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5.6 Spannungsproblem – Verzweigungsproblem

Wird ein Tragwerk belastet, so wurde in den bisherigen Betrachtungen stillschweigend vor-
ausgesetzt, dass eine Erhöhung der Lasten, im Bild 5-10 (links) symbolisiert durch die
Last P , eine adäquate Erhöhung der sichtbaren Tragwerksreaktionen, symbolisiert
durch die Verschiebungen w , hervorruft. In Abhängigkeit vom Material kann deutlich ein
elastischer Bereich von einem plastischen Bereich unterschieden werden. Eine Maximal-
last, dies sei allgemein die Traglast des Systems, führt zu dessen Versagen, was sich auf
verschiedene Art und Weise andeutet. Wichtigste Erscheinungen dahingehend sind große
Verschiebungen, wie z.B. Durchbiegungen, Risse oder lokale Plastizierungen. Aus diesem
Grund war es ausreichend, für die entsprechenden Nachweise mit dem Teilsicherheitsbei-
wert γ M0 = 1,0 für das Material zu arbeiten (s. Abschnitte 3 und 4 im Script). Nicht sicht-
bare Tragwerksreaktionen sind die Spannungen, die jedoch mit den Verschiebungen über
das Hooksche Gesetz verknüpft sind. Dieses Systemverhalten wird als Spannungspro-
blem bezeichnet.

Im Bild 5-10 (rechts) sei nun ein System unter vorwiegender Druckbeanspruchung N be-
trachtet. Im Idealfall eines zentrisch in seiner Achse gedrückten Stabes wird dieser zu-
nächst keinerlei Verschiebungen senkrecht zu seiner Achse aufweisen, bis eine kritische
Last N cr erreicht ist. An diesem Punkt wird das System (der Druckstab) plötzlich seitlich
ausweichen bzw. (bei sprödem Material) ausknicken. Im Falle eines rotationssymmetri-
schen Stabes ist dabei ferner nicht klar, in welcher Richtung dieses Ausweichen stattfindet.
Mithin ist der Verschiebungszustand des Stabes nach Erreichen der kritischen Last N cr
nicht mehr eindeutig vorherbestimmbar. Der Punkt des Erreichens von N cr wird daher
als Verzweigungspunkt bezeichnet und das zugeordnete Problem als Verzweigungspro-
blem.
P N

P max 2
plastischer III
1
Bereich
II N cr
P el Verzweigungs -
elastischer
I punkt
Bereich w≈0
w el w w
w max

Bild 5-10: Last-Verschiebungs-Diagramme (qualitativ)


a) Spannungsproblem (links) b) Verzweigungsproblem (rechts)

Wie sich die Verschiebungen des Systems am Verzweigungspunkt entwickeln, kann nur
schwer vorausgesagt werden. Ist dieser aber überschritten, kann die Verschiebung bei
Lasterhöhung entweder mit der linearen Momenten-Krümmungs-Beziehung beschrieben
werden (horizontaler Ast) oder unter Ansatz der nichtlinearen Momenten-Krümmungsbzie-
hung. In jedem Fall werden die Verschiebungen ohne wesentliche Lasterhöhung schnell
sehr groß. Baupraktisch sind die Tragwerke de facto nicht mehr verwendbar.
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Aus der Beschreibung des Verzweigungsproblems wird klar, dass sich der Moment des
Ausknickens bzw. seitlichen Ausweichens nicht ankündigt. Es finden keine sichtbaren Ver-
schiebungen statt und wegen der Druckkraft sind auch Risse eher selten. Darin ist der
Hauptgrund zu sehen, dass im Stahlbau Nachweise in dieser Versagensart mit dem Mate-
rialsicherheitsbeiwert γ M1 = 1,1 zu führen sind.

Im Bild 5-10 sind mit I, II und III Bereiche verschiedener Gleichgewichtslagen bezeichnet:

I stabiles Gleichgewicht
II indifferentes Gleichgewicht
III labiles Gleichgewicht

Zum besseren Verständnis sind im Bild 5-11 weitere Möglichkeiten angegeben, die ver-
schiedenen Gleichgewichtslagen zu beschreiben.

stabil

labil indifferent

D
S
y y D=S y S

D
z z z

Bild 5-11: Gleichgewichtslagen links labil (Bereich III)


Mitte indifferent (Bereich II)
rechts stabil (Bereich I)

Kennzeichnend ist das Verhalten des Systems bei einer kleinen Störung. In den rechten
Darstellungen (stabiles Gleichgewicht) werden sich die Kugel (oben) und das Pendel (un-
ten) nach Abklingen des Einflusses der Störung stets wieder in den Ausgangszustand be-
wegen und dort stabil verharren. Am Verzweigungspunkt wird eine Störung die Kugel
(oben) bzw. das Pendel (unten) vom Ausgangszustand wegbewegen und beides wird in ei-
ner nicht bekannten (indifferenten) verschobenen Lage verbleiben. Dieses indifferente
Gleichgewicht wird im Bild 5-10 durch die seitlichen Äste beschrieben. Eine instabile
Gleichgewichtslage liegt vor, wenn die Störung zu einem Anwachsen der Verschiebungen
über alle Grenzen führt (linke Darstellungen). Das Pendel (unten) ist nicht mehr brauchbar.
Es gibt keine Chance zum stabilen Gleichgewicht zurückzukehren. Auch die Kugel (oben)
wird nicht auf die Bergkuppe zurückkehren können. Nachfolgend wird durch Betrachtung
des zentrisch gedrückten Stabes in die Stabilitätstheorie eingeführt.
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5.7 Zentrisch belastete Druckstäbe – Ableitung der Eulerfälle

Es ist offenbar, dass ein gedrückter Stab in Abhängigkeit von seiner Schlankheit und der
Größe der Druckkraft dazu neigt, seitlich auszuweichen. Ursache dafür können nur Inho-
mogenitäten im Material und mithin der Spannungsverteilung im Querschnitt sein. Damit
handelt es sich im Grunde also um ein Spannungsproblem, welches aber eben sehr dicht
am Verzweigungsproblem liegt. Daher wird die Lösung für das Verzweigungsproblem hier
angedeutet. Die gesamte Stabilitätstheorie wiederum ist so umfangreich, dass sie an die-
ser Stelle nicht umfassend dargestellt werden kann. Es wird u.a. auf die Fachliteratur ver-
wiesen, u.a. [3]. Da hierbei die Differentialgleichung für den ebenen Stab nach Elastizitäts-
theorie II. Ordnung verwendet wird, ist natürlich die Stabilitätstheorie in der nachfolgenden
Schreibweise auch eine „Theorie II. Ordnung“.

Wird die Differentialgleichung für den Stab ohne angreifende Lastfunktion, also für den Fall
p ( x ) = 0 betrachtet, verbleibt von der inhomogenen Differentialgleichung nur deren ho-
mogener Teil. Er entspricht also dem System eines zentrisch gedrückten Stabes, da nur
noch die Last N x angreift. Sie sei im Folgenden als Druckkraft positiv definiert (s.a. Bild
5-12).
N x,d
x
z
l

Bild 5-12: zentrisch gedrückter Stab mit der Länge l und der positiven
Druckkraft N x , d

Ziel der nachfolgenden Berechnungen ist die Bestimmung der kritischen Last N cr für ver-
schiedene Randbedingungen des Druckstabes. Ausgangspunkt ist wie erläutert der homo-
gene Anteil der Differentialgleichung für den ebenen Stab:

2 N x ,d
w ( x )' ' ' ' + λ ⋅w ( x )' ' = 0 → λ2 = (5-64)
E⋅I y

Die Lösung des homogenen Anteils lautet:

w ( x ) = C 1⋅sin (λ⋅x) + C 2⋅cos (λ⋅x) (5-65)

Die für die Auswertung verschiedener Randbedingungen ggf. notwendigen Ableitungen


der Lösung lauten damit:

w ( x )' = C 1⋅λ⋅cos (λ⋅x)


C 2⋅λ⋅sin( λ⋅x)

w ( x )' ' =
C 1⋅λ 2⋅sin (λ⋅x )
C 2⋅λ 2⋅cos(λ⋅x ) =
λ 2⋅[C 1⋅sin (λ⋅x ) + C 2⋅cos(λ⋅x )]

w ( x )' ' =
λ 2⋅w ( x ) (5-66)
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Allein aus der Lösung und deren Ableitungen ist ersichtlich, warum die Knickfiguren mit
den Winkelfunktionen Sinus und Kosinus verknüpft sind.

Es erfolgt nunmehr die Auswertung für die im Bild 5-13 angegebenen Lagerungsbedingun-
gen, die im Wesentlichen mit Bild 5-12 übereinstimmen.

Nx N ki

E⋅I min
l s ki

Bild 5-13: Eulerfall 2, beiderseits gelenkig gelagerter Druckstab

Die auszuwertenden Randbedingungen lauten:

w ( x=0) = 0 w( x =l ) = 0 (5-67)

Aus der ersten Randbedingung folgt wegen cos 0 = 1 und sin 0 = 0 sofort:

w ( x=0) = C 1⋅0 + C 2⋅1 = 0 → C 2 = 0 (5-68)

Damit kann die 2. Randbedingung ausgewertet werden:

w ( x=l ) = C 1⋅sin (λ⋅l ) = 0 (5-69)

Gleichung (5-69) wird auch als Knickbedingung bezeichnet. Sie kann nur identisch Null
werden, wenn einer der Faktoren Null wird. C 1 = 0 repräsentiert dabei eine unbrauchba-
re Triviallösung. Folglich muss ausgewertet werden:

sin(λ⋅l ) = 0 → λ⋅l = 0, π , 2⋅π , ... (5-70)

Der kleinste Eigenwert (kleinste Lösung der Gleichung) wird erhalten, wenn gilt:

λ⋅l = π (5-71)

Die Gleichung (5-71) wird quadriert und für λ die Definition (5-64) eingesetzt:

N x,d 2
λ 2⋅l 2 = π 2 = ⋅l (5-72)
E⋅I y

Die Gleichung wird nach der Kraft aufgelöst, die damit in die gesuchte kritische Last N ki
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übergeht:
2 2
E⋅I y⋅π E⋅I y⋅π
N ki = 2
= 2 (5-73)
l sk

In (5-73) wird mit der Definition

s k = β⋅l → hier : β = 1 (5-74)

noch der Knicklängenbeiwert β eingeführt, der für diesen Fall gleich eins ist. Dieser erste
Grundfall geht auf Lösungen von Leonhard Euler zurück, nach dem dieser und die nach-
folgenden 3 Fälle benannt sind. Bild 5-13 stellt den Eulerfall 2 dar. Bild 5-14 dagegen
einen am Fuß eingespannten Kragarm, den Eulerfall 1.

Nx N ki

E⋅I min
l
s ki

Bild 5-14: Eulerfall 1, Kragarm unter zentrischem Druck

Auszuwertende Randbedingungen sind in diesem Fall:

Fußeinspannung, keine Verdrehung w ' ( x =0) = 0


freier oberer Rand, kein Biegemoment w ' ' ( x=l ) = 0

Aus der ersten Bedingung folgt C 1 = 0 und damit in Auswertung der zweiten Bedingung
(Knickbedingung) für den Eulerfall 1:

w ' ' ( x=l ) = C 2⋅cos( λ⋅l ) = 0 (5-75)

Die (unbrauchbare) Triviallösung ist hier C 2 = 0 . Die Kosinusfunktion wird gleich Null bei

1 3 5
λ⋅l = ⋅π ; ⋅π ; ⋅π , ... (5-76)
2 2 2

Der kleinste Eigenwert entsteht also bei 2⋅λ⋅l = π . Das wird nunmehr ausgewertet, in-
dem die Definition für λ eingesetzt wird und nach N x , d = N ki umgestellt wird:
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2 2
E⋅I y⋅π E⋅I y⋅π
N ki = = (5-77)
4⋅l 2 s 2k

Im Vergleich der Nenner in Gleichung 5-77 wird klar, dass für den Eulerfall 1 offensichtlich
gilt:

4⋅l 2 = (2⋅l )2 = s 2k → sk = β⋅l mit β = 2,0 (5-78)

Als nächstes erfolgt die Auswertung der Randbedingungen für den im Bild 5-15 gezeigten
beiderseits unverdrehbar gelagerten Stab. Dieser repräsentiert den Eulerfall 4.

Nx N ki

E⋅I min
l
s ki

Bild 5-15: beiderseits unverdrehbar gelagerter zentrisch gedrückter Stab,


(Eulerfall 4)

Neben der Bedingung

w ( x=0) = w ( x=l ) = 0 (5-79)

aus der sich analog zum Eulerfall 2 direkt C 2 = 0 ergibt (s. 5-68), unterscheidet sich die-
ser Fall insbesondere darin, dass die Verdrehungen bei x = 0 und x = l jeweils zu Null
werden, was unter Verwendung von C 2 = 0 zu

C 1⋅λ⋅cos( λ⋅l ) = C 1⋅λ⋅cos 0 (5-80)

führt. Da λ per Definition ungleich Null ist, folgt daraus:

C 1⋅[cos(λ⋅l)
1] = 0 (5-81)

mit C 1 = 0 als unbrauchbarer Triviallösung und

cos(λ⋅l ) = 1 (5-82)

als auswertbarer Knickbedingung. Der kleinste verwendbare Eigenwert ist wegen


λ⋅l ≠ 0 also durch λ⋅l = 2⋅π bestimmt:
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2 2 2
N ki⋅l 2 E⋅I y⋅π E⋅I y⋅π
= 4⋅π → N ki = =
E⋅I y l 2 s 2k (5-83)
( )
2

mit

l
= s k = β⋅l → β = 0,5 (5-84)
2

Als letzter der 4 Grundfälle wird abschließend der Eulerfall 3 bearbeitet. Hier ist die Aus-
wertung der Randbedingungen nicht ganz so einfach zu erkennen, wie bei den anderen
drei Fällen. Der dritte Eulerfall ist im Bild 5-16 dargestellt. Es handelt sich um einen Stab,
der an einer Seite eingespannt und an der anderen Seite gelenkig gelagert ist.

Nx N ki

E⋅I min s ki
l

Bild 5-16: Eulerfall 3, Druckstab, an einer Seite mit Gelenk und auf
der anderen Seite mit einer Einspannung

Die Bedingung, dass Verschiebung und Moment an der Stelle des Gelenks ( x = 0 ) je-
weils Null werden müssen, führt analog zu:

w ( x=0) = 0 w ' ' ( x=0) = 0 → C 2 = 0 (5-85)

Am zweiten Auflager, der Einspannung, sind sowohl Verschiebung als auch die Verdre-
hung jeweils gleich Null:

w ' ( x =l ) = w ( x=l ) = 0

C 1⋅λ⋅cos (λ⋅l ) = C 1⋅sin (λ⋅l ) = 0 (5-86)

Wenn die Verdrehung w gleich Null ist, ist auch die l -fache Verdrehung gleich Null:

C 1⋅λ⋅l⋅cos( λ⋅l ) = C 1⋅sin (λ⋅l ) = 0 (5-87)

Da natürlich auch hier die Triviallösung C 1 = 0 nicht auswertbar ist, wird die Knickbedin-
gung durch Umstellen der Gleichung nach Division durch C 1 erhalten und ausgewertet:
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λ⋅l⋅cos (λ⋅l ) = sin(λ⋅l )

sin (λ⋅l )
λ⋅l = = tan (λ⋅l )
cos(λ⋅l )

λ⋅l
=1 (5-88)
tan(λ⋅l )

Der einzige Wert der Tangensfunktion, bei dem das Argument gleich dem Funktionswert
ist, ist gegeben durch:

λ⋅l = 4,493 (5-89)

Damit kann nun berechnet werden:

N ki⋅l 2 E⋅I y⋅π 2 E⋅I y⋅π 2


λ 2⋅l 2 = 4,4932 = → N ki = 2
=
E⋅I y
l 2⋅( π 2 ) s2k
4,493

s k = β⋅l = 0,7⋅l → β = 0,7 (5-90)

Als Zusammenfassung zu den Eulerfällen kann festgestellt werden, dass sie sich durch
die Definition der Knicklänge s k = β⋅l einheitlich durch:

E⋅I y⋅π 2
N ki = (5-91)
s 2k

beschreiben lassen, wobei lediglich der Knicklängenbeiwert β angepasst werden muss:

Eulerfall 1 2 3 4
Beiwert β 2,0 1,0 0,7 0,5

Tabelle 5-1: Knicklängenbeiwerte β für die Eulerfälle

Eine geometrische Interpretation der Knicklänge s k ist in den Bildern 5-13 bis 5-16 be-
reits angedeutet:

Die Knicklänge s k ist der Abstand der Wendepunkte der Knickfigur


des untersuchten Tragwerksteils.

Davon ausgehend lassen sich weitere Definitionen angeben. Ist die ideale Knickkraft
N ki bekannt, kann bei voraussetzungsgemäß konstantem Querschnitt ( E⋅I y = konst. )
die ideale Knickspannung σ ki berechnet werden:
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2
N E⋅I y⋅π
σ ki = ki = (5-92)
A s 2k⋅A

Mit Definition des Schlankheitsgrades λ (Achtung, nicht mit dem λ aus den vorste-
henden Berechnungen verwechseln !)

λ=
sk
i
→ mit i =
√ Iy
A
(5-93)

kann die Gleichung für die sogenannte Eulerhyperbel aufgeschrieben werden, die einen
Zusammenhang zwischen der idealen Knickspannung und dem Schlankheitsgrad des ge-
drückten Stabes beschreibt:
2
E⋅π
σ ki = 2 (5-94)
λ

Aus dem qualitativen Verlauf der Eulerhyperbel geht hervor, dass mit steigender Schlank-
heit die ideale Knickspannung überproportional abnimmt (Bild 5-17).
σ ki

sk
λ=
i

Bild 5-17: Eulerhyperbel, Zusammenhang zwischen dem Schlankheitsgrad


λ und der idealen Knickspannung σ ki

In Gleichung (5-93) ist mit i der Trägheitsradius definiert. Es ist offensichtlich, dass ein
kleinerer Trägheitsradius für eine größere Schlankheit steht und damit nach Bild 5-17 eine
kleinere ideale Knickspannung hervorruft. Alle bisherigen Gleichungen wurden für die Ebe-
ne entwickelt. Räumlich gesehen wird der Druckstab also zuerst um die schwächere Ach-
se ausweichen wollen. Richtiger wäre somit die Bezeichnung:

sk
λ= (5-95)
i min

In den Normen, so auch in EN 1993-1-1 wird mit einem bezogenen Schlankheitsgrad λ


gearbeitet. Der bezogene Schlankheitsgrad bildet das Verhältnis des Schlankheitsgrades
λ zum Bezugsschlankheitsgrad λ 1 , der nach Gleichung (5-96) definiert ist:
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λ 1 = π⋅
√ E
fy
= 93,9⋅ε → ε =
235
fy √ (5-96)

und damit

λ= λ (5-97)
λ1

Der Zusammenhang des in diesem Abschnitt angegebenen Formelsatzes mit den in EN


1993-1-1 enthaltenen Ersatzstabverfahren wird durch einige einfache Umformungen und
Änderungen der Formelzeichen verdeutlicht. Ausgehend von Gleichung (5-91) wird durch
Erweiterung mit der Fläche A erhalten:

A⋅I⋅E⋅π 2 I
N ki = 2
wobei wegen i =
A⋅s2k A

2 2
A⋅i ⋅E⋅π
N ki = geschrieben werden kann. Daraus folgt
s2k

A s 2k
= und nach Multiplikation mit f y
N ki i2⋅π 2⋅E

A⋅ f y s 2k⋅ f y π 2⋅E
= 2 2 Wegen = λ 21 ist das gleich mit
N ki i ⋅π ⋅E fy

A⋅ f y s 2k
= 2 2 und schließlich wird die Gleichung 6.50 aus
N ki i ⋅λ 1
EN 1993-1-1 erhalten, in der die ideale
Knicklast N ki als kritische Last N cr und die
Knicklänge statt mit s k als L cr bezeichnet ist:

λ=
√ A⋅f y
N cr
L
= cr
i⋅λ1
(5-98)

Diese Schreibweise ist ein weiterer Beleg dafür, dass in der Norm die theoretischen Er-
kenntnisse exakt enthalten sind. Lediglich Bezeichnungen und Schreibweisen werden „va-
riiert“. L cr wird in EN 1993-1-1 als kritische Länge bezeichnet. λ ist ebenfalls ein bezo-
gener Schlankheitsgrad.

5.8 Übergang zum allgemeinen Einzelstab

Wird ein einzelner Stab aus einem Tragsystem herausgelöst, sind seine Randbedingun-
gen für die Lagerung in der Regel nicht so leicht anzugeben, wie für die 4 Eulerfälle. Auch
die Idee, den definierten Knicklängenbeiwert β so festzulegen, dass ein Nachweisformat
entsteht, welches stets auf der sicheren Seite liegt, muss scheitern, da es zum einen
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durchaus β -Werte gibt, die größer sind als für den Eulerfall 1 ( β > 2 ) und zum ande-
ren viele Bauteile schlicht unökonomisch bemessen wären. Das kann nicht Ziel der Inge-
nieurarbeit eines Tragwerksplaners sein.

Folglich werden Überlegungen angestellt werden müssen, wie die Randbedingungen für
Einzelstäbe erfasst werden können. Erste Hinweise gibt die verbale Definition der Knick-
länge s k (s.S. 245) als Abstand der Wendepunkte der Knickfigur. Wenn es gelingt, die
Randbedingungen für aus dem System herausgelöste Einzelstäbe so zu beschreiben,
dass sie den diesem Stab zugeordneten Teil der Knickfigur des Gesamtsystems abbilden,
dann kann der Stabilitätsnachweis am Ersatzstab geführt werden. Das kann vorteilhaft
durch den Ansatz geeigneter Federkonstanten erfolgen (Bild 5-18).

N x,d N x,d
N x,d
Cϕo
C ho
l ≠ Lcr l ≠ Lcr

Cϕu C hu s k = Lcr

C vu

Bild 5-18: Herausgelöster Ersatzstab mit Anschlussfedern, Prinzipskizze


Federkonstanten sind so zu bestimmen, dass die Knickfigur des
Ersatzstabes mit der Knickfigur am System übereinstimmt

Es ist klar, dass die Systemsteifigkeit bei der Bestimmung der Federkonstanten eine große
Rolle spielen muss. Es ist definitiv nicht immer leicht, diese Werte zu ermitteln. Ebenso ist
es kaum möglich, allgemeingültige Rechenregeln anzugeben. Im folgenden Abschnitt wer-
den einige Anregungen gegeben, wie Federkonstanten zu berechnen sind.

Beim Herauslösen eines Ersatzstabes aus einem System ist wie folgt vorzugehen:

a) Einschalten eines Gelenkes und Ersatz der Drehsteifigkeit durch eine


adäquate Drehfeder

b) Einschalten einer Verschieblichkeit und Ersatz durch eine


adäquate Wegfeder

Maßgebend ist in jedem Fall die Knickfigur des Gesamtsystems. Diese kann zum Beispiel
durch Berechnungen mit EDV-Unterstützung bestimmt werden. Vielfach ist die Figur aber
auch aus Erfahrungen bekannt. Dabei ist aber nicht nur die Geometrie des Systems, son-
dern auch die Verteilung der Steifigkeiten sowie die Anordnung der Stützungen von großer
Bedeutung. Das soll am Beispiel eines Rahmens erläutert werden. Im Bild 5-19 ist ein ein-
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geschossiger Rahmen mit (seitlich) unverschieblicher Lagerung dargestellt. Der Rahmen


hat eine symmetrische Knickfigur, die dem Eigenwert des Systems zugeordnet werden
kann (s.a. Verzeigungslastfaktor, s. folgender Abschnitt 5.9). Die Federsteifigkeiten müs-
sen so festgelegt werden, dass der Ersatzstab die rot skizzierte Knicklinie aufweist.

N x , d ,1 N x , d ,2
Cϕo C ho

s k = Lcr ≠h h≠ L cr

Bild 5-19: unverschieblicher Rahmen mit symmetrischer Knickfigur,


L cr = β⋅h

Für unverschiebliche Rahmensysteme gilt allgemein:

sehr steifer Riegel β ≈ 0,7 ( C φ groß, Näherung an Eulerfall 3)

sehr weicher Riegel β ≈ 2,0 ( C φ klein, Näherung an Eulerfall 1)

Die Wegfeder sichert hier die seitliche Unverschieblichkeit, ist also entsprechend groß. Im
Grenzfall kann hier auch ein festes Lager angegeben werden.

Im Bild 5-20 ist nun dargestellt, wie sich der Rahmen als verschiebliches System verhält,
also bei Wegfall der horizontalen Halterung. Aus der ehemals symmetrischen Knickeigen-
form wird eine antimetrische Knickeigenform.

N x , d ,1 N x , d ,2
Cϕo

h≠ L cr
s k = Lcr ≠h

Bild 5-20: seitlich verschieblicher Rahmen, erheblich größere Knicklängen


als bei unverschieblichen Rahmen, z.T. β > 2,0
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Die seitliche Verschieblichkeit fordert, dass keine Wegfeder mehr in horizontaler Richtung
angeordnet werden darf. Lediglich die Drehfeder ist zu bestimmen und anzusetzen.

Die Übergänge zwischen den Systemen nach Bild 5-19 und Bild 5-20 sind fließend. Viel-
fach kann nicht vorausgesagt werden, ob eine Knickfigur symmetrisch oder antimetrisch
entsteht. Petersen gibt in seinen Werken viele praktische Hinweise dazu [3]. Im Bild 5-21
ist schematisch das Vorgehen des Herauslösens eines Stabes aus einem Rahmensystem
demonstriert.

N x , d ,1 N x ,d ,2 N x ,d ,3 N x ,d ,2
Cϕ1
N x ,d ,2

Cϕ3

h
Cϕ4

Cϕ2

N x , d ,1 N x ,d ,2 N x ,d ,3 N x ,d ,2
b b b

Bild 5-21: schrittweises Herauslösen eines Stabes aus einem größeren System
nach Roik [1]

Im Bild 5-21 ist zu beachten, dass die Drehfederkonstanten im mittleren und rechten Bild
unterschiedlich sind. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die angedeutete Symmetrie und
damit die Lage der Wendepunkte der Knickfigur in den Systemknoten nur bei ebenfalls
symmetrischer Geometrie UND symmetrischer Verteilung der Steifigkeiten zutreffen kann.

Im Bild erkennbar sind auch verschiedene vertikale Lasten, die in den Stützen Druck er-
zeugen. Im Folgenden soll nun ein konkreter Lastzustand in einem System betrachtet wer-
den, der gleichmäßig so lange gesteigert wird, bis das System ausknickt, also auf Stabilität
versagt. Der kritische Lastzustand wird erreicht, wenn der ursprüngliche Zustand um einen
einheitlichen Faktor linear erhöht wird. Dieser Faktor wird der Verzweigungslastfaktor, der
in EN 1993-1-1 eine entscheidende Rolle spielt.
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5.9 Der Verzweigungslastfaktor

Die folgenden Überlegungen wurden im Wesentlichen der Literatur [2] entnommen. Es soll
zunächst ein einfaches System betrachtet werden (Bild 5-22).

N z, d N z,d
k x,1 S x,1

l
E⋅I = ∞ ̂z
E⋅A = ∞ ϕ → klein
x̂ Ax
Az

Bild 5-22: einfaches System zur Bestimmung der Verzweigungslast und


des Verzweigungslastfaktors

Die Dehnsteifigkeit und die Biegesteifigkeit des Stabes im Bild 5-22 sollen außer Betracht
bleiben, haben also den Wert ∞ . Damit behält der Stab bei Belastung seine Gestalt bei.
Am unteren Ende sei ein Vollgelenk angeordnet. Dort treten infolge einer Belastung, im
Beispiel eine vertikale Belastung N z ,d , nur die Stützkräfte A x und Az auf. Die Koordi-
natenachsen x̂ und ̂z wurden zur Unterscheidung von den üblichen Stabkoordinaten-
systemen, bei denen x die Stabachse und y und z die Querschnittsachsen sind, mit
einem übergestellten Dach indiziert. Dieses Koordinatensystem gilt für das gesamte Sys-
tem und wird als globales Koordinatensystem bezeichnet. Jedes EDV-Programm arbeitet
mit verschiedenen Koordinatensystemen.

Es soll nunmehr die Last N cr in Abhängigkeit von N z ,d bestimmt werden, bei der das
System seitlich ausweicht. Solange das System nicht ausweicht, treten offenbar keine ho-
rizontalen Stützkräfte auf. Der Fall des Ausweichens ist im Bild rechts dargestellt. Die Fe-
der mit der Konstante k x ,1 muss gedehnt (oder gedrückt) werden. Dafür ist die Federkraft
S x ,1 verantwortlich, die im Gleichgewicht mit der Stützkraft A x stehen muss. Da nur der
Moment des Ausweichens gesucht ist, reicht es aus, die Betrachtungen für kleine Winkel
ϕ durchzuführen.

Es ist offensichtlich, dass der Stab ohne Federkonstante sofort, also ohne vertikale Belas-
tung ausweichen würde. Ist dagegen die Konstante sehr groß (Grenzfall k x,1 = ∞ ) kann
der Stab beliebig hoch beansprucht werden. Es ist also notwendig, über die Federkonstan-
te Aussagen zu treffen.

Zur Ermittlung von Federkonstanten wird im Abschnitt 5.10 einiges ausgesagt. Hier sollen
aber bereits einige grundlegende Überlegungen angegeben werden. Bild 5-23 zeigt quali-
tativ den Zusammenhang zwischen Verschiebungen, Federkonstanten und Federkräften.
Dabei wird eingeteilt:
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a) progressives Federgesetz (grüne Linie)


b) lineares Federgesetz (blaue Geraden)
c) degressives Federgesetz (rote Linie)

S Federkraft
Federmoment

Verschiebung
Verdrehung
v

Bild 5-23: Federgesetze, qualitative Darstellung

Im Folgenden wird mit linearen Federgesetzen gearbeitet, was wiederum mit der Zulas-
sung von nur kleinen Verschiebungen begründet werden kann. Dabei ist die Federkon-
stante der Proportionalitätsfaktor. Es wird unterschiedenen zwischen Wegfedern und
Drehfedern:

S = k⋅v Wegfeder mit k = Federsteifigkeit , Federkonstante


S = Federkraft
(5-99)
M ϕ = k ϕ⋅ϕ Drehfeder k ϕ = Drehfedersteifigkeit
M ϕ = Federmoment

Bei Systemen mit mehreren Federn ist zu unterscheiden, ob die Federn gekoppelt sind,
oder ob sie linear unabhängig von einander arbeiten können. Im ersten Fall sind neben
den Konstanten aus Gleichung (5-99) weitere Konstanten zu beschreiben. Der Zusam-
menhang ist dann durch die Gleichung (5-100) gegeben:

[][
S1
S2
k k
= 11 12 ⋅ 1
v
k 21 k 22 v 2][ ] (5-100)

Im Fall mehrerer linear unabhängiger Federn sind die Konstanten, welche die gegenseiti-
ge Beeinflussung der Federn beschreiben entsprechend gleich Null:

[][
S1
S2
k
= 11
0 v
⋅ 1
0 k 22 v2 ][ ] (5-101)

In EDV-Programmen wird eine entsprechende Federmatrix belegt. Gleichung (5-101) ent-


hält wegen der Unabhängigkeit der Federn untereinander so viele Gleichungen (5-99), wie
das System Federn hat.
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Am System aus Bild 5-22 werden nun die Gleichgewichtsbedingungen ausgewertet:

∑H =0 ∑V = 0
! !
→ Ax = S x ,1 , → A z = N z ,d
(5-102)
∑M =0
!
→ S x ,1⋅l = N z ,d⋅v x

Dabei ist v x die horizontale Kopfauslenkung des Stabes. Sie kann für übliche kleine Win-
kel ϕ durch die Stablänge ausgedrückt und in das Momentengleichgewicht eingesetzt
werden:

v x = ϕ⋅l (5-103)

S x ,1⋅l = N z , d⋅ϕ⋅l
S x ,1 = N z , d⋅ϕ

Nunmehr kann die in der Feder absorbierte Kraft S x ,1 durch das lineare Federgesetz (5-
99) beschrieben werden:

k x ,1⋅v x = N z ,d⋅ϕ (5-104)

und die horizontale Verschiebung v x wird wiederum durch das Produkt aus Drehwinkel
und Stablänge ersetzt (5-103) und umgestellt:

k x ,1⋅ϕ⋅l = N z , d⋅ϕ → ϕ⋅(N z ,d


k x ,1⋅l) = 0 (5-105)

Die Gleichung (5-105) hat zwei Lösungen:

1. Fall ϕ = 0 → Theorie I.Ordnung


(5-106)
2. Fall N z ,d = k x ,1⋅l → N z , d = N cr

Der 2. Fall repräsentiert die Knickbedingung. Die Last N z ,d geht in die gesuchte Verzwei-
gungslast über und es kann definiert werden:

N cr = αcr⋅N z ,d (5-107)

Der Faktor αcr , um den die Ausgangslast N z ,d erhöht werden muss, damit das System
seitlich ausweicht, das Gleichgewicht also verzweigt, wird Verzweigungslastfaktor ge-
nannt. Dieser Faktor wird in EN 1993-1-1 zur Beurteilung von Systemen genutzt. Über-
schreitet er ein gewisses Maß, dann muss dass System nach Theorie II. Ordnung nachge-
wiesen werden. Anderenfalls reicht ein Nachweis nach Theorie I. Ordnung aus.

Bevor ein konkreter Anwendungsfall gezeigt wird, soll zunächst noch ein System mit 2 Fe-
dern untersucht werden. Die gegebenen Werte sind im Bild 5-24 aufgezeichnet. An die-
sem Beispiel wird deutlich, dass durch αcr nicht die Lasten gesteigert werden, wie aus
dem Begriff „Verzeigungslastfaktor“ fälschlich abgeleitet werden könnte, sondern der Nor-
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malkraftzustand des Systems. Daher wurde im ersten Beispiel auch mit der Bezeichnung
für die Normalkraft N z ,d gearbeitet. Zuerst ist in einem System also der Normalkraftzu-
stand nach Theorie I. Ordnung zu ermitteln. Das Ergebnis ist im Bild 5-24 auf der rechten
Seite mit angegeben.

F2
k x,2 S x,2
F1 F2 N z,2 = F 2
l2
k x,1 S x,1

F1
l1
E⋅I = ∞ ̂z
N z,1 = F 1+ F 2
E⋅A = ∞ ϕ → klein
x̂ Ax
Az

Bild 5-24: Beispiel zum Verzweigungslastfaktor, starres Stabsystem


mit 2 unabhängigen Federn

Der Verzweigungslastfaktor αcr wird nun analog dem ersten Beispiel ermittelt und be-
rechnen sich wie folgt:

S x ,1 = ϕ⋅l 1⋅k x ,1

S x ,2 = ϕ⋅(l 1 +l 2)⋅k x ,2
(5-108)
∑M =0
!
→ S x ,2⋅(l 1+ l 2 ) + S x ,1⋅l 1
F 2⋅ϕ⋅(l 1 +l 2)
F 1⋅ϕ⋅l 1 = 0

Der zur Übergang zur Verzweigungslast wird erreicht, indem alle Belastungen, und damit
der Normalkraftzustand, mit αcr , dem Verzweigungslastfaktor vervielfacht werden, um
die Gleichung auszuwerten:

S x ,2⋅(l 1 +l 2) + S x ,1⋅l 1
αcr⋅F 2⋅ϕ⋅(l 1 +l 2)
α cr⋅F 1⋅ϕ⋅l 1 = 0

ϕ⋅(l 1 +l 2)⋅k x ,2⋅(l 1+l 2) + ϕ⋅l 1⋅k x ,1⋅l 1


αcr⋅F 2⋅ϕ⋅(l 1 +l 2)
α cr⋅F 1⋅ϕ⋅l 1 = 0 (5-109)

Mit ϕ = 0 ist wieder die Lösung nach Theorie I. Ordnung gegeben. Da diese Lösung hier
nicht gesucht ist, darf wegen ϕ ≠ 0 durch ϕ dividiert und umgestellt werden.:

(l 1+l 2) 2⋅k x ,2 + l 21⋅k x ,1


αcr⋅F 2⋅(l 1 +l 2 )
αcr⋅F 1⋅l 1 = 0

2 2
(l 1+l 2) ⋅k x ,2 + l 1⋅k x ,1 = α cr⋅(F 2⋅(l 1+ l 2 ) + F 1⋅l 1 )
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2 2
( l 1 +l 2) ⋅k x ,2 + l 1⋅k x,1 N cr
α cr = = (5-110)
F 2⋅(l 1+l 2 ) + F 1⋅l 1 N

Mit Hilfe des Verzweigungslastfaktors αcr bzw. seinem Reziprokwert

1
q cr = α (5-111)
cr

wird in EN 1993-1-1 ein Abgrenzungskriterium formuliert. Zur Erläuterung dessen wird das
folgende Beispiel betrachtet (Bild 5-25).

ϕ⋅l
N z, d N z, d
H x,d
H x,d
E⋅I = ∞
E⋅A = ∞
l ϕ
̂z

My
x̂ Ax
Cϕ y
Az

Bild 5-25: Kragarm nach Theorie II. Ordnung

Das Moment M y am Fuß der im Bild 5-25 dargestellten Stütze berechnet sich unabhän-
gig von der Drehfederkonstante C ϕ y aus:

M Iy = H x ,d⋅l (5-112)

Nach Theorie II. Ordnung müssen die Gleichgewichtsbedingungen am verformten System


aufgestellt werden. Es wird erhalten:

M IIy = H x ,d⋅l + N z ,d⋅ϕ⋅l (5-113)

M IIy = M Iy + ∆ M y → ∆ M y = N z ,d⋅ϕ⋅l (5-114)

Es ist auch hier zu erkennen, dass die Erhöhung der Biegemomente von Theorie I. Ord-
nung zu Theorie II. Ordnung ( ∆ M y ) sowohl von der Last N z ,d als auch von der seitli-
chen Verformung v = ϕ⋅l abhängt. Damit gilt das lineare Superpositionsgesetz bei Theo-
rie II. Ordnung nicht mehr. Darauf ist insbesondere bei der Anwendung von EDV-Program-
men zu achten.

Schnittgrößen und Verformungen nach Theorie II. Ordnung aus


verschiedenen Berechnungen und/oder Lastfällen dürfen nicht
superponiert werden !
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Die Drehfederkonstante C ϕ y im Bild 5-25 rechts steht für die Einspannung am Kragarm.
Sie muss folglich das gesamte Biegemoment dort absorbieren, bei seitlichen Verformun-
gen auch das Moment nach Theorie II. Ordnung:
II
II My
M y = C ϕ y⋅ϕ → ϕ= (5-115)
Cϕ y

Damit kann der (unbekannte, kleine) Drehwinkel ϕ in Gleichung (5-114) ersetzt werden:
II
M
M = M + N z ,d⋅ y ⋅l
II I
y y (5-116)
Cϕ y

Diese Beziehung wird umgeformt:

M Iy = M IIy
M IIy ⋅
N z , d⋅l
Cϕ y (N ⋅l
= M IIy ⋅ 1
z , d
Cϕ y )
1
M IIy = M Iy⋅

( N ⋅l
1 – z ,d
Cϕ y ) (5-117)

Aus (5-117) kann der Verzweigungslastfaktor durch eine Grenzwertbetrachtung gewonnen


werden. Das Biegemoment nach Theorie II. Ordnung M IIy wächst über alle Grenzen,
wenn der Nenner auf der rechten Seite zu Null wird. Daraus folgt:

N z , d⋅l Cϕ y
=1 → N z ,c = N cr = (5-118)
Cϕ y l

für die Verzweigungslast. Damit kann in (5-117) ersetzt werden:

1 1
M IIy = M Iy⋅ = M Iy⋅ = M Iy⋅k

( N
1 – z ,d
N cr ) ( 1 – q cr ) (5-119)

In Abhängigkeit von der Größe des Wertes q cr bzw. k kann nun entschieden werden,
wo ein System rechnerisch einzuordnen ist. Tabelle 5-2 gibt dafür Anhaltspunkte.

Abschließend sei noch angemerkt, dass (5-119) auch für Verformungen anwendbar ist:

1 1
v IIy = v Iy⋅ = v Iy⋅ = v Iy⋅k

( N
1 – z ,d
N cr ) ( 1 – q cr ) (5-120)
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1 N 1 1 Hinweise
q cr = α = k= αcr =
cr N cr 1 – q cr qcr
0,0 1,00 ∞ Berechnung nach Theorie I. Ordnung
ausreichend
0,1 1,11 10,00
0,2 1,25 5,00 Berechnung muss nach Theorie II.
Ordnung erfolgen, üblicher
0,3 1,43 3,33 baupraktischer Bereich
0,4 1,67 2,50
0,5 2,00 2,00 sehr weiche Systeme, Bedingung
kleiner Verformungen und Drehwinkel
0,6 2,50 1,67 nicht mehr eingehalten, Systeme im
Bauwesen meist nicht mehr sinnvoll
0,7 3,33 1,43
0,8 5,00 1,25 unbrauchbare Systeme

0,9 10,00 1,11


1,0 ∞ 1,00

Tabelle 5-2: zur Anwendung von q cr und αcr

Für die Anwendung der Norm EN 1993-1-1 ist die Grenze zwischen Theorie I. Ordnung
und Theorie II. Ordnung interessant:

Der Einfluss der Theorie II. Ordnung darf vernachlässigt werden, wenn der
Zuwachs der maßgebenden Schnittgrößen infolge der Theorie II. Ordnung
kleiner als 10 % ist.

In EN 1993-1-1 wird das Kriterium wie folgt ergänzt:

N Ed
q cr = ≤ 0,1 bei elastischer Berechnung von N Ed
N cr
(5-121)
N Ed
q cr = ≤ 0,067 bei plastischer Berechnung von N Ed
N cr

Abschließend zu dieser Thematik sei angemerkt, dass für die Anwendung des Abgren-
zungskriteriums der Verzweigungslastfaktor zu berechnen ist. Streng genommen muss da-
mit für den Nachweis, dass eine Berechnung nach Theorie II. Ordnung nicht erfolgen
muss, eine Berechnung nach Theorie II. Ordnung durchgeführt werden.

Zum Einsatz des Abgrenzungskriteriums abschließend ein kleines Beispiel. Betrachtet wird
der Kragarm aus Bild 5-25. Die kritische Last kann nach dem Eulerfall 1 bestimmt werden.
Die für den baupraktischen Einsatz unsinnige Bedingung E⋅I = ∞ kann hier entfallen
und wird durch ein reales Profil ersetzt. Vorliegend wird eine Stütze aus einem U-Profil (U-
220) mit einer Höhe von 3,0 m betrachtet. Es soll die Last N berechnet werden, bei der die
Stütze gerade noch nach Theorie I. Ordnung berechnet werden darf.
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Folgende Profil- und Materialwerte können Tabellenwerken entnommen werden:

N
E = 210 000 2 , I min = 1 970 000 mm
4
mm

Die ideale Knicklast N ki berechnet sich zu:

π 2⋅E⋅I min
N ki = 2 (5-122)
sk

und entspricht beim Eulerfall der kritischen Last N cr . Der Knicklängenbeiwert ist
β = 2,0 und damit wird:
2
π ⋅210 000⋅1 970 000
N ki = N cr = 2
= 113 418,2 N = 113,42 kN (5-123)
(3 000 mm⋅2,0)

Für den Fall, dass die einwirkende Normalkraft im Kragarm als Schnittgröße in einer elasti-
schen Tragwerksberechnung ermittelt wird, gilt für q cr als Grenzwert:

N Ed
q cr = ≤ 0,1 → N Ed ≤0,1⋅N cr = 11,34 kN (5-124)
N cr

Als Ergebnis einer plastischen Tragwerksberechnung darf N Ed lediglich

N Ed
q cr = ≤ 0,067 → N Ed ≤0,067⋅N cr = 7,599 kN (5-125)
N cr

betragen. Das erscheint zunächst als Widerspruch, wird aber verständlich, wenn beachtet
wird, dass im Ergebnis einer plastischen Berechnung bereits diverse Systemreserven aus-
genutzt wurden, die im Falle elastischer Nachweise (noch) vorhanden sind.

Da in diesem Abschnitt viel über Federsteifigkeiten und Federkonstanten geredet wurde,


soll im folgenden Abschnitt für einige Grundfälle die Ermittlung der Federkonstanten ge-
zeigt werden. Anschließend wird dargelegt, welche Möglichkeiten der Stabilitätsnachweise
der Eurocode bietet. Die theoretischen Grundlagen wurden bereits erläutert.

5.10 Beispiele zur Ermittlung von Federsteifigkeiten

Tragwerksteile, wie zum Beispiel an einer Stütze anschließende Riegel oder auch Fach-
werkstäbe, die an den Gurten befestigt sind, können gleichwertig ersetzt werden durch:

a) Wegfedern
b) Drehfedern
c) Wegbettung und/oder
d) Drehbettung.
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Dabei sind Federn gemäß a) und b) an Punkte bzw. Punktknoten gekoppelt, während Bet-
tungen gemäß c) und d) entlang einer Linie oder bezogen auf eine Fläche beschrieben
werden. Linienbettungen werden beispielsweise bei Pfählen eingesetzt, aber auch bei der
Stabilisierung von Rahmenriegeln durch Dach- oder Deckenscheiben. Der Klassiker für
die Flächenbettungen ist die Beschreibung des Baugrunds.

Die Federn nach a) und c) entsprechen Verschiebungen von Bauteilen bzw. Bauteilknoten.
Dagegen sind b) und d) Verdrehungen der Bauteile bzw. Bauteilknoten adäquat.

Eine Feder kann Kräfte oder Momente speichern bzw. absorbieren. Die in der Feder ge-
speicherte Kraftgröße ist mit dem Federweg, also der zugehörigen Verschiebung oder Ver-
drehung über das Federgesetz gekoppelt. Die Federkonstante einer Wegfeder ist die
Kraft, die benötigt wird, den Federweg der Größe „Eins“ zu erzeugen. Analog entspricht
die Drehfederkonstante dem Drehmoment, welches den Winkel der Größe „Eins“ erzeugt.

Folglich ergibt das Produkt aus Federkonstante und zugehöriger Verschiebung/Verdre-


hung die in der Feder absorbierte Kraftgröße. Das wurde mit den Gleichungen (5-99) be-
reits aufgeschrieben und im Bild 5-23 verdeutlicht.

Für die konkrete Bestimmung von Federkonstanten müssen die Bauteile in Maß und Mate-
rial bekannt sein. Im einfachsten Fall kann eine Dehnfeder über die Dehnung/Stauchung
eines Bauteils berechnet werden. Das wird aktuell von sehr vielen EDV-Programmen für
Deckenplatten exakt so umgesetzt, zum Teil ohne das der Nutzer etwas davon weiß.

F F
∆l ∆l

E⋅A
l

Bild 5-26: Bestimmung einer Wegfeder als Dehnfeder

Der Federweg, den die Auflast F erzeugt berechnet sich nach den bekannten Gleichun-
gen der Festigkeitslehre (s.a. Abschnitt 3). Als Federkonstante ist nun die Kraft F zu su-
chen, die den Weg „Eins“ (hier also ∆ l = 1,0 m ) erzeugt.

k=F → ∆l= 1 m

ε=
∆l
l
1
= =σ=
l E
F
E⋅A

1
l
=
k
E⋅A
→ k=
E⋅A
l [ Kraft
Länge ] (5-126)

Im Einsatz für Wände wird die Fläche A oft auf einen imaginären Wandabschnitt von
1,0 m Länge bezogen und dann nicht in der Einheit Kraft je Längeneinheit, sondern Kraft
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je Flächeneinheit angegeben.

Im zweiten Fall soll der Widerstand als Feder angegeben werden, den ein Kragarm einer
quer an seinem Ende angreifenden Kraft entgegensetzt: System und Feder sind im Bild 5-
27 aufgezeichnet.
wenn v = 1,0 m → k = F

v
l k

Bild 5-27: Feder, die einen Kragarm ersetzt (Wegfeder)

Für die Bestimmung der Dehnfeder konnten einfache Gleichungen herangezogen werden.
Im Allgemeinen Fall kann die Einheitsverschiebung v = 1 m nicht so einfach bestimmt
werden. Zur Berechnung der Durchbiegungen ist aber die Arbeitsgleichung aus der Statik
bekannt. Diese kann hier entsprechend eingesetzt werden. An der Stelle, an der die Feder
gesetzt werden soll, ist eine virtuelle Einheitslast in Richtung des geplanten Federweges
anzusetzen und mit der Schnittgröße (Biegemoment) zu überlagern, die in dem Bauteil
wirkt, welches durch die Feder ersetzt werden soll (Bild 5-28).

k=F
E⋅I
v
l
k=F
M = F⋅l

1
M = 1⋅l

Bild 5-28: virtuelle Belastung 1 und Federkraft k = F erzeugen


Biegemomente M und M im Stab für den Ansatz
der Arbeitsgleichung zur Berechnung des Federweges v

Damit lässt sich der Federweg v nach dem Arbeitssatz bestimmen:

1 l 1
v =1=
E⋅I
∫ M⋅M dx = ⋅ ⋅ F⋅l ⋅ 1⋅l
E⋅I 3

3⋅E⋅I
k=F= (5-127)
l3
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Als drittes Beispiel zur Ermittlung von Federkonstanten soll die Drehfederkonstante als Wi-
derstand eines Kragarms angegeben werden, den er einem Moment an freien Ende ent-
gegensetzt (Bild 5-29).

G , IT

ϕ
l

Mt wenn ϕ = 1 → C ϕ = M t

Bild 5-29: Drehfederkonstante eines Kragarms (Torsionsfeder)

Für den vorstehenden Fall können ähnlich wie bei der Dehnfeder die Widerstandswerte
des Profils auf Torsion verwendet werden. Das ist im Wesentlichen die Torsionssteifigkeit
und es wird erhalten:

G⋅I T
Cϕ = (5-128)
l

Zwei weitere häufig auftretende Fälle aus der Praxis sind im Bild 5-30 aufgezeichnet. Da-
bei kann es sich z.B. um Rahmenecken handeln, hier seitlich unverschieblich gelagert. In
beiden Fällen wird das System an der Ecke aufgetrennt und der vertikal dargestellte Trag-
werksteil soll durch eine Feder gleichwertig ersetzt werden.

E⋅I 2 E⋅I 2
l2 E⋅I 2 l2 E⋅I 2

E⋅I 1 ϕ=1 E⋅I 1 ϕ=1


M =1 M =1
N Cϕ = M N Cϕ = M
l1 l1

wenn ϕ = 1 → C ϕ = M wenn ϕ = 1 → C ϕ = M

N N

Bild 5-30: Rahmenecken, seitlich unverschieblich gelagert, 2 Fälle


Ersatz des jeweils vertikalen Tragwerksteils durch Drehfedern

In beiden Fällen ist die Federkonstante am abgetrennten Teilsystem zu berechnen, jeweils


rechts daneben dargestellt. Für das im Bild links dargestellte System ist die Berechnung
einfach, weil das Teilsystem statisch bestimmt ist. Auf der rechten Seite ist die Federwir-
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kung an einem einfach statisch unbestimmten System zu berechnen. Zunächst aber zum
einfacheren System. Am Teilsystem entstehen etwa analog dem Bild 5-28 die Momenten-
funktionen infolge M = C ϕ und M = 1 als Dreiecke mit dem Maximalwert an derselben
Stelle. Damit erfolgt die Auswertung der Arbeitsgleichung:
l2

E⋅I 2⋅ϕ = ∫ M⋅M dx (5-129)


0

M⋅M 1
ϕ =1= ⋅ ⋅l mit M = 1 und M = C ϕ
E⋅I 2 3 2

3⋅E⋅I 2
Cϕ = (5-130)
l2

Statt der dreieckförmigen Momentenfunktionen entstehen am einfach statisch unbestimm-


ten Teilsystem für den Fall im Bild 5-30, rechte Seite, sogenannte verschränkte Trapeze,
deren Ordinaten mit dem Kraftgrößenverfahren zu ermitteln sind. Als statisch Überzählige
X 1 wird das Einspannmoment am oberen Lager gewählt. Das statisch bestimmte
Hauptsystem ist damit also ein Träger auf 2 Stützen (im Bild 5-31, vertikal dargestellt).
M X1 = 1
X1 = 1 0
Mv l2

2 3
E⋅I 2 E⋅I 2 l2

1
Mv
M =1
Cϕ = M 0
Mv M 0v
Bild 5-31: Bestimmung der Momentenlinien M 1v mit dem
Kraftgrößenverfahren

Die Momentenfunktionen für M und C ϕ haben offenbar dieselbe Form. Daher wird die
Berechnung am statisch unbestimmten System für ein Vergleichsmoment M 1v durchge-
führt. Für X 1 = 1 ist die Momentenfunktion ein Dreieck mit dem Maximalwert 1 am obe-
ren Auflager. Für M 0v wird das maximale Moment mit der Ordinate M 0v am unteren La-
ger erhalten. Damit können zunächst die Vor- und Belastungszahlen berechnet werden:
l2
1
E⋅I 2⋅δ11 = ∫ M X1⋅M X1⋅dx = ⋅l 2 (5-131)
0
3

l2
1
E⋅I 2⋅δ10 = ∫ M 0v⋅M X1⋅dx = ⋅M 0v⋅l 2 (5-132)
0
6

δ 10 M 0v
X 1 =
=
(5-133)
δ11 2
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Mit Kenntnis der statisch Überzähligen kann das Moment M 1v am statisch unbestimmten
System berechnet werden:

M 1v = M 0v + X 1⋅M X1 (5-134)

0
1 Mv 0 0
x =0 → unteres Lager → M (0) = M

v ⋅0 = M v
v
2
0 0
Mv Mv
x = l 2 → oberes Lager →
1
M v( l2 ) = 0 – ⋅1 = – (5-135)
2 2

Die Ergebnisordinaten aus Gleichung (5-135) sind im Bild 5-31, rechts, bereits dargestellt
und vermaßt. Sowohl das Moment für M als auch das Moment für C ϕ haben diese
Form und die Federkonstante kann nunmehr nach dem bekannten Vorgehen mit der Ar-
beitsgleichung berechnet werden. Dabei werden jeweils 2 Dreiecke mit den Grundseiten-
1 2
längen l 2 und l integriert, wobei die Dreiecke jeweils gleichgerichtete Maximalor-
3 3 2
1
dinaten haben (Wert gem. Integrationstafel wie schon bei vorherigen Beispielen).
3
2 1
⋅l ⋅l
3 2 3 2

C ϕ
M (5-136)
E⋅I 2⋅ϕ = ∫ C ϕ⋅M dx + ∫ ( )⋅( )dx
0 0 2 2

In Gleichung (5-136) ist das erste Integral der Anteil für das untere Dreieck des ver-
schränkten Trapezes und der obere Anteil wird im zweiten Teilintegral erfasst. Nunmehr
kann für ϕ = 1 und M = 1 die Gleichung integriert und nach C ϕ aufgelöst werden.

2 1 1 1 Cϕ 1 4 1
E⋅I 2 = ⋅l 2 ⋅ ⋅C ϕ⋅1 + ⋅l 2⋅ ⋅(
)⋅(
) = C ϕ⋅l 2⋅( + )
3 3 3 3 2 2 9 36

4⋅E⋅I 2
Cϕ = (5-137)
l2

Als letztes Beispiel für die Bestimmung von Federkonstanten soll das im Bild 5-32 angege-
bene System untersucht werden.
l2
l1 2 wenn v = 1 → k = F
F

N
N v
v l1

E⋅I 2

Bild 5-32: Träger auf 2 Stützen als federndes Auflager, Wegfeder


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Die virtuelle Last für die Verschiebung und die Federsteifikeit k ist jeweils in Feldmitte
des zu ersetzenden Trägers auf 2 Stützen anzusetzen und erzeugt ein Moment mit einer
F⋅l 2
Dreiecksfunktion (Spitze in Feldmitte, maximaler Wert ).
4
Damit kann die Arbeitsgleichung ausgewertet werden. Für die Überlagerung zweier Drei-
ecksfunkionen mit maximalen Ordinaten an derselben Stelle wird wiederum der Integrati-
1
onsfaktor maßgebend (Integraltafel):
3
l2 3
1 F⋅l 2 1⋅l 2 k⋅l 2
E⋅I 2⋅v = ∫ M M dx = ⋅l 2 ⋅ ⋅ =
0
3 4 4 48

48⋅E⋅I 2
k= (5-138)
l 32

In der Praxis sind an einem Knoten oft mehrere Stäbe angeschlossen. Ferner kann auch
beim schrittweisen Herauslösen eines Ersatzstabes die Anordnung mehrerer Federn an ei-
nem Lager nötig sein. Mehrere Federn können mittel der linearen Federgesetze miteinan-
der kombiniert und zusammengefasst werden. Dabei sind zwei Grundfälle zu unterschei-
den.

a) Reihenschaltung von Federn


b) Parallelschaltung von Federn

Die Kombination von Federn wird auch bei der Berechnung vorgespannter Schraubenver-
bindungen benötigt und genutzt. Reihenschaltung, Parallelschaltung und Kombinationen
von beiden gehorchen ähnlichen Gesetzen, wie elektrische Widerstände.

k1 k1
k1 k2 k3
k2 k2

Bild 5-33: Kombination von Federn, Federgesetze


links: Reihenschaltung, Mitte: Parallelschaltung,
Rechts: Kombination aus Reihen- und Parallelschaltung

Für die im Bild 5-33 links dargestellte Reihenschaltung muss jede beteiligte Feder die ge-
samte Kraft F übertragen. Insgesamt wird das System in der Kombination weicher, als
bei jeder einzelnen Feder. Bei Krafteinwirkung erzeugt die Kraft F in der ersten Feder
die zugehörige Verschiebung v 1 und in der zweiten Feder die zugehörige Verschiebung
v 2 . Die Summe aus beiden Verschiebungen v = v 1+v 2 kann der gesuchten Federkon-
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stante des Systems bei Reihenschaltung zugeordnet werden. Nach den linearen Federge-
setzen kann damit geschrieben werden:

F = v 1⋅k 1 + v 2⋅k 2 = (v 1 +v 2)⋅k ges (5-139)

1 1
Für eine Einheitslast F = 1 lassen sich mit v 1 = und v 2 = auf der rechten Seite
k1 k2
der Gleichung (5-139) v 1 und v 2 ersetzen und es wird das Gesetz für die Reihenschal-
tung bei 2 gekoppelten Federn erhalten:

1 1 1 1 1
( + )⋅k ges = 1 → = + (5-140)
k1 k 2 k ges k1 k2

bzw. verallgemeinert für n in Reihe geschaltete Federn:


n
1 1
=∑
k ges i =1 k i
(5-141)
k ges
vi = ⋅v ges
ki

Mit der zweiten Gleichung (5-141) ist der auf die Feder i entfallende Anteil der Gesamt-
verschiebung zu berechnen.

Im Falle der Parallelschaltung (Bild 5-33, Mitte) teilt sich die Gesamtkraft im Verhältnis der
Federkonstanten auf. Alle Federn haben dieselbe Verformung v = v 1 = v 2 und für die
Kräfte kann geschrieben werden:

F ges = k ges⋅v = F 1 + F 2 = k 1⋅v + k 2⋅v (5-142)

und es wird mit


n
k ges = ∑ k i
i=1
(5-143)
k
F i = i ⋅ F ges
k ges

das Gesetz für die Parallelschaltung von n Federn gefunden. Für die dritte Darstellung in
Bild 5-33 kann unter Verwendung der beiden Grundgesetze für die Federkonstante k ges
geschrieben werden:

1 1
k ges = + + k3 (5-144)
k1 k2

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