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Anfänge
Doch bereits in Friedrich Gottlieb Klopstocks Oden von 1750 zeigte sich, dass dieses Reglement zu
eng gefasst war. Mit dieser Demonstration gegen die rein verstandesmäßige Haltung der Aufklärung
war der Grundstein für die Überwindung der Vernunftherrschaft und eine Entfesslung des
Gefühlsüberschwangs, der Fantasie und der Gemütskräfte als neuer dichterischer Grundhaltung
gelegt (emotio statt ratio).
Diese erneuernde Bewegung, die wie ein Ruck durch die deutschsprachige Literatur ging, verbindet
in ihrem jugendlichen Charakter den „gemütvoll-bürgerlichen Realismus mit dem Idealisch-
Politischen und Menschenrechtlichen“:[2] die Fülle des Herzens mit der Freiheit des Gefühls, mit
Ahnung und Trieb. Sie zeigt in Einzelschicksalen die politisch-moralische Situation der Zeit auf.
Das Aufbegehren der Jugend hatte so sein literarisches Äquivalent gefunden, eine neue Generation
deutschsprachiger Schriftsteller fand in den Thesen Johann Gottfried Herders den Widerhall ihrer
Erfahrungen und Gefühlswelt. Herder, der zu einem Wegbereiter des Sturm und Drang wurde,
kritisierte die Arroganz der Aufklärung gegenüber dem einfachen Volk und forderte dazu auf, auch
die „Ächtheit“ und Tiefe des Volkslieds und der Volksdichtung als Kunst anzuerkennen; er erkannte,
dass Aufklärung in ihr Gegenteil umschlagen kann, und forderte, dass sie nur Mittel, nicht Ziel sein
dürfe. Auch Heinrich Wilhelm von Gerstenbergs Ugolino (1768) kann man in die Frühphase des
Sturm und Drang einordnen, die Schweizer Johann Heinrich Füssli und Johann Caspar Lavater als
ihre Vorgänger ansehen.[3]
Besonderheiten
Das Persönlichkeitsideal der jungen Generation in der deutschen Literatur des ausgehenden 18.
Jahrhunderts wendete sich gegen Autorität und Tradition. An Stelle einer erlernbaren Regelpoetik,
die man in Dichterakademien lernen konnte, setzten die „jungen Wilden“ die Selbstständigkeit
des Originalgenies, das sein Erleben und seine Erfahrungen in eine individuelle künstlerische Form
brachte und mit den Regeln der traditionellen Poetik sehr frei umging. Man bezweifelte die
Maßgeblichkeit der ratio und begann die emotio ins Zentrum zu rücken.
Die überkommenen Regeln wurden mit Verweis auf das eigene Können und die Kraft genialer
Originalität als Krücken verworfen, die das gesunde Genie der jungen Autoren nicht benötige. Nicht
Semester 2024 Assignent German Lit
in eine Form sollte das Werk passen, sondern in die Welt, wie die Generation des Sturm und Drang
sie erlebte, ihr Lebensgefühl widerspiegelnd.
Ein neues, innig umfassendes und sich einfühlendes Verhältnis zur Natur vereinte sich mit einer
tragischen Grundauffassung vom Genie. Das Gefühl rückte ins Zentrum der literarischen Aussage.
„Die Stimme des Herzens ist ausschlaggebend für die vernünftige Entscheidung.“ Dieses Zitat von
Johann Gottfried Herder zeigt den Protest gegen die herrschenden Moralvorstellungen, die
Entscheidungen von der Moral und nicht vom Herzen abhängig machten. Hinzu kam die
Verschärfung der Kritik an repressiven Auswüchsen des feudalen Systems, allerdings unter
Akzeptanz des aufgeklärten Absolutismus, sowie eine voranschreitende Säkularisierung und die
Forderung nach Befreiung der Leidenschaften von einer konventionellen Moral. Dieser
Befreiungsakt war allerdings auch mit Leiden verbunden, da er zum Verstoß gegen die
fortbestehenden bürgerlichen Konventionen führen musste.
Die Hauptform der Dichtung in der Epoche des Sturm und Drang stellte das Drama dar, allerdings
unter weitgehender Aufhebung der drei Einheiten von Handlung, Zeit und Ort. So bestand die
Urfassung des Götz von Berlichingen aus 59 Szenen; er war kaum spielbar und somit ein
Lesestück.[4] Es sind auch andere literarische Formen vertreten, so ist Die Leiden des jungen
Werthers von Johann Wolfgang von Goethe ein Roman. Das immer wiederkehrende Thema war der
Konflikt des Naturgenies, der nach Freiheit strebenden, widerspenstigen Jugend, mit den Schranken
der bestehenden Weltordnung, die die handelnden Personen als Aufrührer und Verbrecher
erscheinen ließ. Formales Vorbild wurde Shakespeare anstelle der Dichter der antiken Welt, von
denen jedoch Pindar und Homer weiter geschätzt wurden.
Auf die Ausarbeitung einer eigenen Ästhetik verzichteten die Vertreter des Sturm und Drang; sie
verweigerten jedwedes integrative literarische, poetologische oder politische Konzept. „Eine Theorie
des Sturm und Drang […] gibt es nicht.“[5]
Die exaltierte, ungebändigte und doch gefühls- und ausdrucksstarke Sprache des Sturm und Drang
war voller Ausrufe, halber Sätze und forcierter Kraftausdrücke und neigte zum derb realistisch
Volkstümlichen. Man nahm kein Blatt mehr vor den Mund und brachte die Sprache des Volkes und
der Jugend auf die Bühnen. Die Frontstellung der jungen Schriftsteller gegen eine aristokratische
Hofkultur nach französischem Vorbild sowie ihre Sympathie für Begriffe wie Natur, Herz und Volk
fielen bereits den Zeitgenossen auf. Eine eigenständige „Jugendkultur“ in der Literatur war
entstanden. Kritiker bemängelten, die Vernachlässigung der dramatischen Technik und Einheiten in
den Werken des Sturm und Drang gehe bis zum beliebig häufigen Schauplatzwechsel, oft über den
Grad bühnenmäßiger Wirksamkeit (und Darstellbarkeit) hinaus.