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11 Adjektiv Und Adjektivgruppe PDF
11 Adjektiv Und Adjektivgruppe PDF
(i) Semantisch sind sie ’Eigenschaftswörter’, d.h. sie beschreiben oder evaluieren Dinge und
Handlungen nach deren Eigenschaften, vgl. Abschnitt 2.
(ii) Funktional können sie als Attribute [ATT], als Prädikativa [PS/PO] und als Adverbialia der
Art&Weise [A] fungieren, vgl. Abschnitt 3.
(iii) Lexikalisch können sie Adjektivgruppen bilden, in denen sie dann als Kern fungieren, vgl.
Abschnitt 4.
(iv) Morphologisch sind sie komparierbar und deklinierbar, vgl. Abschnitt 5.
Während Substantive in kognitiver Hinsicht zeitstabile Dinge und Verben zeitlich flüchtige
Handlungen und Vorgänge (also Prozesse) versprachlichen, werden durch die Adjektive
Eigenschaften versprachlicht. Eigenschaften sind relativ statisch und befinden sich auf der
Zeitstabilitätsskala zwischen den zeitstabilen Dingen und den flüchtigen Prozessen. Eigenschaften
können sowohl Dingen wie Prozessen zugeschrieben werden, allerdings mit drei unterschiedlichen
syntaktischen Konsequenzen:
Wenn durch ein Adjektiv die Eigenschaft eines Dinges (z.B. eines Studenten) beschrieben bzw.
evaluiert werden soll, wird das syntaktisch realisiert durch die Funktionen in (1) und (2):
(1) als Gruppenglied, wobei das Adjektiv als Attribut fungiert in einer Substantivgruppe mit dem
Ding als Kern (der fleibige Student);
(2) als Satzglied mit dem Adjektiv als Prädikativ zu dem als Subjekt bzw. Objekt fungierenden
Ding (Der Student ist fleibig bzw. Wir finden den Studenten fleibig);
wenn aber durch ein Adjektiv ein Prozess (z.B. arbeiten) näher charakterisiert werden soll, fungiert
das Adjektiv
(3) als Satzglied, und zwar dann als Adverbial der Art&Weise (Der Student arbeitet fleißig).
Diese drei syntaktischen Funktionsmöglichkeiten des Adjektivs als Attribut, Prädikativ oder
Adverbial sind davon abhängig, ob das Adjektiv das syntaktische Potential hat, nur ein Ding, nur
eine Handlung oder beides zu charakterisieren.
Evaluierer: Mit einem evaluierenden Adjektiv schreibt der Sprecher einem Ding oder einem Prozess
eine evaluierende Eigenschaft zu. Die Evaluierung kann emotional, beurteilend oder bewertend sein,
und sie versprachlicht somit die Einstellung (also die subjektive Haltung) des Sprechers zu den
Dingen bzw. Handlungen, über die er sich äuβert: der fleiβige Student, der Student ist fleiβig, der
Student arbeitet fleiβig; der gefährliche Hund, der Hund ist gefährlich, der Hund knurrte
gefährlich. Die Evaluierung kann positiv (fleißig) oder negativ (gefährlich) sein.
Beschreiber: Wie die evaluierenden drücken auch die beschreibenden Adjektive1 die Eigenschaften
eines Dinges oder einer Handlung aus, aber ohne dass die Einstellung des Sprechers dabei zum
Ausdruck kommt. Sie beschreiben Eigenschaften objektiv und werden somit experientiell eingestuft:
das gelbe Haus, das Haus ist gelb; eine unheilbare Krankheit, die Krankheit ist unheilbar.
Klassifikatoren: Die klassifizierenden Adjektive sind semantisch gesehen Eigenschaften, die Dinge
nach Klassen sortieren. Sie weder evaluieren noch beschreiben die Dinge, sondern ordnen sie
bestimmten Klassen zu: eine elektrische Eisenbahn ist ja nicht elektrisch, sondern ist einer
bestimmten Klasse von Eisenbahnen zugeordnet (ferner die väterliche Ermahnung = die
Ermahnung des Vaters, ein italienischer Wein = ein Wein aus Italien, die gestrige Zeitung = die
Zeitung von gestern). Klassifikatoren sind experientiell.
Numerative sind quantifizierende Adjektive oder Zahladjektive. Sie drücken die Anzahl der Dinge
(durch Kardinalia oder Indefinita) oder ihre Reihenfolge (durch Ordinalia) aus (z.B. die zwei kleinen
Mädchen, mit beiden Händen, ihr erster Kuss). Numerative sind experientiell.
Diese semantischen Unterschiede haben – wie wir unten in Abschnitt 3 sehen werden – auch
Konsequenzen für die syntaktischen Funktionsmöglichkeiten der Adjektive und damit auch für ihre
morphologische Form.
1
Evaluierende und beschreibende Adjektive werden bei Helbig &Buscha 2001: 281 als qualitative Adjektive
behandelt und Klassifikatoren als relative Adjektive.
Zum anderen fungieren die Adjektive auf der Gruppenebene als Attribute in Substantivgruppen. In
dieser Funktion wird das Adjektiv kompariert und dekliniert:
der fleißige Mitarbeiter [= ATT: adj (pos, sw, mask, sg, nom)]
Dabei haben die vier semantischen Funktionsklassen der Adjektive: Numerativ, Evaluierer,
Beschreiber und Klassifikator unterschiedliche syntaktische Funktionsmöglichkeiten, die semantisch
begründet sind3:
Ein Adjektiv als Numerativ ist nur als Attribut in einer Substantivgruppe möglich:
zwei Bier; seine erste Liebe; der letzte Versuch...
Dabei merkt man sich, dass das Prädikativ in Dieser Versuch ist der letzte eine elliptische
Substantivgruppe ist mit Versuch als ausgespartem Kern.
Beschreibende Adjektive fungieren syntaktisch sowohl als Attribute wie als Prädikativa:
ein rotes Auto: das Auto ist rot
eine reife Birne: die Birne ist reif
2
Vergleiche auch UHP: 12 Substantiv und Substantivgruppe, Abschnitt 5.
3
Vergleiche auch mit Helbig & Buscha (2005), Abschnitt 3.4, Seite 282ff.
Evaluierende Adjektive fungieren nicht nur als Attribute und Prädikativa, sondern auch als
Adverbialia der Art&Weise, die ja Prozesse evaluieren:
ein langweiliges Buch: das Buch ist langweilig: er schreibt langweilig
Wenn beschreibende attributive Partizipien und Partizipialgruppen wie die der Beispiele (1) – (3) in
Sätze umgeformt werden, gestalten sich die Partizipien nicht als Prädikativa wie die Adjektive
sondern als Prädikate, vgl:
(1) Diese drei verfluchten grammatischen Aufgaben sind vom Lehrer gestellt worden.
(Vorgangspassiv)
(2) Die beiden Aufgaben sind von den Studenten zu lösen. (Modales Passiv)
(3) Dieser nette englische Student löste die Aufgaben. (Aktiv)
In selteneren Fällen kommen nachgestellte attributive Adjektive vom Typ Röslein rot vor. Es handelt
sich um Reste älteren Sprachgebrauchs und feste Wendungen, in denen das Adjektiv immer
undekliniert erscheint, z.B. Karpfen blau, Asbach Uralt, Henkel Trocken, 1000 Euro bar. Diese
nachgestellten attributiven Adjektive fungieren in der Substantivgruppe semantisch als
Qualifikatoren.
4
Die Komparation wird flexionell ausgedrückt und die Graduierung lexikalisch.
Nachgestellte Attribute können entweder zusammen mit ihrem Kern die Festgliedstelle im
Klammerschluss besetzen oder ins Nachfeld ausgeklammert werden:
Die Attribute in der Adjektivgruppe können vom Adjektivkern sowohl valenzabhängig5 wie nicht-
valenzabhängig sein. Wie die Verben können auch einige Adjektive Valenzträger sein, die eine
bestimmte Anzahl von Valenzpartnern mit einer bestimmten Funktion fordern. Die Valenzpartner der
als Prozesse fungierenden Verben sind systemisch funktional als Partizipanten bekannt. Bei
valenztragenden Adjektiven, die dann zusammen mit ihren untergeordneten Gruppengliedern als
Kern eine Adjektivgruppe bilden, wird von deren sekundären Valenz gesprochen (Helbig & Buscha
2005, Kap. 3). In Analogie dazu könnten wir valenztragende Adjektive als sekundäre Prozesse und
deren valenzabhängige Gruppenglieder (Attribute) als sekundäre Partizipanten benennen. Aber
‘sekundär’, weil wir uns mit Adjektivgruppen auf dem Gruppenrang und nicht auf dem Satzrang
befinden. Ob einem Adjektiv Valenz zugeschrieben werden kann oder nicht, hängt von deren lexiko-
semantischer Art ab. Es sind anscheinend nur evaluierende und beschreibende Adjektive, die mit
einer sogenannten sekundären Valenz ausgesteuert sind.
Nicht-valenzabhängige Attribute sind verstärkende Partikeln und undeklinierte Adjektive, die den
adjektivischen Kern semantisch intensivierend oder abschwächend graduieren6, dabei ist der Kern
sehr oft ein Evaluierer. Die (in der Regel) evaluierende Eigenschaft des Adjektivs wird entweder
intensivierend durch Verstärkung graduiert wie sehr/höchst/ auβerordentlich interessant, zu dumm,
5
Eine gute Darstellung der Adjektivvalenz findet man in Sommerfeldt, K.-E. und H. Schreiber (1974) Wörterbuch
zur Valenz und Distribution deutscher Adjektive. Leipzig. Eine kurze Einführung in die Valenz der Verben findet
man in meinen Hilfsmaterialien 15. Valenz auf http://www.sdu.dk/Hum/studier/tysk/UHP/grammatik/
6
Man merke sich den Unterschied zwischen Graduierung/ graduieren/ graduierbar einerseits und Komparation/
komparieren/ komparierbar als jeweils semantische und morphologische Begriffe. Die Graduierung wird also
lexikalisch und die Komparation flexionell ausgedrückt. Bei Helbig&Buscha 2001, Abschnitt 7.3.3 werden diese
nicht-valenzabhängigen vorangestellten Attribute als Steigerungspartikeln behandelt.
noch/ immer unverschämter, äuβerst spannend oder abschwächend wie ziemlich/ fast/ nahezu/
kaum interessant.
Valenzabhängige Attribute werden von der lexiko-semantischen Art des adjektivischen Kerns
bestimmt. Dieser fungiert in der Regel als experientieller Beschreiber. Dabei ergeben sich folgende
Gruppen:
Wie die drei letzten Beispiele zeigen, steht das nicht-valenzabhängige Attribut (sehr) vor seinem
valenzfordernden Kern (stolz) und das valenzgebundene Attribut (auf seine Leistung) entweder vor
dem nicht-valenzabhängigen oder es ist, wenn die Adjektivgruppe prädikative Funktion hat,
ausgeklammert.
werden sie bis auf einige Ausnahmen nur in der attributiven Funktion dekliniert. Wenn ein Adjektiv
gleichzeitig kompariert und dekliniert ist die Abfolge diese: Stamm + Komparationsflexiv +
Deklinationsflexiv, vgl.
Mit den Deklinationsflexiven der Adjektive werden folgende Flexionskategorien realisiert: die
Deklinationsart, das Genus, der Numerus und der Kasus. Attributive Partizipien [ptz I und ptz II]
haben die gleiche Deklination wie die Adjektive, aber im Unterschied zu den Adjektiven haben die
Partizipien natürlich keine Komparation. In der Substantivgruppe kongruiert das attributive Adjektiv
bzw. Partizip im Genus, Numerus und Kasus mit seinem substantivischen Kern. Die Genus-,
Numerus- und Kasusflexive verteilen sich je nach der Form des Determinators auf zwei verschiedene
Deklinationsarten, auf die starke (pronominale) Deklination und auf die schwache (nominale)
Deklination. Die Deklination des Determinators entscheidet m.a.W., ob die Attribute schwach oder
stark deklinieren.
iii. bei einem vorangestellten als Determinator fungierenden Proprium im Genitiv (Peters lieber
Kollege) bzw. Pronomen im Genitiv (dessen, deren, wessen lieber Kollege). In diesen beiden
letzteren Fällen weisen die als Determinator fungierenden Wörter nämlich keine starke
pronominale Deklination auf, und deshalb ist das adjektivische bzw. partizipiale Attribut stark
zu deklinieren.
singular plural
mask fem neut
nom -er -e -es -e
akk -en -e -es -e
gen -en -er -en -er
dat -em -er -em -en
Diese Deklination wird auch die pronominale genannt, weil ihre Flexive historisch an die der
Pronomen angelehnt sind, (vgl. dies-er, dies-e, dies-es; dies-e). Nur im Genitiv, Singular,
Maskulinum und Neutrum hat sich -en statt des pronominalen -es durchgesetzt, weil der Genitiv
bereits am Determinator und am substantivischen Kern markiert ist (des alte-en Mannes, des klein-
en Kindes).
wenn der pronominale Determinator dekliniert ist, d.h.wenn am Determinator die pronominale
Deklination voll zum Ausdruck kommt.
Die schwache Deklination des Adjektivs bzw. Partizips hat diese Flexionsendungen:
singular plural
mask fem neut
nom -e -e -e -en
akk -en -e -e -en
gen -en -en -en -en
dat -en -en -en -en
Die schwache Deklination wird auch die nominale Deklination genannt, weil sie mit der schwachen
oder n-Deklination der Substantive übereinstimmt.
Das Prinzip der Deklinationsart der attributiven Adjektive und Partizipien ist somit ganz einfach:
Wenn die pronominale (starke) Deklination nicht am Determinator vorhanden ist, muss sie am
attributiven Adjektiv bzw. Partizip deutlich werden, damit der Kasus der gesamten Substantivgruppe
möglichst eindeutig wird. Die Deklination der Nominalgruppe im Deutschen dient der
Kasusmarkierung, im Dänischen dagegen der Definitheit/ Indefinitheit.
Attributive Partizipien werden dagegen nur dekliniert und deshalb nach Deklinationsart, Genus,
Numerus und Kasus in der angegebenen Reihenfolge notiert:
Man wird bemerkt haben, daß die flexivische Realisierung der Flexionskategorien Genus, Numerus
und Kasus bei den Adjektiven (und Partizipien) eine andere ist als bei den Substantiven und bei den
Pronomina auch. Flexionskategorien sind morphologische Abstraktionen, die je nach Wortart in
unterschiedlichen Kombinationen ganz unterschiedlich realisiert werden.