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Quelle: Vorlesung (sieht OLAT)

| Studentische Zusammenfassung | Goethe-Universität Frankfurt am Main | Basiskurs: Wirtschaftsethik |


Theorie der Wirtschaftsethik
1. Drei Ebenen der Wirtschaftsethik

- Wirtschaftsethik versucht folgende Ebenen strikt zu unterscheiden


o Individualethik: Was muss der Einzelne tun?
o Unternehmensethik: Was muss das Unternehmen tun?
o Ordnungsethik: Rahmen, gegeben durch Gesetze usw.

2. Peter Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik

2.1. Ausgangspunkt

- Peter Ulrich (*1948)


- Wirtschaften → zunächst mal lebensdienliches Haushalten
o Vgl. Aristoteles (Siehe BWET-Teil1 auf Studydrive)
o Ziele: Verbesserung der Lebensqualität usw.
- Durch die Frage der Optimierung entfremdet sich die Wirtschaftstheorie von ihren philoso-
phischen Fundamenten
o Gerade auch durch Orientierung am Prinzip der Wertfreiheit
- Ulrich: Nötig ist nun eine Wiederankopplung entstandener wirtschaftlicher Eigengesetzlich-
keiten an die Lebenswelt.

2.1.1. Vorgehen von Peter Ulrich

- Kritik an „reiner“ ökonomischer Vernunft (Ökonomismus)


o Ulrich: „entfremdete“ ökonomische Vernunft
o Ansatz: Normativität (implizit oder explizit) der „normalen“ ökonomischen Sachlogik
▪ Völlige Wertfreiheit besteht nämlich nicht!
- Bestimmung ethischer Gesichtspunkte einer lebensdienlichen Wirtschaft
o Alternative Normativität bestimmen
- Bestimmung der „Orte“ der Moral (Ebenen der Wirtschaftsethik) des Wirtschaftens
o Frage der wirtschaftsethischen spezifischen Handlungsrelevanz

2.1.2. Zwei-Welten-Konzeption → Integrationsversuch

- Verbindungsversuch ökonomischer Rationalität mit der lebensweltlichen Moralität

2.2. Kritik an der „reinen“ ökonomischen Vernunft

- Forderung: Effizienzorientierung der Wirtschaft braucht umfassenden Vernunftbegriff


- Folgen
o Kritik der ökonomischen Rationalität (Utilitaristisch, Individualnutzenorientiert)
▪ Utilitarismus → implizite oder explizite Ethik (nochmal: nicht völlig wertfrei),
nimmt Nutzenmaximierungsorientierung und Vorstellung subjektiver Präfe-
renzen auf → Randbedingung: Es soll für alle gleich gelten
▪ Kritik am Homo oeconomicus (Nur eigener Nutzen zählt, rational, Ausrich-
tung auf Eigeninteresse)

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• „Reine“ Ökonomie ist eine utilitaristische Entscheidungslogik
o Zirkularität → nötig wäre eine Zweck-Mittel-Relation, dies
wird „entfremdet“ auf ökonomische Rationalität (Zweckent-
fremdung)

2.3. (Wirtschafts-)Ethik einer lebensdienlichen Gesellschaft

- Frage nach dem Lebenssinn


o Durchbruch des ökonomischen Zirkels
o Ökonomie als höherer Zweck
o Beachtung einer kulturell gewollten Lebensform
- Folge
o Bestimmung ethischer Aspekte einer lebensdienlichen Gesellschaft
▪ Wandlung vom Utilitarismus hin zu einer kommunikativen Ethik (Diskur-
sethik)
• Verständigungsorientierter Austausch
• Ähnlich zu Rawls (Vgl. Vertrag)
o Rawls: Gesellschaft muss ihr gemeinschaftliches Leben be-
stimmen
o Habermas: Herrschaftsfreier Diskurs → Niemand stellt seine
Interessen in den Vordergrund (Neutralität)
▪ Unterschied zu Rawls
• Rawls: Vertrag aller Menschen
o Erst später präzisierte er → Ver-
nunftmensch
o Habermas sagte dies schon von vor-
neherein (Es müssen ethisch- und
vernunftmäßig geläuterte Menschen
sein)
• Rawls setzt weitgehend an der Ökonomik an
o Kritische Theorie deutlich feindlicher
gegenüber Markwirtschaft
• Generelle Erkenntnis der verschiedenen Ansätze
o Nötig ist ein gesellschaftlicher Vertrag
• Normfindung als Resultat immanenter Kritik

2.4. Bestimmung der „Orte“ der Moral des Wirtschaftens

- Orte der Moral → Ebenen wirtschaftlichen Handelns


o Vermittlung zwischen ethischen Ansprüchen und ökonomischen Zwängen
- Drei Handlungsebenen nach Ulrich
o Wirtschaftsbürgerethik (Individual- bzw. Mikroethik)
▪ Organisationsbürger: Tätig in marktwirtschaftlicher Struktur
• Konflikt zwischen Rollenverantwortung und noch größerer ethischer
Bürgerverantwortung (letztere hat Vorrang)

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▪ Reflektierter Konsument
• Kritisches reflektieren von privaten Konsumpräferenzen
o Authentizität der Bedürfnisse (In Bezug aufs eigene gute Le-
ben)
o Legitimität in sozialer und ökologischer Hinsicht
• Vernünftige Selbstbindung → Immer dem Gemeinwohl verpflichtet
• Beispiel: Flugreisen → Wenn man weiß, wie schädlich sie für die Um-
welt sind, soll man sich fragen, ob man sie tätigt oder eher ein ande-
res Verkehrsmittel wählt.
o Unternehmensethik (Ethik der Rahmenordnung, Makroethik)
o Wirtschaftsethik (Ethik der Rahmenordnung, Makroethik)

3. Ethik mit ökonomischer Methode nach Karl Homann

- Karl Homann (*1943)

3.1. Das Problem dualistischer Konzeption

- Grundlagen der klassischen Sichtweise


o Kant
o Schema: Einsicht → Motivation → Handeln
▪ Beispiel: „Ich verdiene wesentlich mehr als der Durchschnitt, das ist unge-
recht, ich muss Geld abgeben.“ (Problem bereits ersichtlich)
o Dualismus von Ethik und Ökonomik (mit Vorrang der Ethik)
▪ Ethik: Soziale Normativität → Frage der Moral
• Vgl. Lebensdienlichkeit bei Ulrich
▪ Ökonomik: Individuelle Normativität → Frage der Klugheit
• Beispiel: „Wie kann ich meinen Nutzen maximieren?“
▪ Dualisten: Ableiten des Primaten der Ethik → „Domestizierung“ der ökono-
mischen Logik
- Homann: Abkopplung von ethischer und ökonomischer Rationalität ist widersinnig
o Kritikpunkt an Ulrich
o Problem des individuellen Moralversagens
▪ Beispiel: Kauf günstiger statt ökologisch und sozial optimaler Lebensmittel
o Moral ist nur in und mit ökonomischen Gesetzmäßigkeiten implementierbar und
stabil

3.2. Wirtschaftsethik als ökonomisch rekonstruierte Ethik

- Definitionen nach Homann → Wirtschaftsethik ≠ Ethik für die Wirtschaft


o Allgemeine Ethik (traditionell philosophisch), die mit ökonomischen Methoden rekon-
struiert wird (Anders: Ethik, die mit ökonomischen Mitteln arbeitet).
▪ Es gibt keine ökonomische Ethik
▪ Implementation von moralischen Sollensforderungen kann so erfolgreich an-
gegangen werden.
• Unterscheidung von Wollen und machen
o Unterschied zu Ulrich, welcher sagt, man brauche nur die
Motivation, nachdem man die Einsicht gewonnen hat.
▪ Falsch → siehe Gefangenendilemma (Vgl. BMGT)
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3.3. Das Problem der Ausbeutbarkeit

- Abweichen ist nicht Gier, sondern Selbstschutz („Bevor mich der andere ausbeutet.“)
- Präventive Gegendefektion (Nach erkennen der Problemstruktur)

3.4. Anreizkompatibilität moralischen Handelns

3.4.1. Eine Problemstruktur, zwei Stoßrichtungen

- Folgerungen aus dem Problem der Ausbeutung


o Wettbewerb: Etablierung der Dilemmastruktur und Schaffung von Sicherungen die-
ser (z.B. durch Gesetze)
o Gemeinschaftsgüter: Überwindung der Dilemmastruktur
▪ Beispiel: Umweltschutz

3.4.2. „Rationalität“ als Heuristik

- Frage nach dem ethischen Ansatzpunkt zur Implementierung von Moral


- Gary Becker: Ökonomik viel weiter fassen, als es anfangs verstanden wurde
o Homo oeconomicus: Klassische, simple Konstruktion
▪ Becker fasst dies weiter, indem er den Nutzenbegriff ausdehnt.
• Weiter gefasster Vorteilsbegriff
• „Rationalität“ als Handlungsheuristik (Als Ansatz für das Erklären von
Verhalten)
o Beispiel: Warum nehmen Menschen Drogen (schadet
ihnen)?
▪ Heuristik: Sie können nur auf diese Weise Glück er-
fahren.

3.4.3. Handlungen und Handlungsbedingungen (systematische Unterscheidung)

- Handlungen („Spielzüge“): Handlungsentscheidungen (Individual- und Unternehmensethik)


- Institutionen („Spielregeln“): Handlungsbedingungen (Ordnungsethik)
o Unterschiedliche Ansatzpunkte bei verschiedenen Problemen
- Homann: Der systematische Ort der Moral in der Marktwirtschaft ist die Rahmenordnung.
o Beispiel: Jeder muss Steuern zahlen, nicht nur diejenigen, die wollen.

3.4.4. Implikationen

- Trennung von Motivation und Wirkung


- Wettbewerb entfesseln, Formen von Wettbewerb, die Machtpositionen implizieren, elimi-
nieren
- Verträge sind unvollständig, auch für Regeln der Ordnungsethik

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4. Autonome und naturalistische Ethik

4.1. Sollen und Können

- Ethische Grundfrage: „Was soll ich tun?“


o Zwei Komponente
▪ Normativität
Vernunftprinzip: Sollen impliziert werden
▪ Implementation
- Beide werden im praktischen Syllogismus kombiniert

4.2. Die Grundfigur des praktischen Syllogismus

- Geht zurück auf Aristoteles


- Theoretischer Syllogismus: Seinslehre
- Praktischer Syllogismus: Was soll ich tun?
o Dafür ist folgendes notwendig
▪ Normative Prinzipien / Ideale / Werte
▪ Empirische Randbedingungen (Charakteristika der Situation)
▪ Normative Urteile (Mit Konsequenzen für die Realität)
o Normative Prinzipien sind Präferenzen, empirische Bedingungen Restriktionen
▪ Beschränkung auf erstere wäre Fundamentalismus
• Lässt situationsabhängige Restriktionen außer Acht
• Beispiel: „Menschen müssen friedlich zusammenleben können.“
▪ Beschränkung auf zweitere wäre Sachzwangslogik
• Benennt Probleme, aber nicht deren Überwindung
• Beispiel: Steuerhinterziehung aufgrund von Gesetzeslücken und dar-
aus entstandenen Gefangenendilemma

4.3. Die beiden Hauptdenkrichtungen

- Autonome Ethik
o Geht aus der Philosophie, der distanzierten Frage nach dem „Guten“ hervor.
o Eher deontologisch, auf grundlegende philosophische Prinzipien ausgerichtet.
o Beispiele: Kant, Diskursethik, Rawls
- Naturalistische Ethik (u.a. Homann)
o Ausgangspunkt: Faktische wissenschaftliche Erkenntnisse
o Eher konsequentialistisch, an einzelwissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert

4.3.1. Vorbehalte der autonomen Ethik gegenüber der naturalistischen Ethik

- Sie verfehlt den „moral point of view“


o Unabhängiger, rein ethischer Punkt, die Frage nach dem „Guten“
▪ Homann: Man kann nicht das menschliche Verhalten erklären und dann for-
dern, dass sich die Menschen anders verhalten sollen.
• Naturalisten versuchen, an einer Situation was zu verändern, sie ver-
fehlen damit nicht den moral point of view
- Sie verfehlen das moralische Selbstverständnis der Menschen
o Gegenpunkt: Es geht gerade darum, wie man an Problemstrukturen etwas ändern
kann und auf welcher Ebene.
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- Sie ist reduktionistisch
o Sie beachtet nur wissenschaftliche Erklärungen
- Unterstellt ein verkürztes Menschenbild

4.3.2. Vorbehalte naturalistischer Ethik gegenüber autonomer Ethik

- Sie ist idealistisch / realitätsfremd → betrifft die Normativität


- Nichtberücksichtigung faktischer Randbedingungen (Durch Distanzierung von der realen
Welt) → betrifft die Implementation
- Kritik: Systematische Vernachlässigung der Implementationsperspektive

4.4. Integration beider Ansätze

- Zunächst: Beide sind inkompatibel


o „Goldener Mittelweg“ wäre nicht widerspruchsfrei → Daher nicht sinnvoll
- Integration von naturalistischer Ethik in autonome Ethik → „Bindestrich-Ethik“
o Faktische Gegebenheiten werden mit in den Blick genommen
▪ Beispiel: Ethik beschäftigt sich mit wirtschaftlichen Problemfragen → Wirt-
schaftsethik
- Integration von autonomer Ethik in naturalistische Ethik → Autonome Ethik als normative
Faktizität
o Sollensforderungen als normative Fakten
▪ Suche des „besten Auswegs“ aus Konfliktsituationen
o Fakten als Restriktionen
o Normative Ethik (im Sinne normativer Theorien) → Lösung normativer Probleme
o Konsequente Erweiterung der Individualethik um Unternehmens- und Ordnungsethik
▪ Beispiel: Beste Individualethik fruchtet nichts (soziale Dilemmata)
• Versuch: Lösung der Dilemmata

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