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4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:

194 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

Das vernetzte Unternehmen

Globale Akteure: Lieferanten, Kunden, Regierungen, Verbände, internationale


Organisationen, Shareholder, Finanzmärkte, NGOs

standortbezogene Rahmenbedingungen
standortbezogene Rahmenbedingungen

Beschaffung
Absatz/Marketing
von Gütern (Produkti-
onsfaktoren) auf Vertrieb der Güter
Einkauf Unternehmen auf Absatzmärkten
Beschaffungsmärkten
Leistungserstellung
Arbeitskräfte, Kapital Produktion von Gütern
(Eigenkapital und (Waren und Dienstleistungen) Einnahmen
Fremdkapital) oder Handel mit Gütern
Produkt-, Preis-,
Standortboden, Ausgaben Ziel: Gewinne erwirtschaften Distributions-,
Roh- und Hilfsstoffe, Kommunikations-
Löhne, Zinsen, politik
bezogene Güter

Inländische Akteure: Lieferanten, Kunden, Geldgeber/Banken, Shareholder/


Aktionäre, Regierungen, Verbände, NGOs, Mitarbeiter, Gesellschaft, Eigentümer
4
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen 195

Vorbereitung des Wirtschafts­


praktikums: Strukturen,
Konflikte und Entscheidungsprozesse
im Unternehmen

Welche Entscheidungen sind bestimmend für Unternehmens-


gründungen? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten
für Unternehmen? Das folgende erste Unterkapitel beantwortet KOMPETENZEN
diese strukturellen betriebswirtschaftlichen Fragen und zeigt
auf, dass der Erfolg eines Unternehmens nicht zuletzt von den
Am Ende dieses Kapitels
Motiven und Entscheidungen des Unternehmers und der richti- sollten Sie Folgendes
gen Wahl der Rechtsform abhängen. wissen und können:
Die Erwirtschaftung von Gewinn scheint das primäre Ziel zu sein,
… die grundlegenden Fragen,
da dieser die Existenzgrundlage jedes Unternehmens darstellt. die sich einem Unterneh­
Doch sind Unternehmen auch soziale Gebilde, die in der Gesell- mensgründer stellen,
schaft verankert sind. Umstritten ist daher, inwieweit Unterneh- beschreiben.
men für die Gestaltung der Gesellschaft mitverantwortlich sein … eine Existenzgründung
und wie stark soziale und ökologische Ziele innerhalb der unter- vor dem Hintergrund von
nehmerischen Entscheidungsprozesse berücksichtigt werden Chancen und Risiken
beurteilen.
sollen. Das Erscheinungsbild vieler Unternehmen wird heute
durch die Übernahme sozialer und ökologischer Verantwortung, … die Entscheidung für eine
die sich im Konzept der Corporate Social Responsibity (CSR) nie- Rechtsform beurteilen.

derschlägt, kommuniziert. ... e


 rläutern, auf welche Weise
Konflikte in Unternehmen resultieren nicht selten daraus, dass Unternehmen im Schnitt­
Arbeitnehmer und Arbeitgeber oft unterschiedliche Vorstellun- punkt unterschiedlicher
Interessen stehen.
gen über zentrale Fragen der Gestaltung des Arbeitsplatzes ha-
ben. Zahlreiche Gesetze enthalten Vorschriften darüber, wie ein … komplementäre und
konkurrierende Unterneh­
Ausgleich der Interessen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitge-
mensziele unterscheiden.
bern herbeigeführt werden kann. Naturgemäß sind die gesetzli-
chen Regelungen umstritten, konfliktbeladen und Gegenstand … die Bedeutung von CSR für
Unternehmen beurteilen.
des zweiten Unterkapitels.
… Mitbestimmungsmöglich­
keiten im Betrieb und
Unternehmen erläutern
und beurteilen.
Was wissen und können Sie schon?
Im Schaubild werden verschiedene Akteure dargestellt, die in Bezie-
hung zum Unternehmen stehen.
1 Nennen Sie die Interessen der einzelnen Akteure am Unternehmen.
2 Prüfen Sie, ob die unterschiedlichen Interessen in Einklang zu
bringen sind.
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
196 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

4.1 Die Unternehmung – Strukturen und


Rahmenbedingungen

4.1.1 Die Unternehmensgründung – nichts leichter als das?

M1 Die Grundfrage

Gründungsmotive Die richtige Geschäftsidee ist wesentliche mit Eigen- und Fremdkapital gedeckt wer- 15
Gründer starten aus Voraussetzung der erfolgreichen Unter- den kann. Der Finanzierungsbedarf ergibt
sehr verschiedenen nehmensgründung. Wesentliche Voraus- sich nicht nur durch die anstehenden Inves-
Motiven ein Unterneh- setzung des Erfolgs sind die Marktchancen titionen (z. B. für Maschinen, Büroeinrich-
men. Das Motiv lässt
5 des Produkts. Unternehmensgründer soll- tung etc.), sondern auch durch die laufen-
unter gewissen
Umständen Rückschlüs- ten sich überlegen, ob ihr Produkt über- den Ausgaben der Gründungsphase (z. B. 20
se auf die Wahrschein- haupt benötigt wird und die erforderliche Miete, Löhne). Eigenkapital wird von den
lichkeit der tatsächli- Kaufkraft vorhanden ist (Marktvolumen) Gründern bzw. den Teilhabern des Unter-
chen Umsetzung des und ob dieses Produkt bisher von wenigen nehmens beigesteuert. Es verbleibt dauer-
Gründungsvorhabens
10 oder keinen Mitbewerbern angeboten wird haft im Unternehmen. Da es meist nur be-
sowie den späteren
Erfolg der Gründung zu. (Marktlücke). Dafür müssen der Absatz- grenzt vorhanden ist, muss in der Regel 25

Zwei Motive werden seit markt und die entsprechenden Zielgruppen zusätzlich Fremdkapital (z. B. in Form von
vielen Jahren in eigenen analysiert werden. Außerdem sollte sicher- Bankkrediten) beschafft werden.
Gründungsquoten gestellt sein, dass der Finanzierungsbedarf Autorentext
erfasst. Der Mangel an
Erwerbsalternativen und
das Ausnutzen einer
Marktchance: „Oppor-
tunity“-Gründer und Geschäftsidee
„Necessity“-Gründer.

Marktchancen Finanzierung

Besteht ein ausrei- Besteht


chendes Kann der Finan- Können ausreichende Quellen
eine
zierungsbedarf für Eigen- bzw. Fremdkapital
Marktvolumen? Marktlü-
gedeckt werden? erschlossen werden? Gerade in
D. h. gibt es cke? D. h.
Dieser ergibt sich der Anfangsphase ist das
überhaupt gibt es
aus den Ausgaben Unternehmen noch wenig
Bedürfnisse, die keine oder
für Investitionen, kreditwürdig. Eine Finanzie-
dieses Produkt wenige
aber auch aus rung über Umsatzerlöse ist
befriedigt? Haben die Anbieter in
Ausgaben für noch kaum möglich, da die
potenziellen Käufer diesem
Miete und Löhne. Geschäftstätigkeit erst anläuft.
genügend Kaufkraft? Bereich?

Gotthard Bauer, startup.WR 1 – Wirtschaft und Recht für das Gymnasium, Bamberg 2013, S. 142
4.1 Die Unternehmung – Strukturen und Rahmenbedingungen 197

M2 D
 er Businessplan – Fahrplan in die Selbstständigkeit

Der Business- oder Geschäftsplan enthält muss der Gründer sowohl die Chancen als 15
alle Faktoren, die für den Erfolg der Grün- auch die Risiken klar und deutlich aufzei-
dung entscheidend sein können. Mit ande- gen.
ren Worten: Im Businessplan legt man fest, Unter anderem wird im Businessplan Fol-
5 was man vorhat und was zu tun ist, damit gendes erläutert: die Geschäftsidee, die
dieses Vorhaben gelingt. Ein Businessplan Unternehmensziele, die Marktanalyse und 20
ist dabei nicht nur das durchdachte und die Markteinschätzung (Wettbewerbssitua-
planmäßige Vorgehen der Gründerinnen tion), die Marketingstrategie (Preis-, Werbe-
und Gründer. Er ist auch eine entscheiden- und Vertriebsstrategie), die Un­ter­neh­mer­
10 de Unterlage für das Bankgespräch, um (innen)qualifikationen, die Standortanaly-
z. B. einen Kredit zu beantragen. Ein schrift- se sowie der Finanzplan. 25
licher und sorgfältig ausgearbeiteter Busi-
nessplan soll davon überzeugen, dass das
Vorhaben auf festen Füßen steht. Dazu Autorentext

M3 Die Entwicklung der Existenzgründungen in Deutschland

Existenzgründungen in Deutschland
Gewerbliche Unternehmensgründungen und -schließungen* in Tausend

Tsd. 820
800 756 Anmeldungen
738
703 716 720
687 679
619
678 616
586
600 572
554
587 579 573
565 567 564 569 572 558 557 541
533 522
516 Abmeldungen

400
2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
© Globus

Neugründungen 2016 nach Rechtsform (Anteil in Prozent)


Einzelunternehmen 79,6 %
GmbH 12,3 %
GmbH – Gesellschaft mit beschränkter Haftung;
GbR 5,1 % GbR – Gesellschaft bürgerlichen Rechts;
GmbH & Co. KG 1,9 % GmbH & Co. KG – Gesellschaft mit beschränkter
Sonstige 1,1 % Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft
11666
Quelle: Statistisches Bundesamt Ohne Umwandlungen in andere Rechtsformen und Zuzüge bzw. Fortzüge
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
198 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

M4 F
 ragen an einen Start-up-Chef: Wie schwer ist eine
Firmengründung?

Wie leicht ist es, in Deutschland ein Start- 25


up zu gründen?
Die Gründung an sich ist natürlich relativ
einfach. Aber in Deutschland ist es beson-
ders schwierig, hoch innovative Unterneh-
men zu gründen. Zum Beispiel glaube ich 30
nicht, dass das nächste Twitter, das nächste
Facebook oder das nächste sonst wie re­
volutionäre Technologieunternehmen aus
Deutschland kommt. Das liegt nicht daran,
dass es zu wenige Talente oder zu wenig 35
Unternehmergeist gibt, sondern an der In-
vestorenlandschaft. Geldgeber sind hierzu-
lande einfach sehr stark auf E-Commerce
fokussiert.
Das bedeutet? 40
Sie investieren in Online-Shops oder Ser-
vice-Unternehmen. So etwas ist einfacher
zu finanzieren, als wenn Sie sagen: Ich
baue jetzt die intelligenteste Lösung, um
Gründer und Unternehmer automatisiert Börsenhandel zu betreiben. 45
Claude Ritter (geb. 1979)
Beinahe jedem schwirren Ideen für neue Wenn sie einen MIT-Abschluss haben,
Unternehmen oder Produkte durch den würden Sie so etwas in den USA sofort fi-
MIT Kopf – doch die wenigsten setzen sie wirk- nanziert bekommen. Aber in Deutschland
Massachusetts Institute lich um. Bei Lieferheld-Gründer Claude Rit- finden Sie keinen Investor dafür. Anstatt
of Technology 5 ter ist das anders. Aber wie schwierig ist so Innovation zu fördern, wird lieber auf Mo- 50
eine Gründung eigentlich? delle gesetzt, die an anderen Orten bereits
Erst vermittelte er Fastfood, jetzt Putzfrau- erfolgreich sind und bei denen der Busi-
en: Der Unternehmer Claude Ritter (33) hat nessplan schnelles Geld verspricht.
in Berlin mit einem Geschäftspartner gera- Gab es Ideen, die Sie deswegen schon ver-
Start-up 10 de sein viertes Start-up auf den Markt ge- worfen haben? 55
Bezeichnung für ein bracht. […] Ja, natürlich. Ich habe ein Google-Spread­
gerade oder vor kurzem Herr Ritter, wie viele Millionen braucht sheet, da sind bestimmt 80 Sachen drauf,
gegründetes Unter­ man für ein Start-up? die ich gerne machen würde. Und wenn Sie
nehmen. Zwei Dinge
Abhängig vom Geschäftsmodell brauchen in der Branche fragen: Fast jeder hat so et-
zeichnen Start-ups aus:
Fehlende Finanzen 15 Sie häufig gar nicht so viel Geld. Es hilft was. Zum Beispiel könnte man eine App 60
sowie eine unsichere zum Beispiel, wenn Sie damit leben kön- bauen, die automatisch entscheidet, welche
und damit auch riskante nen, eine Zeit lang mal kein Top-Gehalt zu Anrufe aufgezeichnet werden sollen. Sol-
Position auf dem Markt. verdienen. Selbst bei Lieferheld – und da che Dinge sieht man die ganze Zeit. Aber
Start-ups müssen nicht
hatten wir den Massenmarkt im Fokus – wir arbeiten im Schnitt auch schon von
zwingend IT-Unterneh-
men sein. 20 reichte uns für den Start ein sechsstelliges morgens um neun bis nachts um eins an 65
Guthaben auf dem Konto. Größere Beträge einem Projekt. Und mehr als eine Sache
kamen erst, als sich Erfolge abzeichneten vernünftig zu machen, geht einfach nicht.
und klar wurde, dass das Ganze tatsächlich dpa, Das Interview mit Claude Ritter führte Julia Kili-
sehr, sehr groß werden könnte. an, www.impulse.de, 1.8.2014
4.1 Die Unternehmung – Strukturen und Rahmenbedingungen 199

M5 H
 emmnisse, die Start-ups in Deutschland beeinträchtigen
Arbeitsauftrag
Schwierige Finanzierung für das
55 % Wirtschafts­
Kunden zu traditionell praktikum:
55 %
Interviewen
Allgemeine Bürokratie 52 % (C Me­thodenglossar)
Sie, wenn möglich, den
Fehlende Kooperationen mit etabl. Firmen Unternehmensgründer
32 %
Ihres Praktikumsbe-
Mindestlohngesetz triebs und erfragen Sie,
28 %
mit welchen Herausfor-
Mangel an Fachkräften derungen er sich
27 %
während der Unterneh-
Hohe Steuern mensgründung
26 %
konfrontiert sah. Warum
Regulierung in einzelnen Branchen hat er sich dennoch für
26 %
die Unternehmensgrün-
dung entschieden?
Zu langsame Internetverbindungen 20 %

Fehlende Kooperation mit Start-ups 7%

Zu kleiner Binnenmarkt 6%

Sonstige 8%

keine 1%

Weiß nicht/keine Angabe 1%

Basis: alle befragten Gründer von IT-Start-ups (n = 143)

Quelle: Bitkom Research, Welcher dieser Hemmnisse schränken Ihr Startup in Deutschland besonders stark ein?,
21.10.2016

Aufgaben
zu Aufgabe 4
1 In M 1 und M 2 werden die zahlreichen schwierigen Aufgaben für Existenzgründer Recherchieren
aufgeführt. Angenommen Sie wären Existenzgründer, nach welcher Reihenfolge (C Methodenglossar)
würden Sie vorgehen? Sie auf den Seiten des
Existenzgründerportals
2 Prüfen Sie, ob ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung, die in M 3 erkennbar ist
des Bundesministeri-
und den Aussagen in M 4 bestehen könnte.
ums für Wirtschaft und
3 Für Unternehmensgründungen stellt der Staat zahlreiche Hilfen bereit (Beratung, Energie (www.existenz-
günstige Darlehen, Coaching). Stelle Sie eine Argumentation dar, die der Rechtferti- gruender.de) nach
gung staatlicher Unterstützungsleistungen dient (M 5). staatlichen Fördermaß-
nahmen bzw. Förder-
4 Setzen Sie sich mit den Chancen und Risiken der Existenzgründung für den Einzelnen programmen zur
in Form einer Pro-Kontra-Debatte (C Methodenglossar) auseinander und nehmen Sie Unterstützung und
abschießend Stellung dazu, ob Sie selbst eine Existenzgründung durchführen würden Finanzierung von
(M 5). Existenzgründungen.
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
200 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

4.1.2 Welche Rechtsform ist die passende?

M6 E
 in Unternehmer muss das Geschäftsrisiko alleine tragen

dass Unternehmer Millionen-Gehälter be- 10


ziehen und wenn es funktioniert, dann ist
es gut, doch wenn es nicht klappt, wird vor-
her kassiert, aber die Rechnung zahlt der
Staat. Wir brauchen die Haftung der Ent-
scheidungsträger zurück. So wie es früher 15
war. Was heute passiert, das hat mit Markt-
wirtschaft nichts mehr zu tun. Das ist am
Ende Kommunismus, bei dem alles umver-
teilt wird. Wenn es funktioniert, dann kann
kassiert werden, doch wenn es scheitert, 20
entzieht man sich der Verantwortung und
Wolfgang Grupp (geb. lässt andere die Kosten tragen. Das Wirt-
1942), deutscher
Unternehmer und
„Wir brauchen endlich wieder ein Zurück schaftswunder war nur möglich dank per-
alleiniger Inhaber der zur Anständigkeit und zur Haftung. Das sönlich haftenden Unternehmern. Hat ein
Textilfirma Trigema heißt, ich hafte mit meiner Rechtsform TRI- Unternehmer den Mut, das Geschäftsrisiko 25
GEMA Inh. W. Grupp e. K. für alles, was hier selbst zu tragen, handelt er überlegter, dau-
Trigema 5 passiert, und wenn ich etwas zusage und es erhafter und verantwortungsbewusster als
(„Trikotwarenfabrik nicht einhalten würde, dann muss ich mit die Konkurrenz. Und ein paar mehr solche
Gebrüder Mayer“) meinem Privatvermögen dafür haften. Vie- Unternehmer würden Deutschland guttun.“
Mischunternehmen in le Start-ups versuchen etwas, es geht schief,
den Bereichen Textilpro-
dann schmeißen sie hin. Es kann nicht sein, Wolfgang Grupp, www.firma.de, 3.8.2015
duktion, Textilvertrieb
und Tankstellen. Der
Firmensitz ist in
Burladingen im M7 D
 ie Wahl der Rechtsform – eine wichtige Entscheidung bei der
Zollernalbkreis in Unternehmensgründung
Baden-Württemberg.
Das Unternehmen
TRIGEMA Inh. W. Grupp Die Wahl der Rechtsreform zählt zu den • Finanzierung: Wie können die benötigten
e. K. wird in der grundlegenden (konstitutiven), langfristig Mittel beschafft werden?
Rechtsform des wirksamen unternehmerischen Entschei- • Haftung: Inwieweit muss für Verbindlich-
Einzelunternehmens dungen. Die Frage, welche Rechtsform ein keiten des Unternehmens gehaftet wer- 20
geführt.
5 Betrieb wählt, stellt sich immer bei der den?
Gründung eines Betriebs. Ändern sich • Besteuerung: Wie hoch ist die Steuerlast?
wesentliche persönliche, wirtschaftliche, • Geschäftsführung: Wer darf das Unter-
rechtliche Rahmenbedingungen, kann ein nehmen vertreten, wer darf Verträge un-
Unternehmen eine andere Rechtsform terschreiben? 25
10 wählen (Umwandlung). • Verteilung von Gewinn und Verlust: Wie
Die wichtigsten Kriterien für die Wahl einer werden Gewinne verteilt, wer trägt die
bestimmten Rechtsform sind folgende: Verluste?
•Gründungsformalitäten: Welcher Auf-
wand besteht bezüglich der Regelungen
15 (Eintragungen, Anmeldungen, Verträge Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
mit Gesellschaftern) bei der Gründung? (Hrsg.), GründerZeiten 11/2015 – Rechtsformen, S. 2
4.1 Die Unternehmung – Strukturen und Rahmenbedingungen 201

Gründungen und Rechtsformen 2016 in Deutschland – Angaben in %

Einzelunternehmen 73,8

Gesellschaft mit beschränkter Haftung 13,5

Gesellschaft des bürgerlichen Rechts 5,3

Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) 3,7

Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. KG 2,6

Kommanditgesellschaft 0,2

Offene Handelsgesellschaft 0,3

Eingetragener Verein 0,2

Aktiengesellschaft 0,1

Sonstige Rechtsformen 0,2

Genossenschaft 0

Private Company Limited by Shares 0

Quelle: Institut für Mittelstandsforschung Bonn 2017, in: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
(Hrsg.), GründerZeiten 06/2017 – Rechtsformen, S. 2

M8 R
 echtsformen im Überblick
Einzelunternehmen
Einzelunternehmen – volle Kontrolle, volle Haftung
Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?
Kleingewerbetreibende, Handwerker, • ein Unternehmer Unternehmer haftet unbeschränkt
Dienstleister, Freie Berufe • entsteht bei Geschäftseröffnung, wenn mit seinem gesamten Vermögen, auch
keine andere Rechtsform gewählt wurde Privatvermögen
• Kaufleute: Eintrag ins Handelsregister
Pflicht, Kleingewerbetreibende freiwillig
• kein Mindestkapital

• Es gibt nur einen Betriebsinhaber. Diese Rechtsform eignet sich zum Einstieg. Erklärfilm
• Als Einzelunternehmer/-in können Sie klein anfangen, als sogenannte/-r Kleingewerbe­ „Die Einzelunter-
treibende/-r. D. h., Ihre Umsätze und Ihr Geschäftsverkehr erfordern keine vollkaufmännische nehmung“
Einrichtung wie z. B. doppelte Buchführung. Nichtsdestotrotz steht es Ihnen frei, sich auch
als Kleingewerbetreibender ins Handelsregister einzutragen (gilt nicht für Freie Berufe).
• Mit dem Eintrag ins Handelsregister übernehmen Sie alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns.
Bei dem eingetragenen Kaufmann (e. K. oder e. Kfm.) handelt es sich nicht um eine Rechtsform,
sondern um einen Firmenbestandteil.

Mediencode: 72064-08
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
202 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

Personengesellschaften
Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR oder BGB-Gesellschaft) –
einfache Partnerschaft
Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?
Kleingewerbetreibende, Freie Berufe • mind. zwei Gesellschafter Gesellschafter haften für die Verbind-
• formfreier Gesellschaftsvertrag lichkeiten der Gesellschaft gegenüber
Gläubigern als Gesamtschuldner
• kein Mindestkapital persönlich.

• Jede Geschäftspartnerschaft kann die Form einer GbR annehmen: Kleingewerbetreibende,


Praxisgemeinschaften, Freie Berufe, Arbeitsgemeinschaften.
• Besondere Formalitäten sind nicht erforderlich, sogar eine mündliche Vereinbarung reicht,
wenn auch ein schriftlicher Vertrag empfehlenswert ist.
• Für die Kompetenzen der Gesellschafter bietet die GbR einen breiten Spielraum.

Partnergesellschaft (PartG) und Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter


Berufshaftung (PartGmbB) – für Freiberufler
Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?
Freie Berufe (je nach Berufsrecht) • mind. zwei Gesellschafter PartG: Gesellschafter haften neben dem
• schriftlicher Partnerschaftsvertrag Vermögen der PartG für die Verbindlich-
keiten der Gesellschaft gegenüber
• Eintragung ins Partnerschaftsregister Gläubigern als Gesamtschuldner
• kein Mindestkapital persönlich. Nur für „Fehler in der
Berufsausübung“ haftet allein derjenige,
der den Fehler begangen hat.
PartGmbB: Für fehlerhafte Berufsaus-
übung haftet nur die Gesellschaft mit
ihrem Gesellschaftsvermögen. Die
Haftung einzelner Partner für
persönliche Fehler entfällt. Für die
Verbindlichkeit der Partnerschaft (z. B.
Miete oder Ansprüche auf Arbeitsentgelt)
haften auch hier die Partner mit ihrem
Privatvermögen.

• Für Berufsgruppen, denen die Rechtsform der GmbH verwehrt oder zu aufwendig ist,
ist die Partnergesellschaft eine attraktive Alternative zur Sozietät (GbR).
• Für Kooperationen unterschiedlicher Freier Berufe ist diese Form geeignet.
• Gesellschafter müssen eine Haftpflichtversicherung abschließen.

Offene Handelsgesellschaft (OHG) – hohes Ansehen


Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?
mehrere Personen, die gemeinsam ein • mind. zwei Gesellschafter Gesellschafter haften für die
kaufmännisches Gewerbe betreiben • formfreier Gesellschaftsvertrag Verbindlichkeiten der Gesellschaft
gegenüber Gläubigern als Gesamt-
• Eintragung ins Handelsregister schuldner persönlich.
• kein Mindestkapital

• Wegen der Bereitschaft zur persönlichen Haftung steht eine OHG bei Kreditinstituten und
Geschäftspartnern in höherem Ansehen als z. B. eine GmbH.
4.1 Die Unternehmung – Strukturen und Rahmenbedingungen 203

Kommanditgesellschaft (KG) – leichteres Startkapital


Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?
Kaufleute, die zusätzliches Kapital • ein oder mehrere Komplementär(-e) Komplementär (persönlich haftender
benötigen, oder Gesellschafter, die keine • ein oder mehrere Kommanditist(-en) Gesellschafter) haftet für die
persönliche Haftung übernehmen wollen Verbindlichkeiten der Gesellschaft
und von der Geschäftsführung • formfreier Gesellschaftsvertrag gegenüber Gläubigern persönlich
ausgeschlossen werden können • Eintragung ins Handelsregister als Gesamtschuldner. Kommanditist
• kein Mindestkapital haftet persönlich bis zur Höhe seiner
Einlage. Die persönliche Haftung
ist ausgeschlossen, soweit die Einlage
geleistet ist.

• Die Kommanditgesellschaft besteht aus dem Komplementär und dem Kommanditisten. Erklärfilm
• In einer KG führt allein der Komplementär die Geschäfte. „Die Personen-
• Leichter als auf dem Kreditweg können Sie an Startkapital kommen, wenn sich Partner gesellschaft“
(Kommanditisten) finanziell an Ihrem Unternehmen beteiligen.
• Diese können Ihnen meist nicht in Ihre Geschäfte hineinreden und haften nur in der Höhe
ihrer Einlagen.
• Komplementär behält in der Regel alleiniges Entscheidungsrecht und haftet dafür mit
seinem gesamten Privatvermögen.
• Rechtsform z. B. für Familienmitglieder, die nicht persönlich haften wollen/sollen.
Mediencode: 72064-09

GmbH & Co. KG – vielseitige Möglichkeiten


Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?
Kaufleute, die zusätzliches Kapital • ein oder mehrere Komplementär(-e) Es handelt sich um eine KG, bei der
benötigen, oder Gesellschafter, die keine • ein oder mehrere Kommanditist(-en) statt einer natürlichen Person eine
persönliche Haftung übernehmen wollen GmbH persönlich haftende Gesell-
und von der Geschäftsführung • formfreier Gesellschaftsvertrag schafterin (Komplementärin) ist. Daher
ausgeschlossen werden können. • Eintragung ins Handelsregister ist deren Haftung im Ergebnis wie bei
Besonderheit: Persönlich haftender • Mindestkapital für die GmbH einer GmbH beschränkt. Kommanditist
Gesellschafter ist die GmbH. haftet persönlich bis zur Höhe seiner
Einlage. Die persönliche Haftung ist
ausgeschlossen, soweit die Einlage
geleistet ist.

• Gründungsformalitäten sind aufwendiger als bei den oben genannten Rechtsformen.


• Die Gesellschafter der GmbH sind meist gleichzeitig die Kommanditisten der KG.
• Von der Höhe der Vermögenseinlage der GmbH (Komplementärin) und der jeweiligen Kommandi-
tisten hängen die jeweiligen Entscheidungsbefugnisse und natürlich auch die Verteilung der
Gewinne und Verluste ab.

Kapitalgesellschaften
GmbH – Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?


Unternehmer, die die Haftung beschrän- • mind. ein Gesellschafter (Ein-Personen- in Höhe der Stammeinlage bzw. in
ken oder nicht aktiv mitarbeiten wollen GmbH) Höhe des Gesellschaftsvermögens
• Gesellschaftsvertrag oder Musterprotokoll
bei einfachen Gründungen
• beide müssen notariell beurkundet werden
• Eintragung ins Handelsregister
• Mindeststammkapital: 25.000 Euro
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
204 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

GmbH-Variante: Unternehmergesellschaft (UG) (haftungsbeschränkt)

Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?


Gründer kleiner Unternehmen, die die • mind. ein Gesellschafter in Höhe der Stammeinlage bzw. in
Haftung beschränken wollen • Gesellschaftsvertrag oder Musterprotokoll Höhe des Gesellschaftsvermögens
bei einfachen Gründungen
• beide müssen notariell beurkundet werden
• Eintragung ins Handelsregister
• Mindeststammkapital: ein Euro (Höhe der
Kapitalausstattung sollte den Bedarf decken)

• Musterprotokoll erleichtert einfache Standardgründungen (Bargründung, max. drei Gesellschaf-


ter); es kombiniert Gesellschaftsvertrag, Gesellschafterliste und Bestellung des Geschäftsführers.
• Es kann einen oder mehrere Gesellschafter geben, von denen einer oder mehrere als Geschäfts-
führer ausgewiesen sind (auch angestellte Geschäftsführer sind möglich).
• Trotz beschränkter Haftung: Kreditgeber achten i. d. R. darauf, dass ihnen bei der Aufnahme von
Krediten private Sicherheiten angeboten werden.
• Wollen Sie in Ihrer GmbH das Sagen haben, müssen Sie per Vertrag zum/zur Geschäftsführer/-in
bestellt und Ihre Befugnisse sowie die Gewinnverteilung festgelegt werden.
• Wollen Sie Ihre Führung in einer GmbH sicherstellen, so sollten mehr als 50 Prozent der oben
erwähnten Einlagen von Ihnen sein!
• Bei UG (haftungsbeschränkt): Pflicht zur Rücklagenbildung, bis ein Stammkapital von 25.000 Euro
aufgebracht ist.
Achtung: Gesellschafter haften zusätzlich mit Privatvermögen bei persönlichen Krediten oder
Bürgschaften. Sie haften auch persönlich bei Verstößen gegen die strengen Regeln über das
GmbH-Kapital sowie bei der sogenannten Durchgriffshaftung (z. B. bei bestimmten Schadenersatz-
ansprüchen).

Kleine Aktiengesellschaft (AG) – Alternative für Mittelständler

Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?


Unternehmer, die zusätzliches • AG ohne Börsennotierung beschränkt auf Gesellschaftsvermögen
Kapital benötigen, und/oder • Anleger sind i. d. R. Mitarbeiter, Kunden
zum ausschließlichen Zweck der oder Nachfolger
Unternehmensübertragung
• Unternehmer kann alleiniger Aktionär
und Vorstand sein
• Vorstand hat Entscheidungsbefugnis
• Aufsichtsrat hat Kontrollbefugnis
• notarielle Satzung
• Eintragung ins Handelsregister
• Grundkapital: 50.000 Euro

• Existenzgründer haben die Möglichkeit, eine kleine AG allein zu gründen (als alleiniger Aktionär
und Vorstand, sie benötigen jedoch zusätzlich drei Aufsichtsräte).
• Sie können weitere Anleger an ihrem Vorhaben durch die Ausgabe von Aktien oder durch die
Aufnahme von Kunden als Gesellschafter beteiligen.
• Bis 500 Mitarbeiter ist keine Mitbestimmung im Aufsichtsrat vorgesehen.
4.1 Die Unternehmung – Strukturen und Rahmenbedingungen 205

Eingetragene Genossenschaft (eG) – Gemeinschaftlicher Geschäftsbetrieb

Für wen und was? Wie gründen? Höhe der Haftung?


Rechtsform für Gründungsteams und • mind. drei Mitglieder eG haftet gegenüber Gläubigern in
Kooperationsmodell für kleine und • schriftliche Satzung Höhe ihres Vermögens. Genossen-
mittlere Unternehmen. Vorstand erfüllt schaftsmitglieder haften nicht
im Auftrag seiner Mitglieder Aufgaben • weitere Mitglieder durch einfache persönlich. Das Genossenschaftsge-
wie Einkauf, Auftragsakquisition und schriftliche Beitrittserklärung setz sieht zwar eine unbeschränkte
Abwicklung, Werbung, Sicherung von • jedes Mitglied muss mind. einen Nachschusspflicht für Mitglieder vor,
Qualitäts­standards, Fortbildungs­ Geschäftsanteil zei­­chnen, dessen Höhe in diese kann jedoch durch die Satzung
maßnahmen. der Satzung festgelegt wurde beschränkt oder ausgeschlossen
• jedes Mitglied hat eine Stimme, werden.
unabhängig von der Zahl der gezeichneten
Geschäftsanteile
• Eintragung ins Genossenschaftsregister
• Genossenschaft muss zuständigem
Genossenschaftsverband angehören, der
berät und
• Geschäfte sowie wirtschaftliche
Verhältnisse prüft

• Eine Genossenschaft besteht aus drei Organen: der Generalversammlung aller Mitglieder bzw. Erklärfilm
Vertreterversammlung, die u. a. über den Jahresabschluss, die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder
und Satzungsänderungen entscheiden, dem Vorstand, der die Genossenschaft eigenverantwortlich „Die Kapital­
leitet, und dem Aufsichtsrat, der die Tätigkeit des Vorstands kontrolliert. Bei bis zu 20 Mitgliedern gesellschaft“
kann auf einen Aufsichtsrat verzichtet werden.
• Die Gründung selbst muss nicht notariell beurkundet werden.
• Die eG muss ins Genossenschaftsregister beim Amtsgericht eingetragen werden.
• Eine öffentliche Existenzgründungsförderung ist nur möglich, wenn die Genossenschaft als
gewinnorientiert wirtschaftendes kleines oder mittleres Unternehmen auftritt.
Mediencode: 72064-10

Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hrsg.), GründerZeiten 06/2016 - Rechtsformen, S. 5 ff.

Arbeitsauftrag
Aufgaben für das
Wirtschafts­
1 „Hat ein Unternehmer den Mut, das Geschäftsrisiko selbst zu tragen, handelt er praktikum:
überlegter, dauerhafter und verantwortungsbewusster als die Konkurrenz. Und ein paar Ordnen Sie die Rechts-
mehr solche Unternehmer würden Deutschland guttun.“ Beurteilen Sie diese Aussage form Ihres Praktikums-
von Wolfgang Grupp aus M 6 vor dem Hintergrund von Chancen und Risiken des betriebs einer Rechts-
Einzelunternehmens. form aus M 8 begründet
zu und erfragen
2 Beraten Sie ausgehend von M 7 und M 8 folgende Gründer hinsichtlich der Wahl einer
(C Methodenglossar)
geeigneten Rechtsform: Sie, warum diese
•L
 eyla möchte einen Hähnchengrill eröffnen. gewählt wurde. Gibt es
im Praktikumsbetrieb
•T
 ill und Serdar wollen gemeinsam ein Fahrradgeschäft eröffnen.
bzgl. der Unterneh-
• Pinar möchte ein Transportunternehmen gründen, wobei Schwerlasten mit Hilfe von mensrechtsform ggf.
Luftschiffen transportiert werden sollen. Änderungsvorhaben?
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
206 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

Unternehmens­ Am Anfang jeder Unternehmensgründung steht eine Geschäftsidee. Der Unterneh-


ORIENTIERUNGSWISSEN

gründung mer muss klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen er anbieten möchte und ob
M 1, M 2 es dafür einen hinreichend großen Markt gibt. Auch die Persönlichkeit des Unterneh-
mers ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Durchsetzungsfähigkeit, Belast-
barkeit, Kreativität und kommunikative Kompetenzen sind nur einige der Eigenschaf-
ten, die ein Unternehmer haben sollte. Und schließlich müssen auch die finanziellen
Mittel vorhanden sein, um den Schritt in die Selbständigkeit machen zu können.

Chancen und Als Chancen werden im Allgemeinen gesehen: Unabhängigkeit, Möglichkeit, eigene
Risiken Vorstellungen und Talente zu verwirklichen, hohe Verdienstmöglichkeiten, hohes
M 4, M 5 Ansehen. Doch bleiben Risiken, denn die Gründungsentscheidung ist eine Entschei-
dung mit Unbekannten. So können z. B. Konsumtrends, die Ertragsentwicklung oder
die allgemeine wirtschaftliche Lage falsch eingeschätzt werden. Neben diesen Risi-
ken der unternehmerischen Tätigkeit scheitern Unternehmensneugründungen häu-
fig auch an den beschränkten Möglichkeiten, an Gründungskapital zu kommen.
Zudem erschweren insbesondere in Deutschland wie auch in anderen Industrienati-
onen bürokratische Hürden den Weg in die Selbständigkeit.

Entscheidungen Zu den grundlegenden Entscheidungen bei der Unternehmensgründung gehört


über die u. a. die Wahl der Rechtsform. Die Wahl der Rechtsform gibt dem Unternehmen ei-
Rechtsform nen rechtlichen Rahmen, der die Leitungsbefugnisse, Möglichkeiten der Kapitalbe-
M6–M8 schaffung, das unternehmerische Haftungsrisiko, die Gewinnverteilung und steuer-
liche Aspekte festlegt. Die mit Abstand meisten Existenzgründungen erfolgen als
Einzelunternehmen. Bei dieser Rechtsform trifft der Unternehmer selbst alle ge-
schäftsrelevanten Entscheidungen. Im Gegenzug trägt er auch für alle (Fehl-)Ent-
scheidungen alleine das Risiko. Unternehmensgründungen, die mit einem hohen
Finanzbedarf verbunden sind, werden überwiegend in der Form einer Kapitalgesell-
schaft vollzogen. Die gängigsten Kapitalgesellschaften sind die Gesellschaft mit be-
schränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG). Der Hauptgrund für die
Wahl der GmbH als Rechtsform für ein Unternehmen ergibt sich schon aus der Be-
zeichnung „mit beschränkter Haftung“. Sie bietet die gesetzliche Möglichkeit, die
Haftung gegenüber Gläubigern auf das Gesellschaftsvermögen zu beschränken. In
einer Aktiengesellschaft (AG) wird das Gesellschaftsvermögen in Aktien aufgeteilt.
Die AG ist die typische Rechtsform für Großunternehmen, die ihren Kapitalbedarf
über den Kapitalmarkt decken wollen. Leitbild des Aktiengesetzes ist die börsenno-
tierte Aktiengesellschaft mit gestreutem und damit anonymem Aktionärskreis. Die
Aktiengesellschaften sind durch das Aktiengesetz relativ strengen Vorschriften un-
terworfen. So besteht z. B. die Pflicht, die Bilanzen zu publizieren.
4.2 Entscheidungsprozesse im Unternehmen – Interessen und Ziele im Spannungsfeld 207

4.2 Entscheidungsprozesse im Unternehmen –


Interessen und Ziele im Spannungsfeld

4.2.1 Unternehmensziele – alles eine Frage des Gewinns?

M1 Das Unternehmen im Schnittpunkt vieler Interessen

Das Unternehmen ist ein offenes System, das Gesellschaft


mit seiner Umwelt vielfältig verflochten ist. Ökologie
Es trifft auf Ansprüche und Interessen vieler Technologie
Arbeit-
Gruppen, die heute als Stakeholder bezeich- Wirtschaft Staat
nehmer
5 net werden. Neben den Eigentümern, Mana-
gern und Mitarbeitern gehören dazu die
Kunden, Lieferanten, aber auch der Staat
und die Öffentlichkeit. Ihre unterschiedli-
chen Interessen erfordern eine komplexe Liefe-
Unternehmen Kunden
10 Unternehmenssteuerung. Während die Un- ranten

ternehmenslenker zwangsläufig nach Ge-


winn und Gestaltungsspielräumen streben,
sind die Arbeitnehmer vor allem an einem
regelmäßigen und angemessenen Einkom-
15 men sowie an humanen Bedingungen, Par- Kapital- Konkur-
geber renten
tizipation und Entfaltung interessiert. Die
Investoren hoffen auf eine Vermehrung
ihres eingesetzten Kapitals. Dabei wün-
schen die Fremdkapitalgeber sowohl die
20 Zinszahlung als auch eine fristgemäße System analysieren, das in vielfältigen Be-
Rückzahlung, während die Eigenkapitalge- ziehungen zu anderen Akteuren steht, de-
ber (auch Shareholder) auf eine Mehrung ren Ziele es zwar allgemein voraussehen
ihres Vermögens abzielen. Die Konsumen- kann, nicht aber deren Entscheidungen. Die
ten erwarten vor allem eine angemessene Principal-Agent-Theorie erklärt modellhaft 45
25 und preisgünstige Güterversorgung, und die Beziehungen voneinander abhängiger
die Kommunen hoffen auf Arbeitsplätze, wirtschaftlicher Akteure, von denen der
ein entsprechendes Steueraufkommen und eine als Auftraggeber (Principal) Kompe-
wollen negative Auswirkungen auf die Um- tenzen bzw. Aufgaben auf den anderen
welt begrenzt wissen. Von den Zulieferern (Agenten) überträgt, während beide un- 50
30 werden Betriebsmittel in ausreichender terschiedliche Interessen verfolgen. Sol-
Menge, Qualität und in einer angemesse- che Beziehungen bestehen sowohl zwi-
nen Lieferfrist erwartet, während diese an- schen den Aktionären (Principal) und dem
gemessene Bezahlung, günstige Konditio- Vorstand (Agent), aber auch zwischen dem
nen und dauerhafte Geschäftsbeziehungen Arbeitgeber (Principal) und den Arbeitneh- 55
35 erhoffen. Schließlich gehen die Konkurren- mern (Agent). In diesem Geflecht wechsel-
ten untereinander von der Einhaltung der seitiger Beziehungen kann also ein und
Wettbewerbsregeln aus. Das Unternehmen dieselbe Person gleichzeitig Principal und
steht im Fokus unterschiedlicher Interessen, Agent sein. Der Principal hat grundsätzlich
es lässt sich aber auch als ökonomisches, ein Informationsproblem. Er ist nie voll- 60
40 soziales, organisatorisches und technisches ständig über die Entscheidungsgrundlagen
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
208 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

sowie die Handlungsspielräume und -rest- nen, Anreize zur Zielrealisierung in beider-
riktionen informiert, die die Agenten zur seitigem Interesse zu entwickeln und den
Verfolgung ihrer eigenen Interessen nutzen Spielraum zu opportunistischem Verhalten 75
65 können. Für die Principale ist es schwierig zu begrenzen. Das können beispielsweise
zu erkennen, ob die Nichtrealisierung eines Maßnahmen zur Überwachung, aber auch
Ziels mangelnder Leistungsbereitschaft zur erfolgsabhängigen Entlohnung sein.
oder -fähigkeit der Agenten geschuldet ist
oder aber aus äußeren Restriktionen resul-
70 tiert. So versucht die Theorie Auswege aus
Birgit Weber, Unternehmen und Produktion, Informa-
solchen Konflikten zu finden, um Leis- tionen zur politischen Bildung Nr. 293, Bonn 4/2006,
tungsdefizite frühzeitig erkennen zu kön- S. 17 ff.; Grafik: Autorengrafik

M2 Unterschiedliche Unternehmensziele

Arbeitsauftrag
für das
Wirtschafts­ Monetäre Ziele
praktikum:
Ökonomische Ziele
Stellen Sie die Zielset- Erhöhung des Ge-
zung Ihres Praktikums- winns, des Umsatzes,
betriebs dar und des Wachstum des
beschreiben Sie kurz, Unternehmens,
des Marktanteils,
wie diese Ziele erreicht Sicherung der
werden sollen. Unabhänigkeit des
Unternehmens

Ökologische Ziele:
Soziale Ziele:
artgerechte
Compliance (Rechts­
Tierhaltung oder
treue), Erhöhung der
der Verzicht auf
Kundenzufriedenheit
Tierversuche,
und der Kundenlo-
umweltfreundliche
yalität, Verzicht auf
Herstellung von
Kinderarbeit bei
Produkten, Schonung
Zulieferern, Steige-
von natürlichen Res-
rung der Mitarbei-
sourcen, Reduktion
terzufriedenheit,
von Schadstoffaus-
berufliche Förderung
stößen, Vermeiden
der Mitarbeiter
von Verpackungsmüll

Nicht monetäre Ziele

Autorengrafik

Aufgaben
1 Erklären Sie, welche Interessengruppen auf das Unternehmen einwirken und stellen
Sie deren Interessenlagen dar (M 1). Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse anschließend mit
den Ergebnissen aus Aufgabe 1 der Kapitelauftaktseite.
2 Unternehmensziele können sich gegenseitig ergänzen (komplementäre Ziele) oder in
Konkurrenz zueinander stehen (konkurrierende Ziele). Nennen Sie unterschiedliche
komplementäre und konkurrierende Ziele von Unternehmen (M 1, M 2).
4.2 Entscheidungsprozesse im Unternehmen – Interessen und Ziele im Spannungsfeld 209

4.2.2 Soziale Verantwortung – weitere Zielsetzung im Sinne


des Unternehmens?

M3 Dimensionen sozialer Verantwortung von Unternehmen

Corporate Social Responsibity (CSR) äußert 3. Ethische Verantwortung beschreibt die Corporate Social
sich auf vier Ebenen: 1. Die ökonomische Anforderung an das Unternehmen, fair und 10 Responsibity (CSR)
Verantwortung besagt, dass ein Unterneh- ethisch über die bestehenden Gesetze hin-
men mindestens kostendeckend wirtschaf- aus zu handeln. 4. Die philanthropische CSR für die
5 ten muss. 2. Gesetzliche Verantwortung Verantwortung bezeichnet kreatives gesell- Rahmenordnung
besagt, dass ein Unternehmen keinen ille- schaftliches Engagement über die gesell- • gesellschaftsorientier-
tes Lobbying
galen Tätigkeiten nachgehen darf und die schaftlichen Erwartungen hinaus. 15
• Mitarbeit an freiwilli-
gesetzlichen Bestimmungen befolgen muss. Autorentext
gen Regulierungen

CSR in der
M4 Warum übernehmen Unternehmen soziale Verantwortung? Zivilgesellschaft
• Corporate Giving
(Spenden und
Immer mehr Unternehmen entdecken im ge- ist die marktwirtschaftliche Rolle des Ver- Sponsoring)
sellschaftlichen Engagement die Chancen, antwortungsprinzips. Hält man sich an den • Corporate Voluntee-
moralische und wirtschaftliche Zwecke mit- bekannten Satz von Milton Friedman: „The ring
einander zu verbinden. Unter der Devise do- social responsibility of business is to incre- 35
CSR im Kerngeschäft
5 ing well by doing good werden soziale Ak- ase its profits“, so besteht die moralische
• Umweltschonende
tivitäten nicht mehr als lästige Pflicht Verpflichtung von Unternehmen darin, ren- Leistungserbringung
betrachtet, sondern als ökonomisch sinnvol- tabel zu wirtschaften und Gewinne zu erzie- • Beachtung von
le Investitionen, die sich in der Wertschöp- len. Auf der anderen Seite existiert eine lan- Arbeitsnormen
fung und der Marktkapitalisierung von ge Tradition der gemeinwohlorientierten 40 • Schutz der Menschen-
10 Unternehmen niederschlagen. Nach einer Marktwirtschaft, wonach es zur Unterneh- rechte
• Verzicht auf Korrupti-
jüngst veröffentlichten Studie […] sehen menspraxis gehört, sich für gesellschaftliche on
fast siebzig Prozent der befragten Unterneh- Aufgaben einzusetzen. Heute verstehen sich 3 im eigenen Unter­
men in Corporate-Social-Responsibility immer mehr Unternehmen als „Corporate nehmen und bei
(CSR)-Initiativen einen Renditefaktor, der in Citizens“, die mit Geld- und Sachspenden 45 Zulieferern
15 nachhaltigem Wachstum, Wettbewerbsvor- öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten,
teilen und höherer Reputation zum Aus- Schulen oder Krankenhäuser subventionie- Ursula Hansen/Ulf
Schrader, Corporate Social
druck kommt. […] Unternehmensethische ren, ihre Mitarbeiter bei ehrenamtlichen Ak-
Responsibility als aktuelles
Aktivitäten werfen vor allem deshalb Profite tivitäten unterstützen oder Dienstleistungen Thema der Betriebswirt-
ab, weil auf globalen Märkten moralische und Gerätschaften kostenlos zur Verfügung 50 schaftslehre, DBW 4/2006
20 Integrität und soziales Engagement von Ak- stellen. Gleichzeitig haben die CSR-Initiati-
tionären, Mitarbeitern und Konsumenten ven zugenommen, zu denen nicht nur das
honoriert werden. Das „gute“ Unternehmen soziale Engagement von Unternehmen zählt, Arbeitsauftrag
wird zum erfolgreichen, indem es sich an sondern auch die moralische Verpflichtung für das
gesellschaftlich erwünschten Verhaltens- gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Zuliefe- 55 Wirtschafts­
25 standards orientiert. In den Augen skepti- rern und anderen Stakeholdergruppen sowie praktikum:
scher Beobachter erhält die unternehmeri- die Einhaltung von ökologischen, arbeits- Erfragen (C Methoden-
sche Ethik damit einen instrumentellen und menschenrechtlichen Standards. […] glossar) Sie in Ihrem
Praktikumsbetrieb,
Charakter, durch den sie ihre Glaubwürdig- Der Umstand, dass moralische Prinzipien
inwiefern das Unterneh-
keit einbüßt. Der Vorwurf lautet: Wo Moral zum „Business Case“ geworden sind, ist in- 60
men soziale Verant­
30 aus ökonomischen Gründen befolgt wird, ist des kein Indiz dafür, dass sich in der Wirt- wortung übernimmt.
sie keine mehr. […] Entsprechend umstritten schaft ein Wertewandel vollzogen hat, durch (C S. 210)
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
210 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

Erörtern Sie gemeinsam den Kriterien der Rentabilität und Produkti- faire Gewinnverteilungen legen. Die „Mora-
mit Ihrem Ansprech- vität eine geringere Rolle als zuvor spielen. lisierung der Märkte“, die sich seit einigen
partner vor Ort die damit 65 Die Berücksichtigung ethischer Standards in Jahren vollzieht, beruht [u. a. auf der] globa­
einhergehenden
der Unternehmenspraxis ist vielmehr Aus- le[n] Ausweitung der Marktzonen, [dem]
Vor- und Nachteile für
das Unternehmen und druck einer gewandelten gesellschaftlichen wachsende[n] Wohlstand und [der] zuneh­ 75
andere Interessengrup- Lage, in der die sozialen Akteure insgesamt mende[n] Informiertheit der Konsumenten.
pen (Kunden, Lieferan- größeren Wert auf umweltverträgliche Pro- Ludger Heidbrink, Wie moralisch sind Unternehmen?,
ten, Mitarbeiter, 70 dukte, humane Arbeitsbedingungen und in: Aus Politik und Zeitgeschichte 31/2008, S. 3 f.
Gesellschaft).

M5 CSR – alles nur schöner Schein?

Greenwashing Am 22. Juli 2010 verkündete die Unterneh- dienstleister am liebsten damit, dass ihre
bezeichnet den Versuch mensberatung A. T. Kearney stolz: Ab sofort CO2-Bilanz stimmt – obwohl wahre Nach-
von Unternehmen, durch berate man seine Kunden weltweit kli- haltigkeit für diese Unternehmen vor allem 30
Marketing- und maneutral. Alle unvermeidlichen CO2-Emis- darin bestehen müsste, ihre Kunden so ehr-
PR-Maßnahmen ein
5 sionen, die bei A. T. Kearney vor allem durch lich zu behandeln, dass die auch morgen
„grünes Image“ zu
erlangen, ohne
Dienstreisen anfallen, würden durch Inves- noch mit ihnen Geschäfte machen wollen.
allerdings entsprechen- titionen in Klimaschutzprojekte kompen- Umgekehrt reden besonders energieintensi-
de Maßnahmen im siert. [...] Natürlich, niemand hat etwas da- ve Branchen nur zu gern über ihre Veranke- 35
Rahmen der Wertschöp- gegen, wenn Unternehmensberatungen rung in der Gesellschaft, über sichere Ar-
fung zu implementieren. 10 Aufforstungsprojekte unterstützen [...]. beitsplätze und zufriedene Kunden – nur
Bezog sich der Begriff
ursprünglich auf eine
Doch zugleich deuten [solche] Maßnahmen eben nicht über ihre CO2-Emissionen. So
suggerierte Umwelt- auf ein fehlgeleitetes Verständnis von Nach- rühmt sich der Stromversorger Vattenfall
freundlichkeit, findet haltigkeit hin, das in vielen Konzernen leider Europe zum Beispiel der vielen Vereine, die 40
dieser mittlerweile auch zum Normalfall geworden ist und sich über- man in Brandenburg finanziell unterstütze.
für suggerierte 15 spitzt so beschreiben lässt: Starte möglichst Was wahrscheinlich den angenehmen Ne-
Unternehmensverant-
viele Projekte, die dein Unternehmen ver- beneffekt hat, dass die Begünstigten nicht so
wortung Verwendung.
antwortungsbewusst gegenüber Umwelt, schnell ins Lager der Gegner des extrem
Mitarbeitern, Kunden und der Gesellschaft klimafeindlichen und landschaftszerstöre- 45
dastehen lassen. Rede möglichst laut über rischen Braunkohletagebaus überlaufen. Der
20 diese Aktivitäten. Sorge dafür, dass dein Un- Blick fürs Unwesentliche zieht sich durch
ternehmen in den entsprechenden Rankings alle Branchen, und er hat Methode. Anleger
gut dasteht. Treibe mit dem Image der Nach- und Konsumenten belohnen in der Regel
haltigkeit deinen Aktienkurs nach oben. nicht das nachhaltigste Unternehmen durch 50
Aber lasse auf keinen Fall zu, dass der ganze ihre Investitions- und Kaufentscheidung,
25 Öko- und Sozialklimbim deine Profitabili- sondern jenes, dass sich am erfolgreichsten
tät beeinträchtigt! Deshalb befassen sich ein grünes und/oder soziales Image verpasst.
Unternehmensberatungen und Finanz- Christian Rickens, Manager Magazin, 3.8.2010

Aufgaben
1B
 eschreiben Sie den Begriff „Corporate Social Responsibility“ und grenzen Sie ihn vom
sogenannten „Greenwashing“ ab (M 3, M 5, Randspalte).
2N
 ehmen Sie Stellung, inwiefern CSR eine sinnvolle Maßnahme für das Unternehmen
darstellt. Gehen Sie dabei auch auf langfristige und kurzfristige Folgen solcher Maß-
nahmen ein (M 3 – M 5).
3R
 echerchieren (C Methodenglossar) Sie wahlweise ein aus Ihrer Sicht gelungenes
Beispiel für CSR oder ein besonders dreistes Beispiel von Greenwashing und stellen Sie
es in Ihrem Kurs vor.
4.2 Entscheidungsprozesse im Unternehmen – Interessen und Ziele im Spannungsfeld 211

Unternehmerische Entscheidungen sind äußerst komplex, weil sie im Schnittpunkt Das Unternehmen

ORIENTIERUNGSWISSEN
unterschiedlicher Interessen und unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Zielen im Geflecht
getroffen werden. So verlangen z. B. die Eigentümer (Aktionäre) eine stetige Steige- unterschiedlicher
rung der Unternehmensgewinne („Shareholder-Value-Ansatz“), wohingegen die Interessen
Mitarbeiter höhere Löhne und einen gesicherten Arbeitsplatz erwarten. Die Kunden M1
wünschen eine bedarfsgerechte Güterversorgung hinsichtlich Preis, Qualität und
Service, der Staat möchte gesunde Unternehmen, die dauerhaft in Deutschland Ab-
gaben entrichten. Berücksichtigt ein Unternehmen möglichst alle Anspruchsgrup-
pen in der strategischen Unternehmensplanung, z. B. Geschäftsleitung, Verwal-
tungs- und Aufsichtsrat, Kunden, Öffentlichkeit, Aktionäre, Arbeitnehmer, Lieferanten,
Staat, so spricht man vom „Stakeholder-Value-Ansatz“.

Corporate Social Responsibility (CSR) ist ein teilweise unscharf verwendeter Begriff Gesellschaftliche
für die unternehmerische Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt. Mit Verantwortung
der sozialen Verantwortung eines Unternehmens ist nicht gemeint, Kultur- und von Unternehmen
Sportveranstaltungen zu sponsern oder Stiftungen zu gründen (Corporate Citizen- in der Diskussion
ship). CSR beinhaltet, das Kerngeschäft nach umfassenden ethischen Grundsätzen M2–M5
zu betreiben und so die Legitimität von Unternehmen zu sichern.
Manche Unternehmen versuchen allerdings auch, durch reine Marketing- und
PR-Maßnahmen ein „grünes Image“ vorzugaukeln, ohne dabei jedoch entsprechende
Maßnahmen im Rahmen der Wertschöpfung zu implementieren. Für diese
Täuschungsversuche wird der Begriff Greenwashing verwendet. Bezog sich dieser
ursprünglich lediglich auf eine suggerierte Umweltfreundlichkeit, findet der Begriff
mittlerweile auch für suggerierte Unternehmensverantwortung Verwendung.
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
212 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

4.3 Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen


im Unternehmen

4.3.1 Können Mitarbeiter im Betrieb mitentscheiden?

M1 Betriebsrat überflüssig?!?

Karikatur: Harm Bergen

M2 Wenn der Chef den Computer ausspioniert

Ein Mitarbeiter manipuliert sein Stunden- bestimmten Zeitabständen den Bildschirm 20


konto? Um dies zu beweisen, hatte der Ar- fotografierte. Dabei sollen auch Screens-
beitgeber dessen Rechner ausspioniert. Ob hots von privaten E-Mails entstanden sein.
das zulässig war, wird nun vor Gericht Der Betriebsrat bestreitet die Manipulation
5 geklärt. Darf der Arbeitgeber den Compu- und klagte gegen seine Kündigung. Seit
ter eines Mitarbeiters mit einer Software Juni wird verhandelt. Das Urteil, das für 25
ausstatten, die heimlich Screenshots vom Mitte September erwartet wird, könnte Be-
Bildschirm macht? Diese Frage muss der- deutung für den Arbeitnehmerdatenschutz
zeit das Arbeitsgericht in Augsburg klären. haben. Es ist einer der ersten Fälle, in denen
10 Konkret ging es um den Fall eines Be- ein Betriebsrat mit Hilfe von Überwa-
triebsratsvorsitzenden in einer schwäbi- chungssoftware kontrolliert wurde. Grund- 30
schen Großbäckerei. Der Arbeitgeber warf sätzlich dürfen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter
ihm vor, sein Stundenkonto manipuliert zu zwar überwachen – aber nur bei einem kon-
haben, wodurch dem Unternehmen ein kreten Verdacht auf Missbrauch oder Be-
15 wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. trug, erklärt der Berliner Arbeitsrechtler Ulf
Dem Mitarbeiter wurde daraufhin fristlos Weigelt. Das Kontrollrecht des Arbeitgebers 35
gekündigt. Um den Betrug zu belegen, hat- ist in dessen Weisungsrecht vorgesehen.
te der Arbeitgeber auf dem Computer des Darüber stehen allerdings immer die Per-
Betriebsrats eine Software installiert, die in sönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers. Sie
4.3 Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Unternehmen 213

sind als Grundrechte zu wahren. Arbeits- Beschäftigten verwendet werden dürfen. Urteil des
40 rechtliche Regelungen für eine elektroni- Die Daten auf dem Firmenrechner dürfen Arbeitsgerichts
sche Überwachung der Mitarbeiter gibt es Chefs grundsätzlich überprüfen. Allerdings Der Arbeitnehmerver-
bislang nicht, lediglich Grundsätze. Sie be- gilt auch hier die Verhältnismäßigkeit. Ar- 70 treter klagte in der
Folge erfolgreich gegen
treffen vor allem den Einsatz von Kameras. beitgeber dürfen die Firmenmails mitlesen,
seine Entlassung. Nach
Generell gilt: Gibt es einen Verdacht auf aber nicht den Inhalt jeder E-Mail auswer- Meinung des Gerichts
45 eine Straftat, die mit anderen Mitteln nicht ten. Er darf sie allerdings nach Schlagwör- war das Ausspionieren
aufgeklärt werden kann, ist Videoüberwa- tern wie „Sex“ durchsuchen, um einen der Computerdaten
chung erlaubt. Eine solche Maßnahme ist Missbrauch zu entdecken. Private Mails 75 mittels einer Spähsoft-
ware unverhältnismäßig.
allerdings mit sehr hohen Hürden verbun- sind für den Arbeitgeber generell tabu.
Die damit aufgezeichne-
den. So muss der Arbeitgeber belegen, dass Auch dann, wenn er die private Nutzung ten Screenshots
50 die Überwachung wirklich das einzige und der Firmenrechner verboten hat. Im kon- unterlagen einem
letzte Mittel ist, um einen Betrug oder Dieb- kreten Fall liegen die Grenzen für den Ar- Beweisverwertungsver-
stahl zu dokumentieren. Auch muss der beitgeber noch höher, weil Betriebsräte ar- 80 bot und konnten somit
nicht als Beweismittel
Betriebsrat einer solchen Kontrolle zustim- beitsrechtlich besonders geschützt sind. Sie
für eine fristlose
men. In der Regel treffen Arbeitgeber sol- haben ein Recht auf vertrauliche und ge- Kündigung dienen.
55 che Maßnahmen dann, wenn beispielsweise schützte Arbeit. Laut § 119 des Betriebsver-
immer wieder Geld in der Kasse fehlt. Ist der fassungsgesetzes darf der Arbeitgeber den
Fall aufgeklärt, müssen die Kameras wieder Betriebsrat bei seiner Arbeit nicht behin- 85
entfernt werden. Einfacher haben es Ar- dern oder einschränken. Ein Verstoß dage-
beitgeber nur an Orten, an denen aus Si- gen stellt eine Straftat dar und wird mit
60 cherheitsgründen Kameras eingesetzt wer- einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe
den – beispielsweise im Verkaufsraum. Hier von bis zu einem Jahr geahndet. Arbeits-
dienen Kameras der Überführung von La- rechtler und Gewerkschaftler gehen davon 90
dendieben und die Mitarbeiter müssen sich aus, dass das Arbeitsgericht die Kündigung
mit der permanenten Überwachung abfin- kassieren wird.
65 den. Das Arbeitsrecht schreibt jedoch vor,
dass solche Aufnahmen nicht gegen die Tina Groll, www.zeit.de, 10.8.2012

M3 Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei technischen Überwa-


chungseinrichtungen

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Be- Beispiele: Videokameras, automatische Zei-
triebsrat bei der Einführung und Anwen- terfassungsgeräte (Stechuhren, Zeitstempler
dung von technischen Einrichtungen, die usw.), Fotokopierer mit individueller PIN für
dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die den einzelnen Benutzer, Internet und E- 20
5 Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, Mail.
mitzubestimmen. Mit diesem Mitbestim- Beim § 87 BetrVG handelt es sich um die
mungsrecht sollen die Persönlichkeitsrechte „obligatorische Mitbestimmung“ oder auch
der Mitarbeiter vor den Gefahren anonymer durchsetzbare Mitbestimmung genannt. Be-
Kontrolleinrichtungen geschützt werden. steht eine gesetzliche oder tarifliche Rege- 25
10 Technische Überwachungseinrichtungen im lung scheidet ein Mitbestimmungsrecht des
Sinne der Vorschrift sind alle Vorrichtun- Betriebsrats aber aus. Bei den gesetzlichen
gen, die automatisiert arbeitnehmerbezoge- Regelungen muss es sich um zwingendes
ne Daten speichern, verändern, übermitteln gesetzliches Recht handeln, z. B. Nachtar-
oder löschen und die es dadurch ermögli- beitsverbot für Jugendliche. Besteht eine 30
15 chen, Aussagen über das Verhalten und die tarifliche Regelung so entfaltet sie zwingen-
Leistung einzelner Mitarbeiter zu treffen. de Wirkung, wenn der Arbeitgeber an den
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
214 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

Tarifvertrag gebunden ist. Dies ist der Fall, vom Arbeitgeber durchgeführte Maßnah- 40
wenn der Arbeitgeber Mitglied im zuständi- men unwirksam sein dürften. Ausnahmen
35 gen Arbeitgeberverband ist, Partner eines können nur in „absoluten Notfällen“ mög-
Haustarifvertrags ist oder ein Tarifvertrag lich sein, wie z. B. Brand- oder Wetterkata-
für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Das strophen.
Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG be- Nach: Karsten Fischer-Lange/Henning Kluge, www.
steht auch in „Eilfällen“, sodass einseitig kluge-seminare.de (4.4.2016)

M4 W
 elche Rechte hat ein Betriebsrat?

journalist: Warum brauchen Journalisten Gibt es weitere Fälle, in denen ein starker
eine Arbeitnehmervertretung? Betriebsrat wichtig ist?
Gerda Theile: Teile und herrsche – so hieß Ja, bei Entlassungen. Betriebsräte verhan- 40
es schon bei den alten Römern. Deshalb deln mit den Arbeitgebern über Sozialplä-
5 brauchen Journalisten ebenso wie andere ne und damit über Abfindungen für die
Arbeitnehmer ein Sprachrohr, das ihre Inte- Betroffenen. In betriebsratslosen Unter-
ressen und Wünsche bündelt, das bestimm- nehmen haben die Mitarbeiter im Fall von
te Rechte hat und diese auch einfordert. betriebsbedingten Kündigungen keinen 45
Wie sehen denn die Rechte des Betriebs- Anspruch auf eine Abfindung.
10 rats aus? Bleiben wir mal bei den betriebsbedingten
Der Betriebsrat hat Informations-, Bera- Kündigungen: Welche Rechte hat hier ein
tungs- und Mitbestimmungsrechte. Die Mit- Betriebsrat konkret?
bestimmungsrechte bilden zwar den kleine- Alle Rechte, die ein Betriebsrat einer 50
ren Teil, sind aber dennoch wichtig. So wird Schraubenfirma hat. Das heißt: Dem Be-
15 etwa die Arbeitszeit vom Betriebsrat mitge- triebsrat müssen die wirtschaftlichen Grün-
staltet. Der Arbeitgeber kann ohne das Okay de für die Kündigungen genau dargelegt
des Betriebsrats im Prinzip keinerlei Über- werden. Meistens wird nur etwas von Auf-
stunden anordnen. Auch in Medienbetrie- lagen- und Erlösrückgängen erzählt. Das 55
ben setzen sich immer mehr Betriebsräte aber reicht bei einem Kündigungsschutz-
20 für eine systematische Arbeitszeiterfassung prozess nicht aus. Zwar kann der Betriebs-
und Dienstplanregelung ein. rat betriebsbedingte Kündigungen nicht
Was ist sonst noch mitbestimmungs- verhindern, aber er kann mit seiner fun-
pflichtig? dierten Stellungnahme die Chancen des 60
Das Betriebsverfassungsgesetz, Paragraf 87, Einzelnen in einem Kündigungsschutzpro-
25 formuliert insgesamt 13 Fälle mit ganz un- zess verbessern. Ist ein Betriebsrat nicht
terschiedlicher Wertigkeit. Das geht bis hin umfassend und rechtzeitig informiert oder
zu den Kantinenpreisen. Die beiden wich- angehört worden, so sind die Kündigungen
tigsten Punkte sind sicherlich die bereits unwirksam. 65
erwähnte Arbeitszeit sowie der Schutz vor Kann der Betriebsrat auch bei der Einstel-
30 einer Datenüberwachung. Letzteres heißt lung von redaktionellem Personal mitre-
faktisch: Solange nicht das Okay des Be- den?
triebsrats vorliegt, kann kein Redaktions- In Medienbetrieben ist das kein mitbestim-
system installiert werden. Denn alle Pro- mungspflichtiger Vorgang. Der Betriebsrat 70
gramme haben inzwischen ein Log-Buch, hat hier nur ein Informations-, aber kein
35 das eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle Zustimmungsverweigerungsrecht. Hinter-
erlaubt. Hier muss und will der Betriebsrat grund ist der Tendenzschutzparagraf, auf
also mitreden. den sich die Verlage berufen können. […]
4.3 Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Unternehmen 215

75 Haben Betriebsräte irgendetwas mit den Im Regelfall, ja. Es heißt immer: Der Be-
Tarifverträgen zu tun? triebsrat macht das Licht aus!
Jein. Mit dem Zustandekommen der Tarif- Kann in jedem Unternehmen – egal wie 125
verträge haben sie nichts zu tun. Die Be- groß es ist – eine Arbeitnehmervertretung
triebsräte haben aber die gesetzliche Auf- gewählt werden?
80 gabe, auf die Einhaltung der Tarifverträge Man braucht fünf Wahlberechtigte, von de-
zu achten. Also zu prüfen: Ist die Eingrup- nen drei wählbar sein müssen. Die drei
pierung der Mitarbeiter korrekt? Werden Kandidaten müssen mindestens sechs Mo- 130
tatsächlich Tarifgehälter gezahlt? Das be- nate dem Betrieb angehören. Letztlich wird
deutet, dass Betriebsräte auch Einblick in bei einem Betrieb, der weniger als 21 Wahl-
85 die Gehaltslisten nehmen müssen. berechtigte hat, aber nur ein einköpfiger
Etliche Verlage sind aus der Tarifbindung Betriebsrat gewählt.
geflüchtet. Sie wollen die Gewerkschaften Was muss eine Belegschaft tun, wenn sie 135
außen vor lassen, stattdessen mit Betriebsrä- einen Betriebsrat gründen will?
ten interne Vergütungsordnungen abschlie- Man braucht eine Wahlversammlung, die
90 ßen. Was rät der DJV in diesen Fällen? einen Wahlvorstand einsetzt. Gibt es schon
Finger weg! Betriebsräte dürfen von Rechts eine Arbeitnehmervertretung, was der Nor-
wegen nicht über Tarifmaterien verhandeln. malfall ist, wird der Wahlvorstand vom am- 140
Die Vergütungsordnungen können daher tierenden Betriebsrat eingesetzt. […]
nur abstrakte Tätigkeitsbeschreibungen ent- Welche persönlichen Eigenschaften soll-
95 halten. Die Gehälter bestimmt der Arbeitge- ten Kandidaten mitbringen?
ber. Die Betriebsräte sollten dem Druck also Ein Betriebsrat muss kommunikativ sein. Er
nicht nachgeben. Der Schwarze Peter muss muss ein offenes Ohr für die Sorgen der Kol- 145
da bleiben, wo er ist: Wenn sich ein Arbeit- legen haben, und es wäre auch nicht schlecht,
geber für die Tarifflucht entschieden hat, wenn er diese Sorgen dem Arbeitgeber in
100 dann muss er auch allein für die schlechte einer charmanten Art nahebringen kann.
Bezahlung geradestehen. Gefragt sind nicht die Hardliner...
Wie eng arbeiten die Betriebsräte mit den Richtig. Verhandlungsergebnisse bekommt 150
Gewerkschaften zusammen? man ja leichter, wenn man eine diplomati-
Das ist unterschiedlich, hängt immer von sche Ader hat. Ein Konfrontationskurs kos-
105 den Beteiligten ab. Gewöhnlich arbeiten tet immer Zeit und Nerven. [...]
Betriebsräte vertrauensvoll mit den Ge- Unter welchen Bedingungen wird ein Be-
werkschaften zusammen. triebsrat komplett freigestellt? 155
Wer die Interessen der Arbeitnehmer ver- Wenn es im Betrieb mindestens 200 Wahl-
tritt, gilt leicht als Störenfried. Genießen berechtigte gibt. Meistens ist es die oder der
110 Betriebsräte einen besonderen Kündi- Betriebsratsvorsitzende, der freigestellt ist,
gungsschutz? aber das ist nicht zwingend. Das Gremium
Betriebsräte können während der laufen- entscheidet. 160
den Wahlperiode nicht gekündigt werden. Darf jeder Mitarbeiter mitwählen?
Fristlose Kündigungen sind aber durchaus Nicht wählen dürfen leitende Angestellte
115 möglich, wenn man dazu einen entspre- und freie Mitarbeiter. Allerdings hat der
chenden Grund geliefert hat. Also: Vor- Wahlvorstand zu prüfen, ob sich unter den
sicht! Bei Betriebsräten, die der Arbeitgeber Freien vielleicht Scheinselbstständige be- 165
gerne loswerden will, werden gerne mal die finden. Die zählen als Arbeitnehmer, dürfen
Spesenrechnungen überprüft. dann natürlich auch mitwählen.
120 Ein Betriebsrat kann also normalerweise
Interview mit Gerda Theile – Referentin des Deutschen
davon ausgehen, dass er nicht auf die Journalisten-Verbandes (DJV), © Verlag Rommerskir-
Kündigungsliste kommt? chen GmbH & Co. KG, www.journalist.de (4.4.2016)
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
216 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

M5 Intensität der Betriebsrats-Beteiligung

Arbeitsauftrag
für das
Wirtschafts­
praktikum:
Mitwirkungsrechte Mitbestimmungsrechte
Recherchieren
(C Methodenglossar)
Sie in Ihrem Prakti-
kumsbetrieb, ob es
einen Betriebsrat gibt
und welche Themen durchsetzbare
dieser behandelt. Mitbestimmung
Zustimmungs-
Erfragen (C Methoden-
Beratung erfordernis Der AG kann ohne
glossar) Sie, ob es die Zustimmung des
Anhörung AG + BR müssen Der AG braucht die
weitere/andere BR nicht handeln;
sich zusammen Zustimmung des
Möglichkeiten der Information Der AG hat den BR bei Uneinigkeit
setzen + die BR, um die
Mitbestimmung für die anzuhören + sich entscheidet die
Einseitige Angelegenheit Maßnahme
mit dessen Einigungsstelle
Mitarbeiter gibt und Verpflichtung des gemeinsam erörtern durchführen zu
Vorbringen können; der BR
stellen Sie diese kurz AG, den BR zu
auseinander zu kann seine
dar. unterrichten
setzen i. S. v. Zustimmung aber
gegenseitiger nur aus bestimmten
Information Gründen verweigern

§ 99 I BetrVG § 102 I BetrVG § 111 BetrVG § 99 I BetrVG & § 87 BetrVG


§ 99 II BetrVG
Der Betriebsrat z. B. Kündi- z. B. bei Stillle- z. B.: Arbeitgeber z. B.: Arbeits­
kann seine gungen: Der gungen oder hat den Betriebs- zeiten, Urlaubs-
Rechte aus dem Betriebsrat ist vor Verlegungen von rat vor jeder pläne, Arbeits-
Betriebsverfas- jeder Kündigung Betrieben oder Einstellung, schutzmaßnah-
sungsgesetz nur zu hören. Der Betriebsteilen, Eingruppierung, men, betriebliche
sinnvoll wahr- Arbeitgeber hat Einführung neuer Umgruppierung Lohngestaltung,
nehmen, wenn er ihm die Gründe Fertigungs- und Versetzung soziale Maßnah-
rechtzeitig und für die Kündigung verfahren zu unterrichten. men, Über­
umfassend mitzuteilen. Eine Verweigert der wachungsmaß-
informiert ist. Das ohne Anhörung Betriebsrat seine nahmen
BetrVG stellt den des Betriebsrats Zustimmung, so
Betriebsrat daher ausgesprochene kann der
hinsichtlich Kündigung ist Arbeitgeber beim
seiner Kenntnisse unwirksam. Arbeitsgericht
über betriebliche beantragen, die
Belange auf Zustimmung zu
dieselbe Stufe, ersetzen.
wie den Arbeit-
geber.

Autorentext/Autorengrafik

Aufgaben

Prüfen Sie nach 1 Analysieren (C Methodenglossar) Sie die Karikatur M 1.


Bearbeitung der 2 Begründen Sie, warum der Betriebsrat bei technischen Überwachungen von Mitarbei-
Aufgaben 2 und 3 Ihre
tern obligatorische Mitbestimmungsrechte hat (M 2 – M 5).
erste Beurteilung der
Karikatur M 1. 3 Gestalten Sie einen Leitfaden, in dem alle wesentlichen Informationen für Betriebsräte
enthalten sind (M 4, M 5).
4.3 Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Unternehmen 217

4.3.2 Mitbestimmung im Unternehmen – Garant für den sozialen


Frieden oder Standortnachteil?

M6 Mitbestimmung auf Unternehmensebene

In Deutschland sind die Arbeitnehmer auch Wie der Aufsichtsrat sich zusammensetzt
an den wirtschaftlichen Planungen und und wie er gewählt wird, ist in verschiede- 15
Entscheidungen der Unternehmenspolitik nen Gesetzen geregelt: im Montanmitbe-
beteiligt. Die Mitbestimmung auf Unter- stimmungsgesetz von 1951, im Mitbestim-
5 nehmensebene beschränkt sich allerdings mungsgesetz von 1976 und im Drit­ tel­
be-
auf Kapitalgesellschaften, wie Aktienge- ­tei­li­gungs­gesetz von 2004. Welches Gesetz
sellschaften oder Gesellschaften mit be- zuständig ist, hängt von der Art und Größe 20
schränkter Haftung (GmbH), mit mehr als des Unternehmens ab. Im Aufsichtsrat
500 Beschäftigten. In so einem Unterneh- sitzen immer Vertreter der Anteilseigner/
10 men können Arbeitnehmervertreter den Aktionäre und der Arbeitnehmer. Aller-
Vorstand des Unternehmens mitüberwa- dings sieht keines der Gesetze vor, dass die
chen. Das Organ, das dafür zuständig ist, Arbeitnehmervertreter die Arbeitgeberseite 25
heißt Aufsichtsrat. überstimmen kann.Autorentext

M7 D
 rei Modelle der Unter-
Das gesetzliche Mitbestimmungssystem
nehmensmitbestimmung
in der Bundesrepublik Deutschland

Modell 1: Mitbestimmung nach der Mon-


tanmitbestimmung von 1951 Vorstand/Geschäftsleitung
Der Vorstand wird hier ergänzt um einen (Arbeitsdirektor)
Arbeitsdirektor für die Bereiche „Soziales“
Mitbestimmungsrechte bestellt und überwacht
5 und „Personelle Angelegenheiten“, der nur
nach dem Betriebsver-
mit Zustimmung der Arbeitnehmervertre- fassungsgesetz
ter-Mehrheit gewählt werden kann. Auftsichtsrat
Vertreter der
Der Aufsichtsrat besteht je nach Größe des Arbeitnehmer/Anteilseigner
Gesellschaftskapitals aus 11, 15 oder 21 Mit-
10 gliedern. Der 11-köpfige Aufsichtsrat setzt wählen wählt
sich wie folgt zusammen: 5 Vertreter der
Anteilseigner, 5 Arbeitnehmervertreter, 1 Betriebsrat
Anteilseigner-
(GBR/WA) Arbeitnehmer
weiteres Mitglied. versammlung
KBR wählen
Zwei der Arbeitnehmervertreter werden von
15 der Spitzenorganisation der Gewerkschaf-
unterstützen Wahlvorschläge
ten vorgeschlagen. Diese Form der Mitbe-
stimmung gilt bei den Rechtsformen der MontanMitbestG1951
Gewerkschaften DrittelbG2004
Aktiengesellschaft und der GmbH in den MitbestG1976

Geschäfsfeldern Kohle, Eisen und Stahl mit


20 in der Regel mehr als 1.000 Arbeitnehmern. Abkürzungen
DrittelbG Drittelbeteiligungsgesetz
GBR Gesamtbetriebsrat (Errichtung beim Vorhandensein mehrerer Betriebsräte
selbstständiger Betriebe eines Unternehmens)
Modell 2: Mitbestimmung nach dem Drit- KBR Konzernbetriebsrat (Errichtung für einen Konzern durch Beschlüsse der einzelnen
Gesamtbetriebsräte)
telbeteiligungsgesetz von 2004 MitbestG Mitbestimmungsgesetz
Der Aufsichtsrat setzt sich aus zwei Drittel MontanMitbestG Montanmitbestimmungsgesetz
WA Wirtschaftsausschuss (Arbeitnehmer-Gremium zur Beratung wirtschaftlicher
Anteilseignervertretern und einem Drittel Angelegenheiten mit dem Unternehmer und zur Unterrichtung des Betriebsrats)

25 Arbeitnehmervertretern (daher Drittelbetei-


4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
218 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

ligungsgesetz) zusammen. Es gilt für Akti- vier Arbeitnehmer des Unternehmens und 40
engesellschaften, Kommanditgesellschaften zwei Vertreter der Gewerkschaften befin-
auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter den. Im Vorstand muss ein Arbeitsdirektor
Haftung, Genossenschaften und Versiche- die Personal- und sozialen Angelegenhei-
30 rungsvereinen auf Gegenseitigkeit mit 500 ten verantwortlich führen, ohne jedoch
bis zu 2.000 Beschäftigten. zwingend mit Zustimmung der Arbeitneh- 45
mervertreter gewählt zu werden. Bei einem
Modell 3: Mitbestimmung nach dem Mit- Patt hat der Aufsichtsratsvorsitzende zwei
bestimmungsgesetz von 1976 Stimmen. Es gilt für die Rechtsformen der
Der Aufsichtsrat setzt sich bei in der Regel AG, einer KGaA, einer GmbH oder einer Er-
35 nicht mehr als 10.000 Arbeitnehmern aus je werbs- und Wirtschaftsgenossenschaft mit 50
sechs Aufsichtsratsmitgliedern der Anteils- mehr als 2.000 Arbeitnehmern.
eigner und der Arbeitnehmer zusammen (<
Roland Köstler, Praktische Hinweise zum Unterneh-
20.000: acht, > 20.000: zehn). Unter den mensrecht, Arbeitshilfen für Aufsichtsräte, Heft 7,
sechs Aufsichtsratsmitgliedern müssen sich 5. Aufl., Düsseldorf 2004

M8 Mitbestimmungs- und Eigentumsrechte im Widerspruch?

Anders als in der Weimarer Reichsverfas- schaftsfreiheit als unternehmerische Dispo-


sung (Art. 130 Abs. 2, 165 Abs. 2) enthält sitionsfreiheit. Dem Arbeitgeber dürfen kei-
das Grundgesetz keine ausdrückliche Ge- ne Leitungsbefugnisse entzogen werden. Die
währleistung von ArbeitnehmerInnen-In- Mitbestimmungsfreiheit unternehmerischer
5 teressenvertretungen […]. Entscheidungen wird ferner auf die Berufs- 35
Trotz der fehlenden verfassungsrechtlich freiheit (Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) ge-
abgesicherten Mitbestimmungsrechte ist stützt. Sie ist das Leitprinzip der Betriebs-
das Recht der ArbeitnehmerInnen auf Mit- verfassung und stellt klar, dass der
bestimmung in Betrieben, Unternehmen Betriebsrat mangels eigener Verantwortung
10 und staatlichen Einrichtungen aber un- für das Unternehmen nicht zum Mitunter- 40
streitig. Dies lässt sich schon aus Artikel 1 nehmer werden darf. Beteiligungsrechte
Abs. 1 GG (Wahrung der Menschenwürde) dürfen die unternehmerische Entschei-
ableiten. Dem steht aber verfassungsrecht- dungsfreiheit nur insoweit beeinträchtigen,
lich die Eigentumsgarantie des Artikels 14 als es der Sozialstaatsgedanke des Grund-
15 Abs. 1 S. 1 GG entgegen. „Sie erfasst alle gesetzes erfordert.“ (Stefan Edenfeld) 45
vermögenswerten Rechte unter Einschluss Daher beschränkt sich kollektive Mitbe-
der mit ihnen verbundenen Verfügungs- stimmung der abhängig Beschäftigten
macht und daher auch die Verfügungsge- (über demokratisch gewählte Repräsenta-
walt der Inhaber wirtschaftlicher Unterneh- tivorgane wie Betriebs-, Personal- und
20 men. Sie schützt die Unternehmer gegen Aufsichtsräte) in Deutschland, aber auch in 50
Akte staatlicher Wirtschaftsplanung und der Europäischen Union, auf soziale Ange-
sichert ihre Dispositionsfreiheit über das legenheiten, sie darf nicht zu einer wirt-
dem Betrieb zugeordnete Eigentum. Dazu schaftlichen Mitbestimmung führen, die die
gehört die Gründungs- und Tätigkeitsfrei- Dispositionsfreiheit der Unternehmer aus-
25 heit. Der Unternehmer bestimmt die Rechts- hebelt. Dies gilt verfassungsmäßig nicht nur 55
form des Unternehmens und darf es nach für die betriebliche, sondern auch für die
seinen Zweckmäßigkeitserwägungen be- unternehmensbezogene Mitbestimmung.
treiben. Ihm steht die Nutzung seines Ei-
gentums an den Produktionsmitteln zu.
30 Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet die Wirt- Albrecht Müller, www.nachdenkseiten.de, 9.5.2011
4.3 Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Unternehmen 219

M9 K
 ontrovers diskutiert: die Unternehmensmitbestimmung –
ein Standortnachteil?

Pro Unternehmensmitbestimmung:
Arbeitsauftrag
für das
Die Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern an Unternehmensentscheidungen ist Wirtschafts­
fester Bestandteil der Firmenkultur in der Bundesrepublik Deutschland. Als geregelte praktikum:
Form der Konfliktbewältigung kann die Mitbestimmung einen Beitrag zum sozialen Tauschen Sie sich
Frieden leisten. Dies ist vor allem wichtig in Zeiten des Strukturwandels in den Produk- sowohl mit Mitarbeite-
tionsprozessen. rinnen und Mitarbeitern
als auch ggf. mit einem/
Die Einbindung der Arbeitnehmer in Entscheidungsprozesse trägt zu einem höheren
einer Geschäftsführer/in
Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Unternehmen bei. Wer Mitverantwortung zu einer Möglichkeit der
der Mitarbeiter will, der sollte auch Mitsprache erlauben. Unternehmensmitbe-
Die Beteiligung der Arbeitnehmer an Entscheidungsprozessen kann die Transparenz in stimmung im Prakti-
den jeweiligen Unternehmen erhöhen, die Arbeitszufriedenheit verbessern, die Produk- kumsbetrieb aus und
diskutieren Sie anschlie-
tivität steigern, die Identifikation mit dem Unternehmen stärken und die Innovationsbe-
ßend, inwiefern diese
reitschaft der Beschäftigten fördern. Die Frage ist jedoch, ob dazu die Mitbestimmung eine sinnvolle Maßnah-
nötig ist. Auch in Japan und in den USA (quality circles) gibt es enge und funktionieren- me darstellt.
de Absprachen zwischen Unternehmensführung und Arbeitnehmern – allerdings ohne
Mitbestimmung.

Kontra Unternehmensmitbestimmung:
Außer in Slowenien gibt es nirgendwo auf der Welt derart ausgeprägte Mitbestimmungs-
rechte der Arbeitnehmer wie in Deutschland. Das schreckt viele ausländische Investo-
ren – trotz der geringen Streikfrequenz – davon ab, sich in Deutschland zu engagieren.
Gleichzeitig führt es dazu, dass Unternehmen ihren Firmensitz ins Ausland verlegen. So
ging Aventis nach der Fusion mit Hoechst und Rhône-Poulenc nach Straßburg.
Mitbestimmung hat die Unternehmenskontrolle nicht verbessert. Der Sachverstand vie-
ler Arbeitnehmervertreter – und auch Unternehmensvertreter – ist häufig unzureichend.
Die Arbeitnehmervertreter haben nicht nur die Vergütungen vieler Manager mitgetragen
und immense Abfindungssummen abgenickt, sondern auch die Fehlentscheidungen der
Vorstände mitzuverantworten.
Mitbestimmung verzögert Entscheidungsprozesse. Global operierende Unternehmen
müssen in sehr vielen Fällen schnell und flexibel entscheiden. Das lassen die aufwen-
digen Abstimmungsprozesse der Mitbestimmung nicht zu.
Viele betriebsexterne Arbeitnehmervertreter, wie Gewerkschaftschefs, sind nicht unab-
hängig. Dies gilt aber auch für Unternehmensvertreter im Aufsichtsrat, vor allem aus
dem Finanzbereich. Die Folge sind mögliche Interessenkollisionen zum Nachteil des
Unternehmens. Tipp
Im Bundestag fand im
Gekürzt nach: Christoph B. Schiltz, Die Welt, 22.10.2004
Mai 2011 eine Anhörung
zur Unternehmensmit-
Aufgaben bestimmung statt, in
der zahlreiche Experten
 Erklären Sie, wie Arbeitnehmer auf Unternehmensebene mitbestimmen können (M 6, Stellungnahmen
M 7). abgaben. Recherchieren
2 Erläutern Sie, warum eine völlige Gleichstellung von Arbeit und Kapital mit dem (C Methodenglossar) Sie
die Dokumentation und
Grundgesetz nicht vereinbar ist (M 8).
arbeiten Sie die
3 Diskutieren Sie in Form einer Pro- und Kontra-Debatte (C Methodenglossar), ob das genannten Argumente
deutsche Modell der Mitbestimmung noch zeitgemäß ist (M 8, M 9). heraus.
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
220 Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen

Betriebliche Mitbestimmung im Betrieb bedeutet vor allem die Einflussnahme des Betriebsrats
ORIENTIERUNGSWISSEN

Mitbestimmung auf Fragen, die sich für die Beschäftigten unmittelbar an ihren Arbeitsplätzen stel-
M3–M5 len. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates unterteilen sich
• in die eigentliche Mitbestimmung: Betriebliche Maßnahmen (Lohngestaltung,
Arbeitsschutz, Urlaub …) werden nur wirksam, wenn der Betriebsrat zustimmt.
• in die Mitwirkung: Der Betriebsrat hat ein Widerspruchsrecht und kann das Ar-
beitsgericht oder eine Einigungsstelle anrufen (Einstellungen, Kündigungen, Ver-
setzungen …).
• in Informations- und Beratungsrechte (bei der Aufstellung eines Sozialplanes im
Falle einer Betriebsstilllegung, bei der Planung von Bauten, neue Arbeitsverfah-
ren …).

Mitbestimmung Mitbestimmung auf Unternehmensebene findet in den Aufsichtsräten der großen


auf Unternehmens­ Kapitalgesellschaften statt und bezieht sich auf Mitsprache bei wirtschaftlichen
ebene Entscheidungen von Unternehmen. Die Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungs-
M6–M9 gesetz von 1976 sieht zwar eine numerisch gleichgewichtige (paritätische) Beset-
zung des Aufsichtsrats mit Vertretern von Anteilseignern und Arbeitnehmern vor,
tatsächlich besteht aber ein Übergewicht der Anteilseigner, weil diese den Vorsitzen-
den bestimmen können, der bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt. Gegen die
Mitbestimmung wird heute von Arbeitgeberseite u. a. vorgebracht, sie sei zu bürokra-
tisch und hindere Unternehmen daran, schnelle Entscheidungen zu treffen. Ferner
bringe sie angesichts der Internationalisierung deutschen Firmen Wettbewerbs-
nachteile durch höhere Kosten.
4 Vorbereitung des Wirtschaftspraktikums:
Strukturen, Konflikte und Entscheidungsprozesse im Unternehmen 221

Sollen Unternehmen soziale Verantwortung für die eine Welt

KOMPETENZEN ANWENDEN
übernehmen?
„The social responsibility of business is „We have a responsibility to redefine
to increase its profits.“ the role of the corporation on a world
„Ohne Gewinne zu erzielen, kann stage – and to leverage our ability to im-
ein Unternehmen niemandem nützen: pact individuals, companies, communi-
5 Denn nur gesunde Unternehmen bieten ties, nations – for the better. We must 5
ihren Mitarbeitern ein sicheres Einkom- remake our businesses to be far more
men, zahlen Steuern, investieren und active corporate citizens – creators not
nützen ihren Aktionären. Wer keine Ge- only of shareowner value, but also of so-
winne erzielt, [...] kann seiner gesell- cial value, in ways that are systemic, and
10 schaftlichen Verantwortung nicht mehr sustainable.“ 10
gerecht werden.“ Zitat von Carly Fiorina, 2001; Carly Fiorina war von
Zitat des US-Ökonomen und Nobelpreisträgers Milton 1999–2005 CEO (Chief Executive Officer, geschäfts-
Friedman, 1970 führendes Vorstandsmitglied) von Hewlett Packard.

Ablauf der Debatte

Die Redner halten abwechselnd kurze Er- 3


Ausdrucksvermögen (klare, verständ-
öffnungsreden, in der sie ihren Stand- liche sprachliche Gestaltung)
punkt darstellen (jeweils 1,5 Minuten). Es 3G
 esprächsfähigkeit (zuhören können,
folgt die freie Aussprache (6 Minuten) auf den anderen eingehen können)
5 und daran anschließend das Schluss- 3Ü
 berzeugungskraft (innere und äußere 15
Statement (jeweils 1 Minute). Haltung zum Vorgetragenen)
Die Qualität der Debattenbeiträge kann Der Feedbackgeber sollte seine Wahrneh-
an folgenden Kriterien gemessen werden: mungen, die Wirkungen des Beitrags be-
3 Sachkenntnis (Wissen über das Thema, schreiben und ggf. Tipps zur Verbesse-
10 Beispiele) rung geben. 20

Aufgaben
 Nehmen Sie Stellung zu den beiden Zitaten und bilden Sie zur Diskussionsfrage
eine Pro- und eine Kontra-Gruppe.
2 Bereiten Sie ausgehend von den Zitaten in den Gruppen die Argumente
für die Diskussion vor.
3 Bestimmen Sie pro Gruppe zwei Debattenredner, einen Zeitwächter und
vier Feedbackgeber.

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