Sie sind auf Seite 1von 4

Teil I Lernen

----e, 4 Besonderheiten des Lernens

sich bereits die vorsprachlichen nwnerischen angelegten Marburger Hochbegabtenstu- Definition: Hochbegabung
Kompetenzen nicht angemessen haben ausprä- die fanden sich z. B. deutlich mehr Mäd-
Obgleich in den theoretischen Konzeptionen die Hochbegabung häufig als Schnitt-
gen und entwickeln können, die aber nötig chen als Jungen unter den Hochleisten-
sind, um ... überhaupt zu verstehen, wie und menge unterschiedlicher Kompetenzbereiche konzipiert wird (z. B. Renzulli, 2000),
den, aber deutlich mehr Jungen als
wozu Zahlwone, arabische Zahlen und arith- dominiert in der wissenschaftlichen Forschung und in der diagnostischen Praxis bis
Mädchen unter den Hochbegabten (vgl.
metische Konzepte gebraucht wetden. Kinder heute die IQ-Definition bzw. die quantitative Definition von Hochbegabung über
Rost, 2000). Offenkundig führt Hoch-
mit dem »sprachlichen« Subtyp machen häufig den Intelligenztestwert (vgl. Rost, 2001b). Danach spricht man von Hochbegabung,
Fehler beim Abzählen (zum Beispiel infolge begabung nicht zwangsläufig zu hervor- wenn die allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit mindestens zwei Standard-
Sprachentwicklungs- oder Aufmerksamkeits- ragenden Lernleistungen; sie scheint nicht
abweichungen über dem Mittelwert der Referenzpopulation liegt. Diesen Wett er-
störungen) und demzufolge sind auch die Zähl- einmal notwendige Voraussetzung für he-
reichen nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung. In der gebräuchlichen Metrik des
strategien beim Addieren und Subtrahieren feh- rausragenden Lernerfolg zu sein. Was aber
Intelligenzquotienten (M=100; SD=15) ist also ein IQ-Wert von mindestens 130 er-
leranfällig. Dies wiederum erschwen den ist Hochbegabung? Lernen die Hoch-
forderlich (vgl. Abb. 4.4).
Aufbau von Abrufsttategien und das Anlegen begabten einfach nur besser oder auch an-
von arithmetischem Faktenwissen. Die Kinder ders als durchschnittlich Begabte? Um
verharren in unreifen, langsamen Zählstrate-
dies zu beantworten, gehen wir im Fol-
gien und fallen schulisch zurück. Kindern mit " Sonderbega bungen bzw. " besondere
genden zunächst der Frage nach, was man bung möglichst eindeutig zu fassen, hat «
dem »arabischen« Subryp schließlich fällt das Talente« versehen.
unter Hochbegabung versteht, skizzieren man sich seither um eine engere Definiti-
Erlernen des arabischen Notationssystems und
dann die kognitiven, die motivationalen on von Hochbegabung bemüht. Nicht Selbst wenn man Alternativen zur IQ-De-
der entsprechenden Transkudierungsregeln be-
sonders schwer. (von Aster, 2003, S. 173f) und die volitionalen Lernvoraussetzungen zuletzt aufgrund der langen Tradition der finition der Hochbegabung unberücksich-
Hochbegabter und gehen schließlich auf Intelligenztests und weil die Intelligenz- tigt lässt, ist es nicht leicht, sich ein ver-
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich das lässliches Bild von den Besonderheiten
Hochbegabte ein, die die in sie gesetzten testleistungen zu den besten Prädiktoren
durch von Aster zur Diskussion gestellte
Leistungserwartungen nicht erfüllen für ganz unterschiedliche kulturelle leis- Hochbegabter zu machen. Dies hat vor
Subklassifikationssystem im Vergleich mit allem zwei Gründe. Zum einen existiert
("Underachiever«) bzw. bei denen trotz tungen zählen, spricht man heute in der
dem Modell von Geary (2004) bewähren eine Vielzahl unterschiedlicher Intelli-
(vermeintlicher) Hochbegabung sogar Regel von Hochbegabung nur noch bei
wird.
Teilleistungsstörungen auftreten. ausgeprägten allgemeinen intellektuellen genztests und es ist keineswegs aus-
Fähigkeiten. Die übrigen im Report von gemacht, dass ein mit einem Test diag-
Marland (1971) aufgeführten Kompeten- nostizierter IQ-Wert von 130 in einem
4.3 Lernbesonderheiten Was ist Hochbegabung? anderen Test durch einen entsprechend
zen werden dagegen mit der Bezeichnung
Hochbegabter Anfang der 1970er-Jahre veröffentlichte
die amerikanische Regierung einen Be-
Das Ausmaß an individuellen Unterschie- richt über die Bildungsmöglichkeiten und
den, denen Lehrerinnen und Lehrer in ih- Förderinitiativen für Hochbegabte, der
rem Schulalltag begegnen, ist nicht nur unter der Federführung des damaligen
durch Lernschwächen und Teilleistungs- Bildungsbeauftragten Sidney MarIand
störungen charakterisiert. Auffällige Ab- entstanden war. Hochbegabung wurde in .~
weichungen vom erwartbaren Lern- und diesem Bericht als herausragendes Verhal- ~QI

C'I
Leistungsvermögen gibt es auch in der tenspotenzial in einem oder mehreren der ;;:::
::l
anderen Richtung. Wenn besonders gute folgenden Bereiche definiert: ,~
J:
Leistungen einzelner Personen konsistent
• allgemeine intellektuelle Fähigkeit,
und stabil auftreten, vermuten wir, dass
• spezifische schulische Leistungen,
es sich um einen hochbegabten Lernen-
• kreatives oder produktives Denken,
den bzw. eine hochbegabte Lernende
• Führungsqualität,
handelt.
• bildnerische und darstellende Künste,
Nicht immer trifft diese Vermutung zu. So 40 55 70 85 100 115 130 145 160
• psychomotorische Fähigkeiten.
führt z. B. die begabungsdiagnostische
Auswahl von Hochbegabten nur teilweise Das dadurch aufgespannte Spektrum der Intelligenzquotient
zur Identifikation der SchüleriJmen und Hochbegabung ist sehr breit. Unter der
Schüler mit ho her Leistung. In der breit ielsetzung, das Phänomen Hochbega- Abb. 4.4: Intelligenzverteilung
Teil I Lernen 4 Besonderheiten des Lernens

hohen IQ-Wert bestätigt wird. Zum ande- • aufgabenorientiette (intrinsische) Leisrungs- Denkleisrungen in der Lage sind. So inte- die in der reichhaltigeren und differen-
motivation. ressierte man sich mehr für die Frage, wie zierter organisierten Wissensbasis sowie
ren ist die Prävalenz der Hochbegabung
definitionsgemäß sehr gering (nur zwei (Heller & Hany, 1996, S. 482) glücklich, erfolgreich oder sozial-inte- in der vermehrten Nutzung komplexer
Prozent der Bevölkerung), so dass in der griert Hochbegabte sind. Um zu beschrei- kognitiver Strategien bestehen.
Hochbegabungsforschung häufig auch Es (ist) bislang noch nicht gelungen (... ), quali- ben, worin die kognitiven Vorteile hoch- Untersuchungen zum spontanen Ge-
weniger strenge Kriterien für die Auswahl tative Unterschiede (Denkstrukturen) zwischen begabter Lernender bestehen, verwies brauch von Gedächtnisstrategien können
von Personen für eine Studie akzeptiert Hochbegabten und durchschnittlich Begabten man lange Zeit auf die Befunde der be- die Annahme vom Strategievorteil Hoch-
werden (z. B. IQ > 120). Durch ein sol- ausfindig zu machen, ... (Rost, 2001b, S. 239) rühmten Terman-Studie, in der die Eltern begabter nur teilweise bestätigen. Bor-
ches Vorgehen werden aber möglicher- hochbegabter Kinder über deren Entwick- kowski und Peck (1986) untersuchten
weise subtile Unterschiede zwischen über- Bei aller Uneinheitlichkeit der Vorgehens- lungsbesonderheiten berichtet harten. z. B. die Nutzung von Strukturierungs-
durchschnittlich »gut begabten« und weise und trotz der divergierenden Be- Eine der wenigen Übersichtsarbeiten zu strategien bei einfachen Behaltensanfor-
tatsächlich »hochbegabten« Lerner(in- fundeinschätzungen zu möglichen Be- den kognitiven Besonderheiten Hoch- derungen und verglichen sieben- bis acht-
ne)n verdeckt. sonderheiten Hochbegabter wird im begabter stammt von Rogers (1986). In jährige Hochbegabte mit durchschnittlich
Folgenden der Versuch unternommen, dieser Arbeit wurden vor allem Ver- Begabten, ohne einen bedeutsamen Unter-
Dementsprechend unterschiedlich fallen
die Einschätzungen führender Fachkolle- die individuellen kognitiven, motivatio- gleichsstudien zwischen Hochbegabten schied zu finden. Kurtz und Weinert
gen bezüglich der lernrelevanten Beson- nalen und volitionalen Lernvoraussetzun- und durchschnittlich Begabten zu kogni- (1989) untersuchten sehr ähnliche Strate-
derheiten Hochbegabter aus, wie die fol- gen von Lernenden mit einem IQ von tiven Stilen (vgl. Kap. 2.3), zur allgemei- gien bei zehn- bis zwölf jährigen Kindern
mindestens 130 näher zu beschreiben. nen kognitiven Entwicklung und zur und fanden in diesem Alter einen bedeut-
genden Zitate belegen:
Nutzung kognitiver Strategien ausgewer- samen Vorteil der Hochbegabten. Das auf
Hochbegabte unterscheiden sich von durch- tet. In allen Bereichen fanden sich bedeut- den ersten Blick inkonsistente Befund-
schnittlich Begabten insbesondere in bezug auf
Kognitive Lernvoraussetzungen
same Vorteile der Hochbegabten. Rogers muster wird durch die Ergebnisse einer
Hochbegabter
(1986) gelangt aufgrund dieser Befunde weiteren Studie von Muir, Masterson,
• effizientere Informationsverarbeirungs- und Erstaunlicherweise findet man in der ein- zu der Schlussfolgerung, dass die kogniti- Wiener, Lyon & White (1989) bestätigt.
Gedäch tn isstrategien, ven Lernvoraussetzungen Hochbegabter Diese Autoren verglichen nämlich neun-
• internale Kontroll- bzw. Selbstwirksam-
schlägigen Literatur kaum systematische
Forschung zu den kognitiven Funktionen in jeder Hinsicht besser sind, dass jedoch und zwölfjährige Hochbegabte mit gleich-
keitsüberzeugungen,
• realistische Einschätzungen des Begabungs- von Hochbegabten. Wegen der IQ-Defini- keine qualitativen Unterschiede zu den altrigen durchschnittlich begabten Kin-
seibstkonzeptes, tion der Hochbegabung schien es trivial, Normalbegabten bestehen. dern und fanden dabei, dass mit neun jah-
• kognitive Neugier und Erkennmisstreben, dass Hochbegabte generell zu besseren Diese Schlussfolgerung ist nicht unprob- ren kein Vorteil der Hochbegabten in der
lematisch: Quantitative Unterschiede hin- Nutzung von Strategien auftrat, wohl
sichtlich der kognitiven Lernvorausset- aber mit zwölf jahren. Aber bereits bei
Analyse: Die Hochbegabtensrudie von Tennan zungen können sehr wohl auch die Folge Dreizehnjährigen konnte der Strategienut-
Die erste breit angelegte Längsschnittstudie wurde 1921 von Lewis Terman an der qualitativer Unterschiede sein. Es gibt zungsvorteil nicht mehr festgestellt wer-
Stanford-Universität initiiert. Mit einem ausgeklügelten Verfahren identifizierte Ter- hierfür aber keine Belege. In allen drei den (vgl. Harnishfeger & Bjorklund,
man ca. 1.500 kalifomische Schülerinnen und Schüler, die zwischen 1903 und 1917 der in Kapitel 2 skizzierten Bereiche 1990). In ihrer Gesamtheit passen diese
geboren waren und einen IQ von 135 oder mehr aufwiesen. Die Eltern dieser Kin- kognitiver Voraussetzungen erfolgreichen Befunde gut zu der Annahme, dass Hoch-
der berichteten eine Reihe besonderer Auffälligkeiten: Die hochbegabten Kinder be- Lernens findet man Funktionsvorteile begabung nicht zu einem prinzipiellen
gannen durchschnittlich dreieinhalb Monate früher mit dem Sprechen, als es der Hochbegabter. So berichten z. B. Gevins Vorteil bei der Strategienutzung führt,
Norm entsprach, sie fielen früh durch eine schnelle Auffassungsgabe, eine unstill- und Smith (2000) bei hohen IQ-Werten sondern lediglich zu einer beschleunigten
bare Neugier und ein exzellentes Gedächtnis auf. von vermehrten neurophysiologisch er- Strategieentwicklung. Die in den berichte-
Das von Terman (1925) skizzierte Bild der kognitiven Lernvoraussetzungen hoch- fassbaren Aktivitäten in den zentral-ner- ten Studien betrachteten Strategien erfah-
begabter Schüler lässt diese als "Traumschüler« eines jeden Lehrers erscheinen. Sie vösen Systemen, die das Arbeitsgedächt- ren im normalen Entwicklungsverlauf
nis und die Aufmerksamkeitskontrolle zwischen zehn und zwölf jahren einen
scheinen mit sehr wenig Hilfe durch Erwachsene zu lernen. Sie lernen schnell und
unterstützen. Auch Butterfield und Feretti wichtigen Entwicklungsschub durch die
häufig mit einem hohen Ausmaß an Ausdauer und Konzentration; sie erleben inten-
sives und konzentriertes Lernen als sehr lustvoll, sind sich ihrer eigenen Lernstrate- (1987) zählen die höhere Effizienz des Ar- erwachende Fähigkeit zur abstrakten
beitsgedächtnisses zu den kognitiven Vor- Selbstreflexion und die mit dieser Fä-
gien in ungewöhnlichem Ausmaße bewusst und gehen einem Problem so lange
nach, bis sie eine zufrieden stellende Antwort gefunden haben. teilen bei Personen mit sehr hohem IQ. higkeit einhergehende metakognitive
~ usätzlich führen sie weitere Vorteile an. Kontrolle und Regulation strategischen
Teil I Lernen e~----- ------~e 4 Besonderheiten des Lernens

Verhaltens. Offensichtlich haben Hoch- mit positiven Selbstkonzepten, einer ho- Hochbegabte »Underachiever« 1998). Auch aus den Beschreibungen von
begabte in diesem Zeitfenster einen spezi- hen intrinsischen Lernmotivation sowie Eltern und Lehrern bezüglich des Sozial-
fischen Vorteil, der eher mit der metakog- mit positiven Artribuierungen für Erfolg Nicht immer ist das schulische Lernen verhaltens geht hervor, dass. es sich bei
nitiven Regulation als mit der Nutzung und Misserfolg einhergeht. Allerdings Hochbegabter erfolgreich. Lernende, die Hochbegabten mit Minderleistung in
der Strategien an sich zu tun hat. scheinen Hochbegabte auch schlechter trotz sehr hoher Intelligenz nur besten- dieser Hinsicht um "Problemfälle han-«

In einer Übersichtsarbeit von Alexander, mit Misserfolgserlebnissen fertig zu wer- falls durchschnirtliche Schulleistungen er- delt.
Carr und Schwanenflugel (1995) finden den. bringen, werden als "Underachiever« be- Als besondere Risikofaktoren, die dazu
sich weitere Hinweise auf metakognitive Ein differenzierter Überblick über die zeichnet. Schätzungen darüber, wie oft führen können, dass hochbegabte Kinder
Vorteile Hochbegabter. Allerdings schei- lern- und leistungsmotivationalen Beson- solche Minderleistungen bei intellektuell nur unterdurchschnittliche Schulleistun-
nen diese eher im Bereich des Wissens derheiten Hochbegabter findet sich bei Hochbegabten auftreten, fallen sehr un- gen erbringen, gelten vor allem familiäre
über Strategien (deklarative Metakogniti- Schütz (2004). Insbesondere hinsichtlich terschiedlich aus. Dies hängt nicht zuletzt Umstände (Butler-Por, 1995). Häufig
on) zu liegen als im Bereich der meta- der schulleistungsbezogenen Kontroll- natürlich davon ab, wie eng man die Kri- scheint es sich demnach bei Under-
kognitiven Kontrolle (abgesehen von der überzeugungen und der leistungsbezoge- terien dafür festlegt, ob eine Diskrepanz achievern um unerwünschte oder zurück-
beschleunigten Entwicklung der entspre- nen Kausalartributionen gibt es demnach zwischen Intelligenztest- und Schulleis- gewiesene Kinder, um Kinder geschie-
chenden Kontrollkompetenzen). Insofern deutliche Vorteile der Hochbegabten. Al- tung schon mit dem Etikett "Minderleis- dener Eltern oder um Kinder aus
spricht vieles dafür, den kognitiven Vor- lerdings fallen die Befunde so spezifisch tung« zu versehen ist. Allerdings scheinen ethnisch-kulturellen Minderheiten zu
teil Hochbegabter vor allem im Bereich und so differenziert aus, dass es nicht ältere Schätzungen, die davon ausgingen, handeln. Die genannten Konstellationen
des Arbeitsgedächtnisses und der Wis- leicht ist, die Vorteile genauer zu charakte- dass bis zu 50 Prozent der Hochbegabten wirken sich offenbar ungünstig auf
sensbasis zu lokalisieren. Eine ähnliche risieren. In der bereits erwähnten Studie Minderleistungen zeigen würden (z. B. Selbstwerteinschätzungen und Selbstkon-
Einschätzung geben auch Robinson und von Kunz und Weinert (1989) führten die Tolor, 1969), nicht haltbar zu sein. In der zepte aus, was zu Vermeidungsverhalten
Clinkenbeard (1998) in ihrer Bestands- Hochbegabten z. B. ihre Lernerfolge stär- Marburger Hochbegabungsstudie identi- bei schulischen Anforderungen und nicht
aufnahme der Ergebnisse der Hochbega- ker auf Begabung und weniger auf An- fizierten Rost und Hanses (1997) 141 selten zu einer allgemein negativen Ein-
bungsforschung: strengung zurück als die durchschnirtlich hochbegabte Kinder, von denen nur stellung gegenüber der Schule führt.
Intelligenten. Dagegen berichtet Chan zwölf Prozent keinen überdurchschnitt- Eine ausführliche Liste der Besonderhei-
Hochbegabte Kinder ... haben gegenüber Mit-
schülern einige Vorteile, besonders hinsichtlich (1996) für 13-jährige Hochbegabte, dass lich guten Notenschnitt in den Fächern ten hochbegabter Underachiever findet
der Quantität, Schnelligkeit und Komplexität sie Erfolge wie Misserfolge eher internal "Deutsch «, "Mathematik« und "Sach- sich bei Fels (1999, S.85f). Sie macht
ihrer Kognitionen. Sie verfügen über ein bes- variabel (also mit Anstrengung und geeig- kunde« aufwiesen. deutlich, dass neben den auffälligen Prob-
seres metakognitives Wissen und können Stra- neter Strategienutzung) erklären. Aber selbst wenn man davon ausgeht, lemen im Bereich der Motivation und des
tegien besser in neuen Kontexten nutzen. Aller- Volitionale Besonderheiten Hochbegabter dass es lediglich bei zehn bis 15 Prozent Selbstkonzepts auch Konzentrationsprob-
dings zeigen sie keine grögere Variationsbreite sind bisher nicht systematisch untersucht der Hochbegabten zu schulischen Min- leme und soziale Unsicherheit (bis hin zu
als andere Schüler in der Nutzung metakogniti- worden. So muss zunächst offen bleiben, derleistungen kommt, stellt sich die Frage einer Neigung zu aggressivem und feind-
ver Strategien und auch bei der Überwachung nach den Ursachen. Einen ersten Hinweis
ob neben den kognitiven auch die volitio- seligem Verhalten) charakteristisch sind.
von Strategien zeigen sich keine offensicht-
nalen Lernvoraussetzungen bei den darauf geben die Selbstbeschreibungen Dass sie nur selten im Unterricht initiativ
lichen Unterschiede. (Robinson & Clinken-
beard, 1998, S. 125) Hochbegabten günstiger ausfallen als bei hochbegabter Underachiever. Sie finden werden und zudem Leistungssituationen
Lernenden mit einem durchschnittlichen sich unglücklich und unzufrieden, unbe- meiden, führt überdies zu einer Fehl-
Intelligenztestwert. Trotz feWender empi- liebt, psychisch instabil und wenig attrak- einschätzung des Leistungspotenzials die-
Motivationale und volitionale
rischer Belege schreibt man allerdings tiv (Hanses & Rost, 1998). Ein ähnliches ser Kinder und zu einer chronischen
Lernvoraussetzungen dem motivational-volitionalen Bereich in Bild zeigen die Ergebnisse objektiver Per- schulischen Unterforderung (vgl. Feger,
Hochbegabter der Hochbegabtenliteratur große Bedeu- sönlichkeitstests: Im Vergleich zu leis- 1988).
tung zu. Denn wenn die Hochbegabten tungsstarken Hochbegabten und auch zu
Weitaus mehr Interesse als die Frage nach erwartungswidrig keine Spitzenleistungen durchschnittlich Begabten mit vergleich- Hochbegabte
der Überlegenheit kognitiver Funktionen oder gar schulische Leistungsprobleme baren durchschnittlichen Schulleistungen
mit Teilleistungsstörungen
bei Hochbegabten haben die motivatio- zeigen, werden nicht selten negative verfügen die hochbegabten Underachie-
nalen Dispositionen gefunden. Robinson Selbstkonzepte und fehlende Willenskon- ver über ein niedrigeres Niveau an Während das Phänomen der schulischen
und Clinkenbeard (1998) fassen die Be- trolle zur Erklärung dieses Phänomens Willenskontrolle, sind impulsiver und Minderleistung trotz intellektueller Hoch-
funde einschlägiger Arbeiten dahinge- angeführt (vgl. Holling & Kanning, leichter erregbar, zugleich aber sozial zu- begabung weitläufig bekannt ist, trifft
.1.~g hpnr1 711~"mmpn r1,,~~ HorhhP.,."hlln.,. 1999\. r;irkh"ltpncl Ilncl ~rhpll (H"n~p~ fV Ro~t . clip~ nicht in I!leicher Weise für das Gebiet
Teil I Lernen 4 Besonderheiten des Lernens

der Teilleistungsschwächen zu. Die im vo- 4.4 lernen im (hohen) Lernmöglichkeiten im Verlauf des Er- herer kortikaler Funktionen (vgl. Bruder.,
rigen Abschnitt beschriebene Lese-Recht- Erwachsenenalter wachsenenalters noch deutlich zuneh- 1994).
schreib-Störung (LRS) ist durchaus auch men. Trotz des vorhandenen Risikos der
unter Hochbegabten zu finden (McGuire Kommen wir von den Hochbegabten zu Neben körperlichen Ausfallerscheinun- Altersdemenz bleibt der Großteil der Be·
& Yewchuk, 1996). Allerdings wird diese den Hochbetagten! Pädagogisch-psycho- gen gehört das Nachlassen der geistigen völkerung auch im hohen Alter von demen-
Form von Teilleistungsstörungen bei logische Abhandlungen zum Lernen be- Leistungsfähigkeit zu den am meisten ge- ziellen Erkrankungen verschont. Derartige
Hochbegabten leicht übersehen. Dies hat schränken sich in der Regel auf schu- fürchteten Altersproblemen. Die Angst Erkrankungen gehören daher nicht zum ty-
vor allem zwei Gründe: Einerseits ist die lisches Lernen bei Kindern, Jugendlichen vor demenziellen Erkrankungen, wie z. B. pischen, normalen Altersbild, sondern sind
Vorstellung weit verbreitet, dass Hoch- und jungen Erwachsenen. In jüngerer der Alzheimerkrankheit als Folge einer pathologisch und daher Gegenstandsbe-
begabung und Teilleistungsstörungen sich Zeit ist auch in der Lemforschung zuneh- pathologischen Hirnschrumpfung, bei reich der Gerontopsychiatrie (vgl. Bruder.,
gegenseitig ausschließen. So liegt der Ge- mend ein Interesse an den Gesetzmäßig- der nach und nach viele Neurone im Ge- 1994). Im Weiteren wird das pathologische
danke fern, ein Kind mit Lese·Recht- keiten des Kompetenz-, Wissens-, und hirn den Kontakt zu ihren Nachbarzellen kognitive Altern weitgehend ausgeklam-
schreib-Problemen für hochbegabt zu hai· Fertigkeitserwerbs bei alten Menschen zu verlieren, ist angesichts der steigenden le- mert, auch wenn der meist schleichende
ten, oder ein hochbegabtes Kind für lese- verzeichnen. Der schnelle Wandel unserer benserwartung nicht völlig unbegründet. Beginn demenzieller Symptome die Ab-
und oder rechtschreibgestört. Anderer- zunehmend wissenschaftlich-technisch Die Auftretenswahrscheinlichkeit demen- grenzung zu den eher wahrscheinlichen
seits verfügen hochbegabte Lernende geformten Welt hat dazu geführt, dass zieller Erkrankungen ist zwar bis zum (normativen) Leistungseinbußen im Alter
zumeist über ein ausgeprägtes Kompensa- Menschen bis ins hohe Alter hinein per- siebten Lebensjahrzehnt äußerst gering, empirisch bisweilen erschwert.
tionspotential (z. B. extrem gute Gedächt- manent umlernen müssen oder auch ler- sie nimmt aber im achten und neunten Beim Studium kognitiver Veränderungen
nisfähigkeiten), so dass sie häufig ihre nen wollen. Das Sprichwort »Was Häns- Lebensjahrzehnt stark zu und bei den im Alter werden oft Altersveränderungen
Teilleistungsstörung lange Zeit verbergen chen nicht lernt, lernt Hans nimmer Über-90-]ährigen leidet bereits jede dritte sensorischer Funktionen vernachlässigt.
können. In solchen Fällen ist das Erstau- mehr" verliert dadurch zunehmend an Person an demenzielIen Ausfallerschei- Möglicherweise werden daher spezifische
nen auf Seiten von Eltern und Lehrern Gültigkeit. Viel treffender wäre es, dieses nungen (vgl. Abb. 4.5). kognitive Leistungsprobleme älterer Men-
groß, wenn sich erst am Ende der Grund- Sprichwort umzuwandeln in: » Was Lies- Störungen des Arbeits- und langzeitge- schen bisweilen fälschlicherweise auf De-
schulzeit erhebliche Rechtschreibprob- chen nicht gelernt hat, muss Lisa immer dächtnisses sind zentrale Charakteristika fizite in übergeordneten kognitiven Funk-
leme offenbaren, die das hochbegabte mehr lernen«. der Demenz. Hinzu kommen Beeinträch- tionen zurückgeführt. Man muss sich
Kind durch das » Auswendiglernen " von Lässt sich diesem Wandel entnehmen, tigungen des abstrakten Denkens, des Ur- jedoch vor Augen halten, dass die Sinnes-
Diktatvorlagen oder Rechtschreibproben dass auch die individuellen Möglichkei- teilsvermögens und andere Störungen hö- systeme mit zunehmendem Alter immer
jahrelang erfolgreich kaschiert hat. Teil· ten, Neues zu lernen, im Erwachsenenal-
leistungsstörungen bei Hochbegabten ter so wie in der Kindheit bestehen blei-
:l3W 40
c: 15
'E 25
5
sind allerdings keineswegs die Regel, son- ben? Dagegen steht die Auffassung, dass ~~.J<
4i

"0 ~
1::
~ 30
20
•• 10
dern im Gegenteil ein sehr seltenes Ereig- sich das Gedächtnis im Alter verschlech- 0
~ 35
nIS. tert und dass das Denken langsamer
wird, so dass Lernen immer weniger er-
Ein Resümee folgreich verläuft. Im vorliegenden Ab·
schnitt skizzieren wir die Ergebnisse der
Obwohl Hochbegabte oft zu erstaunli- alterspsychologischen Forschung zu den
chen kognitiven Leistungen in der Lage individuellen Lernvoraussetzungen. Da-
sind, gibt es keinen Hinweis darauf, dass bei wird deutlich werden, dass sich die
sie prinzipiell anders lernen als andere Per- Altersveränderungen in den unterschied·
sonen. Allerdings können sie oft sehr viel lichen Bereichen individueller Lern-
schneller und effizienter lernen, weil sie in voraussetzungen sehr unterschiedlich.
nahezu allen Bereichen der individuellen darstellen. Auch wenn im Folgenden
Voraussetzungen erfolgreichen Lernens eher ein allgemeines Bild der Besonder-
75 - 79 80 ·84 85 - 89 90 und älter
im Vorteil sind. Trotzdem kann es auch heiten der Lernvoraussetzungen bei alten
Altersgruppe
bei den Hochbegabten zu ernsthaften Pro- Menschen gezeichnet wird, darf nicht
blemen im Lernverlauf kommen (Under- außer Acht gelassen werden, dass die in- Abb. 4.5: Häufigkeit (mittelschwerer und schwerer) demenzieiler Erkrankungen alter
~rhipvpnlPnt TpllJpi<::t"nol;;l;;tnrllnopn\ tPrinr1ivic1l1pilpn I rntpr~chipclt' in den Uoncrhon in nCI ttcrhl~nn {n.2rh Rirlrcl ,nOn\

Das könnte Ihnen auch gefallen