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Die Behandlung von Brustkrebs mit radioaktivem Radiojod 131

Stand / Letzte Aktualisierung durch Elisabeth Rieping 31.03.2006

Stichworte: Radiojodttherapie, Brustkrebs, Strahlentherapie, Hashimoto, terminaler Heilversuch, Wiederholung, Nancy Carrasco, Albert Einstein
College, Irene Wapnir, Stanford

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Brustkrebszellen nehmen Jod auf


Es ist schon lange bekannt, dass Brustdrüsenzellen Jod aufnehmen können. In der Regel tun sie das nur
während der Stillzeit, wenn sie die Milch produzieren. Denn die Jodaufnahme dient der Versorgung des
Säuglings mit Jod [i]. Ohne Jod könnte der Säugling keine Schilddrüsenhormone bilden und es käme zu
Entwicklungsstörungen.

Stillhormone steuern die Jodaufnahme


Die ruhende Brustdrüsenzelle nimmt dagegen kein Jod aus dem Blut auf, denn sie produziert ja auch keine
Milch. Damit die Jodaufnahme sozusagen zur rechten Zeit stattfindet, wird sie durch die Hormone, die
während des Stillens ausgeschüttet werden, stimuliert. Durch diese Hormone angeregt, bilden die
Brustdrüsenzellen die Enzyme mit denen sie das Jod aus dem Blut herausfiltern, anreichern und an die Milch
abgeben.

Jodaufnahme durch Tumorgewebe


Anfang der 1970er Jahre fand man jedoch heraus, dass das Brustgewebe manchmal auch außerhalb der
Stillzeit verstärkt Jod anreichert. Diese Anreicherung fand in Tumoren, gutartigen wie bösartigen, statt [ii].

Damals gab es noch keine guten Möglichkeiten zur Diagnose von Brustkrebs und so wurde versucht, diese
Anreicherung für die Diagnose der Krankheit zu nutzen. Aber das brachte nichts. Denn man konnte anhand
der Jodspeicherung nicht herausfinden, ob ein Knoten gut- oder bösartig war, denn sowohl gutartige wie auch
bösartige Tumoren können Jod speichern. Also wurde diese Entwicklung nicht weiter verfolgt.
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Die Behandlung von Brustkrebs mit radioaktivem Radiojod 131 von Elisabeth Rieping
Die Nutzung einer Aufnahme von radioaktivem Jod 131 zur Behandlung einer Krebserkrankung
Bei einer andern Krankheit hatte man die Jodspeicherung allerdings zu einer sehr erfolgreichen Form der
Behandlung benutzt, und zwar beim differenzierten Schilddrüsenkrebs. Dieser Tumor speichert auch Jod,
zwar nicht so gut wie normale Schilddrüsenzellen, aber genug für eine erfolgreiche Behandlung. Und zwar
gibt man bei diesem Krebs, nachdem man den Tumor und auch die gesamte Schilddrüse entfernt hat, eine
hohe Dosis radioaktives Jod 131, das der Körper nicht von nicht strahlendem Jod unterscheiden kann.

Für die Jod aufnehmenden Zellen ist der Unterschied allerdings groß. Sie sterben durch die Radioaktivität
ab. Wenn eventuell verbliebene Krebszellen (Metastasen) das Jod 131 aufnehmen, bringen sich so selbst um.

Diese Behandlung ist so erfolgreich, dass Patienten mit differenziertem Schilddrüsenkrebs mittlerweile eine
fast normale Lebenserwartung haben.

Interessante Ergebnisse der Nachuntersuchung der Jod 131 Behandlung


Abgesehen vom differenzierten Schilddrüsenkarzinom werden auch Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion
mit Jod 131 behandelt. Da man wissen wollte, ob diese Behandlung gefährlich sein kann, wurden die
Patienten nachuntersucht. Insbesondere befürchtete man ein häufigeres Auftreten von Brustkrebs. Denn man
wusste ja, dass die Brust auch Jod anreichern kann. Bei der Nachuntersuchung der Patienten mit
Schilddrüsenüberfunktion bildete man zwei Gruppen,
- die mit radioaktiven Jod131 Behandelten und
- die mit anderen Medikamenten Behandelten.
Es stellte sich heraus, dass die mit radioaktivem Jod behandelten Patienten nicht mehr, sondern weniger
Brustkrebs entwickelt hatten. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass das Jod 131 nicht nur die
Schilddrüsen-, sondern auch Jod speichernde Brustkrebszellen [von bis dahin bei den Patientinnen
unerkannten Brusttumoren] zerstört hatte.

Meine Erkrankung
Als ich im Juni 2002 selbst an Brustkrebs erkrankte, war es gleich eine äußerst bösartige inoperable Spätform.
Es wurde ein Brustkrebs mit Lymphangiosis carcinomatosa diagnostiziert, der sich als sogenanntes
Inflammatorisches Mammakarzinom bereits bis in die Haut der linken Körperoberfläche ausgebreitet hatte.
Wegen der schlechten Behandlungsmöglichkeiten bei dieser Spätform der Krankheit sah ich mich gezwungen,

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mich noch einmal mit der Radiojod-Behandlung zu befassen.

Denn wenn ein ausgebreitetes Inflammatorisches Mammakarzinom vorliegt, das sich bereits über die Brust
hinaus in die Haut des linken Oberkörpers ausgedehnt hat, bedeutet dies, dass sich dieser Tumor nicht mehr
lokal durch eine Operation entfernen lässt.

Neue Erkenntnisse zur Jodaufnahme von Brustkrebszellen


Interessanter- und glücklicherweise hatte sich auf diesem Gebiet einiges getan. Die Enzyme, die die
Jodaufnahme in die Schilddrüsen- und auch in die Brustdrüsenzelle bewerkstelligen, waren gefunden worden.
Sie wurden das NIS „Symporter-System“ genannt und man wusste schon einiges über ihre Funktion.

Einige Wissenschaftler auch in Deutschland hatten die neue Literatur zu dem Thema in Form von Reviews
zusammen gestellt und diskutierten dort auch die Möglichkeit der Radiojodbehandlung des Brustkrebs [iii],
[iv], [v], [vi]. Aber alles leider nur in der Theorie. Obwohl die Behandlung mit Radiojod seit vielen
Jahrzehnten erprobt ist und auch viele Tierversuche und Experimente mit menschlichen Brustkrebszellen zur
Jodaufnahme gemacht wurden, konnte ich nichts über eine reale therapeutische Anwendung finden.

Eine indische Gruppe hatte Aufnahmen der Jodaufnahme mit Brustkrebspatientinnen gemacht und auch
ausführlich beschrieben [vii], aber auch da wurde keine Behandlung durchgeführt.

Vorbereitung und Planung


Ich erkundigte mich in der Nuklearmedizin der Uniklinik Köln, wo ich behandelt wurde, wegen einer
Radiojodbehandlung. Das wurde aber abgelehnt (mehr dazu, = nicht verlinkt).

Mein behandelnder Arzt, Prof. Mallmann von der Uni Frauenklinik in Köln, erkundigte sich dann noch bei
Prof. Haberkorn am Deutschen Krebsforschungsinstitut in Heidelberg. Der war auch skeptisch, besser gesagt
ablehnend, obwohl er selbst an der Sache forscht (mehr dazu, = nicht verlinkt).

Notgedrungen entschloss ich mich zunächst, die Chemotherapie zu machen, denn die Überlebenszeit bei
unbehandeltem Inflammatorischen Brustkrebs beträgt nur wenige Wochen. So wollte ich meine
Lebenserwartung auf ein paar Monate nach oben katapultieren, um Zeit für die Radiojod Behandlung zu
gewinnen.

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Gleichzeitig fing ich an, mir genau zu überlegen, wie man bei der Therapie vorgehen müsste. Ich versuchte
also alle Fragen, Probleme und Informationen zusammenzusuchen und die Behandlung zu planen:

- In der experimentellen Literatur fand ich heraus, dass ungefähr 80% der Brustkrebserkrankungen Jod
speichern. Aber ich wusste nicht, ob meiner dabei sein würde.
- Die Speicherung lässt sich durch Östrogen, Progesteron und Retinoidsäure in hoher Dosis (das ist so
etwas ähnliches wie Vitamin A) erhöhen. Am stärksten wirkt aber das Dexamethason, ein künstliches
Kortison, das als Fortcortin im Handel ist.
- Vor der Therapie muss man die Schilddrüse herausnehmen lassen, denn sonst geht das meiste
radioaktive Jod in die Schilddrüse und nicht in die Brustkrebsmetastasen.

Als die Chemotherapie abgeschlossen war, waren die Hautsymptome, also die Rötung, noch nicht
verschwunden. Aber dass ich noch am Leben war, war ja schon mal ein Erfolg, der mir zumindest etwas Zeit
verschaffte.

Die Suche nach behandelnden Ärzten


Ich versuchte als erstes, eine Nuklearmedizinische Klinik zu finden. Ich erstellte dazu ein Anschreiben, in dem
ich genau meine Diagnose: Inoperabeler Brustkrebs mit ausgedehnter Lymphangiosis carcinomatosa und die
geplante Therapie beschrieb und auch die wissenschaftlichen Arbeiten hinzufügte. Der Klinikchef war nicht
so jung wie der Nuklearmediziner in der Uniklinik. Er verstand, was meine Diagnose bedeutete und das ich
mit konventioneller Behandlung keine Chance hatte.

Die Suche nach einen Chirurgen fand ich dann nicht mehr so belastend, weil es ja da mehr von gibt. Gleich
der erste verstand meine Situation. Er war auch schon älter und hatte, obwohl Allgemeinchirurg, auch
Erfahrung mit Brustkrebs, weil dieser früher auch von Allgemeinchirurgen oft operiert wurde. Nachdem er
meine die Diagnose gelesen hatte, meinte er: „Als terminalen Heilversuch kann man es wagen, denn es gibt ja
bei Brustkrebs in dem Stadium nichts, was man mit Erfolg machen kann.“

Der Ansicht war ich auch, und die Operation wurde dann sofort durchgeführt, denn über die Risiken hatte ich
mich schon informiert (mehr = ohne Verlinkung).

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Die Untersuchung der entfernten Schilddrüse zeigte eine möglicherweise nutzbare Besonderheit (Hashimoto)
Obwohl an der Schilddrüse ja keine Erkrankung zu erwarten war, wurde sie histologisch untersucht und dabei
stellte sich heraus, dass sie von Lymphozyten infiltriert war und auch die Antikörper gegen
Schilddrüsenproteine verstärkt vorkamen, eine Erkrankung, die nach ihrem Entdecker Hashimoto bezeichnet
wird. Solche Antikörper wie man sie bei der Hashimoto-Erkrankung findet, entstehen wohl öfter bei Frauen
mit Jod speichernden Krebserkrankungen, und das schien mir ein gutes Zeichen für eine Radiojod-Behandlung
zu sein.

Durch einen Test auf solche Antikörper könnte man möglicherweise schon vor der Operation feststellen, ob
die Radiojod-Behandlung für eine Frau erfolgversprechend ist (mehr = ohne Verlinkung).

Die Radiojodbehandlung
Direkt nach der Heilung der Operationsnarbe habe ich dann die erste Dosis Jod genommen (mehr = ohne
Verlinkung) und als ich wenige Wochen später operiert wurde, war die Lymphangiosis verschwunden. Ob das
ein Spätfolge der Chemotherapie oder ein schnelles Ergebnis der Radiojod Behandlung war, ich weiß es
nicht.

Ich habe dann die Radiojod-Behandlung noch zweimal wiederholt, weil sich eine geringfügige Anreicherung
in der Höhe des ursprünglichen Tumors fand und es sich dabei möglicherweise um infiltrierte Lymphknoten
gehandelt haben könnte. Man macht die Radiojod-Behandlung immer, bis man im Szintigramm nichts mehr
sieht.

Die Radiojodbehandlung habe ich unter Einnahme von Östrogenen, Progesteron und Vesanoid Kapseln
(Retinoidsäure in hoher Dosis) gemacht (mehr = ohne Verlinkung).

Ergebnis
Im Ergebnis bin ich jetzt vier Jahre nach der Diagnose eines Inflammatorischen Mammakarzinoms, dass sich
auf einem großen Teil des linken Oberkörpers ausgebreitet hatte, noch am Leben und auch histologisch lässt
sich kein Tumorgewebe mehr nachweisen.

Bei der Nachoperation einer verdächtig aussehenden Narbe habe ich an einigen Stellen Gewebe entnehmen
und untersuchen lassen. Ergebnis: Es konnte an keiner der untersuchten Stellen Tumorzellen nachgewiesen
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werden.

Ausblick
Was mich besonders beruhigt, ist, dass man die Radiojodbehandlung bei Wiederauftreten des Tumors
wiederholen kann. Und sie tut nicht weh. Man nimmt eine Kapsel mit einer vorher berechneten Dosis Jod 131
ein. Und dann muss man in der Klinik nur noch abwarten, bis man nicht mehr strahlt und wieder unter Leute
darf. Meistens dauert es eine Woche und das ist dann alles.

Der entscheidende Vorteil der Behandlung mit Radiojod liegt meines Erachtens aber in der Spezifität. Es
werden nicht alle Zellen geschädigt, sondern nur die, die Jod aufnehmen. Deshalb hat man während und nach
der Therapie weniger Nebenwirkung und größeren Erfolg bei der Ausschaltung der Tumorzellen.

Neue Entwicklungen
Einige Zeit nachdem ich meine Behandlung hinter mir hatte, hatte ich denjenigen, die sich wissenschaftlich
für das Thema interessierten, über meine Anwendung ihrer Forschung geschrieben. Besonders gefreut hat
mich, das Nancy Carrasco am Albert Einstein College in New York und Irene Wapnir in Stanford,
Kalifornien diese Therapie jetzt auch für Patientinnen mit Brustkrebsmetastasen, für die es keine
Behandlungsalternativen mehr gibt, anbieten [viii], (mehr = ohne Verlinkung).

Wie kann ich herausfinden ob eine Radiojodbehandlung auch für mich in Frage kommt?
Als Erstes würde ich die Schilddrüsen-Antikörper testen lassen. Wenn die erhöht sind, kann man weiter
überlegen. Zu den Überlegungen, die ich dann folgen lassen würde, folgenden Text [?? fehlt], den ich einer
Frau geschrieben habe, die während ihrer Chemotherapie ihren Arzt gebeten hatte, ihre Schilddrüsen-
Antikörper testen zu lassen.

Dabei waren stark erhöhte Antikörper gegen die Schilddrüsen-Peroxidase, genannt TPO, festgestellt worden:
Diskussion Planung Radiojod-Behandlung und Nutzung der Schilddrüsen-Antikörper zum Monitoring
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[i] Radioactive iodine uptake by thyroid of breast-fed infants after maternal blood-volume measurements. Bland EP, Docker MF, Crawford JS, Farr
RF. Lancet. 1969 Nov 15;2(7629):1039-41.
[ii] Human breast uptake of radioactive iodine.Eskin BA, Parker JA, Bassett JG, George DL. Obstet Gynecol. 1974 Sep;44(3):398-402.
[iii] Journey of the iodide transporter NIS: from its molecular identification to its clinical role in cancer.Riedel C, Dohan O, De la Vieja A, Ginter CS,
Carrasco N. Trends Biochem Sci. 2001 Aug;26(8):490-6.
[iv] Clinical review 132: The sodium iodide symporter and its potential role in cancer therapy. Spitzweg C, Harrington KJ, Pinke LA, Vile RG, Morris
JC. J Clin Endocrinol Metab. 2001 Jul;86(7):3327-35. Den Text kann man ganz im Internet lesen.
[v] Sodium iodide symporter-based strategies for diagnosis and treatment of thyroidal and nonthyroidal malignancies. Heufelder AE, Morgenthaler N,
Schipper ML, Joba W. Thyroid. 2001 Sep;11(9):839-47.
[vi] The sodium iodide symporter: its pathophysiological and therapeutic implications. Spitzweg C, Morris JC. Clin Endocrinol (Oxf). 2002
Nov;57(5):559-74.
[vii] Functional expression of sodium iodide symporter (NIS) in human breast cancer tissue. Upadhyay G, Singh R, Agarwal G, Mishra SK, Pal L,
Pradhan PK, Das BK, Godbole MM. Breast Cancer Res Treat. 2003 Jan;77(2):157-65.
[viii] The Na+/I- symporter mediates iodide uptake in breast cancer metastases and can be selectively down-regulated in the thyroid. Wapnir IL, Goris
M, Yudd A, Dohan O, Adelman D, Nowels K, Carrasco N. Clin Cancer Res. 2004 Jul 1;10(13):4294-302.

Text im Archiv der Library of Congress: http://web.archive.org/web/*/http://www.erieping.de/bkiodine.htm (verschiedene Versionen)

* Hinweis: An verschiedenen Textstellen wollte Elisabeth Rieping wahrscheinlich weitere Informationen hinterlegen, was sie jedoch dann nicht mehr
geschafft hat.

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