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- Entwickelte sich im 18.

Jahrhundert

Wie der Sturm und Drang so ist auch die Empfindsamkeit eine literarische Strömung,
die sich aus der Aufklärung heraus entwickelte. In Deutschland umfasst sie den
Zeitraum von 1740 bis 1790. Ihr charakteristisches Merkmal ist die Überhöhung des
Gefühls.

Der Begriff der Empfindsamkeit wurde vom deutschen Dichter Gotthold Ephraim
Lessing geprägt. Er riet dem Verleger Johann Christoph Bode den Roman "A Sentimental
Journey through France and Italy" von Laurence Sterne mit dem Titel "Yoriks empfindsame
Reise" zu übersetzen. Das Wort "empfindsam" war damals ein Neologismus, also eine
Wortneuschöpfung. Das heißt, den Begriff hatte es bis dahin nicht gegeben. Er verankerte
sich erst zu dieser Zeit im deutschen Sprachgebrauch und wurde nachträglich zur
Bezeichnung für diese Literaturepoche.

Die Empfindsamkeit verlief zur Zeit von Aufklärung und Sturm und Drang.
Während Aufklärung und Sturm und Drang sich als Gegenpole gegenüberstanden, war die
Empfindsamkeit beiden Epochen zugewandt. Die Empfindsamkeit war eine Reaktion auf
die Dominanz des Rationalismus und Vorläufer des Sturm und Drang verstehen.

In der Empfindsamkeit ging es um Gefühle. Das macht sie jedoch keineswegs zum Gegenteil
der rationalen Aufklärung. Vielmehr hat sie den aufklärerischen Rationalismus um
den Aspekt des Gefühls erweitert und individuelle Empfindungen zum Ideal erhoben.
Neben ihrer Gefühlsbetontheit sind eine starke Naturverbundenheit und Frömmigkeit
typische Merkmale der Empfindsamkeit.

Die Merkmale der Empfindsamkeit:

 Gefühlsbetontheit
 Frömmigkeit
 Naturverbundenheit

Das intensive Erleben und Empfinden von Gefühlen ist das zentrale Merkmal der
Empfindsamkeit. Es äußerte sich in Schwärmerei und einem regelrechten Überschwang an
Gefühlen. Typisch sind auch eine sentimental-enthusiastische, von Gefühlen getragene
Weltsicht und eine Sensibilität für seelische Vorgänge.

Der Rückzug in Gefühlswelten war für das Bildungsbürgertum eine Flucht vor ihrer
gesellschaftlichen und politischen Unterdrückung. Die eigenen Gefühle und der
Blick auf das Innere waren den Vertreterinnen und Vertretern dieser Strömung so wichtig,
dass das Gefühl ihr Maßstab für Handlungen und Persönlichkeit war. Gefühle waren
menschlich und sollten nicht länger versteckt werden. Typisch sind deshalb Motive wie
Lebensgenuss, Freundschaft, das Beobachten seelischer Regungen und die Ergriffenheit in
Hinblick auf Anmut und Tugend.

Typische Gefühle der Empfindsamkeit:

 Freundschaft
 Nächstenliebe
 Geschwisterliebe
 Naturliebe
 Trauer

Es handelt sich dabei um Gefühle, denen eine Gewisse Rührseligkeit und Ergriffenheit
zugrunde liegt. Temperamentvolle, negative Gefühlsregungen wie Zorn, Raserei oder
Begierde zählten nicht zu den Idealen der Empfindsamkeit.

Frömmigkeit

Frömmigkeit ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt der Empfindsamkeit. Das liegt daran, dass
sie vom sogenannten Pietismus beeinflusst war. Der Pietismus war eine religiöse
Bewegung innerhalb des deutschen Protestantismus und richtete sich gegen den
Dogmatismus der Kirche. Diese hielt starr an ihren Anschauungen und Lehrmeinungen fest
und verweigerte sich dem Fortschrittsdenken der damaligen Zeit.

Dem Pietismus ging es um eine subjektive Wahrnehmung des Göttlichen. Der Mensch
sollte selbst einen Zugang zur Religiosität finden und nicht bloß den Lehren der Bibel folgen.
Die Pietisten setzten auf eine persönliche, gefühlsbetonte Frömmigkeit. Die Idee einer
individuellen, subjektiven Frömmigkeit findest du auch in der Empfindsamkeit.

Naturverbundenheit

Im Zusammenhang mit der Betonung subjektiver Gefühle war in der Empfindsamkeit auch
das Entdecken und Erleben der Natur von Bedeutung. Die Natur war ein Raum, der
individuelles Erleben und Empfinden sowie eine Rückkehr in sich selbst ermöglichte.
Gleichzeitig weckte sie jene sentimental-schwärmerischen Gefühle, die die Vertreter und
Vertreterinnen so verehrten. Ein Beispiel dafür ist das Gedicht "Abendlied" von Matthias
Claudius aus dem Jahr 1779. Es beschreibt den Wald bei Nacht. Du kennst es wahrscheinlich
als Schlaflied "Der Mond ist aufgegangen":
Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
Der weisse Nebel wunderbar.

Die Autoren und Autorinnen der Empfindsamkeit waren junge Akademiker aus dem
Bildungsbürgertum. Ihre Texte sind durch Schwärmerei und Überschwang
gekennzeichnet. Um die inneren Empfindungen nach außen zu kehren, nutzten sie
literarische Formen, mit denen sich Gefühle detailliert und nuancenreich darstellen ließen.
Ziel war es, auch die Leserschaft zu rühren.

Lyrik

Die literarische Gattung der Lyrik eignet sich durch ihre sprachlichen und formalen
Besonderheiten sehr gut dazu, Empfindungen überschwänglich zum Ausdruck zu bringen. So
ermöglicht sie einen dichten Einsatz von rhetorischen Mitteln. Auch durch
Gestaltungsmittel wie Metrum und Reimschema lassen sich Gefühle kunstvoll
ausschmücken.

In der Empfindsamkeit waren besonders Oden, Hymnen, Elegien und Idyllen beliebt – alles
Gedichtformen, die in sich schon auf Überschwang angelegt sind. Gefühle stehen im
Mittelpunkt. Entsprechend zeigt das empfindsame lyrische Ich starke Gefühlsregungen und
offenbart oftmals sein Seelenleben. Häufig findest du in Gedichten der Empfindsamkeit
Ausrufe wie "Oh" und "Ah". Das wichtigste Gedicht der Empfindsamkeit ist
das Heldengedicht "Messias" von Friedrich Gottlieb Klopstock. Wegen seiner
sprachlichen und formalen Gestaltung hatte es einen großen Einfluss auf die
zeitgenössischen Dichterinnen und Dichter.

Epik

In der Epik dominierten vor allem Briefroman, Reiseberichte und andere


Erlebnisberichte, da sie es ermöglichten, individuelle Empfindungen ausufernd
darzustellen. Einen Höhepunkt stellt in diesem Zusammenhang Goethes Briefroman
"Die Leiden des Jungen Werther" dar. Es ist nicht nur das wichtigste Werk des Sturm
und Drang. Die Schilderung von Werthers tiefsten Empfindungen entspricht auch den Ideen
der Empfindsamkeit.
Dramatik

In der Dramatik verdrängte das Empfindsame das Komödiantische, etwa


durch weinerliche Lustspiele oder Rührstücke. Das waren Stücke, die Zuschauer zu
Tränen rühren sollten. Außerdem gewann das bürgerliche Trauerspiel an Bedeutung.
Wichtige Dramatiker waren August von Kotzebue und August Wilhelm Iffland.

▷Empfindsamkeit (1740–1790): die Literaturepoche im Überblick (unicum.de)

Die wichtigsten deutschen Autoren und Dichter, die in Verbindung mit der Literaturperiode
der Empfindsamkeit stehen, sind Matthias Claudius (1740–1815), Friedrich Gottlieb
Klopstock (1724–1803), Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) und Sophie von La Roche
(1730–1807). Auch Johann Wolfgang von Goethes Die Leiden des jungen Werthers (1774)
zeigt empfindsame Tendenzen.

Die Wurzeln der Strömung sind hauptsächlich in England zu finden. Autoren wie Lord
Shaftesbury, Samuel Richardson, Oliver Goldsmith, Richard Steele und Samuel Hutchinson
üben einen bedeutenden Einfluss in fast allen europäischen Ländern aus. In ihren Werken
dient die sinnliche Wahrnehmung als Grundlage für das vernünftige Erkennen. Mitgefühl,
Liebe und Zärtlichkeit führen zu moralischem Handeln. Auch in Frankreich ist die Bewegung
zum Beispiel in Form rührender Lustspiele (Comédies larmoyantes) sehr präsent.
Wichtige Werke:

Abendlied (1778)

Messias (1748–1773)

Geschichte des Fräuleins von Sternheim (1771)

Das Leiden des jungen Werther(1774)

Empfindsamkeit | Epoche (lektuerehilfe.de)

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