber bei
dieser Erklärung Fälle wie: c a n z o n e , m e n z o g n a , F i o r e n -
z u o l a , s c o r z o n e , c o z z o n e , f r i z z o n e erklären, um nur die
zu erwähnen, die von einer berechtigten ts-Form nicht be-
einflußt sein können?

III. Ki.
§ 65. In der Behandlung des Ki zeigt Italien zwei Re-
sultate: t s s im Mittel-, tss (bezw. vereinfachtes ts, oder dar-
aus hervorgegangenes s) in Süd- und Norditalien. Während
also im Süden und Norden Ki und Ti zusammenfällt: p o t s s o
= b r a t s s o , konnte im Zentrum Ki das Ti auf der Stufe
t't' nicht mehr erreichen, so daß auch das Resultat ein anderes
war: p o t s s o aber b r a t s s o . Beispiele:
ACIA, *ACIOLA > a c c i a ; — kal. a t s s a ; — neap.,
cors. a t s s a , mil. asa, asö(la), com. asa; — lomb. a t s s a ,
crem, a t s s o l a , a.-berg. a t s a , n.-berg., bresc. assa, ven. a t s s a ,
emil. l a t s s a ^ accia, filo, spago", trient. asa. ACIALE, *ACI-
ARIUM > a c c i a l e , a c c i a j o ; — sie. a t s s ä r u , cal. a t s s a -
r i a r e „aciajare", cerign. a t s s ä r e „acciajo"; — gall. a t s s a c c u ;
— mil., a.-berg., trient. a t s a l , ven. a t s s a l e . ARMORACIA
> cors. a r m u r a t s s u . BRACHIUM, BRACHIALE, ^BRA-
CH! ATA > b r a c c i o , (dav. a b b r a c c i a r e ) b r a c c i a l e ; —
sie. b r a t s s u , v r a t s s a t a , m m i r a t s s u « in-br.), cerign.
v r a t s s e ; — neap. v r a t s s o , lanc. v r a t s s e , gall. b r a t s s u ,
cors. b r a t s s u , gombit. b r a t s s g ; — a.-gen. b r a ^ o , piem. b r a £ ,
mil. b r a t s s und b r a s ; a.-berg. b r a t s , b r a t s a l , bol. b r ä t s ,
romagn. b r a t s s , ven. b r a t s s o , b r a t s s a l , trient. b r a s i (Plur.
— 117 — §§ 55, 56.

und Sg.). CHARACIAS > lomb. k a r a s , trev. s k a r a t s s o


„ramo della grossezza di circa un braccio umano". *CLO-
CEA (für *GLOCEA zu GLOCIRE) *CLOCEO, -ARE >
c h i o c c i a „Gluckhenne", c h i o c c i a r e „glucken" (dav. c h i o c -
c i o „heiser"). *COCEUS vgl. § 60. ERINACEUS > cerign.
r e n a t s s e , campob. r e n a t s s f „ramendatura" (quasi „parte
ruvida, aricciata"). FACIO, ERE > f a c c i o , (fo); — sie., cal.
f a t s s u , cerign. f a t s s e , neap. f a t s s u (Konj. fatssa); — Lanc.,
Arpino, campob. f a t s s e , Teramo ke ii f a t s s e , aquil. f a t s s a
t e „faccia te", gall. f p t s s u (Konj. fotssa), cors. f a t s s u ,
gombit. f a t s s e (Konj. fatssa), Sillano f a t s s a (Konj. fatssa);
— a.-gen. f a c a (Konj.), a.-berg. f a t s a (Konj.), romagn. f a t s s
(Konj. fetssa), triest f a t s o , trient. faso. *FiECIA > f e c -
cia; — sie. f e t s s a , — lanc. f e t s s g , — a.-gen. fe$e, a.-berg.
f e t s . FENISICIUM > seccia. GLACIA (für GLACIES),
*GLACIARE, *GLACIUM, *GLACIARITJM > g h i a c c i a ,
g h i a c c i o , d i a c c i o , d i a c c i u o l o „Eiszapfen", g h i a c -
c i a i o „Gletscher", g h i a c c i a i a „Eisgrube", g h i a c c i a r e ;
— sie. i a t s s u , cerign. i a t s s u , cal. i a t s s a r e „schneien";
— neap. i a t s s o , Lanciano i a t s s g , i a t s s a , cors. g g t s s u ,
gombit. g g i a t s s e , Sillano b i a t s s e , — a.-gen. d z a $ ä ,
d z a ^ ä , mil. d z a t s s , piem. dzatja, a.-berg. d z a t s a , romagn.
d z a t s s , triest. i a t s o , i a t s ä r , trient. dzats.
IACEO > g i a c c i o .
ILICEUS > l e c c i o , gall. l i t s s a , Sillano letsse.
INSICIUM > c i c c i a , s i c c i o l o , c i c c i o l o . *LACEUS ( =
LAQÜEÜS), * LA CEO, -ARE > l a c c i o , a l - l a c c i a r e , i n -
t r a l c i a r e ; — sie. l a t s s u , i n t i r l a t s s a r e , cal. l a t s s u ,
tarant. l a t s s e , Lecce l a t s s u , Bari, l a t s s e , cerign. l a t s s e ,
neap. I a t s s o ; — com. l e s ä „allacciare"; — mil. l a t s s , l a t s ä
„zuschnüren", gen. l a ? u , trient. las. *LIBYCIUS « LIBY-
CUS) > l i b e c c i o „Südwestwind". LICIUM, LICIA >
l i c c i o , l i c c i a (lisso < franz.); — sie. l i t s s u „filo ritorto",
Lecce l i t s s u ; — neap. l i t s s o , cors. l i t s s u , Alatri l i t i s i ; —
a.-berg. l i t s . *LUMBRICIUS > piem. l o m b r i s , berg. l ü m -
b r i s „lombrico", com. l e m b r e s i n a „angue fragile". *LU-
— 118 —

CEARIOLUM > v.-berg. l u s a r o l „lucifer", lomb. lüsarö(l),


l ü s i r ö l „Lichtöffnung". *MINACIA, *MINACIO, -ARE >
m i n a c c i a , m i n a c c i a r e ; — sie. m i n a t s s a , Lecce m i n e t s s n
„minaccio"; — gall. cors. m i n a t s s a ; — a.-gen. m e n a ^ a ,
m e n a ^ a n d o . MUSTACIUM > m o s t a c c i o ; — Lecce m u -
s t a t s s u , cal. m u s t a t s s u ( l u ) ; — neap. m o s t a t s s o . PANA-
RICIIJM > p a n e r e c c i o ; — cerign. p a n a r i t s s e . *PECI-
O L U S > p i c c i u o l o . *PICEO, -ARE vgl. § 62. PLACEO,
-ERE p i a c c i o . SALSICIA > s a l s i c c i a , s a l c i c c i a ; —
sie. s a u t s i t s s a , Lecce s a t i t s s a ; — campob. s a t s i t s s a ,
aquil. s a u t s i t s s a , cors. s a l s i t s s o t t u , neap. s a u t s i t s s o ; —
a-gen. s a t s i ^ e , romagn. t s u t s s e t s s a , trient. s a l s i s a . SI-
LICEUS > mil. s a r i t s s , s e r i s „selce", piem. s a l i s s , tic.
s a r e s a , valtell salesa. SOCIUS, SOCIA > s o c c i o „acco-
mandita di bestiame"; — cerign. s u e t s s e , Bari so t s s e, fem.
sgtsse; — neap. s u o t s s o „pari, eguale", Lanciano s o t s s e
„uguale", campob. s u o t s s e „eguale", a s s u t s s a , mil. lomb.
sos „accomandita di bestiame", ossol. sos „rumore"; — bol.
s o t s , romagn. t s o t s s , trient. s o s i (Sing.). *SPINACEUS ]>
a.-berg. s p i n a t s . SUSPICIONEM >> a.-gen. sospe^on.
*TRICHEA, *TRICHEOLA > t r e c c i a , dav. i n t r e c c i a r e ;
— sie. t r i t s s a , s t r i t s s a r i „disfar la treccia", cal. t r i t s s a ,
Lecce t r e t s s a , Bari t r e t s s e , tarant. ( t r e c c e aus dem
Ital.), Arpino t r i t s s a , neap. t r e t s s a ; — gall. t r i t s s a , cors.
t r e t s s a , gombit. t r e t s s o l e ; — mil. t r e t s s a , a.-berg. t r e t s a
(glosiert durch „trica"), trient. d r e s a . *TRILICIUM > t r a -
l i c c i o ; — (mil. romagn. t a r l i s < TRILICEM). YICIA >
v e c c i a ; — cerign. v e t s s e ; — Teramo v e t s s e , Sillano ve-
t s s a , mil. v e s a ; — a.-berg. v e t s s a .
In einem Falle steht Ki im Anlaut: CYATHUS, *CYA-
THINA > mil. com. t s a i n a , a.-berg. t s a i n a , n.-berg. saina,
crem. pav. s a i n a „quartuccio, un vaso di terra cotta", päd.
t s a i n a „große Schüssel". An Ortsnamen seien erwähnt:
ARICIA > Ariccia, AUSUCIA > Ossuccio, MODICIA
> Monza, NICjEA > Nizza (SCYLACIUM > Squillace,
SUBLAQUEUS > Subiaco.).
— 119 — §§ 55, 56.

§ 66. Die Grenzen der tss-Aussprache nach Süden und


Norden zu bestimmen, fehlt es mir an Material. Es liegt aber
kein Grund vor, anzunehmen, daß t s s aus tss, oder umgekehrt,
entstanden sei. Meyer-Lübke (Ital. Gram. § 253) will aus der
Tatsache, daß in der Molise tss in den Wörtern p a t s s i i a
= ital. p a z z o , m u t s s e k e = ital. m o z z i c o , t s u o p p e =
ital. z o p p o , k e k o t s s a = ital. c u c u z z a statt ital. zz vor-
kommt, schließen, daß tss ursprünglich auch in der Molise ge-
sprochen worden sei, und daß dann mit dem Eindringen des
nördlichen tss auch solche t s s zu t s s geworden seien, die
nicht auf Ki beruhen. Unter diesen Beispielen gehen aber
m u t s s e k e und m o z z i c o auf zwei verschiedene Typen
zurück (§ 71), in c u c u z z a und p a z z o handelt es sich um
die Doublette Suff, - a z z o = a c c i o , - u z z o = - u c c i o ,
worüber im § 72f. gehandelt wird, und in z o p p o um ein
Fremdwort, welches auch im Franz. (chopper) ein ts zeigt
(vgl. umgekehrt platzen > ital. spiacciare). Es gibt aber eine
ziemlich große Anzahl von Ausnahmen, die ein t s s im t s s -
Gebiet und ein t s s im tss-Gebiet aufweisen. Es sind vor
allem die Suffixe a c c i o = azzo, u c c i o = u z z o zu nennen,
die übrigens nicht auf Italien beschränkt sind, sondern auch
sonst in der Romania wiederkehren. Dann — von einzelnen
Wörtern wie tarant. t r i t s s a , cerign. r e n a t s s e , Bari a p p i -
t s s a , die aus dem Norden entlehnt sein können abgesehen —
zeigt Napoli im Süden r i t s s o , l a t s s o , a l u t s s o , n u t s s o ,
t r e t s s a etc. neben a t s s a , v r a t s s o , a r i t s s a r e , i a t s s o ,
litsso, ammenatssare, mostatsso, sautsitsso, suotssi,
s e t a t s s o etc., während das bei weitem nördlicher gelegene
Arpino meines Wissens nur tss-Formen besitzt. Im Norden
zeigt das Mailändische Doppelformen wie r i s = r i t s s ,
o l n i s = o l n i t s s etc., und dieses Schwanken ist über die
ganze Lombardei verbreitet, wie der beste Kenner dieses
Dialektes, Salvioni, es ausdrücklich betont: sc e z in Lom-
bardia si equivalgono (cf. mil. b r a z e b r a s c , mil. l a z a di
fönte a com. l a s c i ä „allacciare", mil. giaz a fönte ad alp.
g i a s c i a , M o n z a e M o n s c i a , val. cal. d u l s c = lomb. dolz
§66. — 120 —

ecc.). Es ist kaum anzunehmen, daß das s aus tss der lite-
rarischen Aussprache stammt, obwohl Salvioni lehrt, daß
„ne'documenti antichi e sempre z", denn das Lombardische
besitzt doch den Laut ts « CL : tsamä, •< CT : petssen, <
KE, KI = tserka, tsel etc.), so daß man nicht einsieht, warum
ital. g h i a c c i o zu dz asa umgestaltet wurde. Es handelt sich
vielmehr tatsächlich um zwei Aussprachen, von denen die
alten Texte die eine (s) nicht anerkennen wollten, sondern
nach dem Muster der übrigen norditalienischen Dialekte nur
z ( = ts) schrieben.
Dagegen kennt die italienische Schriftsprache einige t s s -
Formen. Neben ERICIUS > r i c c i o (sie. r i t s s u , r i t s s a -
t u r a „spoglia del spinoso", cerign. r i t s s e , neap. r i t s s o aber
a r i t s s a r e , mil. r i t s s neben ris, a.-berg. r i t s „Dornstrauch,
Gestrüpp" [vgl. span. erizado „stachelig, dicht" vom Gestrüpp],
trient. ris), wovon a r i c c i a r e „sträuben, emporstehen [Haare]",
kennt das ital. auch ein a r i z z a r e „sträuben (von der Mähne
des Löwen)." Neben cuccio, c u c c i o l o „Hund bis 6 Monate"
steht a.-ital. cuzza „cagna", das mit rum. c u t u ! „Ruf für junge
Hunde" zu vergleichen ist (vgl. sicil. g u t s s u , -a, arpin. k a -
t s s o n e „cagnolino"). Neben f a c c i u o l a = „1. Diminutiv
von faccia, 2. Bäffchen am Hals der Priester oder Richter,
3. Gewebe zwischen Zettel und Webebaum" steht a.-ital.
fazz(u)olo „Tuch", dav. f a z z o l e t t o „Halstuch"
f a r s u l a t e „Schnupftuch"), Lanciano f a t s s o l u „fazzoletto",
ven. f a t s i o ( l ) « fatsuol) „leinener Mantel, Leintuch", Q>
alb. fatsel „specie di cambrik", serb. faeol, faeol „Tuch", by-
zant. ipaxiöhi; „Handtuch, Serviette", (paxioliov „Turban")
a.-gen. f a ^ o l , trient. f a s o l , dessen Etymologie von *FACIOLA
« FACIES vgl. rum. f a t ä de m a s ä = „Tischtuch") Parodi
(AlGune osservazioni a proposito del lessico genovese antico
di Giovanni Flechia. Genova 1886 S. 17), mit Recht gegen
die Diezsche: germ. f e t z e n , verteidigt. *BISLUC1UM (vgl.
*BISLUCA franz. berlue, prov. besluga) ]> b a r l u z z o
„Zwielicht" (wie *BISLUMEN > barlume). Neben LUCIUS
> ital. l u c c i o (neap. a l u t s s o , a.-berg. l u t s , trient. lus) steht
— 121 — §§76,77.

m e r l u z z o , mil. m e r l ü t s s < MARISLUCIUS. Neben PICEA


> p e c c i a „specie di abete" steht *PICEUM > p e z z o
„Fichte" (mil. p e s a „pino bianco", ven. päd. veron. petsso).
PITTACIUM ( = griech. mzraxiov) > p e t azza „bagatella",
SOLACIUM < s o l l a c c i o neben s o l l a z z o , dav. s o l l a z z a r e
(sie. s u l a t s s u , Sillano solatso).
§ 67. Ein Wort, das besondere Beachtung verdient, ist
das lat. FACIES. Es ist entweder wie GLACIAS > GLACIA
zu *FACIA geworden und hat regelrecht ital. f a c c i a , campob.
'm p a t s s a , gombit. f a t s s a , a.-gen.a.-Chioggia f a ^ a , mil. fatssa
nb. fasa ergeben, oder es ist FACIES geblieben und erscheint
auch im tss-Gebiet mit t s s : sie. f a t s s i (n fatssi < IN
FACIE), cerign. f a t s s e (m batsse „in faccia"), Lecce f a t s s i ,
neap. f a t s s e (nb. fatssa), n.-gen. f a t s a , trient. f a t s a . Diese
Form erklärt sich nach § 90. Vor e wurde Ki anders be-
handelt als vor a, o, u. Zwar trat die Dehnung des Konso-
nanten ein: f a k k i e , dann aber wurde das i vom folgenden
e absorbiert und dieses f a k k e konnte nun entweder mit lat.
k k e , k k i zusammenfallen, wie im Log. f a k k e , Camp, f a t s s i ,
Sic., Neap., Lecce, Cerign., oder selbständig von diesem zu
t s s werden, wie im Sass. f a t s s a , Gen. und Trient. (wo k k e ,
k k i zu t s e , t s i werden). Nun könnte man die im vorigen
Paragraphen angeführten Unregelmäßigkeiten auf folgende Art
erklären: Wie nach Konsonanten, so fiel in ganz Italien auch
nach Vokalen Ki mit Ti zusammen und beide wurden zu tss.
Nur in einem Falle entwickelte sich Ki zu t s s , wenn ihm
nämlich e, i folgte. Wir sollten also ACIA > a t s s a aber
ACLE >• a t s s e erwarten. Dann trat Ausgleichung ein: Im
Süden und Norden siegte der Singular, im Zentrum der Plural.
Das Schwanken im Neapolitanischen und Lombardischen
würde eine schöne Bestätigung dieser Annahme bilden, des-
gleichen die Doppelformen der Suffixe a c c i o = azzo,
u c c i o = u z z u etc., und ital. s o l l a z z o neben s o l l a c c i o etc.
ohne weiteres erklärlich. Beweiskräftig würde in diesem
Falle f a z z o l e t t o sein, wo dem t s s keine t s s - F o r m beiseite
stand, so daß ein * f a c c i o l e t t o nicht entstehen konnte.
§66. — 122 —

Freilich müßte dann f a c c i u o l a , b r a c c i a l e nach f a c c i a ,


b r a c c i o , g h i a c c i a r e , g h i a c c i a i o nach g h i a c c i o , l a c -
c i a r e nach l a c c i o , m i n a c c i a r e nach m i n a c c i a umge-
staltet worden sein, p i c c i u o l o „Stiel" von p i c c i o l o „klein"
beeinflußt, und a c c i a l e , a c c i a i o eine späte Italianisierung
des nordital. a t s a l sein (Die ital. Nebenform a c i a j o würde auch
die Unvolkstümlichkeit des Wortes beweisen.). Verba wie
p i a c c i o etc. müßten aus *piazzo nach Analogie der zweiten
Person p i a c i entstanden sein. Durch diese Erklärung ließe
sich auch ein schöner Parallelismus zwischen FOETI[D]US
> Lecce f i e t s s u (neben f e t u vgl. Archivio glott. ital. IV,
125) „foetor", tarant. f i e t s s e , PUTI[D]A >> ital. p u z z a
„Eiter", dav. p u z z a r e „stinken", dav. p u z z o „Gestank" [vgl.
log. puta „puzza, odore"], Lanciano p u t s s ä „puzzare", Teramo
p u t s s l „puzzare", K a p p e t s s e n i t e „divenuto puzzolente",
romagn. p o t s s a „puzza", Pisa p u s s o l e n t e , — und ACI[D]US
)> a.-ital. lazzo „aspro e pungente di sapore", cors. l a t s s u
„sciocco (detto delle viande)", gewinnen.
§ 68. Diese Erklärung, so einfach sie auf den ersten
Blick auch scheinen könnte, hat sehr wenig Wahrscheinlich-
keit für sich. Bei einem Worte wie „Arm" würde man schon
verstehen, daß die Form des Plurals den Singular beeinflußt
hat, (und gerade in diesem Falle hat das Lateinische BRA-
CHIA!), aber wie soll „Zwirn", „Eis" etc., die doch so selten
in der Mehrzahl gebraucht werden, den Sieg über die Singular-
form davontragen? Außerdem ist unter den tss-Formen des
Italienischen keine einzige, die wirklich zu dieser Erklärung
zwingen und keine andere Deutung gestatten sollte. F a z z o -
l e t t o bedeutet einen Kulturgegenstand, kann daher aus dem
Norden importiert sein. P e z z o stammt aus einer Gegend,
wo die Fichte zu Hause ist. M e r l u z z o ist nicht MARIS
LUCIUS, sondern merlo -j- Suffix -uzzo. In p e t a z z a hat
man das Diminutivsuffix -azza gefühlt, in c u c c i o neben
c u z z a , und c u c c o „dumm, kindisch", dagegen haben wir
es mit den Suffixen - u c c i o = - u z z o = - u c c o zu tun, ebenso
wie im arpin. k a t s s o n e mit dem Suffix -accio. Diese
— 123 — §§ 76, 77.

Wörter sind aus * c o c u c c i o , * c o c u z z a , * c o c a c c i o verkürzt


und sind Ableitungen des im § 60 besprochenen *coco
„Kopf". Die kleinen Hunde haben bekanntlich so unverhält-
nismäßig große Schädel, daß eine scherzhafte Benennung nach
dieser Eigenschaft nicht auffällt. A r i z z a r e neben a r i c i a r e
wird im § 78c erklärt, desgleichen b a r l u z z o im § 71 Anm.
Was endlich solazzo betrifft, so ist es, wie die Bedeutung
zeigt, ein Latinismus. SOLACIUM wurde als SOLATSIUM
gelesen, daher zunächst *solazio (vgl. Sillano s o l a t s o mit
einfachem ts) und dann wie die im § 52 Anm. besprochenen
Fälle: s o l l a z z o . Ebenso findet man z. B. von IUDICIUM,
das in Italien in volkstümlicher Gestalt nirgends zu treffen
ist, neben dem Latinismus g i u d i z i o ein g i u d i z z i n o „kluges
Köpfchen; kleiner, scharfer Verstand", welches trotz seines zz
doch nur ein Latinismus ist (vgl. auch catupuzza, cacapuzza
„euphorbia latyris" = catapüzia, cacapüzia, nach
Pieri mit Archivio glott. ital. XV, 378 aus den Imperativen caca
+ puzza.).

A n m . Gegen die Etymologie von c u c c i o - < *cocuccio


scheint cors. k u c c u mit seinem cc statt t s s (siehe das Dimi-
nutiv k u c c u t s s u ) zu sprechen. Aber auch dem ital. b o c -
c u c c i a , welches sicherlich von b o c c a mittelst - u c c i a abge-
leitet ist, entspricht im cors. b o k k u c c a , so daß man wohl
nicht fehlgreift, wenn man den Übergang von t s > c dem
vorausgehenden k zuschreibt. Ein anderer Fall ist cors.
b u c c a , s b u c c a t u r a , temp. s b u c c a , s b u c c u l a , wofür auch
sass. b u t s s a , das dem dunkelen ital. b u c c i o , b u c c i a ent-
spricht (vgl. tose, bucchie § 71), welches nicht aus * l o b u c c i o
verkürzt sein kann (Körting 2 No. 5659). Schuchardt (Zeit-
schrift für rom. Phil. XV, 96) hatte c u c c i o aus südslav.
kucka,"magy. k u t y a , k u s z i (spr. kusi) ableiten wollen. Ich
glaube nicht an die Möglichkeit einer so großen Verbreitung
im Romanischen eines slavischen oder magyarischen Wortes.
Für unsere Etymologie spricht außer dem zitierten k a t s s o n e
in Arpino auch das g, welches nur auf dem Gebiete erscheint,
das intervokalisches c zu g werden läßt (prov. goz, g o s s a ,
cat. g o s , span. g o z q u e , pg. gozo, afranz. gous). Wahrschein-
§66. — 124 —

lieh ist auch franz. g ö s s e „kleines Kind" dasselbe Wort. —


Für l a z z o , sozzo (arpino tsutsse fem. t s o t s s a , neap. s o t s s o ,
Lanc. tsotsse, sotsse, gall. s u t s s u , a.-gen. SOQO), weiß ich
keine Erklärung; m a r c i o , r a n c i o zeigen auch nicht die regel-
rechte Entwickelung aus *MARCI[D]US, *RANCI[D]US, da man
*marzo, *ranzo erwartet. Dunkel ist auch ital. f r e c c i a
„Pfeil", gall. f r i t ä s a , a.-berg. f r i t s i , lomb. ( s ) f r i t s a , mil.
f l i t s s a , n.-berg. Y. Bremb. f l e s s a . Aus dem Germ, (klakjan)
stammt ital. s c h i a c c i a r e , cal. s k a t s s a r e , gall. i s a t s s a ,
cors. s a c c u , mil. s k i s a , romagn. s t s i a t s s e , und s k i t s s e r ,
s k i t s s , a s k i t s s . Über b o z z a = b o c c i a vgl. § 71.
§ 69. Wir gelangen nun zu einem der -schwierigsten
Probleme der i-Verbindungen, zu den Doppelformen, welche
die Suffixen - a c c i o = - a z z o , - e c c i o = - e z z o , i c c i o =
- i z z o , - o c c i o = - o z z o , u c c i o = -uzzo, u. z. nicht nur
im Ital. sondern auch in andern rom. Sprachen zeigen. Bekannt-
lich werden sie von lat. -ACEUS, ICEÜS, *-OCEUS, -UCEUS
abgeleitet. Die t s s - F o r m des Italienischen wird als regel-
recht erklärt, für die t s s - F o r m dagegen schlägt Meyer-Lübke
(Rom. Gram. II § 420) zwei Möglichkeiten der Erklärung vor:
a) Beispiele wie p o p o l a z z o „Bevölkerung" < POPULATIO
können ein Suffix -ATIO enthalten und Latinismen sein, b)
aus m i n u z z a < MINUTIA gegen MINUO hat sich ein
Suffix - u z z a -UTIA lostrennen können. Er erhebt aber
selber Bedenken dagegen und entschließt sich „die zz-Formen
als Entlehnung aus dem Süden oder Norden zu betrachten,
wo K i zu t s s wird". Daß aus dem einen Wort m i n u z z a ,
das nicht einmal auf dem ganzen Gebiet volkstümlich ist
(§ 11) die ganze Reihe der tss-Suffixe entstanden seien, ist
nicht anzunehmen. Eher ist es möglich, daß -ATIO zu -azzo
wurde, da wir gesehen haben (§§ 68, 52 Anm.), daß in Lati-
nismen - z i o wirklich zu -zzo italianisiert werden kann und
da Wörter, wie a n d a z z o , m o g l i a z z o „Heirat", n e v a z z o
„Schneefall", vor allen aber s c h i a m a z z o „Geschrei", neap.
s c a m a t s s o , romagn. s t t s i a m a t s s = EXCLAMATIO, sie.
s a l a t s s u „scialo prolungato" = EXHALATIO, neap. a c q u a -
t s s a „rugiada" = AQUATIO (vgl. ital. acquagione) dafür
— 125 — §§ 76, 77.

sprechen. Diese Deutung, so verführerisch sie auch sein mag,


muß aber aufgegeben werden. Für sie. v e n t u l i t s s u „venti-
lazione" läßt sich kein *VENTULITIO voraussetzen und
einem sie. t r e m u l i t s s u „tremito continuo" entspricht im Ru-
mänischen t r e m u r i c i ü „Zittern", also gerade eine unregel-
mäßige ts-Form, selbst neben p o p o l a z z o kommt p o p o l a -
c c i o vor. Aber umsoweniger läßt sich an eine Entlehnung
denken. Nicht daß die Entlehnung eines Suffixes unerhört
sei. Sie kann, im Gegenteil, in vielen Sprachen beobachtet
werden, aber nur in dem Falle, wenn dieser Sprache das
Suffix abgeht. Wenn dagegen ein Mittelitaliener, der zu
Hause c a v a l l u c c i o sagt, mit einem Nord- oder Süditaliener
in Berührung kommt und von diesem die Aussprache c a v a l -
l u z z o hört, so weiß er genau, daß dessen - u z z o seinem
u c c i o entspricht, und kommt er in die Lage, von seinem
Nachbarn ein Wort wie ' a n i m a l u z z o aus irgend einem
Grunde zu entlehnen, so wird er in seinem Dorfe sicher nicht
a n i m a l l u z z o , sondern a n i m a l u c c i o sagen, d. h. das Fremd-
wort in seine Mundart übersetzen. Ein jeder der spricht,
will vor allem von seinen Hörern verstanden werden. Daher
trachtet er dieselbe Sprache zu gebrauchen, die diesen ver-
ständlich ist. Im Augenblicke, wo einer ein Wort entlehnt,
muß er diesem Prinzip folgen; er entlehnt es, weil er fühlt,
daß gerade dieses Wort imstande ist, seinen Gedanken am
besten auszudrücken und will dadurch das Verständnis seinem
Hörer leichter machen. Wenn also der Toskaner im Gespräch
mit einem zweiten Toskaner in die Lage kommt, das vom
Venezianer gehörte a n i m a l u z z o zu gebrauchen, so tut er es,
damit sein Gedanke von einem Landsmanne besser verstanden
werde. Dies wird aber nur in dem Falle geschehen, wenn
er ihm das Fremdwort auch verständlich macht, d. h. wenn
er a n i m a l u z z o in a n i m a l u c c i o toskanisiert. Übertiimmt
dagegen der Toskaner einen Marineausdruck des Südens, wie
g o t t a z z a „Schöpfschaufel", wo er - a z z a nicht als Suffix
auffassen kann, da ihm das Primitiv g o t t - unverständlich ist,
so wird er es nicht in g o t a c c i a toskanisieren; in diesem
§66. — 126 —

Falle aber ist auch keine Möglichkeit vorhanden, daß ein


S u f f i x - a z z a ins Toskanische eindringe.
§ 70. Sobald man die italienischen und rumänischen t s -
und ts-Suffixe näher beobachtet, stellt es sich heraus, daß sie
gar nicht unregelmäßig sind und Italienisch -ccio geht regel-
recht auf -K'U, ital. -zzo auf -K'K'U zurück; im Rumänischen
ist es umgekehrt: t s u geht auf -K'K'U und t s u auf K'U
zurück. Um aber die Existenz eines vorromanischen Suffixes
-AK'K'U etc. beweisen zu können, müssen wir einen großen
Umweg machen und von einer lautlichen Erscheinung im Ur-
romanischen berichten. Am besten läßt sich diese an einem
Beispiele verfolgen. Es ist bekannt, daß das Latein mittelst
des Suffixes -ULU, -A 1. von Nomina Diminutiva: LOCUS:
LOC[U]LUS, 2. von Verben Werkzeugsnamen ableitet: CINGO:
CING[U]LUM, TEGO: TEG[U]LA. Von TORQUEO bildete
man TORC[U]LUM, *TORC[U]LA, das einen „gewundenen
Gegenstand", sei es, daß dies eine „Schraube zum Pressen"
(daher Torkel), oder einen „Bündel gedrehten Strohs zum
Wischen", oder endlich eine „gewundene Fackel" bedeutet.
Im Romanischen finden wir ital. t o r c h i o „Fackel, Kelter",
t o r c h i a r e „pressen" < TORC[U]LARE, und mit Metathese:
*TROC[U]LUM > prov. t r o l h - s „Kelter", franz. t r e u i l
„Kelter, Winde", *TROC[U]LARE > prov. t r o l h a r , span.
e s t r u j a r „auspressen". Die Worte TORC[U]LUM,*TORC[U]LA
konnten leicht als Diminutiva aufgefaßt werden und man bildete
nach dem Muster LOC[U]LUS: LOCUS ein*TORCUM,*TORCA,
welche sich im franz. t o r c h e „Bündel, Wisch, Fackel", dav.
t o r c h o n , t o r c h e r (daraus ital. t o r c i a , t o r c i a r e , span. a n -
t o r c h a , portg. t o r c h a ) , prov. cat. t o r c a r „wischen, putzen",
erhalten haben (TORQUA für TORQUIS findet sich schon
bei Varro sat. Men. 170 B 3 , vgl. Georges: Lexikon der lat.
Wortform. 695). Diese Rückbildung muß sehr alt sein, denn
es beginnt schon früh in urromanischer Periode der K-Laut
vor L mouilliert zu werden, *TORCLU, *TORCLA > *TOR-
K'LU, *TORK'LA, wie das Zeugnis aller romanischen Sprachen
beweist (vgl. Meyer-Lübke, Rom. Gram. I § 487ff.). Da aber auch
— 127 — §§ 76, 77.

LOCLUS zu LOK'LUS geworden ist, so konnte in *TORK'LA


immer noch ein Suffix -LA gefühlt und losgetrennt werden
und ein *TORKA rückgebildet werden. Dieses mußte nun
so behandelt werden wie ursprüngliches RKi, daher haben wir
rum. t o a r t ä „Fackel", veron. t o r t s o „Fackel" etc. (§ 58).
Eine Grundform *TORCIA von TORQUERE oder *TORTIA
von TORTUS für diese aufstellen, ist ein Unding. Etwas
anders gestaltet sich die Sache bei der Form mit Metathese.
Aus *TROCLU konnten je nach dem Alter, in welchem
die Rückbildung stattgefunden hat, drei verschiedene Typen
entstehen: I. *TROCU, II. als die Mouillierung des K vor L
eintrat: *TROK'U und III. als später die Konsonanten vor L
in intervokalischer Stellung gedehnt worden sind *TROK'K'LU:
*TROK'K'U. Diese drei Typen hätten im Italienischen I. * t r o c o
(vgl. a.-franz. e s t r u e r „würgen"), II. * t r o c c i o , III. * t r o z z o
ergeben müssen. Wir haben aber keine Spur davon, sondern
nur von einer IY. Form *TROCCO, welche im piem. t r u k e
„stoßen", com. t r u k k ä „calcare e assodare selciato", t r u k
„stampfe", s t r o k a , v e n . s t r u k a r e „auspressen", mant. s t r u k a r ,
friul. s t r u k a , prov. t r u k a weiterlebt. Diese ist nichts anderes
als eine Umbildung von * t r o c o nach t r o k k o .

A n m . Ob alb. t r o k o n „trete, vernichte", t r o k „Balken


der Presse", rum. * t r u c , * t u r c in s t r u c e s c , s t r u ( n ) c i n ,
arum. s t u r c i n „zerdrücke, zermalme" auf einem *TORCU,
*TROCU oder *TROCCU beruhen ist nicht zu entscheiden.
Jedenfalls kann alb. t o r k nicht aus ital. t o r c h i o entlehnt
sein, denn dann würde es * t o r k heißen (vgl. seke < ital.
secchia, Imuk <[ ital. il mucchio).
§ 71. Für alle Stadien, durch die TORC[U]LUM bis auf
seine heutigen Fortsetzer gelangt ist, gibt es zahlreiche Belege.
Von den Rückbildungen der -ULUS Ableitungen führe ich
folgende Beispiele an. Neben ital. b a c t h i o < BACULUS
hat das oberit. b a c < *B ACCUS (wie *TROCCUS, pg. b a g o
könnte *BACUS aber auch BACULUS sein). Neben *HIRUN-
DULA « HIRUNDINEM) > arum. l ä n d u r ä , drum, r l n -
d u r i c ä , ital. r o n d o l a ist aus prov. i r o n d a , a.-franz. a r o n d e
§66. — 128 —

ein *HIRUNDA zu erschließen (Meyer-Lübke Rom. Gram. II


§ 355). Man leitet rum. c h i n g ä „Gurt" von *CLINGA <
CING[U]LA ab, während man c i n g ä „Gurt" (Pe murgu cä
mi-1 scotea, — la fmtlnä-1 adäpa, — cu tersala-1 tersäla, —
cu cinga mi-1 incinga. Marian Poesii pop. I, 34) als Verbal-
substantiv von CIN GERE erklärt. Eine solche Bildung wider-
strebt aber den Gesetzen der lat. und rum. Wortbildung und
man muß c i n g ä , sowie sie. t s i n g a auf *CINGA < CING[U]LA
zurückführen (dagegen setzt ital. c i g n a schon ein *CING'LA
> *CING'A voraus). Selbst aus MAS-CÜLUS wurde ein
*MASC-US rekonstruiert, welches sich im alb. m a s k e erhalten
hat (vgl. ital. baroncio<baroncello). Über*COCA<*COC[U]LA
vgl. Schuchardt, Romanische Etymologien S. 21.
Die Entwickelung von *TORK'UM aus TORCLUM wirft
ein helles Licht auf die vielen -iu, -ia, -io Ableitungen, die
für romanische Wörter aufgestellt werden müssen, ohne daß
dies mit den Regeln der lateinischen Wortbildungslehre im
Einklang stünde. Ich greife aus der großen Anzahl von Bei-
spielen nur einige heraus; Neben lat. TRUNCTJS „Stumpf,
Baumstamm", TRUNCUS, A, UM „verstümmelt, stumpf",
TRUNCARE „verstümmeln": alb. t r u n k „Baumstamm und
verstümmelt", ital. t r o n c o , t r o n c a r e , sard. t r u n e u , prov.
t r o n c - s , franz. t r o n c , span. portg. t r o n c o , t r o n c a r , hatte
das lat. ein Diminutivum TRUNCULUS, das, nachdem es wie
die meisten ULUS-Ableitungen den Kleinheitsbegriff verloren
(daher wird -ULUS meist durch ELLUS ersetzt), das Primi-
tivum TRUNCUS im Osten verdrängt hatte: rum. t r u n c h i ü
„Baumstumpf, Stamm", *TRUNCÜLARE > rum. t r u n c h i a
„verstümmeln". Nun setzt daneben das cal. t r u n t s u „tronco",
prov. t r o n s „stumpf", a.-franz. t r o n c e , pik. t r o n c h e „Block",
span. t r o n z o „abgeschnitten", t r o n z a r „zerbrechen, fälteln"
ein *TRUNCEUS voraus. Wäre dies von TRUNCUS wie
LIGNEUS „aus Holz, holzig" von LIGNUM mittelst -EUS
abgeleitet, so würde es „stämmig, aus Stamm" bedeuten, es
heißt aber dasselbe wie TRUNCUS und TRUNCULUS. Wir
müssen daher annehmen, daß *TRUNK'U aus TRUNC[U]LUS
— 129 — §§ 76, 77.

auf der Stufe *TRUNK'LU, durch Abtrennung des Suffixes


-LU entstanden sei. Von diesem selben *TRUNK'U leitete
man mittelst -0, -ONEM ein *TRUNK'ONEM ab > a.-franz.
t r a n ^ o n , nfranz. t r o n ^ o n (vgl. lat. HOMUNCIO = HOMUN-
CULUS). Ein weiteres Beispiel liefert uns das Rumänische.
Das rum. s g r ä b u n t ä „kleines Geschwür" suchte Cihac (II, 305)
vergebens aus dem Slawischen abzuleiten. Es entspricht ganz
genau dem lat. CARBUNCULUS, oder vielmehr einem *CAR-
BUNCLA, aus dem *CARBUNK'A rekonstruiert wurde (als
ob CARBUNC- der Stamm gewesen wäre). Ebenso setzt
rum. g r ä u n t ein *GRANUNK'UM aus *GRANUNCULUM
voraus (dessen Existenz indirekt durch franz. g r e n o u i l l e ,
prov. g r a n o l h a , ital. g r a n o c c h i a , cal. g r a n u n k y u etc. be-
zeugt ist: RANUNCULA < RANA hat sich mit dem „etwas
Kleines" bezeichnenden *GRANUNCULUM < GRANUM ge-
kreuzt). Das Diminutiv g r ä u n c i o r setzt ein *GRANUN-
K'OLUM voraus (obalb.nenk „Knöchel" aus *NODUNCULUS
oder *NODUNK'U3 stammt ist nicht zu entscheiden). Des-
gleichen erklärt sich das ital. r a p o n z o l o „Rapunzel" (auch
raperonzolo, raperonzo) < *RAPUNK'UM statt *RAPUN-
CTJLUM. Dasselbe Suffix liegt vor noch in a b a t o n z o l o
„abatucolo", l a t t o n z o l o „Milchkalb", p o e t o n z o l o , p r e t o n -
zolo „pretazzuolo". Nach Analogie ist dann c o d i n z o l o
„dünner, kurzer Schwanz" entstanden. Aus VINCULUM >>
ital. v i n c h i o , a v v i n c h i a r e « VINCULO) hat sich in einer
frühen Periode *VINCUM herausgebildet, woraus ital. v i n c o
„Weidenband" (dav. v i n c i g l i o „legame, vincolo"), portg.
vinco. Später, als schon die Aussprache *VINK'LUM herrschte,
rekonstruierte man ein *VINK'UM, woraus ital. *vinzo in
v i n z a g l i o , g u i n z a g l i o „vincolo". Neben AMURCA > ital.
m o r e a haben wir in derselben Bedeutung *AMURC[U]LA >
m o r c h i a und *AMURK'A ]>• sard. m u r t s a . In intervoka-
lischer Stellung haben wir ital. g r a c c h i o <C GRACULUS
neben a.-ital. g r a c c i o < *GRAK'US (ein *GRACEUS ist
undenkbar). Uber rum. m ä m ä r u t ä vgl. § 21 Anm. Auf
POCLUM > *POK'K'UM geht mgl. p o t s „Krug" zurück.
9
§71. — 130 —

Neben ital. c h i o c c i a steht arpin. i o k k a , neben cal. t s u t s s u


„Esel", ital. ciuco „Esel". Umgekehrt steht neben ital.
m o s t a c c i o auch m o s t a c c h i o , doch kann das letztere grie-
chischen Ursprungs sein. Vgl. auch b a c o c c o = b a c c o c c o
= b a c c i o c c o „Tölpel". Auf diese Art läßt sich auch ital.
goccia „Tropfen" < GUTT[U]LA > *GUKLA > *GUK'A
erklären. Ein *GUTTEA, das man allgemein annimmt, ist
erstens vom lateinischen Standpunkt unbegreiflich, zweitens
könnte es im Italienischen nur *gozza ergeben (dieses g o c c i a
hat auch das unregelmäßige doccia in seinem Konsonantismus
beeinflussen können). Damit kommen wir zu einem weiteren
Punkt in unserer Betrachtung: Wenn ein Stamm auf TT, KK
vor dem Suffix -LUS zu stehen kommt, so entsteht die Ver-
bindung KL, welche dieselben Schicksale wie das einfache
KL hat. Spätlateinisch ist ein BUCCEA belegt, von welchem
das rtr. und nordital. ne — b u s „nichts" (Salvioni Zeitschrift
für rom. Phil. XXIII, 517) abzuleiten ist (BUCCEA bedeutet
„Mundbissen", was als Kleinheitsbegriff aufgefaßt werden
konnte, vgl. rum. „nici cit ai i m b u c a odatä"). Es entspricht
genau einem NEC — GUTT[UL]A, das im Romanischen weit
verbreitet ist, und lautete wahrscheinlich *BUK'A wie *GUK'A,
das dann unter Einfluß von BUCCA als BUCCEA transkribiert
wurde. Somit werden auch die in den §§ 61—62 besprochenen
Wortsippen etymologisch durchsichtiger. Die vielen Bedeu-
tungen, die ein Typus *MUCCEUS dort hat, erklären sich nur
so, wenn man von einem *MUK'US und *MUK'K'US <
*MUKLUS < *MUCCULUS > ital. m o c c o l o = m o z z i c o n e
ausgeht. Zu dieser Annahme werden wir geradezu genötigt
angesichts des arum. m u s k u , mgl. m u t s k u . Wenn drum,
m u s c (alt mutsk) aus *MUCCICO sich erklären läßt, geht das
nicht für das Südrumänische, wo man * m u t s k , bezw. * m u s k
haben müßte (vgl. OCCIDO > arum. t s i d , mgl. u t s i t , vgl.
auch p i s c weiter unten), daher geht auch m i s c „bewege",
mgl. m i t s k nicht auf *MICICO « MICO), wie Candrea-Hecht
Romania XXXI, 313 angenommen, sondern auf *MIC[U]LO >
*MIK'K'0 + ICARE zurück. Es entspricht einem aus KL hervor-
— 131 — §§ 76, 77.

gegangenem K' in allen rum. Dialekten ein ts, einem K'K


dagegen ein ts, so daß man von einem *MUK'K'ICO «
*MUCL-ICO) ausgehen muß. Auf diese Art wird nun auch
das etymologisch dunkele PICO-, PIK'- und PIK'K' (§ 62)
klar. Von PICUS „Specht" hat man ein *P1CARE abgeleitet
> mil. piä „stechen, beißen". Daneben besitzt aber das Italie-
nische für die Bezeichnung des Spechtes das Wort p i e c h i o
(vgl. rum. p i n c h i ü „Rotfink") < *PICULUS, wovon p i c -
c h i a r e „klopfen" (auch im Rumänischen heißt der Specht
c i o c a n i t o a r e „der Klopfer [an der Baumrinde]" von ciocä-
nesc „klopfe" < c i o c a n „Hammer", vgl. c i o c „Schnabel")
< *PICULARE, dav. p i c c h i o „Schlag", vgl. p i c c h i o l a r e
„tüpfeln, sprenkeln". Aus diesem *PICLUS wird einerseits
*PIK'US > rum. p i t - i g o i ü , p i t i g ä e s c , p i s - c « pits-k)
und die ital. tss-Formen, andererseits *PIK'K'US >> rum.
p i c i ü „kleiner Knabe", p i s c « pits-k) „zwicke", p i n c i ü
„ein kleiner Vogel" und die italienischen tss-Formen, endlich
*PIKKUS > rum. pic, p i c u r und die italienischen KK-
Formen. Ob auch arum. p i t s ä „Scham der kleinen Mädchen"
hierher gehört, ist fraglich, da das Wort in den benachbarten
nichtromanischen Sprachen auch vorkommt (alb. p i t s , p i t s u l
„Geschlechtsteil kleiner Mädchen", p i t s i g e „vulva", slov.
p i c k a , poln. p i c a , p i c z k a , magy. pics(a) „weibliches Glied").
Es ist jedoch möglich, daß sich das Wort vom Rumänischen
aus weiter verbreitet hat. Dann würde p i t s a ganz parallel
zu p u l ä „männliches Glied (ursprünglich nur der kleinen
Kinder)", das nach einer mündlichen Mitteilung des Herrn
0. Densusianu aus *PUBÜLA < PUBES (bedeutet schon im
Lat. „Scham(gegend)") stammt und zu dem im § 19 Anm.
besprochenen p u t ä < * P U T E A (oder *PUT[U]LA>*PUCLA
> *PUKA) < PUTUS sein. Auch ital. cazzo zu CATULUS
„Junge von Tieren" ( > *CACLUS > *CAK'K'US) gehört
wahrscheinlich hierher. Wie GUTT[U]LA > *GUKLA >
*GUKA > g o c c i a erklären sich noch zwei Wortsippen, die
bis jetzt als etymologisch dunkel, oder als unregelmäßig galten.
Die erste gehört zu ROTA und zeigt im Ital. t s s neben
9*
§71. — 132 —

tss-Formen, was mit einem Grundtypus *ROTiA- unvereinbar


ist und nur mit *ROK'[LA] und *ROK'K'[LA] übereinstimmt.
Da ist vor allem ital. s d r u c c i o l a r e „ausgleiten, straucheln"
zu nennen, von Ascoli (Archivio glott. ital. VII, 516 Anm.)
auf *EX-ROTEARE zurückgeführt und von Meyer-Lübke
(Ital. Gram. § 193) befürwortet, statt dessen man *EX-ROTU-
LARE ansetzen muß. Wahrscheinlich gehört zu ROTULA
auch das von Caix auf *ROTEA zurückgeführte ital. r o c c i a
„paglia ravvolta a rotolo". (Dagegen sind von diesen ver-
schieden die dialektischen: neap. r o t s o l e i a r e , cerign. r u e t s e l e
„cilindro girante intorno ad un asse" Lanciano r ö t s e l e „legno
cilindrico che si mette sotto a gravi pesi, per farli scorrere",
r u t s e l ä , r u t s e l i ä „rotolarsi", die mit ihrem einfachen t s an
deutsches „rutschen" erinnern.) In b i r o c c i o , b a r o c c i o neben
b a r o z z o (Zeitschrift rom. Phil. VIII, 303), neap. b a r r u o t s o ,
gombit. Sillano b a r o t s s e , Arbedo b a r o t s hatte Meyer-Lübke
(Zeitschrift rom. Phil. VIII, 303) einen Suffix Wechsel ange-
nommen; eher könnte man einen Einfluß von c a r r o c c i o
neben c a r r o z z a , unter' dessen Einfluß auch biroccio zu
baroccio wurde, annehmen. Ich glaube aber, daß man gar
nicht von *BIROTIUM, sondern von *BIROTULUS, Dimi-
nutiv von BIROTUS ausgehen muß. Die zweite, über die
ganze Romania verbreitete Wortfamilie, ist diejenige, die
Körting 2 Nr. 1672 und andere auf mhd. b u t z e zurückführen.
Da aber auch das Rumänische ein b o t „Klumpen" besitzt,
welches von ital. b o z z a „Geschwulst, Beule", franz. b o s s e
„Höcker, Beule", ital. b o c c i a „Knospe" kaum zu trennen ist,
so muß das germanische Etymon aufgegeben werden. Es geht
vielmehr mit ital. b o c c i a auf * B O K ' U < * B O C L U < B O T [ U ] -
LUS zurück, während ital. b o z z a , b o z z o ein *BOK'KTJ
verlangt. F ü r den Sinnesübergang vgl. MATIA > rum.
m a t e „Eingeweide" (afr. boille, buille < *BOTULA „Ein-
geweide"), ital. m a z z a „Keule". — Über die Ergebnisse der
etwas anders gearteten COCHLEA und NÜCLEUS vgl.
Schuchardt: Romanische Etymologien II, 13 ff. und Zeitschrift
rom. Phil. XXIH, 333. Vgl. auch Wiener Studien XXV, 103,
— 133 — §§ 76, 77.

wo Meyer-Lübke das im C. GL V, 565, 57 belegte CONOCLEA


als die Vorstufe des ital. c o n o c c h i a , nicht als eine Weiter-
bildung auf -ea von COLUCLA = CONÜCLA ansieht.
Anm. Inwiefern DL und GL parallel zu TL und GL sich
entwickeln, kann hier nicht gezeigt werden. Nur auf einige
Fälle möchte ich aufmerksam machen. Das sass. s a n g u i -
s u d z z a und das alb. s u s u n e (§ 39 Anm.) können sowohl auf
*SANGUISUGULA, als auch auf SANGUISÜGIA zurückgehen.
Der erste Typus ist ohne weiteres verständlich, da es ein
Diminutivum von SANGUISUGA ist, der zweite dagegen ist
nicht recht klar, da das Suffix -IÜM wohl im Lat. an zu-
sammengesetzte Wörter tritt, nicht aber ein -IA an solche,
die lebende Wesen bezeichnen. Und dennoch ist gerade diese
Form spätlat. belegt (Acro zu Horaz Art. poet. 476). Im
Romanischen erscheint aber -ULUS als das beliebteste Suffix
zu solchen Ableitungen: ital. l a t t i - v e n d - o l o , p a n i - c o c - o l o ,
rum. c o d o - b a t - u r ä etc. (Meyer-Lübke Rom. Gram. II, § 430,
§ 558) und, wenn es sich um die Verbindung Substantiv +
Verb handelt, tritt es geradezu an Stelle des lat. -1UM: ital.
t e r r i m u o t o l o , rum. m i n ä s t e r g u r ä = spätlat. MANITER-
GIUM. Es ist daher wohl anzunehmen, daß das spätlat.
SANGUISUGIA nichts anders als eine graphische Wiedergabe
des rom. *SANGUISUG'A < *SANGUISUG[U]LA (für das
rom. Gefühl trennbar in SANGUIS + SUGO + ULA) ist und
als Pendant zu ital. b a r l u z z o di-nen mag, welches auch nur
auf ein *BISLUK'K'U < *BIS-LUCULU (vgl. Zeitschrift rom.
Phil. XIX, 181 und trevis. b i s o r b o l o „Blindschleiche") zurück-
geführt werden kann. Über *BULGULUS = *BULGIUS vgl.
§ 26. Für DL gibt es auch einige gleichgeartete Fälle, so
vor allem die im § 25 Anm. besprochenen *PANDIA > rum.
p i n z ä „Leinen" = * P A N D U L A (von PANDERE „ausbreiten"),
*PEND1US, *PENDIO > rum. spinz „Nießwurz", s p i n z u r
„hänge" = PENDULUS „herabhängend", PENDULO „hänge
herab" und wahrscheinlich auch *MAND1US >• minz <
*MANDULUS (etwa *HERBiEMANDIUS = -ULUS).
§ 72. Wenn wir nun zu unseren Suffixen zurückkehren,
so sehen wir, daß sich - a c c i o , - a z z o etc. gar nicht mit dem
lat. -ACEUS vollkommen decken, sondern daß diese ganz
dieselbe Funktion wie die italienischen Suffixe -aco, acco
§66. — 134 —

und - a c c h i o haben. Im lat. leitet -ACEUS von Substantiven


Adjektiva ab: GALLINA „Huhn" — GALLINACEUS „zu
den Hühnern gehörig". Schon in lateinischer Zeit konnten
nach Wegfall des dazugehörigen Substantivs diese Adjektiva
substantiviert werden, so stammt aus GALLINACEUS FIMUS
rum. g ä i n a t , span. g a l l i n a z a , portg. g a l l i n h a ^ a „Hühner-
mist", dagegen aus GALLINACEUS GALLUS das ital. galli-
n a c c i o , teram. K a l l e n i e t s s e „Truthahn". Dasselbe gilt für
YINACEUS „zum Wein gehörig", welches schon lat. als
Substantiv „Weinbeerkern" heißt, gerade wie ital. v i n a c -
c i u o l o , oder mit einer anderen Bedeutung: rum. v i n a t
„Weinberg" (etwa VINACEUS HORTUS). Wenn nun da-
neben im Italienischen g a l l i n a c c i a „schlechte, magere Henne",
v i n a c c i o „schlechter, dünner Wein", a v v i n a z z a r s i „sich
berauschen" vorkommt, so ist es klar, daß es sich in diesen
letzteren Fällen um ein Suffix - a c c i o = - a z z o handelt,
welches eine dem lat. -ACEUS fremde pejorative Bedeutung
besitzt. Nun sind wie a v v i n a z z a r s i viele andere Yerba ge-
bildet, darunter c r e p a z z a r e „bersten" = c r e p a c c i a r e ,
s b e v a z z a r e „nippen", i n n a m o r a z z a r e „franz. amouracher".
Für diese zwei letzteren kommen in derselben Bedeutung die
Nebenformen s b e v a c c h i a r e , i n n a m o r a c c h i a r e vor, deren
Suffixe auf einer Grundform -ACLARE beruhen. Von dieser
müssen wir ausgehen. Nach dem, was wir früher gesehen
haben, kann ein -ACLUS zu verschiedenen Epochen folgende
Suffixe ergeben:
I. -ACLUS = -ACUS > ital. - a c o , rum. -ac.
II. - ACLUS > - A K ' L U S > - A K ' U S > i t a l . - a c c i o , rum. -at.
III. -ACLUS < - A K ' K ' L U S > - A K ' K ' U S > i t a l . - a z z o , rum.
-aciü.
IY. -ACUS + AK'K'US > -ACCUS > ital. - a c c o , rum. ac.
Damit soll nicht behauptet werden, daß im ital. -co und
- c c i o nicht schon die lat. Suffixe -CUS und -CEUS stecken
können. Die auf -CLUM beruhenden Suffixe kennzeichnen
sich dadurch, daß sie ihren Ableitungen einen s c h e r z h a f t e n
Ausdruck geben. Je nachdem der Scherz gutgemeint ist oder
— 135 — §§ 76, 77.

in böser Absicht gemacht wird, hat man mit Diminutiven oder


Pejorativen (damit verbunden Angmentativen) zu tun. Nun be-
gegnet man vereinzelt schon im Lat. dieser Bedeutung in den
mittelst -CUS und -CEUS abgeleiteten Wörtern. So findet
man ein LINGULACA „geschwätzig", neben MERACUS hat
man MERAC[U]LUS, neben VERRUCA ein VERRUCULA,
und es scheint, daß die -C[U]LUS-Ableitungen in diesen zwei
Fällen die jüngeren sind. -UCUS hat pejorative Bedeutung
in CADUCUS, nach dem rum. u i t u c „vergeßlich" gebildet
zu sein scheint (gleichsam *0BL1TUCUS) und in MANDUCO.
In MERDACEUS „mit Kot beschmiert", PANUCEUS
„lumpig" etc. hat man die pejorative Bedeutung, die im
Primitivum steckt, dem Suffix übertragen können. Neben
BETACEUS „zum Mangold (BETA) gehörig" kommt spät-
lateinisch BETACULUS in derselben Bedeutung vor (Archiv
lat. Lex. IV, 186) und das beweist, daß die Suffixe -AK'U <
-ACEUS und -ACLUS zusammengefallen sind. Man würde
staunen, wenn eine derartige Beeinflußung n i c h t stattgefunden
hätte. Tatsache ist aber, daß die lat. Suffixe -ACÜS (Zeit-
schrift rom. Phil. XX, 349; Meyer-Lübke Rom. Gram. II § 409),
-ACEUS (Rom. Gram. II § 414). -AECUS (? B A B j E C A L Ü S
Zeitschrift XX, 350), -ICUS (Rom. Gram. §410), -ICIUS,-ICIUS
(Rom. Gram. II § 415-417), -OCUS (? BATIOCA Zeitschr.
XX, 350), -UCUS (Rom. Gram. II § 412, Zeitschr. XX, 350)
und -UCEUS (nur in PANNUCEUS) nicht genügen, um die
Suffixe - c o , -ccio mit ihrem spezifischen scherzhaften Cha-
rakter zu erklären, geschweige denn von -cco und -zzo.
Dies wird aus dem Folgenden ersichtlich. Hier soll nur noch
betont werden, daß nicht nur in den verschiedenen romani-
schen Sprachen, sondern sogar in derselben Sprache die ver-
schiedenen auf -CLUS zurückgehenden Suffixen unter sich
wechseln und zwar nicht nur daß -co = - c c o = -ccio =
- Z z o = - c c h i o , sondern auch aco = -eco — -100 =
-oco = -uco etc.
Anm. Horning, dessen Verdienst es ist, in zwei an
Material ungemein reichen Artikeln (Zeitschrift rom. Phil. XIX,
§66. — 136 —

170 ff., XX 335ff.) die Existenz der -c- und -cc-Suffixe in


allen rom. Sprachen erwiesen zu haben, will die -c-Suffixe
auf die lat. belegten zurückführen, die -cc-Suffixe aus diesen
so erklären, daß im Affekt eine Verdoppelung des Konsonanten
eintrat und endlich ital. - a c c h i o etc. aus ac(c)us + u l u s
deuten. Es ist ihm aber weder gelungen ein lat. -ACUS etc.
in dem Sinne des ital. ac(c)o etc. nachzuweisen, noch für die
Dehnung des Konsonanten im Affekt überzeugende Beweise
anzuführen. Daß franz. p o l i s s o n im Affekt p p o l i s s o n aus-
gesprochen wird, ist Tatsache und nach Paul Passy gilt die
Regel, daß in der erregten Rede, das im Satz betonte Wort
im Französischen den Akzent von der letzten Silbe auf die erste,
die nicht mit einem Vokal beginnt, zurückschiebt (j'ai vu un
animal aber: cet annfmal-lä). Wir sehen also, daß das Suffix
den Akzent verliert und daß die Dehnung des Konsonanten
im Wortanlaut eintritt. Aber selbst wenn es im Urromani-
sehen anders als im Französischen war, was leicht möglich,
jedoch unerwiesen ist, so hat doch die ungewöhnliche, erregte
Redeweise gewiß nicht den normalen Gang der fortlaufenden
ruhigen Aussprache beeinflußt, wie auch ein lat. *ACTJCULA
im Französischen, trotz • des affektvollen a c c ü c u l a nur zu
a i g u i l l e werden konnte.
§ 73. Lat. -ACEUS ( a r e n a c e u s „sandig", c a p i l l -
„haarähnlich, aus Haar", c h a r t - „aus Papier", c r e t - , „kreiden-
artig", f a b - „ausBohnen", h e r b - „grasartig", h e d e r - , „epheu-
grün", Iiii- „Lilien", m e m b r a n - „häutig", m i l i - „aus
Hirsen", t i l i - „Linden" etc.) liegt vor in:
*BOVACIA (nach GALLINACEUS) > nordit, b o a t s a ,
b o a s a „Kubmist". *CARNACEUM > sie. k a r n a t s s u
„carniccio" (vgl. lanc. f e k a t a t s s e „salsiccia"). "CATENA-
CEUM > c a t e n a c c i o „Sperrkette", teram. k a t e n a t s s e ,
a.-berg. k a d e n a t s , n.-berg. k a d e n a s , romagn. k a d n a t s s ,
lomb. k a d e n a s , (s)karnas (CATENA + CARDO?), ferr.
k a d n a t s s , k a r n a s , com. V. Teil k a r n a s . *FILACEUS >
f i l a c c i o „Fasern", sie. s f i l a t s s u . FOCACIA (seil, panis
schon bei Isidor Orig.) > f o c a c c i a „Art Brot", Lanciano
f e k a t s s e , lomb. f u g a s a . *NAVACEA >> cerign. n a t s s e k ä
„wiegen", camp, n n a t s s e k ä „cullare", aquil. a n n a t s s e k ä ,
— 137 —

tarant. n a t s s e i a r e „cullare", a.-berg. n a v a t s a , bol. n a v a t s


„specie di cassa", lomb. n a v a s s a , n a v a t s s a , n a v a s a „Trog'".
*PARACEA ]> ven. p a r a ^ o l a , veron. s p e r o n t s o l a , lomb.
p a r o s ö l a , trient. ( p a r ü s o l a entlehnt). PLUMACIUM ]> ital.
p i u m a c c i o „Federkissen", a.-berg. p l u m a t s o l , bol. p i m a -
tsol. *SETACEUM (seil. CRIBRUM) > s t a c c i o „Sieb",
cerign. s t a t s s g , Lecce s u t a t s s u , neap. s e t a t s s o , aquil. so-
t a t s s u , teram. s e t a t s s g , campob. s e t a t s s e , SillaDO sgda-
t s s e (gall. s i a t s s u <C sass.), cors. s t a t s s u , a.-gen. sea^o,
n.-gen. s i a s s o , romag. emil. s d a t s s , piem. sia^, lomb.sedats.
*SERACEUM > gen. säsu „latte cotto e rapresso." vgl. auch
*BONACIA (nach MALACIA) „Windstille" > b o n a c c i a , sie.
b u n a t s s a , Lanc. b u n a t s s e , gen. b o n a s s a , ven. b o n a t s s a .
Weitere Beispiele b e c c a c c i a „Waldschnepfe", c a p e l -
l a c c i a „Haubenlerche", c a s t a g n a c c i o „Kastanienkucben",
c u l a c c i o „Hinterstück des geschlachteten Rindes", f a r i n a c -
cio „Mehlabfall" (farinacciuolo „mürbe, bröcklich" = f a r i -
naceo), f e r r a c c i a „Schmelzgefäß aus Eisenblech", p a n i a c -
cio „Wachstuchfetzen zum Einwickeln der Leimruten" (vgl.
pänia „Yogelleim1'), p o l p a c c i o „Wade", r a p a c c i o „Kohl-
rübe" etc. Wenn dagegen neben t e r a c c i o < *TERRA-
CEUS, s c u r a c c i o „Grembiule" CORIACIA ein t e r a z z a
„Terasse", c o r a z z a „specie di usbergo" vorkommeu, so
sind die letzteren aus dem Französischen (terrasse, cuirasse)
entlehnt.
Tm Rumänischen findet man -ACEUS > - a t in *CAR-
NACEUS > c i r n a t „Wurst", *FENACIUS > f i n a t „Heu-
wiese", GALLINACEUS > g ä i n a t „Hühnermist", VINA-
CEUS > v i n a t „Weinberg", *FLOCCACIA > arum. f l u -
k a t s ä „wollener Rock" (floc = Wolle). Nach Wörtern wie ital.
f o c a c c i a , c a s t a g n a c c i o „ K a s t a n i e n k u c h e n " ist arum. s u -
t s a t s ä „Stritzel" v o n s u t = drum, sucesc „drehen" gebildet.
Anm. Wenn neben c i r n a t , g ä i n a t , arum. drum, c i r -
n a t , arum. g ä l i n a t , alb. f l o k a t e „weißwollener Uberrock",
neugriech. rploxara vorkommen, so sind diese letzteren
mittelst des Suffixe -ATUS gebildet, und man braucht nicht
74. — 138 —

anzunehmen, daß drum, c i r n a t eine falsche Singularbildung


zu Plur. c i r n a t i sei. In Ableitungen hat man c i r n a t a r ,
c i r n ä t ä r i e etc. (nicht c i r n a t a r etc.)
§ 74. ICEUS bildete im Lat. Adjektiva von Partizipien:
ADVEN-T-ICIUS, EMP-T-ICIUS, FAC-T-ICIUS, LOCATI-
CIUS etc. Im Ital. sind solche Bildungen sehr häufig. Oft
wurde das Adjektivum substantiert. SALSICIA (farta Acro
Scol. Hör. Sat, 2, 4. 60.) > s a l s i c c i a etc. § 65. Weitere
Beispiele: a c c o g l i t - i c c i o „rasch zusammengerafft", a d d o r -
m e n t a t - i c c i o „schlaftrunken", a p p i c c a t - „leicht klebbar",
a r s - i c c i o „leicht versengt", b r u c i a t - „Überbleibsel von ver-
brannten Sachen", c a s c a t - „leicht abfallend", c a s s a t - „lieder-
liche Ausradierung", c a v a t - „Schutt", c o l a t - „abfließendes
Wachs, Schlacke" (als Adj. „von selbst abgefallen"), c o t t -
„halb berauscht", f i g l i a t - „trächtig", f i l a t - „Gespinst aus
Seidenabfällen", g r a t t a t - „leichtes Kratzen", g u a s t a t - „etwas
beschädigt", i m p a r a t - „schlecht gelernte Sache", m o r t -
„halbgestorben", m u f f a t - „schimmlig", p a s s - „halbverblüht",
p o r t a t - „eingeführt", p r i m a t - „zeitlich", p u g n i t - „stimolo",
r a c c a t t a t - „das Ausgelesene", r a c c o g l i t - „zusammen-
gerafft", r a s p a t - „ausgescharrter Boden", r e c i t - , „Aus-
gespieenes" etc. Vergl. auch m o l - t - i c c i o „feucht".
Im Rumänischen haben sich nur zwei Fälle erhalten
a r s i t ä „Sonnenglut, trockner Platz" < *ARSlClA (CALOR,
PLAGA vgl. ital. a r s i c c i o ; a r s i t ä , wie meist betont wird,
richtet sich nach dem unbetontem Suffix -itä, slavischer Her-
kunft) und r ä m ä s i t ä „Rest" < *REMANSTCIA (vgl. ital.
a v a n z a t i c c i o „Überbleibsel"). Das sind die zwei einzigen
Fälle im Rumänischen, in welchen das Suffix - i t ä einen vor-
hergehenden Dental affiziert (was auf lat. i weist) und kein
Diminutivum ableitet.
Da die meisten Partizipia auch als Adjektiva verwendet
werden, konnte ICEUS auch an Adjektiva angefügt werden
und in der Funktion des lat. -ICEUS verwendet werden:
( a m ) m a l a t i c c i o „kränklich", wurde direkt zum Adjektivum
m a l a t o gezogen und als Diminutiv gefühlt, wonach sich dann
— 139 — 8.74.
t
a l t i c c i o , a m a r i c c i o , d u r r - , f i a c c h i c c i o „matt", f o r t - ,
f r e d d - , f r a c i d - , p a z z - „halbverrückt" etc. richten. Meistens
findet dieses Suffix Verwendung bei Farbenbezeichnungen:
abiccio, azzur-, bianch-, biond-, giall-, livid-, ner-,
p a l l i d - etc., dann übertragen auch c e n e r i c c i o „aschgrau",
p a o n i c c i o „Pfaublau". Vgl. lanc. s c u r - e t - i t s s e „scuriccio
di colore."
Im Romanischen begegnet man aber auch einem Suffix
-ICEUS, das gerade wie -ACEUS Adjektiva, oder daraus her-
vorgegangene Substantiva ableitet, welches daher die Stelle
des im nächsten Paragraphen zu behandelnden -ICEUS über-
nimmt: PELLICEA [vestimenta] > *PELLlCEA > ital.
p e l l i c c i a , a.-berg. p e l i t s a , franz. p e l i s s e , span. p e l i z a
„Pelz", PANlCEUS > *PANlCEA > p a n i c c i a „Teig",
POSTICEUS > *POSTlCEUS > p o s t i c c i o . Weitere Bei-
spiele:
*ALNICEUS > o n i c c i o , mil. o l n i t s s und o l n i s , a.-
berg. u n i t s , n.-berg ö n e s „alno, ontano". *ARENICEUS
> r e n i c c i o „Kies". *CANNICEUS > c a n n i c c i o „Rohr-
geflecht", cal. k a n n i t s s u . *CAPRICEUS > capriccio
„Laune". *CARNICEUS c a r n i c c i o „Fleischseite der Haut"
( = sie. k a r n a t s s u , vgl. span. c a r n i z a „Fleischabfalle").
*CRATICEUS > g r a t i c c i o „netzartiges Gitter", g r a t i c c i a
„Fischreuse", mil. g r a d i s a , romagn. g a r d e t s s , piem. g r i s s a ,
bellum g a r d i t s s , Val d'Aosta grisse. *GLAR1CEUS >
g h i a r i c c i o „Kieselgrund". SUBC1NERICIUS (Archiv lat.
Lex. III, 505) > s o c c e n e r i c c i o „del pane cotto sotto la
cenere".
Ferner: o r l i c c i o , o r l i c c i a „äußerster Rand des Brotes,
Randrinde" zu o r l o „Saum", m o r i c c i a „Schutthaufen" zu
m o r a , t e r r i c c i o „Mist", v i t i c c i o „Rebe". M u r i c c i a „Stein-
haufen steht statt * m u r e c c i a <C MURlC-EA.
Im Rumänischen hat sich -ICEUS in dieser Funktion
nicht erhalten, und das Suffix - i t ä , das Meyer-Lübke (Rom.
Gram. II, § 416) davon ableitet ist slavischen Ursprungs (vgl.
meine Diminutivsuffixe § 92.).
§66. — 140 —

§ 75. -1CIUS, das im Klas.-lat. Adjektiva von Substan-


tiven ableitete (PELL-ICEUS) etc., wurde, wie wir gesehen
haben, durch ICEUS ersetzt. Dagegen findet sich im West-
romanischen ein Suffix -TCEUS nur in Verbindung mit -ER-,
oder zum mindesten an Stämmen, die auf -R endigen, an-
gefügt.
Anin. Dessen Vorbild ist kaum in Wörtern wie LATE-
R1CEUS zu suchen, das man auf LATUS beziehen konnte,
sondern es sind vielmehr Bildungen wie PORCARIC1US
(DOMUS) Lex. Alam. 83, 3 > rum. p o r c ä r e a t ä „Schweine-
stall", ital. p o r c h e r e c c i o , span. p o r q u e r i z a , nach welchem
ein *CAPRARICIA gebildet wurde, ital. caprareccio „Ziegen-
stall", arum. k ä p ä r l e a t s ä „Ziegenplatz" <[ * k ä p r ä l e a t s ä
< * k ä p r ä r e a t s ä . Auch ein SIGILLAR1CIUS (ANELLUS)
ist spät belegt (vgl. Romania XXXII, 178). Im Italienischen
findet man Adjektiva auf - e r e c c i o , die die Zugehörigkeit an-
geben: b o s c h e r e c c i o „zum Wald gehörig", camp — „zum
Feld gehörig", cas — „häuslich", c a v a l l — „geeignet
vom Pferd getragen zu werden, f e s t — „festlich", f i t t — „zur
Pacht gehörig", mosch —• „fliegenartig", pazz — „halb ver-
rückt" ( = pazziccio), spos — „hochzeitlich", v e r n — „winter-
lich", v i l l — „ländlich". Von Verben sind abgeleitet: be-
v e r e c c i o „trinkbar", f i g l i — „trächtig", giov — „anmutig",
god — „vergnügungssüchtig", p i g l i — „leicht zu nehmen",
p u g n —, p i o v — „regnerisch", v e n d — „verkäuflich". Zu
Substantiven gewordene Adjektiva sind: a c q u - „Wasserkanne",
b u g n - „Bienenhaus" (vbugnola „aus Stroh geflochtener Korb"),
c a m p e r e c c i a „Ackerland", c o s t e r e c c i a Rippenstück; in
b a r c h e r e c c i o Anzahl Barken, ferrareccia „Eisenwaren" liegt
der kollektive Begriff im Suffix -ARIUM. An Stämmen auf
-R wird - e c c i o angehängt in: l a v o r e c c i o , m a r m o r e c c i o
„Marmor-", p a s t o r e c c i c „pastorale", p e c o r e c c i o „pecores-
co", a.-ital. p e s c a r e c c i o , n.-ital. p e s c e r e c c i o „zur Fischerei
gehörig". In l a d r o n e c c i o „Diebstahl" haben wir es mit einer
Metathese *LATRONICIUM statt LATROCINIUM zu tun.
Im Rumänischen ist die Beurteilung des Suffixes - et sehr
schwierig, da sich mit dem lat. -ICIUS ein slav. - e t s mit fast
gleicher Funktion gekreuzt hat. Direkt auf lat. Grundformen
— 141 §75.

sind zurückzuführen: f i n e a t ä „Weideplatz" < *FEN1CIA


( f i n a t „dass." < *FENACEUS), g r i n e a t ä „Getreide" <
*GRANICIA, wahrscheinlich auch die etymologisch dunkeln
m ä t r e a t ä „Schuppen" (nach Philippide Gramatica S. 164 bis
165 statt * m ä t u r e a t a < m ä t u r a „Besen"!?) und mi-
s t r e t „Eber, Wildschwein" (nach Cihac I, 168 von * M ^ S T -
ICIUS „der Traurige"!?). Dagegen leite ich m ä r e t „hoch-
mütig" nicht von rum. m a r e „groß" (trotz Densusianu Hist.
langue roum. 299), da mir der Sinnesübergang nicht ein-
leuchten will, sondern direkt von lat. *MARICIUS „männlich"
(„Sosind [Mihaiü Yiteazul] in locul unde trebuia sä pri-
meascä moartea, cäläul cu toporul in minä sä apropie de el, dar
cind attnti privirea asupra jertfei sale, cind väzu acel t r u p
m ä r e t [ = jenen männlichen Körper], acea cäutäturä sälba-
ticä si infiorätoare, un tremur groaznic il apucä" . . . B ä l -
c e s c u : Mihaiü Yiteazul osindit la moarte). Wie lat. SIG1L-
LARICIUS ( < S1GILLARE) sind gebildet die rum. Adjektiva
auf - ä r e t = a s c u l t ä r e t „gehorsam", cintäret „Sänger",
c u r v a r e a t a Dosofteiü: Viata sfint. 52/2 „Dirne", p u r t ä r e t
„tragbar, Träger", s ä l t ä r e t „hüpfend", l u c r ä r e a t ä Dosofteiü
Viata sfint. 1 b/4, v o r b a r e t gesprächig; — wie SIGILLA-
RICIÜS SIGILLUM): c o p i l ä r e t „kindlich", b ä l t ä r e t
„Sumpf-", c ä l a r e t „Reiter" « calare). Auffallend ist das
substantivierte m u s t a r e a t ä „Birkensaft" (vgl. musteniciü
„cirnat fäcut cu must"). Dagegen steckt wahrscheinlich das
slav. unbetonte -ICI in - ä r e t : h ä r b a r e t „Nascher" = h ä r b a r ,
p i s m a t ä r e t « * p i s m ä t a r < g r i e c h . jtsiOfidtaQrjg) „Neider",
m u i e r ä r e t „Hermaphrodit" Dosofteiü Viata sfint. 22b/3,
235b/10, v o r b a r e t = v o r b ä r e t . Bei dieser letzten Bildung
konnte, nach f l e c a r ein * v o r b a r vorgeschwebt haben, wonach
dann auch l i m b ä r e t „Schwätzer". Damit war auch die
Möglichkeit gegeben, ein r ä p ä r e t „Raub-", n e g u s t ä r e t
„nüchtern" (d. h. „einer der nicht viel kostet") Gaster: Chre-
stom. I, 47, 2 zu bilden.
Das einfache - e t bildet 1. wie lat. ICIUS Adjektiva von
Substantiven: d r u m e t „einer der zum Weg gehört = Wan-
§71. — 142 —

derer", l ä e t (tigan 1. = tigan de laie), l u m e t „weltlich",


nelumät, Dosofteiü: Viata sfint. 216/3 „schüchtern", m ä l ä i e t
„fad", n e g u r e t „nebelig" Gaster: Chrestom. II, 299, 2, o r b e t
„blind", p ä d u r e t „Wald-", (mgl. p i d u r e t s i „Erdbeeren"),
v e r d e t „Art Fisch" (auch verdete), g o g o n e t „rund" =
g o g o n a t , mgl. v ä r d ä r e t s „Wind vom Vardar her". —2.Dimi-
nutiva a) von Adjektiven: a l b e t , a l b i n e t (vgl. log. albinattu:
a l b u l e t „weißlich", l a t a r e t = l ä t a n e t „etwas breit", l u n -
g ä r e t = l u n g u i e t „etwas lang", b) von Substantiven:
b r l n e t „Gurt",podet „kleine Brücke", u n g h e t „kleine Ecke",
c o p i l e t „Schößling"; vgl. auch O l t u l e , O l t e t u l e in Volks-
liedern. Unklar ist b u c h i n e t („incepu a'nfuli cu läcomie
din buchinetul de pine, ce-i däduse crlsmarul" Noua rev. rom.
II, 225). Als Diminutivum läßt sich auch s c ä i e t = scaiü
(neben scäete) auffassen. Das dialektische g o l e n t ä „Schaf-
fell ohne Wolle" ist mit g o l a s „dass." (Jb. VII, 83) zu ver-
gleichen. Mgl. p o t e t „kleiner Krug" scheint ein Diminutivum
von *pot zu sein, das auf dasselbe urromanische *POTTUM
zurrückgeht, wie franz. p o t , span., portg. pote. Die Mehr-
zahl dieser Diminutiva kommen in Verbindung mit -ul- vor:
- u l e t : a c - u l e t , a r c - , c o d r - , c o l t u l e t e , c o r b u l e t , cos-,
c u i b - , d r ä c - , d r ä g - , I o r g - , nuc-, om-, p r u n d - , r ä c -
„Natterwurz", ri-, s t e g - , s t r o p - , s o i m - , säe-, t u r c - , urs-,
v i e r m - . Unklar ist arum. k u t u l e t s u „Fadennetz, Strumpf-
öffnung." Auffallend ist s ä c u l - t - e t Dosofteiü Viata sfint.
118b/23, 28 = s ä c u l e t und f l e c u s - t - e t e Creangä: Amintiri 88
von f l e a c (vgl. putin-t-el). — 3. Slavischen Ursprungs i s t - e t
in deverbalen Nomina actoris: (vgl. akslav. plesati — plesici
„Richter", grebo = grebici „Ruderer", prekupiti — preku-
pici > rum. p r e c u p e t , cito — citici > c i t e t „Leser", be-
sonders beliebt in Zusammensetzungen caro-dejici „Zauber-
täter", hlebo-pecici „Brot-bäcker", myto-jimici „Zoll-ein-
nehmer" vgl. bei Dosofteiü Viata sfint. 63/7, 326/13, 66b/10:
b l a g o b ö r e t , b l a g o n o s e t , c i u d o v o r e t etc.). Da neben
c i t e t ein c i t e s c , neben g l u m e t „Spaßvogel" < akslav.
g l u m i c i ein glumesc existiert, konnte -et produktiv werden:
— 143 — §§ 76, 77.

I n d r ä s n e t „mutig", p ä c ä l e t „Spaßvogel". S ä m e t „hoch-


mütig" setzt ein * s ü m i c i « sümejo „wage") voraus (su-
m e t ist literarische Anlehnung an STJMMUS nach mare-
märet), ist et „schlau" ein * i s t i c i (vgl. istn) voraus, s c o p e t
„Kastrierter" = kslav. s k o p i c i . Aus dem Slav. stammt auch
das irum. - e t s (sändets, belets, hläpets etc.). Bemerkenswert
ist, daß ein - e t im Sinne von ital. b e v e r e c c i o , rum. p u r -
t ä r e t nur an slavische Verbaisfcämmen angefügt wird: c i t e t
„leicht lesbar", p l u t e t „leicht schiffbar" l u b e t „leichtver-
liebbar" (vgl. akslav. ljubica „amator").
§ 76. Von einem -*ECIUS, *-ÖCEUS, [-ÜCIUS] fehlt
im Lat. jede Spur, -UCIUS ist in PANNUCIUS allein be-
zeugt; dieses hat sich im Rom. nicht erhalten, so daß es auch
zu keinen Neubildungen Anlaß geben konnte. Daher müssen
wir einerseits für ital. -eccio, -occio, -uccio ein anderes Ety-
mon suchen, und nicht nur für diese, sondern auch für
- a c c i o , - u c c i o die Diminutiva, Pejorativa oder Augmentativa
ableiten. Ihr wahrer Ursprung ist im § 72 angedeutet worden.
Hier sollen nur noch die Beispiele besprochen werden und
zwar in folgender Reihenfolge:
1. -K'US, 2. K'K'US, 3. KUS und KKUS, 4. CLUS.
§ 77. -K'US, -K'O haben die Suffixe: - a c c i o , (eccio,
iccio), - o c c i o , - u c c i o , - a c c i a r e , - i c c i a r e , - u c c i a r e im
Italienischen, - e t , - o t , - u t , im Rumänischen ergeben:
a) - a c c i o ist im Italienischen pejorativ-augmentatives
Suffix von fast unbegrenztem Gebrauch: A n i m a l - a c c i o ,
arnes-, asin-, babb-, bab-, b a f f - , balord-, bambin-,
b a r b a r - , b a s t a r d - , baston-, battut-, birr-, boll-, bors-,
bosc-, briac-, bu-, b u g i a r d - , bulon-, cagn-, cantin-
etc.; A q u a c c i a , a n d a t - , a r i - , a r t - , a s s - , a z i o n - , b a r b - ,
b e s t i - , b i r b - , b o r r - , c a g n - etc.; A n t i c a c c i o - a n t i c a c c i a ,
a s t i o s - , avar-, b o n - , b r u t t - , g r a n d - , p o v e r - , r i c c - ,
v e c c h i - etc. In Verbindung mit - u c c i o : c a s u c c i a c c i a ,
c o l o r u c c i a c c i o , l a v o r u c c i a c c i o , selbst p o r c a c c i a c c i o .
Von Verben abgeleitet sind: b e r l i n g - a c c i o „letzter Dienstag
im Karneval", g a b a c c i o „Unhöflichkeit", p i a l l a c c i o
__ 144 —

„Schwarte". L e v a t a c c i o „vorzeitiges Aufstehen" ist nach


dem Muster der -aticciare-Ableitungen (§ 74) gebildet.
- a c c i a r e liegt vor in c r e p a c c i a r e „bersten", wovon
c r e p a c c i o „Sprung, Riß". Dieses hat also nichts mit einem
lat. *CIiEPATIO zu tun (vgl. § 69), sondern — und dies
soll im Folgenden nicht mehr wiederholt werden, — alle
Verbalabstrakta auf - a c c i o , - a z z o etc. sind Postverbalia von
Zeitwörtern auf - a c c i a r e , - a z z a r e etc. Da man c r e p a c c i o
direkt auf c r e p o zurückführen konnte, konnten auch Neu-
bildungen wie r a m a c c i o „Rauschen der Zweige" (ein
* r a m a c c i a r e existiert nicht) p o p o l a c c i o = p o p o l a z z o
entstehen.
Ein rum. - a t , - ä t a r e in dieser Funktion fehlt.
b) Ital. - e c c i o , - e c c i a r e , rum - i e t , - i e t a r e fehlen.
Ital. - e c c i o in - e r e c c i o geht auf-JCEUS zurück, - e c c i a r e
ist mir unbekannt. Dagegen ziehe ich hierher die rum. Dimi-
nutiva a u f - e t , die im § 75 besprochen worden sind, - e t ä r e fehlt.
c) - i c c i o hat neben den im § 74 besprochenen Fällen,
wo es auf -ICETJS zurückgeht, auch die Funktion einespejorativ-
diminutiven Suffixes und geht auf -IK'US zurück: c o l o r i c -
cio„verblaßte F a r b e " , f a n g h i c c i o „dünner Schlamm", p a g l i c -
cio „klein gehacktes Stroh" (vgl. sicil. p a g g h i o c c u „paglia
assai minuta"),parenticcio „weitläufigerVerwandter",pauric-
cia „Gänsehaut",poltriccio „schlechtesBett" (poltro „Lager"),
p a c c i c h i c c i o „schmutziger Ort" (vgl. paccicotto), neap. pun-
t i t s s u etc. Diminutiva a u f - i c c i u o l o : erbicciuola,libricciuolo
= l i b r i c c i n o = l i b r i c i a t t o l o (vgl. omiciattolo „Knirps"),
m e m b r i c e i u o l a „zartes Glied", m o n t i c c i u o l o = m o n t i -
cello=monticino,muricciuola„Mauervorsprung" -muri-
cello „kleine Mauer" — m u r i c c i a „unvollständige Mauer",
o p e r i c c i u o l a „kleines unbedeutendes Werk", o r t i c c i u o l o
= o r t i c e l l o „kleiner Gemüsegarten", p e t r i c c i u o l a =
petrucciuola = petrucola = petruzza, porticciuola
„kleine Tür", f e s t i c c i u o l a „kleines Fest".
- i c c i a r e liegt vor in p i o v i c c i a r e = p i o v i c o l a r e (da-
gegen ist a r s i c c i a r e „leicht anbrennen", c o t t i c c i a r e „leicht
— 145 — §77.

abkochen", g r a t i c c i a r e „durch Flechtwerk einschließen",


m e s t i c c i a r e „wühlen" von a r s i c c i o c o t t i c c i o etc. abge-
leitet; r a m i c c i a r e „Reisigbündel schneiden" geht auf *RAMIC-
IUS zurück). Postverbal ist c a r p i c c i o „Tracht Prügel"
(carpere).
Im rum. fehlt i t a r e , dagegen finde ich -it als Diminutiv-
suffix in p u i t von p u i ü , arum. g ä r i t s u „griu", drum, c o r n i t
.,sac triunghiular" („zärul sä strecoarä printr'un cornit de llnä"
Liuba-Iana Mäidan S. 111).
Das Suffix -IK'US ist durch eine späte Inschrift aus
Venetien bezeugt,, wo n e p o t l c i a (Corpus Inscr. Lat. V, 4466)
statt dem üblicheren Diminutiv NEPOTICULA (Archiv lat.
Lex. VIII, 168) steht. Ein klass. Lat. Diminutivum auf-ICIUS
von einem Substantiv ist nie belegt.
d) occio leitet im Ital. von Substantiven Diminutiva mit
einem tadelnden Begriff der Derbheit ab: a l t o c c i o „nicht
sehr hoch", b a b b o c c i o = b a b b e o „Tölpel, kindisch", b a -
coccio „Gespinst eines gestorbenen Seidenwurmes", b a m -
b o c c i o „dickes, fettes Kind" (cal. m a m m o t s s u l u , lanc.
m a m m o t s s e ) , b e l l o c c i o „hübsch, halbwegs schön", c a p -
p o c c i o „Dickkopf", c a r t o c c i o „Hülle", c r e s c u t o c c i o „dick",
f a n t o c c i a „Puppe", f a n t o c c i o „Hampelmann", f r a t o c c i o
( = fratocco) „großer, jovialer Mönch", f r e s c o c c i o , f e m m i -
noccia, festoccia, figlioccio, grassoccio, grassoccino
„hübsch rundlich", g a v o c c i o l o „Pestbeule", g r a v o c c i o ,
l a r g o c c i o , s a n t o c c i o etc. Aus den Dialekten: sie. f i g g h i -
o t s s u , m u n t - a r - o t s s u , Gombitelli: d i t o t s s e „dito", mil.
f ü r ü g o t s s , a.-berg. f i o t s , f i o t s a , n.-gen. f i d z o s s u „figli-
occio" etc.
- o c c i a r e kenne ich nicht.
Im Rum. kommt ein -o(n)t vor in mgl. m ä g ä r o t s
„Eselchen", c i r l i o n t „Locke", das mit c i r l i g „Hacken" (vgl.
kruss. karliuka „dass.") verwandt ist, in c o t o r o a n t ä „mageres
Frauenzimmer" zu c o t o r „Stiel", und in v r ä b i o n t zu v r a b i e
„Spatz", - o t a r e liegt vor in cocota.
10
§66. — 146 —

e) - u c c i o hat im Ital. pejorativ-diminutive Bedeutung


Ambuccio, amor-, anim-, argoment-, articol-, att-,
avanz-, avar-, avvocat-, bambin-, bert-, borg-, botte-
gai-, cagion-, caless-, calor-, camer-, cann-, cantin-,
c a n t - etc. B i a n c - , c a l d - etc., A n i m u c c i a , - b o c c - , cas-,
d o m n - , g e n t - etc. M a l a t t i u c c i a ist ein „kleines Leiden",
m a l a t t i a c c i a „eine schwere böse Krankheit", m a l i g n u c c i o
ist „etwas boshaft" (von kleinen Kindern), m a l i g n a c c i o
„äußerst boshaft" (von Erwachsenen). In den Dialekten hat
das Suffix - u c c i o meist verkleinernde Funktion: sie. d u k u t s s u ,
k a r t u t s s a , f r a t u t s s u , m a n u t s s i , s u r u t s s i etc. (vgl. Schnee-
gans S. 90), Lecce: k a d d u t s s u „cavalluccio", s t e d d u t s s a ,
cal. p u r t s e d d u t s s u , Teramo: M e n e k e ü t s s e „Menicuccio",
T s e k e ü t s s e „Cecuccio", P e t r e ü t s s e „Pietruccio", p e d § -
ü t s s e „pieduccio", m a n e ü t s s e „manina", Lanciano: M a u r u -
t s s e , m a n u t s s e , f r e d d u t s s o l e „ F r e d d i n o " , detutsse„ditino'",
s u p r a b e t u t s s o „soprabitino", c a p p e l l u t s s e „cappellino",
v u n n u t s s g „vestina" etc., cors. l a d r u t s s u , k u c c u t s s u etc.
Sillano: b a l l u t s s e „ballotta", b e r n u t s s e „cappello sformato",
a.-berg. k a n a r u t s , c a p u t s „pilleus", p a i u t s „stramen", mil.
p e i u s , p r e t ü s , v a n t s ü s „avanzuccio", t r i a ü s etc., triest.
b a r b u t s etc.
- u c c i a r e kommt vor in Lanciano s b e l u t s s ä „spiatellare"
(sbelä) Verbalsubstantiv i s t s c a r a m u c c i a (a.-berg. s k a r a m u t s a
„conflictus", vgl. romagn. s k a r a m o t s s a l „Hin- und Herstoßen
im Wagen").
Im Rum. ist - u t eines der häufigsten Diminutivsuffixe
a c u t , arc-, a r g i n t - , b o t - , f i - etc. a l b i n - u t ä , b ä r b - f
b i s e r i c - , c ä m a r - , c u t i - etc. a c r u t , a c r u t ä , a l b - , a d l n c - ,
b u n - , c a l d - , crud-etc., o l - c - u t ä , p o l - c - u t ä etc. (Weitere
Beispiele in meinen Diminutivsuffixen §§ 93—100.)
- u t ä r e kommt vor in g u r g u t a „auffliegen" Dosofteiü
Viata sfint. 193/22 (vgl. gurg-uiü) und in mgl. s t r e l u t s ä „es
blitzt", das zu slav. s t r e l a „Pfeil" gehört.
§ 78. K'K'US liegt vor in
a) ( - a c c i o = ) - a z z o : a m o r a c c i o = a m o r a z z o „Liebelei",
— 147 —
b i s c a c c i a = b i s c a z z a „elende Spelunke", c a g n a c c i o =
c a g n a z z o „magerer Hund". Die gleiche Funktion wie - a c c i o
hat - a z z o in: c o d a z z a „Schwanz" (mil. q u a t s s a = rum.
c o d i t ä „Zopf"), f r e t t a z z a , -o „großer Besen" (zu frettare),
p r e t a z z u o l o „Priesterlein", m a r a z z a „Sumpf"; b r u n a z z o
„bräunlich", p a o n a z z o „pfaublau" ( = paoniccio), vgl. auch
m a l a z z a t o „malato", m u l a z z o „mulatto". Barbazzale
„Kinnkette" ist nach dem unter d) zu besprechenden b a r -
b o z z a gebildet. P a z z o „verrückt", campob. p a t s s i i a , cerign.
p a t s s e , aquil. p a t s s i a , kal. p a t s s f u ist wahrscheinlich aus
p u p - a z z o verkürzt (vgl. Nigra Archivio glott. ital. XV 130.
vgl. auch paccheo „Dummkopf").
( a c c i a r e —) - a z z a r e : c r e p a c c i a r e = c r e p a z z a r e ,
p o p o l a c c i o = p o p o l a z z o . Ferner liegt ein augmentativ-
pejoratives - a z z a r e vor in: b r a v a z z a r e „prahlen" (vgl. bra-
vaccio), g h i g n a z z a r e „laut lachen", g a v a z z a r e „lautjubeln",
i n n a m o r a z z a r e , s c h i a m a z z a r e „schreien", s c a c a z z a r e ,
s c o r r a z z a r e „schwärmen", s p a r n a z z a r e „verzetteln", s p e -
l a z z a r e „Wolle lesen", s v o l a z z a r e „flattern", s b e v a z z a r e
„nippen" etc. An Verbalsubstantiven führe ich an: g a v a z z o
„lauter Jubel", s c h i a m a z z o „Schrei", ferner: c o d a z z o „Ge-
folge", a n d a z z o „Epidemie", m o g l i a z z o „Heirat", n e v a z z o
„starker Schneefall", p u g n a z z o „kleines Gefecht", t r a m a z z o ,
sie. s a l a t s s u „scialo prolungato", neap. s c a m a t s s o , romagn.
s t s a m a t s „schiamazzo", neap. a c q u a t s s a „rugiaaa" etc.
Im Rum. kommt ein verkleinend-pejoratives - a e i ü vor:
im arum. k o p i l a t s u „uneheliches Kind", mgl. z u n k a t s u
„junc mic", drum, s t i n g a c i ü „linkisch", dazu arum. n d r e p -
t a t s u „rechtshändig". Hierher gehört auch das Wort r l n -
c a c i ü „einhodig, brünstig" (cal rlncaciü „halb kastriertes
Pferd). Es beruht auf einem * r i n c < *RENICUS < RENI-
CULUS + Suffix -AK'K'US (Dame gibt auch ein r i n c a s
„qui n'a qu'un testicule" Cihac II, 187 ein cal r l n c ä u „cheval
bistourne"). Die Konfusion zwischen „Hode" und „Niere"
trifft man auch im Franz. r o g n o n („Des rognons de coq" =
testicules de coq.). Außerdem gibt es im Rum. ein Suffix
10*
— 148 —

- a c i ü , das dorn lat. -AX, -ACEM entspricht: FUGACEM >


f u g a c i ü , ebenso a l e r g a c i ü „Renner", b ä t a c i ü „batailleur",
c u f u n d a c i ü „Taucher" (Colymbus), i m p u n g a c i u „dispose
ä frapper des cornes", g o n a c i ü „Treiber", h r ä n a c i ü „leicht
ernährbar", m i n a c i ü „Treiber", p i r l a c i ü „Gauner", s p u r -
c a c i u „Ottis tetrax", r ä v n a c e „Koncubine" Dosofteiü Viata
sfint. 62/31, 205/20, 22, s u g a c i ü „Säugling", t r ä g a c i ü „zieh-"
r o b a c i ü „arbeitsam" Gaster Chrestom. II, 348, 3, v o r o -
v a e i ü „sprechend" Dosofteiü Viata sfint. 72b/30. Es ist nicht
anzunehmen, wie ich dies mit Meyer-Lübke und Hasdeu getan
habe (Diminutivsuffixe § 81), daß - a t s e < -ACEM unter dem
Einfluß des slav. - a c i (clrm-aciü „Steuermann" < akslav.
krümüciji, c i r p a c i ü , arum. k!rpats<Cbulg.krepats, c o v a c i ü
„Schmied" < akslav. kovaci, t l l m a c i ü „Dolmetsch" <Cakslav.
tlümaci, s c h i t a c i ü <C serb. s k i t a c „Landstreicher" etc.) zu
- a c i ü geworden ist, da-ACEM im Südrumänischen-atse er-
geben hätte und drum, t r ä g a c i ü < *TRAGAX ( = T R A H A X )
steckt auch im arum. t r ä g a t s i k ä , mgl. t ä g ä r t s i c „tragä".
Ebenso entspricht dem drum, - i c i ü , - i c e im Südrumänischen
ts-Formen (siehe unter c). Wir müssen daher annehmen,
daß -AX, -ACEM zuerst zu -ACULUS geworden ist (DICA-
CULUS < DICAX, LOQUACULUS < LOQUAX), so daß
f u g a c i ü auf *FUGAK'K'US < *FUGACULUS beruht.
b) Von einem -EK'K'US finde ich weder im Ital. noch
im Rumänischen eine Spur. Dagegen ist -lK'K'US im rum.
Diminutivsuffix - e c i ü (-enciü) erhalten: c o r n e c i ü „Pulver-
horn", d r u m e c i ü (=drumeae, mgl. drumak) „Fußsteg", p o d e -
ciü „kleine Brücke", scäune(n)ciü Jb. VIII, 84 „kleiner
Schemel", p o p e n c i ü „junger unerfahrener Pfarrer" Jb. VIII,
275, t a u r e n c i ü „junger Stier" Jb. VIII, 318, t r o n e c i ü „kleine
Truhe" Jb. VIII, 318, t l r n e c i ü „kleiner Besen" Jb. VIII, 318.
c) - i z z a r e ist aus dem Verbalsubstantiv p u t i z z a „pest-
artige Ausdünstung", b i s c h i z z a „Hirngespinst" (vgl. bischenco
„dummer Witz", bischero „Dummkopf"), c a n i z z a „wildes
Gebell der Hunde" zu erschließen, ferner aus sie. v e n t u l i t s s u
„ventilazione", p i t r u l i t s s u „luogo pieno di pietra", cors.
— 149 —

m u l l i t s s u „immondezza", sie. Lecce: t r e m u l i t s s u „tremito


continuo". Diesem entspricht genau im Rumänischen ein t r e m u -
r i c i ü „andauerndes Zittern", ferner: l i p i c i ü „Anziehungs-
kraft" („avea lipiciü la vorbä"), g i d i l i c i ü „Kitzeln" („Mos
Roatä ayea gidiliciü la limba". Creangä) p ä l i c i ü „Sturm",
arum. a s k u n t i t s „Schlupfwinkel". Ein Diminutivsuffix - i c i ü
liegt vor im mgl. b e l i t s „weißlich", drum, n e g r i c i ü „schwärz-
lich" („negriciü la fatä" Tribuna 1899, 1. August), dann in
m ä s e ä r i e i ü „Hanswurst" = m ä s e ä r e t Gaster, Chrestom. II.
360, 1. Arum. l i n g u r i t s e , mgl. l i n g u r i t s „kleiner Löffel",
arum. l i l i t s e „Blümlein" zeigen daß die drum, - i t s e Ab-
leitungen, die sämtlich Diminutiva sind und die Nebenform
- i c ä besitzen, nicht auf -1CEM (Diminutivsuffixe §§ 81, 831
zurückgehen können, welches im Südrumänischen - i t s e ergeben
hätte, sondern daß sie ein -IK'K'A voraussetzen: c u r e l i c e =
- i c ä , g ä u r i c e = - i c ä (auch G ä u r i c i ü in Ortsname), m ä g u -
rice = -icä, p ä d u r i c e = -icä, p i t u l i c e = -icä, sacu-
rice = -icä, scindurice = -icä; curv-ul-ice = eurvu-
licä. Hierher gehört auch das Wort a r i c i ü „Igel", welches
gerade wie ital. a r i z z a r e nicht auf ERICIUS zurückgeführt
werden kann, sondern ein *ERIK'K'US < *ERICULUS, von
ER, ERIS „Igel" verlangt. Lat. ERICIUS ist nur in Prosa-
texten belegt, so daß man die Quantität des I nicht kennt.
Hätte es aber langes l gehabt, wie die rom. Sprachen voraus-
setzen, so begreift man nicht die Formation, da lat. -IC1US
nie an Substantive (ER, ERIS) herantritt (§ 74). Es geht
auch nicht anzunehmen, daß ERICIUS, wie das im § 77, c)
besprochene NEPOTICIA eine unbeholfene Wiedergabe des
späten *ERIK'US < *ER1CULUS sei, da das Wort schon
bei Varro Satur. Menipp. 216 (ed. Riese) vorkommt und „Igel"
heißt (er sagt über Epimenides, der nach fünfzig Jahren nach
Rom gelangt und so erstaunt über das Gesehene ist, daß, wenn
er kahl wie Sokrates gewesen, ihm vor Erstaunen die Haare
zu Berg gestiegen wären, wie einem Igel mit weißen Stacheln
und mit einem Rüssel . . . .: „invenisse, se, cum dormire
coepisset tarn glaber quam Socrates, esse factum ericium cum
§71. — 150 —

pillis albis, cum proboscide." Sexagessis II). Es ist wahr,


daß nach Yarro ERICIUS während der ganzen klassischen
Latinität kein einziges Mal vorkommt, um erst bei Isidor und
späten Schriftstellern wieder zu erscheinen, wo es allerdings
als *ERIK'US aufgefaßt werden kann (Caesar kennt nur ein
ERICIUS im Sinne von „Balken zum Zerstören fester Plätze",
vgl. Bell. civ. III, 67, 10—20, welcher v i e l l e i c h t , wie Georges
angibt, „mit eisernen Zacken" war und dann ein substanti-
viertes Adjektivum ERICIUS „igelartig" sein kann). Es ist
also wahrscheinlich, daß ERICIUS des Varro nicht verbreitet
war und daß man dafür ER, ERINACEUS (§ 65) oder *ERI-
CULUS sagte. Man kann das rum. Wort, welches in a l l e n
D i a l e k t e n a r i t s lautet, nicht anders erklären, weder aus
* a r i t s durch den Einfluß der Diminutiva auf - i c i ü (Diminu-
tivsuffixe § 81), da auch ein Diminutivsuffix - i t existiert, noch
nach der Analogie von s o a r e c e (Tavernay), da dies im Arom.
s o a r i k heißt, noch endlich als Rückbildung aus *ERICIONEM,
da dies *aretsune (wie T I T I O N E M > t ä c i u n e , CHRISTIANUS
crestin) geworden wäre, woraus nur * a r e t s hätte ent-
stehen können. Meyer-Lübkes Annahme (Rom. Gram. I § 513),
daß a r i c i ü aus alb. i r i k stamme, wird zwar durch alb. k a f e
> c e a f ä „Genick" (irum. t s o f ä Bartoli 85) und entsprechend
durch alb. g ü m e s e j u m ä t a t e „Hälfte" (arum. d z u m e t a t e ,
d z u m e t i k ä , mgl. z i m i t a t i ) , alb. g u m ä „Schlaf" ajumesc
„schlummere" (Densusianu Hist. langue roum. 296) bestärkt,
aber — abgesehen vom Übergang des anlautenden i- > a
man sieht nicht recht ein, warum die Bezeichnung für Igel
von den Albanesen gekommen sei. Ebenso ist es mit den
Suffixen - a c i ü und -iciü. Sie kommen auch im Slavischen
vereinzelt in derselben Funktion wie im Rumänischen vor
(vgl. serb. j a r c - i c „Böcklein"), ihre Latinität kann indessen
nicht geleugnet werden und ein f u g a c i ü kann nicht von
FUGAX ein t r e m u r i c i u nicht vom sie. Lecce t r e m u l i t s s u
getrennt werden.
d) ozzo ( = occio) in c a r r o z z a (Gombitelli k a r o t s s a ,
Sillano k a r o t s s e ) „Wagen" = c a r o c c i o „mittelalterlicher
— 151 — §§ 76, 77.

Fahrwagen". Ein augmentativ-pejoratives Suffix -ozzo liegt


vor in: b a c i o z z o „derber Kuß", b a r i l o z z o „barilotto", b r i -
g l i o z z o „starker Zügel", p a r o l o z z a „gemeines Wort", pic-
cozza „Hammerbeil", p r e d i c o z z o „nicht lange und inhalts-
lose Predigt", * p a l l o z z a in r a p p a l l o z z a r e „zu Kügelchen
formen" etc. Ferner b a r b o z z a „Kinnstück" (mil. barbots,
romagn.barbu(n)tsel, a.-berg.barbots „ K i n n " ) = b a r b a z z a l e ,
m a r i t o z z o „Fastenkuchen", b a r l i n g o z z o „süßes Gebäck der
Karnevalszeit" vgl. b e r l i n g a c c i o . Aus den Dialekten: Lan-
ciano: m o t o t s s e „großer Haufen" (möte<MTJLTUS), Sillano
faKotsse „fagotto". - o z z a r e ist mir unbekannt.
Rum. - o c i ü ist Diminutivsuffix: m u r g o c i ü „vitel näscut
la murgul särii", p u s c o c i ü „Kinderspielgewehr".
e) - u z z o ( = - u c c i o ) : a n i m a l u c c i o = -uzzo, b o r r u c c i a
= - u z z a „wenig Eitelkeit", c a n d e l u c c i a = - u z z a , c a r -
tuccia = -uzza, chericuccio = -uzzo, concetuccio =
- u z z o , c o r u c c i o = - u z z o „hartes Herz", d e b o l u c c i o =
-uzzo, g u a d a n u c c i o = - u z z o , i d e u c c i a = - u z z a , m a e -
s t r u c c i o = - u z z o = - u c o l o , m e l u c c i a = uzz(ol)a „halb-
reifer Apfel", n o i u c c i a = - u z z a , o p e r u c c i a = - u z z a , or-
l u c c i o = -uzzo, p a g i n u c c i a = - u z z a , p a n n e r u c c i o =
- u z z o , p a r o l u c c i a = - u z z a „Wörtlein", r e g o l u c c i a =
- u z z a etc. Ferner liegt ein pejorativ-diminutives - u z z o in
a r t i s t u z z o , a s s e t t a t - „Geck",badi- „kleine Abtei", c e r v e l l -
,,leichtsinniger Mensch", c o c o m e r - „Sattlernagel", d o g l i -
„dogliarella", donuzz(ol)o „kleines, wertvolles Geschenk",
f e r r - , f i l - , g i n e s t r u z z a „ginestrella", g l o r i u z z a , l a b -
b r u z z o „schöne Lippe", n e r v - , o c c h i - , p a l - , p a n i - „Leim-
rute", p e l - , p e r n - „pernetto", p i a n - „kleine Fläche", p o l -
l u z z o l a = „polloncello", p r o f u m a t - „parfümierter Geck",
r a b b i u z z a etc. C o c u z z a „Schädel", c o c u z z o l o „Scheitel,
Gipfel" (vgl. rum. a sä cocota, cucuta „emporklettern"), cam-
pob. k e k o t s s a , cerign. k e k ^ s s e , Bari k e k o t s s e , aquil.
k u k u t s s a , neap. k o k o t s s a (skokotssare „troncare il capo"),
Lanc. k e k o t s s e ist ein Diminutiv vom *coca als scherzhafte
Bezeichnung des Kopfes (vgl. § 60 und Schuchardt Romanische
§§ 79, 80. — 152 —

Etymologien II, S. 23). Aus den Dialekten Lecce: r e s t u t s s u


„Stoppel" (eigtl. „Rest"), Sillano b a u t s s u l a „quasi: bavuz-
zola". — Verbales - u z z a r e kenne ich nur in g a l l u z z a r e „far
galloria", t a g l i u z z a r e „in kleine Stücke schneiden". — Im
Rum. fehlen - u c i ü und - u c i ä r e .
§ 79. -KUS = -KKUS. Über diese Suffixe hat Horning
a. a. 0. ausführlich gehandelt und zahlreiche Beispiele ge-
bracht, die sich leicht vermehren lassen. Für das Rumänische
verweise ich auf den ersten Abschnitt meiner „Diminutiv-
suffixe". Horning hat gezeigt, daß aco und a c c o etc. neben-
einander nicht nur in gleicher Funktion vorkommen, sondern
in derselben Ableitung alternieren. Daß -KUS auf ein -CLUS
zurückgeht, beweist die Tatsache, daß wir im Italienischen
-eco (cerboneca, cibeca etc.), nicht ieco haben, also daß das
e ursprünglich in gedeckter Stellung war. Wie die eben be-
sprochenen Suffixe, leitet auch -K(K)US meist scherzhafte
Ausdrücke, sei es, daß diese Diminutiva, Augmentativa oder
Pejorativa sind. Oft wechselt -K(K)US mit -K'(K')US: p i c i -
n a c o = p i c i n a c c i o = p i c i n a c o l o „Zwerg" « picino),
g u a r n a c c a (vgl. a.-franz. garnache „Überrock") = g u a r -
n a c c i a « guarnire), d o n n a c c o l a == d o n n a c c i a „donna
vile", abruzz. a l e m a n a k k e = a n i m a l a c c i o ; p a s t i c c o ,
p a s t i c c a „Pastille" — p a s t i c c i a „Pastete", f r a t o c c ( o l ) o
= f r a t o c c i o , c u c c o — c u c c i o = cuzzo (vgl. § 68), cae-
c i u c c o „Fischsuppe" (aus kleinen Fischen die beim Fangen
( = cacciare) ins Netz geraten) = c a c c i u c c i o etc.
§ 80. Das Suffix -CLUS leitet im Lat., wie ULUS, teils
Diminutiva von Substantiven und Adjektiven, teils Werkzeug-
namen von Verben ab. In einem Fall wie TENDlCULA >-
mgl. t i n d e k l ä „vargä de fier servind in räzboiü a tinea
pinza intinsä" (In Bran hörte ich als Benennung desselben
Teiles des Webstuhles t i m b e i c h e , worin wohl der Einfluß
von TEMPLUM vgl. ital. t e m p i a l e „Spannbaum am Web-
stuhl", franz. t e m p l e „instrument pour tenir l'etoffe tendue
sur le metier" zu sehen ist.), obwohl wir es mit einem kleinen
Gegenstand zu tun haben, ist der instrumentale Sinn klar.
— 153 — §§ 76, 77.

Derselbe ist auch in BAT[T]UO + Suffix -CLUS „Klopfer-


erkennbar: ital. b a t a c c h i o „Stock", dav. b a t a c c h i a r e
„prügeln", b a t o c c h i o „Glockenklöppel",battaglio „Glocken-
schwengel", mil. fe v r. parm. piem. romagn. b a t o t s , mil. com.
b a t a d z , gen. b a t t a d z o , crem, b a t a k o l , bresc. ver. b a t o -
kol(o), ven. päd. b a t o c h i o „battaglio", ven. b a t o k a „batti-
tura", gen. b a t a d z i „ciondoli", mil. b a t a d z ä „scampanare",
grödn. b a t o t l , franz. b a t a i l , span. b a d a j o , vgl. span. b a t u -
c a r , portg. b a t o c a r , b a t o c a „Schlag", rum. b ä t u c i
„klopfen, stampfen", b ä t u c ä „Geflügelmagen" (welcher wie
das Herz „schlägt") etc. In derselben Weise ist, von einem
*MATTEARE „schlagen" + Suffix CLUS folgende Wort-
sippe abzuleiten: mgl. m ä t s o c u = „mäciucä", ital. m a z -
zocco (vgl. mazzocchio), ven. m a t s s ö k a , m a z z o k o l a , sie.
m a z z o k k u l u „speciedimartello",span. m a z o c h o „Schlägel";
— rum. m ä c i u c ä „Knüttel" dav. m ä c i u c f „schlagen", sard.
m a t s s u k k a , dav. ( a m ) m a t s s u k k a r e „battere", abruzz. am-
m a t s s u k k ä „battere il lino o la canape col mazzapicchio",
eng. m a t s s ü c h , franz. m a s s u e . Wenn wir im ital. b a t a c -
c h i a r e ein Iterativum zu b a t t e r e zu erblicken versucht sind,
so ist man in m a z z o c c o , m ä c i u c ä , m a s s u e etc. geneigt eine
direkte -UKKA-, -OKKA-Ableitung von MATTIA zu sehen.
Daraus erhellt, daß aus dem instrumentalen -CLUS vereinzelt die
in dem vorigen Paragraphen besprochenen Suffixe entstehen
konnten. Ihre Quelle ist jedoch das diminutivische -CLUS.
Anm. Lork (Altberg. Sprachd. S.212) unterscheidet nicht die
besprochene von BAT[T]ERE abgeleitete Wortsippe von einer
anderen, die zwar sinnverwandt ist, aber aufBAC[U]LUS -)- K-
Suffixe zurückzuführen ist: lomb. emil. b a t s o k „Schlägel", crem,
b a t s o k l a „Trommelschlägel", crem, b a t s o k , mil. brianz. b a -
t s a k o l „ciondolo", mant. b a t s o k a r „sbattere, dibattere", mil.
b a t s o k ä , m a n t . b a t s i g a r „tentennare", lomb. b a t s o k a „suonar
le campane a tocchi separati" etc. — Ebenso zieht mit Unrecht
Meyer-Lübke (Rom. Gram. IV, 179) zu *MATTEUCA das
ital. m a c i u l l a „Hanfbreche", abruzz. m a t s i n o l l a . Diese,
ebenso wie abruzz. m a t s s a k e „Gemetzel", a m m a t s s a k k ä
„zermalmen", pist. a m m a k a t s s a r e , s m a k a t s s a r e , m a t s a k -
§66. — 154 —

k a r e „schiacciare", m a k a t s s a , span. m a c h o „Hammer",


m a c h a r , m a c h a c a r , m a c h u c a r „stampfen", a.-franz. ma-
que, alb. m a n k e „Hanfbreebe", gehören zum Stamme MAC-
(ital. m a c c a r e — m a c o l a r e , sard. m a c c a r e etc.), welcher
wahrscheinlich im lat. MACTO steckt.
§ 81. Das Latein kennt die Diminutiosuffixe -ICLUS
(APlOULA, CLAVlCüLA ete.) -tCLUS (ANATICULA etc.),
die im Romanischen mit einander wechseln, -ECULA (NUBE-
CtJLA, MOLLECULA, VOLPECULA etc.), das j m Urromani-
schen mit -1CULA zusammengefallen ist und -UCULUS (PE-
DUCULUS, VERUCULUM etc.), die zur Bildung von Dimi-
nutiven außerordentlich beliebt waren und im Romanischen
sehr viele Spuren hinterlassen haben (Meyer-Lübke Rom.
Gram. II §§ 422—425). Ein -yEC[U]LUS erscheint nur in
B A B j E C U L U S „Lebemann" (bei Petron 37, 10; Arnob 4, 22,
wovon span. b a b i e c a „Einfaltspinsel") ein -UO[U]LUS nur
in dem durch das Romanische gesicherten *AOUCULA (ital.
gucchia, franz. aiguille, span. aguja, SUBUCULA ist in SUB-
U-CULA zu trennen. Das Yorromanische hat aber, wie das
Zeugnis der rom. Sprachen beweist, die ganze Vokalreihe
vervollständigt und dies teils aus sich selbst, indem es nach
dem Muster der anderen Suffixe auch ein ACLUS (im Lat.
ist nur ein instrumentales ACLUM belegt: UMBRACULUM
etc.), -OCLUS etc. schuf, teils dadurch, daß zu den -AX, -EX,
-IX, -OX-Bildungen neue Diminutiva auf -ULUS gebildet
wurden. „Die Volkssprache bildete besonders gerne, oft mehr
scherzhafte Adjektiva auf -AX und -EX, die jedoch die
Schriftsprache nicht zu gebrauchen wagte. So findet sich
TRAHAX nur bei Plautus, CATAX und TAGAX bei Lucilius,
ABSTINAX nur bei Petron. In Glossen: DAPAX: loquax,
OPINAX: manifestus omnibus (hominibus), MAN] FEX:
manum dans, PANDEX: qui Semper pandit ora ad potandum,
VIPEX: vim peticundo." (Archiv lat. Lex. IX, 371—372). So
sind Wörter wie DICACULUS „naseweis" « DICAX), LO-
QUACULUS „schwatzhaft" « LOQUAX) etc. zu deuten. Die
Rolle, die diese Bildungen spielten, muß sehr groß gewesen sein,
— 155 — §§ 76, 77.

denn nur so läßt sieh erklären, daß die -CLUS, -K'(K')US


und K(K)US-Suffixe die „scherzhafte" Bedeutung, von der wir
so oft gesprochen hahen, besitzen und daß dieselben Suffixe
so oft deverbale Diminutiva und Pejorativa ableiten.
Anm. Wenn man die lat. Eigennamen einem gründ-
lichen Studium unterziehen wird, wird man noch viele Belegt'
für die hier besprochenen Suffixe finden, da die Namen der
Römer bekanntlich Spitznamen waren, also ganz gut zum
„scherzhaften" Sinn dieser Suffixe passen. Zimmermann führt
im Archiv lat. Lex. XI, 585 eine ganze Reihe von Personen-
namen auf -UCUS, -UCCUS, -UCIUS und -UCCIUS an, die
er auf das seltene Suffix -UCUS in CADUCUS, ALBUCUS,
MANDUCUS zurückführt. Aber weder die Weiterbildung auf
-1US, noch die Dehnung des C ist hei dieser Deutung klar.
Auch die auf afrikanischen Inschriften vorkommenden -lC(C)A-
Bildungen: BODICCA C. I. L. VIII, 2877, B0N1CA 4560,
KARICA 3288 gehen auf -ICLUS > IC(C)US zurück.
§ 82. Im Rumänischen sind die Suffixe -CLUS, -CLO
nicht produktiv. Nur i n m ä z ä r i c h e „Kichererbse" begegnet
man einem diminutivischen i c h e <C -1CLA (vgl. lat. LENT1-
CULA) und in i n t o r t o c h i a neben i n t o r t o c a (Liuba-Iana:
Mäidan S. 71) „verwickeln" (von tort). Dagegen sind diese
Suffixe im Italienischen reichlich vertreten:
a) - a c c h i o leitet Bezeichnungen von Tierjungen: b i r -
r a c c h i o „junges Rind", b u c i - „junger Ochse", o r s - „junger
Bär" (Val. Soana orsako), p o l t r - , r e c c - , l u p a c c h i n o etc.
(vgl. poitevin l e v r a c h e „Häsin", n.-prov. b o u v a c h o u n
j u n g e r Ochse", b o u c a c h o u n „junger Bock", rum. t u r m a c
„junger Büffel, welcher mit der Heerde (turmä) läuft", franz.
p o u l a c h e „junges Pferd"). Das rum. g o d a c „einjähriges
Schwein, einjähriger Bär" (neben ban. goadzin „einjähriges
Wildschwein" Jb. III, 316) ist von slav. g o d ü „Jahr" abge-
leitet, entspricht also genau dem rum. d a n a c , mgl. d a n a k
„einjähriges Kalb" aus d'an „vorjährig" und dem lat. AN-
NICULUS „einjährig" > log. a n n i i u „einjähriges Pferd",
cors. a n n e c c u „capretto o agnoletto d'un anno", sass. a n i -
dzzu „cavallo di un anno", neap. a n n e k k y e , tess. n e t s „ein-
§66. — 156 —

jähriges Kalb", abruzz. n n e k i e „einjährige Ziege" etc., neben


dem auch ein *ANNUCLUS durch obwald. anul' „Widder",
span. a n o j o „einjähriges Rind" gesichert ist. Daß nach
Wörtern wie ANATICLA, APICLA, OVICLA, MURICLUS,
VULPECLA etc. auch ein -ACLU zur Bezeichnung von Tier-
jungen entstanden sei, darf uns nicht Wunder nehmen; dem
lat. CORNIC-ULA entspricht im ital. c o r n a c c h i a dem OVI-
CLA ein ital. a b b a c c h i o , dem VULPECULA (fr. goupil
span. golpeja) im ital. v u l p a c c h i o . Außerdem liegt ein -ac-
chio, welches unmöglich auf das lat. instrumentale -ACLUM
zurückgeführt werden kann, in f r a t a c c h i o n e = f r a t a c c i o ,
brutacchiotto = brutaccio, pazzacchione = pazzac-
c i o n e , ferner in p r e t a c c h i o n e , f u r b a c c h i o t t o , b o t a c c h i o -
la etc. vor.
- a c c h i a r e liegt vor in s b e v a c c h i a r e = s b e v a c c i a r e
= s b e v a z z a r e „nippen", dann in: b a t t a c c h i a r e „prügeln'
(vgl. § 80), b u c a c c h i a r e — f o r - „durchlöchern", f u g - „oft
die Flucht ergreifen" (vgl. FUGAX), f r u g - „eifrig durch-
stöbern", g i u r - „häufig und falsch schwören", g i o c - , „etwas
spielen", l a v o r - „pfuschen", m u r - „stümperhaft mauern" (vgl.
m u r a c c i o „schlecht gefügte Mauer"), r u b - „mausen", s b a d -
„gähnen", s c r i v - „schmieren", s p u t a c c h i a r e „spuken" (vgl.
s p u t a c c h i o <C -ACLUM), t i r a c c h i a r e „zerren" ( = franz.
t i r a i l l e r , wo -ailler ganz beliebt ist: c r i a i l l e r , d i s p u t -
a i l l e r , d o r m a i l l e r , r e p e t a i l l e r , t o u r n a i l l e r etc.).
b) - e c c h i o und - i c c h i o sind häufig im Ital. Fälle wie
o r e c c h i a <C AURICULA führe ich nicht an, da in ihnen
das Suffix erstarrt ist; dagegen wurde es gefühlt in LENTI-
CULA > l e n t i c c h i a nb. l e n t i g l i a , parm. mil. l i n t e t s s a ,
VITICLA > v i t i c c h i o , lomb. v e d e t s etc. An neuen Bil-
dungen ist zu nennen: r u b e c c h i o „rötlich", b u s e c c h i a
„Gedärme" (vgl. mil. b u t s s e k k a , piem. b u s e k a „budelame"),
c r o c i c c h i o „Kreuzweg", c a n n i c c h i o , d o t t o r i c c h i o , m o l -
l i c c h i o = m o l l i c c i o „etwas weich" etc., vgl. Rom. Gram.
II, § 422. Auch b u r i c c h i o „scherzhafter Name für eine
Katze" ist mit b u r i c c o „scherzhafter Name für Esel" zu ver-
— 157 — §§ 76, 77.

gleichen. Über franz.-ille, -il in Personennamen (Jacquille etc.)


vgl. Zeitschrift rom. Phil. XIX, 184.
- e c c h i a r e kommt vor in p u n z e c c h i a r e „sticheln",
a o n n e c c h i a r e „schlummern", ( m o r s e c c h i a r e „anfressen"
< *MORSIC-ULARE); — i c c h i a r e in c a m p o n i c c h i a r e
„mühsam zusammenschreiben", d e n t - = r o s - „benagen",
e u c - „langsam nähen", g i o c h - „spielen", i m p a r - „wenig und
mühsam lernen", sie. g a t t i g g y a r i „kitzeln", s a l t i c c h i a r e
„hüpfen" ( = franz. s a u t i l l e r , wie b r a s i l l e r , g r a p i l l e r ,
n a s i l l e r etc.), d o l i c c h i a r e = sie. d o l l i t s s i c a r e , dim. von
DOLERE.
c) Über ital. - o c c h i o ( c a p o c c h i o , c a n n - , m a z z - , p a s t - ,
p a s t a c c h i o n e „feiste Person", abruzz. v a l l o k k y a „Tälchen",
a g o c c h i a etc.) vgl. Mayer-Lübke, Rom. Gram. II, § 423.
d) - u c c h i o ist selten: gen. g a n d ü d z z a „Eichel", da-
gegen ist ein Suffix - u e o l o beliebt: f r a t u e o l o , p r e t - , leg-
gier-; a f f a r n c o l o = -uccio, m e r c a n t u c o l o = mercan-
t u c c i o , p a e s u e o l o — p a e s u c c i o , vgl. auch a v a n z u g l i o
a v a n z u c c i o , p a g l i u c o l a = p a g l i u z z a „Strohhälmchen"
( = sie. pagghiukku), p i e t r u c o l a = p i e t r u z z a = p i e t r u c -
c i o l a = p e t r i c c i u o l a , b a i u c c o l a = baiuc(c)a — b a i -
u z z a „Scherz", p o e t u c c o l o = p o e t u c c i o = p o e t o n z o l o
(§ 71); — u c c h i a r e kommt vor in b e v u c c h i a r e „nippen",
b a c i u c c h i a r e „schnäbeln" (dav. baciucchio) = sard. b a c i -
uccare, biasciucchiare = biasciucare = biasciuco-
l a r e , a f f a t u c c h i a r e „bezaubern", g i o c - „spielen", im-
p a r u c c h i a r e „wenig und mühsam lernen", m a n g i u c c h i a r e
= - u c c a r e „wenig essen", p a r l u c c h i a r e „radebrechen1^
p i a g n u c o l a r e „wimmern", p e s u c c h i a r e , sie. g a t t u g g y a r i
( = franz. c h a t o u i l l e r , wie b a r b - , b r e d - , g a z - etc.).

Y. Abschnitt: Rückblick.
§ 83. Nachdem wir in der Einleitung die Geschichte des
lat. Ti und Ki im Rumänischen, Sardischen und Italienischen
§66. — 158 —

von einem prinzipiellen und in den ersten vier Abschnitten


dieser Arbeit vom lautlichen Standpunkt aus betrachtet haben,
sind wir zu folgenden Ergebnissen gelangt.
1. Am Ende des III. Jahrhunderts n. Chr. wird durch
historische Begebenheiten die im ganzen römischen Reich ver-
breitete, dem Wesen nach gleiche urromanische Sprache, in
zwei Gruppen geteilt, unter welchen jeder Verkehr, der auch
in die Sprache Spuren hinterlassen hätte, abgebrochen wird;
es entsteht einerseits eine Ostromanische, andererseits eine
Westromanische Sprache. Diejenigen Lautveränderungen, die
beiden eigen sind, lassen sich mit ziemlicher Sicherheit,
wenigstens in ihren Anfängen, auf die urromanische Sprache
zurückführen.
2. Darunter gehört die Affizierung des Ti und Ki.
3. Ti ist bis zum Ende des III. Jh. auf die Stufe ts ge-
langt. Im Osten (im Rumänischen) wurde es bald von dem
Gesetz der Vor- und Nachtonigkeit erreicht und, noch bevor
die Sprache die vier Dialekte entwickelt hätte, verwandelte
sich ts urrumänisch 1. vor dem Ton in ts: TITIONE tä-
t s u n e , 2. nach dem Tone in t s : PUTETJS ]> p u t s u . — Im
Westromanischen dagegen, — als deren Repräsentanten das
Italienische und das Sardische dienen mögen, — hatte der Ton
keinen Einfluß auf ts und dies wurde in allen Stellungen zu
ts. Nun drangen bald nach der Scheidung des Ost- und West-
romanischen in dieses Latinismen ein, die je nach derZeit der
Entlehnung im Italienischen g (palagio) oder t s i (grazia) er-
gaben. Diese sind dem Rumänischen gänzlich fremd und lassen
sich n i c h t auf das Urromanische zurückführen.
4. Dagegen gab es schon im Urromanischen vier ver-
schiedene Arten des affizierten K: 1. Kia, Kio, Kiu kt.
2. Kie, Kii > k 2 . 3. K' < CL (§ 70) > k 3 . 4." K'K' <
CCL (§ 70) > k 4 . Nun fielen im R u m ä n i s c h e n k x und k s
mit Ti zusammen und ergaben vortonig ts, nachtonig ts; k ,
dagegen ergab immer t s ; für k 2 fehlen Beispiele. Im I t a l i e n i -
s c h e n , — von den Dialekten sehe ich ab, — fielen mit Ti
nur k, nach Konsonanten und k 4 zusammen und ergaben ts(s),
— 159 — §§ 76, 77.

dagegen wurde k x nach Vokalen und k 3 zu tss; für k 2 fehlen


Beispiele. Im S a r d i s c h e n endlich zeigt nur k 2 eine ver-
schiedene Behandlung (indem es im Log. Kamp, mit anlauten-
den CE, CI dieselben Wege geht, nicht aber im Sass.), sonst
fallen k l 5 k 3 und k 4 zusammen.

PUTEUS TITIONEM BRACIUM CALCEA


Drum. put täciune brat, incalt»
Arum. putsu tätsune brats nkaltsu
Mgl. — tätsuni brats —

Irum. puts — bröts nköts

Ital. pozzo tizzone brazzo calzo


Sicil. putssu titssuni vratssu kau(t)si
Trient. poso stison bras kalsa

Log. (retssa) (retssolu) bratssu kaltsa


Kamp. (retssa) titssoni bratssu kartsa
Sass. (retssa) titssoni bratssu katsa

FACIES -AK'US -AK'K'US CRUCEM


Drum. (fatä) (et) -aciü cruce
Arum. (fatsa) (ets) -atsu krutse
Mgl. (fatsä) (ets) -ats krutse
Irum. (fötse) — — krutse

Ital. (faccia) -accio -azzo croce


Sicil. fatssi -atssu ? kruci
Trient. fatsa -aso ? kros

Log. fakke -atssu ? (lughe)


Kamp. fatssa -atssu p (luzi)
Sass. fatssa -atssu ? (radidzi)

5. Urromanisch ist auch die Assimilation des STi, SKi zu


SSi vgl. § 34.
§ 84. Aus der tabellarischen Zusammensetzung des vor-
hergehenden Paragraphen geht hervor, daß lat. Ki und Ke,
§66. — 160 —

Ki verschiedene Schicksale hatten. Dies kann nicht genug


hervorgehoben werden, weil es immer noch Gelehrte gibt, die,
Schuchardts Beispiel folgend, zwischen diese chronologisch
auseinander zu haltenden Erscheinungen nicht scheiden. So hat
neuerdings Herzog (Zeitschrift rom. Phil. XXVI, 363—364)
für die älteste Entwicklung von Ti, Ki und Ke, Ki folgende
Stadien unterscheiden wollen:
gemeinromanisch
1. MÜTARE RATIONE VIKINU MINAKIARE
2. mutare ratsone vekinu manakiare
gemeinromanisch ?
3. mutare ratsone vekinu manakiare
westromanisch
4. mutare ratsone vekinu manatsyare
d d
5. mudar ra zon ve zin mana f ssar
6. mudar ra d zon veazin mana f sar = a.-span.
7. mudar razon vezin manatsar = urfranz.
urprov., urkat.
Herzog nimmt an, daß Ti früher affiziert wurde (etwa mit
Ii, ni, di zugleich) als Ki und daß es allgemein in der Volks-
sprache den einfachen Laut t' oder ts hatte ( = etwa nordital.
c, ein Laut, der dadurch entsteht, daß beim palatalen Explo-
sivlaut die ganze Vorderzunge an den Gaumen angedrückt wird,
was zur Folge hat, daß beim Öffnen des Verschlusses ein Reibe-
geräusch deutlich hörbar wird). Ki dagegen verschmilzt nicht
zu einem Laut, sondern es entsteht Konsonantendehnung in-
folge von Assimilation, und dieser Laut geht dann mit Ke,
Ki zusammen. -ITIA hat im Franz. regelrecht - e i s e ergeben,
während - e c e aus der Sprache der Gebildeten (ITSIA) stammt;
PLATIA und PETIA (auch rum!) sind spät ins Latein ge-
drungen.
Wenn wir vom Französischen ganz absehen, wo diese Er-
klärung auf große Schwierigkeiten stößt, so paßt Herzogs An-
nahme für das Gebiet, das wir studiert haben, gar nicht. Da
— 161 — §§ 76, 77.

er keinen Einfluß des Akzentes annimmt (S. 364), müßte PU-


TEUS mit CRUCEM zusammenfallen ( = RATIONE = VI-
CINUS) und von BRACHIUM verschieden sein, was durch
die Beispiele im § 83 gänzlich widerlegt wird.
A n m . Ich habe bis jetzt absichtlich vermieden von CE
CI zu reden, um damit anzudeuten, daß diese Lautgruppen
von Ti, Ki scharf zu scheiden sind. Dies soll hier durch
einige Beispiele aus den italienischen Dialekten veranschaulicht
werden:
Sicil.: PUTSSU = BRATSSU dagegen: ciniri; pici
„pece", pumica; kautsa „calce", kautso „calcio".
Calabr.: K'ATSSA = EATSSU « FACIO) dagegen:
tserasu; adzziellu „uccello".
Lecce: PETSSA = LATSSU, dagegen: tsinere, tsinku,
tsertu; patse, pitse, nutse, krutse, forfetse, etsitu < ACETUM;
fautse, kautse, dutse, surdze, atseddu „uccello", tssisu < OC-
C1SUS.
Bari: PUTTSE = LATSSE, dag.: tsiende, tsenere, tsegghie
„ciglia", tseka „cieca"; detseve < DECEBAM, tridgtse, fa-
t s e d d e w e < F I C E D U L A ; — masena < MACHINARE, pese,
'mbese < 1NVICEM, nose, krose; — tsedzzere „cece", adzze-
miende „cimento"; martsede „mercede", fuertsfwe < *FOR-
CIPES, doldze, kaldze; atsiedde „uccello", atslite < OCCI-
DERE.
Cerign.: PUTSSE = VRATSSE, dag.: tserne < CINERE,
tsemetsg; tsetsere, 'mmietse, kruotle; — koite < ACETUM,
r^ikoive „ricevo", prukoine" PULLICENÜM; sordze, dultse,
fuertse < FORFICEM; atsiedde „uccello", atssoise" „ucciso"
aber akkoite <C OCCIDERE; sandzoine, ndzoine < uncino.
Campob.: PUTSSE — SUOTSSE, dag. tseutse; dutsiende,
sorgtse, felitsa, froffetsa, ditse(re); kautse „calcio", kautsa
„calce", fautsa, (au)tsielle, vendze.
Aquila: PUTSSU—öOTATSSU; dag. tsentu, tselu; voce,
vicinu; putsinu < PULLICENUM, kautsa, kautse, sordze.
Teramo: POTSSE — VETSSE, dag.: tsendfseme „cente-
simi"; krotse, nutse, matsine, tridetse; peütse „pulci", putse
„porci",
Lanciano: POTSSE — VRATSSE; dag.: tsenere, tseppe,
tsere, tsitse; detse, vetseine, sotsere, krotse, notse, lutse,
11
§71. — 162 —

mmetse, petse, votse, tselle „uccello"; potse „pulce", kaldze,


saldze, puldze, vendze < VINCERE, dotse, purtse „porci",
atsside < OCCIDERE.
Neapol: PUTSSO —VRATSSO, dag.: tserase, tsenisa.
Arpino: PUTSSE = TR1TSSA, dag.:" tsengre, tsette
„cito", tsimetse; suotsere, patse, matsellare, atsite; kautse,
katsina, sordze, surdziie < *SORICELLUS.
Alatri: PUTSSE~ — LITSSI, dag.: tsenere; tsite <
ACETUM, petse, forbitsi; kautsi, kautse, putsine, atsside <<
OCCIDERE, tseli „uccello".
Gallura: PUTSSU-BRATSSU, dag.: tsalbeddu < CERE-
BELLUM, tsimitsa; fatsi, sotsaru, atsetu, vitsinu, sälitsu, pu-
litsu; sintseru, kaltsu, rantsiku, tsedda „uccella", tsi EC-
CEHIC.
Corsica: POTSSU-BRETSSU, dag.: tselu, tserbellu, tsi-
mica, (c, vor a < e: carasa, canuga); faci, socaru; nur ma-
cellu, ucellu; sintseru, kaltsu, saltsu.
Gombitelli: POTSSE — BRATSSE, dag.: tserkie „certi";
noza, perniza, radiza, aze < ACETUM, vezin, paze; kaltse,
vintse „vinco", faltsa, pultsa, portseile; uzelle.
Sillano: POTSSE — LETSSE, dag.: tsireza; förbetsa,
feletse, sedetse, puletsa, säletse, atsedde •< ACETUM, piatser,
vitsfn; — pädzza, nodzza, radfdzza, vödzza, södzzer, krodzza,
ködzzer „cuocere", piadzza < PLACET, aber: tsimmeza,
tseze, perniza, dozente; kaltse, atssender, uzell.
A.-Genua: POgO = BRAQO, dag.: ? e < CELUM, ? eza
< *CERESIA, f-ibbu, ferne;' peze, veazu < VERACEM.
peize „pece", embrezu, naiza, reize < RADICEM, Qimize,
köze, sözu, vuze, kruze, luzf; vince, mareu, fur<;ina, mar^enar,
do ? e aber: prüza < *PLUCE < PULL1CEM, freza „felce",
srazu „salcio".
Milan: POTSS = BRATSS, dag. tsinku, tserka, tsel;
küsina „cucina"; stordzeva < EXTORQUEBAM.
A.-Berg: POTS = BRATS, dag.: (t)servel, (t)sel, (t)sep,
(t)sinqui; nozeta, nos, vos, kos, kros; fortsella, dontsella, dol-
tso, tortser, sortsel.
Bologna: POTS = BRATS, dag.: tsaint < CENTUM,
tseirts < CIRCULUS, tsil; krouz, radiz, tseiz „cece", varniz
< VERNICEM, uzel „uccello"; sals < SALICEM.
— 163 — 5 89.

Romagna: POTSS = BRATSS, dag.: tsira, tsivul, tsig,


tsedar; diz, urebs < AURIP1CEM, voz, döz, nöz, verniza, piaze.
Triest: POTS = IATSO, dag.: tsivola, tsariesa, tsimize;
paze, luze, azedo.
§ 85. Während Ki in allen romanischen Sprachen affi-
ziert ist, ist dies für Ce, Ci nicht der Fall, so daß man ohne
weiters annehmen darf, daß die Affizierung des Ki schon ur-
romanisch ist, während die des Ce, Ci später begonnen hat.
Dies wird einerseits dadurch bestätigt, daß Ce, Ci nicht die-
selben Schicksale wie Ki hatte, andererseits, daß wir von der
Affizierung des letzteren seit dem zweiten Jahrhundert n. Chr.
inschriftliche Belege besitzen. Wenn im Jahre 131 n. Chr.
'AQOVXIIXVOO statt A r u n t i a n u s (Lindsay: Die lat. Sprache
S. 102) erscheint, und diesem viele andere ähnliche Fälle
folgen (vgl. H. T. Karsten: De uitspraak van het Latijn.
Amsterdam. S. 138—140), so will diese Schreibung nicht
etwa beweisen, daß Ti und Ki zusammengefallen waren, —
die meisten romanischen Sprachen unterscheiden sie noch
heute, — sondern daß sie im II. Jh. schon affiziert waren.
Reines t und k unterscheiden sich von einander so stark, daß
eine Verwechselung dieser Laute in der Schrift nicht möglich
ist; die Stufe ts konnte im II. Jh. n. Chr. weder Ki noch Ti
erreicht haben, daher müssen wir annehmen, daß um diese
Zeit beide Lautgruppen mouilliert ausgesprochen waren; k
und t'. Der Unterschied zwischen diesen zwei Lauten ist so
gering, daß sie oft selbst das phonetisch geschulte Ohr nicht
unterscheiden kann, um so weniger der einfache römische
Steinmetz. (Wenn später die Schriftkundigen nicht mehr
wußten, ob NUNTIUS oder NUNCIUS die richtige Form
sei, handelt es sich um die für beide Fälle geltende gelehrte
Schriftaussprache TSI, über welche uns der Grammatiker
Albin einen Beweis liefert, wenn er bemerkt, daß „BENE-
DICTIO et ORATIO et talia T debent habere in p e n u l t i m a
syllaba, non C." (cf. Keil: Gram. Lat. VII, 298, lf.)
Dagegen besitzen wir vor dem VI. Jh. kein einziges in-
schriftliches Zeugnis von einer Affizierung des C vor e, i (vgl.
11*
§66. — 164 —

G, Paris: Academie des Inscriptions. 1892. Comptes Rendus


XXI, S. 81). Aus indirekten Quellen läßt sich kein Beweis
für die Affizierung des Ce, Ci vor dem Ende des III. Jh.
n. Chr. bringen. Ich will hier dieses noch dunkle Problem
der lateinischen und romanischen Grammatik nicht näher be-
rühren und verweise auf die §§ 115—117 (vgl. auch § 106,
152) der Einführung von Meyer-Lübke, wo die bisherigen
Resultate kritisch beurteilt werden und die Spezialliteratur
angegeben wird. (Vgl. auch 0. Densusianu: Sur l'alteration
du C latin devant E dans les langues romanes. Romania XXIX,
321—333 und Arch. lat. Lex. XIII, 406, wo ein Beispiel für
die reine Aussprache des K vor Y aus dem IV. Jh. n. Chr.
gebracht wird.) Nur auf einige Punkte möchte ich die Auf-
merksamkeit lenken.
§ 86. Bekanntlich hat das Logudoresische, welches Ki
in t s s verwandelt (§ 42), heute noch Ce, Ci bewahrt: BRA-
CHIUM < b r a t s s u , gegenüber C^ELUM > k e l u , ACETÜM
> a g e d u , DULCEM > d u l k e , OCCIDERE > b o k k i r e .
Das Campidanesische zeigt dagegen ts, wie das Italienische:
b r a t s s u aber t s e l u , a z e d u , d u r t s i , b o t s s i r i (fatssa).
Dieses Stadium ist aber nicht alt. Wie Meyer-Lübke Zur
Kenntnis des Altlogudoresischen S. 74 gezeigt hat, läßt sich
dieses an dem Wort t s e r b a i „aufplatzen" < CREPARE be-
weisen. Die Metathese des r kann erst zu einer Zeit statt-
gefunden haben, als das intervokalische p schon b geworden war,
also solange noch die griechische Herrschaft in Sardinien
kräftig war: CREPARE >> k r e b a i > *kerbai. Damit aber
* k e r b a i zu t s e r b a i werde, mußte zu dieser Zeitperiode das
anlautende keunaffiziert gewesen sein, denn nur dann hat *ker-
b a i dieselben Schicksale wie *kelu > t s e l u haben können.
— Neben f a s a kommt noch log. f a s k a „Windel" vor, womit
log. p o s k a zu vergleichen ist, welches man von POSTEA
ableiten wollte. Es ist bekannt, daß Ascoli a. a. 0. seine
Theorie, daß log. ke, k i nicht direkt das lat. ke, k i fortsetzt,
sondern aus einem älteren ke, ki zurückgebildet ist, stützt,
indem er meint, daß zur selben Zeit auch *faska, p o s t ' a zu
— 165 — §§ 76, 77.

f a s k a , p o s k a wurden. Ich halte es nicht für nötig, die


ganze Diskussion, die sich um diese Frage gebildet hat, anzu-
führen, da ich ihr die Bedeutung, die man ihr zuschrieb, nicht
zuerkennen kann. Das Wort f a s k a hat Hoffmann S. 76 richtig
erklärt. Es ist durch den Einfluß von f a s k e „Bündel" <
FASCIS entstanden. Diese Deutung ist um so annehmbarer,
als im Log. ein Diminutiv f a s k i t t a und ein Verb f a s k a r e ,
beide von f a s k e abgeleitet, existieren, aus denen sehr leicht
ein f a s k a rückgebildet werden konnte. Meyer-Lübke, den
früher (Literaturblatt VII, S. 70) diese Erklärung überzeugt
hat, kann ihr später (a. a. 0. S. 32—33) nicht mehr beistimmen.
Er vergleicht f a s k a mit f a k k e < FACIES und meint, daß
FASCIA zunächst zu f a s k a wurde, „wo nun Dissimilation
gegen das s die weitere Verschiebung zu st', st hinderte und
die Entwickelung in die Reihe des Vorhandenen (oder neu
entstandenen k-, c ( = ts)-Lautes drängte." Ich kann den
Sinn dieser Deutung nicht recht begreifen. Wir haben doch
als regelrechte Entsprechung für lat. FASCIA ein log. f a s a ,
das eine (schsn urromanische) Mittelstufe *FASSIA voraus-
setzt. F a s k a kann also gar nicht vom selben Typus kommen.
Ich vermute, daß Meyer-Lübke von einem Plural F A S C I S
ausgeht, — nur in diesem Falle ist ein Vergleich mit FACIES
möglich, — welches dann, — vorausgesetzt, daß die Gruppe
SKie nicht zu ssie in vorromanischer Periode geworden ist, —
doch nur f a s k e ergeben hätte (wie FACIES > fakke), und
mit f a s k e <C FASCIS zusammengefallen wäre. P o s k a hat
Hofmann aus POST Konjunktion ka erklären wollen, was
begrifflich und formell unmöglich ist (vgl. Meyer-Lübke:
Literaturblatt 1896. S. 70). Neben p o s k a kommt — schon
zu einer Zeit, wo der Schwund des (im Satze) intervokalischen
p, nach dem es die Stufe b erreicht hatte, noch nicht möglich
war —, auch o s k a vor. Meyer-Lübke, der im Literaturblatt
VII, 69 p o s k a als it. Lehnwort mit Uberentäußerung: p o s c a :
p o s c i a = c r e s k i r i < CRESCERE (ähnlich Ascoli Archiv
glott. ital. XIII, 111 Anm.: * p i s t s e > p e s e wie *postsa >
p o s a , da man aber neben * p i s t s e ein p i s k e hat, so auch
§66. — 166 —

neben *posa ein p o s k a ) erklärt hatte, bemerkt später (a. a.


0. 67): „Aber die dort angedeutete Erklärung ist wenig wahr-
scheinlich und die Nebenform ohne p ist auffällig . . . . Ich
stehe der Form vollständig ratlos gegenüber". — Ich glaube,
daß p o s k a nichts anderes ist als die regelrechte Entwickelung
des lat. POSTQUAM „hierauf, nachher" und daß osca ein
davon etymologisch verschiedenes Wort ist. Der Lautgestalt
nach paßt am besten ein lat. USQUE AD (über den "Übergang
des vortonigen u in log. o siehe die Beispiele bei Hofmann).
Auch begrifflich ist diese Deutung möglich: „et osca pus
cussa parthitura tennit Corona" (Codaghe) bedeutet eigentlich:
„und er hielt die Krone solange als die erwähnte Abreise
nicht stattfand", das heißt, „bis nach der erwähnten Abreise",
also gleichsam usque ad post questam p. — Das Albanesische
zeigt auch einen Unterschied in der Behandlung des Ki einer-
seits und des Ce, Ci anderseits (§ 40). Selbst im It. scheint
der Ubergang von Ce, Ci zu tse, t s i relativ jung zu sein. Im
Dialekt von Cerignola wird betontes langes lat. e zu <ji. Zur
Zeit dieses Lautwandels hatte C vor e, i bloß 'die Stufe k er-
reicht: ACETUM > k o i t e , PULLICENU > p r u k o i n e ,
r e k o i v e , „ricevo". Vor e, i wurde dieses k später zu t s :
t s e t s e r e , k r u o t s g etc., vor oi blieb es dagegen bestehen.
Auch das griech. XEVTQOV, welches wahrscheinlich spät in die
Sprache drang, konnte zu t s e n d r e „Nagel" werden. (Dagegen
ist mir a t s s o i s e „ucciso" neben a k k o i t e „uccidere", sowie
n d z o i n e „uncino", s a n d z o i n e unklar.) Auch im Taranto
scheint die Affizierung das Ce, Ci, Ge, Gi erst nachdem die
Gruppen Que, Qui, Gue, Gui ihr labiales Element verloren,
begonnen zu haben, was aus Subaks Notiz (Zeitschrift rom.
Phil. XXII, 554) hervorgeht: „andzidde < *ANGUILLA . . .
stimmt genau zu t s e , t s i <C Quf-, Que-, wie im Rumänischen"
(vgl- § 89).
§ 87. Das Rumänische bietet uns einen sicheren Beweis
dafür, daß Ce, Ci am Ende des III. Jh. n. Chr. im Urromani-
schen noch unaffiziert war. Es läßt sich nämlich mit Sicher-
heit nachweisen, daß zur Zeit, wo der Verkehr zwischen Ost-
— 167 - §88.

und Westromanisch aufhörte, auf dem ersten Gebiet C vor e,


i reine Aussprache hatte.
Ki war schon im Urromanischen affiziert und wurde im
Urrumänischen zu ts, auf welcher Stufe es mit ts < Ti zu-
sammenfiel. Als nun die Zeit kam, wo der rumänische Ak-
zent einen entscheidenden Einfluß auf die umgebenden Laute
ausübte, wurde ein * b r ä t s u < BRACHIUM gleich *pütsu
< PUTEUS zu b r a t s u , p u t s u , dagegeu * p i t s ö r < *PE-
CIOLUS gleich * t e t s ü n e < TITIONEM zu p i t s o r , t ä t s u n e .
Diese Regel gilt f ü r a l l e D i a l e k t e (drum., brat, put, picior,
täciune, — arum., brats, putsu, tsitsor, tätsune, — mgl. brats,
vitsä, pitsor, tätsuni, — irum. bröts, puts, pitsor, fitsor), so daß
man wohl annehmen kann, daß sie in urrumänischer Periode
vollendet war.
Anm. Daß Ki nicht erst auf urrumänischem Boden,
sodern im Urromanischen affiziert wurde, geht aus folgender
Erwägung hervor. Allen rum. Dialekten gemein, daher schon
urrumänisch, sind folgende Erscheinungen: betontes lat. se, e
und i werden wie ie, ii behandelt, betontes lat. e diphtongiert
zu ea vor folgendem a, die Artikel -ul, -le, -a werden nach-
gesetzt, die Adverbia bekommen ein suffixales Element -a.
Hätte nun die Affizierung des lat. K vor e, i + Vokal erst
im Urrumänischen begonnen, so hätte ein CiELUM, über
*kielu zu t s e r u , CERA über * k i a r a zu *tsarä, CALCEM
+ ~Ait A über * k a l k i a zu k a l t s a , AD + TUNC + CE
+ Suff. A über *attunkia zu a t u n t s a in allen Dialekten
werden müssen. Dagegen haben wir im Drum, t s e r , c a l t s a
fcalului), a t u n t s a , t s a r ä .
§ 88. Zum Unterschied von Ki, wird Ce, Ci nicht in
allen Dialekten gleich behandelt, so daß deren Affizierung im
Urrumänischen noch nicht vollendet war:
CERA CIRCU CERTO CiELU CRUCE
Drum. tsarä tserk tsert tser krutse
Arum. tsearä tserk — tseru krutse
Mgl. (tseapä) tserk tsert tser krutse
Irum. tsere — tsert tser (fatse)
§66. — 168 —

DÜLCE PORCI
Drum. dultse portsi
Arum. dultse portsi
Mgl. dultsi ports
Irum. dultse ports
Diese Tatsache spricht entschieden gegen die Annahme,
daß Ki und Ce, Ci auf gleiche Stufe zu stellen seien, denn
dann würde man unter dem Einfluß des Akzentes in a l l e n .
D i a l e k t e n t s e r aber k r ü t s e wie p i t s ö r gegen b r a t s er-
warten. Setzt man aber voraus, daß dies im Urrumänischen
der Fall gewesen ist und daß der heutige Stand erst eine
Weiterentwickelung der einzelnen Dialekte sei, so stößt man
auf folgende Schwierigkeit: Wäre drum. irum. t s e r (tser) ur-
sprünglich und arum. mgl. t s e r daraus erst entstanden, so
sieht man, nicht ein, warum arum. mgl. p i t s o r , t ä t s u n e als
solche bestehen blieben und nicht zu *pitsor, * t a t s u n e
geworden sind; wenn aber arum. mgl. k r u t s e ursprünglich
war und drum, irum k r u t s e (krutse) daraus hervorgegangen,
so hätte b r a t s , p u t s z u ' b r a t s , p u t s werden müssen.
Anm. Der hauptsächlichste Vertreter der Theorie, daß
ts aus t s entstanden sei, ist Schuchardt, der seine im Voka-
lismus veröffentlichte Meinung zu wiederholten Malen im
Literaturblatt verteidigt hat. Auch Meyer-Lübke, der in § 403
seiner Rom. Gram. 1 die selbständige Entwickelung von ts und
t s aus einer Vorstufe t' annimmt, glaubt im § 513 doch, daß
arum. ts aus ts hervorgegangen sei („Es ist aber auch die
Wiedergabe von ci zu ts auffällig in einer Gegend, wo sonst
t s zu ts wird"). Ich vermute, daß der Wiener Gelehrte zu
diesem Widerspruch durch Weigands Äußerung bestimmt
wurde (Olympo -Walachen S. 53 ff), der auch im Aromuni-
schen dialektische Spuren von t s , selbst von ts nachweist.
Aber gerade diese Tatsache spricht dafür, daß C vor e, i im
Urrumänischen erst bis zur Stufe t s gelangt sei, woraus
im Arum. neben ts sich dialektisch auch t s (ts) entwickelt
hat, — wie auch im Drum, heute noch im westlichen Gebiet
und z. T. auch in der Moldau die alte Stufe ts oder daraus
hervorgegangenes s vorherrscht (vgl. Jb. III, IV, IX Nr. 29
— 169 — 5 89.

der Normalwörter: picior). Dagegen haben arum. t s i r e s a r ,


t s ä n u s ä , t s u s t u k a r e „irgend einer" < QUID-SCIO-QUA-
L1S, mgl. t s i r e s , t s i r e s k ä , t s i r e s a r , t s a n u s a , sämtlich im
ts-Gebiet, ihr t s aus ts unter assimilatorischem Einfluß des
inlautenden s entwickelt. Den umgekehrten Fall nahm Meyer-
Lübke (Rom. Gram. I, § 417) und nach ihm Candrea-Hecht
(Les elements latins S. 29) für SOREX ]> s o a r e t s e (irum.
soaretse, -tsu) an. Mit Unrecht indessen, denn arum. mgl.
(auch drum. vgl. Jb. VI, 32) s o a r i k hat kein ts, und selbst
wenn diese Form nicht *SORICUM voraussetzt, sondern erst
auf rum. Gebiet aus der Mehrzahl gebildet wäre, würde SO-
RICEM hier * s o a r e t s e lauten. Wahrscheinlich hat s o a r e c e
sein s von verwandten Wörtern, wie s a r p e , s o p l r l ä (vgl.
surlikar „Mäusehabicht", surlitsä „Gabelweihe" Jb. III, 328)
denn an ein s i o r e x = s o r e x + griech. fivg (wie *giurus
< griech. yvQog) ist wohl nicht zu denken.
Auch 0. Densusianu (Hist. langue roum. 215) nimmt an,
daß das arum. t s aus t s entstanden sei, um damit seine
Theorie, daß das rum. ts < C vor e, i aus Italien gebracht
worden sei, versöhnen zu können. Aber 1. existiert kein
Zeugnis dafür, daß das Italienische im V. Jh. n. Chr. — denn
dies ist nach Densusianu S. 235 die Zeit, wo der westromani-
sche Einfluß aufhört auf das Rumänische wirksam zu sein,
— schon auf die Stufe ts < C vor e, i gelangt sei (vgl. § 86),
2. braucht rum. ts, nicht aus Italien importiert zu sein, son-
dern konnte sich sehr leicht selbständig entwickelt haben (vgl.
§ 90) und 3. kann arum. t s nicht auf t s beruhen.

§ 89. Bisher haben wir nur gesehen, daß sich C vor e,


i im Rumänischen unabhängig von Ki entwickelt hat und daß
die Affizierung des letzteren urromanisch und älter als die-
jenige des ersteren ist. Nun soll aber gezeigt werden, daß
C vor e, i erst auf rum. Boden begann, den reinen gutturalen
(velaren) Charakter zu verlieren. Einen ausschlaggebenden
Beweis hat G. Paris in seiner L'alteration romane du c latin
(Annuaire de l'Ecole pratique des Hautes Etudes 1893 S. Iff.)
gebracht. Aus dem Vergleich von CERVUS > t s e r b und
QUID > t s e (arum. mgl. tserb, tse) schließt er, daß zur
Zeit als QU sein labiales Element verlor, das lateinische
— 170 —

CE, CI noch nicht affiziert wurde, da das aus QUID auf ru-
mänischem Boden entstandene *K1D (die westromanischen
Sprachen behandeln *CINQUE, QUID anders als CERVUS,
FACIT) dieselben Wege wie CERVUS gehen konnte.
Schuchardt wendet dagegen ein (Literaturblatt XIV, 360 bis
363, vgl. auch Mohl Introduction S. 293), daß CERVUS zu
t s e r b wurde, während man noch QUID mit dem labialen
Element sprach, daß dieses später zu *K1D, woraus dann selbst-
ständig t s e wurde, welches mit t s e r b zusammenfiel, wie auch
oberit. t s a r < CLARUS. sie. t s o v l r i < PLUERE sich mit
tS < C vor e, i traf. Aber im Rumänischen liegt die Sache
doch etwas anders, da im V. Jh. schon die ersten Lehnwörter
aus dem Slavischen übernommen wurden, und in diesen bleibt
K e , Ki erhalten. Man müßte also annehmen, daß in der
kurzen Frist von weniger als zwei Jahrhunderten nicht nur
lat. C vor e, i, sondern auch rum. ke, ki < lat. Que, Qui
soweit affiziert wurden, daß sie mit dem slav. ke, k i nicht
mehr zusammenfallen konnten.
0. Densusianu (Romania XXIX, 321 ff.) bringt mehrere
scharfsinnige Beweise für die reine Aussprache des Ce, Ci
im Urromanischen (der Fall C1CONIA > *COCONIA >
CONIA S. 332 läßt sich mit CICHOREUM > *COCOREUM
> alb. k o f e vergleichen), darunter CICUTA > *CUCUTA
> rum. c u c u t ä , saintong. cohüe, limous. k o k ü d o , alb.
k u k u t e , kymr. k e g i d , bei welchem eine Assimilation des I
nach dem U der nächsten Silbe nur dann denkbar ist, wenn
die zwei ersten Silben denselben Anlaut hatten (wäre CICUTA
schon zu *kikuta geworden, so hätte dies selbst im Falle einer
Assimilation im Rumänischen doch nur * t s u k u t ä oder *tsu-
k u t ä ergeben) und CING[U]LA > *CLINGA > rum.
c h i n g ä (mgl. klingä). Ich möchte auf diese zwei Fälle kein
besonderes Gewicht für die r u m ä n i s c h e P e r i o d e legen,
denn CUCUTA ist durch die westromanischen Formen für das
Urromanische gesichert, kann also aus einer früheren Periode
stammen, wo CI noch sicherlich unaffiziert war; auch die
Form *CLINGA muß sehr alt sein, denn schon in später ur-
— 171 — §§ 76, 77.

romanischer Periode war CINCULA als *CING'LA ausge-


sprochen (vgl. § 70), oder die Umstellung geschah auf der
Stufe K'ING'L'A, also in einer jungen Periode. Auch die
Metathese *GIBB[U]LÜS, *GIBB[U]LA > *GLIBBUS,
*GLIBBA > rum. g h e b , g h e a b ä „Höcker", — das arum.
g i b o s bei Densusianu Hist. langue roum. 375 finde ich bei
Weigand nicht, bedarf daher der Bestätigung (man würde
nach dieser Etymologie glibos erwarten) — kommt auch im
romagn. d z e b b vor « *GLIBBUS, denn GIBBUS hätte
*dzebb ergeben). Auch das oft zitierte ciui „Sieb" < CIB-
RUM (C. Gloss. L. V, 59) dissimiliert aus CRIBRUM, erweist
sich durch log. k i l i r u (CIRIBRUM ist bei Placitus belegt)
als alt. Nur *CREBRUM < CEREBRUM (durch Synkope
oder durch Metathese: *CREEBRUM?) > rum. c r e e r , alb.
k r i e , kann als Zeugnis für die reine Aussprache des C vor
e, i zu Anfang der urrumänischen Periode angeführt werden,
denn außerhalb des Sardischen (log. kelembru, iskelembrare)
und Rumänischen ist CEREBRUM durch CEREBELLUM
verdrängt worden. Wäre aber Ce im Urromanischen affiziert
gewesen, so würde man im Rum. etwa * t s r e e r < *K'REB-
RUM erwarten (vgl. Candrea-Hecht: Les elem. lat. S. XVI
bis XVII).
Andere Beweise lassen sich aus der Flexions- und Wort-
bildungslehre anführen. Da ist vor allem die Substitution
der Gerundivendung -ENDO durch -ANDO zu nennen. Alle
Verba der II. und III. Konjugation, deren Stamm auf k, g
ausgeht, haben -clnd, -gind (fäclnd, täcind, merglnd) u. z. in
allen Dialekten. Von einem - t s i n d , - d z i n d ist nicht die ge-
ringste Spur vorhanden. Wenn aber in FACENDO, MER-
GENDO, TACENDO vor dieser Endungssubstitution das k,
g affiziert gewesen wäre, so hätte man heute * f ä t s l n d , *tä-
t s l n d . — Nach DULCEM-DULCOREM > d u l t s e - d u l k o -
are hat man von r e t s e ein r ä k o a r e (arum. ar(ä)koare) ge-
bildet. Diese Bildung kann nicht lateinisch sein, denn dort
hätte man höchstens *RECENTOREM ableiten können (auch
auf RIGOR kann r ä c o a r e unmöglich zurückgeführt werden,
§66. — 172 —

wie Scbuchhardt Romanische Etymologien I, 20 vorgeschlagen


hatte), daher muß es auf rumänischem Boden entstanden sein.
Aber es ist ganz ausgeschlossen, daß man von r e t s e , in dem
man keinen k-Laut empfinden konnte, r ä k o a r e bildete, son-
dern diese Ableitung ist nur zu einer Zeit denkbar, wo man
noch d u l k e — d u l k o r e sprach, nach dem von r e k e ein r e -
k o r e abgeleitet werden konnte. — Man sieht nicht recht ein,
warum die Suffixe -INO, -INUS und -ITÜS durch -ANO,
-ANUS, -ÄTUS ersetzt worden sind in CIRCfNUS > *CIR-
CANUS > c e a r c ä n , *TRAG1N0 (vgl. ital. trainare, franz.
trainer, log. trainare, camp, trainai; *TRAGO = TRAHO) >
*TRAGANO > t r a g ä n , *LIGINO > *LIGANO > l e a g ä n
(s. Anm.); -ITUS > -ATUS: strig — s t r i g ä t , trec — t r e a -
cät (vgl. auch däng-ät, däng-änesc). Es ist möglich, daß in
*CIRCANUS derselbe lautliche Übergang zu suchen ist, wie
in lat. CICARO für CICERO (Romania XXIX, 331; vgl. auch
ANSAR, CARCAR, PASSAR der Appendix Probi), oder es
handelt sich um die im Rumänischen so stark vertretene Sub-
stitution der I-Suffixe durch A-Suffixe (vgl. -iMENTUM >
-AMENTUM: mgl. k u s ä m i n t , drum, a s t e r n ä m l n t etc.
-ITURA, -1TORIUS durch-ATURA, -ATORIUS: s u n ä t u r ä ,
g e m ä t o r etc. vielleicht auch -tTATEM durch -ATATEM vgl.
s ä n ä t a t e gegenüber arum. u m i n i t a t e ) . Tatsache ist aber,
daß die Substitution stattgefunden hat u. z. noch zu einer Zeit,
wo lat. C vor e, i unaffiziert war, sonst hätte man * t s a r t s ä n
wie etwa cors. s o c a r u < SOCER.

Anm. Das Wort g h e b , g h e a b ä galt bis jetzt als ety-


mologisch dunkel, da man es weder von GIBBUS, GIBBA
noch vom ung. g ö b ableiten konnte (vgl. Densusianu Hist.
langue roum. 375). Durch meine Etymologie ist ein sicherer
Beleg dafür gefunden, daß langes intervokalisches BB, YV im
Rum. erhalten wurde, was ein helles Licht auf die Geschichte
des Verbums HABERE wirft, dessen v im Rum. aus dem
Aorist *HABVI stammt. — Für l e a g ä n „Wiege", l e g ä n a
„wiegen" sind schon die verschiedensten Etymologien vor-
geschlagen worden. Das Vorkommen des Wortes in allen
— 173 — §§ 76, 77.

Dialekten (arum. leägänä, legänä, mgl. legan, legäna, irum.


leagär) schließt schon a priori Cihacs Etymologie (II, 511) <
ung. l e g e t n i , l o g n i aus, sowie auch diejenige vom deutschen
L a g e r . Auch Röslers ngriech. laytva, Xsxavrj „Topf" können
wir ohne weiteres übergehen. Miklosich (Rum. Unt. II, 22)
dachte an alb. l ä k u n t „wiegen", aber G. Meyer (Alb. Wörterb.
243) verwirft mit Recht die Herleitung aus dem alb. Worte,
welches aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Türkischen
stammt. Byhan (Jb. VI. 264) schlägt bulg. l e g a l o „Nest"
vor, doch ist er selbst von seiner Etymologie nicht überzeugt,.
Um den wahren Ursprung des Wortes verstehen zu können,
müssen wir eine Beschreibung der rum. Wiege geben. Sie
ist heute noch im Banat und Siebenbürgen eine Art Hänge-
matte und besteht aus einem korbartigen Geflecht oder Sack,
welcher mittelst zweier Schnüre an einem Balken der Decke
befestigt wird. Die rumänische Bäuerin gibt der Wiege, in
welche das Kind meistens gebunden wird, einen Ruck und
geht dann ihrer Arbeit nach. Die Wiege bewegt sich lange
Zeit infolge der Größe des anfangs beschriebenen Halbkreises
und das Kind bleibt ruhig. Die Beschaffenheit der rum. Wiege
geht aus folgenden Zitaten hervor: „Leagln avea toti, da leagln
pä sus, l e g a t de g r i n d ä : lua patru lemne, douä mai lungi
le punea in lungu si douä mai scurte in lat, le lega la cäpä-
tiie, punea in lele un sac si leaginu era gata. Plnä mai acu
zece ai tot mai punea cite-un leagin pä sus; tot or fi si acum
aruncate pln pod. Era bun clnd tesea, cä-i da brlnci, da la
astea pä jos trebue sä fi tot cu picioru pä ele. Pä copil 11
lega peste mijlöc cu clte un stergar, cä sä'ntlmpla de cädea
cite-odatä bäietii din lele, de aia slnt mai bune äle de pä
jos" (Pitis: Obiceiurf populäre la Rominii din Schelü. Con-
vorbiri literare 5XXVI, 561). „Sä mal fac leagäne Incä si
din nuiele In forma unei coserci (corfe) lungärete . . . In unefe
pärti din Transilvania (Orlat) leagänele din urmä sä a c a t ä
cu n i s t e f u n i i l u n g i de g r i n d ä si asa sä leagänä" (Marian:
Nasterea la Romini S. 312).

„De g r i n d ä - a t i r n ä - u n l e a g a n sin el un prunc bälan,


AI mamei cel mai tlnär, ce n'are nici un an . . ."
(Maria Cun^an: Idilä).
§71. — 174 —

„ . . . Mama l e a g ä n i m p l e t e s t e
Din crengute de alun.
E a de g r i n d ä - 1 p r i n d e bine
Si-1 desclntä de noroc
Pe trei frunze de sulfine
Si pe-un fir de busuioc."
(Dieselbe: Cintec de leagän").

„ . . . fata lei sä culcä In liagänu lei, carie-i täsut cu


fine de aor si s t ä a n i i n a t de g r i n d ä " (Picot: Dialectes
roumaines S. 30 apud Hasdeu Etymologicum Magnum S. 1209).
Wir sehen aus allen diesen Beispielen, daß die Wiege der
Rumänen an die Decke a n g e b u n d e n wird: sä
äCäitä. sä prinde,
sä atirnä, sä l e a g ä , sä a n i n ä de grindä. A l e g ä n a „wiegen"
hieß ursprünglich nur so viel wie „anbinden" (die Wiege) und
besteht aus dem Verb l e g „binde" und dem Suffixe - i n a r e .
welches eine Wiederholung der im Primitivum ausgedrückten
Bewegung besagt ( t r a g ä n „schleppen", c l a t i n „rütteln" gegen-
über von c l ä t e s c , s d r u n c i n „rütteln, zermalmen" gegenüber
von s d r u c e s c , vgl. franz. trottiner, couliner, ital. scassinare,
pedinare, trassinare, log. aboghinare „Lärm machen" Arpino:
smesena < *misc-inare, sassar: tuzzinare gegenüber von tuzzf
<C torquere und die Beispiele bei Meyer-Lübke Rom. Gram. II
§ 585), also: „befestigen, fixieren". Dies wird uns durch den
merkwürdigen Sinnesübergang, den das rum. Wort a n i n durch-
gemacht hat, bestätigt. Ich erwähne gar nicht mehr die phan-
tastischen Etymologien, welche für dieses Wort gegeben worden
sind (Cihac II, 476, Hasdeu Etymologicum Magnum S. 1211),
um direkt die richtige vorzuschlagen. Es ist kein anderes
Wort als das in den von E. Lork veröffentlichten altberga-
maskischen Glossen vorkommende a n i n a , erklärt durch c u n a -
g i t o , d. h. cunas agito „wiegen", und geht wie dieses auf
*anninnare = ad -)- *ninnare, abgeleitet vom *ninna der Kinder-
sprache zurück (rätorom. ninnar „einwiegen" sie. ninnare, vgl.
alb. ninulä „Wiege" etc.; rum. anin kann, wie die Bewahrung
des anlautenden a zeigt nur auf a n n - zurückgehen, vgl. inel
< *anillus gegenüber antärt < annus tertius). Dieses Wort,
welches ursprünglich „wiegen" bedeuten mußte, hat heute nur
noch den Sinn „anbinden, aufhängen", was sich nur dadurch
erklärt, daß rum. „wiegen" soviel bedeutete als „die Wiege
— 175 — §§ 76, 77.

aufhängen". Das Wort l e g ä n a hingegen, welches ursprüng-


lich nur „(die Wiege) anbinden" bedeutete (dieser Sinn hat
sich noch in der Phrase „nu stie sä spunä douä vorbe (oder
boabe) legänate" = „er kann keine zwei z u s a m m e n -
h ä n g e n d e n Worte sprechen" erhalten) hat gerade den ent-
gegengesetzten Weg durchgemacht, und heißt heute „wiegen".
Von l e g ä n a „wiegen" wurde dann das Postverbale l e a g ä n
„Wiege" gebildet (Postverbale Substantiva mit konkreter Be-
deutung kommen in allen romanischen Sprachen vor, vgl.
Meyer-Lübke, Rom. Gram. II § 397—401. Das Rumänische
hat: arum. a l u r i k ä „Glitschbahn, Schleife", s c a l d ä „Bad",
arum. s u r p u „Abhang", drum. arum. t o a c ä „Schlagbrett",
t r a g ä , t a r g ä „Tragbahre", t u n „Kanone", arum. u s u c „(Tier)-
schweiß" etc.), und nicht umgekehrt, wie schon die weibliche
Form des arum. Wortes (leagänä) zeigt. (Bekanntlich zeichnen
sich gerade die Postverbalia durch das Schwanken im Ge-
schlecht aus, vgl. väz „ G e s i c h t " — v a z ä „Ansehen", drum,
c l s t i g — arum. k ä s t i g ä etc., vgl. auch j o c „Tanz, Spiel" <C
j o c u s — j o a c ä „Spiel", luptä < lucta — lupt Dosofteiü. Viata
sfint. 181/7).

§ 90. Am Schluß ein Wort über den physiologischen


Vorgang bei der Veränderung der besprochenen Lautgruppen.
Bei der Artikulation des C vor einem e, i ist man natürlicher-
weise bestrebt den Verschluß, der vor a, o, u am hinteren
Gaumen gebildet wird, der Artikulationsstelle der vorn im
Munde liegenden e, i zu nähern. Somit gelangt man dazu
ihn dort zu bilden, wo der Z u n g e n r ü c k e n beim Entstehen
der Laute e, i dem Gaumen am nächsten liegt. Da aber der
Verschluß nunmehr nicht mit einem Zungenrand, wie bei
ka, ko, k u , sondern mit einer Zungenfläche gebildet wird,
ist er nicht mehr luftdicht, so daß der momentane Laut k
sich in einen Dauerlaut k (mouilliertes k) verwandelt. Die
schon nach vorne hin strebende Artikulation des ke, ki bleibt
gewöhnlich nicht auf dieser Stufe stehen, sondern der Zungen-
rücken gleitet bis dort, wo ihm eine natürliche Grenze in den
W e g kommt, d. h. bis an das obere Zahnfleisch und somit
entsteht der fürs Ohr nur schwer von ke, ki zu unterscheidende
§66. — 176 —

t'e, t'i-Laut. Wenn die beim Bilden dieser Laute entstehende


kleine Rinne in der Mitte der Zunge größer wird, entfaltet
sich ein Geräusch, welches bis zu einem selbständigen s-ähn-
lichen Laut fortschreiten kann, der natürlicherweise auch
mouilliert ist: ts. Aus diesem kann nun, je nachdem die Luft
frei nach vorne durch die vergrößerte Öffnung, oder nach
allen Seiten herausströmt, ts oder ts entstehen. B-i diesen
Lauten wird k e i n Verschluß gebildet und sie unterscheiden
sich von einfachem s und s nur dadurch, daß, bevor s und s
gebildet wird, die Zunge einen Ansatz zur Artikulation eines
homorganischen Verschlusses macht, welcher der Überrest des
alten t ist, daher in unserer Transskription, aus Mangel eines
besseren Zeichens, durch t angedeutet wird. In ital. c r o c e
( = kroce) ist dieser Ansatz einer t-Artikulation fast völlig
verschwunden, dagegen ist er noch in rum. c r u c e ( = krutse)
deutlich wahrnehmbar. Der Verschluß wird vollends artiku-
liert dagegen in ital. b r a c c i o ( = brattso). — Beim Ki. ist der
physiologische Vorgang ähnlich, nur hat da im Italienischen
zwischen Vokalen — ob schon im Urromanischen ist aus dem
R u m ä n i s c h e n nicht entscheidbar, — vor der Mouillierung
des K vor folgendem i eine Dehnung des Konsonanten statt-
gefunden KKi. Das will natürlich nichts anderes heißen, als
daß das hintere k (ka, ko, ku) nach vorn gerückt ist wie bei
ke, ki, aber vor i nicht gleich mouilliert wurde, sondern daß
zuerst ein k am harten Gaumen mit einem Zungenrand artiku-
liert wurde, dann erst eine ganze Zungenfläche zur Artikulation
gehoben wurde, also gleichsam kk, woraus dann weiter t 4 ' >
t 4 s, aus dem wieder t*s oder t's. Daß dem wirklich so
war, ersieht man aus den Ergebnissen von lat. FACIES.
Während BRACHIUM über b r a k k i u , b r a k k ' u , b r a t t ' u ,
b r a t t s u zu b r a t s s u oder b r a t s s u geworden ist und ähnlich
ACIA zu a t s s a oder a t s s a , ist FACIES zunächst zu f a k k i e
geworden, dann aber ging das i in das folgende e auf: f a k k e
und verblieb auf dem größten Teil des Gebietes auf dieser
Stufe bis ein Wort wie OCCIDERE es mit sich riß, daher
log. b r a t s s u , a t s s a aber f a k k e , b o k k i r e , camp, b r a t s s u ,
— 177 — §§ 76, 77.

a t s s a aber f a t s s a , b o t s s i r i (die richtige Deutung des log.


f a k k a hat zuerst Meyer-Lübke, Zur Kenntnis des Altlogudo-
resischen S. 32 gegeben). In einigen Gegenden ist dagegen
FACIES weder mit BRACHIUM noch mit OCCIDERE zu-
sammengefallen, sondern nachdem BRACHIUM zu b r a k k ' u ,
b r a t ^ u etc. vorgeschritten war, bevor aber Ce, Ci begann
affiziert zu werden, hat sich auch f a k k e über f a k k ' e ,
f a t t ' e etc. selbständig entwickelt; daher haben wir in Sassari:
b r a t s s u , r a d i z i « R A D I C E M ) aber f a t s s a , im Genuesischen
braijo, r e i z e « RADICEM) aber f a t s s a . — Bei Ti ist
der physiologische Vorgang derselbe wie bei Ki gewesen, nur
hat er chronologisch früher in urromanischer Periode begonnen
und der Ausgangspunkt war direkt am vorderen Ende des
harten Gaumens, so daß die Stufe k k 'i für Ti wegbleibt. Auf
dem größten Teil des von uns durchforschten Gebietes hat
Ki das Ti auf irgend einer Stufe der Entwickelung (wahr-
scheinlich bei dem Stadium ts) erreicht und ist mit ihm zu-
sammengefallen. — Daraus ersieht man, daß weder t s aus ts,
noch ts aus t s entstanden zu sein braucht, sondern daß sie
auf ein gemeinsames ts zurückgehen. Der Vorgang hat ein-
mal zu urromanischen Zeiten bei Ki und Ti begonnen, dann
in romanischer Periode hat er sich in den meisten Gegenden
bei Ce, Ci wiederholt. Im Urrumänischen hat er auch bei
betontem lat. Te und T i (außer in Proparoxitonen) stattge-
funden (TENEO > drum, t s l n , arum. t s l n , mgl. t s ö n , irum.
t s i r SUBTILIS > drum, s u p t s i r e , arum. s u p t s i r e , mgl.
s u p t s ö r i , irum. suptsir(e)) und heutzutage widerholt er sich
in rum. Dialekten für jedes K e , Te, T i : chee > kee, t'ee,
tsee. Alle diese Stufen sind in Weigands Dialektstudien be-
legbar (vgl. Jb. III—IV Normalwörter Nr. 14, 22b, 24, 25, 39.
44, 65a, 70, 101). Warum sich aus der Vorstufe ts bald t s
und bald ts entwickelt, ist in den meisten Fällen schwer zu
sagen. Im Italienischen verteilen sich die zwei Resultate auf
verschiedene Regionen. Im Rumänischen war für t s <[ Ki
und Ti der Grund der Spaltung der Akzent, das ts < Te,
Ti ist schon urrumänisch zu ts in allen Stellungen geworden.
12
— 178' —

dagegen ist ts <C Ce, Ci erst nach der Trennung des Megje-
nitischen vom Dakorumänischen zu ts südlich und zu ts
nördlich der Donau geworden. (Vgl. arum. t s i n ä •< CiENA
aber t s l n < TENEO, welches darauf weist, daß die zwei
Laute lange Zeit nicht zusammengefallen sind, sondern das
erste, noch1 ts war, als das letzte schon als ts,ausgesprochen
wurde, cf. Weigand, Vlacho-Meglen p. 9, Anm. 5).

Index.
[Für die i-haltigen Wörter werden nur die l a t e i n i s c h e n
Grundformen angeführt. Die darauf folgenden a r a b i s c h e n
Ziffern geben die Seitenzahl an, wo man diese finden kann
und zwar so, daß bei I die r u m ä n i s c h e , bei II die a l b a -
n e s i s c h e , bei III die, s a r d i s c h e und bei IV die i t a l i e -
n i s c h e Entsprechung zu finden ist. Diesem l a t e i n i s c h e n
Index folgen dann die darin nicht enthaltenen und in der Arbeit
besprochenen Wörter (ohne daß die Dialektformen besonders
angeführt wären).]

Lateinisch;
*Abanteo, -are IV, 98.' *abieteus IV, 93. absentia III,
83, 84. IV, 98. absinthium III, 83, 86, 89. IV, 98. Aceruntia
IV, 99. -aceus, -acius I, 137. III, 84, 85, 86. IV, 133, 136—137.
acia I, 45. III, 84. IV, 116. *acia ( = acies) III, 83, 86. aoiale
IV, 116. *aciarium III, 84, 85, 86. IV, 116. aci[d]us IV, 122.
*aciola III, 85. IV, 116. *acutio, -are IV, 93. adiungo, -ere
I, 52. adiuto, -are I, 52, 72. *albatius IV, 29. Aletium IV,
95. *altio, -are I, 44. III, 83. IV, 103. amantia IV, 98. Ambro-
sius IV, 35. *amurcea III, 83, 89. angustia III—IV, 69. an-
gustio, -are IV, 69. *antea IV, 98. -antia III, 83. IV, 98, 100.
Antium IV, 100. *arcearium I, 62 — 63. Aretium IV, 96.
*argentiolum III, 86. aricia IV, 118. armoracia, armoracium
III, 83, 86. IV, 116. ascia III—IV, 70. Asisium IV, 28. *asium
— '179 —

III, 36. IV, 35, 36. *assedio, -are I, 47. audacia III, 84.
Ausucia IV, 118. Aventia IV, 99. axungia I, 51. II, 79.
balteanus IV, 103. *balteatus I, 62. balteo, -are IV, 103.
balteus I, 44. IV 103. bambacium III, 85. IV, 32—33. Bantiae
IV, 99. baptizo, -are I, 9 f., 72. barbitium IV, 22, 26. basio,
-are I, 66. III—IV, 36. basium III—IV, 36. *bassio, -are
III—IV, 69. *bassius III—IV, 69. bestia, bistia II, 77. IV, 69.
bilancia IV, 102. Bilitium IV, 96. bissacium IV, 106. Blasius
IV, 35. *bombicium IV, 33. brachiale I, 62. IV, 116. *bra-
cbiata I, 62. III, 83. IV, 116. brachium I, 45. III, 83. IV, 116.
buccea IV, 130. *buxeus IV, 70.
*caecia I, 45—46. Calatia IV, 96. calcea III, 83. IV, 103.
calceamentum I, 62. III, 85. IV, 103. *calceare I, 62. IV, 103.
*calceo, -are I, 47. III, 84. IV, 103. *calceola III, 86. *cal-
ceolarius III, 85. IV, 103—104. calceonem III, 85. IV, 104.
camisia I, 66. II, 77. III—IV, 36. cantionem III, 83, 85, 86.
IV, 98. *capitiale IV, 93. *capitio, -are III, 83, 85. IV, 93.
*capitionem IV, 93. capitium IV, 93. Capitium IV, 96 *captio,
-are I, 12, 44—45. II, 77, III, 83, 84, 85. IV 113, 114. *car-
buncia I, 47, 129. caseus I, 66, III—IV, 36. cerasius, -a,
ceresius, -a I, 66. II, 80. III—IV, 36—37. characias IV, 117.
christianus I, 71, II, 79. *cinisia III—IV, 37. *cinusia I, 66.
III 37. *citius III, 84. *cladea, *cladeum I, 48. *clocea III,
84, 85. IV, 117. *cloceo IV, 117. Clusium IV, 28. *coactio,
-are III, 86. IV, 113, 115. *cocceus II, 78. *coceo ( = coqueo)
III, 83. *cocea IV, 107. *coceus IV, 107, 117. coctionem
IV, 113—116. col[u]tea? IV, 103. *combasio, -are III—IV, 37.
*comin[i]tio, -are III, 83, 84, 85. IV 100—101. *compectio,
-are IV, 113- *comptio, -are III, 83, 84. IV, 113. *conriceolum
III, 86. conscius III, 70. Consentia IV, 99. *co(n)sio, -ire
III—IV, 37. *corniceolum III, 84. *corruptio, -are IV, 114,
115. *coxea III—IV, 70. *cranciu IV, 102. *cucurbitea IV,
93. *curtio, -are I, 43, 44. II, 78. curtionem III, 86. IV, 104.
*curtius III, 83, 84. Cuttiae IV, 106. *cyathina IV, 118.
cyathus IV, 118. cyma I, 6 0 - 6 1 . II, 78. *cymatia IV, 22,
26. cyprum II, 78. *cytola I, IV. 60—61.
12*
— 180 —

deosum I, 52, 72. diabolus II, 78. Diana I, 72. I—IV,


63—65. dianaticus I, 65. Digentia IV, 99. *directio, -are
III, 83. IV, 114—116. directionem IV, 114—116. disculceus
I, 47. IV, 104. *districtia IV, 114—116. *ductio, -are IV,
114, 130.
eccehac IV, 106. ecceboc IV, 106. ecclesia 21. II, 78,
79. III—IV, 38—39. eiecto, -are I, 73. elegium II, 77, 79.
-entia I, 43—44. IV, 98, 100. *erieionem III, 84. ericius I,
47. II, 78. III, 84, 85, 86. IV, 120. I—IV, 149—150. erina-
ceus IV, 117. -esianus IV, 39. *exeanthio, -are III, 84, *ex-
carptio, -are IV, 114. *exculcius III, 84, 85- *expaetio, are?
III, 84. IV, 114. *expietio, -are IV, 114. *exscorteo, -are III,
84. IV, 104. *extractio, -are III, 83, 84. IV, 114. *extrustio,
-are IV, 69—70.
*faciarius I, 62. facies, *facia I, 45. II, 77. III, 176—177.
IV, 121. *facio, -are I, 45. faeio, -ere III, 83, 85, 86, 89.
IV, 117. *faeiola IV, 120—122. factionem IV, 114—116.
faecia IV, 117. *falcea IV, 104. fascia I, 68. III, IV, 70.
Faventia IV, 99. fenisicium IV, 117. *fer[i]tio, -are IV, 104.
*fidantio, -are IV, 98. Fidentius IV, 100. fiducia IV, 33.
*fientia I, 44. Florentia IV, 99. Florentiola IV, 99. foeti[d]us
IV, 122. *foetiolus I, 52. *fornicium III, 87. *fortia III, 83,
84, 85. IV, 104. *fortio, -are III, 83, 84. IV, 104. Francia
IV, 102. *frictio, -are III, 84. IV, 114. frictionem IV, 114—116.
frisionem IV, 39. frondia I, 49. *frondiarium I, 62.
gaudio, -ere II, 78. gaudium II, 77. geusiae I, 67. glacia,
*glacium I, 46. III, 85. IV, 117. glaciarium I, 62. IV, 117.
glacio, -are I, 45. IV, 117. *gluttium IV, 105. III—IV, 89.
Gnatia IV, 96. *granditiosus IV, 93. *granuncius I, 47, 129.
*granunciolus I, 52, 129. *grassia II, 80. IV, 69. *grassiolus
IV, 69. gurgutia IV, 93. *gutt,ium IV, 105. *gyriceola III,
87. gyrus I, 60, 72.
*hadie I, 47—48, 72. helciarius IV, 104. hordeum I, 49.
hospitium I, 40.
iaeeo, -ere I, 63—64, 72. IV, 117. -iceus I, 138—139,
140—143. III, 84, 86. IV, 138-139, 140. [i]eiuno, -are 1,73-74-
— 181 —

II, 77, 79. *ienea II, IV, 79. Ignatius IV, 97. iiniperus I, 72.
*iliceus IV, 117. Incia IY, 102. indutiae IV, 22. (in)fascio,
-are I, 68. III, IV 70. *infasciolo, -are I, 68. *ingrassio, -are
I, 66. *ingrossio, -are I, 66. initio, -are? j IV, 93. insiciuni
IV, 117. intellectionem I, 12, 52. *intercoxium IV, 70. in-
vidio, -are II, 78. ioco[r], -*are I, 72. iocus I, 72. -iolus I,
57—58. -iosus I, 58—60. iovis (dies) I, 72. -ities, -itia 1,
40, 41. II, 78. III, 85. IV, 23, 93. *itio, -are II, 77. iudaeus
II, 78, 79. iudex, -icem I, 72. II, 77. iudicium I, 45, 72. IV,
33. iudico, -are I, 72. II, 78. iugulo, -are I, 72. iugulum 1,
72. iugum I, 72. iunctura II, 78. *iunica I, 73. *iunicea
I, 46, 73. iuniperus I, 72, 73- iunix, -icem I, 73. iuramentum
I, 73. iuratus I, 72. iuro, -are I, 73. II, 77i iuvencus I, 73.
iurenis I, 73.
*laceo, -are ( = laqueo) IV, 117. *laceus ( = laqueus) I,
46. II, 78. III, 84, 85. IV, 117. lancea III, 83. IV, 101. lanceo,
-are III, 86. IV, 101—102. lapathium 111,86. IV, 93. *laxio,
-are IV, 70. *leontea IV, 98—99. *libycius IV, 117. licentio,
-are IV, 97. licium, licia I, 46. III, 84, 86. IV, 117. linte-
olum III, 83, 85, 86. IV, 99. linteum, lintea III, 83. IV, 99.
Liquentia IV, 99. *luceariolum IV, 117—118. lucius IV,
120—121. *lumbricius IV, 117. luteum, *lotium II, 77. III,
83, 85. IV, 93. *lyncea IV, 101, 103.
*mandeus I—IV, 49—50, 133. *mansionea III, 37. man-
sionem III, IV, 37. Marcianus III, 87. marci[d]us III, 85.
IV, 124. *martia IV, 104. martius I, 44. II, 78. III, 83, 85,
86. IV, 104. *matteale IV, 106. *matteo, -are III, 85. IV, 106.
*matteocus I, 52, 53. IV, 106. I, III, IV, 153. *matteolum
IH, 86. IV, 106. *matteuca I, 52, 53. I, III, IV, 153. mattia
I, 43. IV, 105—106. medianus I, 62. *medio, -are I, 48. II,
78. *mediolus locus I, 52, 54—55. medius I, 47, 72. II, 77.
medius locus I, 55. *mell[i]tio, are II, 78. mentionem, *men-
tionea, mentionarius I, 52. IV, 99. mentiono, -are I, 52. IV, 99.
meridies, *meridium I, 47. meridio, -are I, 48. II, 78. messi-
onem IV, 69. metitionem IV, 93. *minacia III, 85. IV, 118.
*minacio, -are I, 46. IV, 118. Mincius IV, 102. minutia IV,
— 182 —

22. *minutio, -are /IV, 22. mistionem il, 68. *mitio, -are?
IV, 93. Modicia IV, 118. *mortio, -are IV, 104. *muccius,
*inuccia, *muccio, -are III, 84, 85.1—IV, 107—111,(130—>131.
*mculgearia I, 62—63. muscionem IV, 70. *mustaceoIum III,
84. *mustaciola I, 52. mustacium, mustacia I, 46. III, 84.
IV, 118. *musticeolum III, 84. mustionem IV, 69.
nasturtium, *nastrutium III, 86. nationem IV, 24. nausea
IV, 37. negotium I, 40. *neisseunus III, IV, 69. nepotia I, 40.
nepoticia 145. neptia IV, 114—116. nescius IV, 70. Nicaea
IV, 118. nuntius IV, 99. nuptiae II, 78. I—II, 45. III, 86.
IV, 114—116. *nutricium I, 46.
occasionem IV, 37. *occasiono, -are I, 66. officium IV,
33. *orcea IV, 105. Orontius IV, 100. oryza I, 72. ostiolum,
*ustiolum I, 68.
pacationem IV, 24. palatium I, 40, 42. III, 83, 85, 86.
IV, 22, 26, 94. panaricium IV, 118. * p a n d i a I, 49, 50, 133.
*pandiatura I, 50, 62. *pant[i]cea IV, 102. Parentium IV, 99.
partio, -ire III, 87. pastionem I, 68. IV, 70. *patio, -are II,
78. *peciolus I, 52. IV, 118. *pendio, -are I, 49, 50, 51, 133.
*pendius I, 49, 50, 51, 133. pensionem IV, 38. *pertus[i]o,
-are IV, 38. Perusia IV, 28—29. petia, *petium I, 40. II, 77.
III. 85, 86. IV, 94. *petio, -ire II, 78. petiolus I, 52. pha-
seolus II, 77. IV, 38. phasianus III, IV, 38. *picceus, *pic-
cea, *picceo, -are III, 84, 85. I—IV, 111—113, 131. picea,
*piceum IV, 121, 122. Picentia IV, 99. *piceo, -are IV, 113,
118. pigritia III, 83, 89. *pigritiosus IV, 94. pincionem IV,
102. Pincius IV, 102. *pin[c]tio, -are IV, 99. *pinsio, -are
III, IV, 38. *piscionem IV, 70. *pissio, -are I, 66, IV, 69.
pittacium IV, 121, 122. Placentia IV, 99. placeo, ere IV,
118. platea III, 83, 85, 86. IV, 94. plorationem IV, 24.
Pollentia IV, 99. Pontiae IV, 99. postea II, 80. III, IV, 70.
Potentia IV, 99. *potio ( = possum) III, 87. IV, 96. pran-
dium I, >49. prehensionem IV, 38. pretium I, 26, 40. III, 85.
IV, 22, 26, 94. provincia IV, 102. *pun[c]tio, rare IV, 99.
*pun[c]tionem III, 85. IV, 98. *putea I, 40, 42, 131. Puteoli
— 183 —

IV, 96. puteus II, 40, II, 77. III, 83, 86. IV, 94. puti[d]a III,
89. IV, 122.
*quassio, -are IV, 69. *quatium I, 40, 53. IV, 95.
*radicia II, 79. radius, *radia I, 48, II, 77. ranci[d]us
IV, 124. rasea IV, 38. rationem II, 77. III, 85. IV, 22—23.
*rationo, -are IV, 22—23. reeentio, -are IV, 99. *reetio, -are
IV, 114—116. redemptionem IV, 99. retia III, 83. IV, 95.
*retiaculum IV, 95. retiolum III, 83, IV, 95. roseus I, 66.
*rosiata IV, 39.
salsicia III, 84, 85. IV, 118. Saneteusebius IV, 110.
sanguisugia II, 79. II, III, 133. satio, -are III, 85, 86, 89. IV,
95. sationem IV, 23. *sationo, -are IV, 23. satium I. 41-
IV, 95. scortea I, 44. II, 77. III, 84. IV, 104. Segusius IV,
38. *sementia I, 43. IV, 99. *serpentia I, 43. *servitialis
IV, 23. servitium II, 78. IV, 23. Setia IV, 96. setius IV,
95. *siliceus III, 84. IV, 118. *siubilare I, IV, 68. S. Leon-
tius IV, 100. *sociata I, 62. socius, socia I, 46. II, 77, 78.
III, 84. IV, 118. solacium IV, 121, 123. spatium IV, 95.
*spinaceus II, 78. IV, 118. spodium I, 48. II, 28. *stantia
IV, 99. stationem III, 85. IV, 23. *stationo, -are IV, 23.
*statium IV, 95. *strictio, -are IV, 114—116. *strinctio -are
II, 77. struthius I, 43. III. 83, 84. *subgluttio, -are I, 43.
IV, 106. subgluttium I, 43. IV, 106. *suctio, -are III, 83, 84.
IV, 114. suspicionem IV, 118. *suspitium? IV, 95.
tensionem III, 38. tentionem IV, 100—101. *terti[ari]-
olus IV, 104. *tertio, -are IV, 104. tertius (annus, dies, nu-
dius tertius) I, 43—45. III, 83. IV, 104. -tionexn I, 55—57.
IV, 23—24. titia I, 43. *titio, -are I, 40. IV, 95. titionem
I, 52. III, 83, 85, 86. IV, 95. *titium IV, 95. *toll[u]tio,
-are? IV, 103. tonsionem III, IV, 38. *torcia I, 47. I, IV.
127. *torcio, -are IV, 105. *torciolo, -are IV, 105. *tractio,
-are IV, 114, 115. trichea III, 84, 85. IV, 118, 119. *triche-
ola IV, 118. *tridentia IV, 99. trifurcium III, 85, 86. IV,
105. trilicium IV, 118. *trunceus IV, 101, 128. *turdeus
I, 49.
-ucius III, 84, 86. I. IV, 143 f. *ulceolus I, 52. *-unceus
— 184 —

IV, 101. uncia III, 84, 85. IV, 102. urceolus I, 52. III, 85.
IV, 105. urceus III, 85. IV, 105. ustium, ustia I, 68.
IV, 70.
Valentia IV, 100. *valitia IV, 29. Venetia IV, 24, 25,
27—28, 34. Vicentia IV, 100. vicia IV, 118. *viridaceus II,
78. *vir[i]dia I, 49. *vir[ijdiaria I, 62. *vissium IV, 69.
vitea I, 41. vitio, -are I, 40, II, 77, IV, 95. vitium II, 78.
IV, 95.
Albanesisch.
köre 170. kudzon 8. nenk 129. ninule 174. prift 9.
Französisch.
amoisser 111. bosse 131. bouder 48. boudsoufler 48.
bouge 52. boursoufler 48. chat 53—54. gösse 124. moquer
(se) 110. moue 110. torche' 126. treuil 126. trongon 129.
Italienisch.
-acchiare 156. -acchio 155—156. -accio 134, 136—137,
143—144. -acco 134. -aco 134. -agio 29. anina 174. appic-
care 113. appicciare 113. appiccicare 113. arcione 105.
-azzare 147. -azzo 134, 146—147.
bac 127. badzora 74. bajucca 74. bajucola 74. bar-
luzzo 120, 123, 133. baroccio 132. barozzo 132. bazzecola
74. bazula 74. bezzicare 113. boccia 131. bozza 131. bozzo
131. buccio 123.
cazzo 131. cencio 100—101. cigna 128. ciucco 81.
cocuzza 151. codinzolo 129. conocchia 133. cozzare 114.
cuccio(lo) 120, 122—124. cucco 122—124. cuzza 120,122—124.
dzebb 171. -ecchiare 157. -ecchio 156. -eccio 140. -eco
152. -ereccio 140.
fanciullo 101. forciere 101. Forenza 100. forziere 101
freccia 124.
goccia 106, 130. graccio 129. guancia 102. guenciare
102. guencire 102. guinzaglio 129.
-icchiare 157. -icchio 156. -iccio 138—139, 144—145.
-inare 174. -izzare 148.
— 185 —

kurtsu 105.
maciulla 153. malescio29. merciarelOl. merluzzol20—121,
122. mincio 101. moccio 107—108. mozzare 111. mozzo 108.
nocisce 29.
-occhio 157. -occio 145. -ogio 29. -onzo(lo) 129. -ozzo
150—151.
pazzo 147. pincio 103. proveccio 115.
quercia 105.
roccia 132. romanzo 103.
scancia 102. schiacciare 124. scorciare 105. scotezar 9-
scuttia 9. sdracciolare 132. sozzo 164.
torcia 105,126. tozzo 96,106—107. tsendrg 116. tsinga 128.
-ucchiare 157. -ucchio 157. -uccio 146. -ucolo 157.
-ugio(lo) 29. -uzzare 152. -uzzo 151—152.
vinco 129. vinzaglio 129.

Rumänisch.
-ac 134. acätare 12. -äcios 58—60. -aciü. 134, 147—148.
aftare 12. ahätu 12. ahlnts 12. ahtare 12. ahti[n]t 12. aiep
73. ajumesc 150. aksi(tse) 12. alurikä 175. (a)mut 110.
anin 174—175. -antä 44. arät 9—10. -äret, -äret 141. asa
12. asmut 110. astept 10—11. -at 134,137—138. atare 12. atit 12.
barzä 51. ba[t]jocurä 74. ba[t]jocuresc 74. boase 66—67.
boatä 46. bosorog 66. bot 131. bulgär 52. bulgur 52. bulz
52. busumflu 48. buzä 48, 49. buzerant 49. buzumflu 48.
cäciulä 52, 53—54. cältun>
53. cältunar
>
53. cartabos> 66.
cätel 10. catulä 54. ceafä 150. cearcän 172. cerul gurii 42.
chingä 128, 170—171. cinga 128. citä 44. ciur 171. conc[h]iü
45. creer 171. cucutä 170. cucuvea 51. curea 51. cutu 120.
cutez 8.
danac 155. dängät 172. destept 11. dimineatä 41. dzln
65. dzlnoiü 65.
-e[n]ciü 148. -et, -eatä 140—143. -ez 72.
fäpturä 11—12. fäsie, fasle 68. fat 10. ftari 12.
gheabä 171, 172. gheb 171, 172. gibos 171. glotä 46.
godac 155. grumaz 67.
— 186 —

htari 12.
-iChe 155. -ice 149. -icios 58—60. -iciü 149. lenupär
73. Impärat 43. -inare 174. -incios 58—60. lndärä[p]t 9—10.
lndärä[p]tnic 10. intetesc 42. lnv[l]ersunez 67. -it 145. -itä
138, 139.
jumätate 150.
katsu 45. kitsä 46.
lance 47. lante 47. läptucä 11—12. leagän 172—175.
luciü 47.
maiü 74. mämärutä 47. mäscat 53. mingu 50. misc
130. mitä 54. musc 109, 130—131. musitä 68. mustake 46.
. . . 3 3
musuroiü, misunoiü 68. muts 110. muts(e) 108.
nelutatec 10. noldzika 54. noldzuk 54.
-ochiare 155. -ociülöl. -o[n]t 145. -os58—59. -otare 145.
pezu 74. piem 131. pinchiü 131. piciu 131. pisc 112,
131. pisc 112, 131. pitigäesc 112, 131. pitigoiü 112, 131.
pitsa 131. poramintä 44. pots 129. povatä 42. premindä 9.
preot 9. pulä 131.
räcoare 171—172. rägusesc 67. räpciune 12. rata 47.
razäm 79. rincaciü 147. rlnsä 51. rinzä 51. rois 66.
säptämlnä 12. scociorasc 55. sfäsiu 68. soarece 169.
spruzä 48. stämtna 12. strigät 172. strucesc 127. stru[n]-
cin 127. strut 43. sturcin 127. sturzor 58. sugrum 67.
sugu| 67. sumut 109, 110. surpu 175.
targä 175. timbeiche 152. tindeklä 152. tirtiu 45.
toaca 175. tragä 175. tragän 172. treacat 172. treaptä 73.
trec 73. tsänusä 169. tsiresfar] 169. tsustukare 169. tun 175.
-ulet' 142. umsor
> 68. uscioarä
i 68. uscior
3 68. usuc 175.
-Tita 146. -utare 146.
vatäm 9 f. viersun 67.
zär 65. zarä 65.
Sardisch.
baiokku 74. faska 164—165. oska 165—166. poska 164
bis 166. tserbai 164.
— 187 —

Berichtigungen:

„„„
Seite 8 ZeUe 18 von. oben: § 89 statt § 91.
n 8 V 22 » n § 70 § 72.

„„n 16 V 2 unten: § 90 » § 92.

„„„
n 22 V 10 oben: § 49 n § 51.

„„
22 n 6 unten: § 49 11 § 51.
23 n 19 oben: § 49 n § 51.

„„ „„
25 v 20 § 90 n § 92.
26 n 16 n § 49 n § 51.
32 75 21 » § 90 n § 92.
48 n 4 r> füge hinzu: *RADIA
r a z ä , arum. r a d z ä .
Seite 48 Zeile 21 f. von oben, verbessere: rum. s p u z ä stammt
aus dem Albanesischen spuze, dessen u lautgerecht
ist (vor folgendem i aus o umgelautet). Die Ent-
lehnung ist älter als der albanesische Übergang s
>
„ 73 Zeile 1 von unten: IEIUNO statt IEIUNIUM.
„74 „ 1 „ oben: *EIUNO „ *EIUNIUM.

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