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Ihrer primären Funktion nach dienen die Tempusformen der zeitlichen Charakterisierung des
im Verb ausgedrückten Geschehens. Den sechs Tempora des deutschen Tempussystems
entsprechen aber nicht sechs Bedeutungen in linearer Zuordnung! Die meisten Tempora sind
polyfunktional. Dies äußert sich nicht nur darin, dass ein und dasselbe Tempus mehrere
Zeitinhalte (Temporalität) bezeichnen kann, sondern auch darin, dass es parallel auch mit der
Art der Handlung zusammenhängende Bedeutungen (zum Beispiel Abgeschlossenheit)
und/oder modale Funktionen (zum Beispiel Vermutung, Aufforderung) haben kann.
Das Präsens
Die Bezeichnung des Präsens als Gegenwartstempus ist insofern berechtigt, als es tatsächlich
die einzige Tempusform ist, die die Gegenwart rein temporal auszudrücken vermag: Das Kind
schläft.
Über die Bezeichnung der Gegenwart hinaus hat aber das Präsens noch eine Reihe weiterer
Funktionen.
Es wird oft für die Zukunft verwendet: Morgen gehe ich ins Kino.
Als Erzähltempus (allerdings mit vergegenwärtigender Wirkung) bezieht es sich auf die
Vergangenheit: Eines Tages begibt sich der berühmte französische Wissenschaftler Ampère
zum Institut ...
Es steht in generellen Aussagen ohne deutlichen Zeitbezug: Menschen sind sterblich.
Es steht in Aussagen über habituelle Handlungen: Er besucht mich jeden Montag.
Bei entsprechender Intonation ist es ein Mittel der Aufforderung: Du kommst mit!
1. Welche Funktion hat das Präsens in den folgenden Sätzen? Woran ist seine aktuelle
Funktion zu erkennen?
2. Lesen Sie die Fabeln und verwandeln Sie Verben ins angegebene Erzähltempus.
Präsens Präteritum
Der Fuchs und der Storch
Ein Fuchs hat (hatte) einmal einen Storch zu Gast, und setzt (setzte) ihm die köstlichsten Dinge
vor. Die Speisen liegen (lagen) aber nur auf ganz flachen Schüsseln, aus denen der Storch mit
seinem langen Schnabel nichts fressen kann (konnte). Gierig frisst (fraß) der Fuchs alles alleine
auf, obgleich er den Storch unaufhörlich bittet (bat), er solle es sich schmecken lassen. Der
Storch ärgert (ärgerte) sich, bleibt (blieb) aber äußerlich heiter. Er lobt (lobte) die Bewirtung
über alle Maßen und bittet (bat) seinen Freund, am anderen Tag mit ihm zu essen.
Als der Fuchs nun am anderen Tag zum Storch kommt (kam), findet (fand) er alle möglichen
Leckerbissen aufgetischt. Sie sind (waren) aber alle in langhalsigen Geschirren abgefüllt.
„Folge meinem Beispiel“, ruft (rief) ihm der Storch lustig zu, „und fühle dich so, als wenn du
zu Hause wärest.“ Der Storch schlürft (schlürfte) nun mit seinem Schnabel alles alleine auf,
während der Fuchs zu seinem größten Ärger nur etwas riechen und vom äußeren Geschirr
ablecken kann (konnte). Hungrig steht (stand) er vom Tisch auf und sagt (sagte): „Du hast mir
aber eine ordentliche Lektion beigebracht.“
Präteritum Präsens
Löwenanteil
Ein Löwe, ein Esel und ein Fuchs waren (gehen) in Gesellschaft auf die Jagd gegangen (–). Sie
fingen (fangen) einen Hirsch und viele andere Tiere. Der Löwe befahl (befiehlt) dem Esel, den
Raub zu teilen. Dieser machte (macht) ganz gleiche Teile daraus und ließ (lässt) den anderen
die freie Auswahl. Der Löwe ergrimmte (ergrimmt) über diese Gleichheit, fiel (fällt) über den
Esel her und zerriss (zerreißt) ihn in Stücke.
Dann wandte (wendet) er sich dem Fuchse zu und befahl (befiehlt) ihm eine andere Teilung zu
machen. Der Fuchs legte (legt) nun alles auf die Seite des Löwen und behielt (behält) nur einen
sehr kleinen Teil für sich. „Wer hat dich“, fragte (fragt) der Löwe, „eine so weise Einteilung
machen gelehrt?“ – „Das klägliche Schicksal des Esels“, antwortete (antwortet) der Fuchs.
Die Zukunftstempora
Die Besonderheit der beiden Zukunftstempora (Futur I und Futur II) besteht im Deutschen
darin, dass sie auch modale Verwendungsweisen haben.
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Das Futur I kann ausdrücken
a) eine Vermutung in Bezug auf die Gegenwart:
Jetzt wird er schon zu Hause sein. (= Jetzt ist er vermutlich schon zu Hause.)
b) eine Absicht oder eine Ankündigung/Prophezeiung in Bezug auf die Zukunft:
Ich werde gleich eine Mail schreiben und ihm meine Meinung sagen. (= Ich will gleich
eine Mail schreiben und ihm meine Meinung sagen.)
Die Orchidee wird bald eingehen, wenn du sie jeden Tag begießt. (= Die Orchidee geht
sehr wahrscheinlich bald ein/Die Orchidee dürfte bald eingehen, wenn du sie jeden Tag
begießt.)
c) eine energische Aufforderung:
Jetzt wirst du deine Aufgabe machen!
3. Als Zukunftstempus hat das Futur I im Präsens einen starken Konkurrenten, es kann
aber nicht in ALLEN Fällen durch das Präsens ersetzt werden. In welchen Sätzen ist das
Futur I durch das Präsens nicht ersetzbar? Begründen Sie Ihre Entscheidung.
4. Das Futur II steht als Zukunftstempus mit dem Perfekt in Konkurrenz. Beide Tempora
können eine Abgeschlossenheit in der Zukunft zum Ausdruck bringen, vgl.: Bald wirst du
es geschafft haben. Oder: Bald hast du es geschafft. Ersetzen Sie in den folgenden Sätzen
das Perfekt durch das Futur II.
6. Drücken Sie im Zusammenhang mit den folgenden Sachverhalten Ihre Vermutung aus.
Gebrauchen Sie dabei die beiden Futurformen.
Muster zur Aufgabe a): Er wird (wohl/bestimmt/vielleicht) ein Ausländer sein.
Er wird seine Gruppe verloren haben.
a) Ein Mann steht an der Ecke, einen Fotoapparat und einen Stadtplan in der Hand, und schaut
hilflos um sich herum.
1. Er ist ein Ausländer.
Er wird ein Ausländer sein.
2. Er sucht eine Straße.
Er wird eine Straße suchen.
3. Er findet sich in der fremden Stadt nicht zurecht.
Er wird sich in der fremden Stadt nicht zurechtfinden.
4. Er hat sich verirrt.
Er wird sich verirrt haben.
5. Er hat seine Gruppe verloren.
Er wird seine Gruppe verloren haben.
6. Er kann nur seine Muttersprache.
Er wird nur seine Muttersprache können.
b) Ich warte vor dem Kino zur verabredeten Zeit. Doris kommt aber nicht. Was ist mit ihr los?
Das ist nicht ihre Art, so lange auf sich warten zu lassen.
1. Sie hat unsere Verabredung vergessen.
Sie wird unsere Verabredung vergessen haben.
2. Sie hat den Bus verpasst.
Sie wird den Bus verpasst haben.
3. Sie findet ihren Wohnungsschlüssel nicht.
Sie wird ihren Wohnungsschlüssel nicht finden.
4. Ihre Mutter fühlt sich wieder nicht wohl.
Ihre Mutter wird sich wieder nicht wohl fühlen.
5. Sie hat unerwartet Besuch bekommen.
Sie wird unerwartet Besuch bekommen haben.
6. Sie ist unterwegs aufgehalten worden.
Sie wird unterwegs aufgehalten worden sein.
7. Sie hat einen guten Krimi und kann mit dem Lesen nicht aufhören.
Sie wird einen guten Krimi haben und mit dem Lesen nicht aufhören können.
8. Sie hat sich für ein Nickerchen hingelegt und verschlafen.
Sie wird sich für ein Nickerchen hingelegt und verschlafen haben.
c) Gestern gab Jutta eine Party. Ich war zu müde und bin nicht hingegangen. Jetzt versuche ich
mir einzureden, dass ich ja nicht so viel versäumt habe.
1. Klaus hat wie immer sehr viel Quatsch zusammengeredet.
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Klaus wird wie immer sehr viel Quatsch zusammengeredet haben.
2. Die Meisten waren schon nach einer Stunde besoffen.
Die Meisten werden schon nach einer Stunde besoffen gewesen sein.
3. Es gab nichts Anständiges zu essen.
Es wird nichts Anständiges zu essen gegeben haben.
4. Es ist ihnen überhaupt nicht aufgefallen, dass ich nicht da war.
Es wird ihnen überhaupt nicht aufgefallen sein, dass ich nicht da war.
5. Ich bin nicht die einzige, die nicht da gewesen ist.
Ich werde nicht die Einzige sein, die nicht da gewesen ist.
7. Das Verb werden erscheint entweder als Vollverb in der Bedeutung „sich zu etw.
entwickeln“ – z. B.: Peter wird Lehrer – oder als Hilfsverb des Futurs – z. B.: In drei Jahren
wird er schon Diplomlehrer sein. Gebrauchen Sie in den Sätzen „werden“ oder „werden
sein“.
Die Vergangenheitstempora
PRÄTERITUM PERFEKT
Das Präteritum ist das Tempus des Das Perfekt ist vor allem ein
schriftlichen Erzählens/Berichtens. Es Vergangenheits-tempus des Gesprächs. Es
wird in literarischen, aber auch in muss stehen in gegenwartsbezogenen
nicht-literarischen Texten Äußerungen, d.h. wenn das vergangene
(wissenschaftlichen Darstellungen, Be- (abgeschlossene) Geschehen in Bezug auf
richten, Protokollen, Lebenslaufen usw.) einen Nachzustand in der Gegenwart
bei zusammenhängender Darstellung gesehen wird: Man hört, dass du dich
vergangener Ereignisse bevorzugt. erkältet hast. Du hustest stark. (= Man hört,
dass du erkältet bist.)
Das Präteritum dominiert auch in In gegenwartsbezogenen Äußerungen lässt
mündlichen Erzählungen über längst sich das Perfekt oft durch einen
Vergangenes, in der Gegenwart nicht mehr präsentischen Ausdruck ersetzen (vgl. das
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Aktuelles. Hieraus erklärt sich seine obige Beispiel) und steht häufig in
Häufigkeit nach Adverbien wie damals, Verbindung mit Adverbien wie jetzt,
früher, einmal usw. gerade, soeben, schon, noch nicht, nie
usw., die zwischen Vergangenheit und
Gegenwart "eine Brücke schlagen".
Eine Tendenz zum Präteritum besteht a) Eine Tendenz zum Perfekt besteht a) bei der
bei einer Gruppe häufig gebrauchter ersten und zweiten Person ich - du, wir –
Verben (vor allem bei sein, haben und den ihr, die als typische Personen des Dialogs
Modalverben); und b) in manchen erscheinen. b) Auch die Satzart kann einen
Satzkonstruktionen, vor allem in Einfluss auf die Tempuswahl haben. So wird
Temporalsätzen nach Konjunktionen der in Fragesätzen fast ausschließlich das
Gleichzeitigkeit, z. B. nach als. Perfekt verwendet.
Einige Verben (z.B. stammen, münden, Einige Verben kommen - vor allem aus
sich befinden) kommen ausschließlich im morphologischen Gründen - fast
Präteritum (nicht im Perfekt) vor. ausschließlich im Perfekt (nicht im
Präteritum) vor (z.B. uraufführen, Probe
laufen usw.)
9. Setzen Sie im folgenden Erzähltext das Verb in der passenden Tempusform ein.
Johann Sebastian Bach hatte in der Thomaskirche zu Leipzig ein neues Orgelwerk gespielt
(spielte).
Als er geendet hatte, kam der Bälgetreter freudestrahlend an den Spieltisch und sagte:
„Das haben wir aber wieder einmal fein gemacht!“
Bach sah ihn ungehalten an:
„Wir? Höre Er: Ich spiele (habe gespielt)!“
Erschrocken blickte der Bälgetreter den verehrten Meister an:
„Schön, ich werde es mir merken.
Ganz wie Herr Bach wollen.“
Dann ging er in seine Bälgekammer zurück und setzte sich stumm in eine Ecke.
Bach wollte eine neue Fuge formen und gab dem Bälgetreter das Klingelzeichen.
Er ließ Manuale und Pedale spielen, aber kein Ton klang aus der Orgel.
Schon wollte er ärgerlich werden, doch dann huschte ein verstehendes Lächeln über sein
faltiges Gesicht.
Er ging zur Bälgekammer, steckte den Kopf durch die Tür und fragte freundlich:
„Na, Wagner, wollen wir noch was Feines spielen?“
Im Unterschied zum Präteritum kann das Perfekt nicht nur für Vergangenes stehen.
1. Ich mag nicht die Sorte „Großwildjäger“, die heute schnell zwischen zwei Geschäftsreisen
für ein paar Wochen nach Ostafrika kommen und ein paar Löwen umlegen, auch wenn sie nie
vorher ein Gewehr in der Hand gehabt haben. (nie)
2. Ja, es sind gute Messer, ich habe mit meinem eigenhändig einen Löwen erstochen.
(Abgeschlossenheit/Resultat) Er flüchtete sich zwei-dreimal in ein Gebüsch... (Erzähltempus)
3. Als man vor einem Jahr auf die Suche ging (Erzähltempus), fand man die Überreste von
1280 Elefanten (Erzähltempus), die in den letzten zwei Jahren von Wilderern umgebracht
worden waren. (Vorzeitigkeit)
4. Sie erzählten uns begeistert ihre alten und neueren Abenteuer (Erzähltempus); wie sie damals
dem ersten Löwen begegneten und wie bei Tag Zebras am Flugzeug waren. (Vorzeitigkeit)
5. Sobald ein Schakal das gejagte Tier gepackt hat (Abgeschlossenheit), reißen es die anderen
in Stücke.
6. Wenn ein Strauß hier wegläuft, dann kann geschehen, dass er auf einmal verschwunden ist
(Abgeschlossenheit), obwohl er noch gar nicht den Horizont erreicht hat (Abgeschlossenheit).
7. Die eingeborenen Soldaten stammten nicht aus Ostafrika (stammen), sondern waren Zulus,
Sudanesen und Suahelis von der Küste.
8. Die endgültige Antwort auf die eben gestellten Fragen wird man erst geben können, wenn es
gelungen ist (Vorzeitigkeit in der Zukunft), die Probleme des Nationalparks für die
Öffentlichkeit schonungslos darzustellen.
9. Ausnahmsweise will ich Ihnen aber mit der Antwort Zeit lassen, bis wir uns in dieser
Gaststätte einen hübschen Platz gesucht haben (Abgeschlossenheit in der Zukunft).
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Das Plusquamperfekt
Das Plusquamperfekt charakterisiert das Geschehen als in der Vergangenheit abgeschlossen
und dient daher vor allem zur Bezeichnung der Vorzeitigkeit in der Vergangenheit. Das
Geschehen, das als Bezugspunkt fungiert, erscheint dabei meist im Präteritum:
Nachdem/Sobald/Kaum dass wir die Arbeit beendet hatten, fuhren wir nach Hause.
Am konsequentesten wird die Tempuskombination Präteritum/Plusquamperfekt in
Temporalsatzgefügen verwendet (vgl. das obige Beispiel). In Satzverbindungen anderen Typs
kann die Bezeichnung der Vorvergangenheit auch auf andere Weise erfolgen: Im präteritalen
Erzählkontext ist im vorzeitigen Satz auch das Präteritum möglich, wenn der Kontext einen
Hinweis auf die Vorzeitigkeit des Geschehens enthält:
Wir wussten, dass er damals, als er noch in Frankfurt wohnte, oft im Theater war.
Fehlt ein solcher Hinweis, so muss das Plusquamperfekt stehen, da sonst statt Vorzeitigkeit
Gleichzeitigkeit ausgedrückt wird:
Wir wussten nicht, dass er krank gewesen war. (= Vorzeitigkeit)
Wir wussten nicht, dass er krank war. (= Gleichzeitigkeit)
In der gesprochenen Sprache erscheint allerdings im vorzeitigen Satz oft das Perfekt: Wir
wussten nicht, dass er krank gewesen ist.
Es hatte ein Mann einen Esel, der schon lange Jahre die Säcke unverdrossen zur Mühle getragen
hatte, dessen Kräfte aber nun zu Ende gingen, so dass er zur Arbeit immer untauglicher ward.
Da dachte der Herr daran, ihn aus dem Futter zu schaffen, aber der Esel merkte, dass kein guter
Wind wehte, lief fort und machte sich auf den Weg nach Bremen; dort, meinte er, könne er ja
Stadtmusikant werden. Als er ein Weilchen fortgegangen war, fand er einen Jagdhund auf dem
Wege liegen, der jappte wie einer, der sich müde gelaufen hat. „Nun, was jappst du so, Packan?“
fragte der Esel. „Ach“, sagte der Hund, „weil ich alt bin und jeden Tag schwächer werde, auch
auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen totschlagen, da hab‘ ich Reißaus
genommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?“ „Weißt du was“, sprach der Esel,
„ich gehe nach Bremen und werde dort Stadtmusikant, geh mit und lass dich auch bei der Musik
annehmen. Ich spiele die Laute, und du schlägst die Pauken.“ Der Hund war‘s zufrieden, und
sie gingen weiter...
(Brüder Grimm: Die Bremer Stadtmusikanten)
14. Setzen Sie das Verb in der passenden Vergangenheitsform ein. Achten Sie auf die drei
Stellen, wo Plusquamperfekt stehen muss. Schließen Sie das Buch und erzählen Sie die
Geschichte, wie sie eine der Figuren (der Arzt, der Ehemann oder die Frau) erlebt und
erzählt hatte.
Mitternacht war längst vorüber, und noch immer fand seine Frau keinen Schlaf. Die
Schmerzen, über die sie schon tagsüber geklagt hatte, ließen nicht nach, und Fieber schien sie
auch zu haben.
„Wäre es nicht besser, einen Arzt anzurufen?“ fragte der besorgte Ehemann. Lautes Stöhnen
war die Antwort. Die junge Frau hatte gerade wieder einen Anfall und krümmte sich vor
Schmerzen. Da griff ihr Mann zum Hörer und wählte die Nummer des Hausarztes, dessen
Hilfe er lange nicht gebraucht hatte. Nur ein paar Minuten musste er warten, dann meldete
sich der Arzt.
„Kommen Sie doch bitte so schnell wie möglich, Herr Doktor!“ sagte der Ehemann, nachdem
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er seinen Namen genannt hatte. „Meine Frau hat entsetzliche Schmerzen.“
„Wo denn?“ fragte der Arzt.
„In der Gegend des Blinddarms“, lautete die Antwort.
„Aber das ist doch unmöglich“, knurrte der Arzt ziemlich ungehalten. „Ihrer Frau wurde der
Blinddarm doch vor einem Jahr herausgenommen, und kein Mensch hat einen zweiten
Blinddarm.“
„Ganz recht“, erwiderte der Ehemann, „aber manche Menschen haben eine zweite Frau,
Herr Doktor.“
Wenn sich die Tür hinter den Kindern schließt/geschlossen hat, habe ich endlich auch meine
Ruhe. Früher brauchte ich mindestens eine Stunde, bis ich das Zimmer aufräumte und alles
auf seinen Platz schaffte. Ich habe aber die Kinder daran gewöhnt, wenigstens ihre eigenen
Sachen, Bücher und Hefte wegzuräumen, wenn sie sie nicht mehr gebrauchen. Früher
musste ich ihnen alles selber in die Schultasche packen, damit sie nichts vergaßen. Das ist
aber schon lange her! Wenn ich meinen Kaffee gekocht habe, setze ich mich in den Sessel
und schalte den Fernseher ein. Früher, vor der Scheidung hörte ich oft CDs. Wir hatten
eine teuere Musikbox, die mein Mann nach der Scheidung mitgenommen hat. Sein Antrag
auf die Scheidung kam damals ziemlich überraschend für mich. Ich weiß eigentlich bis heute
nicht recht, was ihn so plötzlich dazu veranlasste, und ob ich das aus irgendeinem Grunde
verdient hatte. Noch nie habe ich einen so schweren Monat erlebt. Als ich später wieder zu
Geld gekommen war, kaufte ich mir statt einer zweiten Musikbox einen Laptop.