Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Universität Kaiserslautern
Professor Dr.-Ing. P. Weiß
Elektromagnetische
Verträglichkeit
Lehrstuhl für Hochspannungstechnik und EMV
Universität Kaiserslautern
Professor Dr.-Ing. P. Weiß
Elektromagnetische
Verträglichkeit
(1994, 1. Auflage)
(2000, 2. Auflage)
Weiß, Kaiserslautern
Vorwort
Vorwort
Das Skriptum soll Begleiter zur Vorlesung "Elektromagnetische Verträglichkeit" sein. Daraus
ergeben sich gewisse Eigenarten im Aufbau und - vor allem wegen der für eine derartige
Vorlesung verfügbaren Zeit - Begrenzungen im Inhalt. Das Skriptum kann somit kein Lehrbuch
ersetzen. Solche Hilfsmittel sind im Literaturverzeichnis aufgeführt.
Die Beschäftigung mit der EMV erscheint für den angehenden Diplom-Ingenieur im Hinblick
auf den EU-Binnenmarkt zwingend notwendig, da in Zukunft bei Nichtbeachtung der EMV-
Gesetzgebung rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen schwerwiegend sein werden. Sehr
häufig wird der Absolvent seinen beruflichen Einstieg in Forschungs- und
Entwicklungsabteilungen finden, in denen er unmittelbar mit dieser Problematik in Berührung
kommt. Noch wichtiger ist für den Berufsanfänger, der in kleinen oder mittleren Betrieben seine
Arbeit aufnimmt, die Beschäftigung mit dieser Thematik, da ihm keine beratende EMV-
Abteilung zur Seite steht.
Besonderer Dank gilt Herrn Professor Weiß für seine außerordentliche Bereitschaft, dem
Verfasser auf all seine Fragen geduldig Gehör zu verleihen, sowie den Mitarbeitern des
Lehrstuhl für Hochspannungstechnik und EMV, Herrn Markus Metzger und Herrn Bernd
Gutheil, für ihre Ausdauer und ihr Einfühlungsvermögen bei der Erstellung dieses Skriptums.
Der leitende Gedanke bei der Überarbeitung war, wie bereits zu seiner Entstehungszeit 1994, die
Schaffung einer begleitenden Literatur zur Vorlesung.
Der Student soll hierdurch zum einen eine Entlastung bei der Erstellung eines eigenen Skripts
erfahren, und zum anderen wird dem Vortragenden die Möglichkeit an die Hand gegeben, einige
Punkte zu vertiefen und andere, ohne nennenswerten Informationsverlust für den Studierenden,
schneller abzuhandeln.
Ein Großteil des Skripts ist nahezu unverändert in die Neuauflage übernommen worden, da es
sich hierbei um grundsätzliche Erörterungen handelt. Veränderungen gab es bei unklaren
Formulierungen, Zusammenhängen und Erläuterungen. Weiterhin wurden einige Gebiete etwas
ausführlicher dargestellt und, zur optimalen Vertiefung der einzelnen Themengebiete, besonders
Wert auf die Angabe der Quellen gelegt.
Mein Dank gilt vor allem Herrn Michael Renner, welcher mich in der letzten Phase des Projektes
unterstützt hat. Herrn Dirk Gust bin ich für die Bereitstellung aller Informationen zum
zugrundeliegenden Skript und Herrn Markus Metzger für die Hinweise und die Korrektur des
7. Kapitels sehr dankbar.
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1, Grundlagen 1
1.1 Einführung 2
1.2 Der wirtschaftliche Aspekt 4
1.3 Stördämpfung 5
1.4 Quantitative Beurteilung der Störgrößen 5
1.5 Störpegel und Störabstand 7
1.6 Fourier-Analyse 9
1.7 Der Weg zur EMV-Tafel 12
Kapitel 1
Grundlagen
Einführende Fragen:
1.1 Einführung
Der Wunsch nach einer intakten Umwelt hat einen dominanten Stellenwert erhalten. Deshalb
müssen elektromagnetische „Umweltverschmutzer", in der EMV Sender (Störer) genannt, in
ihren Auswirkungen begrenzt werden. Damit mögliche Sender nicht zur Gefahr werden, müssen
Empfänger, das sind Systeme, welche die Ausstrahlungen der Sender aufnehmen und damit in
ihrem Betrieb gefährdet sind, gegen elektromagnetische Störeinflüsse geschützt werden.
Hervorgerufene Funktionsstörungen bei Empfängern können dabei vorübergehend oder dauerhaft
(z.B. RESET notwendig) sein. Auch eine Zerstörung ist möglich.
• Motoren
• Leuchtstofflampen
• Leistungselektronik
• Schaltkontakte
• Monitore
• Computer
• Rundfunksender
• Mobiltelefone
• Atmosphärische Störungen
• Elektrostatische Aufladungen
wirken.
Die EMV gliedert sich in die Vermittlung von Störaussendung (Emission, lat. emittere:
aussenden) und Störfestigkeit (Imission, lat. imittere: hineinschicken). Hierbei finden nicht nur
elektronische Geräte, sondern auch Bioorganismen und die uns umgebende Umwelt
Berücksichtigung.
Kapitel 1 – Grundlagen 3
Reversible Beeinflussungen sind z.B. zeitweise mangelnde Verständigung beim Telefonieren. Sie
können zu Fehlfunktionen führen, die eine indirekte irreversible Störung zur Folge haben (z.B.
Knackstörungen bei Datenübertragungen über Telefonleitungen).
Irreversible Störungen sind z.B. Zerstörungen elektronischer Komponenten auf Leiterplatten
durch elektrostatische Aufladungen (Stichwort: EGB (= elektrostatisch gefährdete Bauelemente))
oder Überspannungen bei Blitzeinwirkung (Stichwort: LEMP (Lightning Electromagnetic Pulse)
= Blitz)).
Daher gilt es Schaden zu vermeiden, bevor er entstehen kann. Maßnahmen zielen auf eine
Beeinflussung der Sender, Kopplungspfade und Empfänger:
• Sender werden beispielsweise geschirmt, wenn dies sinnvoll ist, d.h. wo der Zweck des
Gerätes nicht die Aussendung von Strahlung ist
• Kopplungswege zwischen Sender und Empfänger werden unterbrochen durch Schirmung,
Filterung, galvanische Entkopplung (z.B. Optokoppler), etc.
• Empfänger werden gegen einfallende Kopplungen (siehe Kapitel 2.1) geschützt, die
Zuleitungen werden gefiltert etc.
Aus diesen Sachverhalten ergeben sich drei charakteristische Parameter für ein
elektrotechnisches System (Gerät):
Bild 1.2
Zusammenhang zwischen EMV relevanten Kostenanteilen und unverträglicherbedinger
Fehlerwahrscheinlichkeit WF
Kapitel 1 – Grundlagen 5
voraus.
1.3 Stördämpfung
Welches Maß erreicht die Entstörwirkung von Enstörmitteln? Die begriffliche Kennzeichnung
geschieht in Abhängigkeit des Mittels. Bei der Anwendung beispielsweise eines Schirmes
bezeichnet die Schirmdämpfung aS das logarithmische Verhältnis der Feldstärken eines
bestimmten Punktes vor und nach dessen Anwendung. Die Filterdämpfung aF bezeichnet das log.
Verhältnis der Spannungen vor und nach einem Filter.
U
a F = 20 ⋅ lg 1
U2
(vgl. auch [Sch91], S.17)
Die Dämpfungen haben in aller Regel positive Vorzeichen. Resonanzeffekte, wie sie bspw. in
Gehäusen (Länge des Gehäuses ein Vielfaches der Wellenlänge) oder bei LC-Konstrukten
(Filterresonanzen) entstehen können, bewirken negative Dämpfungen (= Verstärkung). Eine
Störung könnte dann beispielsweise ohne Gehäuse geringer ausfallen als mit.
Beide Beispiele zur Kennzeichnung einer Dämpfung werden unter dem Begriff Stördämpfung
zusammengefaßt. Es ist somit eine oberbegriffliche Kennzeichnung und bedarf im jeweiligen Fall
der genaueren Bezeichnung der Art der Entstörung.
Logarithmische Verhältnisse dienen zur quantitativen Beurteilung der Störgrößen. Sie haben u.a.
folgende Vorteile:
Kapitel 1 – Grundlagen 6
• Erhalt der Übersichtlichkeit der Darstellung auch dann, wenn der Meßwert mehrere
Zehnerpotenzen überschreitet
• Multiplikativ zusammenhängende Größen können logarithmisch addiert werden
Wird von einem Pegel oder Abstand gesprochen, so bezieht sich dieses logarithmische Verhältnis
auf einen festen Bezugspunkt (z.B. U0 = 1 µV). Beispiele hierfür sind der Störabstand bzw. der
Störpegel.
Ein Übertragungsmaß dagegen ist das Verhältnis von Ein- und Ausgangsgrößen eines Systems.
Wie unter (1.3) angeführt, benutzt man Übertragungsmaße (Verhältnis von Ausgangsgröße zu
Eingangsgröße) zur Charakterisierung von Leitungs-, Schirm- und Filterdämpfungen, sowie von
Verstärkungen.
P
Leistungspegel: P = 10 ⋅ lg X (in dBmW oder dBm, für P0= 1 mW)
dB P0
Dabei ist zu beachten, daß alle Leistungsgrößen mit dem Vorfaktor 10 und alle Feldgrößen, wie
Strom und Spannung, mit dem Vorfaktor 20 versehen werden.
Umrechnungen zur Ermittlung des Wertes einer unbekannten linearen Größe bei gegebenem
Pegel ergeben sich zu:
U dB
U X = U 0 ⋅ 10 20
PX = P0 ⋅ 10 10
Neben Dezibel findet teilweise auch (noch) das Neper Verwendung. Umrechnungen von Dezibel
(dB) in Neper (Np) werden nach dieser Formel berechnet:
10 E1
1 NP = 0,5 ⋅ ln( ) ≈ 8,686 dB
E1
Vereinfacht dienen die Multiplikatoren:
Kapitel 1 – Grundlagen 7
1 Np = 8,686 dB
1dB = 0,115 Np
Bemerkung:
Beachtet man die erwähnten Rechenregeln für logarithmisches Rechnen, kann man leicht aus
einer Größe eine andere Größe errechnen (Multiplikation Addition). Aus dem ohmschen
Gesetz
(I = U/R)
ergibt sich dann:
Emissionen von Störquellen dürfen bestimmte, von der Frequenz abhängige Grenzstörpegel
nicht überschreiten. Diesen Zusammenhang zeigt folgende (Bild 1.5), stark vereinfachte Grafik
(im Regelfall keine so ausgeprägte Parallelität, sondern von der Frequenz abhängige Spektren)
(vgl. [Sch91], S.11):
Bild 1.5
Störabstand und Störsicherheitsabstand zwischen Nutzsignal und Störpegel
Störpegel und Störschwellenpegel sind jeweils absolute Pegel, Stör- und Störsicherheitsabstand
dagegen relative Pegel.
Kapitel 1 – Grundlagen 8
- Funkstörspannungen
- Funkstörfeldstärken
- Funkstörleistungen
In diesem Frequenzbereich „wird die Abstrahlung durch die Messung der magnetischen
Feldstärke mit einer Rahmenantenne im Nah – und Übergangsfeld erfaßt.“
Elektrische Funkstörfeldstärken werden bei Frequenzen, die 30 MHz übersteigen, gemessen. Die
Meßwerte werden dabei mit einer Stab- oder logarithmisch periodischen Antenne aufgenommen.
Meßort ist das Freigelände oder eine Absorberhalle.
Oberhalb einer Frequenz von 30 MHz verliert bei Leitungsstrecken, die 10 m überschreiten, die
Funkstörspannung proportional zum Anstieg der Frequenz an Relevanz, da eine deutlich meßbare
EM-Abstrahlung einsetzt. Daher sehen Vorschriften Grenzwerte für Funkstörleistungen vor.
Meßwertaufnehmer ist eine Absorptionsmeßwandlerzange in einer geschirmten Kabine
(empfohlen).
(vgl. auch Übersicht bei [Hab98], S. 166 und Erläuterungen bei [Gon92], S. 424ff)
Grenzwertklasse A (Industriebereich)
1.6 Fourier-Analyse
Die Fourier-Analyse zerlegt eine allgemeine periodische Zeitfunktion y = u(t+kT) (siehe Bilder
1.6.a und 1.6.b), die beschränkt, stückweise monoton und stückweise stetig ist, in sinusförmige
Teilschwingungen, die auch als Harmonische bezeichnet werden. Die Sinusschwingung mit der
Periodendauer der vorgegebenen Kurve heißt Grundschwingung oder 1. Teilschwingung bzw. 1.
Harmonische. Die Frequenzen der Oberschwingungen, das sind die höheren Teilschwingungen
bzw. Harmonischen, betragen ganzzahlige Vielfache der Grundschwingungsfrequenz, wobei das
Verhältnis von Teil- zu Grundschwingungsfrequenz die Ordnungszahl ν der Teilschwingung
darstellt (siehe DIN 1311).
Bild 1.6.a
Eine harmonische Funktion (sinusförmige Größe) wird im Zeit- und Frequenzbereich dargestellt
Bild 1.6.b
Eine periodische, nicht harmonische Funktion (hier zusammengesetzt aus zwei sinusförmigen
Größen), wird über die diskrete Variable fν aufgetragen
Kapitel 1 – Grundlagen 10
Die Fourier-Reihen-Darstellung ergibt sich nach der mathematischen Beziehung in der Normal-
Form:
A0 ∞
f (t ) = + ∑ Aν cos( νω 0 t ) + Bν sin( νω 0 t )
2 ν= 1
T
2
Aν = T ∫ f (t ) cos(νω 0 t )dt
0
T
2
Bν = T ∫ f (t ) sin(νω 0 t )dt
0
T
2
A0 =
T ∫ f (t ) dt
0
Neben der Normalform gibt es noch die Betrags/Phasen-Form mit der Beziehung
∞
f ( t ) = C0 + ∑ Cν cos( νω 0 t + ϕ ν ) ,
ν= 1
wobei
2 2
Cν = A ν + Bν
Die dritte Form neben der Normal- und Betrags/Phasen-Form heißt Komplexe-Form:
+∞
f (t ) = ∑ C ν e
−∞
jνω 0t
= C 0 + ∑ C +ν e
ν =1
∞
( + jνω 0t
+ C −ν e
− jνω 0t
)
wobei gilt:
T − jνω 0t
1
C ν (± νω 0 ) = T ∫ f (t )e dt
0
ν = 0, ± 1, ± 2, ...
Kapitel 1 – Grundlagen 11
1
Cν = 2
( Aν − jBν ) mit ν = 0, ± 1, ± 2 ...
da , cos ( − νω 0 t ) = cos ( νω 0 t )
ergibt sich:
A− ν = Aν und B− ν = − Bν
und somit :
1 1 ∗
C −ν = 2
( A− ν − jB− ν ) = 2
( Aν + jBν ) = C ν
1
C0 = 2
A0
B0 ≡ 0
+∞
X (ω ) = ∫ f (t )e − jωt dt
−∞
+∞
1
f (t ) = 2π ∫ X (ω )e jωt dω
−∞
Kapitel 1 – Grundlagen 12
Die allgemein verbreitete Lehrmeinung, daß ein Digitalrechner lediglich den Boolschen Algebren
Tribut zollt, endet mit der Erkenntnis, daß es elektrische Impulse sind, die für den
Informationsaustausch verantwortlich sind. Gemäß Abschnitt 1.6 können Zeitfunktionen in ein
Amplitudenspektrum überführt werden. Wendet man dies auf die Zeitfunktionen der
Digitalsignale an, so ist ein großes Störpotential auszumachen. Daher ist die Digitaltechnik nur
ein Sonderfall der Analogtechnik.
Nehmen wir die (periodische) Rechteckfunktion (rect-Funktion) und transformieren diese in die
Spektraldarstellung, dann erhalten wir folgendes Bild (Bild 1.7.a):
Bild 1.7.a
Die rect-Funktion und ihre spektrale Darstellung
In der Spektraldarstellung ergibt sich ein Spektrum, dessen Amplituden mit steigender Frequenz
kleiner werden. Die beschreibende Funktion heißt sinc-Funktion (= sin(x)/x) und hat neben
einem Hauptmaximum unendlich viele Nebenmaxima, deren Energieinhalt (mit steigender
Frequenz) stark abnimmt.
Der größte Energieanteil steckt in der Fläche unter dem Hauptmaximum (bis zur 1. Nullstelle bei
f = 1/T).
Eine wichtige Erkenntnis lautet: Je schmaler ein Impuls ist (je kleiner also seine
Zeitdauer T), desto breiter ist sein Spektrum.
Die EMV-Tafel ist dabei ein Hilfsmittel, um Probleme mit dem (Stör-)Spektrum in den Griff zu
bekommen. In ihr wird grafisch die Einhüllende der Amplitudendichte eines gegebenen
Standardimpulses dargestellt. Daraus ist anschließend die Synthese möglich, aus einem
gegebenen Spektrum eine äquivalente Impulsform zu finden, bei der auch die
frequenzabhängigen Übertragungseigenschaften Berücksichtigung finden.
Erklärt sei dies anhand des symmetrischen Trapezimpulses (Herleitung siehe Anhang A):
Die Ausführungen folgen der VDE 0847, mit der schnell die spektrale Amplitudendichte
abgeschätzt werden kann. Auf doppeltlogarithmischem Papier (für Frequenz- und
Amplitudenachse) verläuft die Einhüllende von f = 0 Hz bis fu = 1/πτ Hz horizontal mit der
Kapitel 1 – Grundlagen 13
Dichte A = ûτ, fällt dann bis fo = 1/πτr mit 20 dB/Dekade und anschließend mit 40 dB/Dekade
(Bild 1.7.b).
Bild 1.7.b
Der Trapezimpuls mit dem dazugehörigen Spektrum
Für beliebige Trapez-, Rechteck- und Dreieckfunktionen kann man ebenso die Einhüllende ihrer
Amplitudendichte abschätzen (Bild 1.7.c).
Bild 1.7.c
Spektrale Darstellung der Dreieck-, Trapez- und Rechteckfunktion
Folgerungen:
• Die Länge der Parallele zur Abszisse hängt von τ ab.
• Je steiler die Impulsflanken sind, desto flacher sind die abfallenden Amplitudendichten.
Mit diesem Wissen kann man auch aus dem Frequenzbereich heraus eine Zeitfunktion
approximieren, die das Spektrum hervorruft.
Kapitel 1 – Grundlagen 14
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 15
Kapitel 2
Einführende Fragen:
1. Auf welchen Wegen gelangt die Energie von der Störquelle zur Störsenke?
2. Erklären Sie die den Begriff „Erdschleife“ und nennen Sie Gegenmaßnahmen?
3. Wie wird kapazitiv geschlossenen Stromkreisen entgegengewirkt?
4. Wo tritt die magnetische Kopplung auf? Wie wird Abhilfe geschaffen?
5. Erklären Sie die Funktionsweise eines Reduktionsleiters (Kurzschlußschleife)!
6. Wie berechnet sich der Feldwellenwiderstand des freien Raumes für elektromagnetische
Felder?
7. Was sind Gegentaktstörungen?
8. Was sind Gleichtaktstörungen?
9. Wie ergibt sich durch eine Erdschleife eine Gleichtaktstörung?
10. Wie funktioniert ein Trenntransformator? Welchen Nachteil hat er bei hohen Frequenzen?
11. Was ist ein Neutralisierungstransformator? Wie muß er für Gleichtakt- und Gegentakt-
störungen gewickelt sein?
12. Was bewirken Ferritringe um eine Leitung?
13. Welchen (schwerwiegenden) Nachteil hat ein Relais als Entstörmaßnahme beim
galvanischen Entkoppeln eines Stromkreises?
14. Was ist beim Einsatz von Optokopplern als Entstörmaßnahme zu beachten?
15. Welche Vorteile haben Lichtwellenleiter?
16. Worin liegt die Gefahr bei der Entladung elektrostatischer Elektrizität?
17. Was ist der NEMP? Warum ist er so gefährlich?
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 16
Bild 2.1.a
Kopplungspfade
Die galvanische Kopplung resultiert aus der Benutzung eines Leitungsweges durch zwei oder
mehr Stromkreise. Ein Beispiel hierfür ist eine Platine, bei der der Masserückleiter von mehreren
Stromkreisen genutzt wird. Je größer die gemeinsam benutzte Impedanz Z ist (z.B. ohmscher
Leiterbahnwiderstand), desto stärker ist die Signalüberkopplung. Bei hohen Frequenzen kommt
zum ohmschen noch ein komplexer Anteil hinzu, der die rechnerische Analyse erschwert. Ab ca.
10 MHz muß zusätzlich der Skin-Effekt berücksichtigt werden, der den Strom in die Nähe der
Oberfläche treibt.
In digitalen Schaltungen führt eine hohe Eigeninduktivität eines Leiters gemäß U = L ⋅ di/dt
dazu, daß eine steile Flanke mit kurzer Anstiegszeit eine hohe Spannung induziert, welche bei
gemeinsam genutzten Leiterabschnitten zu Problemen führt.
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 17
zu 2,3: Die kapazitive Kopplung über elektrische Felder und die induktive Kopplung über
magnetische Felder
Zum Verständnis der kapazitiven und induktiven Kopplungen bedient man sich u.a. des
Feldbildes. Elektrisches und magnetisches Feld reichen weit in den sie umgebenden Raum
hinaus. Die elektrischen Feldlinien (die Anfangs- und Endpunkt haben) treffen auf eine
Gegenelektrode, wodurch es zur "Bildung" eines Kondensators kommt (Bild 2.1.b). Die
Wechselspannung treibt durch diese Streukapazitäten Wechselströme (Verschiebungsströme),
die über die gemeinsame Masseverbindung zur Signalmasse zurückfließen.
Bild 2.1.b
Die magnetische Kopplung tritt bei geschlossenen Leiterschleifen auf. Ein veränderlicher Strom
ist mit einem veränderlichen Magnetfeld verbunden, welches in einer Leiterschleife eine
Spannung induzieren kann. Die induzierte Spannung stellt somit eine Störspannung dar (Bild
2.1.c).
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 18
Bild 2.1.c
Magnetischer Kopplungspfad
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß hier nicht von Fernfeldbedingungen ausgegangen
wird und magnetisches und elektrisches Feld daher als unabhängig voneinander betrachtet
werden (Stichwort: Nahfeld; vergl. Kapitel 4).
Ein Reduktionsleiter ist eine zusätzliche Leiterschleife zwischen System 1 und System 2 ohne
jegliche Bauelemente (sehr niederohmig). Reduktionsleiter bilden eine Kurzschlußschleife (Bild
2.1.d), deren magnetisches Gegenfeld das störende Magnetfeld schwächt. Vergleichbar ist dies
mit dem Funktionsprinzip eines Transformators: Ohne "Gegenschleife" (beim Trafo: Im
Leerlauf) verläuft der ganze magnetische Fluß irgendwo im Raum (beim Trafo: im Eisenkern). In
Anwesenheit einer geschlossenen Leiterschleife, in die ein Strom induziert wird, wird durch
diesen ein Magnetfluß aufgebaut, der dem erregenden Magnetfeld entgegenwirkt. Im Gegensatz
zum Trafo, in dem der magnetische Fluß seinen ursprünglichen Wert im Eisenkern wieder
annehmen wird, kann hier die erregende Leiterschleife aufgrund des hohen magnetischen
Widerstands der Luft, der großen Streufelder und der Impedanzen den ursprünglichen Fluß nicht
aufrecht erhalten. Die Folge ist eine Verringerung des störenden Magnetfeldes (Anwendung
meist beim Platinendesign).
Bild 2.1.d
Wirkungsweise einer Kurzschlußschleife
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 19
Im höheren Frequenzbereich läßt sich eine Unterscheidung nach kapazitiv und induktiver
Beeinflussung nicht mehr anstellen. Hier tritt eine Kopplung über das elektromagnetische Feld
auf. Die elektromagnetischen Wellen lösen sich vom Stromkreis und breiten sich mit
Lichtgeschwindigkeit im Raum aus (Fernfeld).
Zwischen Wellenlänge und der Frequenz f gilt der Zusammenhang: λ = c/f
Ohne auf das Kapitel 4 (Elektromagnetische Schirme) vorgreifen zu wollen, seien hier die
Begriffe Nah-, Übergangs- und Fernfeld der Vollständigkeit halber erwähnt.
Hinweis:
Habiger ([Hab98], S.85f u. S.111) unterteilt das Feld „nur“ in Nah und Fernfeld. Seine
Bedingungen lauten:
Im Nahfeld und Übergangsfeld sind der Feldwellenwiderstand des elektrischen Feldes und der
des magnetischen Feldes ungleich. Im Fernfeld tritt ein elektromagnetischer
Feldwellenwiderstand auf, der für elektrisches- und magnetisches Teilfeld des
elektromagnetischen Feldes gleich ist und wie folgt berechnet werden kann:
E µ0
= Z0 = = 120 ⋅ π Ω = 377 Ω
H ε0
Bild 2.2.a
Ersatzschaltbild zur Verdeutlichung einer
Gegentaktstörung in einem Stromkreis
Bild 2.2.b
Ersatzschaltbild zur Verdeutlichung
von Gleichtaktstörungen
Gleichtaktspannungen verursachen bei gleicher Impedanz von Hin –bzw. Rückleiter, inklusive
Sender und Empfängerwiderstände, zunächst keine Störspannungen. Die Gleichtaktströme sind
in diesem Fall gleichsinnig und gleich groß und heben sich am Verbraucher auf.
Bei entsprechender Höhe der Spannung können jedoch Überschläge zwischen Signalleitungen
oder Signalleitungen und Gehäuse die Folge sein. Weiterhin treten bei höheren Frequenzen
Streukapazitäten als zusätzliche Spannungsquellen in Erscheinung. Sollten in der Folge
ungleiche Leitungsimpedanzen auftreten, so findet eine Umwandlung von einer
Gleichtaktstörung in eine Gegentaktstörung (Gleichtakt/Gegentakt – Konversion) statt (siehe
[Sch91], S.27f)
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 21
Bild 2.2.c
Gleichtaktstörung durch Erdschleife
Kurz gesagt:
Gegentaktstörung: Zwischen Leiter und Rückleiter wird ein zusätzliches Potential eingefügt.
Das Störsignal wirkt in der Folge auf die Funktion der Senke.
Alle Gegenmaßnahmen zielen auf eine Auftrennung möglicher Stromkreise ab, die nicht der
eigentlichen Funktion einer Schaltung dienen.
Zum Auftrennen von Erdschleifen bedient man sich bei nieder- und mittelfrequenten Signalen
der Einfügung von Trenntransformatoren (Bild 2.3.a).
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 22
Bild 2.3.a
Trenntransformator
Bei höheren Frequenzen bewirkt die Koppelkapazität zwischen den Wicklungen durch Ist eine
Gleichtakt-Gegentakt-Umsetzung (vgl. Erdschleife). Daher sind die Primär- und die
Sekundärwicklungen vorteilhafterweise durch einen Schirm voneinander zu trennen, um die
Gleichtaktunterdrückung zu erhöhen. Der Schirm sollte dabei wie im nachfolgenden Bild 2.3.b
verschaltet werden:
Bild 2.3.b
Schirmung von Primär- und Sekundärwicklung gegen
kapazitive Kopplungen
Da der Trenntransformator für Gleichspannungen undurchlässig ist, kann man sich statt dessen
des Neutralisierungstransformators (Bild 2.3.c) bedienen. Beide Spulen müssen gleichsinnig
gewickelt sein, damit sich die Durchflutungen der Nutzsignale kompensieren, die der Störsignale
sich addieren (Gleichtaktunterdrückung). Zur Gegentaktunterdrückung müssen die Spulen
gegensinnig gewickelt sein. Dies führt zu einer Erhöhung der Impedanz und kommt somit einer
Auftrennung nahe.
Bild 2.3.c
Gleichtaktunterdrückung durch einen Neutralisierungstransformator
(Zur Gegentaktunterdrückung müssen die Spulen gegensinnig gewickelt sein)
Für Frequenzen über 1 MHz eignen sich Ferritringe im Hin- und Rückleiter des
Signalstromkreises (Bild 2.3.d). Die Leiter selbst bilden die gleichsinnigen Wicklungen des
Neutralisierungstransformators (Gleichtaktunterdrückung). Sie sind beispielsweise im PC als
Verdickungen erkennbar oder aber auch als Klappkern erhältlich.
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 23
Bild 2.3.d
Ferritringe zur Dämpfungsbeschwerung
einer Leitung (Gleichtaktunterdrückung)
Relais (besonders das Reed-Relais), Optokoppler und Lichtwellenleiter (LWL) erweisen sich als
wirksame Auftrennungen.
Reed-Relais (Bild 2.3.e) haben eine geringe Streukapazität von üblicherweise maximal 5 pF.
Jedoch lassen sich mit diesem Bauteil bei einer Auftrennung eines geschlossenen, doppelt
geerdeten Stromkreises nur Binärsignale übertragen. Des weiteren benötigen Sie eigene
Versorgungen.
Bild 2.3.e
Relais mit parasitärer kapazitiver Kopplung
Der Vorteil von Optokopplern (Bild 2.3.f) ist u.a. die (noch) geringere parasitäre Streukapazität
von maximal 1 pF und ihre hohe Spannungsfestigkeit von 0,5 bis 10 kV.
Bild 2.3.f
Optokoppler mit parasitärer kapazitiver Kopplung
Lichtwellenleiter (Bild 2.3.g) können analoge und digitale Signale über hohe
Potentialdifferenzen hinweg übertragen. Sie sind absolut unempfindlich gegenüber kapazitiven
und induktiven Einwirkungen.
Bild 2.3.g
Lichtwellenleiter zur Entkopplung
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 24
In Ton- und Videostudios sowie in der Meßtechnik bedient man sich des weiteren der
symmetrischen Übertragung (Bild 2.3.h; → Symmetrische Übertragung,
Symmetrietransformatoren, symmetrische Leitungstreiber und Empfänger). Wegen der
Komplexität ihrer Ausführungen sei hier auf die umfangreiche Literatur der Nachrichtentechnik
verwiesen.
Bild 2.3.h
Symmetrische Übertragung
Bei der Entladung statischer Elektrizität (Abk. ESD = Electro Static Discharge) findet ein
Ladungsausgleich statt. Bekannt ist das Beispiel, bei dem eine Person über einen
Kunststoffteppichboden läuft und danach ein geerdetes Metallteil berührt.
Die durch Reibung oder Influenz entstandene Ladung kann durch blitzähnliche
Entladungserscheinungen nicht nur brennbare Gase entzünden, sondern auch bei einer Entladung
über elektrostatisch gefährdete Bauelemente der Elektronik (z.B. MOS-Schaltungen,
Herzschrittmacher) diese zerstören. An dieser Stelle sei auf die ausführliche Beschreibung und
Messung dieser Problematik in Kapitel 6, Simulations- und Meßtechnik, verwiesen.
Die elektrostatische Entladung in der Natur wird als Blitz oder auch als LEMP (engl. Lightning
Electromagnetic Pulse) bezeichnet. Blitz-Bedrohungs-Parameter haben dabei die
Größenordnungen:
• Stromscheitelwert î = ...200 kA (90% aller Blitze 5...70/80 kA)
•
• î * RErdung = ûR
•
• Stromsteilheit di/dt = 150 bis 300 kA/µs
•
• LErdung * di/dt = ûL
•
• (Bemerkung: Multiple Blitze sind besonders steil)
•
• Ladung Q = ∫ i(t) dt = ...500 As
•
• Q * UBrennspannung eines Lichtbogens = W
•
• Grenzlastintegral ∫i2dt = 107 A2s (Energie, nicht Leistung!)
•
• ∫ i2(t) dt * R = WBlitzableiter (Energie die im Blitzableiter umgesetzt wird)
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 25
Eine noch stärkere Beeinflussung geht vom sogenannten NEMP, dem Nuclear Electromagnetic
Pulse, aus.
Eine in ca. 400 km Höhe gezündete Atombombe emittiert starke γ - Strahlung, die aufgrund des
Compton-Effektes Elektronen aus den Atomrümpfen der Luft herausschlägt. Diese besitzen eine
solch hohe Energie, daß sie zur Stoßionisation fähig sind. Die in Richtung Erde fliegenden
Elektronen bilden nun mit den zurückgelassenen positiven Ionen einen elektrischen und mit dem
erdmagnetischen Feld einen magnetischen Dipol. Das daraus resultierende Wellenfeld, das
NEMP genannt wird, hat eine maximale elektrische Feldstärke von 50 kV/m und eine maximale
magnetische Feldstärke von 133 A/m.
Zum Vergleich: Die „normalen“ Grenzwerte die ein Gerät vertragen muß, bewegen sich im
Bereich bis 10 V/m.
Das Gefährliche am NEMP ist die flächendeckende Wirkung. Dadurch erlangt er einen sehr
großen Einfluß auf ein ausgedehntes Energieversorgungsnetz oder auf galvanisch gekoppelte
Rechnernetze. Die dabei induzierten Ströme entwickeln eine enorme Zerstörungskraft.
Kurz erwähnt sei hier auch der SEMP, der Switching Electromagnetic Pulse, welcher als
resultierender Impuls bei Schalthandlungen entsteht.
Kapitel 2 – Störquellen und Koppelmechanismen 26
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 27
Kapitel 3
Passive Entstörkomponenten
Einführende Fragen:
3.2 Filter
Analoge Filter können leitungsgebundene Störgrößen nur dämpfen. Der spektrale Abstand vom
erwünschtem Signal zur Störgröße sollte möglichst groß sein. Durch eine geeignete Auslegung
der Filterparameter (u.a. Eckfrequenz und Flankensteilheit der Übertragungsfunktion) wird das
Nutzsignal gering, die Störung maximal gedämpft.
Die Filtereinheit wird als Vierpol betrachtet, der für die Störung einen hohen Widerstand
darstellt, d.h. die Störspannung muß in hohem Maße am Filter und nicht an der zu schützenden
Senke abfallen.
Es findet somit eine Beeinflussung des Störsignals statt, die mit dem Dämpfungsfaktor aFilter (als
logarithmische Verhältnisgröße in dB angegeben) beschrieben wird:
UStörung am Eingang
a Filter = 20 lg
UStörung am Ausgang
a)
b)
c)
Bild 3.2.1.a
Berechnungsbeispiele für Filtergrundschaltungen
Die Filterdämpfungen für die drei angeführten Filtergrundschaltungen lassen sich wie folgt
berechnen, wobei die Dämpfung des Nutzsignals in dessen Frequenzbereich vernachlässigt wird:
(USt = Störspannung am Eingang; UStE = Störspannung am Empfänger)
ZE Z q
Zi +
U St (ω ) Z E + Zq
a) a F (ω ) = 20 lg = 20 lg
U St E (ω ) ZE Z q
Z E + Zq
U St (ω ) Zi + Z E + Z l
b) a F (ω ) = 20 lg = 20 lg
U St E (ω ) ZE
ZE Z q
Zi + Z l +
U St (ω ) Z E + Zq
c) a F (ω ) = 20 lg = 20 lg
U St E (ω ) ZE Z q
Z E + Zq
Quell- und Lastimpedanzen sind nicht nur für die Filterdämpfung, sondern auch für die
Frequenzgänge der Filterstufen relevant. Deshalb beschränkt man sich in den Katalogen der
Filterhersteller auf gebräuchliche ZQ und ZE , wie zum Beispiel auf 60 Ω oder 600 Ω.
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 30
Auf diesen genormten Impedanzen aufbauend, wird die Einfügungsdämpfung definiert, die sich
aus dem logarithmischen Verhältnis der Störspannung am Empfängerwiderstand mit und ohne
Filter ergibt (Bild 3.2.1.b):
Bild 3.2.1.b
Zur Berechnung der Einfügungsdämpfung
benötigte Schaltungen
O
U St (ω )
a F ( ω ) = 20 lg
U St E
(ω )
oder
U Q (ω )
a F ( ω ) = 20 ⋅ lg
2 ⋅ U St E
(ω )
(o = ohne Filter)
Desweiteren ist auch das Einbeziehen der Netzimpedanzkurve (vgl. [Gon92], S.388), hier für
verschiedene Länder, notwendig. Zu beachten ist jedoch, daß diese Darstellung nur bedingt zu
gebrauchen ist. Die Netzimpedanz muß als Funktion folgender Parameter angesehen werden:
f(Kontinent, Land, Region, Gebäude, Stockwerk,.....)
Daher sind meist nur tendenzielle Angaben, wie im folgenden Bild 3.2.1.c, möglich.
Bild 3.2.1.c
Netzimpedanzkurven verschiedener Länder
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 32
Um dem Leser bei Entscheidungen für oder gegen anzuwendende Filtersysteme eine Hilfe
mitzugeben, wurde zusätzlich folgendes Schaubild (Bild 3.2.1.d) aufgenommen (ZG =
Quellimpedanz, ZE = Empfängerimpedanz):
(entnommen aus [Gon92], S.277, jedoch gegenüber diesem in entscheidenden Punkten
korrigiert)
Bild 3.2.1.d
Auswahlhilfen für Filtersysteme
Wie bereits in Kapitel 2.2 erläutert treten zwischen Hin- und Rückleitern gestörter Systeme
Gegentaktstörungen und zwischen Signalleitern und Bezugsmasse Gleichtaktstörungen auf.
Hierbei kann es sich in beiden Fällen sowohl um symmetrische, wie auch unsymmetrische
Störspannungen handeln (vgl. auch [Sch91], S.152 und S. 25 ff).
Bild 3.2.2.a ist "das Ersatzschaltbild einer Störquelle mit Spannungsquellen für symmetrische
und unsymmetrische Störspannungen." ([Sch91], S. 152)
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 33
Bild 3.2.2.a
Symmetrische und unsymmetrische Störspannungen
Zur Verkleinerung der auftretenden Störspannungen aus dem Versorgungsnetz, die z.B. durch
eine plötzliche Erdpotentialanhebung entstehen, werden Kapazitäten zwischen die einzelnen
Adern geschaltet.
Sind die Quellwiderstände des speisenden Netzes niederohmig, so sind gemäß Bild 3.2.2.b
zusätzliche Längs-Induktivitäten in L1 und N zu schalten, da ansonsten große kapazitive
Elemente notwendig wären.
Bild 3.2.2.b
Verminderung der Störgrößen durch Filterung mit Cx und Cy - Kondensatoren
Wie aus obiger Zeichnung ersichtlich wird zwischen zwei Arten von Kondensatoren
unterschieden:
X-Kondensatoren werden zur Entstörung zwischen dem Hin- und Rückleiter verwendet.
Y-Kondensatoren werden zwischen die Leiter und dem Schutzleiter geschaltet.
Die Frage die sich hier u.a. stellt ist: Gefährden wir uns mit diesen Überlegungen nicht
möglicherweise selbst? Wenn Kondensatoren zwischen Leitern der Betriebsstromkreise und der
Schutzerde (Protective Earth) geschaltet werden, wird die elektrische Isolation nicht nur für die
hochfrequenten Störspannungen sondern auch, in Abhängigkeit von der Dimensionierung der
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 34
Kondensatoren, für die Nutzspannung überbrückt, es fließt bei Betrieb des Stromkreises ein
gewisser Leckstrom.
Daher ist festgelegt, daß dieser Leckstrom bei der Berührung, z.B. eines Gehäuses durch eine
Person, zwischen 0,75 und 3,5 mA (Schutzklasse I, ortsveränderliche Geräte: bis 0,75 mA;
ortsfeste Geräte: bis 3,5 mA; Schutzklasse II: bis 3,5 mA) liegen darf. Dementsprechend gibt es
eine Obergrenze im Kapazitätswert der Y-Kondensatoren. Möchte man diese Grenze
überschreiten, sind weitergehende Schutzmaßnahmen vorgeschrieben (z.B. FI-Schalter).
3.2.3 Filterresonanzen
Bei dem Einsatz von Kondensatoren und Induktivitäten als Filterelemente ergeben sich reale
Frequenzgänge, die stark von den idealen, berechneten Frequenzgängen abweichen können und
zu störenden Filterresonanzen führen. Duch parasitäre Zuleitungsinduktivitäten von
Kondensatoren oder die parasitäre Wicklungskapazität von Induktivitäten, aber auch das
Vorhandensein komplexer Sender- und Empfangswiderstände kann es leicht zu nicht vorgesehen
Resonanzen kommen.
Eine Möglichkeit die Auswirkungen der parasitären Eigenschaften zu minimieren, ist die
Bedämpfung dieser komplexen Komponenten mit Widerständen bzw. mit Hilfe
verlustbehafteter Dielektrika und Magnetika (siehe Kapitel 3.1.4).
Eine weitere Möglichkeit liegt im Bereich der Bauelemente selbst. So wird eine Erniedrigung
der parasitären Wicklungskapazität von Induktivitäten bei kleinen Stromstärken durch ein
Wickeln in einzelnen Kammern erreicht. Bei größeren Stromstärken wird versucht dieses durch
einlagige Wicklungen mit hochkant gewickeltem Flachkupferdraht zu erreichen. (vgl. [SCH91],
S. 163)
In diesem Zusammenhang sollte auch der Einfluß eines Eisenkerns auf die wirksame
Permeabilität nicht vergessen werden. Durch die Induktivitätszunahme erhöht sich die
Enstörwirkung. Zu beachen ist jedoch, daß die Permeabilität um so mehr abnimmt, je höher der
durchfließende Strom ist. Dieser Effekt ist bei Spulen ohne Eisenkern noch ausgeprägter. Wird
das Material hierbei in die magnetische Sättigung gebracht, so tritt der beabsichtigte Effekt nicht
ein. (vgl. [SCH91], S. 163)
Bei Kapazitäten sollten die Anschlußleitungen kurz gehalten werden oder/und die
Zuführungsleitungen möglichst breit (nicht rund) sein. Zweipolkondensatoren haben eine große,
Durchführungskondensatoren (Kapitel 3.5) eine kleine parasitäre Induktivität: Nicht jeder
handelsübliche Kondensator oder jede handelsübliche Induktivität ist als Entstörelement
geeignet. Eine geeignete Überprüfung der geforderten Eigenschaften ist ratsam.
Für weitergehende Hinweise, insbesondere die Verwendung von einzelnen Kondensatorformen
für symmetrische, asymmetrische oder unsymmetrische Störspannungen, hier auf das Buch von
Schwab [SCH91], S. 161ff verwiesen
Folgende Schaubilder (Bild 3.2.3) dienen zur Verdeutlichung der Abhängigkeit der
Resonanzfrequenz kapazitiver und induktiver Komponenten von ihren parasitären Einflüssen LP
und CP.
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 35
Bild 3.2.3
Frequenzabhängigkeit des Scheinwiderstandes bei einem Kondensator und einer Drosselspule
(fo=fres)
Im Kapitel 3.1.3 wurde von der Notwendigkeit gesprochen, die Auswirkungen der parasitären
Eigenschaften von Filterelementen zu minimieren. Eine Möglichkeit war die Bedämpfung dieser
komplexen Komponenten mit Widerständen bzw. mit Hilfe verlustbehafteter Dielektrika und
Magnetika.
Dissipative Dielektrika
Dissipative Dielektrika sind Isolierstoffe zwischen den Kondensatorplatten, welche die Kapazität
erhöhen. Neben einer geringen ohmschen Leitfähigkeit treten bei zusätzlicher
Wechselspannungsbeanspruchung weitere Wirkverluste auf. Die Wirkverluste entstehen durch
Reibungsverluste der Ionen und Dipole des dielektrischen Werkstoffs, wenn sich die Ionen bzw.
Dipole im wechselnden elektrischen Feld neu ausrichten müssen.
Um diese Eigenschaften bei Anlegen einer Wechselspannung mathematisch zu erfassen, führt
man eine komplexe Permittivität ein:
ε = ε / - jε //
Allgemein gilt:
CPlatte = ε A/d
I = U jω A/d (ε' - jε'')
ε' = ε0εr
ε ε //
= εr - j
ε0 ε0
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 36
Der Realteil ist ein Maß für die Kapazitätserhöhung in Anwesenheit eines Dielektrikums, der
Imaginärteil beschreibt den ohmschen Verlustwiderstand bei Wechselstrombelastung. Das
Ersatzschaltbild (Bild 3.2.4.a) wird wie folgt angenommen:
Bild 3.2.4.a
Ersatzschaltbild für eine verlustbehaftete Kapazität
Der Verlustfaktor tan(δC) ist das Verhältnis von Wirk- zu Blindleistung bzw. von ε“ zu ε‘. Der
Kehrwert wird als Güte QC bezeichnet (um nicht die üblicherweise mit Q bezeichnete
Blindleistung mit der Güte zu verwechseln, wird hier die Indexschreibweise vorgezogen).
Re(I ) PW ε //
tan (δ C ) = = = /
Im( I ) PB ε
P = U 2 ω C tan (δ C )
Dissipative Ferro- und Ferrimagnetika (Ferrite) sorgen in Induktivitäten für Wirbelströme und
Ummagnetisierungsverluste. Auch ihre Eigenschaften lassen sich durch komplexe Größen
beschreiben (komplexe Permeabilität):
µ = µ / - jµ //
Allgemein gilt:
U = I jωL
µ' = µ0µr
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 37
Der Realteil entspricht dem bekannten µr, welcher ein Maß für die Induktivitätserhöhung bei
Anwesenheit eines Ferromagnetikums ist. Der Imaginärteil ist ein Maß für den ohmschen
Kernverlustwiderstand.
Das Ersatzschaltbild (Bild 3.2.4.b) wird wie folgt angenommen:
Bild 3.2.4.b
Ersatzschaltbild für eine verlustbehaftete Induktivität
Auch hier ist, wie bei den dissipativen Dielektrika ausgeführt, der Verlustfaktor das Verhältnis
von Wirk- zu Blindleistung. Der Kehrwert wird als Güte QL bezeichnet:
Re( U ) PW µ //
tan (δ L ) = = = /
Im( U ) PB µ
P = I 2 ω L tan (δ L )
Als Eigenheit wird bei Daten- oder Telefonleitungen eine besondere Art der passiven Entstörung
angewendet: Dämpfungsbeschwerte Leitungen (Bild 3.3.a). Bei diesem Leitungstyp wird eine
Gegenmaßnahme angewendet, die bereits in Kapitel 2 vorgestellt wurde. Dort wurden Ferrit-
Ringe um Leitungen angeordnet. Ein HF-Strom erzeugt einen Fluß, der dem erzeugenden Strom
entgegenwirkt und somit dämpfend wirkt. Ferrite erhalten den Vorzug vor Eisen, da sie erst bei
höheren Frequenzen in die Sättigung kommen. Kommt es zu einer solchen Sättigung so kann ein
entsprechender Fluß nicht mehr aufrecht erhalten werden und die Dämpfung nimmt ab bzw. wird
ganz aufgehoben.
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 38
Bild 3.3.a
Ferritringe zur Dämpfungsbeschwerung
IC = Gleichtaktstom, Ib = Betriebsstrom
Als biegsame Ummantelung aus verlustbehaftetem Material kann die Ausführungsform wie folgt
dargestellt werden (Bild 3.3.b):
Bild 3.3.b
Modellbild einer dämpfungsbeschwerten Leitung
Die praktischen Ausführung besteht aus einem Innenleiter mit einer gut leitenden metallischen
Seele, umgeben von einer schlecht leitenden dissipativen Schicht.
Das durch den Betriebsstrom erzeugte Magnetfeld kompensiert sich infolge der
„Gegeneinanderschaltung“ der beiden Stromrichtungen selbst. Somit werden Gleichtaktströme
gedämpft (der hineinfließende Gleichtaktstrom Ic des Hinleiters wird durch den in die gleiche
Richtung fließenden Gleichtaktstrom Ic des Rückleiters mittels des dissipativen Mediums
kompensiert).
Bild 3.3.c
Dämpfungsbeschwerte Leitungen (engl.: lossy lines)
links: koaxialer Leiter; rechts: gewendelter Innenleiter
Dämpfungbeschwerte Leitungen, wie sie in Bild 3.3.c zu sehen sind, bestehen aus einer leitenden
Seele welche von einem schlecht leitenden dissipativen Material umhüllt ist. Ein Dielektrikum
trennt diese beiden Elemente vom Geflechtschirm. Bei hohen Frequenzen wird aufgrund des
Skin-Effektes der Strom des Innenleiters in die umgebende dissipative Schicht gedrängt und
damit bedämpft. (vgl. [Sch91], S. 168).
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 39
3.4 Überspannungsableiter
Die bis jetzt vorgestellten Filter schützen nicht vor hohen Überspannungen, da sie entweder nicht
stoßstromfest sind (Blitz, NEMP, ESD, usw.) oder keinen hohen Überspannungen standhalten
können, ohne sie abzuleiten.
In solchen Fällen setzt man Bauelemente ein, die bei Betriebsspannung stark hochohmig, bei
Überspannungen jedoch stark niederohmig sind. Überspannungsableiter haben im allgemeinen
nichtlineare Kennlinien.
Im folgenden werden drei Gruppen dieser Bauelemente vorgestellt.
3.4.1 Zener-Dioden
Bild 3.4.1
Kennlinie einer Zener-Diode
Überspannungs-Schutz-Diode
Suppressordioden
TAZ-Dioden (Tansient Absorbing Zenerdiode)
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 40
3.4.2 Varistoren
I = K Uα
Bild 3.4.2
Kennlinie, Ersatzschaltbild und Schaltzeichen eines Varistors
3.4.3 Funkenstrecken
Hauptsächliche Einsatzgebiete für Funkenstrecken finden sich in der Energieversorgung und bei
der Telekommunikation. Der große Nachteil der Funkenstrecken besteht darin, daß ein schneller
Anstieg der an einer Funkenstrecke anliegenden Spannung die Durchschlagsspannung ansteigen
läßt; d.h. je größer du/dt ist, desto größer ist die Spannung, ab der die Funkenstrecke
durchschlägt und die Spannung wieder abgebaut wird.
Dies kann für die zu schützenden Bauelemente schnell zu einer Gefährdung führen. Deshalb
sollten Funkenstrecken nicht als alleiniger Schutz Einsatz finden. Hierzu sollte das folgende
Kapitel 3.5 - Hybrid-Ableiterschaltungen - beachtet werden.
Ein weiterer, entscheidender Nachteil einer Funkenstrecke ist, daß die Brennspannung bei
bestehendem Lichtbogen, nach Abbau der Überspannung, sehr niedrig ist und somit in einem
Gleichstromkreis u. U. keine Löschung des Lichtbogens stattfindet (da dieser ihn weiterhin am
„brennen“ hält). Daher müssen derartige Kreise zusätzlich mit einer Schmelzsicherung
abgesichert werden. Bei Wechselstrom wird dagegen bei jedem Nulldurchgang der Spannung der
Lichtbogen gelöscht.
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 41
Funkenstrecke Varistor
Bild 3.4.3
Vergleich einer Funkenstrecken- und Varistorkennlinie
In der rechten Bildhälfte des Bildes 3.4.3 ist im Vergleich zur Funkenstrecke die Kennlinie eines
Varistors dargestellt.
Der entscheidende Vorteil der Funkenstrecke liegt in der geringen kapazitiven Rückwirkung und
der hohen Strombelastbarkeit (Stromtragfähigkeit). Es gibt sie in gekapselter Form oder auch in
offener Stabform.
3.5 Hybrid-Ableiterschaltungen
Wie bereits im Kapitel 3.4 erwähnt, sollten für eine optimale Überspannungsfilterung alle drei
vorgestellten Ableitsysteme sinnvoll kombiniert werden, wenn nicht sogar noch zusätzlich mit
den in Kapitel 2.3 (Praxisbezogene Entstörmaßnahmen: u.a. Trenntransformator, Optokoppler,
Reed Relais) vorgestellten Möglichkeiten versehen werden. Solche Kombinationen nennt man
Hybrid-Ableiterschaltungen.
Beispielsweise kann ein Varistor und eine Funkenstrecke in Reihe geschaltet werden, damit die
Ausbildung eines Folgestroms in niederohmigen Netzen und bei Gleichspannung verhindert
wird. Weiterhin gibt es bei dieser Verschaltung eine höhere Ansprechspannung und, aufgrund
der hohen Isolationswirkung der Funkenstrecke, keinen Leckstrom.
In Bild 3.4.asorgt der Varistor im Falle einer brennenden Funkenstrecke für einen
Spannungsabfall (wird nach Abklingen der Überspannung wieder hochohmig), um den
Lichtbogen bei Unterschreitung der Nennansprechspannung wieder zu löschen.
Bild 3.5.a
Beispiel einer Hybridableiterschaltung
Zener- und Suppressordioden haben eine große parasitäre Kapazität. Deshalb schaltet man
kapazitätsarme Dioden vor (Bild 3.5.b).
Die maximale Stoßstromtragfähigkeit in Vorwärtsrichtung und die maximale Sperrspannung in
Rückwärtsrichtung der vorgeschalteten Dioden muß bei der Schaltungsdimensionierung
unbedingt mit berücksichtigt werden.
Kapitel 3 – Passive Entstörkomponenten 42
Bild 3.5.b
Beispiel für die Verminderung der kapazitiven Wirkung von
Zener- oder Suppressordioden
Bild 3.5.c
Wirkungsweise einer Überspannungsschutzkaskade
Trifft ein Überspannungsimpuls ein, spricht zuerst die Supressordiode an. Dadurch fließt ein
Strom i1, welcher an der Induktivität L1 einen Spannungsabfall uL1 gemäß uL1 = L1 di1/dt
verursacht. Diese Spannung bringt den Varistor zum Ansprechen. Dies wiederum führt zu einem
Strom i2 und einem Spannungsabfall UL2, welcher den Gasentladungsableiter durchzündet. (vgl.
[Hab98], S.109)
Kapitel 4
Elektromagnetische Schirme
Einführende Fragen:
Störquelle und -senke sind gemäß Kapitel 2.1 über den Störpfad miteinander verbunden. In
diesem Kapitel werden kapazitive, induktive und elektromagnetische Beeinflussungs-
möglichkeiten auf den Störpfad sowie entsprechende Gegenmaßnahmen betrachtet.
Dazu ist es erforderlich, die verschiedenartigen Störfelder zu unterscheiden:
Bild 4.2.a
Feldfreier Raum im elektrostatischen
Feld
Auch dielektrische Hüllen haben einen Einfluß auf elektrostatische Felder. Da ein Dielektrikum
keine freien Ladungsträger besitzt, beruht die Schirmung auf dem Prinzip der Ablenkung der
elektrischen Feldlinien durch Refraktion (Brechung) am Übergang von einem Medium (z.B.
Luft) in das Andere (Dielektrikum). Die Feldlinien werden dabei kanalisiert (Bild 4.2.b).
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 45
Bild 4.2.b
Schirmung mit Dielektrikum
Es gelten die Brechungsgesetze (α = Winkel zwischen jeweiliger Feldlinie und dem Lot auf der
Grenzfläche):
tan (α 1) εr E n1 ε r2
= 1 ⇒ = ⇒ E t1 = E t 2
tan (α 2 ) ε r2 E n2 ε r1
Ea ε d
a SE = ln ≈ ln (1 + 1,33 r ) ,
Ei D
Eine Umverteilung der Oberflächenladung kann nur mit endlicher Geschwindigkeit der
Ladungsträger erfolgen. Wenn in Bild 4.2.a (Feldfreier Raum im elektrostatischen Feld)
beispielsweise kein statisches sondern ein Wechselfeld zwischen den Platten anliegt kann ein in
jedem Raumpunkt entsprechendes Gegenfeld nur zeitversetzt zum einwirkenden (Wechsel-) Feld
aufgebaut werden. Aus diesem Grund ist bei sich schnell ändernden elektrischen Feldern keine
vollständige Schirmdämpfung zu erreichen.
An die formale Realisierung des Schirmgehäuses sind je nach Anwendungsfall besondere
Mindestanforderungen zu stellen. Verwendet man ein Gehäuse mit Ecken und Kanten (Bild 4.3),
so verbleibt ein gewisser kapazitiver Durchgriff durch die Schlitze, wenn nur die Ecken
elektrisch gut verbunden werden. Wird dieser Durchgriff nicht toleriert, so müssen spezielle
Dichtungen verwendet werden.
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 46
Um eine hohe Schirmdämpfung auch bei sich schnell ändernden Feldern zu erreichen, müssen
die Gehäuseteile öfters untereinander kontaktiert werden, um kürzere Strecken für die
Potentialausgleichsströme zu schaffen.
Bild 4.3
Gehäuse mit kapazitiver Durchgriffsmöglichkeit
Schattet man einzelne Baugruppen nur mit einzelnen Schirmblechen ab (also keine
gehäuseförmige Umhüllung), so müssen diese zwingend geerdet werden. Das Schirmblech
nähme nur das Potential des jeweiligen Ortes an und eine Schirmwirkung wäre damit nicht mehr
gegeben.
Eine Erzeugung eines magnetostatischen Gegenfeldes durch Schirmmaterialien ist nicht möglich,
da magnetostatische Feldlinien in sich geschlossen sind und somit keine Anfangs- und
Endpunkte haben, die durch Ladungsträger aufgebaut werden können.
Deshalb ist die Schirmung mit ferromagnetischen Hüllen (Bild 4.4) die einzige Möglichkeit,
magnetostatische Felder von einem zu schützenden Objekt zu distrahieren (lat. distrahere =
wegziehen, abziehen).
Bild 4.4
Wirkungsweise einer ferromagnetischen
Hülle gegen magnetostatische Felder
Es gelten die Brechungsgesetze (α = Winkel zwischen jeweiliger Feldlinie und dem Lot auf der
Grenzfläche):
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 47
tan (α 1) µr H n1 µ r2
= 1 ⇒ = ⇒ H t1 = H t 2
tan (α 2 ) µ r2 H n2 µ r1
Ha µd
a SH = ln ≈ ln (1 + 1,33 r )
Hi D
Beispiele:
(µrd = 1000mm)
Je höher die Frequenz des magnetischen Wechselfeldes ist, desto besser ist die Schirmwirkung.
Keine Wirkung zeigt diese Schirmmethode bei magnetischen Feldern mit f → 0 H z .
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 48
Eine Schirmung gegen elektromagnetische Felder muß folgende Problematik mit einbeziehen:
[Sch91], S.204: Mit zunehmender Frequenz verliert „die quasistatische Betrachtungsweise ihre
Gültigkeit, da die induzierende Wirkung des Verschiebungsstroms nicht mehr vernachlässigt
werden kann. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn sich der Schirm im Fernfeld des Senders
befindet, in dem elektrische und magnetische Felder nicht mehr über den Wellenwiderstand
einer Antenne, sondern über den Wellenwiderstand des freien Raumes [...] miteinander
gekoppelt sind. Während in quasistatischen magnetischen Wechselfeldern nur ein magnetisches
Rückwirkungsfeld entsteht, tritt hier auch ein merkliches elektrisches Rückwirkungsfeld auf. Der
Schirm wird selbst zum Sender und strahlt eine elektromagnetische Welle ab[...]“
Bei hohen Frequenzen verhalten sich Schirmhüllen daher auch als Hohlraumresonatoren,
wodurch es es im Bereich der Eigenresonanzen zu Einbrüchen in der Schirmdämpfung kommen
kann.
Zur Berechnung der Schirmwirkung sei hier u.a. auf [Sch91], S. 238ff, verwiesen.
4.7 Zusammenfassung
• Auch hier ist eine Schirmung durch die Influenzwirkung gegeben. Zu beachten ist
jedoch, daß die Höhe der Frequenz einen Einfluß auf die Schirmwirkung hat. Mit
zunehmender Frequenz stellt sich eine Phasenverschiebung ein, die aufgrund der
begrenzten Geschwindigkeit der Ladungsverschiebung entsteht. Diese
Phasenverschiebung bewirkt eine Endlichkeit der Schirmdämpfung.
• Durch das Bedämpfen des elektrischen Feldes, erreicht man auch eine Bedämpfung
des magnetischen Feldes
Erzeugt man (elektrische oder magnetische) Wechselfelder mit hoher Frequenz, so kann man ab
einem bestimmten Abstand von der Quelle nicht mehr vom getrenntem elektrischen oder
magnetischen Feld sprechen. Denn gemäß der Maxwellschen Gleichungen ist an ein elektrisches
Wechselfeld ein magnetisches Wechselfeld gekoppelt und umgekehrt. Relevant wird diese
Eigenschaft jedoch erst bei hohen Frequenzen bzw. bei großem Abstand von der Quelle.
Bereits in Kapitel 2 wurde auf die Begriffe Nah-, Übergangs- und Fernfeld eingegangen. Hier
jedoch der Vollständigkeit halber noch einmal die entsprechenden Hinweise:
Für den Abstand x (Abstand von der Sendeantenne bzw. Abstand zwischen Störquelle und -
senke)
gilt:
Nahfeld: x < 0,1 λ
Übergangsfeld: d = (0,1 ... 3) λ
Fernfeld: x>3λ
[vgl. Gon92, S.425]
Habiger [Hab98, S.85f u. S.111] unterteilt das Feld „nur“ in Nah und Fernfeld (Bild 4.8.a). Seine
Bedingungen lauten:
Bild 4.8.a
Grenzkurve (f = c/2πx) zwischen Nah- und Fernfeld
Im Nahfeld und Übergangsfeld sind der Feldwellenwiderstand des elektrischen Feldes und der
des magnetischen Feldes ungleich. Im Fernfeld tritt ein elektromagnetischer
Feldwellenwiderstand auf, der für elektrisches- und magnetisches Teilfeld des
elektromagnetischen Feldes gleich ist und gemäß
E µ
=Z= = 120 ⋅ π Ω = 377 Ω
H ε
berechnet werden kann.
Für einen normierten Abstand zur Quelle hängen elektrisches und magnetisches Feld gemäß Bild
4.8.b über den Feldwellenwiderstand zusammen:
Bild 4.8.b
Feldwellenwiderstand für Nah- und Fernfelder
bezogen auf den normierten Abstand zur Quelle
Im Nahfeld ist das elektrische Feld hochohmig, das magnetische Feld niederohmig über den
Feldwellenwiderstand miteinander verbunden. Eine Abschätzung des zu einem elektrischen
Feldes gehörenden magnetischen Feldes ist folgendermaßen möglich:
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 51
Hat man ein Feld mit 10 V/m elektrischer Feldstärke und ist soweit von der Quelle entfernt, daß
200 kOhm für den elektrischen Feldwellenwiderstand angesetzt werden können, so kann mit E =
Z ⋅ H das dazugehörige magnetische Feld abgeschätzt werden:
Wichtig: Umgekehrt ist für ein magnetisches Nahfeld die Berechnung des zugehörigen
elektrischen Feldes nach dieser Methode nicht zulässig, da das betreffende elektrische Feld aus
zwei Komponenten besteht. Daher sind auch die Feldwellenwiderstände im Bild 4.7.b für
elektrische und magnetische Nahfelder stark unterschiedlich. Erst im elektrischen Fernfeld ist
diese Berechnungsweise als Abschätzung für elektrisches und magnetisches Feld wieder
zulässig.
In den obigen Kapiteln kommt die Schirmwirkung gegen elektrische und magnetische
Wechselfelder durch Influenz und Induktion im Schirmmaterial zustande, welche entsprechende
Gegenfelder aufbauen, die sich mit den Primärfeldern überlagern und diese dann schwächen.
Die Schirmdämpfungen waren dabei mit aH = ln Ha/Hi und aE = ln Ea/Ei angegeben worden und
die Berechnung beruhte auf der Ermittlung der entsprechenden Feldstärken vor und hinter einem
Schirm (Bild 4.9).
Bild 4.9
Störquelle - Schirm – Störsenke
Diese Schirmdämpfungen, man nennt sie auch Gesamtschirmdämpfungen aS , setzen sich aus
zwei Komponenten zusammen:
• Absorptionsdämpfung und
• Reflexionsdämpfung
Bei der Absorptionsdämpfung wird die Feldenergie vom Schirmmaterial absorbiert (z.B. durch
Hystereseverluste). Bei der Reflexionsdämpfung wird die einfallende Feldwelle durch das
Schirmmaterial reflektiert.
Somit wirken Absorptionsdämpfung asa und Reflexionsdämpfung asr synergetisch (mitwirkend,
behilflich) und ergeben die Gesamtschirmdämpfung aS:
a s = a sa + a sr
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 52
Reflexionsdämpfung asr
c
Magnetisches Nahfeld (x < )
2π f
µr
a sr = (15 − 10 lg + 20 lgx) + 10 lg(f)
σr
c
Elektrisches Nahfeld (x < )
2π f
µr
a sr = (202 − 10 lg + 20 lgx) − 30 lg(f)
σr
c
Elektromagnetisches Fernfeld (x > )
2π f
µr
a sr = (168 − 10 lg ) − 10 lg(f)
σr
Absorptionsdämpfung asa:
a sa = 0,1314 d µ rσ r f,
Die Ausdrücke in den runden Klammern charakterisieren jeweils den Einfluß der
Materialeigenschaften des Schirms und der Schirmwandstärke d auf die einzelnen
Dämpfungsfaktoren.
Grafisch ergibt sich für die prinzipielle Frequenzabhängigkeit der Gesamtschirmdämpfung as für
Magnetfelder im Nahbereich (Bild 4.10.a):
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 53
Bild 4.10.a
Frequenzabhängigkeit der Gesamtschirmdämpfung
für Magnetfelder im Nahbereich
Für elektromagnetische Fernfelder (Kurve 1) sowie für elektrische Nahfelder (Kurve 2) gilt
(Bild 4.10.b):
Biel 4.10.b
Gesamtschirmdämpfung für elektromagnetische
Fernfelder (1) und elektrische Nahfelder (2)
Eine Dämpfung von ca. 30 dB läßt sich schon durch eine einfache Blechkonstruktion erreichen.
Oft sorgen Öffnungen (z.B. Zu- oder Abluft) und Schlitze (z.B. bei Türen und Fenstern) für eine
Minderung der Dämpfungsqualität einer Schirmungsmaßnahme. Ebenso können
Hohlraumresonanzen in geschlossenen Schirmgehäusen auftreten, wenn zum Beispiel im
Schirmraum befindliche Störquellen ein Störsignal aussenden mit der Folge, daß es an der
Schirminnenwand reflektiert wird und sich eine stehende Welle ausbildet.
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 54
4.11 Schirmmaterialien
(siehe auch [Hab98], S.113)
unmagnetische Leiterwerkstoffe
magnetische Stoffe
Türspalte und Trennfugen von Schirmen und Schirmräumen müssen umlaufend elektrisch
kontaktiert werden. Die Industrie bietet eine große Auswahl von Dichtungen und
Dichtmaterialien an. Diese sollten folgenden Anforderungen genügen:
• Ein Schirmspalt muß möglichst niederohmig überbrückt bzw. kurzgeschlossen werden.
• Die Langzeit-Elastizität und die Verschleißfestigkeit müssen gewahrt werden (z.B. bei
Türen).
• Nach einer Kompression (Zusammendrücken) darf nur ein geringer Elastizitätsverlust
auftreten.
• Die Anpreßkräfte sollten möglichst groß sein (entsprechende Mechanismen müssen z.B.
bei Türen vorhanden sein).
• Mit den Gegenkontaktflächen muß eine galvanische Verträglichkeit bestehen (keine
Kontaktkorrosion).
• Bei rein metallischen Dichtungen ist eine selbstreinigende Relativbewegung erwünscht.
• Bei Kunststoffverbund-Dichtungsmaterialien ist eine selbstreinigende Relativbewegung
unerwünscht (schnelle mechanische Zerstörung).
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 55
Bild 4.13.a
Potentiometerwelle mit HF-Dichtung
Bei derartig durchgeführten Wellen wirkt das Einführungsrohr unterhalb einer Grenzfrequenz
wie ein Hohlleiter (Bild 4.13.b). Diese Grenzfrequenz (Hochpaß) kann gemäß [Kad59] nach der
Formel
8,2 ⋅ 10 9
f Gr = Hz
r0 / cm
berechnet werden. Die Dämpfung für Magnetfelder hängt dabei vom Verhältnis Kaminlänge zu
Radius bzw. Durchmesser ab und berechnet sich nach [Kad59] wie folgt:
l
a = 1,84
r0
Bild 4.13.b
Als Hohlleiter wirkende Durchführung
für eine Potentiometerwelle
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 56
Geräte und Schirmkabinen benötigen nicht nur Durchführungen für Netz-, Signal-, Daten- oder
Steuerleitungen, sondern auch für die Belüftung. Daher ist man gezwungen, Transportwege für
Luft aber nicht für Störungen jeglicher Art zu schaffen. Gebräuchlich sind Lochreihen, wie sie
beispielsweise bei Mikrowellenherdtüren üblich sind (bei Mikrowellenherden nur als
Sichtfenster eingesetzt). Der Perforationsgrad, der nach nachfolgender Formel berechnet wird,
beeinflußt die Schirmdämpfung:
2
n π r0
p = ,
A
Je größer der Lochradius gewählt wird, desto stärker nimmt die Schirmdämpfung bei konstantem
Perforationsgrad ab.
Die Konsequenz: Viele kleine Löcher sind besser als wenige große!
Eine weitere Möglichkeit, vornehmlich Belüftungswege zu schaffen, ist der Einbau von
Wabenkaminen in Schirmwände. Hierbei wird wieder, wie bei der Durchführung von
Potentiometerwellen, die Hohlleitertheorie zur Beurteilung der Dämpfungswirkung
herangezogen. Für Wabenfenster-Geometrien gelten in Bild 4.13.c die Dämpfungen as gemäß
[Kad59]:
Bild 4.13.c
Wabenfenster-Geometrien und ihre Dämpfung
Bild 4.13.d
Wabenkaminfenster für unterschiedliche Frequenzbereiche (Siemens)
In Schirmgehäuse ein- und ausgeführte Leitungen müssen über Filter geführt werden, um das
Eindringen von Störpotentialen in das Schirminnere zu vermeiden.
Um Ausgleichsströme in der Schirmwand zu vermeiden, werden alle Filter-, Erdungs- und
Kabelschirmanschlüsse an einer Stelle am Schirmgehäuse angeordnet (Bild 4.14.a;
Schirmgehäuse müssen gemäß den VDE-Bestimmungen 0100, 0107, 0190, 0874, 0875 aus
Sicherheitsgründen geerdet werden).
gut schlecht
Bild 4.14.a
Anschlüsse von Leitungen an Schirmgehäuse
Das richtige Durchführen von ungeschirmten, elektrischen Leitungen sei an Bild 4.14.b
verdeutlicht:
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 58
Bild 4.14.b
Durchführung von ungeschirmten elektrischen Leitungen
Bild 4.14.c
Durchführung einer geschirmten Leitung
in einen geschirmten Raum
Ein EMV-gerechter Aufbau eines Gerätegehäuses ist nachfolgend dargestellt (Bild 4.14.d):
Bild 4.14.d
EMV-gerechtes Gehäusedesign
Kapitel 4 – Elektromagnetische Schirme 59
4.15 Raumschirmungen
Bild 4.14.d
Pyramidenabsorber
Kapitel 5
Repräsentative EMV-Probleme
Einführende Fragen:
In der Energietechnik muß nicht nur elektrische Leistung in mechanische Leistung (oder
umgekehrt), sondern auch Erscheinungsformen elektrischer Energie (z.B. Wechselspannung und
Wechselstrom) in andere Erscheinungsformen, umgesetzt werden (z.B. Gleichspannung bzw.
Gleichstrom). Dazu benötigt man leistungselektronische Wandler.
Bild 5.1.1.a
Halbgesteuerter B2-Brückengleichrichter
Wenn die Zeitkonstante τ = L/R der ausgangsseitigen Belastung sehr viel größer als die
Periodendauer T1 der speisenden Spannung ist, so kann angenommen werden, daß der
Ausgangsstrom ideal geglättet ist.
Da der Eingangsstrom (Wechselstrom) mit Hilfe der steuerbaren Ventile (Dioden und
Thyristoren) immer so umgeschaltet wird, daß der Stromfluß am Ausgang als konstant in eine
Richtung angenommen werden darf (Gleichstrom), so ist eingangsseitig der (Wechsel-) Strom
mit einem rechteckförmigen Verlauf anzunehmen (Bild 5.1.1.b unten).
Die Pausenzeit zwischen zwei Stromrechtecken ist durch den Zündwinkel α bestimmt. (Anm.:
Damit es bei der Schaltung der Pausen zu keinem Ventilkurzschluß kommt, ist eine
Kommutierungsinduktivität LK im Wechselspannungsteil der Brückenschaltung vorzusehen)
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 63
Bild 5.1.1.b
Ausgangsspannung und Eingangsstromverlauf des
Brückengleichrichters
Gemäß der Fourieranalyse eines rechteckförmigen Stromes ergibt sich für ein konstantes α ein
Linienspektrum mit den diskreten Frequenzen
1
f n = n ⋅ f1 = n ⋅ ; n = 1, 3, 5, ...
T1
T1 : Periode der Netzspannung u1
i1 ( t ) 4 α
cn = = cos ( n ) ; n = 1, 3, 5, ...
Id πn 2
(Anm.: Es ist zu beachten, daß hier eine Fourier-Reihe vorliegt, und daher auch die
Spektralamplituden diskrete Werte sind).
Die eigentliche, für EMV-Belange interessierende Tatsache, ist die Entstehung weiterer,
von f1 verschiedener Frequenzen.
Frequenzanteile bis 20 kHz werden als „Netzrückwirkungen“ bezeichnet, Frequenzanteile über
20 kHz werden dem Gebiet „elektromagnetische Unverträglichkeit“ zugeordnet. In beiden Fällen
handelt es sich um potentielle Störkomponenten. Früher wurden solche Netzrückwirkungen
beispielsweise von Aufzugs-Bremsen verursacht und damit Rechner vereinzelt zum
Absturz gebracht.
Effektivwert n - te Schwingung I1 ( f n )
kn = =
Gesamteffektivwert n
∑I
ν =1
2
1 ( fν )
oder globaler durch die Angabe des Gesamtklirrfaktors k bzw. des Grundschwingungsgehaltes g:
∑I
ν =1
2
1 ( fν )
∑I
ν =1
2
1 ( fν )
Ordnungszahl Spannungsoberschwingver-
hältnisse in %
3 0,85
5 0,65
7 0,6
9 0,4
11 0,4
13 0,3
2 0,3
Tabelle 5.1.1
Tabelle 5.1.1 ist ein Auszug aus der DIN VDE 0838. Dort werden die zulässigen
Spannungsoberschwingungsverhältnisse für Haushaltsgeräte festgelegt. Die Messungen erfolgten
dabei an einer symmetrischen Netzimpedanz:
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 65
Die Einhüllende (Bild 5.1.1.c) aller cn(n,α)-Kurven deckt alle auftretenden Zündwinkel und
alle davon erzeugten Oberschwingungsanteile ab („worst-case-Betrachtung).
Bild 5.1.1.c
Einhüllende des Spektrums für verschiedene Zündwinkel
Das obige Beispiel steht stellvertretend für weitere EMV-Störquellen, die auf
Wechselstromstellerbasis arbeiten, wie beispielsweise Dimmer und ähnliches.
5.1.2 Kommutatormaschinen
abhängen.
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 66
In Bild 5.1.2.a ist exemplarisch der Störspannungsverlauf eines Kfz-Lüftermotors aufgezeigt. Die
Messung erfolgt gemäß der Vorschrift VDE 0879, Teil 3 (Funk-Entstörung von Fahrzeugen,
Fahrzeugausrüstungen und Verbrennungsmotoren) (vgl. [Gon92], S. 375ff).
Bild 5.1.2.a
Spektrum eines unentstörten Kfz-Lüftermotors
Nach der Entstörung mittels eines LC-Entstörfilters ändert sich der Verlauf des Störspektrums
wie nachfolgend (Bild 5.1.2.b):
Bild 5.1.2.b
Spektrum eines entstörten Kfz-Lüftermotors
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 67
Der bei 30 MHz erkennbare Spannungssprung ist auf die in der Meßnorm vorgeschriebene
Meßbereichsumschaltung (Meßbandbreite) zurückzuführen.
Im Falle eines Leitungskurzschlusses auf Einrichtungen der Energieübertragung ist eine hohe
Energie abzubauen, die in der Netzinduktivität gespeichert ist. Sie berechnet sich nach folgender
Formel:
1
Wm = ⋅ L ⋅ I 2
2
Bild 5.1.3.1.a
Netzbeispiel
Eine Sammelschiene, die aus dem Mittelspannungsnetz über einen Transformator gespeist wird,
hat Leitungsabgänge, von denen aus einzelne Verbraucher versorgt werden. Diese werden
jeweils mit Schmelzsicherungen geschützt.
Sollte es an der im Bild 5.1.3.1.a eingezeichneten Stelle zu einem Kurzschluß kommen, so
schmilzt die Sicherung. Als weitere Folge tritt ein Lichtbogen auf, bei der die in der
Netzinduktivität gespeicherte magnetische Energie in Wärme umgesetzt wird. Die induzierte
Überspannung (die Netzinduktivität wirkt dem Stromabfall nach Auslösen der Sicherung
entgegen) wirkt sich über die Sammelschiene auch auf die benachbarten Leitungsabgänge aus.
Die Höhe der induzierten Spannung hängt von der Größe der Netzinduktivität, vom
Kurzschlußort und vom eingesetzten Sicherungstyp ab.
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 68
Bild 5.1.3.1.b
Approximation der entstehenden Überspannung
Im obigen Beispiel berechnet sich der Kurzschlußstrom über die Kurzschlußspannung des
speisenden Transformators:
1 I
= K,
uk IN
Auftretende Kurzschlußarten:
• 1-poliger Kurzschluß
• 3-poliger Kurzschluß
Zu bemerken ist abschließend noch, daß Sicherungen, die aufgrund eines Kurzschlusses
auslösen, mit zu denjenigen Quellen gehören, deren Überspannungen am gefährlichsten sind.
Lichtbögen von Schaltern, Schützen und ähnlichem, welche Betriebsströme schalten, sind lange
nicht so energiereich (dennoch kann es hier aufgrund von „reflektierten“ Wellen auch zu
höheren Überspannungen kommen; siehe auch Kap. 5.1.3.3).
Liegt der Ortes des Kurzschlusses direkt hinter der Sicherung so zeigen sich höhere
Überspannungen als wenn er am Ende eines langen Kabels direkt am Verbraucher stattfindet.
Der ohmsche Widerstand des Kabels begrenzt den Kurzschlußstrom und damit die Schaltenergie
der Sicherung (vgl. [Gon92], S. 94).
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 69
Bei einer Leitungsabschaltung, z.B. für Reparatur- und Wartungszwecke, sind immer folgende
Sicherheitsregeln zu beachten:
1. Es wird zuerst die Energiezufuhr zur betroffenen Leitung abgeschaltet (allpolige
Abschaltung). Diese Abschaltung hat jedoch nicht zur Folge, daß nach dem
Abschaltvorgang die in der Leitung gespeicherte kapazitive Energie abgebaut worden ist.
2. Die Anlage bzw. Leitung ist gegen Wiedereinschalten zu sichern (Klebestreifen über
Sicherung, Schraubsicherung mitnehmen). Zusätzlich ist der Name des Verantwortlichen
kenntlich zu machen.
3. Eine Prüfung auf Spannungsfreiheit ist obligatorisch.
4. Der Abbau der gespeicherten Energie geschieht erst durch das Kurzschließen und Erden
der Leitung. Da die verbleibende Restenergie von der im Abschaltzeitpunkt anliegenden
Momentanspannung und der Betriebskapazität der Leitung abhängt, muß bei einem
solchen Kurzschluß eine Analyse erfolgen, um den Entladestrom zu ermitteln, welcher in
erster Näherung nur durch die ohmschen Leitungsverluste und die Leitungsinduktivität
begrenzt wird.
Da in der EMV-Technik die „worst-case“-Betrachtung empfehlenswert ist, kann der
Entladestrom wie folgt approximiert werden (hierbei wird auch auf den Einfluss des
ohmschen Widerstand verzichtet):
C'
i max ≈ 2 ⋅U⋅
L'
Dieser Strom führt zu hohen Magnetfeldern und damit zur möglichen induktiven
Einkopplung in andere elektrische Systeme, wie zum Beispiel in Telefonleitungen,
Datenleitungen, usw. (vgl. Gon92], S. 378f).
5. Benachbarte, unter Spannung stehende Teile sind abzuschranken.
Zur einfachen Erläuterung der durch Schalthandlungen ausgelösten Vorgänge dient Bild
5.1.3.3.a, bei dem eine Hochspannungsquelle U0 über eine Leitung mit dem Wellenwiderstand Γ
1, der Länge l1 und der Laufzeit T1 mit einem Trennschalter an die Leitung 2 mit dem
Wellenwiderstand Γ2, der Länge l2 und der Laufzeit T2 zugeschaltet wird. Mit dem Schließen des
Trennschalters ist eine nach links laufende Spannungswelle verbunden, welche die Amplitude
Γ1
∆ u1 = - U 0 ⋅
Γ1 + Γ2
besitzt.
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 70
Ebenso wird eine nach rechts laufende Spannungswelle nach dem Leitungspunkt D geschickt.
Diese hat die Amplitude
Γ2
∆ u2 = U0 ⋅
Γ1 + Γ2
Bei einer Änderung des Wellenwiderstandes auf der Leitungsstrecke (z.B. am Ende oder
Anfang) werden die ausgelösten Wanderwellen reflektiert. Der Reflexionsfaktor berechnet sich
nach der Formel
Z - ΓL
r= ,
Z + ΓL
Bild 5.1.3.3.a
Verdeutlichung der Wanderwellenproblematik
auf Freileitungen
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 71
Nach der Laufzeit T2 wird die Wanderwelle 2 am Leitungspunkt D mit einem Reflexionsfaktor
rD = 1 in Richtung Trennschalter reflektiert; ebenso wird nach der Laufzeit T1 die Wanderwelle 1
am Leitungspunkt A mit einem Reflexionsfaktor rA = -1 in Richtung Trennschalter auf den Weg
gehen. Nach der doppelten Laufzeit treffen beide Spannungswellen am Trennschalter
aufeinander und erfahren dort eine neue Reflexion. Diese neuen Spannungswellen laufen
wiederum auf die jeweiligen Leitungsenden zu und überlagern sich später mit weiteren
Reflexionen.
t< 0
t> 0
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 72
Bild 5.1.3.3.b
Räumlicher Verlauf einer Wanderwellenreflexion
Trennschalter zeigen darüber hinaus in der Praxis bei Schalthandlungen Vor- und
Nachzündungen, die sich aus vielen Frequenzanteilen zusammensetzen. Teilweise werden die
erzeugten Wellen im Schalter und auf der Leitung gedämpft.
Durch Schalthandlungen auftretende Überspannungen stellen eine Überlagerung vieler nach
einem solchen Muster entstandener Reflexionen dar.
Beim Einschalten von Transformatoren fließt oft ein großer Einschaltstrom, der sofort abklingt.
Dieser Stromstoß verursacht Spannungseinbrüche sowie Netzstörungen und erfordert stärkere
Sicherungen als nötig.
Wird ein Transformator gegen Ende einer positiven Netzhalbschwingung ausgeschaltet, bleibt
sein Eisenkern in „positiver Richtung“ magnetisiert.
Diese Restmagnetisierung (Remanenz) bleibt im „Gedächtnis“ des Transformatoreisens beliebig
lange erhalten. Schaltet man diesen Transformator dann wieder zum Beginn einer positiven
Spannungshalbschwingung ein, wird sein Eisenkern durch das von der Netzspannung nun
aufgezwungene Magnetfeld - ausgehend von der positiven Remanenz - weiter in die magnetisch
positive Richtung bis zum Sättigungspunkt getrieben.
Das Weicheisen im Transformator läßt sich nicht beliebig stark magnetisieren, sondern nur bis
zum Grenzwert der Magnetflußdichte B (Induktion), bei dem der Eisenkern gesättigt ist. Dann
steigen Feldstärke und damit der aufgenommene Strom weiter an, aber nicht die Induktion. Der
Eisenkern hat infolgedessen plötzlich einen hohen Widerstand für die magnetischen Feldlinien,
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 73
In der Norm IEC 61000-4 bzw. DIN VDE 0843 „Elektromagnetische Verträglichkeit von Meß-,
Steuer- und Regelungseinrichtungen der industriellen Prozeßtechnik“ wird ein Einsatzbereich
definiert (Tabelle 5.1.3.5). Dieser ist von der Störfestigkeit der einzelnen Betriebsmittel
abhängig. Es findet dort die Stördämpfung des Leitungsnetzes und der Umgebung gegen von
außen einwirkende Störfelder Berücksichtigung.
Tabelle 5.1.3.5
Um die Schutzwirkungen der anderen Level zu nutzen kann es sinnvoll sein, die Zonen
ineinander zu verschachteln (Bild 5.1.3.5):
1 2 3 4
Bild 5.1.3.5
Verschachtelung der Schutzzonen
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 74
Die Ausbreitung von, in ein Energieversorgungsnetz eingekoppelten Störsignalen, wird durch die
HF-Impedanz ZN des Leitungsnetzes und die Dämpfungskonstante α im Leitungsnetz bestimmt
(vgl. [Gon92], S. 388f).
Gonschorek weist u.a. darauf hin, daß die Netzimpedanz unabhängig von der Betrachtungsweise
des Leitungssystems (symmetrisch/asymmetrisch, unsymmetrisch) näherungsweise durch eine,
mit dem HF-Wellenwiderstand des Leitungssystems parallel geschaltete, Induktivität
beschreibbar ist.
In diesem Zusammenhang sei daher auch auf [Gon92], S. 366 verwiesen. Der Autor erläutert
dort u.a. Begrifflichkeiten wie symmetrisch oder asymmetrisch im Einphasennetz.
Bild 5.1.3.6.a zeigt ein Meßbeispiel für den Frequenzgang einer unsymmetrischen
Netzimpedanz.
Bild 5.1.3.6.a
Die unsymmetrische Netzimpedanz verschiedener Länder
Der Frequenzganz der Netzimpedanz ist, wie bereits in Kapitel 3 erwähnt, eine Funktion welche
u.a. stark abhängig vom Kontinent oder dem Land, jedoch auch von der Region und dem
Gebäude ist. Daher sind obige Messbeispiele für die Praxis nur bedingt verwertbar.
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 75
Bild 5.1.3.6.b
Symmetrische und unsymmetrische Störspannungen
Bild 5.1.3.6.c
Dämpfungswirkung eines Energieversorgungsnetzes (230 V)
mit αs = Dämpfung zwischen Phase und Nulleiter
und αas = Isolationsdämpfung
5.2.1 Generelles
Bei allen nachfolgenden Betrachtungen gilt es zu beachten, daß die Störsicherheit eines
Bauelementes um so mehr abnimmt, je schneller das Element ist (vgl. [Pei90], S. 128); diese
Tendenz der Geschwindigkeitszunahme gewinnt unverkennbar an Bedeutung.
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 76
Die Verwendung zunehmend höherer Frequenzen und damit verbundener, kleiner werdender
Wellenlängen in digitalen Schaltungen zwingen die Entwickler zu einer verstärkten
Berücksichtigung EMV relevanter Aspekte. Simulationen während des Boarddesigns sollen
daher die störenden Einflußfaktoren minimieren. Wie bereits angesprochen sinken die Kosten für
notwendige spätere Verbesserungen um so mehr, je früher dieser Prozeß im Design
berücksichtigt wird.
Es sind grundlegende bautechnische Gegebenheiten zu beachten, wie etwa das Verkürzen von
Signalleitungen, das Verbot des Parallelführens von Signal- und Versorgungsleitungen, das
möglichst nahe Plazieren eines Pufferkondensators an die Versorgungsleitung eines IC‘s oder
aber es sind konstruktive Überlegungen anzustellen, ob statt eines parallelen Busses auch eine
serielle Verbindung möglich ist, etc. Aber auch Diskontinuitäten auf Leiterbahnen oder nicht
optimierte Leitungsknicke können die Ausbreitung sehr hochfrequenter Signale beeinflussen
(z.B. Wirkleistungsverluste durch Abstrahlung oder Impulsverformungen durch Reflektionen).
Auch Ein- und Ausgangswiderstände der ICs sind meist nicht gleich dem Wellenwiderstand der
elektrisch langen Leitung. Es müssen daher separate Anpassungsnetzwerke unmittelbar an den
IC Ein- oder Ausgängen eingefügt werden, um einen Reflexionsfaktor nahe 0 zu erreichen.
Die traditionelle einlagige Platine hat bei den heutigen komplexeren Systemen so gut wie
ausgedient (man findet sie natürlich noch weiterhin z.B. in der Autoindustrie). Mulitlayer-
Platinen, mit fünf oder mehr Lagen sind heute kein Problem mehr. Aber auch diese Konzepte
bergen eine nicht zu unterschätzende Problematik, nämlich u.a. die impedanzmäßige Anpassung
der meist unterschiedlichen Signallagen der einzelnen Schichten, die bei der Verdrahung zu
beachten ist. Neben der direkten Abstrahlung von Störkomponenten, etwa durch die
Clockfrequenz und daraus abgeleitete Oberwellen, entstehen gerade auch durch
Leitungsreflexionen eine nicht unterhebliche Verbreiterung des abstrahlbaren und
beeinflussenden Frequenzspektrums.
Hinzu kommt, daß Verfälschungen von Logikfunktionen nicht unbedingt statischen Charakter
haben, also dauerhaft vorhanden sind. Sie treten mitunter sporadisch auf und sind u.a. auch
abhängig vom Zusammenwirken einzelner Netze. Eine Betrachtung und Verbesserung einer
einzelnen Komponente oder eines Systems, welches später in einem Verbund arbeiten soll,
genügt daher nicht.
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 77
I. Elektromagnetische Abstrahlung
Zur Vermeidung von unzulässigen Emissionen bieten sich folgende allgemeine Maßnahmen an:
• Quellen und Senken der Signalwege sind an den Wellenwiderstand der Leitungsbahnen
anzupassen. Insbesondere sind keine längeren, offenen Leitungen erlaubt. Dazu bieten
sich kleine Anpassungsnetzwerke an. Oftmals genügen auch Serienwiderstände mit
ungefähr 100Ω.
• Die Zahl der gemeinsam schaltenden Ausgänge sollte reduziert werden. Dadurch werden
starke Stromschwankungen auf den Versorgungsleitungen vermieden.
Viele Maßnahmen zur Verringerung der gestrahlten Emission dienen auch der Erhöhung der
Störfestigkeit. Sie sollen im nachfolgenden Kapitel vorgestellt werden.
Durch die hohen bis sehr hohen Taktfrequenzen heutiger Digitalschaltungen und den dadurch
immer kleiner werdenden Wellenlängen kommt der Reduzierung der (Gesamt-) Leitungslänge
zwischen den Schaltkreisen eine zentrale Bedeutung zu. Diese kann erreicht werden durch:
• Einsatz von dichtpackenden IC-Gehäuseformen (QFP, SOP, PLCC). Dadurch rücken die
Vcc- und GND-Pins näher zusammen als bei den schon etwas antiquierten DIP-
Gehäusen. Die Leitungslängen verkürzen sich und die Wirksamkeit von
Pufferkondensatoren erhöht sich. Kleine Gehäuseformen sind besonders für
Mikroprozessoren und -controller wichtig, da diese viele Versorgungspins haben.
• Der intern verfügbare Speicher von Mikrocontrollern steigt Jahr für Jahr. Es ist dadurch
möglich, immer mehr Funktionen im internen Speicher zu realisieren. Dieser Speicher ist
einem externen Speicher vorzuziehen. Sollte die Kapazität des internen Speichers für die
Applikation nicht ausreichen, ist zu überlegen, ob nicht der Einsatz mehrerer Mikro-
controller angebracht ist.
• Die Wirksamkeit eines Pufferkondensators ist stark abhängig von seiner relativen Lage
zum IC. Die Leitungslänge des Vcc-Pins zum Pufferkondensator hat einen großen Einfluß
auf die Störunterdrückung. Es ist wichtig, IC-Gehäuse zu verwenden, die es gestatten, die
Leitungen so kurz wie möglich zu machen. Die Verbindung des Kondensators zu den
Versorgungspins sollte zudem möglichst gleich lang sein.
• Das Resetsignal hat bei einem Mikrocomputer die Aufgabe ihn zu initialisieren. Wenn
dafür ein kurzer Puls ähnlich eines Störimpulses benutzt wird, ist die Initialisierung
gefährdet. Wenn das Resetsignal und der Takt des Mikroprozessors synchronisiert sind,
kann auch ein Störimpuls auf der Clockleitung den µP außer Tritt bringen. Wenn sich
eine Störung auf die Leitung des Taktgenerators aufkoppelt, können diese Transienten
ebenfalls einen Mikrocomputer abstürzen lassen. Es ist deswegen unbedingt erforderlich
solche sensiblen Leitungen so kurz wie möglich auszuführen.
Oftmals ist es nicht möglich, Leitungslängen beliebig zu verkürzen. Die folgenden Punkte tragen
diesem Umstand Rechnung.
• Eine LED-Anzeige wird häufig weit entfernt von der digitalen Schaltung montiert. Durch
die lange Zuleitung entsteht zwangsläufig eine Antenne, welche Probleme verursachen
kann. In einem solchen Fall kann eine erhöhte Störunterdrückung erreicht werden, wenn
der Vorwiderstand nahe am Treiber (1-2cm) plaziert werden kann
• Leitungen mit hochfrequenten Signalen oder hohen Betriebsströmen müssen soweit wie
möglich von Taktoszillatoren und Signalleitungen, die sensibel gegenüber Störungen
sind, entfernt sein. Es versteht sich von selbst, daß diese zwei Arten von Leitungen nicht
parallel oder gekreuzt geführt werden dürfen. Bei einer zweiseitigen Platine sollte auf der
Rückseite eines Taktoszillators immer eine Massefläche vorgesehen werden
• In der Nähe eines Taktoszillators sollten nur stabile Signale geroutet werden. Eine
Möglichkeit liegt darin, die Nachbarpins des Takteinganges auf festes Potential (GND) zu
legen. In der Realität ist dies jedoch nicht immer gegeben. Verfügt man jedoch über freie
Ports, so sollten diese neben dem Clockeingang liegen, als Eingänge initialisiert und auf
festes Potential gezogen werden.
• Bei manchen Ein-Chip-Mikrocomputern liegen die Eingänge für die Systemuhr und den
Taktoszillator nebeneinander. Um Systemstörungen zu vermeiden, ist beim Layout sehr
sorgfältig vorzugehen.
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 79
• Die Versorgungsleitungen bei logischen Schaltungen sollten, wenn möglich, als Schleife
oder als Gitter ausgelegt werden (Bild 5.2.2.a). Masseschleifen sind im allgemeinen
unerwünscht, da durch den magnetischen Fluß Spannungen induziert werden können.
Diese Spannungen liegen in einem Bereich von 1 bis 10mV für die üblichen Frequenzen
von 50 bzw. 60Hz bei einer Schleifenfläche von 100cm². Dies ist jedoch weit weniger
als die 100mV bis 1V Störspannungen, welche durch die Gleichtaktimpedanz bewirkt
werden. Wenn eine Gitteranordnung nicht möglich ist, sollten zumindest die
Versorgungsleitungen parallel verlaufen (Bild 5.2.2.b).
Bild 5.2.2.a
Mögliche Routen der Versorgungsleitungen
Bild 5.2.2.b
Vorschlag zur Vermeidung von Störungen
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 80
Alle elektronischen Bauelemente eines Fahrzeugs bedienen sich einer einzigen Spannungsquelle.
Kommt es zu kurzzeitigen Unterbrechungen, Spannungsschwankungen oder Überspannungen so
überträgt sich dieses auf alle angeschlossen Komponenten.
Bereits das Anlassen des Motors stellt für das System eine nicht unerhebliche Belastung dar.
Bild 5.3.1 verdeutlicht den Vorgang etwas genauer:
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 81
Bild 5.3.1
Die Auswirkungen des Starts eines Verbrennungs-
motors auf die Spannungsversorgung in einem Kfz
• Auslösen von Sicherungen (man bedenke die nicht ganz unerheblich fließenden Ströme,
die aufgrund der hohen Leistungsansprüche bei niedriger Verbrauchsspannung entstehen)
• Zündaussetzer
• Einflüsse durch Starthilfe von außerhalb (Spannungsüberhöhungen)
• Einflüsse von abgeschalteten Gleichstrommotoren, die in der Folge als Generator wirken
können (Spannungsüberhöhungen)
• Wackelkontakte
• etc.
Gonschorek ([Gon92],S.401) verweist auch noch darauf, daß zusätzlich folgende Effekte
beachtet werden sollten:
1. Beeinflussungen durch Resonanzen in der Verkabelung
2. Überkopplungen in empfindliche Stomkreise sind durch die getrennte Verlegung von
„sensiblen“ Datenleitungen und Leitungen stark störender Kreise zu mildern.
In der VDE-Vorschrift 0879 Teil 1 ist die maximal zulässige Störaussendung eines
Kraftfahrzeugs festgelegt. Der Frequenzbereich, für den die zulässigen Funkstörfeldstärken
gemäß der Vorschrift einzuhalten sind, umfaßt 30 bis 250 MHz. Damit werden elektrische
Impulse, die u.a. durch Zünd- oder Schaltvorgänge erzeugt werden erfaßt. Die Messung der
Feldstärke beginnt in einem Abstand ≥ 10 m. Die Anforderungen an den Funktörmeßempfänger
und die Bedingungen für den Nachweis sind in der VDE 0876 Teil 1 und VDE 0877 Teil 2
festgelegt.
Alle an das Bordnetz des Kfz anzuschließenden Betriebsmittel müssen zusätzlich die Grenzwerte
der VDE 0875 einhalten.
5.3.3 Eigenentstörung
Die Eigenentstörung, der die VDE 0879 zugrunde liegt, befaßt sich mit der Entstörung aller
elektrischen und elektronischen Komponenten, damit diese im Fahrzeug installierte Funkanlagen
(Radio, Telefon) nicht stören oder beeinflussen. Im Gegensatz zur Fern-Entstörung werden hier
auch schmalbandigere Störsignale, wie sie durch Taktsignale entstehen können, mit einbezogen.
Die Einhaltung der Grenzwerte wird zweckmäßigerweise dadurch kontrolliert, daß für das Kurz-,
Mittel- und Langwellenspektrum die Spannung am Ende des Antennenkabels gemessen wird. Im
Ultrakurzwellenspektrum und im Spektrum mobiler Funksysteme muß das Ende des
Antennenkabels mit dem Wellenwiderstand abgeschlossen werden. Die über dem Widerstand
abfallende Spannung ist die zu bewertende Störspannung.
Für die Art des Funkstörspannungsmeßempfängers sei auch hier wieder auf die VDE 0876 Teil 1
verwiesen.
Die auf ein Fahrzeug einfallende elektromagnetische Strahlung kann vom Hersteller naturgemäß
nicht beeinflußt werden. Daher muß das Fahrzeug härtesten Anforderungen an die Störfestigkeit
genügen.
Eine ausführliche Grafik, welche die elektrische Feldstärke als Funktion des Abstandes für
verschiedene Funkdienste (Feststationen) wiedergibt, findet sich bei [Gon92], S. 406.
Zur Umwelt gehört auch die Vorbeifahrt an einem Auto, welches beispielsweise eine
Sendeleistung von 100 Watt abstrahlt. Die elektrische Feldstärke bezüglich des seitlichen
Abstandes verringert sich gemäß der Funktion in Bild 5.3.4 bei 14 MHz und einem Abstand von
80 cm über dem Boden:
Bild 5.3.4
Die Abnahme der elektrischen Feldstärke
in Abhängigkeit vom Senderabstand
In diesem Zusammenhang sind auch die hochfrequenten Abstrahlungen vom eigenen Fahrzeug
aus nicht zu vernachlässigen. Zum einen finden die Felder einen Weg in den
Fahrzeuginnenraum, inkl. Motorraum, (z.B. Öffnungen für Leitungsdurchführungen oder
Lüftungsschlitze) und zum anderen erzeugt der HF-Strom der Antenne, welcher über das
Fahrzeug fließt, ein störendes Magnetfeld.
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 83
Allseits geschätzt wird die Mikrowellenerwärmung von Speisen und Getränken. Die Erwärmung
beruht auf der Ausrichtung von polaren Molekülen im Mikrowellenfeld (vor allem
Wassermoleküle). Die daraus entstehenden dielektrischen Verluste erhöhen die kinetische
Energie der Moleküle, d.h. die Dipole werden um ihre Ruhelage ausgelenkt, was eine
Wärmezunahme bedeutet. Eine Gleichmäßigkeit der Erwärmung ergibt sich aus der Weitergabe
der erhöhten Stoßenergie der erregten Dipole an die sie umgebenden Moleküle.
Extrem hohe Feldstärken unterhalb 1015 Hz lassen beim Menschen Effekte, wie
Hochfrequenzverbrennungen und Magnetophosphene (Flimmern der Augen), erkennen.
An den Auswirkungen von Langzeitaussetzungen mit kleineren Feldstärken wird noch geforscht.
Bisher sind schädigende Wirkungen über die Versuchszeiträume nicht nachgewiesen worden.
Magnetische Felder stehen im Verdacht, die Melatoninproduktion, ein Hormon, das als
krebsverhindernd eingestuft wird, während der Schlafphasen zu verringern. Am
Humanbiologischen Institut der Technischen Universität Braunschweig wurde bereits 1991
nachgewiesen, daß durch die Einwirkung magnetischer Felder auf bereits vorhandene
Krebszellen eine Wachstumsbeschleunigung eintritt. Sie können auch die Kaliumschranke im
Gehirn verändern, was eine Änderung der Kaliumkonzentration im Gehirn zur Folge hat, die
ohne die Einwirkungen eines Magnetfeldes selbst bei sportlichen Höchstleistungen u.ä. unter
normalen Umständen konstant bleibt. An der Universität von Saarbrücken wurde von Dr. Ulrich
Warnke auch eine Auswirkung von Magnetfeldern auf Kalzium nachgewiesen, welches für die
Funktionsfähigkeit einer Zelle entscheidend ist.
Positiv hervorzuheben sind u.a. die medizinischen Anwendungen. Dazu zählen die Diathermie
(griech. dia = durch) (Strahlungsdurchwärmung bei Rheuma) und die Therapie des Gliobastoms
(eines Tumors, der an der gleichen Stelle im Körper immer wieder entstehen kann). Das
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 84
Gliobastom wird durch Einpflanzung von Metallstreifen immer wieder zerstört, indem durch
äußere Felder die Metallstreifen stark erhitzt werden.
Gemäß der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (26. BImSchV) gelten für die elektrische
Feldstärke und magnetische Flußdichte folgende Grenzwerte:
Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hält diese Werte für ausreichend. Damit sind sie
gerichtlich zur Zeit nicht anfechtbar (sofern nicht ein Beweis gegen die Ungefährlichkeit dieser
Werte vorliegt), d.h. werden sie nicht überschritten, so ist eine Klage gegen den Betrieb eines
„beanstandeten“ Gerätes nicht möglich.
Die in der Bundesrepublik herrschenden Grenzwerte ergeben sich aus dem Wissen, ab wann
Feldstärkepegel ein Gefahrenpotential darstellen. Von diesem Feldstärkepegel wird ein
Sicherheitsfaktor abgezogen. Die folgenden Grenzwerte wurden der VDE 0848-Vorschrift
entnommen und berücksichtigen nicht die Anwesenheit von Herzschrittmachern, Implantaten,
usw. Bei anwendungs-spezifischen Fragen ist auf jeden Fall das Studium dieser Vorschrift
ratsam.
Bild 5.4.a
Effektiv- und Spitzenwerte niederfrequenter elektrischer Feldstärken (unmittelbare Einwirkung)
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 85
Bild 5.4.b
Effektiv- und Spitzenwerte niederfrequenter magnetischer Feldstärken
(unmittelbare Einwirkung)
Bild 5.4.c
Effektivwerte hochfrequenter elektrischer Feldstärken
(über den Wellenwiderstand des Fernfeldes (377Ω) mit dem magnetischen Feld verbunden)
Bild 5.4.d
Effektivwerte hochfrequenter magnetischer Feldstärken (über Wellenwiderstand
des Fernfeldes (377Ω) mit dem elektrischen Feld verbunden)
Kapitel 5 – Repräsentative EMV-Probleme 86
Bild 5.4.e
Grenzwerte der hochfrequenten Leistungsflußdichte
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 87
Kapitel 6
Einführende Fragen:
6.1 Einführung
Mit Bezug auf Kapitel 1.1, wo die drei grundlegenden Störcharakteristika (Eigenstörfestigkeit
SE, Fremdstörfestigkeit SF und der Emissionsgrad E) behandelt wurden, sollen in dem nun
folgenden Kapitel diese Größen qualitativ und quantitativ ermittelt werden, um die Einhaltung
und Wirksamkeit festgelegter EMV-Maßnahmen zu überprüfen.
6.2 Prüfungsvorbereitungen
Bevor man mit den im Pflichtenheft vereinbarten Prüf- und Meßarbeiten beginnt, sind die
Umgebungsbedingungen zu überprüfen.
Empfohlen:
15 ... 35 0C Umgebungstemperatur
45 ... 75 % relative Luftfeuchte
86 ... 106 kPa Luftdruck.
Das zu prüfende Objekt ist im Labor im Abstand von 10 cm über einer Erdpotentialfläche,
welche an den Schutzleiter des versorgenden Netzes angeschlossen wird, anzuordnen. Diese
Fläche ist üblicherweise 0,25 mm starkes Kupfer bzw. Aluminium oder 0,65 mm starkes anderes
Metall. Sie muß mindestens eine räumliche Ausdehnung von 1 m x 1 m aufweisen und das
Prüfobjekt allseitig um 10 cm überragen.
Geräte, die als Auftischgeräte ausgewiesen sind, sind auf einem Holztisch (wegen der
elektrischen und magnetischen Neutralität des Holzes) aufzubauen, der das Gerät 0,8 m über die
Erdpotentialfläche bringt. Das Gerät ist gemäß den Anschlußbedingungen zu erden.
Bei der Prüfung der Fremdstörfestigkeit geht es darum, inwieweit von außen auf das Gerät
einwirkende Beeinflussungen Störungen der Gerätefunktion hervorrufen. Dazu erzeugt man mit
Prüfgeneratoren Störgrößen, die, wie in Bild 6.4 gezeigt, auf das Gerät einwirken. Dabei handelt
es sich um leitungs- und feldgebundene Störgrößen.
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 89
Bild 6.4
Wege elektromagnetischer Kopplungen
Bei der Prüfung der Fremdstörfestigkeit werden die einwirkenden Störgrößen schrittweise
erhöht, um zu ermitteln, ab wann die Gerätefunktionen beeinträchtigt werden. Wird im
Pflichtenheft (Gesetze oder Herstelleranforderungen) festgelegt, daß vereinbarte Prüfstörgrößen
einzuhalten sind, so sollte das zu prüfende Gerät unter diesen Bedingungen einwandfrei arbeiten.
Im folgenden werden die einzelnen Meßtechniken für die EMB-Simulationsverfahren (EMB =
elektromagnetische Beeinflussung) vorgestellt (Bild 6.4.a).
Bild 6.4.a
EMB-Simulationsverfahren
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 90
6.4.1 Einkopplung
Bild 6.4.1.1.a
Einkopplung von kapazitiven Gegentakt- (links) und Gleichtaktstörungen (rechts)
Bild 6.4.1.1.b
Einkopplung von induktiven Gegentakt- (links) und Gleichtaktstörungen (rechts)
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 91
• Oberschwingungen
• Änderungen (z.B. bei 230 V im Bereich von -10 % bis +6 %)
• Absenkungen (z.B. bei 230 V 20 ms auf 50 % Restspannung)
• Unterbrechungen (z.B. 10 ms)
• Unsymmetrien
• überlagerte Signal- und HF-Spannungen
• transiente Überspannungen
• auch Frequenzabweichungen
Bei der Störbeeinflussungsmessung von Steuer-, Daten- und Signalleitungen (transiente und
periodisch veränderte Gleich- und Gegentaktstörungen) müssen zur Gewährleistung der
Wiederholbarkeit Netzzuleitungsfilter die Fernhaltung der Netzstörgrößen ermöglichen.
Auch bei der Einkopplung von Störgrößen in Steuer-, Daten- und Signalleitungen sind
Ankoppelnetzwerke vorzusehen. Bei der direkten Einkopplung wird der Störgenerator direkt mit
den Ein- bzw. den Ausgängen des Prüflings verbunden. Eine Einkopplung asymmetrischer
Störspannungen wird mittels einer kapazitiven Koppelstrecke realisiert. Die Steuer-, Daten- und
Signalleitungen werden „durch einen Kondensator“ von ca. 50 pF bis 200 pF geführt. Zwischen
seine „Platten“ wird die Prüfspannung u(t) gelegt, die dann kapazitiv und induktiv (aufgrund des
durch den Kondensator fließenden Stroms) auf die Strecke einwirkt. Diese Methode ist auf
einzelne Leitungen ebenso anwendbar wie auf Leitungsbündel. Der große Vorteil der
kapazitiven Koppelstrecke ist, daß die Wirkung von Schutzmaßnahmen wie Abschirmung,
Massung, Erdung, Filterung usw. direkt überprüft werden kann.
Bild 6.4.1.1.c
Kapazitive Koppelstrecke
Die kapazitive und induktive Einkopplung entspricht z.B. der Situation parallelgeführter
Leitungen von Relaisspulen, die nicht nur wegen der sprunghaften Potentialänderung kapazitive
Beeinflussungen in anderen, parallel laufenden Leitungen hervorrufen, sondern vor allem durch
eine sprunghafte Änderung des di/dt oft Probleme durch induktive Einkopplung bereiten.
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 92
Bild 6.4.1.1.d
Typischer Prüfplatz mit kapazitiver Koppelstrecke
Wenn Schutzschalter den Strom durch Abschalten begrenzen (vgl. Kap 5.1.2.1), kommt es zu
einer (Spannungs-) Induktion, die von den elektrischen Betriebsmitteln verkraftet werden muß.
Üblicherweise werden Betriebsmittel in Starkstromanlagen mit Überspannungen auf
Durchschlag geprüft (Bild 6.4.1.2.a).
Bild 6.4.1.2.a
Idealisierter Spannungsimpuls zur Prüfung
der Überspannungsfestigkeit in Wechselstromnetzen
(siehe VDE 0160 S.12)
Wenn die Sicherheitsvorschriften bei einphasigen Geräten mit Erdung (Prüfling, Störsimulator
und Meßgerät) am Schutzleiter beachtet werden, gibt es keine unzulässig hohen
Berührungsspannungen an Gehäusen.
Gefahr durch Überspannungen droht dann, wenn beispielsweise bei zwei- oder dreiphasigen
Versorgungsleitungen erdfrei gemessen und geprüft werden muß. Hierfür ist ein Simulator mit
erdfreiem Ausgang zu verwenden (Bild 6.4.1.2.b). Würde zur Potentialtrennung ein
Trenntransformator vor den Störsimulator geschaltet, so wird bei diesem Überspannungstest die
zulässige Trennspannung überschritten. Dies führt zu einer Gefährdung von Personen und
Gerätschaften. Daher ist seine Verwendung in diesem Zusammenhang nicht gestattet (das
Simulatorgehäuse nähme dabei zu hohe Spannungen an).
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 93
Bild 6.4.1.2.b
Überspannungsprüfung an dreiphasigen Geräten
Auch ein kurzzeitiges Absenken der Betriebsspannung ist ein, von einem elektrischen Gerät zu
verkraftender, Einfluß. Gemäß VDE 0839 Teil 1 werden kurzzeitige Netzausfälle für eine
Halbschwingung (10 ms Dauer) bzw. Spannungseinbrüche für die Dauer einer Periode (20 ms)
auf 50 % der ursprünglichen Spannung simuliert.
Bild 6.4.1.3
Burst-Einzelimpuls (links) und Impulspakete (rechts)
Für die Beanspruchung von Geräten mit Bursts werden folgende Prüfschärfegrade vereinbart
(Tabelle 6.4.1.3):
Prüfschärfegrade Prüfspannung auf Prüfspannung auf Impulswiederhol-
Versorgungsleitungen Datenleitungen frequenz
± 10% (Signalleitungen)
± 10%
1 0,5 kV 0,25 kV 5 kHz
2 1 kV 0,5 kV 5 kHz
3 2 kV 1 kV 5 kHz
4 4 kV 2 kV 2,5 kHz
x nach Vereinbarung nach Vereinbarung nach Vereinbarung
Tabelle 6.4.1.3
Bei der Verwendung von Kuvenformparametern ist der Bezug zu einer Normung zu beachten.
Dies gilt vor allem bei der Verwendung gleicher Abkürzungen. Auch ist zu beachten, daß
aufgrund von Toleranzen und sehr geringen zeitlichen Anteilen einer Größe manche
Zeitparamter einfach 1:1 ineinander umgerechnet werden auch wenn sie im Grunde genommen
unterschiedlich berechnet werden. (so z.B. Rückenzeit und Rückenhalbwertszeit; vgl. auch
[Sch91] S. 312f).
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 95
Dies sei hier anhand der beiden Normen IEC 60-2 und IEC 469-1 kurz erläutert.
In der IEC 60-2 (Bild 6.4.1.4.a) werden die Parameter Stirnzeit (TS) und Rückenzeit (TR)
verwandt. Durch die Punkte der Anstiegszeit von 30 % und 90 % von umax wird eine Gerade
gelegt. Legt man zur t-Achse im Abstand umax eine Parallele, so schneidet diese die Gerade
durch die 30 und 90 % - Werte. Dieser Schnittpunkt ist der 100-%-Punkt. Der Zeitunterschied,
der zwischen dem Schnittpunkt auf der t-Achse und dem 100-%-Punkt herrscht, wird als
Stirnzeit TS bezeichnet. Die Rückenzeit TR ist der Zeitunterschied vom Ausgangspunkt bis zu
dem Punkt der Kurve, welcher den 50-%-Wert unterschreitet.
Bild 6.4.1.4.a
Stirn- und Rückenzeit nach VDE 0433 und IEC 60-2
Die IEC 469-1 (Bild 6.4.1.4.b) verwendet dagegen die Parameter Anstiegszeit (Ta) und
Rückenhalbwertszeit (TR). Ta ist die Zeitdifferenz, die beim Impulsanstieg von 10 % bis 90 %
vergeht (prozentuale Berechnung von umax ausgehend). Als Rückenhalbwertszeit TR wird die
Zeitdifferenz bezeichnet, die zwischen dem ersten Überschreiten der 50 %-umax-Spannung bis
zum nächstmöglichen Unterschreiten der 50 %-umax-Spannung herrscht.
Bild 6.4.1.4.b
Anstiegszeit und Rückenhalbwertszeit nach IEC 469-1
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 96
Breitbandige, energiereiche Überspannungen werden als Surge bezeichnet. Sie sind oft das
Ergebnis von Schalthandlungen auf Energieversorgungseinrichtungen (SEMP = switching
electromagnetic pulse) oder Auswirkungen eines LEMP (Lightning electromagnetic pulse), der
auf galvanischem oder induktivem Weg als Störgröße in Schaltungen eingekoppelt wird.
Die Anwendung der in Kapitel 3.3 angeführten Schutzmaßnahmen (Überspannungsableiter:
Zener-Dioden, Varistoren, Funkenstrecken) bedingt, daß in der Prüftechnik diesen
Gegebenheiten Rechnung getragen werden muß. Die Schutzmaßnahmen begrenzen eine hohe
Prüfspannung auf niedrige Werte, wodurch auch die Isolation, die in diesem Zusammenhang
ebenfalls geprüft werden soll kaum beansprucht wird. Daher muß am Prüfling mit einer hohen
Stoßspannung das Ansprechen der Überspannungsschutzeinrichtung und mit einem hohen Strom
das Verkraften von Ableitströmen simuliert werden.
Dieses "zweistufige" Verhalten wird durch die Verwendung eines Hybridgenerator erreicht
Da die verwendeten Stoßspannungen bereits erläutert wurden, zeigt die folgende Grafik (Bild
6.4.2.a) die Definition des verwendeten Kurzschlußstrom-Zeitverlaufes. Zu beachten sind hier
wiederum die unterschiedlichen Definitionen, je nach verwendeter Norm (dies sind jedoch nur
definitionsgemäße Unterschiede; die Impulsform ist wie bereits erwähnt die Gleiche bzw. sehr
ähnlich und die Prüfvorschriften laufen daher auf den gleichen Impuls hinaus).
Nach IEC 60-2 (linker Bildteil) bzw. IEC 469-1 (Bildmitte) und VDE 0846, Teil 11(rechter
Bildteil) gelten die folgenden Verläufe von Stirn- und Rückenzeit sowie die Anstiegszeit von
Stoßströmen:
Bild 6.4.2.a
Definitionen von Stirn- und Rückenzeit sowie der Anstiegszeit und Rückenhalbwertszeit von
Stoßströmen gemäß
IEC 60-2, VDE 0433 Teil3 IEC 469-1 VDE 0846, Teil 11
Bild 6.4.2.b
Prinzipschaltung eines Hybridgenerators
Prüfschärfe- Leerlaufspannung in kV
grad ± 10 %
1 0,5
2 1,0
3 2,0
4 4,0
x Nach Vereinbarung
Tabelle 6.4.2
Bild 6.4.3.a
Kurvenform des menschlichen Entladestromes (H: Hand; B: Body)
Dabei zeigen sich in der Kurve zwei Maxima, ein Umstand, der durch die Anatomie des
menschlichen Körpers (Bild 6.4.3.b) bedingt ist:
Bild 6.4.3.b
Die „elektrische Körperanatomie“ eines Menschen
Durch die sogenannte Handkapazität CH geht ein kleiner Teil der Gesamtentladung des Körpers
sehr schnell auf das Entladeobjekt über. Dies bedingt einen kurzen, nicht sehr energiereichen,
aber sehr steilen Impuls mit sehr hohen Frequenzanteilen. Auf solche Impulse reagieren schnelle,
moderne Elektroniken oft sehr sensibel. Erst im zweiten Maximum entlädt sich der Hauptanteil
der Körperkapazität CB, wobei der Stromanstieg durch die Induktivität der Hand (LH) behindert,
d.h. verzögert wird.
Eine Entladung erfolgt bei der Luftentladung durch Annäherung einer geladenen
Simulatorspitze. Hierbei besteht jedoch eine Abhängigkeitkeit von den Umgebungsbedingungen
(Luftdruck, Feuchtigkeit etc.) welche zu unterschiedlichen Entladungsfunktionen führen.
Bei der jederzeit reproduzierbaren Kontaktentladung wird dagegen eine ungeladene
Simulatorspitze mit einem Relais gekoppelt. Durch das Relais kommt es zu einer
Funkenentladung, welche von der Spitze zum Objekt gelangt. Dies wird im nächsten Kapitel
genauer erläutert.
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 99
Simuliert werden ESD-Tests durch das Entladen eines Hochspannungskondensators über einen
definierten Entladewiderstand.
Bild 6.4.3.1
Prinzipschaltung eines ESD-Simulators
Von einer variablen Gleichspannungsquelle aus kann die Kapazität CB mit positiver oder
negativer Polarität auf einen wählbaren Spannungswert zwischen 0 und 30 kV über einen
Ladewiderstand Rcharge aufgeladen werden. Dieser Widerstand wird sehr hochohmig (ca. 100 M
Ω) bemessen, da er den sich bei der nachfolgenden Entladung über RD (D = discharge)
ergebenden Stromverlauf nicht beeinflussen soll. RD sollte zur Simulation von
Körperentladungen kleiner als 1 kΩ, für Kleinmöbelentladungen (von der Stirnzeit her sehr
gefährlich) zwischen 10 und 50 Ω gewählt werden, um den Verlauf des Entladestroms von Ta =
5 ns und TR = 30 ns gemäß VDE 0846 (jeweils ± 30 % Abweichung erlaubt) zu realisieren. Noch
sieht die VDE 0846 RD mit 330 Ω, bzw. VDE 0843 RD mit 150 Ω vor.
Als Schaltrelais, welches zur Erzeugung reproduzierbarer Entladestromverläufe benötigt wird,
verwendet man üblicherweise H2- oder SF6-gefüllte Druckgasrelais, aber oft auch Vakuumrelais,
die jedoch wegen ihres Kontaktprellens weniger geeignet sind.
Folgende Problemstellungen ergeben sich bei Luftentladung:
1. Die Entladungsstromkurve des Impulses würde stark schwanken; die nach Fourier im
Impuls enthaltenen Frequenzanteile könnten sehr stark differieren .
2. Der Entladestrom ist in seiner Impulsform von der Annäherungsgeschwindigkeit des
Simulators an das Entladungsmaterial abhängig.
3. Der Entladewiderstand RD könnte zu gering sein, da die menschliche Haut einen hohen
Übergangswiderstand haben kann.
4. Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Staubbelastung im Testlabor könnten das Testergebnis
stark verfälschen.
5. Die gewählte Entladestromkurve würde nicht mit der realen Anwendung der menschlichen
Entladung übereinstimmen.
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 100
Nach VDE 0843 sind die nachfolgenden Prüfschärfen festgelegt (Tabelle 6.4.3.1):
Prüfschärfe- Ladespannung U [kV] ± 10 % Ladespannung U [kV] ± 10 %
grad
Kontakt-Entladung Luft-Entladung
1 2 2
2 4 4
3 6 8
4 8 15
Tabelle 6.4.3.1
Das Bild 6.3.3.2 zeigt die Meßaufbauten, die bei ESD-Tests Verwendung finden. Die in Bild
6.3.3.1 gezeigte Schaltung zur Erzeugung des Prüfstroms ist (ohne die variable Spannungsquelle,
die sich im Netzteil befindet) in der Prüfpistole eingebaut. Die Prüfpistole ist an ein Netzteil
angeschlossen, welches alle durch die Pistole verursachten Störgrößen auskoppelt und somit
keine Netzrückwirkungen zuläßt.
Das Prüfobjekt ist wie in Bild 6.4.3.2 aufzustellen, wobei unbedingt die Ausführungen in Kapitel
6.2 (Prüfungsvorbereitungen), nicht zuletzt wegen der Erdungsverhältnisse und der
Abmessungen der einzelnen Gegenstände, zu beachten sind. Zusätzlich muß hier bei
Desktopgeräten (Tischgeräten) eine horizontale Koppelplatte auf den Holztisch gelegt werden,
die über einen Widerstand (2*470 kΩ in Reihe; u.a. für Schutz des Generators und Begrenzung
des Stroms (Spitzenabbau)) geerdet wird und das Gerät allseitig mindestens 10 cm in der Fläche
überragt.
Bild 6.4.3.2
Prüfaufbau für ESD-Tests
Bei Geräten mit Metallgehäusen wird eine Kontaktentladung durchgeführt. Die Prüfspitze der
Prüfpistole wird direkt auf der Gehäuseoberfläche aufgesetzt und 10 Einzelentladungen im
Abstand von einer Sekunde auf das Prüfobjekt (equipment under test = EUT) abgegeben.
Die Prüfspitze kann dabei an allen Orten aufgesetzt werden, die dem Bediener und dem
Servicepersonal zugänglich sind.
Mit der im mittleren Teil des Bildes 6.4.3.2 vorgestellten Prüfmöglichkeit wird ein Gerät auf
indirekte Kontaktentladung geprüft. Gemeint ist damit eine Entladung in unmittelbarer Nähe des
Prüflings. Die dabei verwendete vertikale Koppelplatte ist über einen Widerstand geerdet. Eine
Entladung auf diese Koppelplatte hat eine zur Erdung hinlaufende Spannungswelle zur Folge.
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 101
Der Entladestrom hat hierbei keine Auswirkungen, da er über die Koppelplatte großflächig
abfließt.
Durch die im rechten Teil des Bildes 6.4.3.2 gezeigte Entladungsmöglichkeit werden Geräte mit
Schutzisolierung und isolierte, nicht leitende Gehäuseteile und Bedienelemente getestet, wobei
die Prüfspitze der Prüfpistole von Hand dem EUT (Equipment under test) langsam angenähert
wird, bis es zu einer Luftentladung kommt.
Die bis hierher erwähnten Prüfverfahren finden in einem Prüflabor Anwendung. Zusätzlich
werden ESD-Messungen auch am Betriebsort eines Gerätes durchgeführt, wobei ohne leitende
Bezugsfläche durchgeprüft wird. Eine Gewährleistung realitätsnaher Aussagen ist damit
möglich.
Tabelle 6.4.4.1
Bild 6.4.4.1.a
Prinzipanordnung zur Störfestigkeitsmessung
bei elektromagnetischen Feldern
Für Messungen wird das EUT 1 m bzw. 3 m oder 10 m entfernt von der Sendeantenne in die
Raummitte gestellt, wobei Desktopgeräte auf einen drehbaren Holztisch und Schrankgeräte
isoliert auf den Boden gestellt werden.
Daraufhin werden mit vorher festgelegten Feldstärkewerten die geforderten Frequenzbereiche
(laut internationalen Richtlinien 1 MHz bis 27 MHz sowie 500 MHz bis 1 GHz) mit einer
Geschwindigkeit von 1,5 ⋅ 10-3 Dekaden je Sekunde für die Durchstimmung durchlaufen. Mit
der Neufassung der IEC-Publikation 801-3 werden auch modulierte Trägerwellen zur
Störfestigkeitsmessung herangezogen (IEC 801-3: Modulation mit 80 % Hub).
Um bei einer solchen Messung für alle Meßfrequenzen einen linearen Frequenzgang der
elektromagnetischen Wellen am EUT zu gewährleisten, müssen Verstärkungsschwankungen,
verursacht durch Nichtlinearitäten der Verstärker, der Übertragungsstrecke, Reflexionen im
Meßraum usw. kompensiert werden.
Dies erreicht man in einem „closed-loop-Betrieb“, d.h. einer geschlossenen Regelstrecke. Der
Signalverstärker erhält hier entweder durch ein am Prüfling aufgestelltes Feldstärkemeßgerät ein
Signal, welches ihm erlaubt die Verstärkung nachzuregeln, oder aber durch einen Richtkoppler,
der mit einer getrennten Messung an der Sendeantenne die zur Antenne fließende Leistung und
die von der Antenne rücklaufende Leistung mißt. Der Unterschied beider Meßgrößen ist ein Maß
für die von der Antenne abgestrahlte Leistung.
Nach einem Normvorschlag (IEC 801-3, draft 6) werden in einer Fläche von 1,5 m x 1,5 m an 16
festgelegten Punkten die dort herrschenden Feldstärkewerte ermittelt, wobei 75 % der Punkte
(12 Meßpunkte) einen bestimmten Feldstärkewertebereich (0 dB ... +6 dB) weder unter- noch
überschreiten dürfen. Bei unterschiedlichen Frequenzen sind lediglich die Bedingungen
einzuhalten, daß in 12 Meßpunkten eine Abweichung der Feldstärkewerte zwischen 0 dB und +6
dB auftritt. Welche Punkte das sind, ist gleichgültig.
Um diese geforderten Bedingungen einzuhalten, sieht der Normenvorschlag die
Substitutionsmethode vor. In die zu untersuchende Fläche, die sich vor der Front des EUT
befindet, wird ein 1,5 m x 1,5 m breiter Rahmen gestellt, in dem sich die 16 zu prüfenden Punkte
befinden (uniform area). Die Feldstärkewerte in den 16 Punkten werden ohne die Anwesenheit
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 103
des EUT bei der Einstrahlung der geforderten Meßwerte aufgenommen. Die Idee ist die
Schaffung von homogenen, vorher bekannten Feldbedingungen am EUT (keine Reflexionen
etc.). Danach wird das EUT auf den vorgesehenen Platz gestellt und die Störfestigkeit geprüft.
Um kleinere Prüfobjekte (Kantenlänge bis ca. 30 cm) zu testen, ist auch ein weniger
aufwendiges Prüffeld (Bild 6.4.4.1.b) verwendbar:
Bild 6.4.4.1.b
Offener Wellenleiter
Das zu prüfende Objekt wird räumlich zentriert zwischen die beiden Streifenleiter gestellt.
Eine oft verwendete Bauausführung hat einen Abstand d und eine Breite (hier nicht
eingezeichnet) von 80 cm (vgl. [Hab98], S. 160) bei einem Leitungswellenwiderstand Z0 = 50 Ω.
Weitet man einen Wellenleiter impedanzrichtig auf, d.h. der Leitungswellenwiderstand bleibt
vom Einspeisungspunkt bis um Abschlußwiderstand konstant, so stellt sich zwischen Hin- und
Rückleiter ein homogenes, quasistatisches elektrisches Feld ein (jedoch nur bis zu einer
bestimmten Grenzfrequenz). Die elektrische Feldstärke kann hierbei mittels der Gleichung
E=U/d
berechnet werden.
Wird die der Leitung beaufschlagte Frequenz soweit erhöht, daß λ << Länge der aufgeweiteten
Leitung bzw. λ >> Breite der aufgeweiteten Leitung ist, so breiten sich von der Einspeisung zum
Abschlußwiderstand zwischen den Leitern elektromagnetische Wellen mit transversalen
Charakter aus. Solange dieser Charakter erhalten bleibt, ist es weiterhin möglich die elektr.
Feldstärke gemäß obiger Gleichung zu berechnen. Bei weiterer Erhöhung der Frequenz verliert
sich das transversale Verhalten.
Ein weiteres Mittel zur Erzeugung von gekoppelten transversalen E- und H-Feldern und
quasistatischen elektrischen Feldern ist die [G]TEM-Zelle ([Gigahertz]-Transverse-
Electromagnetic-Cell), mit der sowohl Störemissions- als auch Störimmisionsmessungen
durchgeführt werden können.
GTEM-Zellen (Bild. 6.4.4.1.c) weiten ein angeschlossenes Kabel wellenimpedanzseitig und
breitbandig angepaßt auf. Der expandierte Raum wird am gegenüberliegenden Ende der
Einspeisung mit Absorbern ausgekleidet, die bei hohen Frequenzen den impedanzrichtigen
Abschluß gewährleisten, um Reflexionen auszuschließen. Das Widerstandsnetzwerk übernimmt
diese Aufgabe für niedrige Frequenzen.
Das EUT (equipment under test) darf nur 1/3 der Septumhöhe vom Boden ab gemessen
erreichen. Das Septum ist der innere Leiter, der mit dem Widerstandsnetz verbunden ist. (vgl.
[Hab98], S.160f; [Sch91], S. 335f)
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 104
Bild 6.4.4.1.c
GTEM-Meßzelle
Bei der Überprüfung der Störfestigkeit gegenüber magnetischen Feldern im Frequenzbereich von
30 Hz bis 3 MHz wird ein Prüfobjekt über spezielle Spulenanordnungen Magnetfeldern
ausgesetzt. Bild 6.4.4.2 zeigt eine Anordnung zur Überprüfung von Elektronikschränken, bei
der das EUT (Equipment under test) im Abstand von 0,1 m isoliert über einer metallischen
Erdpotentialfläche steht und von drei einlagigen Spulen, deren Achsen orthogonal zueinander
ausgerichtet sind, umgeben ist. Das EUT kann somit einem genau definierbaren magnetischen
Feld ausgesetzt werden. Die Spulenweiten müssen so groß sein, daß der Abstand Spulenleiter -
Gehäuse mindestens 20 % einer Spulenseitenlänge beträgt.
Bild 6.4.4.2
Prüfanordnung zur Überprüfung von
Objekten mit magnetischen Feldern
Bei der Messung von Störemissionen ist das Ziel, zu erfahren, inwieweit eine von einem Störer
beeinflußte Umgebung mit Störenergie belastet ist bzw. ob ein festgelegter Störgrenzwert
eingehalten wird.
Die ermittelten Werte einer solchen Messung sind aus Gründen der Reproduzierbarkeit zu
dokumentieren. In einem Meßprotokoll ist festzuhalten:
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 105
Die von einem Störer mit durchschnittlichen Abmessungen emittierten Störgrößen breiten sich
im Frequenzbereich bis ca. 30 MHz (λ0 = 10 m) leitungsgebunden, darüber feldgebunden aus.
Die zu messenden Störgrößen müssen zur Erfassung in eine proportionale Meßspannung
umgesetzt werden, die dann einem Spektralanalysator oder Meßempfänger zugeführt wird.
Die genaue Struktur der Netznachbildungen zur Messung symmetrischer, unsymmetrischer und
asymmetrischer Störspannungen entnimmt man der Vorschrift VDE 0876.
Das folgende Beispiel zeigt eine Netznachbildung (Bild 6.5.2.a), die als Tiefpaß auftretende
Störspannungen vom speisenden Netz fernhält. Die Störströme Ist1 und Ist2 werden über CK
einer vorbestimmten Netzimpedanz ZN zugeführt, die in der rechten Bildhälfte explizit
aufgeführt ist. Der über die Netzimpedanz ZN zugeschaltete 50 Ω - Widerstand wird durch den
Eingangswiderstand des anzuschließenden Meßsystems verursacht.
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 106
Bild 6.5.2.a
Beispiel zur Messung einer unsymmetrischen Störspannung
mit Hilfe einer Netznachbildung und einer Störspannungsauskopplung
Wird eine direkte Messung von Störströmen (IST) gewünscht, so geschieht dies über einen HF-
Stromwandler (Stromwandlerkern mit Hochfrequenzeigenschaften; magnetisch gut leitender
Ringkern; Bild 6.5.2.b). Ein zwischen die Versorgungsleitung geschalteter Kondensator dient
zum niederohmigen Kurzschließen für den hochfrequenten Störstrom aus dem EUT sowie für
hochfrequente Störstörme aus dem Netz.Über den Wandler kann der Störstrom in eine Spannung
gewandelt werden, die dann einer Auswerteinheit zugeführt wird.
Mit Hilfe des Übertragungsfaktors ZW des Wandlers ist ein Rückschluß auf IST möglich:
IST = UI/ZW
Mit bekanntem IST läßst sich die an ZN abfallende Störspannung UST ermitteln.
Bild 6.5.2.b
Messung mit HF-Stromwandler
Auch bei der Messung von leitungsgebundenen Störgrößen müssen bestimmte geometrische
Anordnungen der Prüf- und Meßmittel gewährleistet sein (Bild 6.5.2.c):
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 107
Bild 6.5.2.c
Meßaufbau zur Messung leitungsgebundender Störgrößen
In Kapitel 4 wurde der Begriff des elektromagnetischen Feldes eingeführt und erklärt. Im
Nahfeld sind elektrisches und magnetisches Feld über unterschiedliche Widerstandsverhältnisse
miteinander verbunden. Im elektromagnetischen Fernfeld sind die beiden Feldarten dagegen über
den einheitlichen Feldwellenwiderstand (377 Ω) miteinander verbunden.
Elektrische und magnetische Felder werden zur Ermittlung ihrer Feldstärke mit Hilfe von
Antennen analysiert. Dabei bewirkt ein auf die Antenne einwirkendes Feld eine am
Antennenausgang anliegende, dem erregenden Feld proportionale Spannung. Diese wird
anschließend von einem Meßempfänger ausgewertet.
Gemäß den in Kapitel 4 angestellten Überlegungen ist es möglich, bei der Messung eines
elektrischen Nahfeldes die dazugehörige magnetische Komponente zu berechnen. Im Fernfeld
können entweder elektrisches oder magnetisches Feld gemessen und über den
Feldwellenwiderstand ineinander umgerechnet werden.
Geprüft und gemessen werden alle Felder mit horizontaler und vertikaler Polarisation.
Den Zusammenhang zwischen dem auf die Antenne einwirkenden Feld und der am
Antennenausgang anliegenden proportionalen Spannung beschreibt der Antennenfaktor AF.
Für eine Antenne (linke Bildhälfte von Bild 6.5.3.a), die eine dem elektrischen Feld
proportionale Spannung abgibt, gilt:
Est Est
AFE = und in logarithmischer Form: AFE dB = 20 ⋅ lg
U st U st
Für eine Antenne (rechte Bildhälfte von Bild 6.5.3.a), die eine dem magnetischen Feld
proportionale Spannung abgibt, gilt:
H st H st
AFH = und in logarithmischer Form: AFH dB = 20 ⋅ lg
U st U st
Kapitel 6 – Simulations- und Messtechnik 108
Die Parameter AFE und AFH sind frequenzabhängige Proportionalitätsfunktionen, die als
Kalibrierkurve der betreffenden Antenne beigefügt werden. Da im Nahfeld die elektrische
Feldstärke zwei Komponenten aufweist und magnetisches und elektrisches Feld nicht über einen
konstanten Widerstandswert zusammenhängen, gelten für das Nah- und Fernfeld verschiedene
AF-Kurven.
Bild 6.5.3.a
Schematische Antennen für E- und H-Feld
Bild 6.5.3.b
Freifeldmeßplatz und reflexionsarme Absorberhalle zur Emissionsmessung
Kapitel 7
Bereits 1957 wurde mit den Römischen Verträgen vereinbart, daß die einzelnen Staaten der
damaligen EWG (heute EU) ihr nationales Recht an europäisches Recht anpassen, wenn es auf
einem bestimmten Gebiet eine europäische Regelung gibt. Dies gilt insbesondere auch im
Hinblick auf elektrotechnische Normen.
Dafür wurde ein Europäisches Komitee für Elektrotechnische Normung (offizielle Abkürzung
CENELEC: Comité Europèen de Normalisation Electrotechnique) geschaffen.
Mit der Einführung des CE-Zeichens wurde im Sinne einer Harmonisierung eine Vielzahl von
Zulassungszeichen nicht nur auf elektrotechnischen und elektronischen Geräten und Systemen,
sondern auch für andere Bereiche (z.B. für Spielzeuge, Druckbehälter, KFZ etc.) durch die
Einführung eines einzigen europaweit anerkannten neuen Zulassungszeichens ersetzt.
Ein Hersteller oder ein Händler, der ein Gerät in der EU in Verkehr bringt, darf dieses nur dann
mit einem CE-Zeichen kennzeichnen, wenn es allen zutreffenden Rahmenrichtlinien entspricht.
Mit dieser Kennzeichnung geht die Einhaltung aller Schutzziele einher.
Mit einer Zertifizierung mit diesem CE-Zeichen sind umfangreiche Messungen und
Untersuchungen verbunden, die in einem Untersuchungsbericht festzuhalten und auf Verlangen
den kontrollierenden Behörden vom Hersteller vorzuweisen sind. Die Prüfung kann dabei durch
den Hersteller selbst, den Importeur oder einen beauftragten EMV-Dienstleister vorgenommen
werden.
Bsp.:
Modelleisenbahnen
- EMV-Richtlinie
- Maschinenrichtlinie
- Niederspannungsrichtlinie
- Spielzeugrichtlinie
Die Konformitätserklärung kann, muß jedoch nicht, den Produkten beigelegt werden.
Werden bei einer Nachprüfung der zu untersuchenden Geräte und Systeme, die mit dem
CE-Zeichen gekennzeichnet sind, die geforderten Sollwerte nicht eingehalten, so kann das
für den Inverkehr-Bringer nicht nur eine Geldstrafe von bis zu 1 000 000 DM pro
Gerätetyp bedeuten, sondern auch der weitere Verkauf solcher Geräte verboten und die
Rücknahme bereits in Verkehr gebrachter Geräte gefordert werden.
Kapitel 7 – Vorschriften und Rechtsgrundlagen 111
Erstmals werden in der Richtlinie des Europarates vom 3. Mai 1989 zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit Nr.
89/336/EWG, veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 139/19 vom
23. Mai 1989, für EMV-Forderungen Störaussendung und Störfestigkeit definiert. Diese
Europarichtlinie wurde im November 1992 als deutsches EMV-Gesetz verabschiedet (Gesetz
über die elektromagnetische Verträglichkeit von Geräten (EMVG)). Es betrifft alle Geräte die
Störungen im elektromagnetischen Bereich verursachen oder durch Störungen in ihrer Funktion
beeinträchtigt werden können. In diesem Sinne also alle elektrischen und elektronischen Geräte,
Apparate, Systeme, Anlagen und Netze (wobei die einzelnen Begrifflichkeiten im EMVG
festgelegt sind).
Es legt die Voraussetzungen zur Kennzeichnung fest, insbesondere die Anwendung der CE-
Kennzeichnung, die notwendigen Angaben auf der Gebrauchsanweisung und gegebenenfalls
notwendige Hinweise auf der Verbrauchsverpackung.
Weiterhin werden Ausnahmen und besondere Festlegungen, wie sie sich beispielsweise bei der
Entwicklung und Erprobung von Geräten oder bei Ausstellungen und Messen ergeben können,
angeführt. Ausnahmen exitieren auch bei Geräten, die der Hersteller selbst hergestellt hat und in
seinen eigenen Räumen verwendet.
Das EMV-Gesetz legt auch fest, wer dieses Gesetz ausführen darf (wenn nicht anderweitig
gesetzlich geregelt). Die Prüfung und Kontrolle der EMV-Vorgaben wird hierbei durch die
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) wahrgenommen. Sie ist es auch,
die andere zuständige Stellen benennen darf, welche in der Lage sind die im EMVG festgelegten
Aufgaben zu übernehmen.
Mit Aufhebung des Kommunikationsmonopols der Bundespost trat 1996 ein neues
Telekommunikationsgesetz in Kraft. Ab 01.01.1998 waren alle Paragraphen gültiges Gesetz. Es
löste das Fernmeldeanlagengesetz, welches u.a. für die Erteilung von Genehmigungen zum
Errichten und Betreiben von Anlagen und Geräten der Nachrichtenübermittlung zuständig war,
ab.
„Zweck dieses Gesetzes ist es, durch Regulierung im Bereich der Telekommunikation den
Wettbewerb zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu
gewährleisten sowie eine Frequenzordnung festzulegen.“ [§1 des TKG]
Der Vollständigkeit halber seien hier zwei weitere Gesetze erwähnt, die jedoch ihre Gültigkeit
verloren haben.
Kapitel 7 – Vorschriften und Rechtsgrundlagen 112
Das Funkstörgesetz
„Dieses Gesetz ist ab 13.11.92 durch das neue EMV-Gesetz ersetzt und trat am 31.12.95 außer
Kraft. Es wandte sich an Inverkehrbringer“ und diente „zur Umsetzung von EG-Richtlinien über
die Vereinheitlichung der Funkentstörung in nationales Recht.“ ([Sch98], S. 406)
Das Hochfrequenzgerätegesetz
Auch dieses Gesetz wurde am 13.11.1992 durch das neue EMV-Gesetz ersetzt und trat Ende
1995 außer Kraft. Es „betraf alle nicht Kommunikationszwecken dienenden Geräte, die
beabsichtigt oder unbeabsichtigt elektromagnetische Energie im Bereich 10 kHz bis 3000 GHz
erzeugen [...], sog. Hochfrequenzgeräte.“ ([Sch98], S. 406)
7.2.4 Ausnahmen
7.2.5 Genehmigungen
Genehmigungen für das Betreiben von Geräten gemäß den obigen Gesetzen sind in
Einzelgenehmigungen für Einzelgeräte mit entsprechender Registrierung und in allgemeine
Genehmigungen (unter Anwendung schärferer Grenzwerte für die Serienzulassung) unterteilt.
Ab dem 1.1.96 müssen alle auf den Markt der EU gebrachten Geräte mit dem CE-Zeichen
gekennzeichnet sein; wer dieser Bestimmung nicht genügt, wird in Zukunft vom Markt
ausgeschlossen werden.
Für Altgeräte wird es keine Nachbesserungspflicht geben.
Für die Bundesrepublik Deutschland wird, wie bereits erwähnt, die RegTP zur Überprüfung der
Einhaltung der Schutzanforderungen ermächtigt. Die zentrale Stelle befindet sich in Mainz. Es
gibt zur Zeit 56 Außenstellen, die mit der Aufgabe der Marktüberwachung betraut sind.
Erlassen werden die geltenden Richtlinien für Deutschland von der DKE (Deutsche Kommission
für Elektrotechnik), welche die DIN/VDE-Regelungen beschließt; für die EU entwickelt die
CENELEC die EN (Europanormen). Für weltweite Belange gibt die IEC die IEC und CISPR-
Publikationen heraus.
Kapitel 7 – Vorschriften und Rechtsgrundlagen 113
Bezüglich der Normung kann eine Einteilung in folgende drei Gruppen erfolgen:
verweisen auf
basic standards
Die basic standards sind grundlegenden Normen. Sie legen allgemeine Bedingungen und
Regeln für alle Produkte fest. Dies betrifft u.a. die Meß- und Prüfeinrichtungen, die
Installationsrichtlinien etc. Die beiden anderen Normengruppen verweisen jeweils auf diese
Grundnormen.
Die generic standards sind primär allgemeingültige Produktnormen, welche
Minimalanforderungen für Störaussendung und Störfestigkeit, jeweils für eine Umgebungsart
(Industrie, Haushalt, etc.), festlegen. Die Allgemeingültigkeit wird dabei durch bestehende
Produktnormen, die ihrerseits Anforderungen bezüglich EMV berücksichtigen, eingeschränkt
bzw. gänzlich ersetzt.
Die product standards schließlich sind die konkret auf eine Produktgruppe bezogenen Normen,
die spezifische Anforderungen und Prüfungen festlegen. Sie haben Vorrang vor den Generic
standards. Die Produkte/Produktfamilien dürfen jedoch bestimmte allgemeingültige
Störaussendungs-Grenzwerte nicht überschreiten.
Die Struktur für die Normenerarbeitung und –vergabe ist weitaus komplexer ist, als hier
dargestellt. Es gibt Organisationen, Komitees, Unterkomitees, Arbeitsgruppen etc.. Verwiesen
wird daher u.a. auf die Internetseite des DKE, der Deutschen Kommission für Elektrotechnik,
http://www.dke.de, von wo aus eine weitergehende Suche nach internationalen und nationalen
Organisationen möglich ist.
Kapitel 7 – Vorschriften und Rechtsgrundlagen 114
Technisches Komitee 77
CISPR (Comité International Spécial pur les Perturbations Radioélectriques)
zahlreiche weitere Komitees
Das Technische Komitee 77 und das CISPR entwickeln hauptsächlich Basic und Generic
standards. Für die Product standards sind die weiteren Komitees zuständig, wobei jedoch auch
die beiden vorgenannten Institutionen bei Bedarf Produktnormen entwickeln können.
Der Regelfall ist die Veröffentlichung von internationalen Normen. Daneben gibt es noch die
Berichte oder Reports. Sie beziehen sich auf Fälle wie
Die Mitglieder des IEC sind nicht verpflichtet, internationale Normen als nationale Normen zu
übernehmen. Es gibt jedoch eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem IEC und dem
CENELEC, welches die Zusammenarbeit beider Organisationen regelt. Darin wurde u.a.
festgelegt, daß dem IEC die primäre Verantwortung zur Entwicklung von Normen obliegt.
Besteht seitens des CENELEC der Bedarf für die Entwicklung einer Norm, so wird dies an die
IEC weitergeleitet, welche dann eine Norm in einer bestimmten Frist entwirft. Gelingt dies nicht,
so steht es der CENELEC frei, eine eigene Norm zu entwickeln.
• EN (Europäische Norm)
• ENV (Europäische Vornorm)
• HD (Harmonisierungsdokument)
Eine Europäische Norm (EN) ist für alle Mitglieder des CENELEC bindend. Wird sie im
Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht so muß sie ohne Änderung als nationale Norm
aufgenommen werden. Normen, die auf nationaler Ebene entgegenstehen, verlieren ihre
Gültigkeit.
Kapitel 7 – Vorschriften und Rechtsgrundlagen 115
Über die Übernahme einer Europäische Vornorm (ENV) in das Normenwerk wird nach einer
Dauer von zwei Jahren nach Erscheinen entschieden. Bis zu dieser Entscheidung dürfen
nationale Normen parallel beibehalten werden.
Ein Harmonisierungsdokument (HD) erhebt zwar auch den Anspruch auf ausschließliche
Existenz, d.h. es kann nationale Normen ersetzen, die Mitglieder des CENELEC sind aber in der
Entscheidung frei, ob sie es ganz, teilweise oder überhaupt nicht als nationale Norm anerkennen.
„Die DKE ist die in Deutschland zuständige Organisation für die Erarbeitung von Normen und
Sicherheitsbestimmungen auf dem Gebiet der gesamten Elektrotechnik. Sie ist ein Organ des
DIN Deutsches Institut für Normung e.V. und des VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK
ELEKTRONIK INFORMATIONSTECHNIK e.V. Sie wird vom VDE getragen.
Die DKE vertritt die deutschen Interessen in den Internationalen bzw. Europäischen
Normungsorganisationen IEC, CENELEC und ETSI.“
[aus: http://www.dke.de/dke/html/d/wir/auftrag.htm]
Das DIN und die DKE erarbeiten deutsche Normen. Im Sinne einer Vereinheitlichung wird eine
größtmögliche Übereinstimmung mit internationalen Normen angestrebt. „Der Anteil der rein
national durchgeführten Normungsarbeit bewegt sich heute deutlich unter 5 %. Europäische
Normen als wesentliches Element zur Verwirklichung des Binnenmarktes beruhen zu über 80 %
ebenfalls auf Arbeiten der IEC oder sind mit diesen identisch.“
[aus: http://www.dke.de/aktuell/faq/unterschied.sql]
Für europäische Normen gilt jedoch, wie bereits oben erwähnt, die Verpflichtung der
unveränderten Übernahme in das DIN-Normenwerk.
Enthalten die Normen der DKE EMV relevante Aspekte oder „Festlegungen über die
Abwendung von Gefahren für Menschen, Tiere und Sachen[...]“ und ergeben „[...]sich diese
Gefahren aus bestimmten (zwischen DIN und VDE genau festgelegten) Gefahrenquellen[...]“
oder „[...]wenn die Normen in den Anwendungsbereich von Rechtsnormen fallen, die der
Abwendung solcher Gefahren dienen“ dann werden diese Normen zusätzlich als „VDE-
Bestimmung gekennzeichnet bzw. klassifiziert“.
[aus: http://www.dke.de/dke/html/d/wir/grundstz.htm]
7.3 Beispiele für basic standards, generic standards und product standards
....
Im Gegensatz zu den basic standards, bei denen die Numerierung der meisten IEC- und
CENELEC-Normen einheitlich ist, gibt es bei den generics abweichende Bezeichnungen. Sie
sind jedoch technisch so gut wie gleich. Jedoch existieren etliche aussereuropäisch geltende
Vorschriften bezüglich Hochfrequenzprüfungen, die zu beachten sind.
Die generic standards beziehen sich, wie bereits erwähnt, auf unterschiedliche Umgebungen,
wobei konkret zwei Bereiche explizit unterschieden werden:
[aus:
http://www.emv-
online.de/scripts/emv/emvN.exe?bk=amahdekzreahrdrc+pg=BaseWi+pg2=Wissen-ges-
neu+jb=604]
Produktnormen werden in der Regel von der IEC ausgearbeitet. Sie werden von der CENELEC
übernommen (eventuell noch angepaßt) und der EU-Kommission zur Harmonisierung
angeboten.
Hinzu kommen noch rein von der CENELEC oder dem DKE entwickelte Normen, für die kein
IEC Dokument vorliegt.
Die Notation der Normen ist auch hier wieder, wie bereits bei den basic standards zum größten
Teil aufeinander abgestimmt; daher wird auf die Beispiele bei den beiden anderen Normenarten
verwiesen.
Anhang B – Literaturverzeichnis, Bild- und Tabellenquellen 121
Anhang B
Literaturverzeichnis
weitere Literaturquellen
Bildquellen
Bild Quelle
2.1.a Autor
2.1.b AG-EMV Universität Kaiserslautern
2.1.c und d Autor
2.2.a zitiert aus: [Sch91], S. 25
2.2.b zitiert aus: [Sch91], S. 26
2.2.c zitiert aus: [Sch91], S. 30
2.3.a - d zitiert aus: [Hab98], S. 72
2.3.e - g zitiert aus: [Hab98], S. 73
Tabellenquellen
Tabelle Quelle
6.4.2 zitiert aus: [Sch91], S. 317 Kommentar [s1]: Aktualität der
6.4.1.3 zitiert aus: [Sch91], S. 310 Tabelle überprüfen
Anhang B – Literaturverzeichnis, Bild- und Tabellenquellen 124
Anhang A – Ergänzungen zum Trapezimpuls 119
y(t)
A
=
-T/2 +T/2
T
Tr T Tr T Tr T Tr T
− − − − + +
2 2 2 2 2 2 2 2
1 t t
Faltung von s(t) = ⋅ rect( ) und h(t) = A ⋅ rect( ) :
Tr Tr T
+∞
y(t) = s(t) ∗ h(t) = ∫ s(τ ) ⋅ h(t − τ ) dτ
−∞
Tr T
Fall 1 : t<− − :
2 2
y (t ) = 0
Tr T Tr T
Fall 2 : − − ≤t ≤ −
2 2 2 2
t +T
1 2 1 T Tr A A T Tr
y (t ) = A ⋅ ∫ 1 dτ = A ⋅ (t + + ) = ⋅t + ⋅( + )
Tr Tr Tr 2 2 Tr Tr 2 2
−
2
Tr T Tr T
Fall 3 : − ≤t ≤− +
2 2 2 2
+ Tr
1 2
y (t ) = A ⋅ ∫ 1 dτ = A
Tr Tr
−
2
Tr T Tr T
Fall 4: − + ≤t ≤ +
2 2 2 2
Tr
1 2 A Tr T A A T Tr
y (t ) = A ⋅ ∫ 1 dτ = ( −t + ) = − ⋅t + ⋅( + )
Tr T Tr 2 2 Tr Tr 2 2
t−
2
Anhang A – Ergänzungen zum Trapezimpuls 120
t sin(π f T )
A ⋅ rect ( ) o − − − • A ⋅T ⋅
T π fT
1 t sin(π f Tr )
⋅ rect ( ) o − − − •
Tr Tr π f Tr
1 t t sin(π f T ) sin(π f Tr )
⇒ ⋅ rect ( ) ∗ A ⋅ rect ( ) o−−−• A ⋅T ⋅ ⋅
Tr Tr T π fT π f Tr
[Quelle: Hinweis auf die Faltung von Hr. Dipl. Ing. Dittrich, Lehrstuhl Nachrichtentechnik;
Explizite Durchführung der Faltung durch Andreas Ott]
Index 125
Index