Sie sind auf Seite 1von 3

Philateliegeschichte

Das „historische Briefmarken-Album“:


Eine alte Idee neu konzipiert!
Wolfgang Maassen

Die Literatur geht der Realität häufig voraus, formt, prägt Motiv-Album, das nun wirklich den Anfang der Motiv-Phila-
und gestaltet sie. Vergleichbar ist dies mit der Welt des telie bewirkte: Das „historische Briefmarken-Album“.
Filmes, in der kluge Filmschaffende nicht selten mit „Stof-
fen“ ihr Publikum faszinieren, die die Themen von morgen Entwickelt wurde es von dem Leipziger Verleger Ernst Heit-
und übermorgen aufgreifen. Dass dies auch in der Philate- mann, der angesichts der damaligen „Komplett-Alben“, die
lie zutrifft, möchte der Verfasser an zwei Beispielen belegen, um die Jahrhundertwende schon rund 18 000 Markenfelder
zwei Beispiele, die gut 110 Jahre auseinander liegen. zählten, auf eine Reduzierung sann. Die Lösung fand er in
den „Typen“, also in bildverschiedenen Marken, die er auf
Das erste Motiv-Album gleiche Abbildungen (unabhängig von verschiedenen Wert-
stufen) reduzierte. Ein solches Album stellte nur noch rund
2 000 verschiedene „Typen“ (Bilder) dar, gerade einmal ein
Zehntel.

Heitmann – er hatte 1894 das legendäre Schaubek-Album


von den Gebr. Senf übernommen – ging noch einen Schritt
weiter. Und dieser Schritt führte zur Motiv-Philatelie. Er
teilte dieses Album – damals sammelte man noch welt-
weit – in 15 Gruppen ein. So gab es „Kapitel“ mit Seiten zu
Ziffern, Münzbezeichnungen, Inschriften, Abzeichen, Wap-
pen, Herrscherbildnissen, Lokomotiven, Tieren, Pflanzen,
Völkerkunde, Geschichte, Allegorien usw. Schon damals
schrieb er: „Das Tierreich erobert sich das Markenbild mehr
und mehr“. Er sollte Recht behalten.

Das Album war preiswert (2 Mark), es wurde aber dennoch


kein Erfolg. Heitmann war seiner Zeit zu weit voraus und
die Sammler jener Zeit versuchten – allen Schwierigkeiten
zum Trotz – eher dem chronologischen Komplettansatz zu
folgen.
Fragt man Kenner, wann denn die Motiv-Philatelie, später
auch thematische Philatelie genannt, entstanden ist, dann Eine moderne Alternative
wissen diese von den Zeiten der 1930er-Jahre zu erzäh-
len, von ersten Sammlungsexponaten bei einer IPOSTA Vor wenigen Wochen wurde in Rapperswil anlässlich der
oder Literatur, die unter dem Titel „Konstruktive Philate- Jubiläumsausstellung zum 100jährigen Bestehen des
lie“ versuchte, Bahnen für das Sammeln nach Motiven zu Schweizer Briefmarken Händler Verbandes (SBHV) ein
schlagen. Album vorgestellt, das im übertragenen Sinne an die Tradi-
tion des großen Verlegers Ernst Heitmann anknüpft. Zwar
Dabei vergessen sie, dass die Pioniere dieses Gedankens versteht es sich nicht als Motiv-Album, wohl aber ist es ein
schon weit früher daran gedacht hatten, nach Motiven, „historisches Album“, denn es erzählt im wahrsten Sinne
nach Bildern, nach „Typen“ zu sammeln. Es gab sogar des Wortes die Briefmarkengeschichte der Schweiz von
schon 40 Jahre vor der IPOSTA 1930 in Berlin ein erstes 1843 bis 1881. „Erzählen“ ist hier im Wortsinne gemeint:

36 Philatelie und Postgeschichte 310 · philatelie 389 · November 2009


Philateliegeschichte

Kunstvoll mit Text und Bildern, Grafiken und Ausschmü- bringt, stehen diese mit Blick zum Aufwand und Preis des
ckungen informativ gestaltete Vordruckblätter laden dazu Albums in einem guten Verhältnis, was man ja bei moder-
ein, diese mit Briefmarken zu füllen. nen Marken häufig nicht sagen kann.

Nun kann man an Karl Louis, Geschäftsführer der Corin-


phila Auktionen AG und in dieser Eigenschaft Mitglied im
Schweizer Händler-Verband, noch Fragen nach den Grün-
den und Hintergründen für ein neues Album stellen, anders
als an Ernst Heitmann, dessen Beweggründe damals wohl
eher der ausufernde Umfang der Schaubek-Alben war. Karl
Louis dazu wörtlich:

„Wir haben uns im Schweizer Briefmarken Händler Ver-


band Gedanken gemacht, wie wir die Philatelie attrak-
tiver darstellen können. Die Vordruck-Albumseiten unserer
Tage unterscheiden sich inhaltlich und konzeptionell kaum
von den ersten Vordruck-Alben am Ende des 19. Jahrhun-
derts. Aber die klassische Briefmarke erzählt faszinierende
Geschichten: Von der Entwicklung der Kommunikation
in einem Land und über die Grenzen hinweg. Von König-
reichen und Ländern, die sich zu größeren Nationen zusam-
men schlossen. Von Währungsreformen, Revolutionen und
Kriegen. Die klassische Briefmarke war dabei und ist heute
ein lebendiger Botschafter unserer Geschichte.

Aber herkömmliche Vordruckseiten geben der klas-


Briefmarken werden häufig als „Zeitzeugen“ der Geschichte sischen Briefmarke keine Gelegenheit diese interessanten
benannt. Das ist richtig. Hier werden sie aber zum Sprechen Geschichten zu erzählen. Sie ist im herkömmlichen Vor-
gebracht und das Zeitzeugnis kann der Betrachter gleich druckalbum auf einem Vordruckfeld befestigt und mit
neben den Briefmarken lesen. Auch diese Idee ist nicht neu anderen Marken kommentarlos auf eine Seite gedrängt.
(wenn man z.B. auf die modernen Themenalben der Post- Die Erwähnung des Ausgabejahres ist oft die einzige
philatelie schaut), aber in dieser Form für klassische Mar- Zusatzinformation.
ken noch nicht umgesetzt worden. „Sprechende Behrens-
Alben“, so mancher Leser wird sich erinnern, boten die Die für den Schweizer Briefmarken Händler Verband ent-
Informationen zu den Marken. Das vom Schweizer Händ- wickelten Vordruck-Albumseiten lassen die klassische
ler-Verband entwickelte Album bietet auch die Anschauung Briefmarke ihre Geschichte erzählen. Eine zum Ausga-
und Einbettung in historische Zusammenhänge. bezeitpunkt der Briefmarke passende zeitgenössische
Darstellung entführt den Betrachter in die Vergangenheit.
Das Album vereint eine weitere innovative Idee: Es ist so Die Vordruckseite für die beiden Briefmarken von Zürich
konstruiert, dass es verschiedenen Sammlertypen und -wün- zeigt eine Ansicht der Stadt in der Mitte des 19. Jahrhun-
schen gerecht werden kann. In einem „Basis-Paket“ sind derts. Da wird der Betrachter zum (Zeit-)Reisenden, der
Vordruckseiten für die Marken enthalten, in einem „Spezial- die Stadt am Zürichsee vor 150 Jahren besucht. Auf jeder
Paket“ auch solche, nun aber für verschiedene Spezialisie- Albumseite gibt es ergänzende Informationen aus der Zeit:
rungsmöglichkeiten dieser Marken, z.B. nach Typen, Farb- Wie viele Einwohner gab es zum Zeitpunkt der Marken-
varianten und Abstempelungen. Weitere speziell gestaltete ausgabe? Wie war der rechtliche Status der Stadt und des
Blanko-Vordruckblätter lassen auch die einfache Ergänzung Kantons? Und in der Mitte des neuen Vordruckblattes sind
der Sammlung mit Briefstücken, Einheiten und Briefen zu. die Felder für die beiden Briefmarken von Zürich. Eine 4
Rappen und eine 6 Rappen Briefmarke. So können sie
Das komplette Album umfasst 51 Albenblätter (18 im ihre Geschichte erzählen, in Wort und Bild!“
Basis-, 23 im Spezial-Paket zzgl. zehn verschiedene illus-
trierte Blanko-Seiten) und kostet inklusive eines Lindner- Gefragt nach den Vorteilen gerade dieses Albums (denn
Falzlos-Albums mit dekorativer Deckelprägung 107 Euro. man könnte sich ja ein solches auch selbst gestalten),
Angesichts der Marken, die man auf diesen Seiten unter- meint Karl Louis:

Philatelie und Postgeschichte 310 · philatelie 389 · November 2009 37


Philateliegeschichte

„Wer eine schöne und wertvolle Markensammlung zusam-


mentragen möchte, aber keine Zeit für eine individuelle
Gestaltung von Albumseiten hat, der findet in der neuen
Generation Vordruckalben das richtige Produkt. Jedes neu
erworbene Stück kann mit Klemmtaschen schnell und
einfach auf den dafür vorgesehenen neuen Seiten befes-
tigt werden. Die klassische Marke wirkt auf diesen illus-
trierten Vordruckseiten einfach wundervoll.

Wenn die Vollständigkeit einer Sammlung nach Katalog-


Hauptnummern immer weiter fortgeschritten ist, kann
das Vordruckseiten-Spezialpaket ergänzt werden. Die
gleichfalls illustrierten Seiten des Spezialpaketes können
nahtlos zwischen die Seiten des Basispaketes eingefügt
werden. Die Vordrucke zeigen die Felder für die Katalog-
Unternummern wie Farbvarianten und Typen und berück-
sichtigt erstmals auch verschiedene Abstempelungen.

Und wenn dann die ersten Briefmarken auf Briefstück


oder auf Brief verwendet hinzu kommen, gibt es ebenfalls
schön illustrierte Blanko-Blätter mit einem freien Platz in
der Mitte. Die neuen Vordruckblätter sind vermutlich viel-
fach attraktiver, als die in vielen Tagen und Wochen ange-
fertigten Blätter einer Ausstellungssammlung.“

Das sind klare Aussagen, wobei dem Autor auch bestätigt


wurde, durch ein solches Album neue Sammler für das
interessante Gebiet der klassischen Schweizer Briefmar-
ken motivieren zu wollen. Was wiederum neue Nachfrage
schaffen könnte, worüber keiner traurig wäre, weder die
bisherigen Altschweiz-Sammler, noch der Handel oder die
Alben-Verleger.

Und wenn diese Idee ankommt, dann könnte sich bereits


das nächste Projekt abzeichnen: Die Schöpfung einer neuen
Generation von Alben für eine klassische Altdeutschland-
Sammlung. Man darf schon jetzt darauf gespannt sein, wie
dies dann aussehen wird, gibt es hier doch allein schon
wegen des Umfanges neue Probleme.

Ideenreiche Berufsphilatelisten haben – das galt es auch auf-


zuzeigen – vor 110 Jahren ebenso die Philatelie bereichert
wie heute. Diese „historischen Alben“ sind als thematische
Alben ein Zeugnis dafür. _

In Deutschland wird dieses neue Album von Corinphila


Auktionen AG, c/o Heinrich Köhler Briefmarkenhandel
GmbH & Co KG, Wilhelmstraße 48, 65183 Wiesbaden,
Tel. 06 11/3 41 49 23 vertrieben. Bei Frau Helena Nunes
sind auch Infoprospekte zum Album mit weiteren Details
erhältlich.

38 Philatelie und Postgeschichte 310 · philatelie 389 · November 2009

Das könnte Ihnen auch gefallen