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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13

Flexion

Definitionen

„Flexion ist die Veränderung von Wörtern nach bestimmten grammatischen Kategorien; sie umfasst
(im Deutschen) Konjugation, Deklination und Komparation. Konjugation ist die Veränderung nach
Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus Verbi und tritt nur beim Verb auf. Deklination ist die
Veränderung nach Genus, Numerus und Kasus und tritt bei Substantiv, Adjektiv, Artikel und
Pronomen auf. Komparation ist die Steigerung und tritt bei (manchen) Adjektiven und einigen
wenigen Adverbien auf.“
(Duden [2009]: Fit für das Bachelorstudium. Grundwissen Grammatik. Mannheim u.a.: Dudenverl., 12.)

Flexion: „Markierung grammatischer Kategorien mithilfe unterschiedlicher Formen; führt nicht zur
Bedeutungsänderung des betroffenen Wortes“
(Duden-Grammatik [2007]: Glossar.)

Flexion: „Markierung veränderlicher grammatischer Informationen an nominalen und verbalen


Elementen ( Deklination und Konjugation).
Abgrenzung zur Wortbildung:

• Veränderung der lexikalischen Bedeutung [= Wortbedeutung] des Ausgangswortes durch


Wortbildungsprozesse
• Flexion tritt zusätzlich zur Wortbildung hinzu“

(aus: Markus Hundt: Vorlesung Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft. Sommersemester 2012.)

Flexion: „Prozess, bei dem aus abstrakten, lexikalischen Wörtern konkrete, syntaktische Wörter
entstehen, welche sich aufeinander und auf außersprachliche Sachverhalte beziehen.“
(Albert Busch/Oliver Stenschke [2008]: Germanistische Linguistik. Eine Einführung. 2., durchges. und korr. Aufl. Tübingen:
Narr, 111.)

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13

Möglichkeiten der Flexion:


• Additives Flexiv: Anfügung eines unselbstständigen Elements oder mehrerer
unselbstständiger Elemente an den Wortstamm (das Ende des Wortes) (-e in [ich]
sing-e; -e- [Plural] und –n [Dativ] in [den] Schaf-e-n)
• Additives Flexiv: Anfügung eines unselbstständigen Elements an den Anfang an den
Anfang und das Ende eines Wortstammes (Zirkumfix; bilden ein gemeinsames Affix) –
(ge- und –t in ge-sag-t)
• Modifikatorisches Flexiv: Veränderungen des Stammes (innere Abwandlung – wird
oft mit additiven Flexiven kombiniert!)
o Ablaut (bei Verben): singe – sang – gesungen
o Umlaut (bei Substantiven, Verben): Mutter – Mütter; kam – käme
• Inhaltliches Flexiv: keine Änderungen im Erscheinungsbild des Wortes, aber dennoch
Bedeutungsunterschied, z. B. Singular – Plural (dass Flexion vorliegt, erkennt man bei
Substantiven oft am Artikel: das Muster – die Muster)
• Selbstständiges Flexiv: eigenständiges Wort, dass nur grammatische Informationen
transportiert (zu bei um zu antworten)

Aufgaben

1) Bilde je drei Beispiele für jede Art von Flexiv.

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Konjugation

Definition

Konjugation: Flexion des Verbs hinsichtlich Person, Numerus, Genus verbi, Modus und Tempus. Die
Flexive lassen sich nicht trennen, d. h. ein Flexiv steht meist für alle fünf grammatischen Kategorien.
Verben, die nach diesen fünf Kategorisierungen flektiert wurden, nennt man finit. In einigen Fällen
(Passiv, best. Tempora, Modus) werden dafür auch Hilfsverben verwendet.
Infinite Verbformen sind solche, die im Infinitiv oder Partizip stehen.

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Gruppe 1: Person und Numerus


regelmäßige & unregelmäßige Konjugation
Deklination
• Person (1. bis 3.): ich schreie – du schweigst – sie spricht; wir singen – ihr redet – sie
rufen
o 1. Person: Gesprächsrolle des Sprechers: ICH
o 2. Person: Gesprächsrolle des Hörers: DU
o 3. Person: Restkategorie, Referenzrolle
❧ negativ definiert (nicht Sprecher- oder Hörerrolle)
❧ auf Referenz angewiesen
❧ Kontext-/Situationsinformationen sind zur Bestimmung der
Referenzrolle notwendig

• Numerus (Singular, Plural): er liest – sie lesen

Singular Sprecher- ich schreib-e


Hörer- du schreib-st
Referenz-Rolle er/sie/es schreib-t
Plural Sprecher- wir schreib-en
Hörer- ihr schreib-t
Referenz-Rolle sie schreib-en

Die Kategorien Person und Numerus sind vor allem relevant als Kongruenzkategorien
(Kongruenz, d. h. grammatische Übereinstimmung, mit dem Subjekt eines Satzes).

Die Konjugation der Verben kann regelmäßig sein (sog. schwache Verben) oder unregelmäßig
(sog. starke Verben). Entscheidend dafür sind die so genannten Stammformen, das sind die
Formen im Infinitiv Präsens und im Präteritum sowie das Partizip II (auch Partizip Perfekt).
Die regelmäßigen Verben sind der Normalfall und deshalb ungleich häufiger. Sie werden
gebildet durch die Endung –te– im Präteritum und durch ge– …-t im Partizip II. Außerdem
haben sie die Endung –e in der 3. Person Singular Präteritum und im Imperativ Singular.
Starke Verben verändern sich stark unter der Flexion; sie bilden ihre Präteritumformen und
das Partizip II von verschiedenen Tempusstämmen; die 3. Person Singular Präteritum und der
Imperativ Singular sind endungslos.

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Deklination

Definition

Deklination: Flexion nominaler Wörter. Die Flexion kann erfolgen hinsichtlich Kasus, Numerus,
Genus und Komparation.

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1) Kasus: Der Kasus hat die Aufgabe, die syntaktische Funktion eines
Wortes im Satz zu kennzeichnen. Im Deutschen gibt es vier Kasus:
Nominativ (Wer oder was?), Genitiv (Wessen?), Dativ (Wem?),
Akkusativ (Wen oder was?)

2) Genus: grammatisches Geschlecht: Maskulinum, Femininum, Neutrum;


die grammatische Kategorie Genus ist nicht deckungsgleich mit dem
natürlichen Geschlecht (= Sexus).
Bsp.: das Mädchen: Genus: neutrum, Sexus: weiblich

3) Komparation: Steigerung von Adjektiven. Es gibt drei


Steigerungsstufen: Positiv (Grundform), Komparativ (1.
Steigerungsstufe), Superlativ (2. Steigerungsstufe)

Es gibt drei verschiedene Formen der Deklination:

a) Deklination der Substantive: hinsichtlich Numerus und Kasus


b) Deklination der Adjektive: hinsichtlich Numerus, Kasus, Genus und Komparation
c) Deklination der Pronomina und Artikelwörter: hinsichtlich Numerus, Kasus
und Genus (teilweise auch hinsichtlich Person)

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Deklination des Substantivs

1) Genus
Substantive sind genusfest, d.h. ein bestimmtes Genus ist ihnen fest und unveränderlich
zugeschrieben. Ein bestimmtes Substantiv ist also entweder maskulin, feminin oder
neutrum; es sind aber auch wenige Ausnahmen möglich (das Mus, der Mus). Am
Substantiv selbst kann man das Genus im Allgemeinen nicht erkennen (bis auf wenige
Ausnahmen, wie etwa Substantive, die auf –e enden; diese sind feminin: Gabe, Bitte), –
sichtbar wird es aber z. B. am Artikel des Substantivs. Teilweise haben Wörter mit
verschiedenem Genus auch eine unterschiedliche Bedeutung (der Erbe vs. das Erbe).

2) Numerus
Substantive können durch die Deklination den Numerus, also Singular und Plural,
ausdrücken. Gekennzeichnet wird dabei im Deutschen nur der Plural, der Singular wird
nicht eigens markiert. Um den Plural zu markieren, gibt es im Deutschen vielfältige
Möglichkeiten: einmal verschiedene Endungen und zum anderen die Möglichkeit, einen
Umlaut zu verwenden. Einige Substantive können keinen Singular bilden (Leute, Ferien),
andere wiederum sind nicht „pluralisierbar“ (Kies, Wasser)

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3) Kasus
Substantive treten im Satz je nach syntaktischer Funktion in verschiedenen Kasus auf. Im
Deutsche gibt es vier Kasus: Nominativ (nach dem mit „wer/was?“ gefragt werden kann;
meist Subjekt eines Satzes, kann aber auch Prädikativ sein), Genitiv („wessen?“), Dativ
(„wem?“, oftmals in der Rolle eines Empfängers oder Nutznießers) und Akkusativ
(„wen/was?“, oftmals Person/Objekt, mit dem etwas geschieht). Bei der Deklination von
Substantiven gibt es im Singular drei Deklinationsklassen, die starke Deklination (mit der
Endung -[e]s), die schwache Deklination (-[e]n) und die endungslose Deklination (ø).

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Deklination des Adjektivs

Eigenschaften
• flektiert hinsichtlich Numerus: Singular und Plural
• flektiert hinsichtlich Kasus: Nominativ, Genitiv, Dativ Akkusativ
• flektiert hinsichtlich Genus: Maskulinum, Femininum, Neutrum
• Adjektive werden nach drei Endungstypen flektiert: stark, schwach und gemischt

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Eine weitere Eigenschaft von Adjektiven ist, dass sie komparierbar (steigerbar) sind.

• Positiv: Normalform des Adjektivs (dick, groß, gut)


• Komparativ: erste Steigerungsstufe; Bildung mittels
o Suffix –er (dick-er)
o Suffix –er und Umlaut des Stammvokals (größ-er)
o Unregelmäßig (besser)
• Superlativ: zweite Steigerungsstufe; Bildung mittels
o Suffix –st/-est (müde-ste, fett-ester)
o Suffix –st/-est und Umlaut des Stammvokals (schwärz-esten)
o Unregelmäßig (gut – besser – beste; viel – mehr – meiste)
o am + Adjektiv + -st/-est + -en (am müdesten, am schnellsten)

Adjektive können auf verschiedene Arten gebildet werden. Neben den „ursprünglichen“
Adjektiven wie rot, lieb gibt es auch Ableitungen zähmbar (vom Adjektiv), häuslich (vom
Substantiv), waschbar (vom Verb), verbittert (Partizip-II-Bildungen). Bei einem Partizip II
entscheidet die syntaktische Stellung (d. h. ob das Wort dekliniert ist oder als Prädikatsteil
dient) über seine Zugehörigkeit zu einer Wortart (der verlassene Freund – verlassen =
Adjektiv, sie hat ihren Freund verlassen – verlassen = Vollverb im Partizip II).

Deklination der Artikelwörter und Pronomina


Darunter fallen Pronomina und Artikelwörter. Der Unterschied ergibt sich aus ihrer
Verwendungsweise: Pronomina (Stellvertreter) stehen allein für eine andere sprachliche
Einheit (i.d.R. ein Substantiv). Artikelwörter bilden zusammen mit einem weiteren Wort
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(meist einem Substantiv) eine Einheit und übernehmen dann oft auch einen Teil der
Flexionsarbeit.

Pronomina können weiter unterteilt werden in folgende (semantische und syntaktische)


Untergruppen:

• Personalpronomen (ich, du, er, wir): Wir arbeiten gerade.


• Reflexivpronomen (sich, mich, einander): Ich verliebe mich.
• Possessivpronomen (meins, deins, euer): Das ist meins.
• Demonstrativpronomen (dies, der, dieser): Ist es dieser?
• Relativpronomen (welches, der, das): Der Mann, der an der Ecke steht, ist alt.
• Interrogativpronomen (was, welcher): Was machst du?
• Indefinitpronomen (man, jemand, irgendeiner): Hat jemand mal ‘nen Euro?

Artikelwörter können weiter unterteilt werden in folgende (semantische/syntaktische)


Untergruppen:

• definiter Artikel (der, die, das): das Haus


• indefiniter Artikel (ein, einer): ein Haus
• possessiver Artikel (eure, ihre): euer Haus
• demonstrativer Artikel (jene, dieser): dieses Haus
• interrogativer Artikel (welches): Welches Haus?
• indefiniter Artikel (irgendwelches): irgendwelche Einwände?

Eigenschaften: Pronomina und Artikelwörter flektieren hinsichtlich


• Person: 1.-3. (nur teilweise: mein, dein, sein; aber nicht: der, die, das)
• Numerus: Singular, Plural (Artikelwörter haben den gleichen Numerus wie ihr
Bezugswort)
• Genus: Maskulinum, Femininum, Neutrum (Artikelwörter haben das gleiche Genus
wie ihr Bezugswort)
• Kasus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ (Artikelwörter haben den gleichen Kasus
wie ihr Bezugswort)

Aufgaben

1) Was ist Kongruenz? Erläutere dieses Phänomen mithilfe eines Satzbeispiels.


2) Recherchiert möglichst viele unregelmäßige Verben. Lassen sich bei den
Stammformen der starken Verben bestimmte Regelmäßigkeiten bzw. Muster
erkennen?

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3) Bereitet Eure Themen so auf, dass Ihr sie verständlich als Experte einer anderen
Gruppe und dem Plenum vorstellen könnt (inkl. anschauliche Beispiele etc.).

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Flexion

Definitionen

„Flexion ist die Veränderung von Wörtern nach bestimmten grammatischen Kategorien; sie umfasst
(im Deutschen) Konjugation, Deklination und Komparation. Konjugation ist die Veränderung nach
Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus Verbi und tritt nur beim Verb auf. Deklination ist die
Veränderung nach Genus, Numerus und Kasus und tritt bei Substantiv, Adjektiv, Artikel und
Pronomen auf. Komparation ist die Steigerung und tritt bei (manchen) Adjektiven und einigen
wenigen Adverbien auf.“
(Duden [2009]: Fit für das Bachelorstudium. Grundwissen Grammatik. Mannheim u.a.: Dudenverl., 12.)

Flexion: „Markierung grammatischer Kategorien mithilfe unterschiedlicher Formen; führt nicht zur
Bedeutungsänderung des betroffenen Wortes“
(Duden-Grammatik [2007]: Glossar.)

Flexion: „Markierung veränderlicher grammatischer Informationen an nominalen und verbalen


Elementen ( Deklination und Konjugation).
Abgrenzung zur Wortbildung:

• Veränderung der lexikalischen Bedeutung [= Wortbedeutung] des Ausgangswortes durch


Wortbildungsprozesse
• Flexion tritt zusätzlich zur Wortbildung hinzu“

(aus: Markus Hundt: Vorlesung Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft. Sommersemester 2012.)

Flexion: „Prozess, bei dem aus abstrakten, lexikalischen Wörtern konkrete, syntaktische Wörter
entstehen, welche sich aufeinander und auf außersprachliche Sachverhalte beziehen.“
(Albert Busch/Oliver Stenschke [2008]: Germanistische Linguistik. Eine Einführung. 2., durchges. und korr. Aufl. Tübingen:
Narr, 111.)

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Möglichkeiten der Flexion:


• Additives Flexiv: Anfügung eines unselbstständigen Elements oder mehrerer
unselbstständiger Elemente an den Wortstamm (das Ende des Wortes) (-e in [ich]
sing-e; -e- [Plural] und –n [Dativ] in [den] Schaf-e-n)
• Additives Flexiv: Anfügung eines unselbstständigen Elements an den Anfang an den
Anfang und das Ende eines Wortstammes (Zirkumfix; bilden ein gemeinsames Affix) –
(ge- und –t in ge-sag-t)
• Modifikatorisches Flexiv: Veränderungen des Stammes (innere Abwandlung – wird
oft mit additiven Flexiven kombiniert!)
o Ablaut (bei Verben): singe – sang – gesungen
o Umlaut (bei Substantiven, Verben): Mutter – Mütter; kam – käme
• Inhaltliches Flexiv: keine Änderungen im Erscheinungsbild des Wortes, aber dennoch
Bedeutungsunterschied, z. B. Singular – Plural (dass Flexion vorliegt, erkennt man bei
Substantiven oft am Artikel: das Muster – die Muster)
• Selbstständiges Flexiv: eigenständiges Wort, dass nur grammatische Informationen
transportiert (zu bei um zu antworten)

Aufgaben

1) Bilde je drei Beispiele für jede Art von Flexiv.

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Konjugation

Definition

Konjugation: Flexion des Verbs hinsichtlich Person, Numerus, Genus verbi, Modus und Tempus. Die
Flexive lassen sich nicht trennen, d. h. ein Flexiv steht meist für alle fünf grammatischen Kategorien.
Verben, die nach diesen fünf Kategorisierungen flektiert wurden, nennt man finit. In einigen Fällen
(Passiv, best. Tempora, Modus) werden dafür auch Hilfsverben verwendet.
Infinite Verbformen sind solche, die im Infinitiv oder Partizip stehen.

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Gruppe 2: Tempus I – synthetische Tempora (Präsens, Präteritum)


Verben können durch ihre Tempusformen verschiedene Zeitstufen ausdrücken. Dies ist ein
ganz wesentliches Kriterium von Verben. Manchmal nennt man sie deshalb auch Zeitwörter.
Die grammatischen Tempusformen drücken das Verhältnis dessen, worüber wir sprechen,
zum Zeitpunkt des Sprechens aus, ob wir also über etwas Vergangenes sprechen, etwas
Gegenwärtiges oder etwas Zukünftiges.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Tempus und Zeit?

Der Begriff „Tempus“ bezeichnet die grammatischen Formen des Verbs, die Begriffe „Zeit“ und
„Zeitstufen“ meinen die Konzepte Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit. Meist deckt sich die
Tempusform mit der Zeitstufe; Tempusform Präsens bezeichnet also Gegenwart, Tempusform
Perfekt Vergangenheit usw. Aber dies muss nicht so sein. Die Tempusformen des Verbs sind
nämlich nicht alleine ausschlaggebend für die ausgedrückte Zeitstufe. Es gibt also auch andere
Möglichkeiten, bei denen der situative Kontext die Tempusform modifiziert.

Nur die Formen im Präsens und Präteritum sind einfache Tempusformen (auch: synthetische
Tempusformen).

Präsens
Das Präsens hat die meisten Anwendungsmöglichkeiten. Sein Anwendungsbereich
überschneidet sich mit dem des Futurs und des Präteritums.

1) Gegenwartsbezug

In seiner charakteristischen Funktion bezieht sich das Präsens auf ein Geschehen, das im
Sprechzeitpunkt abläuft und in diesem Sinne der Gegenwart zuzuordnen ist. Das
Geschehen kann sich nach beiden Seiten – vor und nach dem Jetzt des Sprechers –
hinaus ausdehnen.

a) Es regnet. Ich bin noch krank. Das Faxgerät funktioniert nie.

Geeignete Temporaladverbialien (adverbiale Bestimmungen der Zeit) können den


Gegenwartsbezug unterstützen oder präzisieren oder einen zeitlichen Rahmen setzen.

b) Ich schreibe gerade einen Brief. Peter besucht zurzeit einen


Lehrgang. – Deutschland arbeitet seit 1945 und seit der
Wiedervereinigung noch angestrengter an seiner
„Normalität“. Die Werft bleibt bis zur Jahreswende in Betrieb.

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Als Tempus wird das Präsens auch dann verwendet, wenn etwas zeitlos Allgemeingültiges
ausgedrückt werden soll. Diese Verwendung lässt sich als ein Sonderfall des
Gegenwartsbezugs betrachten (unbegrenzte Gegenwart).

c) Uran hat das Atomgewicht 238,03. Elefanten sind Säugetiere.


Ein Wesenszug der Demokratie ist die Freiheit der
Meinungsäußerung. Das hört nie auf.

2) Zukunftsbezug

Bei Handlungsbeschreibungen kann der Sprecher das Präsens benutzen, wenn der
Beschluss, die Handlung auszuführen, im Sprechzeitpunkt gefasst ist oder gefasst wird,
die „eigentliche“ Handlung selbst aber noch nicht eingeleitet ist und insofern in die
Zukunft fällt.

a) Ich schicke dir eine Mail. Die Regierung erhöht die Steuern.

Der Zukunftbezug kann durch eine Temporaladverbiale oder einen weiteren


Zusammenhang angezeigt bzw. verdeutlicht werden.

b) Morgen fahre ich nach Berlin. Die Maschine landet in zwei


Stunden. Im Jahre 2033 weiß man längst, dass mehr Hubraum
und mehr PS nicht auch mehr Recht auf der Straße bedeuten
können.

3) Vergangenheitsbezug: historisches (episches, szenisches) Präsens

Das Präsens kann das Präteritum in dessen charakteristischer vergangenheitsbezogener


Funktion ersetzen. Es wird dann oft als historisches Präsens (c) bezeichnet. Beim
szenischen Präsens (a) wird das vergangene Geschehen dadurch gleichsam in die
Gegenwart transponiert (zwecks Vergegenwärtigung, Verlebendigung).

a) Da liege ich doch gestern auf der Couch und lese, kommt Julia
leise ins Zimmer und gibt mir einen Kuss.

In fiktionalen erzählenden Texten (b) bildet das Präsens als Erzähltempus (episches
Präsens) heute ein so stark konventionalisiertes Stilmittel, dass der
Vergegenwärtigungseffekt abgeschwächt erscheint. In vielen zeitgenössischen Werken
dient das Präsens sogar als das Grundtempus des Erzählens. In noch höherem Ausmaß
trifft das auf das historische Präsens zu, das in Lexikonartikeln, Biografien und ähnlichen
chronologisch berichtenden, unpersönlichen Textsorten begegnet (c).
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b) Pinneberg greift in die Tasche, holt aus dem Etui eine Zigarette
und brennt sie an. Um die Ecke weht Lämmchen, im plissierten
weißen Rock. […]
c) In diese Weimarer Situation wird Christianes Vater am 12.
November 1725 hineingeboren. Ihm ergeht es anders als
Goethes Vater, der, als er zwanzig Jahre alt ist und den Vater
verliert, […] Erbe eines großen Vermögens ist […]. (S. Damm)

Präteritum
Das Präteritum lässt sich als ein auf Vergangenheitsbezug spezialisiertes Tempus
charakterisieren, das das Damals thematisiert, also ein abgeschlossenes vergangenes
Geschehen. In seiner primären Funktion ordnet es das Geschehen einer bestimmten Zeit in
der Vergangenheit zu. Von welcher Zeit die Rede ist, muss aus dem Satz selbst oder dem
weiteren Zusammenhang hervorgehen. Deswegen brauchen Sätze im Präteritum meistens
eine geeignete Temporaladverbiale oder einen Zusammenhang, aus dem sich diese gemeinte
Zeit schließen lässt. Das Präteritum dient in fiktionalen Erzählungen auch als hauptsächlich
verwendetes Tempus und wird daher auch als Erzähltempus bezeichnet.

a) Gestern regnete es. Das Wasser stieg wieder. – Warum hast du


nicht angerufen? Ich war krank.

Aufgaben

1) Erläutert in eigenen Worten den Unterschied zwischen Tempus und Zeit.


2) Was versteht man unter „synthetischen Verbformen“?
3) Findet je zwei Beispielsätze für die verschiedenen Verwendungsweisen des Präsens.
4) Bereitet Eure Themen so auf, dass Ihr sie verständlich als Experte einer anderen
Gruppe und dem Plenum vorstellen könnt (inkl. anschauliche Beispiele etc.).

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Flexion

Definitionen

„Flexion ist die Veränderung von Wörtern nach bestimmten grammatischen Kategorien; sie umfasst
(im Deutschen) Konjugation, Deklination und Komparation. Konjugation ist die Veränderung nach
Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus Verbi und tritt nur beim Verb auf. Deklination ist die
Veränderung nach Genus, Numerus und Kasus und tritt bei Substantiv, Adjektiv, Artikel und
Pronomen auf. Komparation ist die Steigerung und tritt bei (manchen) Adjektiven und einigen
wenigen Adverbien auf.“
(Duden [2009]: Fit für das Bachelorstudium. Grundwissen Grammatik. Mannheim u.a.: Dudenverl., 12.)

Flexion: „Markierung grammatischer Kategorien mithilfe unterschiedlicher Formen; führt nicht zur
Bedeutungsänderung des betroffenen Wortes“
(Duden-Grammatik [2007]: Glossar.)

Flexion: „Markierung veränderlicher grammatischer Informationen an nominalen und verbalen


Elementen ( Deklination und Konjugation).
Abgrenzung zur Wortbildung:

• Veränderung der lexikalischen Bedeutung [= Wortbedeutung] des Ausgangswortes durch


Wortbildungsprozesse
• Flexion tritt zusätzlich zur Wortbildung hinzu“

(aus: Markus Hundt: Vorlesung Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft. Sommersemester 2012.)

Flexion: „Prozess, bei dem aus abstrakten, lexikalischen Wörtern konkrete, syntaktische Wörter
entstehen, welche sich aufeinander und auf außersprachliche Sachverhalte beziehen.“
(Albert Busch/Oliver Stenschke [2008]: Germanistische Linguistik. Eine Einführung. 2., durchges. und korr. Aufl. Tübingen:
Narr, 111.)

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13

Möglichkeiten der Flexion:


• Additives Flexiv: Anfügung eines unselbstständigen Elements oder mehrerer
unselbstständiger Elemente an den Wortstamm (das Ende des Wortes) (-e in [ich]
sing-e; -e- [Plural] und –n [Dativ] in [den] Schaf-e-n)
• Additives Flexiv: Anfügung eines unselbstständigen Elements an den Anfang an den
Anfang und das Ende eines Wortstammes (Zirkumfix; bilden ein gemeinsames Affix) –
(ge- und –t in ge-sag-t)
• Modifikatorisches Flexiv: Veränderungen des Stammes (innere Abwandlung – wird
oft mit additiven Flexiven kombiniert!)
o Ablaut (bei Verben): singe – sang – gesungen
o Umlaut (bei Substantiven, Verben): Mutter – Mütter; kam – käme
• Inhaltliches Flexiv: keine Änderungen im Erscheinungsbild des Wortes, aber dennoch
Bedeutungsunterschied, z. B. Singular – Plural (dass Flexion vorliegt, erkennt man bei
Substantiven oft am Artikel: das Muster – die Muster)
• Selbstständiges Flexiv: eigenständiges Wort, dass nur grammatische Informationen
transportiert (zu bei um zu antworten)

Aufgaben

1) Bilde je drei Beispiele für jede Art von Flexiv.

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Konjugation

Definition

Konjugation: Flexion des Verbs hinsichtlich Person, Numerus, Genus verbi, Modus und Tempus. Die
Flexive lassen sich nicht trennen, d. h. ein Flexiv steht meist für alle fünf grammatischen Kategorien.
Verben, die nach diesen fünf Kategorisierungen flektiert wurden, nennt man finit. In einigen Fällen
(Passiv, best. Tempora, Modus) werden dafür auch Hilfsverben verwendet.
Infinite Verbformen sind solche, die im Infinitiv oder Partizip stehen.

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Gruppe 3: Tempus II – periphrastische Tempora 1 (Perfekt,


Plusquamperfekt)
Verben können durch ihre Tempusformen verschiedene Zeitstufen ausdrücken. Dies ist ein
ganz wesentliches Kriterium von Verben. Manchmal nennt man sie deshalb auch Zeitwörter.
Die grammatischen Tempusformen drücken das Verhältnis dessen, worüber wir sprechen,
zum Zeitpunkt des Sprechens aus, ob wir also über etwas Vergangenes sprechen, etwas
Gegenwärtiges oder etwas Zukünftiges.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Tempus und Zeit?

Der Begriff „Tempus“ bezeichnet die grammatischen Formen des Verbs, die Begriffe „Zeit“ und
„Zeitstufen“ meinen die Konzepte Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit. Meist deckt sich die
Tempusform mit der Zeitstufe; Tempusform Präsens bezeichnet also Gegenwart, Tempusform
Perfekt Vergangenheit usw. Aber dies muss nicht so sein. Die Tempusformen des Verbs sind
nämlich nicht alleine ausschlaggebend für die ausgedrückte Zeitstufe. Es gibt also auch andere
Möglichkeiten, bei denen der situative Kontext die Tempusform modifiziert.

Nur die Formen im Präsens und Präteritum sind einfache Tempusformen (auch: synthetische
Tempusformen), alle anderen Tempusformen sind zusammengesetzte Tempusformen (auch:
periphrastische bzw. analytische Tempora), d. h. sie werden mit Hilfsverben gebildet. Das
Perfekt wird mit einem präsentischen Finitum von haben oder sein gebildet, das
Plusquamperfekt mit einem präteritalen Finitum:

Perfekt: Sie hat gelacht. – Plusquamperfekt: Sie hatte gelacht.

Perfekt
Das Perfekt dient als Vorzeitigkeitstempus im Verhältnis zum Präsens und bezeichnet oftmals
ein von der Gegenwart aus gesehen abgeschlossenes Geschehen und ist somit in der
Vergangenheit positioniert. Dies kann eine weit zurückliegende, aber auch eine zeitnahe
Vergangenheit sein. Ein Gegenwartsbezug kann aber insofern erhalten bleiben, als das
Geschehen aufgrund seiner Folgen zum Zeitpunkt des Sprechens (noch) von Belang ist.
Das Perfekt kann ferner auch als Vorzeitigkeitstempus zum (historischen) Präsens dienen.
Schließlich dient das Perfekt im heutigen mündlichen Sprachgebrauch immer mehr als Ersatz
für das Präteritum zur Bezeichnung vergangener, abgeschlossener Sachverhalte
(Präteritumschwund).
Es wird gebildet durch das Präsens des Hilfsverbs haben oder sein und dem Partizip II.
Transitive Verben (= Verben, die ein Akkusativobjekt fordern und i.d.R. ein Passiv bilden
können) bilden ihr Perfekt in der Regel mit haben:

a) Er hat das Buch übersetzt. Er hat den Fisch gegessen.


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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13
Intransitive Verben (= Verben, die kein Akkusativobjekt fordern) bilden ihr Perfekt mit haben
oder sein:

b) Die Blume hat geblüht. – Die Blume ist erblüht. – Die Blume
ist verblüht. Er ist eingeschlafen. Er hat geschlafen.

Das Perfekt kann aber auch zukünftiges Geschehen ausdrücken, das man sich unter einem
bestimmten Zeitpunkt als abgeschlossen vorstellt. Diese Verwendungsweise ist jedoch
gebunden an ein obligatorisches Auftreten einer zusätzlichen Adverbialbestimmung
(morgen, bald, bis nächste Woche)

c) Bis zum nächsten Jahr hat er seine Promotion abgeschlossen.


Bis Sonntag hat er das Buch gelesen. Bald hat sie es geschafft.
Sobald ich den Schlüssel gefunden habe, rufe ich dich an.

Plusquamperfekt
Das Plusquamperfekt stellt ein Geschehen als vorzeitig (abgeschlossen) dar mit Bezug auf
eine bestimmte Zeit in der Vergangenheit. In diesem Sinne lässt es sich als typisches
Tempus der Vorvergangenheit bezeichnen. Es erscheint dementsprechend vor allem in
der Umgebung des Präteritums (a) oder im Zusammenhang mit dem Perfekt (b).
Es wird gebildet durch die Präteritumformen von haben oder sein und Partizip II.

a) In diesen aufgeregten Tagen [1961] bat mich Willy


Brandt ins Schöneberger Rathaus, um mit mir das ro-ro-
ro-Bändchen „Die Alternative“ zu besprechen. Er hatte
sich kritische Anmerkungen dazu gemacht.

b) Bei Pruntrut […] ist am Freitag ein 18-jähriger


Automobilist aus Courgenay ums Leben gekommen. Er
war zu schnell gefahren und gegen einen Baum geprallt.

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13
Aufgaben

1) Erläutert in eigenen Worten den Unterschied zwischen Tempus und Zeit.


2) Was versteht man unter dem sog. „Präteritumschwund“?
3) Findet je zwei Beispielsätze für die Verwendungsweisen des Perfekts und des
Plusquamperfekts.
4) Versucht, die Zeitverhältnisse auf einem Zeitstrahl zu veranschaulichen.
5) anspruchsvolle (freiwillige) Zusatzaufgabe: Lassen sich bei den Perfektformen mit
intransitiven Verben (s. Beispiele) Unterschiede der Verbbedeutung ausmachen, die
die Perfektbildung mit sein und haben begründen könnten?
6) Es gibt auch Zeitformen, die „doppeltes Perfekt“ bzw. „doppeltes Plusquamperfekt“
genannt werden. Was könnte damit gemeint sein?
7) Bereitet Eure Themen so auf, dass Ihr sie verständlich als Experte einer anderen
Gruppe und dem Plenum vorstellen könnt (inkl. anschauliche Beispiele etc.).

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13

Flexion

Definitionen

„Flexion ist die Veränderung von Wörtern nach bestimmten grammatischen Kategorien; sie umfasst
(im Deutschen) Konjugation, Deklination und Komparation. Konjugation ist die Veränderung nach
Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus Verbi und tritt nur beim Verb auf. Deklination ist die
Veränderung nach Genus, Numerus und Kasus und tritt bei Substantiv, Adjektiv, Artikel und
Pronomen auf. Komparation ist die Steigerung und tritt bei (manchen) Adjektiven und einigen
wenigen Adverbien auf.“
(Duden [2009]: Fit für das Bachelorstudium. Grundwissen Grammatik. Mannheim u.a.: Dudenverl., 12.)

Flexion: „Markierung grammatischer Kategorien mithilfe unterschiedlicher Formen; führt nicht zur
Bedeutungsänderung des betroffenen Wortes“
(Duden-Grammatik [2007]: Glossar.)

Flexion: „Markierung veränderlicher grammatischer Informationen an nominalen und verbalen


Elementen ( Deklination und Konjugation).
Abgrenzung zur Wortbildung:

• Veränderung der lexikalischen Bedeutung [= Wortbedeutung] des Ausgangswortes durch


Wortbildungsprozesse
• Flexion tritt zusätzlich zur Wortbildung hinzu“

(aus: Markus Hundt: Vorlesung Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft. Sommersemester 2012.)

Flexion: „Prozess, bei dem aus abstrakten, lexikalischen Wörtern konkrete, syntaktische Wörter
entstehen, welche sich aufeinander und auf außersprachliche Sachverhalte beziehen.“
(Albert Busch/Oliver Stenschke [2008]: Germanistische Linguistik. Eine Einführung. 2., durchges. und korr. Aufl. Tübingen:
Narr, 111.)

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13

Möglichkeiten der Flexion:


• Additives Flexiv: Anfügung eines unselbstständigen Elements oder mehrerer
unselbstständiger Elemente an den Wortstamm (das Ende des Wortes) (-e in [ich]
sing-e; -e- [Plural] und –n [Dativ] in [den] Schaf-e-n)
• Additives Flexiv: Anfügung eines unselbstständigen Elements an den Anfang an den
Anfang und das Ende eines Wortstammes (Zirkumfix; bilden ein gemeinsames Affix) –
(ge- und –t in ge-sag-t)
• Modifikatorisches Flexiv: Veränderungen des Stammes (innere Abwandlung – wird
oft mit additiven Flexiven kombiniert!)
o Ablaut (bei Verben): singe – sang – gesungen
o Umlaut (bei Substantiven, Verben): Mutter – Mütter; kam – käme
• Inhaltliches Flexiv: keine Änderungen im Erscheinungsbild des Wortes, aber dennoch
Bedeutungsunterschied, z. B. Singular – Plural (dass Flexion vorliegt, erkennt man bei
Substantiven oft am Artikel: das Muster – die Muster)
• Selbstständiges Flexiv: eigenständiges Wort, dass nur grammatische Informationen
transportiert (zu bei um zu antworten)

Aufgaben

1) Bilde je drei Beispiele für jede Art von Flexiv. Ihr könnt Eure mitgebrachten Medien
dabei benutzen.

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13

Konjugation

Definition

Konjugation: Flexion des Verbs hinsichtlich Person, Numerus, Genus verbi, Modus und Tempus. Die
Flexive lassen sich nicht trennen, d. h. ein Flexiv steht meist für alle fünf grammatischen Kategorien.
Verben, die nach diesen fünf Kategorisierungen flektiert wurden, nennt man finit. In einigen Fällen
(Passiv, best. Tempora, Modus) werden dafür auch Hilfsverben verwendet.
Infinite Verbformen sind solche, die im Infinitiv oder Partizip stehen.

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13

Gruppe 4: Tempus III – periphrastische Tempora 2 (Futur I und II)


Verben können durch ihre Tempusformen verschiedene Zeitstufen ausdrücken. Dies ist ein
ganz wesentliches Kriterium von Verben. Manchmal nennt man sie deshalb auch Zeitwörter.
Die grammatischen Tempusformen drücken das Verhältnis dessen, worüber wir sprechen,
zum Zeitpunkt des Sprechens aus, ob wir also über etwas Vergangenes sprechen, etwas
Gegenwärtiges oder etwas Zukünftiges.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Tempus und Zeit?

Der Begriff „Tempus“ bezeichnet die grammatischen Formen des Verbs, die Begriffe „Zeit“ und
„Zeitstufen“ meinen die Konzepte Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit. Meist deckt sich die
Tempusform mit der Zeitstufe; Tempusform Präsens bezeichnet also Gegenwart, Tempusform
Perfekt Vergangenheit usw. Aber dies muss nicht so sein. Die Tempusformen des Verbs sind
nämlich nicht alleine ausschlaggebend für die ausgedrückte Zeitstufe. Es gibt also auch andere
Möglichkeiten, bei denen der situative Kontext die Tempusform modifiziert.

Nur die Formen im Präsens und Präteritum sind einfache Tempusformen (auch: synthetische
Tempusformen), alle anderen Tempusformen sind zusammengesetzte Tempusformen (auch:
periphrastische bzw. analytische Tempora), d. h. sie werden mit Hilfsverben gebildet. Das
Perfekt wird mit einem präsentischen Finitum von haben oder sein gebildet, das
Plusquamperfekt mit einem präteritalen Finitum:

Perfekt: Sie hat gelacht. – Plusquamperfekt: Sie hatte gelacht.

Futur I
Das Futur I wird mit einer Präsensform des Hilfsverbs werden und dem Infinitiv eines
anderen Verbs gebildet. Das Futur kann in verschiedenen Kontexten gebraucht werden:

1. Zukunftbezug – das Futur als Tempusform

In der überwiegenden Mehrheit der Fälle bezieht sich das Futur I auf Zukünftiges. Die
gemeinte Geschehenszeit lässt sich durch eine Temporaladverbiale genauer situieren.

a) In den Ballungzentren wird es zu einer tief greifenden


Einschränkung des Individualverkehrs kommen. Die Menschen
werden die Steuererhöhung nicht akzeptieren. Der Tunnel wird in
wenigen Monaten fertig sein.

In Fällen wie (a) wird man die zukunftsbezogene Aussage als eine Voraussage des Sprechers
auffassen. Bei einem Subjekt in der 1. oder 2. Person kann die Äußerung jeweils als
Absichtserklärung (Versprechen, Drohung) oder als Aufforderung (Befehl) gemeint sein (b).

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13
b) Ich werde dich niemals verlassen. Wir werden die Steuern
senken. Du wirst jetzt ins Bette gehen!

2. Gegenwartsbezug – modales Futur

Mit dem Futur I kann sich der Sprecher auch auf Gegenwärtiges beziehen. Er lässt sich dabei
von der Erwartung leiten, dass seine Aussage/Einschätzung (Vermutung) als wahr bestätigt
wird.

c) Er wird wohl gerade in der Mensa essen. Aber ein Kännchen


Milch für ein Kind werdet ihr doch haben, Großvater (B. Brecht).
Die Begründung unserer Ablehnung wird Ihnen bekannt sein. Das
wird schon stimmen.

Futur II
Das Futur II ist eine dreiteilige Tempusform und wird mit einer Präsensform des Hilfsverbs
werden, einem Partizip II eines Vollverbs und einer Infinitivform von haben oder sein
gebildet. Es dient als Vorzeitigkeitstempus zum einfachen Futur (I), d. h. es wird gebraucht,
um ein in der Zukunft abgeschlossenes Geschehen auszudrücken, das vorzeitig zum Futur I
stattfindet.

a) Er wird morgen angekommen sein. Wenn wir uns treffen


werden, wird die entscheidende Sitzung schon stattgefunden
haben.

Außerdem kann durch das Futur II auch – wie beim Futur I – eine Vermutung ausgedrückt
werden. Allerdings wird mit der Verwendung des Futur II vom Sprecher zum Ausdruck
gebracht, dass die von ihm vermutete Handlung bereits als abgeschlossen angenommen
wird.

b) Viel Freude wird Professor Bach an seinem Volontärassistenten


Musil nicht gehabt haben […]. (K. Corino). Sie werden wohl schon
gegessen haben.

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Grammatisches Propädeutikum WS 2012/13
Aufgaben

1) Erläutert in eigenen Worten den Unterschied zwischen Tempus und Zeit.


2) Was versteht man unter „analytischen Verbformen“?
3) Findet je zwei Beispielsätze für die Verwendungsweisen des Futur I und Futur II.
4) Veranschaulicht die Zeitverhältnisse auf einem Zeitstrahl.
5) Was versteht man unter dem „modalen Gebrauch“ des Futur? Was könnte also
„modal“ bedeuten?
6) Bereitet Eure Themen so auf, dass Ihr sie verständlich als Experte einer anderen
Gruppe und dem Plenum vorstellen könnt (inkl. anschauliche Beispiele etc.).

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