Fachthemen
Roland Friede
Jörg Lange
Thorsten Nicolay
Tragverhalten von Scher-Lochleibungs-
verbindungen mit dem Beginn des Gewindes
in der Nähe der Scherfuge
Im Nachweisverfahren einer Scher-Lochleibungsverbindung wird
unterschieden, ob der Schaft oder das Gewinde in der Scherfuge
liegt. Mit der Umstellung der Schraubennorm von der DIN 6914
auf die DIN EN 14399-4 haben sich die Schraubengeometrien teil-
weise geändert. Dies führt dazu, dass das Gewinde in vielen Fäl-
len näher an bzw. häufiger in der Scherfuge liegt. In der aktuellen
Normung wird nicht näher definiert, bei welchen Bedingungen
der Schaftquerschnitt angesetzt werden darf und bis zu welcher
Position der Scherfuge der ungünstigere Gewindequerschnitt
angesetzt werden muss. Es wurden Versuche mit dem Ziel durch-
geführt, das Tragverhalten von scherbelasteten Schraubengarni-
turen zu untersuchen, insbesondere im Übergangsbereich zum
Gewinde. Dabei wurde die Position der Scherfuge verändert. Der
Einfluss der neuen Schraubengeometrien und die Ergebnisse der
Abscherversuche werden nachfolgend genauer beschrieben.
Shear bearing of bolted connections with the beginning of the
thread near the shear plane. In bolted connections the shear load
is calculated with the cross section of the bolt. It is important
whether the shank or the thread is in the shear plane. In the new
code for bolts DIN EN 14399-4 the dimension of the bolts are mod-
ified. Compared to the previous code, the DIN 6914, in many situa-
tions the thread is closer to the shear plane or even in the shear
plane. In the current standards there is no requirement about
how long the shank has to protrude into the shear plane. Tests
were performed to assess the ultimate load of bolts in shear con-
nections with different positions of the shear plane.
In the paper the differences of the codes DIN 6914 and DIN EN
14399-4 are shown and the results of the tests are presented.
1 Einleitung
Scher-Lochleibungsverbindung (SL) gehören zu den am
weitesten verbreiteten Verbindungsarten im Stahlbau.
Diese Verbindung wird mit Nieten oder mit Schrauben
der Festigkeitsklassen 4.6 bis 10.9 ausgeführt. In der Ebe-
ne der Kontaktfläche der zu verbindenden Bleche wird die
Schraube lokal auf Abscheren beansprucht und die Lei-
bungen der Löcher auf Lochleibungspressung. Üblicher-
weise kommen Verbindungen mit normalem Lochspiel
(Δd = 2 mm) zum Einsatz. Wenn besondere Anforderun-
gen an die Verformung oder die Kraftschlüssigkeit beste-
hen, kann die Verbindung auch als Pass-Verbindung
(SLP) hergestellt werden (Δd ≤ 0,3 mm). Wird ein An-
schluss als SL-Verbindung ausgeführt, kann der Schaft
oder das Gewinde in der Scherfuge liegen. Für Passverbin-
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DOI: 10.1002/stab.201001366
dungen (SLP) hingegen ist es zwingend erforderlich, dass
der Schaft in der Scherfuge liegt und auch den wesentli-
chen Teil der Löcher ausfüllt [8], [9]. Hierdurch wird die
Begrenzung der Verformung sichergestellt. Für den Nach-
weis auf Abscheren von SL-Verbindungen wird nach aktu-
eller Norm entweder der Schaftquerschnitt oder der Span-
nungsquerschnitt, wenn das Gewinde in der Scherfuge
liegt, angesetzt.
Um die Anzahl der Schrauben zu reduzieren, und um
eine Verwechslungsgefahr auf der Baustelle mit auf Zug
beanspruchten Schrauben zu vermeiden, werden auch
für SL-Verbindungen häufig Schrauben der Güte 10.9
eingesetzt. Diese Schrauben werden seit 2007 in der
DIN EN 14399-4 geregelt. Gegenüber der Vorgänger-
norm, der DIN 6914, haben sich die Schraubengeometrien
und die Ermittlung der Klemmlänge geändert. Bei der Be-
messung wird bei richtiger Wahl der Klemmlänge häufig
davon ausgegangen, dass der Schaft in der Scherfuge liegt.
Diese Annahme ist allerdings nicht immer korrekt. Es gibt
Blechkombinationen, bei denen das Gewinde bzw. der
Übergangsbereich vom Schaft zum Gewinde in der Scher-
fuge liegt.
Die folgenden Ausführungen zeigen, bei welchen
Abmessungen das Gewinde in die Scherfuge rutscht und
welchen Einfluss die Umstellung von DIN 6914 auf
DIN EN 14399-4 hat. Begleitende Versuche zeigen, an
welcher Stelle mit dem Spannungsquerschnitt in der
Scherfuge gerechnet werden sollte.
2 Grundlagen zur Schraubenbemessung
2.1 Bemessung auf Abscheren
Die Bemessung der SL-Verbindung erfolgt nach DIN
18800-1. Für die Ermittlung der Grenzabscherkraft Va,R,d
werden die Querschnittsfläche A und die Festigkeitsklasse
fu,b,k der Schraube berücksichtigt.
Va,R,d = A · αa · fu,b,k / γM (1)
Für die Querschnittsfläche kann der Schaftquerschnitt an-
gesetzt werden, wenn der glatte Teil des Schafts in der
Scherfuge liegt. Für den Gewindeteil des Schafts ist der
Spannungsquerschnitt anzusetzen. Der Übergangsbereich
zwischen geradem Teil und Gewinde wird nicht explizit
beschrieben, sollte aber auf der sicheren Seite liegend dem
Gewinde zugeordnet werden. Ein Mindestmaß für die
901

R. Friede/J. Lange/T. Nicolay · Tragverhalten von Scher-Lochleibungsverbindungen mit dem Beginn des Gewindes in der Nähe der Scherfuge
Länge, die der Schaft in das zu verbindende Bauteil hi-
neinragen muss, ist nicht vorgegeben. In der DIN 18800-7
von 1983 war ein Abscheren des Gewindes nicht vorgese-
hen. Der Schaft musste mindestens 0,4 · dS in das Bauteil
hineinragen.
Der Festigkeitskoeffizient αa ist abhängig von der Fes-
tigkeitsklasse der Schraube. Bei Schrauben der Festig-
keitsklasse 10.9 ist der Wert mit 0,55 anzusetzen. Falls das
Gewinde in der Scherfuge liegt, ist der Wert zusätzlich um
20 % auf 0,44 abzumindern. Bei allen anderen Festigkeits-
klassen darf allgemein ein Festigkeitskoeffizient von 0,6
verwendet werden.
Für eine M24 10.9 beträgt die Grenzabscherkraft
Va,R,d = 226 kN, wenn der Schaft in der Scherfuge liegt
und 141 kN, wenn das Gewinde in der Scherfuge liegt.
Dies entspricht einer Reduzierung auf ca. 62 %. Die
Grenzabscherkraft im Gewinde liegt für eine Schraube
der Festigkeitsklasse 10.9 aufgrund der 20 %-igen Redukti-
on des Festigkeitskoeffizienten unter der Grenzabscher-
kraft einer Schraube der Festigkeitsklasse 8.8 (154 kN).
Zur DIN EN 1993-1-8 unterscheidet sich diese Be-
messung geringfügig. Die Grenzabscherkraft beträgt
Fv,Rd = αv fub · A / γM2
Der Wert für αv ist bei Schrauben der Festigkeitsklasse
10.9 für den Schaft in der Scherfuge mit 0,6, für das Ge-
winde mit 0,5 anzusetzen. Hieraus ergibt sich für den
Schaft eine Grenzabscherkraft von 217 kN und ebenfalls
141 kN für das Gewinde der Schraube M24.
2.2 Abmessungen von HV-Schrauben
Zur Bemessung einer Abscherverbindung sind neben dem
Durchmesser der Schraube die Längen ls für das Ende des
geraden Schaftbereichs und lg für den Beginn des Gewin-
Bild 1. Abmessungen einer Schraube nach DIN EN 14399-4
Fig. 1. Dimension of a bolt according to DIN EN 14399-4
902 Stahlbau 79 (2010), Heft 12
14371049, 2010, 12, Downloaded from https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/stab.201001366 by <Shibboleth>-member@zhaw.ch, Wiley Online Library on [19/09/2023]. See the Terms and Conditions (https://onlinelibrary.wiley.com/terms-and-conditions) on Wiley Online Library for rules of use; OA articles are governed by the applicable Creative Commons License
des wichtig (s. Bild 1). Hierbei ist ls ein Mindestwert und lg
ein Maximalwert. Der Übergangsbereich zwischen Schaft
und Gewinde liegt zwischen ls und lg.
Mit der Normenumstellung von der DIN 6915 auf die
DIN EN 14399-4 haben sich diese Abmessungen geändert
(s. Tabelle 1). Die Abmessungen bei kürzeren Schrauben
waren nach DIN 6914 abgestuft. Das bedeutet, dass das
Gewinde bei kurzen Schrauben kürzer war als bei länge-
ren Schrauben. Insgesamt sind die Schaftlängen nach al-
ter Norm gleich groß oder sogar länger als nach der neuen
DIN EN 14399-4.
Für die baupraktische Bemessung relevant ist der
Wert ls. Liegt die Scherfuge hinter dieser Grenze, ist der
Spannungsquerschnitt für das Gewinde anzusetzen. Bei
der Bemessung einer SL-Schraubenverbindung sollte
grundsätzlich geprüft werden, ob dieser Fall vorliegt und
zwar unabhängig davon, von welcher Seite die Schraube
montiert wird.
2.3 Klemm- und Schraubenlängen
Die Auswahl der Schraubengarnitur wird mit Hilfe der ge-
planten Klemmlänge der Verbindung getroffen. Die
(2) Klemmlänge ist nach DIN EN 14399 definiert als die
Dicke des Blechpakets zwischen Schraubenkopf und Mut-
ter einschließlich der Unterlegscheiben. Nach DIN 6914
ermittelt sich die Klemmlänge ohne die Unterlegscheiben
(s. Bild 2).
Jede Schraubenlänge deckt einen bestimmten
Klemmlängenbereich ab. Nach der aktuell gültigen
DIN EN 14399-4 wird die Schraubenlänge so gewählt,
dass bei der kleinsten zugelassenen Klemmlänge mindes-
tens zwei Gewindegänge zwischen lg und der Auflagerflä-
che der Mutter liegen, also mindestens zwei Gewindegän-
ge frei bleiben. Zurückzuführen ist das auf Duktilitätsbe-
trachtungen bei Zugbeanspruchung. Aufgrund einer
unterschiedlichen Abstufung ergeben sich teilweise bei
gleichen Blechdicken nach DIN EN 14399-4 andere
Schraubenlängen als nach DIN 6914.
Bild 2. Klemmlängen nach DIN EN 14399-4 und DIN 6914
Fig. 2. Clamping length according to DIN EN 14399-4 and
DIN 6914
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Tabelle 1. Vergleich der Schraubenabmessungen nach 2.4 Einbindetiefe

DIN EN 14399-4 und DIN 6914
Table 1. Comparison of the bolt dimensions of Je nach den zu verbindenden Blechdicken und den ver-
DIN EN 14399-4 with DIN 6914 wendeten Schrauben ragt der Schaft unterschiedlich weit
Schrauben DIN EN 14399-4 (Abmessungen in mm) in das zu verbindende Bauteil hinein. Als Einbindetiefe
wird nachfolgend das Maß x bezeichnet, um das der
M16 M20 M24 M30
Schaft über die Scherfuge hinausragt. Bild 3 zeigt das Maß
ls lg ls lg ls lg ls lg x bei einer einschnittigen Verbindung, Bild 4 bei einer
… … … … … … … zweischnittigen. Bei ungünstigen Blechkombinationen
kann dieses Maß sehr klein werden und sogar einen nega-
65 31 37 24,5 32 17 26
tiven Wert haben. Ein negativer Wert bedeutet, dass das
70 36 42 29,5 37 22 31 Gewinde bzw. der Übergangsbereich in der Scherfuge
75 41 47 34,5 42 27 36 20,5 31 liegt. In Tabelle 2 sind einige Kombinationen für eine
zweischnittige Verbindung exemplarisch dargestellt. So-
80 46 52 39,5 47 32 41 25,5 36
wohl in der DIN 18800-1 als auch in der EN 1993-1-8 wird
85 51 57 44,5 52 37 46 30,5 41 keine Aussage über eine erforderliche Größe dieses Maßes
90 56 62 49,5 57 42 51 35,5 46 x getroffen, ab dem bei der Ermittlung der Grenzabscher-
kraft der Schaftquerschnitt angesetzt werden darf. Es ist
95 61 67 54,5 62 47 56 40,5 51
100 66 72 59,5 67 52 61 45,5 56
105 71 77 64,5 72 57 66 50,5 61
… … … … … … … … …

Schrauben DIN 6914 (Abmessungen in mm)

M16 M20 M24 M30
ls lg ls lg ls lg ls lg
… … … … … … …
65 33 39 26,5 34 22 31
70 38 44 31,5 39 27 36
75 41 47 36,5 44 32 41 24,5 35
80 46 52 41,5 49 37 46 29,5 40
85 51 57 46,5 54 42 51 34,5 45
90 56 62 49,5 57 44 53 39,5 50
95 61 67 54,5 62 49 58 44,5 55
100 66 72 59,5 67 54 63 47,5 58
105 71 77 64,5 72 59 68 52,5 63
… … … … … … … … … Bild 3. Einbindetiefe x – Abstand der Scherfuge bis zum Be-
ginn des Übergangsbereichs bei einer einschnittigen Verbin-
Unterschiede DIN EN 14399 zu DIN 6914 dung
(Abmessungen in mm) Fig. 3. Length x – distance of the shear plane to the begin-
ning of the transition region in a single shear connection
M16 M20 M24 M30
ls lg ls lg ls lg ls lg
… … … … … … …
65 –2 –2 –2 –2 –5 –5
70 –2 –2 –2 –2 –5 –5
75 –0 –0 –2 –2 –5 –5 –4 –4
80 –0 –0 –2 –2 –5 –5 –4 –4
85 –0 –0 –2 –2 –5 –5 –4 –4
90 –0 –0 –0 –0 –2 –2 –4 –4
95 –0 –0 –0 –0 –2 –2 –4 –4
100 –0 –0 –0 –0 –2 –2 –2 –2 Bild 4. Schraube HV M24 für eine zweischnittige Verbin-
105 –0 –0 –0 –0 –2 –2 –2 –2 dung mit markiertem Übergangsbereich und Einbindetiefe x
Fig. 4. Bolt HV M24 for a double shear connection marked
… … … … … … … … …
with transition region and length x

Stahlbau 79 (2010), Heft 12 903

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Tabelle 2. Beispiele für Blechkombinationen mit Ermittlung der Länge x nach DIN EN 14399-4 und DIN 6914 bei einer
zweischnittigen Verbindung
Table 2. Examples of plate combinations with determining the length x according to DIN EN 14399-4 and to DIN 6914 in
a double shear connection

DIN EN 14399 DIN 6914

Schraube t1 t2 nom. Σt min ls x l lk min ls x 0,4 · d
Gewinde d in mm in mm in mm in mm
M16 10 15 65 43 31 2 65 35 33 4 6,4
M16 8 10 55 34 21 –1 55 26 23 1 6,4
M16 15 20 80 58 46 7 80 50 46 7 6,4
M20 10 15 65 43 24,5 –4,5 70 35 31,5 2,5 8
M20 8 10 60 34 19,5 –2,5 60 26 21,5 –0,5 8
M20 15 25 85 63 44,5 0,5 90 55 49,5 5,5 8
M24 10 15 70 43 22 –7 70 35 27 –2 9,6
M24 15 25 90 63 42 –2 95 55 49 5 9,6
M24 20 30 105 78 57 3 110 70 64 10 9,6
M30 15 20 95 60 40,5 0,5 95 50 44,5 5,5 12
M30 20 30 115 80 60,5 5,5 115 70 62,5 8,5 12
M30 30 40 145 110 90,5 15,5 145 100 92,5 18,5 12

also grundsätzlich zulässig den Schaft in der Scherfuge

anzusetzen, so lange der Wert nicht negativ ist.

3 Beispiele

Die beiden Bemessungsbeispiele sollen die Auswirkungen

zeigen, die die Lage der Scherfuge auf die Anschlusskraft
hat.

3.1 Verbandsanschluss

Ein drucksteifer Horizontalverbandsstab HEA 300 wird

einseitig an ein Knotenblech von 25 mm Dicke ange-
schlossen (s. Bild 5). Mit einer Knicklänge von 5 m ergibt
sich eine Tragfähigkeit des Stabes von 1070 kN. Der An-
schluss mit 4 HVM 24x75 (min ls = 27 mm) hat nach der
DIN 18800-1 eine Traglast von:

Va,R,d = 4 · 0,55 · 4,52 · 100,0/1,1 = 904,0 kN (Schaft in

der Scherfuge)
Va,R,d = 4 · 0,44 · 3,53 · 100,0/1,1 = 564,8 kN (Gewinde
in der Scherfuge)
Flansch t = 14,0 mm S235
e = 95 mm e1 = 80 mm e2 = 90 mm e3 = 120 mm
α1 = 1,10 · 80,0/26,0 – 0,30 (El.805, Formel 50a) = 3,0
α1 = 1,08 · 95,0/26,0 – 0,77 (El.805, Formel 50b) = 3,0
Vl,R,d = 4 · 1,4 · 2,4 · 3,000 · 21,8 = 879,7 kN
Wird die Schraube von der richtigen Seite montiert, ergibt
sich ein Wert von x = 9 mm. Der positive Wert zeigt an,
dass der Schaft in der Scherfuge liegt. Bei der Bemessung
muss allerdings vom ungünstigsten Fall ausgegangen wer-
den. Wird die Schraube von der falschen Seite montiert,
ergibt sich ein Wert von x = –2 mm. Jetzt liegt der Über-
gangsbereich in der Scherfuge. Die Bemessungskraft des Bild 5. Beispiel 1 – Verbandsanschluss
Anschluss muss daher 565 kN betragen. Fig. 5. Example 1 – bracing connection

904 Stahlbau 79 (2010), Heft 12


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Bild 6. Beispiel 2 – Fachwerkknoten mit Gabelblechen
Fig. 6. Example 2 – truss note with torkplates
3.2 Fachwerk mit Gabelblechen
Eine Fachwerkdiagonale HEA 220 wird mit Gabelblechen
an ein Knotenblech angeschlossen (s. Bild 6). Die
überwiegend auf Zug beanspruchte Diagonale hat eine
Tragfähigkeit von ca. 2100 kN. Der Anschluss mit
12 HVM20x60 trägt:
Va,R,d = 12 · 0,55 · 3,14 · 100,0/1,1 = 1884,0 kN
(Schaft in der Scherfuge)
Va,R,d = 12 · 0,44 · 2,45 · 100,0/1,1 = 1176,8 kN
(Gewinde in der Scherfuge)
Flansch t = 11,0 mm S355
e = 55 mm e1 = 45 mm e2 = 50 mm e3 = 120 mm
α1 = 1,10 · 45,0/22,0 – 0,30 (El.805, Formel 50a) = 1,950
α1 = 1,08 · 55,0/22,0 – 0,77 (El.805, Formel 50b) = 1,930
Vl,R,d = 12 · 1,1 · 2,0 · 1,930 · 32,7 = 1667,5 kN
Die gewählte Schraube M20x60 hat ein Maß ls von
19,5 mm. Die Blechdicke beträgt 15 mm, die Unterleg-
scheibe ist 4 mm dick. Mit einem Maß von x = 0,5 mm
liegt der volle Schaftquerschnitt in der Scherfuge. Das
Maß x ist allerdings sehr klein. Es stellt sich die Frage, ob
die Annahme des Schaftquerschnitts auf der sicheren Sei-
te liegt.
4 Abscherversuche
4.1 Versuchsdurchführung
Am Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik der TU
Darmstadt wurden Abscherversuche an einschnittigen
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Bild 7. Probekörper in der Prüfmaschine
Fig. 7. Test specimen in the testing machine
Einschraubenverbindungen durchgeführt. Bei den Versu-
chen an Schrauben M16 bis M30 10.9 wurde die Lage der
Scherfuge variiert. Ziel war es, herauszufinden bis zu wel-
cher Lage der Scherfuge der Schaftquerschnitt angesetzt
werden kann bzw. ab wann eine Abminderung des ange-
setzten Querschnittes notwendig ist.
Die Versuche wurden an einer Prüfmaschine mit
100 t Nennlast durchgeführt. Die Lastebene lag in der
Scherfuge der beiden Bleche. Die Schrauben wurden
handfest angezogen. Die Versuche wurden weggesteuert
mit einer Geschwindigkeit von 5 mm/min durchgeführt.
Gemessen wurden die Kraft und die Verformung der Prüf-
maschine. In Bild 7 sind die Lage der Probekörper in der
Prüfmaschine und die Kraftebene dargestellt. Die Versu-
che wurden bis zum Bruch der Schraube gefahren.
4.2 Ergebnisse
Die maximalen Traglasten sind in Tabelle 3 aufgeführt. In
Bild 8 sind die Ergebnisse grafisch dargestellt. Für jeden
Versuch ist die Traglast in Abhängigkeit des Abstandes
vom Schraubenkopf bis zur Scherfuge aufgetragen. Zu-
sätzlich ist die Lage von ls und lg eingezeichnet. Es zeigte
sich, dass die Lage der Scherfuge einen deutlichen Ein-
fluss auf die Traglast hat. Liegt der Schaft in der Scherfu-
ge, ist die Traglast deutlich größer als beim Abscheren im
Gewindequerschnitt. Die Traglast im Gewindebereich
liegt bei etwa 75 % der Traglast des glatten Schaftquer-
schnitts. Nach der DIN 18800 reduziert sich die Grenzab-
scherkraft im Gewinde auf ca. 62 %.
Liegt die Scherfuge im Übergangsbereich, ist die
Traglast zwischen den extremalen Ergebnissen. Wenn
Stahlbau 79 (2010), Heft 12 905
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R. Friede/J. Lange/T. Nicolay · Tragverhalten von Scher-Lochleibungsverbindungen mit dem Beginn des Gewindes in der Nähe der Scherfuge

150 250
M16x55 10.9 M20x70 10.9
140 230
Abscherkraft in kN a

Abscherkraft in kN
130 210

120 190

110 170
ls lg ls lg
100 150
0 10 20 30 40 50 60 0 10 20 30 40 50 60
Abstand unter Kopf bis zur Scherfuge in mm Abstand unter Kopf bis zur Scherfuge in mm

300 500
M24x80 10.9 M30x90 10.9
280
Abscherkraft in kN

450

Abscherkraft in kN
260
400
240

350
220
ls lg ls lg
200 300
0 10 20 30 40 50 60 0 10 20 30 40 50 60
Abstand unter Kopf bis zur Scherfuge in mm Abstand unter Kopf bis zur Scherfuge in mm

Bild 8. Traglasten der Abscherversuche

Fig. 8. Ultimate loads of the shear tests

Tabelle 3. Traglasten der Abscherversuche

Table 3. Ultimate loads of the shear tests

M16x55 Lage der Trennfuge

16 16 20 20 21 21 22 23 24 25 32 32
in mm
10.9 Abstand x in mm 5 5 1 1 0 0 –1 –2 –3 –4 –11 –11
Traglast in kN 139 139 140 131 117 130 125 127 111 106 103 106
M20x70 Lage der Trennfuge
19 19 39 39 30 30 29 29 28 28 27 27 31 31
in mm
10.9 Abstand x in mm 10,5 10,5 –9,5 –9,5 –0,5 –0,5 0,5 0,5 1,5 1,5 2,5 2,5 –1,5 –1,5
Traglast in kN 210 214 157 165 203 207 205 207 211 212 210 210 202 201
M24x80 Lage der Trennfuge
24 24 44 44 33 33 32 32 31 31 30 30 28 28
in mm
10.9 Abstand x in mm 8 8 –12 –12 –1 –1 0 0 1 1 2 2 4 4
Traglast in kN 289 293 216 224 282 269 279 278 286 278 293 295 297 292
M30x90 Lage der Trennfuge
25 25 50 50 37 37 30 30 35 35 29 29 31 31
in mm
10.9 Abstand x in mm 10,5 10,5 –14,5 –14,5 –1,5 –1,5 5,5 5,5 0,5 0,5 6,5 6,5 4,5 4,5
Traglast in kN 472 469 348 355 450 441 463 474 445 448 463 470 468 462

das Ende des glatten Schraubenschafts in der Nähe der 5 Schlussfolgerungen

Scherfuge liegt (x → 0), wird ebenfalls eine kleinere Trag-
last erreicht als bei Scherversagen im Schaft. Ab einem Mit der Umstellung der Schraubennorm DIN 6914 auf die
Abstand von etwa x = 0,1 · d reduziert sich die Traglast bis DIN EN 14399-4 ändern sich die Schraubengeometrie,
zum Beginn des Übergangsbereichs auf etwa 95 %. die Ermittlung der Klemmlänge und die Bestimmung der

906 Stahlbau 79 (2010), Heft 12

 14371049, 2010, 12, Downloaded from https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/stab.201001366 by <Shibboleth>-member@zhaw.ch, Wiley Online Library on [19/09/2023]. See the Terms and Conditions (https://onlinelibrary.wiley.com/terms-and-conditions) on Wiley Online Library for rules of use; OA articles are governed by the applicable Creative Commons License
R. Friede/J. Lange/T. Nicolay · Tragverhalten von Scher-Lochleibungsverbindungen mit dem Beginn des Gewindes in der Nähe der Scherfuge

Tabelle 4. Blechdicken, bei denen eine Abminderung der endes verhält, wurde in Abscherversuchen an Schrauben
Tragfähigkeit erforderlich ist M16 bis M30 10.9 am IFSW der TU Darmstadt ermittelt.
Table 4. Thicknesses, where a reduction of the load carrying Es zeigte sich, dass noch nicht die volle Traglast erreicht
capacity is required wird, wenn die Scherfuge mit dem Ende des Schaftquer-
Blechdicke, bei der der Blechdicke, bei der der schnitts ls zusammenfällt. Erst wenn der Schaft um ca.
Übergangsbereich näher Übergangsbereich näher 0,1 · d über die Scherfuge hinausragt, kann die volle Trag-
als 0,1 · d an der Scherfuge als 0,1 · d an der Scherfuge fähigkeit des Schaftquerschnitts vorausgesetzt werden.
liegt, wenn das dickere liegt bei beliebiger Bei der Auslegung von SL-Verbindungen ist zu über-
Blech in 5er Schritten Blechkombination prüfen, ob der glatte Teil des Schafts in der Scherfuge liegt.
gewählt ist Die Blechkombinationen, bei denen der Schaftquerschnitt
M16 9 mm 13 mm nicht eindeutig in der Scherfuge liegt, sind in Tabelle 4 zu-
sammengestellt.
M20 15 mm 16 mm
M24 16 mm 20 mm Literatur
M27 16 mm 18 mm
[1] Schmidt, H., Zwätz, R., Bär, L., Schulte, U.: Ausführung von
M30 19 mm 20 mm Stahlbauten – Erläuterungen zu DIN 18800-7. Berlin: Ernst
und Sohn Verlag 2005.
[2] Petersen, C.: Stahlbau. Wiesbaden: Vieweg 1988.
Blechdicke, bei der der Blechdicke, bei der der
[3] Lindner, J., Scheer, J., Schmidt, H.: Stahlbauten – Erläute-
Übergangsbereich in der Übergangsbereich in der
rungen zu DIN 18800 Teil 1 bis Teil 4. Berlin: Ernst und Sohn
Scherfuge liegt, wenn das Scherfuge liegt bei
Verlag 1998.
dickere Blech in 5er beliebiger Blech-
[4] DIN 6914:1989-11: Sechskantschrauben mit großen Schlüs-
Schritten gewählt ist kombination
selweiten.
M16 9 mm 11 mm [5] DIN EN 14399-4:2006-06: Hochfeste planmäßig vorge-
spannte Schraubenverbindungen für den Metallbau – Teil 4:
M20 10 mm 14 mm System HV-Garnituren aus Sechskantschrauben und -mut-
M24 16 mm 17 mm tern.
[6] DIN 18800-1:2008-11: Stahlbauten – Teil 1: Bemessung und
M27 11 mm 15 mm Konstruktion.
M30 14 mm 17 mm [7] DIN 18800-7:2008-11: Stahlbauten – Teil 7: Ausführung
und Herstellerqualifikation.
[8] EN 1993-1-8:2005: Eurocode 3: Bemessung und Konstruk-
tion von Stahlbauten – Teil 1-8: Berechnung und Bemessung
notwendigen Schraubenlänge. Durch das Vorgehen nach von Anschlüssen.
DIN EN 14399-4 kommt es häufiger dazu, dass nicht der [9] EN 1090-2:2008: Ausführung von Stahltragwerken und
volle Schaftquerschnitt in der Scherfuge bzw. das Ende Aluminiumtragwerken – Teil 2: Technische Regeln für die
des glatten Schaftquerschnitts näher an der Scherfuge Ausführung von Stahltragwerken.
liegt. Dies führt zu der Fragestellung, ab welcher Position
der Scherfuge der Schaftquerschnitt angesetzt werden
Autoren dieses Beitrages:
darf.
Prof. Dr.-Ing. Jörg Lange, lange@stahlbau.tu-darmstadt.de
Wird die Grenzabscherkraft von Schrauben in SL- Dipl.-Ing. Roland Friede, friede@stahlbau.tu-darmstadt.de
Verbindungen bestimmt, ist die Position der Scherfuge ge- beide Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik,
genüber dem Schraubenquerschnitt wichtig. Liegt die TU Darmstadt, Petersenstraße 12, 64287 Darmstadt
Scherfuge außerhalb des glatten Schaftquerschnitts, ist
auf der sicheren Seite liegend der Spannungsquerschnitt Dipl.-Ing. Thorsten Nicolay, Donges SteelTec GmbH,
anzusetzen. Wie sich die Traglast in der Nähe des Schaft- Mainzer Str. 55, 64293 Darmstadt, T_Nicolay@donges-steeltec.de

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