Sie sind auf Seite 1von 593

Buchhold I Happoldt

Elektrische Kraft-werke
und Netze

Dritte neubearbeitete Auflage


von

Dr.-lng. H. Happoldt

Mit 563 Abbildungen

Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH


1956
ISBN 978-3-662-23784-7 ISBN 978-3-662-25887-3 (eBook)
DOI 10.10071978-3-662-25887-3

Alle Rechte,
Insbesondere das der "Obersetzung In fremde Sprachen, vorbehalten
Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlagesist es auch nicht gestattet,
dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege
{Photolrople, Mikrokopie) zu vervlelfiltlgen

~ by Springer-Verlag Berlin Beideiberg 1956


Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag OHG. Berlin/Gottingen!Heide1berg 1956
Softcoverreprint of the bardeover 3rd edition 1956
Vorwort zur dritten Auflage
Obwohl nur 4 Jahre seit der Herausgabe der zweiten Auflage ver-
gangen sind, erforderte die Bearbeitung der dritten Auflage bei vielen
Abschnitten eine vollständige Umarbeitung, um den neuesten Stand
der Entwicklung zu berücksichtigen.
Von vielen Lesern wurden in den letzten Jahren wertvolle Anregungen
gegeben, die zum größten Teil in der neuen Auflage berücksichtigt werden
konnten. Eine große Anzahl von Firmen stellte vorzügliches Bild-
material neuesten Datums zur Verfügung.
Die Beschreibung der Wärme- und Wasserkraftanlagen wurde durch
Hinweise auf einige moderne Dampf- und Wasserkraftwerke ergänzt.
Für die Wirkungsweise der Generatoren wurde eine neuzeitliche Dar-
stellungsweise in Anlehnung an die amerikanische Praxis gewählt.
Auch der Generator- und Transformatorschutz wurde überarbeitet.
Bei den Eigenbedarfsanlagen für Kraftwerke wurden einige neue
Schaltungen aufgenommen.
Der Abschnitt über Kabel und isolierte Leitungen wurde vollständig
neu bearbeitet, so daß eine umfassende Übersicht über dieses wichtige
Gebiet gegeben werden konnte.
Der rasche Fortschritt in derFernmelde-und Fernwirktechnik machte
auch eine Überarbeitung dieses Abschnittes erforderlich.
In den übrigen Abchnitten wurden technisch überholte Ausführungen
durch neuere ersetzt.
Grundsätzlich wurde, wie bei der ersten und zweiten Auflage, eine
möglichst einfache physikalische Darstellungsweise ohne großen mathe-
matischen Aufwand angestrebt, um eine leichte Einführung in die ver-
schiedenen Gebiete zu geben.
Den Kollegen und Firmen, die mich bei der Bearbeitung der neuen
Auflage unterstützten, danke ich herzlichst.
Mannheim, im März 1956.
H. Happoldt
Inhaltsverzeichnis
Seite
I. Allgemeines zur Elektrizitätsversorgung 1
II. Kraftwerke 6
A. Wärmekraftanlagen 6
a) Allgemeines . . . 6
b) Die Dampfturbine 7
c) Allgemeine Anordnung eines Dampfkraftwerkes 19
d) Die Verbrennungsturbine 31
B. Wasserkraftanlagen 32
a) Allgemeines . . . . . . 32
b) Turbinen . . . . . . . 32
c) Lauf- und Speicherkraftwerke 37
C. Der Einfluß des zeitlich veränderlichen Verbrauchs auf die Kraft-
werke . . . . . . . . 43
a) Der Belastungsfaktor . . . . . . 43
b) Die Maschinenreserve . . . . . . 46
c) Die installierte Verbraucherleistung 47
d) Der Einfluß der Benutzungsdauer auf den Preis der kWh 48
e) Spitzen- und Grundlastkraftwerke . . . . 52
D. Verhalten der Kraftwerke im Betrieb . . . . 54
a) Zusammenarbeitverschiedener Kr.a.ftwerke 54
b) Die Maschinenregelung in den Kraftwerken . . . . . . . 62
c) Über den Einsatz von Maschinen und Kraftwerken und über
die richtige Lastverteilung 71

ill. Die Drehstromgeneratoren 74


A. Allgemeines . . . . . . . . 74
B. Diagramm des Turbogenerators 77
C. Diagramm des Generators mit ausgeprägten Polen 82
D. Der Kurzschlußstrom und die unsymmetrische Belastung des
Generators . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
a) Der Stoßkurzschlußstrom . ·. . . . . . . . . . 86
b) Die unsymmetrische Belastung des Generators. 90
c) Da.uerkurzschlußstrom . .- . . . . 91
E. Die Erregung der Generatoren . . . . 93
F. Die Schnellregelung der Generatorspannung 97
a.) Tirrill-, Wälzsektoren- und Öldruckregler 97
b) Magnetische Regler. . . . . 103
c) Selbstregelnde Generatoren. . . 111
IIUlaltsverzeichtds V
Seite
G. Pendelungen von Synchronmaschinen in Netzen . . . . . . . 112
a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
b) Das Synchronisieren und die dabei auftretenden Pendelungen 116
c) Pendelungen der Generatoren durch Belastungsänderungen. 119
H. Asynchrongeneratoren 126

IV. Die Transformatoren 127


A. Allgemeines . . . . . 127
B. Der Transformator als Leitungselement 136
a) Zweiwicklungstransformator . 136
b) Dreiwicklungstransformator . 142
C. Kühlung der Transformatoren . 145
D. Regelung der Transformatoren 148
E. Para.llelschaltung Uitd Erwärmung von Transformatoren 150
F. Quertransformatoren 154

V. Generatorschutz . . 156
A. Allgemeines . . . . 156
B. Auslöser und Relais 157
C. Oberstromschutz . . 160
D. Oberlastschutz . . . 161
E. Wicklungsschlußschutz 163
F. Windungsschlußschutz 165
G. Stator-Erdschlußschutz . . . 166
H. Spannungssteigerungsschutz . 173
I. Rotor-Erdschlußschutz 174
K. Schieflastschu z . 175
L. Turbinenschutz . . . . 175
M. Schnellentregung . . . 177
N. Relais-Prüfeinrichtung .• 179

VI. Transformatorschutz . 180


A. Allgemeines .. • . . . 180
B. Oberspannungsschutz . . . . . 181
C. tTherstrom- upd Oberlastschutz 181
D. Buchholz-Schutz . . . . . . . 182
E. Differentialschutz . . . . . . 183

VII. Die Schaltung von Kraftwerken und Umspannwerken 188

VIII. Die Eigenbedarfsanlagen von Kraftwerken . 195

IX. Kabel und isolierte Leitungen . . . . . . . 201


A. Kabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
a) Papierbleikabel für Nieder- und Mittelspannung 202
b) Hoch- und Höchstspannungskabel . . . . . . 212
c) Gummi- und Kunststoffkabel . . . . • . . . 218
d) Allgemeine Gesichtspunkte für die Auswahl und den Betrieb
von Kabeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
e) Femwirk- und Fernmeldekabel . . . . . . . . . . . . . . • 223
VI Inhaltsverzeichnis
Seite
B. Kabelendverschlüsse und Kabelmuffen 225
C. Isolierte Leitungen . 232

X. Freileitungen 235
A. Allgemeines . 235
B. Die Seilschwingungen . 249
C. Isolatoren für Freileitungen 253
D. Maste und Lei~ungsanordnungen . 257
E. Bemessung der günstigsten Spannweite 264
F. Erwärmung von Freileitungsseilen 265

XI. Sicherungen 267


XII. Schalter . . 272
A. Luftschalter 272
B. Hochleistungsschalter . 278
a) Allgemeines . . 278
.b) Ölschalter . . . 283
c) Wasserschalter 286
d) Ölarme Schalter 288
e) Druckluftschalter. 289
f) Hartgasschalter . 295
C. Leistungstrennschalter 296
D. Das Ein- und Ausschalten der Leistungsschalter 297
XIII. Meßwandler . 298
A. Stromwandler 298
B. Spannungswandler 305
XIV. Schaltanlagen 308
A. Allgemeines • 308
B. Schaltanlagen in Gebäuden. 309
C. Freiluftschaltanlagen . . 318
D. Schaltwarte . . . . . . . 321
E. Das Bedienungsschaltbild . 322
F. Das Leuchtschaltbild und der elektrische Schaltfehlerschutz 325

XV. Fernmelde- und Fernwirktechnik für den Elektrizitäts-


versorgungsbetrieb . . . . . . . . . . . 327
A. Übertragungskanäle . . . . . . . . . . . 328
a) Niederfrequenzkanäle über Drahtleitungen. 328
b) Trägerstromkanäle . . 329
c) Drahtlose Übertragung 332
B. Fernsprechen 333
C. Fernschreiben . . . . . 334
D. Fernmessen . . . . . . 334
a) Gleichstrom-Intensitätsverfahren . 334
b) Impuls-Frequenzverfahren 335
c) Frequenzvariations-Verfahren . . 337
Inhaltsverzeichnis VII
Seite
E. Fernregeln 339
F. Fernsteuern 339
a) Zweidrahtschaltung 340
b) Eindrahtschaltung . 341
c) Wählerfernsteuerung 343
G. Tonfrequenz-Rundsteuerung . 346
H. Auslösekupplung zwischen den Schnelldistanzrelais an den Enden
eines Schutzabschnittes . 348

XVI. Netzstörungen . . . . . 349


A. Störungen im Netz durch Kurzschlüsse 349
B. Kurzschlußschutz in Netzen . . . . 351
a) Schutz der Niederspannungsnetze 351
b) Schutz der Hochspannungsnetze . 353
1. Allgemeines . . . . . . . . . 353
2. Schutz durch normale Zeitrelais 357
3. Schutz durch Distanzrelais . . 362
a) Einrelais-Impedanzschutz mit Doppelerdschluße:rfassung 363
ß) Kennlinien . . . . . . . . . 368
y) Der Konduktanzschutz (SSW) 371
o) Das Schnelldistanzrelais . . . . . . . . . . 373
e) Das Drehfeld-Impedanzrelais . . . . . . . . 374
4. ·Zusammenfassung der Systeme mit Zeitstaffelung 376
5. Der Stromvergleichsschutz . . 377
6. Der Richtungsvergleichsschutz 379
7. Die Kurzschlußfortschaltung . 382
C. Erdschluß in Leitungen . . . . . . 384
a) Der Erdschluß und seine Kompensierung 384
b) Erdschlußanzeige . . . . . . . . . . 390
D. Die Sternpunktserdung in Hochspannungsnetzen . 396
E. Überspannungen und Überspannungsschutz in elektrischen Lei-
tungsnetzen . . . . . . . . . . . 397
F. Oberwellen in Hochspannungsnetzen 406
G. Koordination der Isolationen 413

XVII. Richtlinien für die Bemessung elektrischer Leitungen


und Netze . . . . . . 418
A. Die Erwärmungsgrenze . . . . . . . . . . . . 418
B. Der Spannungsabfall . . . . . . . . . . . . . 419
C. Bemessung der Leitungen auf Wirtschaftlichkeit . 423

XVIII. Gesichi(spunkte für dieAusbildungvon elektrischen Nieder-


spannungsnetzen. . . . . . • . . . . 424
XIX. Die Berechnung elektrischer Netze 428
A. Die einseitig gespeiste Leitung . . . . 428
B. Zweiseitig gespeiste Leitungen . . . . 433
C. Verteilung der Netzbelastungen auf die Knotenpunkte. 435
D. Berechnung von sternförmigen Netzgebilden . . . . . 436
VIII Inhaltsverzeichnis
Seite
E. Netzumwandlungen • . . . . • . . . . . . . . . . . 438
F. Die Bemessung von verästelten Leitungen . . . . . . . . 443
G. Leitungsberechnung und Leitungsbemessung nach der Schnitt-
methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
H. Die Berechnung des Spannungsabfalls bei Dreiphasenstrom unter
näherungsweiser Berücksichtigung der Indulnivität und der
Phasenverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
L Niederspannungsmaschennetze • . . . . . . . . . . . . . 451
J. Die Berechnung der Induktivität und Kapazität von Netzen . 455
a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . ·. . . . 455
b) Die Berechnung der Induktivität von Leitungen . 456
1. Einphasenleitungen. . . . . . . . . . . . . 459
2. Symmetrische Drehstromleitung . . . . . . . 459
3. Unsymmetrisches, jedoch verdrilltes Drehstromsystem 460
4. Drehstromdoppelleitung gleichmäßig verdrillt . . . . 461
5. Drehstromdoppelleitung mit Spezialverdrillung . . . 462
6. Die Induktivität eines Stromkreises bei Rückleitung des
Stromes in der Erde . . . . . . . . . . . . · . . . . . . 462
c) Die Berechnung der Leitungskapazitäten . . . . . . . . . . 464
I. Die Berechnung der Leitungskapazität für eine verdrillte
Drehstromleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
2. Berechnung der Kapazitäten für eine verdrillte Drehstrom-
doppelleitung . . . . . • . . . . . . . . . .· . . 469
3. Drehstromleitungen mit Erdseil . . . . . . . . . . 470
4. Drehstromleitungen mit mehreren Erdseilen . . . . . . . . 471
5. Allgemeine~ zur Berechnung der Leitungskapazitäten 472
d) Über Zusatzverluste und die Koronaerscheinung an Hoch-
spannungsleitungen . . . . . • . . . • . . . . . . . . . 473
K. Die Berechnung von Wechselstromnetzen unter Berücksichtigung
der Induktivität . . . . . . . . . . . . . 476
a) Leitungen mit gegebener Stromverteilung . 476
b) Leitungen mit gesuchter Stromverteilung . 478
1. Symbolische Rechnung . . . . . . . . 4 78
2. Berechnung der beiderseitig gespeisten Strecke 482
c) Berücksichtigung der Leitungskapazität .· . . . 484
d) Die Berechnung von Leitungen unter Benutzung der Wirk-
und Blindströme der Abnehmer· . . . . . . . . ~ . . . . . 485
e) Verluste in einer Fernleitung . . . . . . . . . . . . . . . 487
f) Beeinflussung der Verluste durch geeignete Belastungsverteilung
bei zweiseitig gespeisten Strecken . . • . . . . . . . . . . 488
g) Die Verwendung von Kondensatoren bzw. von Phasenschiebern
zur Kleinhaltung des Spannungsabfalls und der Leitungsverluste 489
L. Berechnung des wirtschaftlichen Leitungsquerschnitts . . . . . 494
M. Berechnung der Übertragungsspannung einer Fernleitung • . . . 497
N. Ringleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .- . . . . . 499
0. Zusammenschluß von verschiedenen Großversorgungen zur Ver-
bundwirtschaft . . . . . . . . . . • . . . . . 502
P. Die Hochspannungsleitung ohne Spannungsabfall . 507
a) Unter Vema.chlässigung des Leitungswiderstandes 507
b) Unter Berücksichtigung des Leitungswiderstandes 512
Inhaltsverzeichnis IX
Seite
Q. Leitungen großer Länge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514
R. Die Stabilität von Leitungen . . . . . . . . . . . . . . . 526
S. Ober die Möglichkeiten der Gleichstrom-Hochspannungsüber-
tragung . . . . . . . . . . . . . . 534

XX. Berechnung der Kurzschlußströme . . . 541


A. Die Berechnung des Stoßkurzschlußstromes . 541
B. Die Berechnung des Dauerkurzschlußstromes 543
a) Dreipaliger Kurzschluß . . . . . . . . . 543
b) Zweipoliger Kurzschluß . . . . . . . . . 545
C. Berechnung der Kurzschlußströme in komplizierten Netzgebilden 547
D. Berechnung der auftretenden Kurzschlußkräfte 549
E. Kurzschlußerwärmung . . . . . . . . . . . 550

XXI. Erwärmung von Maschinen und Apparaten 551

XXll. Über die Gefährdung durch den elektrischen Strom und


die erforderlichen Schutzmaßnahmen . . . . • . . . . . . . 556
1. Kleinspa.nnungen S. 558 - 2. Isolierung S. 559 - 3. Erdung S. 560
- 4. Nullung S. 564 - 5. Schutzschalter S. 566 - 6. Schutz durch
Differentialrelais S. 566.
Ergänzende Literatur zu .verschiedenen Abschnitten 568
Bachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 573

Verzeichnis der Tabellen


Seite
1. Reaktanzen von Synchron-Generatoren . 92
Schaltgruppen von Transformatoren . . . 152
2. Ladeströme von Dreileiter-Gürtelkabeln . 216
3. Ladeströme von Dreileiter.H- oder Dreimantelkabeln 217
4. Kabelendverschlüsse . . . . . . . . 230
5. Festwerte für Freileitungsseile . . . . . . . 247
6. Ausschwingwinkel für Freileitungsseile . . . 258
7. Dauerstrombelastbarkeit für Freileitungsseile . 265
8. Kurzschluß-Endtemperaturen für Entfestigungen von Freileitungsseilen 266
9. Spezifische Kurzschlußarbeit für Entfestigung von Freileitungsseilen 267
10. Prüfströme für Sicherungen . . . . 270
1l..Abschaltleistungen von Sicherungen 272
12. Fehlergrenzen bei Stromwandlern. . 300
13. Eigenverbrauch von Meßgeräten . . 301
14. Fehlergrenzen bei Spannungswandlern. 305
15. Abstände in Schaltanlagen . . . . . . 310
16. Gemessene Netz-Impedanzen durch Impedanzrelais 366
17. Netzkosten . . . . . . . . . . . . 455
18. Mittlere Abstände für Freileitungen . 472
19. Zuschlag für Erdkapazität . 473
20. Natürliche Leistung . 510
21. Wärmezeitkonstante. 555
22. Erdungswiderstände 562
Abkürzungen
AEG Allgemeine Elektricitätsgesellschaft
BBC Brown, Boveri & Cie. AG.
ETZ Elektrotechnische Zeitschrift
F&G Feiten & Guilleaume Carlswerk AG.
GE General Electric
KSG Kohlenscheidungsgesellschaft m. b. H.
RDK Rheinische Draht- und Kabelwerke G. m. b. H.
ssw Siemens-Schuckertwerke AG.
VDE Verband Deutscher Elektrotechniker
V&H Voigt & Haeffner AG.
VKW Vereinigte Kesselwerke AG.

Verzeichnis der Formelzeichen


a Anlagekosten pro kW. F Fläche.
a Numerische Kurzschlußent- F Erregung, Feld.
fernung. g Erdbeschleunigung.
a Spannweite. g Leitungsgewicht.
akr kritische Spannweite g Seilgewicht pro m Länge und
A Installierte Leistung. mm 2•
Ac Inbetriebsetzungsarbeit. g Gleichzeitigkeitsfaktor
b Energiekosten pro kWh. Llg Zusatzlast, bzw. Eislast pro m
B Kraftliniendichte in Gauß. Länge und mm2.
c Federkonstante. G Gewicht bzw. Seilgewicht pro m.
c Spezifische Wärme. G Gütefaktor
0 Kapazität. LIG Zusatzlast bzw. Eislast pro m.
0 Konstante. h Benutzungsdauer
d Dauernde Drehzahländerung. ho Grenzbenutzungsdauer
d Durchmesser. H Höhe.
d Lei terabsta.nd. H Fallhöhe
Er Dielektrizitätskonstante i Strom in Amp.
'1) Verschiebungsdichte in i Wärmeinhalt
Amp secjcm2. I Strom.
D Lei terabstand. I Statorstrom
E Elastizitätsmodul. Ix Kurzschlußstrom.
~ Elektrische Feldstärke in I"K Stoßkurzschlußwechselstrom
Voltjcm. I,. Nennstrom.
E Elektromotorische Kraft. I, Stoß-Kurzschlußstrom.
Ep Potierspannung Itherm Thermischer Grenzstrom.
I Leitungs -Durchhang i Stromdichte.
I Fehler. i= V I.
I Frequenz. k Kosten pro kWh.
Verzeichnis der Formelzeichen XI
k Vergrößerungsfaktor T"d subtransiente (Anfangs-) Zeit
kx Jährliche Kosten pro kW Kra.ft- konstante
werksleistung. Leerlaufzeitkonstante
K Kapazität. Spannung, Potential in Volt
K Kosten. ~pannungsabfall
Kt Feste Kosten Ubersetzungsverhältnis.
K'l) Veränderliche Kosten Verkettete Spannung, Dreieck-
l Länge bzw. Leitungslänge. spannung.
L Länge bzw. Leitungslänge. Phasenspannung, Stern-
L Induktivität. spannung.
L Leistungszahl. 'II Geschwindigkeit.
L Zugeführte Leistung. 'II Relative Erregung.
m Masse. 'II Verstärkungsfaktor
m Belastungsfaktor. V Volumen.
M Drehmoment. w Windungszahl pro Phase.
Ms Synchronisierendes Moment. w Windkraft.
n Ausnutzungsfaktor. :c Abszisse.
n Belastungsfaktor X Reaktanz.
n Drehzahl pro min. Xa Ankerrückwirkungsreaktanz
t.N Leistung in Watt bzw. kW. (Hauptreaktanz)
Na Ausbauleistung. Bohrfeldreaktanz
Nm Mittlere Leistung. synchrone Reaktan21 in der
Nn Natürliche Leistung. Längsachse
Ns Synchronisierende Leistung. synchrone Reaktanz in der
Nv Verlustleistung. Querachse
'P Kapitalfaktor. Xe Ersatz-Reaktanz.
'P Polpaarzahl. X' Transiente (Übergangs-) Reak-
'P Spezifische Zugspannung in tanz
kgfmm 2 • X" Subtransiente (Anfangs-) Reak-
Spezifische Dauerfestigkeit in tanz
kgjmms. Inverse Reaktan21
'Pz Zulässige Zugbeanspruchung in Null-Reaktanz
kgfmm8 • Statorstreureaktanz
p Kraft, Zugspannung. Rotorstreureaktanz
q Elektrische Ladung in Amp. sec. Ordinate.
Q Wärmemenge. Impedanz.
Q Wassermenge in m8fsec. Wellenwiderstand.
,. Radius. Zeitkonstante.
,. Reservefaktor.
,. Widerstand in Ohm. Wärmeausdehnungs-Koeffizient.
R Widerstand. Verlust-Koeffizient.
8 Entropie. Koeffizient der Widerstands-
s Spitzenleistung zunahme
t Temperatur. IX elektrischer Winkel
t Zeit. a/P räumlicher Winkel
T Betriebszeit. 'fJ Wirkungsgrad
T Schwingungsda.uer. 'TJth Thermischer Wirkungsgrad
T Zeitkonsta.nte. {} Übertemperatur.
T Absolute Temperatur in °K 15 Polradwinkel
(Kelvin) e Trägheitsmoment.
Ta Anlaufzeit ea Anker-Amperewindungen
T'd transiente Zeitkonstante el Stator-Amperewindungen
XII Verzeichnis der Formelzeichen

Rotor-Amperewindungen e Leitungswiderstand.
resultierende Amperewindungen e Spezifischer Widerstand.
Leitfähigkeit. q; Phasenverschi e bungswinkel.
Verkleinerungsfaktor. rlJ Fluß.
Fiktive Länge. w Winkelgeschwindigkeit, Kreis-
Koeffizient. frequenz.
Kreisfrequenz.
I. Allgemeines zur Elektrizitätsversorgung
Die Versorgung :rhit elektrischer Kraft erfolgt in Europa vorwiegend
mit Dreiphasenwechselstrom von 50 Hz. Andere Stromarten werden nnr
noch in Ausnahmefällen gebraucht, so Gleichstrom im Straßenbahn-
betrieb, für chemische Prozesse, in den Sendeanlagen des Rundfunks,
Einphasenstrom niederer Frequenz (162fa Hz) für Vollbahnen. Die
Bahnstromversorgung mit Einphasenstrom 50 Hz wurde in einigen
Ländern eingeführt. Gleichstrom wird kaum mehr unmittelbar erzeugt,
sondern aus Drehstrom mittels Gleichrichter ge-
wonnen. Einphasenstrom niederer Frequenz wird
heute teilweise in besonderen Einphasengenera-
toren erzeugt und in Einphasenleitungen fort-
geleitet, teilweise aus Drehstrom üblicher Fre-
quenz in besonderen Umformern bzw. in Um-
richtern erzeugt. Infolge der vorherrschenden a b c d
Abb. 1 a-d. Schematische
Stellung des Dreiphasenwechselstromsystems be- Darstellung von Generatoren,
ziehen sich unsere Betrachtungen vorwiegend auf Kraftwerken und Trans-
formatoren.
letzteres. a Generator mit Leitungen,
b Generator mit Leitungen
Um eine einfache Darstellung von Generatoren, symbolisch dargestellt,
Leitungen und Kraftwerken zu erhalten, seien im folgen- cd Kraftwerk symbolisch,
Transformator symbo!lsch.
den einige Symbole geprägt. So sei ein Generator
durch einen Kreis dargestellt (s. Abb. la u. lb), der im Innern ein Frequenz-
zeichen aufweist. Arbeitet ein solcher Generator auf eine Drehstromleitung, dann
müßte streng genommen das Bild gemäß Abb. la aufge-
zeichnet werden. Es ist jedoch in der Mehrzahl der Fälle
überflüssig, alle drei Leiter zu zeichnen, sondern es ge-
nügt, diese durch eine einzige Leitung entsprechend
Abb. lb zu kennzeichnen. Diese Darstellung wird auch
gewählt, falls außer den drei Außenleitern noch ein Null-
leiter vorhanden ist. Vollständige Kraftwerke werden
im folgenden durch einen schraffierten Kreis entspre-
chend Abb. lc dargestellt, Transformatoren durch zwei
sich schneidende Kreise nac},l Abb. ld.
Die Verteilung des Drehstroms für kleinere Ver- Abb. 2. Dreiphasensystem
mit Nulleiter.
braueher und Gewerbetreibende geschieht heute
vorwiegend mit einer Spannung von 380/220 V. 380V ist dabei (s. Abb. 2)
zwischen den Außenleitern R, S und T, 220 V zwtschen den Außen-
leitern und dem geerdeten Nulleiter vorhanden. Die Lichtlast wird
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. I
2 Allgemeines zur Elektrizitätsversorgung

dann, möglichst gleichmäßig auf die einzelnen Außenleiter verteilt,


zwischen Außenleiter und Nulleiter gelegt, also an eine Spannung von
220 V, während Motoren M zwischen den Außenleitern, also an 380 V
angeschlossen werden.
Man hat heute noch eine Reihe von Netzen, die 220 bzw. 110 V Span-
nung zwischen den Außenleitern besitzen, die allerdings dann im allge-
meinen keinen Nulleiter haben. Diese Netze sind
teurer alssolchemit einer Spannung von 380/220 V.
Handelt es sich um die Versorgung eines
kleinen Netzes, etwa einer Ortschaft, mit elek·
trischer Energie, so könnte man daran denken,
ein kleines Kraftwerk aufzustellen, welches das
Abb. s. Nledenpann~mgs- Netz unmittelbar mit 380/220 V speist. Abb. 3
netz mit Kraftwerk.
zeigt ein solches Netz, wobei die Drehstrom-
leitungen entweder als Freileitungen oder als Kabel (in Städten) längs
der Straßen verlegt sind. Von diesem Netz führen Anschlußleitungen
(in der Abb. 3 nicht eingezeichnet) zu den Verbrauchern. Bei geringem
Verbrauch sind diese zweipolig und kommen zwischen einem Außenleiter
und dem Nulleiter zu liegen. Bei größerem Verbrauch werden die drei
Außenleiter und der Nulleiter zum Verbraucher geführt. Selbstverständ-
lich sind bei Drehstrommotoren die drei Leiter notwendig.
Die vnmittelbare Speisung eines Niederspannungsnetzes durch einen
besonderen Generator kommt nur selten vor. In einem solchen Falle
wird der Generator meist
durch einen Wärme-
kra.ftmotor (z. B. Diesel•
motor) oder durch eine
kleine Wasserturbine,
falls eine Wasserkraft
zur Verfügung steht, an-
IJ getrieben. Im allgemei-
Abb. 4 a u. b. Belastungskurven.
nen lohnt sich der Bau
a für kleineren Bezirk, b für grillieren Bezirk. solcher kleiner Kraft-
werke nicht, denn . bei
kleinen Leistungen ist der relative Preis der Maschinen, d. h. der Preis
bezogen auf 1 kW installierte Leistung, sehr hoch und der Wirk~ngs­
grad schlecht. In derartigen kleinen Netzen ist außerdem der Leistungs-
bedarf N in kW im Laufe von 24 Stunden ein sehr unregelmäßiger
(s. Abb. 4a); z. B. wird im Winter während des "Tages nur wenig Leistung
verbraucht, dagegen abends, wenn die Lichtlast auftritt, kurzzeitig
sehr viel. Die Maschinenleistung muß jedoch, obwohl die gesamte pro
Tag abgegebene Elektrizitätsmenge in kWh (Inhalt der schraffierten
Fläche) eine mäßige ist, für die volle Spitzenleistung S ausgelegt ·sein.
Allgemeines zur Elektrizitätsversorgung 3
Ferner ist die Bereitstellung einer Maschinenreserve infolge zu hoher
Kosten meist nicht möglich.
Faßt man dagegen eine Reihe derartiger Niederspannungsnetze zu·
sammen und speist sie von einem Überlandkraftwerk aus, dann kann
man dieses Kraftwerk für größere Leistung ausbauen. Die Maschinen
werden damit relativ billiger und der Wirkungsgrad besser. Da man
jetzt mehrere Maschinen hat, ist die Bereitstellung einer Maschinenein-
heit als Reserve wirtschaftlich tragbar. Ferner kann bei der Zusammen·
fassungeiner größeren Zahl von Einzelnetzen, deren Spitzen sich nicht
alle addieren, sondern zeitliche Verschiebungen haben, erreicht werden,
daß die Spitzenleistung des Überlandkraftwerkes kleiner ist als der
Summe der Spitzen der Einzelnetze entspricht. Dadurch wird an Ma-
schinenleistung gegenüber einzelnen kleinen Ortskraftwerken gespart.
Noch günstiger wird die Ausnutzung, falls eine gleichmäßige Belastung
durch vorhandene Industrie hinzukommt, man
also eine günstigere Belastungskurve erhält
(s. Abb. 4b), bei der die Ausnutzung der instal-
lierten Kraftwerksleistung (kenntlich an der
Belastungsfläche), wesentlich günstiger ist als
im Falle der Abb. 4a.
Ein Überlandwerk kann seinen Strom nicht
mit Niederspannung verteilen, da die Verluste
und der Spannungsabfall in den Verteilungs·
anlagen zu groß sein würden. Man verwendet Abb. 5. tlberlandwerk
mit Vertellungsnetz.
daher zur Verteilung eine höhere Spannung,
meist 20 oder 30 kV. In den einzelnen Ortschaften wird diese Mittel-
spannung in Transformatorenstationen auf die Niederspannung von
380/220 V umgewandelt. In der Abb. 5 sind (abgesehen vom Netz N)
die Niederspannungsnetze, deren Aufbau ähnlich der Abb. 3 ist, nicht
eingezeichnet. Unter Umständen kann es auch zweckmäßig sein, für
die Verteilung der Energie noch eine weitere Spannung zu verwenden,
z. B. zunächst eine Großverteilung mit der Hochspannung 60 oder
110 kV vorzunehmen, dann die Einzelbezirke z. B. mit der Mittel-
spannung 20 oder 30 kV zu speisen und diese Spannung in den einzelnen
Ortschaften auf die Niederspannung 380J220 V umzuspannen.
Man muß beachten, daß das Überlandnetz zusätzliche Kosten ver-
ursacht, so daß die durch die Zusammenfassung der Elektrizitätserzeu-
gung im Überlandwerk gemachten Ersparnisse etwas gemindert werden.
Hat man ein größeres Niederspannungsnetz, etwa das einer Stadt,
dann wird man zur Kleinhaltung des Spannungsabfalles und der Ver·
luste, die einzelnen Bezirke der Stadt zunächst mit einer höheren Span-
nung versorgen, und zwar je nach Größe der Stadt mit 6, 20 bzw. 30 kV.
An diesem Mittelspannungsverteilungsnetz hängen dann die einzelnen
1*
4 Allgemeines zur Elektrizitätsversorgung

Transformatorenstationen, welche das oder die Niederspannungsnetze


speisen. In Großstädten werden auch gelegentlich 2 Mittelspannungen,
z. B. 6 und 30 kV für die Verteilung benutzt (s. S. 427).
Die Entwicklung in der Elektrizitätsversorgung hat gezeigt, daß es
nicht immer notwendig und zweckmäßig ist, daß jedes Überlandgebiet
ein eigenes Elektrizitätswerk besitzt. Vielmehr erwies es sich als richtig,
Elektrizitätswerke an solchen Orten zu bauen, wo besonders günstige
Bedingungen hierzu vorliegen. So wird man bei einem Steinkohlenkraft-
werk auf günstigste Transportbedingungen der Kohle und auf das Vor-
bandensein von Kühlwasser für die
Kondensation Wert legen. Ein Braun-
kohle verarbeitendes. Kraftwerk wird
man unmittelbar an der Fundstelle der
Braunkohle errichten, da die Braunkohle
wirtschaftlich keinen größeren Transport
verträgt. Stehen Wasserkräfte zur Ver-
fügung, dann muß das Kraftwerk unbe-
dingt dort stehen, wo der Ausbau der
Abb.6. Aufbaueines llOkV·Netzes. Wasserkräfte am günstigsten ist. Man
wird also vorwiegend sölche bevorzugte,
billig arbeitende Kraftwerke bauen, diese mit Hochspannungsleitungen
verbinden, z. B. mit 60 oder 110 kV, und die Leitungen so legen, daß
die Überlandversorgungen, die jetzt keine besonderen Kraftwerke mehr
benötigen, von diesem Hochspannungsnetz aus gespeist werden.
Abb. 6 zeigt ein solches 110 kV-Netz, auf welches die Kraftwerke
K 1, K 1, K8 arbeiten. Von diesem 110 kV-Netz aus können die einzelnen
f11JkV Überlandgebiete über Transformatoren mit
Strom versorgt werden. Innerhalb der Über-
landgebiete erfolgt die Versorgung dann ent-
sprechend der Abb. 5. Die Kraftwerke K 1,
K 1 und K 8 werden über ihre Schaltanlage
meist noch ein Versorgungsgebiet direkt be-
liefern. Die schematische Schaltung entspricht
Abb. 7. Schematlscbe Dantell1J118 dann beispielsweise der Abb. 7. Die Gene-
eines Kraftwerkes, dessen Ene111ie
mit zwei verschiedenen Span· ratoren arbeiten über die Transformatoren T 1
n1J1188n vertellt wird.
auf die Verteilung des eigenen Versorgungs-
gebietes, z. B. mit 30 kV, und ferner über Transformatoren T 2 z. B.
auf ein 110 kV-Netz.
In ein Hochspannungsnetz nach Abb. 6 können auch Überlandkraft-
werke mit einbezogen werden, wie z. B. das Kraftwerk K,. Ist dessen
Leistung für das eigene Versorgungsgebiet nicht ausl'ßichend, dann wird
zusätzliche Energie aus dem Hochspannungsnetz bezogen. Um eine
solche Großversorgung möglichst wirtschaftlich zu gestalten, ist es not-
Allgemeines zur Elektrizitätsversorgung 5
wendig, daß die Leistungsabgabe der einzelnen Kraftwerke von einer
zentralen Lastverteilungsstelle genau geregelt wird.
Man kann noch einen Schritt weiter gehen und verschiedene solcher
Großversorgungen an eine gemeinsame Hochspannungsleitung (Landes-
sammelschiene) legen, die, da es sich jetzt um größere Entfernungen
handelt, eine Höchstspannung von 220 oder 380 kV haben wird. Eine
solche übergeordnete Großversorgung ist vor allem dann am Platze, wenn
hierdurch sehr günstig arbeitende Großkraftwerke gebaut werden können.
Abb. 8 zeigt ein solches Beispiel, bei dem die Kraftwerke K 1 bis K 4 auf
eine 220 kV-Leitung arbeiten. Dabei
2tOkV
können die Kraftwerke unmittelbar auf
die 220 kV-Leitung arbeiten, bzw. kön-
nen ihre Leistung, falls einige Kraft-
werke nicht direkt an der 220 kV-Lei-
tung gelegen sind (Kraftwerke K 3 und
K 4 ), zunächst mit llO kV nach einer
Schaltstation an der 220 kV -Leitung
bringen undhier auf 220kVumspannen.
Es ist nicht notwendig, daß sämtliche
Großversorgungen; welche an diese
220 kV-Leitung angeschlossen sind,
jetzt ihren Strom restlos von der
220 k V-Leitung beziehen. Solche Groß-
versorgungen (s. das Netz I der Abb. 8)
können eigene Kraftversorgung haben, Abb. s. Schematische Darstellung einer
Großversorgung mit 220 kV.
wobei nur zu gewissen Zeiten oder falls
ein Maschinenschaden vorhanden ist, Energie aus dem 220 kV-Netz be-
zogen wird.
Es sei erwähnt, daß man beim Entwurf von neuen Netzen versuchen
soll, mit folgenden Nennspannungen auszukommen.

Niederspannung 380[220 V Versorgung der Kleinverbraucher

Mittelspannung 6kV Stadtversorgung


lOkV}
20kV Stadt- u. Überlandversorgung
30kV
Hochspannung 60kV I Landesversorgung
llOkV f
Höchstspannung 220kV} Landessammelschienen- und
380kV Großraumversorgung

Hat man große Energiemengen auf sehr große Entfernungen zu


übertragen, so kann auch hochgespannter Gleichstrom zur Anwendung
6 Kraftwerke

kommen. Hier wird am Erzeugungsort Drehstrom in Gleichstrom umge-


wandelt, dieser über die Leitung geschickt und am Verbrauchsort wieder
in Drehstrom rückgewandelt (s. S. 534).

II. Kraftwerke
A. Wärmekraftanlagen
a) Allgemeines
Die in Deutschland erzeugte elektrische Energie stammt zum größten
Teil aus Wärmekraftwerken. Wärmekraftwerke können als Dampf-, Gas-
oder Dieselkraftwerke ausgeführt werden. Größere Bedeutung haben
jedoch nur die ersteren. Diese lieferten etwa 77% des deutschen Energie-
bedarfs, der 1936 42 Milliarden kWh betrug. Dabei erzeugten die Braun-
kohlenwerke 41,5%, die Steinkohlenwerke 35,5%. Die Wasserkr;tft-
werke lieferten etwa 15% und die noch verbleibenden 8% verteilten sich
auf Diesel-, Gaskraftwerke usw. Im Jahre 1954 wurden im Bundes-
gebiet insgesamt 68,52 Milliarden kWh geliefert, wovon auf die öffent-
lichen Kraftwerke 60,5%, auf Eigenanlagen 38,6% und auf Anlagen
der Bundesbahn 0,9% entfielen. Die gesamte Erzeugung verteilt sich
zu 84,2% auf Wärme- und zu 15,8% auf Wasserkraftwerke 1• Die in-
stallierte Kraftwerksleistung der öffentlichen Kraftwerke betrug 9832 MW,
die der Eigenanlagen ca. 6100 MW, zusammen 15932 MW; auf die öffent-
lichen Kraftwerke entfallen somit ca. 62%, und auf Eigenanlagen
ca. 38%.
Gaskraftwerke kommen nur dort vor, wo sehr günstig Gas, z. B.
Hochofengas, zur Verfügung steht. In den Gaskraftwerken wird die im
Gas enthaltene Wärmeenergie in Gaskraftmaschinen, die meist in liegen-
der Bauart als doppeltwirkende Viertaktmotoren ausgeführt sind, in
mechanische Energie umgewandelt. Solche Gasmotoren laufen sehr lang-
sam, meist unter 100 Umdrehungen je Minute. Es ergeben sich daher
große, vielpolige Generatoren. Da das Drehmoment der Gasmaschinen
nicht konstant ist, müssen die in den Generatoren vorhandenen Schwung-
massen besonderen Bedingungen genügen, um unerwünschte Schwin-
gungen zu vermeiden. Wegen der großen Vorteile der mit gleichmäßigem
Moment arbeitenden Dampfturbine und auch mit Rücksicht auf Er-
stellungs- und Unterhaltungskosten wurde in den letzten Jahren die
Großgasmaschine auch in Hüttenwerken durch das Dampfkraftwerk
stellenweise verdrängt.
Neuerdings werden des öfteren auch Verbrennungsturbinen verwendet
(s. S. 31).
1 Elektrizitätswirtschaft Heft 15/1955.
Die Dampfturbine 7

UnterVerwendung von Spezialkesseln (z. B. Veloxkessel) wurden neu-


artige Anlagen von Dampferzeuger und Turbine in einem Raum entwickelt.
Kraftwerke mit Dieselmotoren haben den Vorteil, rasch anlaßbar und
regelbar zu sein (Anlaßdauer unter 5 min). Da ferner die Anlagekosten
niedrig sind, sie betragen nur etwa 70% der Kosten eines normalen
Dampfkraftwerkes, eignen sich Dieselkraftwerke, obwohl die Brennstoff-
kosten für die erzeugte kWh höher liegen als bei normalen Dampfkraft-
werken, besonders gut als Spitzenkraftwerke. Nachdem sich die Gesamt-
kosten aus Anlagekosten und Brennstoffkosten zusammensetzen, fallen
beiin Spitzenkraftwerk erhöhte Brennstoffkosten nicht sehr ins Gewicht.
Für deutsche Verhältnisse kommen Dieselkraftwerke mit Rücksicht auf
den teueren Brennstoff weniger in Frage und man sieht heute als Spitzen-
kraftwerke neben Wasserkraftwerken teils auch Dampfkraftwerke vor.
Da bei Spitzenkraftwerken der Wirkungsgrad etwas niedriger liegen
kann als bei normalen Anlagen, kann die Kessel- und Turbinenanlage
solcher Dampfkraftwerke einfacher gehalten sein, so daß die Anlagekosten
sinken. Ferner kann man durch Verwendung von Spezialkesseln und
geeigneten Turbinenkonstruktionen rasche Regelbarkeit und auch ein
genügend rasches, nur nach Minuten zählendes Anlassen erzielen.

b) Die Dampfturbine
In den Dampfkraftwerken kommen, von Ausnahmen abgesehen, heute
nur noch Dampfturbinen mit unmittelbar gekuppelten Generatoren zur
Anwendung.
In den Dampfturbinen wird ein Teil des Wärmeinhalts des Dampfes
in einer Reihe von Stufen in mechanische Arbeit umgewandelt. Eine jede
Stufe besteht aus einem feststehenden Leitrad mit Leitschaufeln und
einem mit der Welle verbundenen drehbaren Laufrad mit Laufschaufeln.
In jedem Leitradwird ein Teil der Wärmeenergie des Dampfes bei gleich-
zeitiger Abnahme des Druckes und der Temperatur in kinetische Energie
umgewandelt. Aus den Schaufeln des Leitrades tritt der Dampf mit
einer solchen Richtung aus, daß er in die Kanäle der sich drehenden Lauf-
schaufeln möglichst stoßfrei eintritt. In den Laufrädern wird die kine-
tische Energie des Dampfes durch Umlenkung in mechanische Arbeit
umgewandelt. Herrscht am Anfang und am Ende einer Laufschaufel
gleicher Druck, so arbeitet die Turbine nach dem Gleichdrucksystem
(Abb. 9). Erreicht man es dagegen durch geeignete Formgebung der
Laufschaufeln, daß innerhalb derselben der Dampf weiter expandiert,
so besteht zwischen Anfang und Ende der Laufschaufeln ein Druck-
gefälle. In den Laufschaufeln wird also nicht nur die anfänglich vorhan-
dene kinetische Energie, sondern auch ein Teil der Druckenergie des
Dampfes in mechanische Energie umgewandelt. Letzteres System heißt
8 Kraftwerke

Überdrucksystem (Abb. 10). Beide Systeme sind, von Feinheiten ab-


gesehen, etwa gleichwertig.
Die Dampfturbinen können als Ein- oder Mehrgehäuseturbinen aus-
gebildet sein. Die Eingehäuseturbine (s. Abb. 9), bei der die Umsetzung
der Dampfenergie in einem Turbinengehäuse stattfindet, hat den Vorteil
des geringen Bauaufwandes und Platzbedarfes. Bei großen Wärme-
gefällen (hoher Druck und hohe Temperatur) muß man oft aus kon-
struktiven Gründen zu Mehrgehäuseturbinen übergehen (Abb. 10), bei

Abb. U. Eingehäuseturbine (Glelchdrucksystem, AEG).

denen das gesamte Druck- und Temperaturgefälle des Dampfes unterteilt


und in zwei oder drei miteinander gekuppelten kleineren Einzelturbinen
verarbeitet wird (Hochdruck-, Mitteldruck- und Niederdruckteil).
Man ist bei großen Leistungen, bei denen die zu verarbeitendenDampf-
mengen entsprechend groß sind, auch aus folgendem Grunde gezwungen,
zur Mehrgehäusebauart überzugehen. Der Durchgangsquerschnitt der
Schaufelreihen, somit der Durchmesser der Laufräder, wird durch das
hindurchströmende Dampfvolumen bestimmt. Da nun das spezifische
Dampfvolumen mit sinkendem Druck erheblich zunimmt, würden bei
großen Turbinenleistungen die Dampfvolumina im Niederdruckteil der-
artig große Beschaufelungsdurchmesser erforderlich machen, daß die auf-
tretenden Fliehkräfte nicht mehr beherrscht werden können und unzu-
10 Kraftwerke

lässig große Austrittsverluste auftreten. Man ist daher gezwungen, im


Niederdruckteil die Dampfmenge zu unterteilen und in mehreren getrenn-
ten Niederdruckturbinen zu verarbeiten. Bei großen Einheiten geht man
zur mehrflutigen Bauart über. In Abb. 10 ist eine Turbine mit zwei-
nutigern Austritt dargestellt, bei der der Dampf der Niederdruckturbine
von beiden Seiten zugeführt wird und von hier aus die beiden sym-
metrischen Hälften der Turbine nach innen durchströmt. Diese Bauart
hat noch den Vorteil, daß bei Überdruckturbinen in den gegengeschal-
teten symmetrischen Beschaufelungsabschnitten der Axialschub sich
ausgleicht.

Abb. lla. Ljungström·Turbine.

Bezüglich der hauptsächlichsten Strömungsrichtung des Dampfes in


bezug auf die Turbinenachse unterscheidet man Axial- und Radialtur-
binen. Bei den ersteren strömt der Dampf in Richtung der Turbinen-
achse, bei den letzteren senkrecht zur Turbinenachse. Die Bauart der
Axialmaschinen ist die weitaus vorherrschende.
Bei der Ljungström-Turbine, der kennzeichnenden Bauart einer
Radialmaschine, durchströmt der Dampf, wie Abb. lla zeigt, in radialer
Richtung zwei ineinander geschachtelte und in entgegengesetzter Richtung
umlaufende Schaufelsysteme. Eine Unterscheidung in Leit- und Lauf-
schaufel ist damit hinfällig. Beide Schaufelsysteme drehen sich relativ
zueinander mit der doppelten Umdrehungszahl (Gegenlaufturbine) wie
bei den übrigen Turbinensystemen.
Diese Bauart hat den Vorteil eines geringen Aufwandes in der Be-
schaufelung; sie erfordert jedoch zwei elektrische Generatoren der halben
Turbinenleistung, deren Rotorwicklungen hintereinander und deren
Die Dampfturbine 11
Statorwicklungen parallel geschaltet sind. Abb. 11 b zeigt den Gesamt-
aufbau eines solchen Turbosatzes einschl. der dazu gehörigen Konden-
sationsanlage. Man spart bei einer solchen Gegenlaufturbine an Platz
und infolge des geringen Gewichtes können Fundamente und Montage-
krane leichter gehalten werden.
Eine Radialturbine mit stillstehenden Leitschaufeln (nicht gegen-
läufige Radialturbine) nach Abb. 12 wurde von SSW entwickelt. Bei
dieser Bauart sind im allgemeinen zur Verarbeitung eines bestimmten

Abb. llb. Gesamtaufbau einer Ljungström·Turbine mit Kondensator.

Wärmegefälles mehrere radiale Beschaufelungsabschnitte notwendig.


Die Radialturbine ist auf Grund ihrer Bauart im allgemeinen kürzer als
die Axialturbine, wenigstens was den aktiven Beschaufelungsteil an-
belangt.
Nachdem der ausnutzbare Teil der Wärmeenergie des Dampfes in
der Turbine in mechanische umgewandelt hat, gelangt er in den Konden-
sator, wo er niedergeschlagen wird. Hierbei müssen dem Dampf große
Wärmemengen entzogen werden, was erhebliche durch den Kondensator
hindurchfließende Kühlwasser.rp.engen erfordert. Je niedriger die Tempe-
ratur des Kühlwassers, um so nl.edriger wird die Temperatur des Konden-
sats und um so besser das Vakuum und damit die Ausnutzung des
Dampfes. Wenn genügend Kühlwasser zur Verfügung steht (man braucht
ungefähr 0,25 m 3 pro erzeugte kWh), kann man mit einer Eintritts-
12 Kraftwerke

temperatur des Kühlwassers von 12° C ein Vakuum von etwa 0,03 ata
erzeugen. Ist ein Fluß für die Lieferung einer genügenden Kühlwasser-
menge nicht vorhanden, so muß das erwärmte Kühlwasser in besonderen
Kühltürmen wieder rückgekühlt werden. Hierbei kommt das Kühlwasser
nicht auf eine derart niedere Temperatur, als wenn man es einem Fluß
entnimmt und man erreicht dann auch nur ein geringeres Vakuum, wo-
durch die im Dampf enthaltene Wärmeenergie schlechter ausgenutzt
wird. Bei der Wahl des Ortes für ein Dampfkraftwerk muß man also

0 0,5 1m
Abb. 12. UD-Gegendruckturbine Bauart Siemens.

auch größten Wert darauf legen, genügend Kühlwasser zur Verfügung


zu haben.
Um ein Bild über die Möglichkeiten der Wärmeausnutzung des
Dampfes in der Turbine zu bekommen, benutzt man das i-8-Diagramm
(s. Abb. 13), welches sämtliche interessierenden Zustandsgrößen des
Wasserdampfes enthält. Die Darstellung ist so gewählt, daß als Ordinate
die Enthalpie i, d. h. der Wärmeinhalt von 1 kg Wasserdampf, als
Abszisse die Entropie 8 aufgetragen ist. Für unsere Zwecke genügt es, von
der Entropie 8 zu wissen, daß sie eine Zustandsgröße des Wasserdampfes
ist und ihr Differential die Größe
dq
d8=p- kcaljkg °K (I)
Die Dampfturbine 13
besitzt, wobei dq die bei einer kleinen Zustandsänderung dem Dampf
zugeführte Wärmemenge in kcal und T die absolute Temperatur in °K
(Kelvin) ist.
Betrachten wir als Beispiel in dem Diagramm (Abb. 13) 1 kg Dampf
von 30 ata und von 400° C. Dieser Dampf soll in einer verlustfrei
arbeitenden Dampfturbine auf 0,05 ata entspannt werden. WeicheWärme-
menge wird hierbei, adiabatische Zustandsänderung vorausgesetzt, in
mechanische umgewandelt?
kcolfkg
B~r-~r--,---.---,--~

tf ;G 1.7 1.8 t9 2,0


Enll'llpie s
Abb. 13. Entropie-Diagramm.

Da bei der adiabatischen Entspannung des Dampfes keine Wärme-


menge zu- oder abgeführt wird, ist die Zunahme der Entropie, also ds
gleich Null. Die Zustandsänderung wird daher durch eine Vertikale dar-
gestellt, welche durch den Punkt 1 bis zur Drucklinie 2 = 0,05 ata führt.
Der Wärmeinhalt des Dampfes im Punkt 1 ist
i 1 = 772 kcalfkg ,
im Punkt 2
i 2 = 504 kcalfkg .
In mechanische Arbeit ist also die Differenz, d. h.
i 1 - i 2 = 772 - 504 = 268 kcalfkg
umgewandelt worden. Von den verbleibenden 504 kcalfkg befinden sich
in dem Kondensat, wie man aus Tabellen ersehen kann, 32 kcal/kg als
14 Kraftwerke

Flüssigkeitswärme, die dem Kessel wieder zugeführt werden, während


der Rest von 472 kcalfkg im Kühlwasser abgeführt wird, also Verlust ist.
Da dem Kreislauf 772 - 32 = 740 kcalfkg zugeführt wurden, ist der
thermische Wirkungsgrad der Umwandlung
il-il 268 0
'Y/th= il-32 = 740= 36 •2 Yo·
36,2% der hineingesteckten Wärme können also theoretisch in mecha-
nische Energie umgewandelt werden, während der Rest nach dem zweiten
Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie von vornherein verloren
ist, da die Wärme nur bis zur Temperatur der Umgebung (Kühlwasser-
bzw. Lufttemperatur) ausgenutzt werden kann.
Praktisch ist der Wirkungsgrad desPrqzesses noch schlechter, da nicht
umkehrbare Zustandsänderungen (Reibungs- und Drosselverluste), sowie
nichtausgenutzte Temperaturgefälle in Wärmeaustauschern auftreten,
die die Wärme entwerten. Es nimmt also bei der nicht verlustlosen Tur-
bine die Entropie, infolge der zugeführten Verlustwärme zu, so daß die
tatsächliche Zustandsändemng etwa gemäß der Linie 13 verläuft; in
Wirklichkeit ist 13leicht gekrümmt. Das ausgenutzte Wärmegefälle wird
dabei kleiner und beträgt bei den Verhältnissen der Abb.l3, die für eine
größere Turbine gelten mögen, nur 85% des theoretischen, d. h. infolge
des sog. inneren Wirkungsgrades der Turbine von 85% werden nicht
268, sondern nur
268 · 0,85 = 228 kcalfkg
in Arbeit umgewandelt. Infolge mechanischer Reibungsverluste (Lager
usw.) muß mit einem mechanischen Wirkungsgrad der Turbine von
etwa 98,5% gerechnet werden, so daß in unserer Turbine vom theore-
tischen Wert von 268 kcalfkg nur
0,85 . 0,985 = 84%
in mechanische Arbeit an der Kupplung umgesetzt werden. Betrachtet
man wieder den Prozeß im ganzen, so wird unter Beachtung des thermi~
sehen Wirkungsgrades 'YJ = 36,2% der Gesamtwirkungsgrad der Um-
wa.ndlung
36,2 . 0,84 = 30,4%.
Es ist für einen Oberblick von größtem Interesse, wie der thermische
Wirkungsgrad von Temperatur und Dmck abhängt. Da der Konden-
satordmck durch die Kühlwasserverhältnisse geg~ben ist, wollen wir im
folgenden mit einem Kondensatordmck von 0,05 ata rechnen. Man kann
nun durch das i-s-Diagramm feststellen, wie groß bei den verschiedenen
Anfangstemperaturen und -drücken der thermische Wirkungsgrad ist und
findet, daß derselbe mit steigendem Anfangsdmck und steigender Tem·
Die Dampfturbine 15
peratur zunimmt (Abb. 14). Mit der Temperatur kann man jedoch nicht
höher als auf max. 560° C gehen, so lange man Werkstoffe ferritisoher
Struktur (niedrig legierte Stähle) verwendet. Oberhalb dieser Tempe-
ratur nimmt die Festigkeit dieser Werkstoffe stark ab und außerdem
beginnen diese Werkstoffe bereits zu fließen, also bleibende Formände-
rung zu erleiden. Im allgemeinen bleibt man unterhalb dieses Wertes
und verwendet Temperaturen, die, gemessen am Eintritt der Turbine,
bis 540° C betragen. In einzelnen Fällen sind bereits Dampfkraftanlagen
bis 600° C gebaut worden bzw. im Bau. Hier müssen für die höheren Tem-
peraturbereiche hoch legierte Werkstoffe (Austenite) verwendet werden.
Trägt man in Abhängigkeit des Druckes für die Temperaturen 400°
und 500° C den thermischen Wirkungsgrad auf (s. Abb. 14), so erkennt
man, daß die Kurven zunächst
1/0
beachtlich ansteigen, daß jedoch % 50~
110
von etwa 120 ata ab in bezug auf
~~
den Wirkungsgrad nicht mehr .15
~ fJegendrutir qo5ala
viel zu gewinnen ist. Bei höheren .10
Drücken tritt, sofern nicht gleich-
zeitig die Temperatur gesteigert
wird, die Schwierigkeit auf, daß 15
der Dampf in den letzten Schau- 10
felreihen bereits zahlreiche Was- 5
sertröpfehell mit sich führt, welche
die Schaufeln angreifen. Man be- ~o 20 '10 50 BQ 100 120 fl/0 16'1/ 180 2tl?ata
Anfangsdruck-
zeichnet das Verhältnis des vor-
Abb. 14. Thermischer Wirkungsgrad
handenen Gewichtes an Satt- in Abhängigkeit vom Druck.
dampf (der Rest ist zu Wasser-
tröpfchen kondensiert) zum gesamten Dampfgewicht als spezifischen
Dampfgehalt. Der spezifische Dampfgehalt x beträgt bei dem gebrachten
Beispiel im Punkt 3 der Abb.13 x= 0,87. Das ist eine Endnässe, die noch
zulässig ist. Erhöht man bei 400° C den Druck, dann rückt die Zustands-
kennlinie 13 allmählich nach links und kommt in Gebiete größerer Dampf-
feuchtigkeit, welche mit Rücksicht auf die Dampfturbinenschaufeln nicht
mehr zulässig sind. Man kann sich hier dadurch helfen, daß man den
Dampf, nachdem er bereits einen Teil Arbeit geleistet hat, aus der Turbine
herausführt, ihn in einem Zwischenüberhitzer aufheizt und dann der Tur-
bine wieder zuführt. Will man ohne Zwischenüberhitzung des Dampfes
auskommen, dann sind bei festliegender Kühlwassertemperatur und maxi-
mal zulässiger Dampf-Eintrittstem peratur auch die Eintrittsdrücke an
der Turbine festgelegt. Bei 500° C Eintrittstemperatur und 0,05 ata Ab-
dampfdruck ist der mit Rücksicht auf die Dampfnässe zulässige Eintritts-
druck an der Turbine etwa 70 atü entsprechend der genehmigten Kessel-
reihe mit 84 atü Genehmigungsdruck.
16 Kraftwerke

Die Verwendung von hohen Drücken hat technisch nur Sinn bei
großen Leistungen. Bei kleinen Leistungen, bei denen infolge des hohen
Druckes die Dampfvolumina sehr klein sind, werden die Schaufeln sehr
kurz. Solche kurzen Schaufeln verschlechtern den inneren Wirkungs-
grad beachtlich. Da eine Hochdruckturbinenanlage weiterhin teurer ist
als eine solche für mittlere Drücke, haben Hochdruckkraftwerke nur
Sinn, falls große Leistungen gebraucht werden und diese praktisch
während des ganzen Jahres gefahren werden können, was z. B. bei Grund-
Iastkraftwerken der Fall ist.
Die Wirtschaftlichkeit einer Dampfturbinenanlage könnte wesentlich
günstiger gestaltet werden, wenn der Wärmeinhalt des Abdampfes noch
verwertet würde. Dies ist häufig der Fall in Industrieanlagen, welche
Heizdampf benötigen. Läßt man hochgespannten Dampf zunächst in
einer Turbine Arbeit leisten und benutzt dann den Abdampf für Wärme-
zwecke, so hat die Turbine, abgesehen von den 1% bis 2% betragenden
mechanischen Verlusten, fast den Wirkungsgrad 1 und die kWh könnte
somit mit dem theoretischen Wert von 860 kcal erzeugt werden. Berück-
sichtigt man jedoch die Verluste, die bei der Dampferzeugung im Kessel
und in den Rohrleitungen auftreten, sowie den Generatorwirkungsgrad
usw., so kommt man praktisch pro erzeugte kWh auf 1100 bis 1200 ·kcal.
Turbinen, welche ihren gesamten Abdampf für Heizzwecke verwen-
den, nennt man Gegendruckturbinen. Da der Heizdampf mitunter
höheren Druck haben muß (z. B. 10 ata), findet man bei solchen Gegen-
druckturbinen Drücke am Turbineneintritt von 100 ata und darüber,
um noch ein genügendes Wärmegefälle für die Stromerzeugung zur
Verfügung zu haben.
Häufig besteht keine Obereinstimmung zwischen der benötigten
Heizdampf-und Elektrizitätsmenge. Im allgemeinen ist der Bedarf an
Elektrizität größer als der 11-n Heizdampf. In solchen Fällen wird man
entweder zusätzlich eine Kondensationsturbine aufstellen oder den Zu-
satzstrom von einem Elektrizitätswerk beziehen. Eine andere Möglich-
keit besteht in der Verwendung von sog. Entnahmeturbinen. Bei diesep
wird die erforderliche Anzapfdampfmenge aus der Stufe der Turbine
entnommen, in der der passende Dampfdruck h~rrscht, während die
restliche Dampfmenge noch in dem Niederdruckteil der Turbine Arbeit
leistet, der seinerseits wiederum als Gegendruck- oder Kondensations-
turbine ausgebildet sein kann. Statt einer können auch zwei Anzapf-
stellen mit verschiedenen Drücken angeordnet sein.
Von großem Interesse ist die Kenntnis der Verluste, welche in einem
Kraftwerk mit Kondensationsturbinen in ihrer Gesamtheit auftreten.
Hierzu sei kurz eine Beschreibung der ersten Verlustquelle, des Dampf-
kessels, vorausgeschickt.
Die Dampfturbine 17
Je nach der zur Verfügung stehenden Kohle werden die Kessel mit
einer Staubfeuerung oder, wie in Abb. 15 dargestellt, mit einer mecha-
nisch beschickten Rostfeuerung ausgerüstet. Auf dem Rost 1 findet die
Verbrennung der Kohle statt. Die entstehenden Heizgase geben ihre
Wärme im Feuerraum an die aus Rohren bestehende Strahlungsheiz-
fläche 2 ab. In der Berührungsheizfläche 3 werden sie weiter abgekühlt.
Die Steigrohre der Strah-
lungs· und Berührungsheiz-
fläche werden aus der Trom-
mel4 über die unbeheizten
Fallrohre 5 mit Wasser ver·
sorgt. lnfolge der Wärme-
aufnahme bildet sich in den
Steigrohren ein Dampf·
Wasser-Gemisch, das zur
Trommel aufsteigt. Dort
trennt sich der Dampf vom
Wasser, das über die Fall-
rohre den Kreislauf von
neuem beginnt. Das Kreis-
laufsystem steht unter dem
verlangtenDruck. DerSatt-
dampf strömt aus der Trom-
mel in die Schlangenrohre
des Überhitzers 6, wird hier
durch die Heizgase auf die
gewünschte Temperatur
überhitzt und verläßt den
Kessel, um durch Rohrlei·
tungen den Turbinen zuge-
führt zu werden.
Da die Überhitzung des
Dampfes immer möglichst Abb. 15. Eintrommei·Stellrohrkessel mit Zonen·
wanderrost (Steinmüller).
hoch getrieben wird, haben
die Heizgase beim Verlassen des Überhitzers noch einen beträchtlichen
Wärmeinhalt. Deshalb wirdhinter demeigentlichen KesselmeisteineNach-
schaltheizfläche 7 angeordnet, in der der restliche Wärmeinhalt der Heiz-
gase teilweise zur Vorwärmung des Speisewassers, häufig bis zur Verdamp-
fungstemperatur, ausgenutzt wird. Wenn das Speisewasser bereits vorge-
wärmt dem Kessel zugeführt wird, entzieht man den Heizgasen die Rest-
wärme in Lufterhitzern, in denen die Verbrennungsluft vorgewärmt wird.
Dampfkessel, in denen .die Heizgase durch Nachschaltheizflächen weit·
gehend heruntergekühlt werden, erreichen je nach Feuerungsart und
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 2
18 Kraftwerke

Kohlensorte Wirkungsgrade von 87-92% bei Verfeuerung von Stein·


kohlen und 81-83% bei Verfeuerung von Braunkohlen.
Im nachstehenden Beispiel sind folgende für eine größere Anlage mit
Steinkohlenfeuerung geltende Wirkungsgrade zugrunde gelegt:
Kesselwirkungsgrad . . . • • . . . . . . . . 84 %
Wirkungsgrad der Dampfleitung . . . . . . . • 97 %
Thermischer Wirkungsgrad des Ideal-Prozesses . 36,2%
Innerer Wirkungsgrad der Turbine . . . • . • . 85 %
Mechanischer Wirkungsgrad der Turbine . . . . 98,5%
Generatorwirkungsgrad . . . . . . . . . . . 95 %
Wirkungsgrad zur Berücksichtigung der Hilfebetriebe (es
ist angenommen, daß diese mit elektrischen Antrieben
arbeiten) • . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . 94 %
Der Wirkungsgrad der gesamten Anlage ist also:
0,84 . 0,97 . 0,362 . 0,85 . 0,985 . 0;95 . 0,94 = 0,222 •
Da 1 kWh 860 kcal entsprechen, werden in unserem Falle
860
0,222 = 3870 kcalfkWh
benötigt, das sind bei 7000 Wärmeeinheiten pro kg Steinkohle
3870
7000 = 0,55 kg Kohle •
Zur Ermittlung des Dampfverbrauches für die Erzeugung von 1 kWh
geht man von dem theoretischen Wärmegefälle 12 (s. Abb. 13) aus,
welches 268 kcalfkg Dampf war. Da 1 kWh 860 kcal entspricht, werden
theoretisch
860
268 = 3,2 kg Dampf

gebraucht werden. Unter Berücksichtigung des inneren, des mechani·


sehen, des Generatorwirkungsgrades und der Verluste infolge der Hilfs·
betriebe ergibt sich der tatsächliche Dampfverbrauch zu

0,85 · 0,98:·~0,95 • 0,94 = 4 •25 kg/kWh


am Turbineneintritt gemessen.
Man hat die Möglichkeit, die Wirtschaftlichkeit einer Dampfkraft·
anlage zu verbessern, wenn man z. B. durch die Kesselabgase nicht das
Speisewasser, sondern die dem Kessel zugeführte Verbrennungsluft vor-
wärmt. Die Vorwärmung des Kesselspeisewassers erfolgt dann durch
Turbinenabdampf nach dem Regenerativverfahren. Man zapft z. B. die
'.furbine bei 3 ata an und entnimmt hier Dampf zur Vorwärmung des
Speisewassers. Da dieser Anzapfdampf vorher in der Turbine Arbeit
geleistet hat und die Wärme des Abdampfes gegenüber einer reinen Kon-
densationsturbine restlos verwertet wird, kann der Gesamtwirkungsgrad
der Anlage gehoben werden. Man wird im allgemeinen •. um größte Wirt·
Allgemeine Anordnung eines Dampfkraftwerkes 19
schaftlichkeit zu erzielen, nicht nur eine Anzapfstufe wählen, sondern
deren 3 bis 8, also beispielsweise das Speisewasser mit Dampf von 3 ata
auf 120° und mit Dampf von 8 ata auf 160° vorwärmen. Mit Dampf
von 3 ata allein könnte man nicht auf 160° vorwärmen. Die Gesamt-
vorwärmung des Speisewassers mit Dampf von 8 ata wäre wohl möglich,
jedoch ist dann das für die mechanische Arbeit ausnutzbare Druckgefälle
nicht so groß wie bei Mehrfachanzapfung. Infolge des Regenerativver-
fahrens ist es möglich, die Wirtschaftlichkeit der Anlage um 6 bis 12%
zu heben. Rechnen wir mit einer Verbesserung von 6%, so würde in
unserem Beispiel auf S.l8 der Wirkungsgrad der Gesamtanlage nicht
22,2, sondern
22,2 . 1,06 = 23,6%
betragen und der Kohleverbrauch wäre nicht 3870 kcalfkWh, sondern nur
3870
l,Oa =3650kcaljkWh.

c) Allgemeine Anordnung eines Dampfkraftwerkes


Bei der Planung von Dampfkraftwerken ist der Gesichtspunkt maß-
gebend, den Weg der Energie, also die Länge des Transportweges der
Kohle, die Länge der Rohrleitung und der Kabel, so kurz wie möglich zu
wählen. Abb. 16 zeigt schematisch die allgemeine Anordnung eines Stein-
kohlen-Dampfkraftwerkes. Die Kohlen werden entweder mit Kähnen zu
Wasser oder mit der Eisenbahn heranbefördert und in Bunkern gelagert.
Die Entladung aus den Kähnen geschieht mit einer Krananlage, während
die Entleerung der Wagen:, sofern hier Spezialwagen zur Anwendung
kommen, unmittelbar in die Bunker erfolgen kann.
Eine Förderanlage, z. B. Förderbänder oder Becherwerke, bringt die
Kohle aus den Bunkern in die Kes$elhausblllnker. Von hier aus gelangt
die Kohle in die Feuerung. Bei RosUeuerungen genügen Fallschurren,
bei Staubfeuerungen regeln Zuteileinrichtungen, wie Trogkettenförderer
oder Aufgabewalzen die Beschickung der Kohlenmühlen.
Für die meisten Steinkohlensorten t)ignet sich bei entsprechender
Korngröße die Rostfeuerung. Meist wirdem Unterwind-Zonen-Wander-
rost nach Abb. 17- verwendet. Der Rost ist in vier Verbrennungszonen
unterteilt. Jeder Zone wird die Verbrennungsluft· getrennt zugeführt,
die Luftmenge wird auch getrennt geregelt. Dadurch hat man die
Möglichkeit, dem Brennstoffbett auf dem Rost an jeder Stelle die für die
möglichst vollkommene Verbrennung nötige Luftmenge zuzuteilen. Der
Ausbrand wird dadurch verbessert, die Verbrennung kann in ~ewissen
Grenzen verschiedenen Kohlensorten augepaßt werden. Die Rost-
feuerung wird durch Änderung der Geschwindigkeit des Wauderrostes
und durch Änderung der Schichthöhe des Brennstoffbettes geregelt. Da
2*
20 Kraftwerke

- Kolik
- - /)(Jm;f
--Strom
- - - Kiiii!MJ.sser

Abb. 16. Schematischer Grundriß eines Kraftwerkes.

Abb. 17. Unterwlnd·Zonen-Wanderrost (Babcock).


Allgemeine Anordnung eines Dampfkraftwerkes 21
der Rost sich verhältnismäßig langsam bewegt, ist die Regelung auch
träge und paßt sich Laständerungen nicht so rasch an wie eine Staub-
feuerung.
Neuerdings gelingt es auch feinkörnige Steinkohle auf Wurfwander-
rosten zu verbrennen. Wurfeinrichtungen schleudern die Kohle über
die ganze Länge des Rostes, wobei die feinkörnigen Bestandteile in der
Schwebe verbrennen und stärkerer Rostdurchfall und damit Verlust
vermieden wird.
Für die Verbrennung von Rohbraunkohlen und stark backenden
Steinkohlen sind zahlreiche Bauformen von Rosten, auch mit mecha-
nischen Schüreinrichtungen entwickelt worden, wie Treppenroste,

I I I
I I I I f
: I I
1- 1 I I I

~ ~=;ll~..i..l
: I
i1 - :
I
I I II
~}'-"][----,
c:::=;:I
I I
I

Abb. 18a o. b. Schürrost (Borslg).


a Schnitt durch vollmechanischen Schürrost, b vereinfachte Darstellung der Schürbewegungen.
Stellung I Mittelstellung, Stellung II Rück· und Vorschub, Stellung JII Vor· und B.ückschub.

Muldenroste, Stoker, Vorschubroste. Bei der Rostausführung nach


Abb. 18a und b wird durch hin- und hergehende Rostteile die Kohle all-
mählich in den Verbrennungsraum geschoben und dabei ständig ge-
schürt. Roste für Braunkohle erhalten häufig einen Vortrockenschacht,
in dem der Wassergehalt der Kohle verringert wird. Roste für Braun-
kohle müssen gegenüber solchen für Steinkohle, gleiche Dampfleistung
der Kessel vorausgesetzt, mit erheblich größerer Rostfläche ausgeführt
werden, da Braunkohle nur Heizwerte von etwa 1500 bis 2500 kcalfkg
hat, Steinkohle dagegen Heizwerte von 6000 bis 7000 kcaljkg.
Die verhältnismäßig einfachen Rostfeuerungen können bei Kesseln
hoher Dampfleistung nicht mehr verwandt werden, da die Rostflächen
dann zu groß werden und die Verbrennung nicht mehr beherrscht werden
kann. Sie sind auch für Verbrennung ballastreicher Kohlen, d. h. mit
hohem Wasser- und Aschengehalt, ungeeignet. Häufig verbietet auch
die Feinkörnigkeit des Brennstoffes die Rostfeuerung. In diesen Fällen
verwendet man die Kohlenstaubfeuerung als Feuerung mit Zentral-
22 Kraftwerke

mahlanlage, mit h!tlbzentraler Mahlanlage oder als Feuerung mit Ein·


b1asemiihlen.
Eine Zentralmahlanlage wird unabhängig von den Kesseln erstellt.
In ihr zermahlen Kohlenmühlen, z. B. Ringwalzen-, Kugel- oder Rohr-

Sc/Jni/1 durc!J
die Brennerebene

Abb. U. Strahlungskessel mit Einblasemühlen (Babcock).

mühlen den Brennstoff zu Staub, wobei häufig noch eine Trocknung er-
folgt. DerKohlenstaub wird gebunkert, aus denBunkern mittelsPreßluft
den Kesseln zugeführt und über Staubbrenner im Feuerraum verbrannt.
Bei einer halbzentralen Mahlanlage wird jedem Kessel ein Mahl-
aggregat mit Staubbunker zugeordnet. Dieses Verfahren wird angewandt,
wenn für die Trocknung des Staubes größere Mengen von Heißluft oder
Rauchgasen erforderlich sind.
Allgemeine Anordnung eines Da.mpfkra.ftwerkes 23
'Bei beiden Systemen arbeiten die Mahlanlagen ungeregelt und un-
abhängig von der Belastung der Kessel. Die Feuerleistung wird durch
Änderung der Staubzuteilung aus den Zwischenbunkern geregelt.
Ist der Wassergehalt der Kohle so hoch, daß für die Vortrocknung
erhebliche Mengen an Heißluft oder Rauchgasen benötigt werden, so
verwendet man Einblasemühlen. Diese Mühlen sind als Schläger- oder
Schlagradmühlen ausgebildet und übernehmen die Trocknung, Mahlung,

Abb. 20a. Schrägrohrkessel mit Planrost (Steinmüller).

Sichtung und Förderung des Staub-Luft-Gemisches in den Feuerraum.


Der Kessel wird mit mehreren Mühlen ausgerüstet, die am Feuerraum
aufgestellt werden.
Die Schlägermühle· (Abb.l9) saugt Rauchgase hoher Temperatur
aus dem Feuerraum an. Unter Zusatz von Heißluft wird die Vortrock-
nung der zermahlenen Kohle in der Mühle so weit getrieben, daß die
Zündung am Brenneraustritt sicher erreicht wird. Besondere Siebter sind
bei dieser für Rohbraunkohle sehr gut bewährten Mühle nicht nötig.
Für Steinkohle und auch für Braunkohle werden Schläger- oder
~chlagradmühlen gebaut, deren Mahlsatz als Ventilator ausgebildet oder
24 Kraftwerke
dem ein Ventilator nachgeschaltet ist. Diese Mühlen brauchen nicht
an den Feuerraum angebaut zu werden, da ihre Ventilationsleistung
größer ist.
Staubfeuerungen haben gegenüber Rostfeuerungen den Nachteil, daß
ein sehr hoher Prozentsatz der Kohlenasche als Flugasche von den Rauch-

Abb. 20b. Strahlungskessel mit senkrechter Zyklonfeuerung (KSG).

gasen ins Freie geführt wird. Man muß deshalb Entstaubungsanlagen


zwischen Kessel und Kamin einbauen, um Belästigungen der Umgebung
zu vermeiden. Bei Rostfeuerung wird der größere Anteil der Kohlen-
asche als Schlacke am Rostende ausgetragen, so daß sich oft Entstauber
erübrigen.
Es ist mehr und mehr notwendig, Kohle mit wachsendem Ballast-
gehalt, d. h. Aschenmengen zu verbrennen. Um Kosten für die Ent-
staubung und den Transport der Flugasche zu sparen und außerdem
Allgemeine Anordnung eines Dampfkraftwerkes 25
auch die Asche in wirtschaftlich verwertbarer Form aus der Feuerung
abzuziehen, sind insbesondere in Deutschland verschiedene Bauformen
der Schmelzfeuerung entwickelt worden. (Abb. 20b, 2la und b). Bei

~--------- ~~ ------------~

Abb. 2la. Bensonkessel mit horizontaler Mehrfach·Zyklonfeuerung (Babcock).

ihnen wird die Temperatur im Feuerraum (Schmelztisch-, Schmelz-


trichter-., Schmelzkammer- oder Zyklonfeuerung) so hoch gehalten, daß
die Fließtemperatur der Asche überschritten wird. Die Schlacke wird
flüssig abgezogen und im Wasserbad granuliert. Man bindet auf diese
Weise einen hohen Prozentsatz der Kohlenasche im Feuerraum ein und
erhält sie in leichter, transportfähiger, verwertbarer Form.
26 Kraftwerke

Der "für die Abführung der Rauchgase erforderliche Unterdruck im


Feuerraum wird durch Schornsteine erzielt. Bei großen Leistungen oder
wenn man die Schornsteine nicht hoch genug bauen kann, verstärkt man
den natürlichen Zug durch eine Saugzuganlage, wobei Axial- oder
Radialgebläse verwendet werden.
Nur bei kleinsten Kesselanlagen genügt der Schornsteinzug zur An-
saugung der Verbrennungsluft. Im allgemeinen werden Frischluft-
gebläse aufgestellt, die die Verbrennungsluft der Feuerung zudrücken.

Abb. 2lb. Bensoukessel mit Schmelzfeuerung (VKW).

Die früher meist übliche Form der Schrägrohrkessel (Abb. 20a) ist
heute nur mehr bei Kleinkesseln und sehr schlechtem Speisewasser üb-
lich. Die heutigen Kesselbauformen sind die Strahlungskessel (Abb.20b),
auch für kleinere Leistungen. Die Kessel werden meist als Natur-
umlaufkessel gebaut; sie haben eine oder mehrere Obertrommeln, in
denen der Dampf sich vom Wasser scheidet. Durch den Auftrieb bei der
Dampfbild1,mg steigt das Damp~- Wasser-Gemisch in den Steigrohren zu
der Trommel auf und fällt durch die Fallrohre wieder nach unten. Dank
des großen Wasserinhaltes haben die Naturumlaufkessel ein gutes Spei-
chervermögen und können 'Belastu:ngsstöße leicht abfangen.
Zwanglaufkessel haben keine Trommeln. Bei Zwangdurchlalifkesseln
(Abb. 2la u. b) wird das Wasser durch'das Rohrsystem hlndtirchgepuinpt,
Allgemeine Anordnung eines Dampfkraftwerkes 27

verdampft und überhitzt. Bei Zwangumlaufkesseln (Lamontkesselu. a.)


wird der Wasserumlauf durch eine Pumpe erzwungen.
Kessel dieser Bauarten sind schnell regelbar und schnell an- und
abzufahren. Sie eignen sich deshalb besonders für Spitzenkraftwerke,
werden aber auch in Grundlastkraftwerken mehr und mehr verwandt,
weil bei steigenden Dampfdrücken und -Temperaturen die Trommeln
der Trommelkessel nicht mehr herstellbar sind.
Der in den Kesseln erzeugte Dampf gelangt durch Rohrleitungen in
eine oder mehrere Sammelleitungen und von hier zu den Turbinen. Die
Rohrleitungen und Absperrschieber sind so anzuordnen, daß bei Aus-
fall oder Überholung eines Kessels, einer Rohrleitung, eines Schiebers
usw. möglichst nur die schadhaften Teile zur Abschaltung gelangen.
Abb. 22 zeigt die Schaltung der Dampfleitungen eines modernen Hoch-
druckkraftwerkes. Jeder
Turbine ist ein Kessel zu-
geordnet (Blocksystem).
Über eine Hilfssammel-
schiene kann jeder Kessel
auf jede Turbine und jede
Turbine auf jeden Kessel
geschaltet werden. Der in Abb. 22. Schaltung der Dampfleitungen in einem
modernen HD-Kraftwerk.
den Turbinen verarbeitete
Dampf wird in den Kondensatoren, die unmittelbar unter den Turbinen
angeordnet sind, niedergeschlagen (s. Abb. 23). Für die Kondensierung
sind große Kühlwassermengen notwendig, die am zweckmäßigsten aus
einem Fluß entnommen werden. Im Falle der Abb. I6 ist angenommen,
daß ein besonderes Kühlwasserpumpenhaus vorhanden ist, in dem das
augesaugte Kühlwasser, das durch mechanische Filter gereinigt wird,
mittels Pumpen durch die Kondensatoren der Turbinen gedrückt wird,
von wo aus es wieder dem Flußlauf zufließt.
Im Falle der Abb. 23 ist im Zugang zu den Kondensatoren a eine
durch ein Ventil b normalerweise abgeschlossene Auspuffleitung c vor-
gesehen. Steigt im Kondensator der Gegendruck (Kondensation arbeitet
nicht richtig) dann öffnet sich das Ventilbund die Turbine kann im Aus-
puffbetrieb mit stark verminderter Leistung und schlechtem Wirkungs-
grad arbeiten.
Der in den Turbinen zur Verarbeitung kommende Dampf führt einen
Kreislauf durch (s. Abb. 24). Das in den Kondensatoren niedergeschlagene
Kondensat wird durch Pumpen nach geeigneter Vorwärmung wieder in
den Kessel zurückgepumpt. In dem Schema (Abb. 24) ist eine 3stufige
Vorwärmung des Speisewassers durch Entnahmedampf eingezeichnet.
Diese mehrstufige Vorwärmung des Speisewassers durch Dampf, der
28 Kraftwerke

bereits Arbeit geleistet hat (Regenerativvorwärmung) ist eines der wirt-


schaftlichen Mittel, um den Prozeß-Wirkungsgrad zu heben. Zur Auf-
rechterhaltungdes Vakuums im Kondensator muß eine Luftabsaugung
vorgesehen sein. Die erforderlichen Apparate und Pumpen sind oft
im zwischen Kessel- und
Maschinenhaus gelegenen
Pumpen- und Verdamp-
ferraum untergebracht.
Da bei dem Kreislauf in-
folge Undichtheiten usw.
Wasser bzw. Dampf ver-
loren geht, muß der Ver-
lust, der mengenmäßig in
der Größenordnung von
0,5 bis 5% liegt, durch be-
sonderes Zusatzspeisewas-
ser stetig ersetzt werden.
Um schwerwiegende
Kesselschäden infolge von
Kesselsteinbildung zu ver-
meiden, muß dieses Zu-
satzspeisewasser einer
sorgfältigen Aufbereitung
unterzogen werden, indem
die im Wasser gelösten
Kesselsteinbildner wie
Kalzium, Magnesium und
Silizium möglichst restlos
entfernt bzw. unschädlich
gemacht werden. Diese
Aufbereitung kann ent-
weder auf thermischem
Wege durch Destillation
in besonderen Verdamp-
fern, wie im Schema
(Abb. 24) angedeutet, oder
auf chemischem Wege in
besonderen Reinigungs-
anlagen erfolgen. Auch Höchstdruckkessel von 120 atü und darüber
werden heute mit nur chemisch aufbereitetem Wasser betrieben; das
Aufbereitungsverfahren muß jeweils dem Rohwasser angepaßt werden.
Das so vorbehandelte Zusatzspeisewasser wird, bevor es in den Kreislauf
des Kondensators gebracht wird, noch einer Entgasung unterzogen,
Allgemeine Anordnung eines Da.mpfkra.ftwerkes 29

durch die eine möglichst restlose Beseitigung des im Wasser gelösten


Sauerstoffes bewirkt werden soll. Der Restsauerstoffgehalt des Speise-
wassers soll bei Hochdruckkesseln unter 0,02 mgfl liegen, da sonst
gefährliche Korrosionen auftreten können.
Die mit den Dampfturbinen unmittelbar g~kuppelten Generatoren
erzeugen eine Spannung, die in der Mehrzahl der Fälle in Transformatoren
hochgespannt werden muß. In unserem Beispiel (Abb.l6) ist ange-
nommen, daß die Transformatoren auf der einen Seite des Maschinen-
hauses in besonderen Kammern untergebracht sind. Oft findet man auch,
daß die Transformatoren im eigentlichen Schalthaus aufgestellt sind.

/Jom,o(kessel
mit
LujlyorwiiiYller
J'petSeJtUSSI!f'-JirJnttiim.
Kesselspeisepvmpe
J',oeisewosser-
Yorrotsbehöller
NischYOtwiiiYller
undEntguser
2. tJbedliidlen -
Vorwiirmer
7.tJbe~iidlen ---~------~~--J f
VorwiiiYller e:..--- ----1
Kil/JIJtUsserpumpe
'----------<& -----'
Kondensolpvmpe
Abb. 24. Dampf- und Kühlwasserkreislauf eines Kondensatlonskraftwerkes.

Das Schalthaus ist vom Maschinenhaus vollkommen getrennt. Diese


Trennung ist meistens notwendig, da die Fox:derung besteht, daß im
Schalthaus genügend natürliches Licht vorhanden sein muß und daß
die Apparate, Transformatoren usw. gut zugänglich sind und bequem
heran- und weggeschafft werden können. Würde z. B. das Schalthaus
unmittelbar an die Transformatorenkammern angrenzen, so wäre keine
einfache Transport- und Ausbaumöglichkeit für die Transformatoren
gegeben. Auch muß genügend Platz vorgesehen werden, um mit den
Leitungen abgehen zu können.
Dampfkraftwerke verfügen im allgemeinen über einen erheblichen
Eigenbedarf an elektrischer Energie, die am zweckmäßigsten in einem
besonderen Schalthaus verteilt wird, da sowieso die eigene Bedarfs-
spannung meist eine andere als die Spannung im eigentlichen Schalthaus
ist. Die Schaltanlage für den Eigenbedarf ist im vorliegenden Beispiel
auf der Rückseite des Kesselhauses vorgesehen, da dann die Kabel-
längen, die Hauptenergieverbraucher befinden sich im Kesselhaus, mög-
lichst klein werden.
30 Kraftwerke

Es sei betont, daß das gebrachte Beispiel keine allgemeine Gültigkeit


besitzt. Abb. 25a. zeigt z. B. den Aufriß eines Kraftwerkes. In einem
bestimmten Fall wird man sich bezüglich der Anordnung von Maschinen,
Kessel und Schalthaus immer den jeweiligen Verhältnissen anpassen

müssen und danach trachten, durch geschickte Anordnung mit den


Gesamtkosten der Anlage möglichst niedrig zu kommen. Ferner
muß man bei der Planung eines Kraftwerkes darauf achten, daß eine
spatere Erweiterung der Kessel- und Maschinenanlage möglich ist.
Für manche Untersuchungen ist die ungefähre Kenntnis der Kosten
eines Kraftwerkes wesentlich. Die Kosten hängen stark von der Leistung
Die Verbrennungsturbine 31
des Kraftwerkes ab und betragen auf Preisbasis 1955 je ausgebautes kW
bei einer Leistung von
1 000 kW etwa 1000,- DMJkW 25 000 kW etwa 500,- DMfkW
5 000 kW " 700,- DM/kW 50 000 kW " 470,- DMJkW
10 000 kW " 580,- DMJkW 100 000 kW " 450,- DM{kW
Die Kosten verteilen sich auf die einzelnen Anlageteile wie folgt:
für Gebäude einschließlich Fundament etwa . 20%
Kesselanlage etwa . . . . . . . . . . . . 30%
Turbinenanlage etwa . . . . • . . . . . 20%
Schaltanlage und Transformatoren etwa. . . 10%
Kühlwa.ssera.nlage, Bekohlung, Entaschung . 10%
Rohrleitungen., Behälter, Vorwärmer, Pumpen. 10%
Um Kraftwerke billig zu bauen, ist eine Normung der Drücke,
Temperaturen, Leistungen zweckmäßig. Als Kesseldrücke werden in
Deutschland folgende Richtwerte gewählt: 40, 64, 80, 125 atü. Die zu-
gehörigen Kesseltemperaturen sind: 450, 500 bis 530° C. Als Turbinen-
leistungsn konuilen 10 000, 20 000, 32 000, 50 000 und 100 000 kW in
Frage.
d) Die Verbrennungsturbine
Die Verbrennungsturbine ste;nt die schon seit Jahrzehnten erdachte
Ergänzung zur Verbrennungs-Kolbenmaschine dar; sie verbindet die
vorteilhaften Betriebsverhältnisse der letzteren - nämlich die unmittel-
bare Ausnutzung der Brennstoffwärme - mit der reinen Drehbewegung
einer Turbine.
Ausgehend vom Arbeitsverfahren ist zwischen Gas- und Luft-Turbine
zu unterscheiden. Die Gasturbine, die einen entscheidenden Vorspru11:g
in der praktischen industriellen Anwendung während des letzten Jah-
zehntes aufzuweisen hat, entnimmt die Brenn- und Kühlluft der Atmo-
sphäre und gibt die in ihr zu einem Teil ausgenutzten Gase an sie zurück.
Bei der Luftturbine wird Luft in einem Kreislauf geführt; dabei erfolgt
die Wärmezufuhr in einem Kessel und die Abfuhr der Wärme über
Kühlwasser. Die Gasturbine weist demzufolge den geringeren Aufwand
an Bauelementen auf; sie ist aber z. Zt. an den Betrieb mit gasförmigen
oder flüssigen Brennstoffen gebunden; in der einfachsten Ausführung
kann sie auf jegliches Kühlwasser. verzichten. Demgegenüber läßt die
Luftturbine auch die Verwendung fester· Brennstoffe zu; sie benötigt
aber Kühlwasser in einer Menge, die zwar geringer ist als diejenige einer
Dampfkraftanlage gleicher Leistung, die aber die Wirtschaftlichkeit der
Luftturbinen-Anlage empfindlich belastet.
Die kennzeichnendEm Elemente einer Gasturbinen-Aniage sind in
Abb.25b dargestellt. Es bedeuten 1. Luftverdichter, 2. Wärmetauscher,
3. Brennkammer, 4. Gasturbine, 5. Synchron-Generator.
32 Kraftwerke

Ohne hohen Aufwand können z. Zt. Gastemperaturen am Turbinen-


eintritt von 750° C zugelassen werden; bei gewissen Mineralölen muß
man sich mit 650° C begnügen, um außerhalb des Bereiches chemischer
Angriffe zu bleiben. Je nach Ausführung kann man den thermißchen
Wirkungsgrad einer Gastur-
bine zwischen 18 und 24%
wählen; da in ihr preisgünstige
Schweröle verarbeitet werden
können, vermag sie in der
Gesamtwirtschaftlichkeit mit
der Verbrennungs-Kolben-
maschine zu wetteifern, da
diese in der Brennstoffwahl
anspruchsvoller ist. Der Gas-
turbine gehörtdas Gebietmitt·
lerer Leistung zwischen etwa
Abb. 25b. Schema der Gasturbine (BBC). 1000 und 25 000 kW.

B. Wasserkraftanlagen
a) Allgemeines
Für die Elektrizitätsversorgung eines Landes war der Gedanke
immer verlockend, die verfügbaren Wasserkräfte auszunutzen, da deren
Energie unentgeltlich zur Verfügung steht. Es zeigt sich, daß der Ausbau
der in Deutschland vorkommenden Wasserkräfte meist ziemlich teuer ist
und die Kosten für das ausgebaute kW eines Wasserkraftwerkes wesent-
lich höher liegen als bei einem Dampfkraftwerk. Die hohen Anlagekosten
sind nicht nur durch den maschinentechnischen Teil, sondern vor allem
durch die notwendigen wasserbauliehen Arbeiten bedingt. Man wird da-
her nur dort Wasserkräfte ausbauen, wo infolge günstiger örtlicher Lage
mit mäßigen Anlagekosten zu rechnen ist. Aber auch in solchen Fällen
liegt, von Ausnahmen abgesehen, der Gestehungspreis eines Wasser·
kraftwerkes höher als eines Dampfkraftwerkes. Da jedoch bei Wasser-
kraftwerken .die Energie nichts kostet, kann trotzdem die Wasserkraft,
wie auf S. 51 gezeigt, wirtschaftlicher sein als die Dampfkraft.

b) Turbinen
Steht eine Wasserkraft mitQ m3 Wasser pro Sekunde (d. h. IOOOxQ
kgfsec), zur Verfügung und ist die ausnutzbare Fallhöhe H Meter, so
ergibt sich, wenn unter 'YJ der Wirkungsgrad der Wasserkraftmaschine
verstanden ist, die abgegebene Leistung in PS zu
N _ IOOOQH1J
PS- (2a)
75
Turbinen 33
Für Überschlagsrechnungen setzt man oft 'YJ = 0,75 und erhält dann die
einfache Formel
Nps= lOQH. (2b)
In Wirklichkeit ist der Wirkungsgrad moderner Wasserturbinen
wesentlich höher und beträgt etwa 85 bis 93%, wobei die höherenWerte
für große Leistungen gelten.
Die Wirkung der Wasserturbinen besteht darin, daß die potentielle
Energie des Wassers in einer Düse oder einem feststehenden Leitrad in
kinetische überführt wird und diese in einem Laufrad sich in mechanische
Energie umwandelt. Es stehen je nach Anforderung verschiedene Bau-
arten von Wasserturbinen zur Verfügung.

Abb. 26. VierdO:slge Doppel-Freistrahlturbine (Volth) B = 858,5; n = 375 U/mln; N = 524.00 PS-

Für mittlere und große Fallhöhen (von 400 m ab ausschließlich)


kommen Freistrahlturbinen zur Anwendung (s. Abb. 26). Bei dieser
Turbinenart wird die potentielle Energie des Wassers zunächst restlos
in kinetische umgewandelt, und zwar in Form eines aus einer Düse
heraustretenden Wasserstrahls, der auf die Schaufeln eines Laufrades
trifft und dort seine Geschwindigkeitsenergie in mechanische umwandelt.
Zur Regulierung der Turbine wird eine passend geformte Nadel mehr
oder weniger in die Düse hineingeschoben, wodurch die austretende
Wassermenge verändert werden kann. Die Turbine kann mit einer oder
mit mehreren Düsen ausgerüstet sein.
Bei mittleren Fallhöhen (bis etwa 350m) wendet man Francis-Tur-
binen an (s. Abb. 27). Bei dieser Ausführung ist das Laufrad von einem
Leitapparat umgeben, dem das Wasser spiralig zufließt. Im Leitapparat
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 3
34 Kra.ftwerke

befinden sich passend geformte Schaufeln, die je nach verlangter Beauf-


schlagung des Laufrades mehr oder weniger verdreht werden können
und dadurch den Durchflußquerschnitt verändern. Im Leitapparat wird
die potentielle Energie des Wassers teilweise in kinetische umgewandelt.
Darauf gelangt das Wasser mit einem gewissen Überdruck (Überdruck-
turbine) in das Laufrad und gibt hier seine Energie ab. Im Gegensatz
zur Freistrahlturbine, deren Umfang nur teilweise beaufschlagt ist, han-
delt es sich bei der Francis-Turbine um eine vollbeaufschlagte Turbine.

Abb. 27. Francis·Splralturbine (Volth). H =311m; Q = 20,35 m'/s; n = 500 U/min; N = 76000 PS.

Die Francis-Turbine kann in vertikaler und in horizontaler Anordnung


ausgeführt werden. Für sehr große Einheiten eignet sich gut die vertikale
Anordnung, bei der an Grundfläche gespart wird.
Bei niedrigen Fallhöhen bis etwa 50 m hat sich die Kaplan-Turbine
als günstigste Ausführung erwiesen. Der Leitapparat ist ähnlich ausge-
bildet wie bei der Francis-Turbine, dagegen besteht hier das Laufrad aus
einem Wenigflügeligen Propeller. Um den Wirkungsgrad- der Kaplan-
Turbine auch bei stark schwankendem Gefälle und bei Teilbelastung
günstig zu halten, werden nach den Vorschlägen von KAPLAN Leit-
schaufeln und Laufschaufeln drehbar ausgebildet. Eine solche Turbine
Turbinen 35
hat also eine Doppelregelung, und zwar werden die Schaufeln des Leit-
apparates und die des Laufrades gleichzeitig verdreht.
Die von Kaplan-Turbinen angetriebenen Generatoren werden vielfach
als Schirmgeneratoren ausgeführt, wobei Turbinenlaufrad und Generator-
läufer auf einer Welle sitzen, das Spurlager gewöhnlich auf dem Turbinen-

Abb. 28 . Kaplan·Turblne (Volth). Hmaa; = 40.m; n = 200 U/mln; N = 33800 PS.

deckel angeordnet und nur ein Halslager über Turbinenlaufrad und eines
unter dem Generatorläufer vorhanden ist.
Abb. 28 zeigt eine derartige Kaplan-Turbine mit Schirmgenerator.
Das Steueröl für die Verstellung des Laufrades wird durch das obere
Führungslager eingeführt. In der oberen Tragbrücke des Generators ist
ein Hilfsgenerator eingebaut, der den Enegerumformer speist.
Wir wollen jetzt eine Turbine betrachten, die bei einer Fallhöhe H 0
und einer Wassermenge Q0 die Drehzahl n 0 und die Leistung N 0 besitzt,
3*
36 Kraftwerke

und untersuchen, wie sich diese gleiche Turbine bei einer anderen Fall-
höhe H verhält. Da die Geschwindigkeit v (mfsec) des austretenden
Wassers nach Gesetzen der Mechanik
v=Jf2gH (3a)
ist (g = 9,81 mfsec 2), ergibt sich die neue Drehzahl n, da diese der Ge-
schwindigkeit proportional ist, zu

n = n0 Jf ~ . (3b)
Entsprechend findet sich für die hindurchtretende Wassermenge

Q = Qo Y;o . (3c)
Bei diesen Umrechnungen wird angenommen, daß der Wirkungsgrad
unverändert bleibt.
Da die Leistung proportional Q · H ist, ergibt sich für N

N=N0 ·;·V:.
0 0
(4)

Die Leistungseigenschaften einer Turbine hängen also von der Fallhöhe


Hab.
Um verschiedene Turbinen gut miteinander vergleichen zu können,
muß dies bei gleicher Fallhöhe geschehen. Man wählt hierfür die Größe
H = 1 m und bezeichnet die zugehörige Leistung, Drehzahl, Wasser-
menge mit NI> n1 und Q1 • Für beliebiges H gilt dann mit Rücksicht auf
Gl. (3b) bis (4)
n=n1 Jl"H, Q=QiyH, N=NrHJl"H. (5)
Um charakteristische Eigenschaften, z. B. die Sehnetläufigkeit einer
Turbine herauszuschälen, genügt es noch nicht, die Eigenschaften auf
die Fallhöhe von 1 m zu beziehen, sondern man muß noch eine gleiche
Leistungsbasis wählen und verlangen, daß die ideelle Vergleichsturbine
bei 1 m Fallhöhe die Leistung von 1 PS hat. Hat die betrachtete Turbine
bei 1 m Fallhöhe jedoch die Leistung NI> so muß man, um auf 1 PS zu
kommen, sich die Turbine geometrisch verkleinert denken, und zwar
um den Betrag 1JY N 1 • Dieser Verkleinerungsfaktor ergibt sich, da, um
auf 1 PS zu kommen, die Wassermenge und damit der Durchtrittsquer-
schnitt der Turbine mit 1JN1 abnehmen muß, die linearen Abmessungen
also mit der Wurzel aus dieser Größe. Da bei einer Fallhöhe von 1 m
die Geschwindigkeiten in der Turbine die gleichen bleiben, die linearen
Abmessungen mit 1/ffr abnehmen, muß die Drehzahl um den Betrag
yN 1 größer werden. Bezeichnet man die Drehzahl n 8 unserer ideellen
Lauf- und Speicherkraftwerke 37
Turbine, die als charakteristische Konstante unseres Turbinensystems
aufzufassen ist, als die spezifische, so gilt hierfür

n 8 =ndNI. (6)
Ersetzt man in dieser Gleichung die Werte n 1 und N 1 durch n und N
nach GI. (5), so findet man schließlich für n

n=n8 - -B·Vn (7)


fN
Ist die spezifische Drehzahl einer Turbinenart gegeben, so läßt sich bei
gegebener Fallhöhe und gegebener Leistung die notwendige Drehzahl n
der Turbine berechnen. Liegt dagegen umgekehrt die Drehzahl der Tur-
bine fest, so kann die spezifische Drehzahl der Turbine bestimmt werden.
Die spezifischen Drehzahlen der verschiedenen Turbinensysteme sind
bekannt, und zwar liegen dieselben je nach Konstruktion bei folgenden
Werten:
Freistrahlturbinen, 1 Düse, 1 Laufrad. 10-30
4 Düsen, 1 Laufrad . . . . . . -60
Fraucis-Turbinen . . . . . . . . . 70--450
Propeller- und Kaplan-Turbinen . . . 500-900
Da man aus wirtschaftlichen Gründen keine zu langsam laufende
Turbinen gebrauchen kann, wird man bei kleinen Gefällen Turbinen mit
großer spezifischer Drehzahl wählen, während bei größeren Gefällen,
bei denen eine Turbine sowieso rascher läuft, Turbinen mit kleiner
spezifischer Drehzahl genügen. Turbinen mit hoher spezifischer Drehzahl
hierfür zu wählen, hätte keinen Wert, da infolge der dann großen Strö-
mungsgeschwindigkeiten die Verluste zu groß und der Wirkungsgrad
zu schlecht würde.
Die größten bis jetzt gebauten Wasserturbinen haben eine Leistung
von etwa 180 000 PS.

c) Lauf- und Speicherkraftwerke


Bei Wasserkraftanlagen unterscheidet man zwischen Laufkraft- und
Speicherkraftwerken. Laufkraftwerke baut man dort, wo die zur Ver-
fügung stehende Kraft des Wassers unmittelbar in den Turbinen aus-
genutzt werden muß, andernfalls das Wasser ungenutzt abläuft. Die in
einem Fluß zur Verfügung stehende Wassermenge schwankt entspre-
chend den Jahreszeiten innerhalb eines Jahres; auch gibt es wasserreiche
und wasserarme Jahre. Man kann ein Laufkraftwerk für die kleinste zur
Verfügung stehende Wassermenge ausbauen, muß allerdings dann in
Zeiten, in denen mehr Wasser zur Verfügung steht, dieses unausgenutzt
ablaufen lassen, oder man kann es für die größte Wassermenge aus-
38 Kraftwerke

bauen, muß dann jedoch in Zeiten mit wenig Wasser einen Teil der
Maschinenanlage unausgenutzt lassen. Das wirtschaftliche Optimum wird
meist in der Mitte zwischen diesen beiden Extremen liegen.
Für eine Wasserkraft ist es mit Rücksicht auf den Elektrizitätsver-
brauch am günstigsten, wenn im Winter viel Wasser zur Verfügung steht.
Diese Forderung wird einigermaßen von Flüssen, die ihr Wasser aus dem
Mittelgebirge bekommen, erfüllt. Hier fallen in der kühlen Jahreszeit die
meisten Niederschläge, die in den· Flüssen ihren Abfluß finden. Anders
ist es bei Flüssen mit Zufluß aus dem Hochgebirge. Hier finden im Winter
zwar auch Niederschläge statt, jedoch in Form von Schnee, der erst bei
Beginn der wärmeren Jahreszeit schmilzt, so daß die Hochgebirgsflüsse
im Winter wenig, im Sommer dagegen reichlich Wasser führen.
Die einfachste Anordnung eines Laufkraftwerkes ergibt sich, wenn
ein Fluß mit genügendem Gefälle und steilen Ufern an geeigneter Stelle
gestaut wird. Abb. 29 zeigt schematisch ein solches Staukraftwerk. Man
sieht, daß Kraftwerk ebenso wie Stau-
werk quer in den Fluß hineingebaut
sind. Abb. 30a zeigt wie beispiels-
weise ein Laufkraftwerk mit Vertikal-
generatoren und Francis-Turbinen
beschaffen sein kann. Um billig zu
bauen, soll das Gebäude möglichst
niedrig sein. Die Höhe ist jedoch
Abb. 29. Schematische Darstellung
eines Laufkraftwerkes. durch die Krananlage bestimmt, mit
der man einen Maschinensatz ab-
montieren und über die anderen Generatoren wegschaffen können muß.
Die Generatoren sollen also so niedrig wie möglich sein. Man vermeidet
deswegen neuerdings den unmittelbaren Aufbau der Erregermaschine auf
dem Generator, da dies die Generatorhöhe vergrößert. Die getrennt
aufgestellten Erregergeneratoren können durch Getriebe angetrieben
oder als Erregerumformer ausgebildet sein (s. S. 97). Es kann zweck-
mäßig sein, die Schaltanl~:tge nicht unmittelbar mit dem Kraftwerk zu
vereinigen, sondern sie am Ufer zu errichten. Soll der Fluß schiffbar
sein, dann muß, wie in der Abb. 29 schematisch dargestellt, das Kraft-
werk durch einen kleinen Schiffahrtskanal mit Schleuse umgangen wer-
den. Zur Verbilligung des Wasserkraftwerkes kann man auf das
Maschinenhaus verzichten, falls man ein hochbauloses Kraftwerk aus-
führt (s. Abb. 30b).
Abb. 30c·zeigt ein "hochbauloses" Laufkraftwerk mit Kaplan-Turbine
und Freiluftgenerator in Schirmbauweise.
Neuerdings sind auch einige "überflutbare Wehrkraftwerke" mit
hydroelektrischen Einheiten, früher "Unterwasserkraftwerke" genannt,
gebaut worden. Diese Kraftwerke liegen im Stromstich des Flußmutter-
Lauf- und Speicherkraftwerke 39

bettes. Die gleich großen Maschineneinheiten sind in stetem Wechsel mit


den Leerschüssen im Wehrkörper über die ganze Flußbreite verteilt. Die
Achsen der sogenannten "Rohrturbinen" liegen in der natürlichen Fließ-

Abb. 30a. Schnitt durch ein Kraftwerk in Hochbauweise mit Francis·Spiralturbine (Voit h).
H = 311m; Q = 20,35m'fs; n = 500U/min; N= 76000PS.

richtung des Wassers. Die Turbinen werden als Propeller-Rohrturbinen


mit festen oder als Kaplan-Rohrturbinen mit verstellbaren Laufrad-
sc-haufeln ausgeführt. In die W11,sserführungsrohre der Turbine sind die
40 Kraftwerke

Gummidichtungen gegen
den Laufradkranz einge-
setzt. Wie Abb. 31 zeigt,
bilden Turbinenlaufrad und
Generatorpolrad konstruk-
tiv eine Einheit; der Stän-
der des "durchflossenen"
Generators unterscheidet
sich nur wenig von dem
einer normalen horizontalen
Maschine.
Eine Weiterentwicklung
der Rohrturbine bedeutet
die Lösung nach Abb. 3la.
Es handelt sich um eine
Kaplan-Turbine mit nahezu
geradem Saugrohr, die mit
einem wasserumflossenen
Generator über ein Plane-
tengetriebe gekuppelt ist.

Abb. 30b. Ansicht eines hochbaulosen


Kraftwerkes mit 6 Generatoren (BBC).

Abb. 30 c. Hochbauloses LaufkraftwPrk mit 4 Kaplan-Turbinen, Generatoren in Schirmbauweise.


H =11m; Q = 251,5 m'/s; n = 83,4 U/min; N = 32700 PS; Nmax = 34 800 PS.
Lauf- und Speicherkraftwerke 41
Der Generator ist in horizontaler oder etwas geneigter Bauart ausge-
führt; seine Kühlung erfolgt durch Luftkanäle, die durch den wasser-
durchströmten Ring-
raum geführt werden.
Diese neue Lösung
weist einen besseren
Wirkungsgrad auf als
die Rohrturbine mit
dem wasserdurchflos-
senen Generator und
ist über einen größe-
ren Fallhöhenbereich
anwendbar.
Falls das Uferge-
lände eines Flusses un-
geeignet ist, um ein
reines Staukraftwerk Abb. 31. Unterwasserkraft-Generator 2000 kVA,
zu bauen, muß man 3150 v, 214 Ufmin.

das Kraftwerk als Kanalkraftwerk ausführen. An geeigneter Stelle des


Flusses wird ein Stauwehr errichtet und das Wasser seitlich in den Ober-

/
wasserkanal, den man mit möglichst geringem Gefälle ausbildet, geleitet.
Den Abschluß des Oberwasserkanals bildet .daa :{{r.aftwerk, welches
42 Kraftwerke

das zwischen Ober- und Unterwasserkanal vorhandene Gefälle aus-


nutzen kann (s. Abb. 32). Um die Wasserkraft eines Gebirgsflusses
auszunutzen, wird es nicht immer möglich und zweckmäßig sein, das
Kraftwerk in den Fluß zu bauen oder einen Kanal vorzusehen. Man
wird in diesem Falle meistens durch einen Berg einen Wasserstollen
treiben müssen, der in einem
Wasserschloß endet. Von hier
aus wird das Wasser in Rohr-
leitungen dem Kraftwerk zu-
geführt (s. Abb. 33).
Abb. 32. Schematische Darstellung eines
Laufkraftwerkes mit OberwasserkanaL Günstige Verhältnisse für
die Elektrizitätserzeugung liegen
vor, .wenn ein hochgelegener See mit Zu- und Abfluß vorhanden ist.
Sperrt man den Abfluß aus dem See ganz oder teilweise ab und führt
das Wasser durch Stollen und Rohrleitungen zum Kraftwerk und erst
von hier aus in den Unterlauf des Abflusses, so erhält man ein Speicher-
kraftwerk (s. Abb. 34). Im Gegensatz zu
einem Laufkraftwerk braucht das zuflie-
ßende Wasser nicht unmittelbar ausgenutzt
zu werden, vielmehr kann man es in Zeiten
schlechter Belastung in dem Speichersee
ansammeln. Dafür kann zu Zeiten erhöhten
Energiebedarfs mehr Wasser aus dem Spei-
!~n~s3~0~~~;~c~~~~~!;~~t:1:::rl eher entnommen werden als dem normalen
Wasserzuführung durch Stollen. Zufluß entspricht. Je nach der Größe des
Speicherbeckens unterscheidet man zwischen Jahres-, Monats-, Wochen-
und Tagesspeicher. Da bei solchen Speicheranlagen bezüglich der Ver-
wendung des Wassers größere Freiheit besteht, eignen sich solche
Anlagen gut zur Spitzendeckung. Da bei solchen Spitzenbetrieben -der
Abfluß des Wassers
sehr starken Schwan-
kungen ausgesetzt ist,
wird man mit Rück-
sicht auf die Anlieger
am Unterlauf des Flus-
ses ein Ausgleichbecken
Abb. 34. Schematische Darstellung einer Speicherkraftwerkes. anbringen. Bei solchen
Speicheranlagen, wie
allgemein bei Hochdruckanlagen, muß man am Ende des Wasser-
stollens vor Beginn der Rohrleitungen ein Wasserschloß vorsehen. Dies
ist ein Ausgleichsbehälter, in welchem, für den Fall, daß das Kraftwerk
seine Turbinen abstellt, das durch den Stollen noch nachströmende
Wasser emporsteigen kann. Hierdurch können unzulässige Druck-
Der Belastungsfaktor 43
steigerungen vermieden werden. Kraftwerke in Verbindung mit Tal-
sperren können ebenfalls als Speicherkraftwerke aufgefaßt werden (siehe
s. 55).
Da die Regelorgane bei Wasserturbinen bei plötzlichen Belastungs-
änderungen nicht so schnell arbeiten können wie bei Dampfturbinen,
müssen die Turbinen oder meistens die Generatoren mit genügend großer
Schwungmasse gebaut werden. Da ferner damit gerechnet werden muß,
daß bei voller Entlastung die Absperrorgane der Turbine möglicherweise
nicht schließen, z. B. infolge Versagens des Reglers, kann der Generator
hohe Drehzahlen, etwa das Zwei- bis Dreifache der Nenndrehzahl, an-
nehmen. Wasserkraftgeneratoren müssen also je nach Turbinen- und
Regelsystem diese Überdrehzahlen mechanisch aushalten können.
Im Gegensatz zu Dampfkraftanlagen, bei denen die Anlagekosten
ziemlich unabhängig von dem Ort des Kraftwerkes sind, hängen die
Kosten von Wasserkraftwerken weitgehend von den örtlichen Verhält-
nissen ab. Die Kosten (1955) für vollständige Wasserkraftwerke liegen
bei reinen Hochdruckanlagen etwa in der Größenordnung von 1500,-
bis 2000,- DM je ausgebautes kW, bei Niederdruck- und Talsperren-
anlagen von 1000,- bis 1500,- DM.

C. Der Einfluß des zeitlich veränderlichen Verbrauchs


auf die Kraftwerke 1
a) Der Belastungsfaktor
Untersucht man für ein gegebenes Versorgungsgebiet den Verbrauch
an elektrischer Energie, so findet man, daß dieser zeitlich nicht konstant
ist, sondern starken Schwankungen unter-
liegt. Trägt man in Abhängigkeit der Zeit ~
für einen Tag den jeweiligen Verbrauch in 't:
k W auf, so ergibt sich ein Leistungsschau-
bild entsprechend Abb. 35. Die größte
LeistungsspitzeS ist dabei wesentlich größer
als die mittlere Belastung Nm des Werkes.
Die insgesamt am Tag abgegebene elek-
trische Arbeit in kWh istF (kWh) und gleich
dem Inhalt der von der Leistungskurve be- lf. 8

grenzten Fläche. Die mittlere abgegebene Abb. 35. Verlaufdes Elektrizitäts·


verbraucheswährend eines Tages.
Leistung Nm ist also
Nm=~, (8)
d. h. gleich der insgesamt abgegebenen kWh-Zahl geteilt durch die Zahl
der Stunden.
1 Sfehe auch SoHNJ!1IDER: Elektrische Energiewirtschaft. Berlirr: Springer 1936.
44 Kraftwerke

Ein Maß für die Art der Belastung ist der Belastungsfaktor m, der
sich aus dem Verhältnis von mittlerer Leistung zur Spitzenleistung ergibt.

(9)

Es ist für ein Kraftwerk ungünstig, wenn der Belastungsfaktor klein ist,
denn das Kraftwerk muß für die SpitzenleistungS ausgebaut sein und
100 leistet trotzdem nicht mehr als z. B.
% a ein ideal belastetes Kraftwerk, welches
nur eine ausgebaute Leistung Nm hat,
jedoch den ganzen Tag über voll aus-
genutzt wird. Da die Kosten für die
kWh nicht nur durch den Brennstoff-
verbrauch gegeben sind, sondern einen
recht beachtlichen Teil enthalten, wel-
cher von der Verzinsung und Abschrei-
bung des Anlagekapitals herrührt, kann
100
% b ein Kraftwerk den Strom um so billiger
liefern, je größer der Belastungsfaktarm
ist, d. h. aber, je besser die ausgebaute
Leistung des Werkes ausgenutzt wird.
In der Abb. 36 sind für drei ver-
schiedene Fälle die Belastungskurven
aufgezeichnet. Abb. 36a zeigt die Be-
lastungskurve einer kleineren Stadt,
in der grpßere Industrie nicht vor-
100
% c handen ist, als Stromabnehmer also
nur kleine handwerkliche Betriebe und
größtenteils Haushaltungen (Lichtlast)
in Frage kommen. Die obere Kurve zeigt
die Belastung für den ungünstigsten
Wintertag mit der größten Spitze, die
unterste Kurve dagegen die für den
8 13 16 30 3 ,h Tag kleinster Leistung im Sommer. Es
Abb. 86a-c. BelastllJigskurven filr eine ist noch eine mittlere Kurve eingazeich-
kleinere Stadt(a),einlndustrie!JesWerk(b), net, welche für Frühjahr und Herbst
ein gröBeres Gebiet (c).
gilt. Infolge der vorherrschenden Licht-
belastung ist an diesen Kurven die ausgeprägte Spitze in den Abend-
stunden im Winter und die geringe Belastung im Sommer kennzeich-
nend. Es handelt sich hier wegen der starken Spitzenbelastung um eine
für ein Elektrizitätswerk ungünstige Belastungskurve.
Abb. 36b zeigt die Belastungskurven für ein Industriewerk, und zwar
ebenfalls für Sommer und Winter. Da hier die Lichtbelastung wenig aus-
Der Belastungsfaktor 45
macht, sind die Kurven für Sommer und Winter nicht allzusehr ver-
schieden. An Sonn- und Feiertagen allerdings ist hier die Belastung sehr
klein. Der Belastungsfaktor eines solchen Kraftwerkes ist besser als bei
einem Werk, welches vorwiegend der Lichtstromerzeugung dient.
Um den Belastungsfaktor m eines Kraftwerkes zu verbessern, ist es
günstig, größere Versorgungsgebiete zusammenzufassen und von einem
einzigen oder einigen Kraftwerken aus zu speisen. Die Ausnutzung des
einzelnen Werkes wird dann besser, denn in einem solchen größeren Be-
zirk kommt die Belastung für Licht, Industrie und landwirtschaftliche
Zwecke zusammen. Da die Einzelspitzen nicht alle zeitlich zusammen-
fallen, wird die Kraftwerksspitze kleiner als die Summe der Einzel-
spitzen, der Belastungsfaktor somit auch günstiger.
Folgende Aufstellungl, die innerhalb eines größeren Versorgungs-
gebietes gemacht wurde, zeigt, wie der Belastungsfaktor steigt, falls
Elektrizitätsversorgungen zusammengefaßt werden:
Belastungsfaktor m in %:
Dörfer. . . . 7% 1 Provinz . 42%
Kleinstädte . . . 14% 3 Provinzen . 46-50%
Landkreise . . . • 25%
Die Zusammenstellung zeigt, daß bei Zusammenfassung von kleineren
Versorgungen der Belastungsfaktor stark ansteigt, daß jedoch die Ver-
besserung des Belastungsfaktors, wenn größere Versorgungsgebiete
zusammengeiaßt werden, im allgemeinen nicht mehr so beträchtlich ist.
In Abb. 36c ist die Belastung eines solchen größeren Überlandwerkes
dargestellt. Sie ist verhältnismäßig günstig, denn die Belastungskurven
für Sommer und Winter weichen nicht in dem Maße voneinander ab
wie z. B. im Falle der Abb. 36a.
Da die Belastung eines Versorgungsgebietes auch von den einzelnen
Jahreszeiten abhängig ist und sich erst nach einem Jahr wiederholt
(vorausgesetzt, daß keine Verbrauchssteigerung vorhanden ist), muß man
eigentlich 365 Tagesbelastungskurven für die Beurteilung zugrunde legen.
Für viele Überlegungen und Rechnungen ist es günstiger, nicht mit den
Tagesbelastungskurven, sondern mit der Jahresbelastungskurve zu ar-
beiten. Man trägt in Abhängigkeit der Zeit (in Stunden gemessen) auf,
wieviel Stunden jede Leistung im Jahr vorkommt. Fängt man dabei
mit der größten Leistung, d. h. in den meisten Fällen mit der Winter-
spitze an und trägt dann die immer kleiner werdenden Leistungen sinn-
gemäß an, so erhält man eine geordnete Jahresbelastungskurve gemäß
Abb. 37. Die Länge der Abszisse ist gleich der Stundenzahl eines Jahres,
also gleich 8760 Stunden. Die schraffierte Fläche F stellt die gesamte

1 WARRELMANN: Neue Wege der Energieversorgung. Elektrizitätswirtsch.


Bd. 34 (1935) S. 681.
46 Kraftwerke

in einem Jahr abgegebene Zahl an kWh dar. Die mittlere Belastung


Nm ist
(10)
und der Belastungsfaktor
(11)

Es hat sich in Deutschland eingebürgert, nicht nur mit dem Belastungs-


faktQr m, sondern auch mit der Benutzungsdauer k (s. Abb. 37) zu rech·
nen. · Man versteht unter k die Stundenzahl, während der eine Leistung
gleich der Leistungsspitze S vom Kraftwerk abgegeben· werden müßte,
um die tatsächlich pro Jahr gelieferte Arbeit
von F (kWh) zu erzeugen. Es ergibt sich also
F
h= 8 (12)
Unter Benutzung der GI. (11) kann man auch
schreiben:
k=m8760. (13}
Die Benutzungsdauer bei kleineren Städten
beträgt etwa 1200 bis 2000 Stunden, bei Groß-
Abb. 37. Geordnete Belastungs- städten 2000 bis 3500 Stunden und bei Groß-
kurve. versorgungen 3500 bis 5000 Stunden. Gelegent-
lich kann die Zahl der Benutzungsstunden noch größer sein, falls z. B.
chemische Industrie angeschlossen ist, die Strom für Prozesse benötigt,
die entweder dauernd eingeschaltet sind oder eingeschaltet werden, wenn
das Kraftwerk schlecht belastet ist.

b) Die Maschinenreserve
Es genügt nicht, ein Werk für die größte im Jahr auftretende Lei-
stungsspitze S auszubauen, sondern man muß berücksichtigen, daß in-
folge Oberholung oder Reparatur ein Maschinensatz ausfallen kann,
also eine Reserve zur Verfügung stehen muß. Die ausgebaute Leistung
Na (s. Abb. 38) wird damit größer als die Spitzenleistung S, und zwar
um den Reservefaktor r
Na
r=s· (14)

Die ausgebaute Maschinenleistung muß außerdem größer als die Spitzen-


leistung sein, denn durch äußere, nicht vorauszusehende Ereignisse kann
der Strombedarf ansteigen, so daß die zu erwartende Spitze überschritten
wird. Im allgemeinen dürfte ein Reservefaktor von etwa 1,25 bis 1,3
genügen. Bei Großversorgungen kann er etwas kleiner sein. Es ist nicht
notwendig, daß jedes Kraftwerk seine eigene Reserve besitzt. Sind
Die installierte Verbraucherleistung 47
mehrere Kraftwerke durch Leitungen miteinander verbunden, so kann
z. B. ein Kraftwerk vollkommen ohne Reserve fahren, vorausgesetzt,
daß im Falle eines Maschinenschadens es die dann fehlende Leistung
von einem anderen Kraftwerk beziehen kann. Solchermaßen verfährt
man vor allem bei Wasserkraftwerken, sowie auch bei hochwertigen
Dampfkraftwerken, also bei Werken mit hohen
Anlagekosten. Hier verzichtet man oft auf die Auf-
stellung einer Reserve und sieht dieselbe in einem
Kraftwerk mit weniger teuren Maschinenanlagen vor.
Ältere Kraftwerke, welche nicht so wirtschaftlich
arbeiten wie moderne, werdenoft mit ihren Maschinen
für den Reservedienst gebraucht.
Gelegentlich findet man noch den Begriff des
Ausnutzungsfaktors n, bei dem man die mittlere
im Jahr abgegebene Leistung Nm auf die tatsächlich
ausgebaute Leistung Na bezieht, also

(15)

oder unter Benutzung von GI. (9) und (14)


m
n=-.
r
(16)

Es sei erwähnt, daß man neuerdings oft die Be-


nutzungsstundenzah l nicht auf die Jahresspitze,
sondern auf die ausgebaute Leistung Na bezieht.
Abb. 38. Bildliehe Dar-
Diese Benutzungsstundenzahl h' ist dann gleich stellung der Leistungs-
spitze S, der Ausbau-
leistung Na und des
h' = n · 8760. (17) Anschlußwertes A.

c) Die installierte Verbraucherleistung


Die tatsächliche bei den Verbrauchern installierte Leistung A (in
kW) ist wesentlich größer als die ausgebaute Kraftwerksleistung, denn
die eingebauten Lampen, Motoren usw. sind nie alle gleichzeitig im Be-
trieb. Zur Zeit der Spitze sind beispielsweise nur 20%, auch 30% der
installierten Verbraucherleistung an der Abnahme beteiligt. Man erfaßt
diese Verhältnisse durch den Gleichzeitigkeitsfaktor g.
s
g = A. (18)

Die Abb. 38 zeigt bildlich die Größe von N m• S und Na gegenüber


der Größe der Anschlußleistung A. Es ist für ein Elektrizitätswerk
günstig, wenn der Gleichzeitigkeitsfaktor klein ist, d. h. wenn die Strom-
verbraucher möglichst zu verschiedenen Zeiten ihren Strom beziehen.
48 Kr!!oftwerke

d) Der Einfluß der Benutzungsdauer auf den Preis der kWh


Um den Einfluß der Benutzungsdauer auf die Wirtschaftlichkeit, d. h.
in diesem Fall auf den Strompreis, festzustellen, sei eine kurze Rechnung
angestellt.
Der Gestehungspreis des Stromes ab Kraftwerk wird durch den zur
Stromerzeugung notwendigen Aufwand bestimmt. Die Kosten hierfür
setzen sich aus einem von der Belastung des Werkes unabhängigen An-
teil, den festen Kosten, und einem belastungsabhängigen Teil, den ver-
änderlichen Kosten, zusammen. In ersterem befinden sich vor allem die
Kosten für das Kapital, für die Wartung des Kraftwerkes, für die Ab-
schreibung von Gebäuden und Maschinen. Im belastungsabhängigen
Kostenanteil treten in erster Linie die Kosten für den Brennstoff auf.
Die Anlagekosten pro kW ausgebauter Kraftwerksleistung betragen
a DM. Wird das Kraftwerk für die Leistungsspitze S ausgebaut (von
der Reserve sei in diesem Beispiel abgesehen), so kostet das Kraftwerk
S a DM. Dieser Betrag muß verzinst und abgeschrieben werden, ferner
müssen die Kosten für Reparaturen und Bedienung Berücksichtigung
finden. Man setzt diese im Jahr anfallenden Kosten proportional dem
Anlagekapital und bezeichnet diesen Proportionalitätsfaktor mit p. Die
jährlichen für Kapital, Abschreibung usw. aufzuwendenden Kosten, also
die festen Kosten, betragen
Kt= SapDM. (19)
Um eine kWh zu erzeugen, ist ein Aufwand von b DM für Brennstoff
notwendig. Ist die Benutzungsdauer des Kraftwerkes im Jahr h Stun-
den, so sind die auftretenden jährlichen veränderlichen Kosten
Kv = bhS. (20)
Hieraus ergeben sich die in einem Jahr anfallenden Gesamtkosten zu
K = Kt+ Kv= Sap+ bhS.
Bezieht man diese Kosten .auf 1 kW ausgebaute Leistung, so sind die
jährlichen Kosten
(21)

Da im Jahr hS kWh erzeugt werden, sind die Gestehungskosten für die


abgegebene kWh
(22)

Diese Gleichurig zeigt, daß die Kosten für die erzeugte kWh um so nied-
riger sind, je größer die Benutzungsdauer h des Kraftwerkes ist.
Um einen Überblick über die tatsächlichen Größenverhältnisse zu
erhalten, sei in großen Zügen ein Beispiel durchgerechnet. Es handle
Der Einfluß der Benutzungsdauer auf den Preis der kWh 49
sich um ein grÖßeres Dampfkraftwerk auf Steinkohlenbasis mit 3 Tur-
bogruppen von je etwa 100 MW, bei dem die Kosten pro ausgebautes kW
auf Preisbasis 1955 a = DM 420,- betragen sollen. Für Verzinsung,
Abschreibung usw. seien pro Jahr 16% aufzuwenden. Es ist als p =
0,16.
Dabei setzt sich p z. B. wie folgt zusammen:
Jährlicher Kapitaldienst bei 7,5% Zinssatz und 20 Jahren Ab-
schreibungszeit . . . . • . . • . 9,8%
Reparaturen usw. . . . . . . . . . 3,0%
Verwaltung, Bedienung usw. . . . . 2,3%
Versicherung, Steuern und Abgaben . 0,9%
zusammen 16,0%
Die reinen Brennstoffkosten pro k Wh seien
b = 0,025DMJkWh.
Dieser Betrag kann näherungsweise wie folgt berechnet werden.
Werden z. B. im Mittel für eine kWh 2500 kcal gebraucht, so entspricht
dies, falls die Kohle einen Heizwert von 7000 kcaljkg hat,
2500
7000 = 0,356 kg Kohle.
Kostet die Tonne Kohlen einschließlich Transport DM 70,-, so ist also
b = 0 •356 . 70 = 0 025 DMJ.kWh
1000 ' •
s
K
= 420. 0,16 + 0,025 h = 67,2 + 0,025 h
Die Kosten für die abgegebenen kWh ergeben sich nach GI. (22) zu
k = 67 •2
h
+ 0' 025
Die Jahreskosten für ein kW ausgebaute Kraftwerksleistung und der
Preis pro erzeugte kWh sind in Abb. 39 und 40 in Abhängigkeit der Be-
lastungsdauer h aufgetragen. Die Abb. 39 zeigt, daß bei kleiner Be-
lastungsdauer die Kapitalkosten ap überwiegen, während bei größerer
Belastungsdauer die eigentlichen Stromkosten bh stärker ins Gewicht
fallen. Wenn ein Elektrizitätswerk billigen Strom erzeugen soll, so ist
nach Abb. 40 notwendig, daß die Zahl der Benutzungsstunden h bzw.
der Belastungsfaktor m möglichst hoch ist.
Wir wollen uns jetzt vorstellen, daß für ein gegebenes Versorgungs-
gebiet, dessen Spitze in kW mit S und dessen Belastungsdauer mit h
Stunden angenommen sei, ein Kraftwerk gebaut werden soll. Man kann
ein Kraftwerk bauen, das einen möglichst kleinen Energieverbrauch hat,
wobei allerdings die Anlagekosten meistens hoch sind oder man kann
ein Kraftwerk billig bauen, das dann im allgemeinen wieder höhere
Energiekosten hat. Um krasse Verhältnisse zu schaffen, sei das eine Mal
Buchhold/Happoldt, Elektrlsche Kraftwerke, 3. Auf!. 4
50 Kraftwerke

ein Wärmekraftwerk mit den Daten des vorhergehenden Beispiels und


das andere Mal ein Wasserkraftwerk untersucht, bei dem die Anlage-
kosten verhältnismäßig hoch, die reinen Energiekosten für den Strom
jedoch praktisch Null sind. Es sei untersucht, unter welchen Bedin-
gungen das eine bzw. das andere Kraftwerk vorzuziehen ist. In Abb. 41
und 42 sind die Kurven aus den Abb. 39 und 40 für das Wärmekraftwerk
nochmals eingetragen. Die Kurven für das Wasserkraftwerk müssen
noch ermittelt werden. Die Kosten pro ausgebautes kW betragen in

DM/li w V
V
/ Dpf/11
JMj
tiJfl / 70
/
/ 1\
9
V \
/ G \
11Jfl / [\.
L r.......
k'-- -- - ---- ~
-- -- -- r-....
f-- 1-- - -- - -- - -- f--

0 1/fl(J(J fj{/{}(J 9tn7 9767ih. 0


Abb. 39. Jährliche Kosten pro kW ausgebaute Abb. 40. Preis der kWh in Abhängigkeit
Kraftwerksleistung in Abhängigkeit der Benutzungsstunden.
der Benutzungsstunden.

unserem Falle bei einem Wasserkraftwerk a = 1400 DM, das Kapital sei
mit p=0,12 (einschließlich Abschreibungen, Reparaturen, Bedienung
usw .) zu verzinsen. Der Faktor p ist bei dem Wasserkraftwerk niedriger
eingesetzt als bei dem Dampfkraftwerk, denn die Lebensdauer eines
Wasserkraftwerkes liegt wesentlich höher als die eines Dampfkraftwerkes.
Damit erstreckt sich aber auch die Abschreibung des Kraftwerkes über
einen größeren Zeitabschnitt, was eine Verkleinerung des Abschreibungs-
faktors mit sich bringt. Der Faktor p setzt sich in unserem Beispiel aus
folgenden Einzelfaktoren zusammen:
Jährlicher Kapitaldienst bei 7,5% Zins und 40 Jahre Abschrei-
bungsdienst . . . . . . 8%
Reparaturen usw. . . . . . . . . . . . 2%
Verwaltung, Bedienung usw . . . . . . • . . . . . . . 2%
-~:.......
zusammen 12%
Der Einfluß der Benutzungsdauer a.uf den Preis der kWh 51
Die jährlichen festen Kosten pro ausgebautes kW betragen also

sK = 1400 · 0,12 = 168 DM.


Besondere Kosten für die Stromerzeugung, also veränderliche Kosten,
sind infolge der Wasserkraft nicht aufzubringen. Trägt man in Abb. 41
im Abstand 168 eine Horizontale auf, so wird die Kurve für das Dampf-
kraftwerk bei 4030 Benutzungsstunden geschnitten. Ist d,i.e Benutzungs-
dauer k des Versorgungsgebietes größer als 4030 Stunden, dann ist, wie

DM/kw )1'
I'
11
~~ Dpf/11-~\
I

: wP 70
J
nH~
r--)'f'
- Wosserxrtrll ' /
8
/ «:;?- -
~
s..,., ~{
a
/ ~~
~
6' \
J ·~ i\. \

-
1QO t:'l!i
~ ~

-
/

"
'
L -- --
~
~~ -
1:!~ - :=_ko-'109011.---<
I
.........
I-- -
w~ I II
0 6DflfJ 'IOfJJ 6'DflfJ UDflfJ U7&ih, 0

Abb. 41. Vergleich der jährlichen Kosten pro kW· Abb. 42. Vergleich der Kosten der kWh zwischen
ausgebaute Kraftwerksleistung zwischen einem einem Dampfkraft· und einem Wasserkraftwerk
Dampfkraft- und einem Wasserkraftwerkin ln Abhängigkelt der Benutzungsstunden.
Abhängigkelt der Benutzungsstunden.

Abb. 41 zeigt, das Wasserkraftwerk vorzuziehen, ist dagegen die Zahl


der Benutzungsstunden kleiner als 4030 Stunden, so ist das Dampfkraft-
werk das wirtschaftlichere. In Abb. 42 sind nochmals die Kosten für die
abgegebene kWh aufgezeichnet; der Schnittpunkt der Kurven ergibt
ebenfalls 4030 Stunden.
Die Benutzungsdauer k0 = 4030 sei im folgenden als die Grenz-
benutzungsdauer für die Wirtschaftlichkeit der beiden Kraftwerke be-
zeichnet. Wir wollen eine allgemeine Beziehung für k0 bei zwei Kraft-
werken I und li aufstellen. Für das Kraftwerk I gilt nach GI. (22)

(23a)
4*
52 Kraftwerke

und für das Kraftwerk II


(23b)
Um die Grenzbenutzungsdauer h0 zu finden, bei der die Wirtschaftlich-
keit beider Kraftwerke gleich ist, setzen wir k 1 = k2 und erhalten
~Pt+ b - aaPs+ b (24)
ho 1 - ho 2'

Nach kleiner Umformung ergibt sich für die Grenzbenutzungsdauer


h _ al P1- a• Ps (25)
0- b.- bl •

Auf Grund der Kapital- und Energiekosten kann also bei gegebener
Benutzungsdauer stets festgestellt werden, welcher von zwei Vorschlägen
der günstigste ist.

e) Spitzen- und Grundlastkraftwerke 1


Der Leistungsbedarf für ein Versorgungsgebiet sei durch die Jahres-
belastungskennlinie der Abb. 43 gegeben. Es bestehe die Möglichkeit,
die geforderte Energie durch ein
Kraftwerk, als auch durch zwei
Kraftwerke zu erzeugen, wobei dann
das eine Kraftwerk I kleine Kapital-
kosten, jedoch höhere Brennstoff-
kosten und das Werkii höhere Kapi-
talkosten, jedoch niedrige Brenn-
stoffkosten haben soll. Es sei unter-
sucht, welche Lösung die günstigere
ist und wie, falls· zwei Kraftwerke
tooo 11000 notwendig sind, die Leistung auf die
Abb. 43. Aufteilung einer geordneten Belastungs- beiden Kraftwerke verteilt wird. Wir
kurve auf zwei Kraftwerke. k""onnen nach GI. (25 ) , f alls uns die
Anlagekosten und Brennstoffkosten der beiden Kraftwerke bekannt sind,
zunächst die Grenzbenutzungsdauer h0 für die Kraftwerke ermitteln.
Wir ziehen in der geordneten Belastungskennlinie der Abb. 43 eine
Hmizontale in solcher Höhe, daß der herausgeschnittene Abschnitt ge-
rade gleich der Grenzbenutzungsdauer h0 ist und behaupten, daß
die größte Wirtschaftlichkeit dann vorhanden ist, wenn das Werk II
für eine Leistung N 2 und das Werk I für eine Leistung N 1 ausgebaut wird.
Die gesamte Leistung bis zur Größe N 2 , also die Grundlast, wird vom
Werk II, das also Grundlastwerk ist, geliefert und erst, wenn die ver-
langten Leistungen größer als N 2 sind, tritt das Werk I als Spitzen-
1 KROHNE: Die wirtschaftliche Erzeugung der elektrischen Spitzenkraft.
Berlin: Springer 1929.
Spitzen- und Grundlastkraftwerke 53
kra.ftwerk in Tätigkeit. Daß diese Lösung die wirtschaftlichste ist, geht
aus folgender Überlegung hervor. Nehmen wir z. B. an, das Grundlast-
+
werk wäre für die Leistung N 2 LJ N ausgebaut, während das Werk I
jetzt nur eine Ausbaugröße von N 1 - LJ N hat. Das Kraftwerk II hat
also den schraffierten Streifen an kWh mehr und das Kraftwerk I dagegen
weniger zu liefern. Da für den schraffierten
Bereich die Benutzungsdauer kleiner als
die Grenzbenutzungsdauer h0 ist, wird das Q..
Werk II die schraffierten kWh nur zu
einem höheren Preis als das Werk I liefern
können. Es wird also eine Verteuerung
der Gesamterzeugung eintreten. Genau so
läßt sich zeigen, daß ebenfalls eine Ver-
teuerung eintritt, wenn Na um L1 N ver-
kleinert, N 1 dagegen um LJ N vergrößert Abb. 4.4.. Aufteßung der geordneten
wird. Die kleinsten Kosten sind also tat- Jahresbelastungskurve auf
drei Kraftwerke.
sächlich vorhanden, falls zwei Werke ge-
wählt werden und das Werk II als Grundlastwerk für die Leistung Na
und das Werk I als Spitzenwerk für die Leistung N1 ausgebaut wirdl.
Die oben gebrachten Überlegungen gelten allgemein und man könnte
statt 2 auch 3 oder 4 verschiedenartige Kraftwerke bauen und die Aus-
bauleistung nach Abb. 44 sinngemäß entspre- BI'Umllosfwel'lr Gruntllusfwl!l'lr
chend den Grenzbenutzungsdauern h011 II und '{Jihen-
h0 mrrr bestimmen. Man darf jedoch die Unter- losfwerlc

teilung nicht derart weit treiben, daß die


Kosten der Kraftwerke pro ausgebautes kW
Hoc/!sponnungSo
wegen der jetzt kleineren Leistungen beacht- Ieitung
lich ansteigen.
Es sei wieder der Fall eines Grund- und
eines Spitzenkraftwerkes untersucht und ange-
nommen, daß die Kraftwerke an der Fund-
stelle der Kohle, die jedoch eine gegebene Ent- 8 Spihentsfwer.f
fernung von dem eigentlichen Versorgungs- Abb. 45au. b. Stromtransport
gebiet besitzt, errichtet werden können. Ordnet fibereine Hochspannungsleitung.
a Grundlastwert und Spitzenlast-
man beide Kraftwerke an der Fundstelle an, werk an der Fundstelle der Kohle,
b Grundlastwerk an der Fundstelle
dann muß (s. Abb. 45a) die Energie mit einer der Kohle, Spitzenlastwerk 1m
Hochspannungsleitung dem Versorgungsgebiet Verbraucherschwerpunkt.
zugeführt werden. Man hat jedoch auch die Möglichkeit, das Spitzen-
kraftwerk im Versorgungsgebiet anzuordnen (s. Abb. 45b). Letztere
Anordnung ist meist die günstigere, denn die Hochspannungsleitung kann
jetzt schwächer bemessen sein, da sie nur die Grundlast zu führen hat.
Tatsächlich sind die Verhältnisse verwickelter, so daß noch ergänzende 'Ober-
legungen angestellt werden müssen.
54 Kraftwerke

Die Spitzenleistung ebenfalls über die Hochspannungsleitung zu über-


tragen, wie in der ersten Anordnung vorgesehen, bringt einen Ausbau der
Leitung auf diese Leistung und damit eine wesentliche Verteuerung mit
sich. Dieser Mehraufwand ist in den meisten Fällen nicht gerechtfertigt~
da die Spitze nur kurzzeitig auftritt und die Leitung somit in der übrigen
Zeit nicht dem Ausbau entsprechend ausgenutzt wird. Wird das Spitzen-
kraftwerk im Schwerpunkt des Versorgungsgebietes angeordnet, so steigen
zwar die reinen Brennstoffkosten infolge des Kohlentransportes etwas an.
Diese Verteuerung ist jedoch meist, weil nur eine verhältnismäßig geringe
Zahl von kWh pro Jahr in Frage kommt, wesentlich geringer als die
Ersparnisse, welche man durch die schwächere Bemessung der Hoch-
spannungsleitung gewinnt. Man wird also stets den Grundsatz be-
folgen, daß man möglichst Hochspannungsleitungen nur mit der Grund-
last betreibt, die Spitzenlast dagegen im Verbrauchszentrum erzeugt. Es
sei erwähnt, daß Leitungen für größere Entfernungen, also hoher Span-
nung, welche Grundlast fördern, nur bei genügend großer Leistung wirt-
schaftlich sindl.

D. Verhalten der Kraftwerke im Betrieb


a) Zusammenarbeit verschiedener Kraftwerke
Es sei durch eine Reihe von Kraftwerken ein Netz zu versorgen,
dessen Belastungskurve für einen Tag in der Abb. 46 wiedergegeben ist.
Um die für einen günstigen Netzbetrieb wesentlichen Eigenschaften klar
zu erkennen, seien zunächst einige idealisierte Grenzfälle behandelt.
Soll die nach Abb. 46 geforderte
Energie von Dampfkraftwerken, oder
nehmen wir zunächst ein einziges
Dampfkraftwerk an,. geliefert werden,
so müssen dessen Generatoren, Tur-
binen und Kesselanlagen für die maxi-
male SpitzeS bemessen sein. Die abge-
h gebenen kWh sind jedoch nicht größer
...._____..."lt.,_._-'-_. als bei einem Kraftwerk, das eine mitt-
Abb. ,6. Tageebelastungekurve.
lere, jedoch konstante Belastung nach
der Geraden I - I hat und bei dem daher sämtliche Maschinen und
Kessel wesentlich kleiner sein können. Es sei zunächst untersucht,
durch welche Maßnahmen man es erreichen kann, daß durch eine Art
Energiespeicherung nicht alle Anlageteile für die volle Spitzenleistung
bemessen zu sein brauchen. Der idealste Fall liegt vor, wennein Wasser-
kraftwerk, und zwar ein Speicherkraftwerk, die Stromversorgung durch-
J In der Verbundwirtschaft können jedoch auch andere Gründe eine Hoch-
sp&nnungsleitung rechtfertigen (Reserveb&l.tung, Netzkupplung usw.).
Zusammenarbeit verschiadimer Kraftwerke 55
zuführen hat. Bei einem solchen Speicherkraftwerk (s. S. 42) gelangt das
zufließende Wasser zunächst in ein Speicherbecken, in der Mehrzahl
der Fälle in einen vorhandenen See und von hier durch Stollen und Rohr-
leitungen zu den Wasserturbinen des Kraftwerks. Bei einem derartigen
Speicherkraftwerk müssen selbstverständlich die Turbinen und die Ge.
neratoren für die Spitzenleistung ausgelegt sein. Für das Speicherbecken
dürfte es, sofern es sich um einen vorhandenen See handelt, ziemlich un-
wesentlich sein, ob die Belastung eine gleichmäßige nach der Geraden
1-1 oder eine ungleichmäßige nach der tatsächlichen Belastungskurve
ist. Ein derartiges Speicherkraftwerk hat gegenüber einem normalen
Dampfkraftwerk den Vorteil, daß, da die Wasserenergie jederzeit vor-
handen ist, beliebig große Belastungsstöße plötzlich übernommen werden
Speicherbeclren
-----~~

e/e/dr. !.eilung

Abb. 47. Schematische Darstellung Abb. 48. Tagesbelastungskurve bei Pump·


eines Pumpspeicherwerkes. und Turbinenbetrleb.

können, während dies bei einem normalen Dampfkraftwerk nicht in


diesem Maße möglich ist.
Meist steht jedoch ein Speicherkraftwerk genügender Größe nicht zur
Verfügung und es fragt sich, ob andere Möglichkeiten bekannt sind, da-
mit man ein Kraftwerk nicht für die höchstauftretende Spitze ausbauen
muß und das Kraftwerk selbst möglichst gleichmäßig belastet wird. Eine
Lösung ist ein zusätzliches Pumpspeicherwerk (s. Abb. 4 7) für Tages-
ausgleich. Dies ist ein Wasserkraftwerk, welches auf einem Berg ein oft
künstlich geschaffenes Speicherbecken besitzt und bei dem jeder Ma-
schinensatz aus einem Generator mit Wasserturbine und einer meist mit
Flüssigkeitskupplung gekuppelten Wasserpumpe besteht. Turbine und
Pumpe können auf dieselbe nach dem Speicherbecken gehende Rohr-
leitung geschaltet werden. Die Grundlast der betrachteten Belastungs-
kurven übernimmt nun ein Laufkraftwerk oder ein Dampfkraftwerk oder
beide zusammen (s. Abb. 48). Ist die Belastung größer als die Grund-
last, so springt das Pumpspeicherwerk ein, es arbeitet dann im Turbinen-
betrieb (bei abgekuppelten Pumpen), im umgekehrten Falle im Pump-
betrieb. Im Turbinenbetrieb fließt Wasser aus dem Speicherbecken über
56 Kra.ftwerke

eine Rohrleitung den Turbinen zu, die die Energie zur Deckung der
Spitzenlast erzeugen. Im Pumpbetrieb arbeitet der Generator, von den
Grundlastwerken gespPist, als Synchronmotor und treibt die jetzt mit
ihm gekuppelte Pumpe an. Diese pumpt über die vorhandene Rohr-
leitung Wasser aus einem Tiefbecken oder einem Fluß in das Speicher-
becken. Die mit dem Generator gekuppelte Wasserturbine ist von der
Rohrleitung abgetrennt und läuft leer mit. Durch ein solches Pump-
speicherwerk können die übrigen, die Grundlast ausfahrenden Kraft-
werke sehr gleichmäßig elektrische Energie erzeugen. Die Kosten pro
kWh werden wegen der hohen Benutzungsstunden der Kraftwerke nied-
rig, wobei ferner zu beachten ist, daß bei gleichmäßiger Benutzung der
Gesamtwirkungsgrad ein besserer ist und besonders bei Dampfkraft-
werken Reparaturen bei stetig belasteten Turbinen, Kesseln und Gene-
ratoren seltener sind als bei nicht gleichmäßig belasteten, bei denen leicht
unerwünschte Wärmespannungen auftreten. Ein Pumpspeicherwerk
kommt allerdings nur dann in Frage, wenn es in nicht allzu großer Ent-
fernung vom Belastungsschwerpunkt liegt, längere Leitungen also nicht
notwendig sind und wenn durch günstige Geländeverhältnisse die wasser-
baulichen Anlagen nicht zu teuer werden. Ferner müssen die reinen
Energiekosten sehr billig sein, da man wegen der doppelt zu zählenden
Wirkungsgrade nur etwa 55 bis 65% der zugeführten Energie aus dem
Speicher herausholen und in das Netz fördern kann. Trotz hoher Ge-
stehungskosten kann ein Pumpspeicherwerk auf lange Sicht gesehen
wirtschaftlich sein, da die teuren wasserbauliehen Anlagen eine sehr
hohe Lebensdauer haben, die Abschreibungen also sehr niedrig sind.
Das Pumpspeicherwerk kann auch mit einem Speicherkraftwerk
vereinigt werden. Nimmt man bei einem Speicherkraftwerk vereinfachend
an, der Wasserzufluß sei konstant und die Belastungen wiederholen sich
jeden Tag in derselben Größe, so muß die pro Tag gelieferte Zahl von
kWh dem Wasserzufluß entsprechen. Man kann jedoch auch, falls die
Maschinenleistung groß genug ist und der Speichersee genügend Wasser-
vorrat besitzt, während einiger Stunden des Tages mehr Energie aus einem
solchen Speicherkraftwerk entnehmen, als dem W asserzufluß pro Tag
entspricht. Man muß jedoch dann zu belastungsschwachen Zeiten die
zuviel entnommene Energie wieder zurückgeben, d. h. die Kraftwerks-
generatoren müssen als Motoren laufen, die mittels Pumpen wieder
Wasser aus einem Tiefbecken in den Speichersee hineinpumpen. Bei
einem solchen kombinierten Speicher- und Pumpkraftwerk müssen also
einige oder alle Generatoren außer den Turbinen noch abkuppelbare
Pumpen erhalten.
Ein Pumpspeicherbecken bietet auch sonst betrieblich sehr große Vorteile und
kann für folgenden Betriebsfall von Nutzen sein: Eine Reihe von Laufkraft-
werken (s. Abb. 49a) arbeiten auf eine Leitung, in die auch mehrere Dampfkraft-
Zusammenarbeit verschiedener Kraftwerke 57
werke speisen. Bei .A befinde sich ein Pumpspeicherwerk. Ist der Energiefluß der
Leitung z. B. von unten nach oben gerichtet und tritt infolge eines Kurzschlusses
ein Auftrennen der Leitung durch den Schalter bei B ein, dann haben die Lauf-
kraftwerke plötzlich für die erzeugte Energie keine Abnahme mehr. Sie müßten
also möglichst rasch ihre Turbinen absperren und das Wasser über die Wehre
abfließen lassen. Haben die Laufkraftwerke größere Zuleitungskanäle (s. Abb. 32),
dann wird der Wasserstand am Kana.lanfa.ng, also auch am Wehr zunächst nicht
geändert, da längere Zeit verstreicht bis das Abstellen der Turbinen sich durch
eine zurückflutende Welle am Kana.lanfang, also am Wehr, bemerkbar macht.
Die Wasserverhältnisse der Unterlieger werden jedoch, da hier jetzt vorüber-
gehend Wassermangel eintritt, gestört. Dies ist besonders unangenehm, wenn
dort Laufkraftwerke anderer Gesellschaften sind, die ein Anrecht auf gleich-
mäßige Wasserlieferung haben und plötzlich in ihrer Energieerzeugung gestört
werden. Solche Störungen lassen sich vermeiden, wenn die plötzlich nicht be-
nötigte Energie der Laufkraftwerke solange in ein vorhandenes Pumpspeicher-
werk geleitet werden kann, bis die Störung beseitigt ist.
Einen von vier Maschinensätzen eines großen Pumpspeicherwerkes
zeigt Abb. 49b. Die Fraucis-Spiralturbine ist starr mit dem Generator
gekuppelt. Bei Pumpbetrieb wird die mit
Preßluft entleerte Pumpe durch eine A,nwurf- rull'werlre
Freistrahlturbine bis zum Synchronismus Abnehmer
hochgefahren, worauf eine Zahnkupplung flmer
zwischen Antriebs- und Pumpenwelle ein-
greift.
Eine interessante vertikale Speicher-
~7
pumpengruppe zeigt Abb. 49c. Sie besteht
aus einer vierdüsigen Freistrahlturbine und
einer 5-stufigen Speicherpumpe, die mit
einem hydraulischen Wandler angefahren und
mittels Zahnkupplung gekuppelt wird. Abb. '9a. Kraftversorgung
mit angeschlossenem
Man hat in einem richtig bemessenen und Pumpspeicherwerk.
nicht restlos entleerten Pumpspeicherwerk
eine sehr wertvolle Momentanreserve, so daß beim Ausfall einer
größeren Maschineneinheit in einem Kraftwerk das Pumpspeicherwerk
in einer Zeit von höchstens 2 min mit voller Leistung einspringen
kann und somit die Energielieferung nicht gestört wird. Bei einem
Pumpspeicherwerk wird es nicht immer möglich seiri., wie im Idealfall
der Abb. 48 angenommen, daß sämtliche Spitzen vom Pumpspeicher-
werk aufgenommen werden, da nicht immer die Möglichkeit besteht, ein
genügend großes Pumpspeicherwerk zu bauen. Aber auch mit einem
kleineren derartigen Kraftwerk kann man, wie die Abb. 50 zeigt, eine
weitgehende Abtragung der Spitzen und eine Ausfüllung der Täler
erreichen.
Es besteht auch die Möglichkeit, ein Dampfkraftwerk mit Energie-
speicher, z. B. mit einemRuths-Speicher, auszurüsten. Derartige Speicher
~,

00

~~
~

Druckregler Turbinen- froncis-Spirolfllrbinefienerofor(BBC) Anwurfturbine Speicherpumpe (YoitiJ)


regler (Yoith) HOOOWA,cw;·O.B mit Sc!Jolfkupplung Hmon •167m, 0•9,62m3fsek
H-T+Jm., 0-JS~/sek 10500V, 250 U/min, 50tlz n - 250U/min, n-Z+!OOPS
n•Z50U/min, N·&OOOOPS
Abb. 4llb. Maschinensatz eines Pumpspeicherwerkes.
Zusa.mmena.rbeit verschiedener Kraftwerke 59
kommen in Frage, falls ein billiges Pumpwerk infolge ungeeigneten Gelän-
des nicht zu bauen ist. DieseDampfspeicher eignen sich mehr für kurzzeitige
Spitzen, wie sie bei den Lichtspitzen im Großstadtbetrieb vorkommen.

Abb.49c. Pumpspeicherwerk mit 2 vierdüsigen Freistrahlturbinen mit stehender Welle für Hn ~ 000 +
070 m; Q = 5,23 ..;. 5,42 m•ts; n = 750 Ufmln; N = 56 400 ..;. 62 800 PS und 2 fünfstufigen Speicher·
pumpen für Hman = 1005 ..;. 8\l5 m; Q= 3,45 ..;. 4,20 m•ts; n ~ 750 U/mln; N = 53 700 + 58 500 PS.

Abb. 51 zeigt, wie eine solche Kraftanlage mit Ruths-Speicher be-


schaffen sein kann. Es bedeutet a den Kessel, der über den-Erhitzerb
60 Kraftwerke

die Dampfleitung c speist. Der Dampf wird in der Turbine e verarbeitet,


im Kondensator j niedergeschlagen und als Kondensat über Pumpen k
und m zum Kessel zurückgepumpt. Auch die Speicherturbine d kann mit
Frischdampf gespeist werden, sofern das Ventil/ geöffnet und das Ven-
til g geschlossen ist. Hat der Kessel a Überschuß an Dampf, so wird
dieser über das Ventilhin den Ruths-
Speicher i gepreßt. Hier kondensiert
sich der Dampf zu heißem Wasse'f,
welches die dem Speicherdruck entspre-
chende Sattdampftemperatur besitzt.
Übersteigt bei wachsender Belastung
der Verbrauch der Turbine die Leistung
h der Dampfkessel, so wird an der Spei-
...___ _ _ _ _ _ _ __.___ cherturbine d das Ventil f geschlossen,
Abb. 50. Tagesbelastungskurve mit tellweisem das Ventil g geöffnet und Dampf aus
Ausgleich durch Pumpspeicherwerk.
dem Ruths-Speicher bezogen. Da in der
Turbine ein etwas kleinerer Druck als im Dampfspeicher herrscht, ver-
dampft hier soviel Wasser, als von der Speicherturbine Dampf benötigt
wird. Je mehr Dampf aus dem Speicher entnommen wird, um so mehr
sinkt dessen Druck. Der Druckabfall kann recht beträchtlich sein, z. B.
von 13 bis auf 0,5 atü. Die Turbine muß also imstande sein, Sattdampf
bei stark veränderlichemDruck verarbeiten
zu können, was Spezialkonstruktionen be-
dingt.
Ein solcher Wärmespeicher läßt sich wirt-
schaftlich nicht für beliebig hohe Drücke
bauen, die Grenze liegt etwa bei 13 atü. Hat
j
man höhere Drücke, z. B. 30 ata, so kann
man zwischen dem Kessel a und der Rohr-
leitung c Vorschaltturbinen vorsehen, welche
m. den Druck von 30 bis auf 13 at verarbeiten.
Abb. 51. Schematische Darstellung Die Verarbeitung des Dampfes von 13 at
eines Dampfkraftwerkes mit
Ruths-Speicher. erfolgt dann wie in Beschreibung zu der
. Abb. 51 angegeben.
Prinzipiell besteht auch die Möglichkeit derelektrischen Energiespeiche-
rung in Akkumulatoren. Diese erfordern jedoch eine Umformung des
Drehstroms in Gleichstrom. Bis jetzt hat sich diese Art der Speicherung
innerhalb der Drehstromerzeugung noch nicht einzuführen vermocht.
Stehen also eine Reihe von Kraftwerken zur Energieerzeugung zur
Verfügung, so wird man versuchen, diese so zur Energielieferung heran-
zuz!ehen, daß größte Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Hat man z. B. ein
Wasserlaufkraftwerk I, ein Dampfkraftwerk II und ein als Spitzenkraft-
werk geeignetes Dampf- oder Wasserkraftwerk !I!, so kann die geforderte
Zusammenarbeit verschiedener Kraftwerke 61
Energieaufteilung gemäß der Abb. 52 für diese drei Kraftwerke erfolgen.
Maßgebend ist bei der Aufteilung, daß Kraftwerke, welcheinfolge geringer
Energiekosten den Strom sehr billig liefern können, d. h. hochwertige
Dampfkraftwerke, ferner Laufkraftwerke, deren Wasser verloren ist,
falls es nicht ausgenutzt wird, möglichst vollbelastet durchlaufen, also
die Grundlast ausfahren. Da Spitzenkraftwerke nur verhältnismäßig
kurz eingeschaltet sind, hat der Wirkungsgrad hier weniger Bedeutung
als die Billigkeit der Anlage.
Da man von Spitzenkraftwerken rasche Regelbarkeit und schnelle
Anlaßbarkeit (besonders wenn in den Spitzenkraftwerken wegen der
niederen Anlagekosten Reservemaschinen aufgestellt sind) verlangt,
müssen die Kessel und Turbinen in ihrer Konstruktion besonderen Be-
dingungen genügen, damit die bei plötzlichen Lastveränderungen auf-
tretenden Temperaturänderungen keine
unzulässigen Materialbeanspruchungen
und somit Schäden herbeiführen. Auch
ältere Dampfkraftanlagen, die infolge
ihres größeren Kohlenverbrauchs für
die Grundlast weniger geeignet sind,
werden als Spitzenwerke verwendet,
obwohl solche Anlagen nicht immer die
heutigen Forderungen in bezug auf
Regelbarkeit und Anlaßbarkeit erfüllen. Abb. 52. Tagesbelastungskurve aufgeteilt
auf drei Kraftwerke.
Sehr gut als Spitzenkraftwerk eignen
sich, wie bereits ausgeführt, Speicherkraftwerke, selbstverständlich auch
Pumpspeicherwerke.
Man wird, da man die auftretende Belastungskurve ungefähr kennt,
den einzelnen Werken von einer zentralen Kommandostelle aus einen
einzuhaltenden Fahrplan angeben, während die Spitzen, sowie Ab-
weichungen, die man nicht vorhersehen kann, von dem Spitzenkraft-
werk, welches ausreichende Größe besitzen muß, übernommen werden.
Es seien sämtliche Kraftwerke eines Netzes betrachtet und ange-
nommen, daß gerade Gleichgewicht zwischen der abgegebenen und der
den Turbinen zugeführten Leistung vorhanden, weiter die Frequenz
genau 50 Hz sei. Tritt jetzt plötzlich eine Zusatzlast auf, so wird, falls
die den Antriebsmaschinen zugeführte Energie unverändert bleibt, die
Frequenz absinken, denn die für die Zusatzlast benötigte Energie kann
zunächst nur aus der lebendigen Energie der Schwungmassen entnommen
werden, d. h. aber, daß diese Massen jetzt verzögert werden. Dieses Ab-
sinken der Drehzahl qer Generatoren kann jedoch vermieden werden,
wenn das Spitzenkraftwerk, welches solche Zusatzlast übernehmen soll,
die Energiezufuhr zu seinen Turbinen vergrößert. Damit das Spitzen-
kraftwerk merkt, daß das Netz eine Zusatzlast erhält, ist es notwendig,
62 Kraftwerke

daß sämtliche Werke genau den ihnen angegebenen Fahrplan fahren und
sich nicht um die Frequenz kümmern. Will die Netzfrequenz etwas ab-
sinken, so ist das ein Zeichen für das Spitzenkraftwerk, daß das Netz zu-
sätzlich belastet ist und daß es zur Haltung der Frequenz mehr Energie
abzugeben hat. Das Spitzenkraftwerk wird also zweckmäßigerweise,
sofern nicht besondere Gründe dagegen sprechen, beauftragt, die Fre-
quenz des Netzes zu halten. Die Rolle des frequenzführenden und die
Belastungsschwankungen aufnehmenden Werkes kann dabei innerhalb
eines Tages wechseln. Ist während gewisser Zeiten das· Kraftwerk III
(s. Abb. 52), w~lches als eigentliches Spitzenkraftwerk vorgesehen ist,
außer Betrieb, dann muß das Kraftwerk II die Frequenz halten und Un-
regelmäßigkeiten der Belastungskurve aufnehmen.

b) Die Maschinenregelung in den Kraftwerken 1


Die Regelung der Kraftmaschinen. ist für ein einwandfreies Arbeiten
der Kraftwerke von großer Bedeutung. Betrachten wir z. B. eine allein
arbeitende Turbine, so stellen wir fest, daß bei Belastung die Drehzahl
f
';>
~ 1---------
~
I
I
I
I

:~
I);

Abb. 53. Astatische Drehzahlkennlinie Abb. 54. Frequenzkennlinie eines


in Abhängigkelt der Leistung. stlttlschen. Reglers.

absinken, bei Entlastung steigen will. Um dies zu vermeiden, muß ein


Regler eingreifen und durch Ventilbetätigung die Dampfzufuhr vergrö-
ßern bzw. verkleinern. Günstig erscheint zunächst ein Regler, der die
gewünschte Drehzahl möglichst konstant hält, so daß, wenn man in Ab-
hängigkeit der abgegebenen Leistung die Frequenz oder die Drehzahl
aufträgt, man eine horizontale Gerade erhält (s. Abb. 53). Derartige
Regler heißen astatische (Integral-)Regler.
Ein solcher astatischer Regler ist jedoch im allgemeinen nicht brauch-
bar, denn nimmt man an, man hätte zwei Maschinen, welche parallel
arbeiten sollen, dann ist es unbestimmt, wie sich die Last auf beide Ma-
schinen verteilt. Praktisch wird, da zwei Regler nie vollkommen überein-
stimmen, die eine Maschine alles übernehmen und die andere entlastet
werden. Außerdem hat ein astatischer Regler bei plötzlichen Lastver-
1 Siehe auch STÄBLEIN: Die Technik der Fernwirkanlagen, S. 87f. München
u. Berlin: Oldenbourg 1934.
Die Maschinenregelung in den Kraftwerken 63
änderungendie Neigung zu pendeln, d. h. es finden dauernd Über- bzw.
Unterregelungen statt.
Um eine Zusammenarbeit mehrerer Maschinen zu ermöglichen, muß
die beim astatischen Regler vorhandene Unbestimmtheit {zu einer Dreh-
zahl gehören beliebig viele Leistungen) vermieden werden. Man muß
erreichen, daß einer Drehzahl bzw. einer Frequenz nur eine Leistung zu-
geordnet ist. Diese Bedingung erfüllt ein Regler mit einer leicht ab-
fallenden sog. statischen Kennlinie. (Proportional wirkender Regler)
{s. Abb. 54). Trägt man die Frequenz bzw. die Drehzahl in Abhängigkeit
der Leistung auf, so erhält man eine Abnahme der Frequenz mit steigen-
der Belastung. Ein Maß für diese Absenkung ist die sog. dauernde Dreh-

Abb. 55&. Schematische Darstellung eines Abb. 55b. Schematische Darstellung eines
Reglers mit statischer Kennlinie. Reglers mit astatischer Kennlinie.

zahländerung d%. Man versteht darunter den Betrag, um den sich die
Drehzahl bzw. die Frequenz in Prozenten ändert, falls die Belastung von
Leerlauf auf Nennlast ansteigt. Es ist also nach Abb. 54
Afo
d% = To . 100% ' {26)
wobei / 0 die Normalfrequenz ist. Ist die dauernde Drehzahländerung
z. B. 5% und die Frequenz bei Leerlauf genau 50, dann ist bei Vollast
die Frequenz 47,5. Man wünscht jedoch über den ganzen Belastungs-
bereich konstant die Frequenz 50. Dies kann in vorliegendem Falle nur
erreicht werden, wenn die Charakteristik stetig mit steigender Last par-
allel nach oben verschoben werden kann, so daß man bei Vollast schließ-
lich die gestrichelte Kennlinie der Abb. 54 erhält.
Abb. 55a zeigt schematischeinen statischen Regler. Das Zentrifugal-
pendel Z arbeitet auf ein Gestänge A 1 und über ein weiteres Gestänge A 2
auf den Steuerschieber R. Nimmt man an, infolge Entlastung steige die
Drehzahl, so wird der Punkt B angehoben. Da der Kolben K im
64 Kraftwerke

ZylinderS zunächst festgehalten ist, wird der Steuerschieber R nach oben


bewegt. Jetzt kann Drucköl unter den Kolben K strömen, der nun etwas
nach oben bewegt wird. Dabei wird jedoch gleichzeitig der Steuer-
schieber im Sinne einer Schließung betätigt. Gleichgewicht ist vorhanden,
wenn der Steuerschieber R wieder die Ölzufuhröffnungen abschließt. Man
erkennt, daß in dieser Gleichgewichtslage jeder Stellung des Reglers Z
eine bestimmte Stellung des Kolbens K zugeordnet ist, und zwar in
dem Sinne, daß bei steigender Drehzahl (Regler Z geht nach oben), das
Ventil V geschlossen wird (Kolben K geht nach oben). Man erreicht also
die gewünschte fallende Kennlinie. Will man die Drehzahlkennlinie, wie
in Abb. 54 gezeigt, parallel zu sich verschieben, beispielsweise erhöhen,
dann wird der Punkt C am Gestänge A1 durch die Spindel des Drehzahl-
stellmotors M nach unten bewegt. Jetzt vermag Drucköl in den oberen
Teil des Zylinders S zu strömen; damit wird das Ventil stärker geöffnet,
die Drehzahl steigt, der Punkt B wird
nach oben bewegt und der Steuerschie-
ber R wieder geschlossen. Um den Fre-
quenzabfall bei Belastungsänderungen
auszuregeln, kann der Drehzahletell-
motor von Hand gesteuert werden oder
auch selbsttätig, wie bei der sog. Iso-
dromregelung. Diese Regelung arbeitet
P -N. derart, daß plötzliche Belastungsstöße
Abb. 58. Belastungsaufteilung auf zwei K
KaschiDen verschiedener Kennlinien. auf der statischen ennlinie aufgefangen
werden, worauf dann der Frequenzab-
fall ausgeregelt wird. Die Kennlinie für den ausgeregelten Zustand ent-
spricht also der eines astatischen Reglers (s. Abb. 53). Bei einer derar-
tigen Regelung ist jedoch ein Parallelarbeiten von Maschinen möglich, da
beim Laststoß die Kennlinien statisch sind und beim folgenden selbst-
tätigen Ausregeln die Last, infolge Kontrollschaltungen, gleichartig auf
die Maschinen verteilt wird.
Arbeiten Maschinen verschiedener Kennlinien miteinander, dann wird
die Zusatzlast bei Belastungsänderung sich verschieden auf die Maschi-
nen verteilen. Grundbedingung für das Zusammenarbeiten der Maschi-
nen ist, daß deren Frequenz stets gleich sein muß. Die Maschine I der
Abb. 56 wird daher beispielsweise die Leistung N 1 und die Maschine II
die Leistung N 9 abgeben, da die Punkte 1 und 2 zur gleichen Frequenz
gehören. Steigt die Belastung etwas, dann muß die Frequenz in beiden
Maschinen gleichmäßig absinken. Man erhält die neuen Gleichgewichts-
punkte 1' und 2'. Man erkeimt aus Abb. 56, daß die Maschine mit
der flachen Charakteristik fast die ganze Zusatzlast übernommen hat,
während die Maschine mit der stärker abfallenden Charakteristik kaum
Zusatzlast übernimmt.
Die Maschinenregelung in den Kraftwerken 65

Denkt man sich in Abb. 55a die VerbindungsstangeF mehr nach


rechts angeordnet, so wird die Regelkennlinie immer flacher und schließ-
lich horizontal (astatisch), falls die Stange F mit dem PunkteE zusam-
menfällt. Hier kann nämlich im ausgeregelten Zustand- Steuerschie-
ber R befindet sich in der gezeichneten Mittellage - bei gleicher Lage
des Zentrifugalpendels der Kolben K jede beliebige Lage annehmen, was
das Kennzeichen der Astatik ist. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß,
je flacher die Kennlinie, um so größer die Pendelneigung des Reglers ist.
Man kann jedoch auch eine horizontale (astatische) Kennlinie er-
halten, ohne daß Pendelneigung auftritt, falls man die Reglerkonstruk-
tion nach Abb. 55a gemäß Abb. 55b umändert. So wird der Punkt G
nicht unmittelbar mit dem Kolben K, sondern verschiebbar über einen
Ölkolben k verbunden, außerdem wird der verlängerte Hebel A2 mit
einer Federung I versehen. Bei plötzlichen Drehzahländerungen wirkt
zunächst der Ölkolben k wie eine starre Verbindung des Hebels A2 mit
dem Kolben K, so daß der Regler anfänglich wie ein statischer arbeitet.
lnfolge der Federung I und der Beweglichkeit des Ölkolbens k wird all-
mählich der Hebel A2 wieder in die ursprüngliche Lage gebracht, wäh-
rend der Kolben K eine solche Lage annimmt, welche dem neuen
Belastungszustand bei der ursprünglichen Frequenz entspricht. Ein
solcher sog. Isodrom-Regler arbeitet also bei einem Laststoß zunächst
statisch und regelt dann, bedingt durch die Feder I und den verschieb-
baren Ölkolben k, die durch die Statik bedingte Drehzahländerung
wieder aus.
Für die Übertragung der Drehzahl der Turbinenwelle auf das Zentri·
fugalpendel dienten früher ausschließlich mechanische Elemente, wie
Getriebe, Reibräder oder Riemen. Bei Wasserkraft-Generatoren ist der
mechanische Antrieb aus konstruktiven Gründen mitunter nicht leicht
durchzuführen; besonders bei Maschinen mit vertikaler Welle, wo diese
Übertragungsglieder unerwünscht sind. Man ist daher bei Wasserturbinen
dieser Art dazu übergegangen, die Übertragung der Drehzahl von der
Maschinenwelle auf den Fliehkraftregler auf elektrischem Wege vorzu-
nehmen; hierbei wird das mechanische Pendel durch den sog. Pendel-
Motor angetrieben. Diese Antriebsmotoren für die mechanischen Dreh-
zahlpendel können über Spannungswandler an die Generatorspannung
angeschlossen oder von einem kleinen Hilfsgenerator, dem sogenannten
Pendel-Generator, gespeist werden. Der Pendel-Generator sitzt entweder
direkt auf der Hauptwelle oder wird über ein Getriebe von der Tur-
binenwelle angetrieben.
Die Lösung des elektrischen Antriebes für das mechanische Pendel
gegenüber dem direkten mechanischen Antrieb bietet Vorteile, weil sie
betriebssicherer ist, Lärm und Verschleiß vermeidet und man auch da-
durch in der Platzwahl für den Turbinenregler frei ist.
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 5
66 Kraftwerke

Der nächste Schritt in der Entwicklung der Drehzahlregler bestand


darin, den mechanischen Drehzahlregler durch einen elektrischen zu
ersetzen.
Eine solche elektrische Drehzahlüberwachung kann nach Abb. 57a
arbeiten. Man hat im Prinzip zwei Ferraris-Scheiben a 1 und a2 mit den

V
i
I i
I i
i i
i s!J
i I
i
i +-

I ~2
~L. 1 . o~
I g;J_

!ii ,-I~
:r-,.__· r-----T

L---r-·

- s
Abb. 57a. Prinzipschaltbild für elektrischen Drehzahlreglerkopf.
A. Regelorgan B. Kraftgetriebe C. Stabilisierung
1 Elektrischer Drehzahlregler 4 Vorsteuer-Ventil 6 Vorübergehende Statik
2 Leerlauf-Frequenz-Einstellung 5 Servomotor 7 Dämpfung
mit Hand- und Fernbetätigung 8 Rückführfedern
3 Öffnungsbegrenzung mit Hand- 9 Bleibende Statik
und Fernantrieb
1@ Handbetätigte Anlaß-Vorrichtung

dazugehörigen Wicklungen b1 und b2• Diese werden von dem Drehstrom-


generator gespeist. In Reihe mit den Wicklungen b1 liegen Induktivi-
täten L und in Reihe mit den Wicklungen b2 Kapazitäten C. Man richtet
Die Maschinenregelung in den Kraftwerken 67

es ein, daß die von den Wicklungen b1 und b2 erzeugten Drehmomente


entgegengesetz t gerichtet sind und bei Nennfrequenz w sich aufheben.
Das von der Wicklung b1 erzeugte Drehmoment ist proportional dem
Quadrate des Stromes / 1, also
M 1 = kl~ (27 a)
entsprechend gilt für b2 :
(27b)
Nimmt man an, daß der durch b1 fließende Strom praktisch nur durch
die Induktivität L und der durch b2 fließende Strom praktisch nur durch
die Kapazität C bestimmt ist, so gilt:
I - UA.
1 - wL
und
12 = U A.wC.
In Gl. (27) eingesetzt, ergibt
u•
M 1 = k ___l._
w2L2

M 2 = kU~w 2 C 2

!JM = M 2 - M1 = kUJ.. (w C
2 2- w•lL•) (28)
1
LIM=O W= VLC (29)

Man erkennt aus Gl. (29), daß im Gleichgewichtszustand LJ M = 0


die Spannung keine Rolle spielt und daß ein solcher Regler eine große
Frequenzempfin dlichkeit haben muß. Die Gleichgewichtslage kann leicht
verändert werden, falls man die Induktivität L regelt. Die Welle w des
Meßorgans wird mit der Reglerapparatu r verbunden und man hat da-
durch einen elektrisch gesteuerten Regler hoher Empfindlichkei t, der
auch bei starken Spannungsahse nkungen (Kurzschlüsse), wenn auch
nicht mit der ursprünglichen Genauigkeit, so doch überhaupt arbeiten
kann. Bei Nennspannung kann die Regelgenauigkeit auf 0,30fo 0 gebracht
werden. Um vollständige Unabhängigkei t von Änderungen der Netz-
spannung zu erreichen, wird der Regler vielfach auch von einem Pendel-
generator gespeist, der direkt oder über ein Getriebe von der Welle des
Wasserkraftgen erators angetrieben wird. Um einem Pendeln der Dreh-
zahl während des Regelvorgangs zu begegnen, müssen die Drehzahlregler
für Wasserturbinen mit einer Stabilisierungse inrichtung versehen werden.
Es ist ein astatischer Betrieb mit vorübergehender Statik und Dämpfung
oder Betrieb mit bleibender Statik möglich.
Die Einstellmöglichkeiten für die Leerlauf-Frequ enz-Einstellung an
der Spindel 2 und für die Öffnungs-Begrenzung der Leitschaufeln an
5*
68 Kraftwerke

der Spindel 3 mittels Hand- oder Fernbetätigung gestatten, die Tur-


binensteuerung den jeweiligen Betriebsverhältnissen anzupassen.
Durch eine einfache Ergänzung kann der elektrische Drehzahlregler
zur Leistungsübergabe-Regelung, auch z. B. nach dem Netzkennlinien-
verfahren, herangezogen werden (s. S. 504).

l
[]
Me 0
[)CJ~
CJ r:n~n::J
~ mr:J DESrJ
II II o ;a
. .,
ooo:. ...
000:
...
...
~

••• 11
Jl

Abb. 57b. Elektrisch-hydraulischer Drehzahlregler (Voith-BBC).

Abb. 57b Feld 1 und 2 zeigen das Steuerwerk eines elektrisch-hydrau-


lischen Drehzahlreglers (System Voith-BBC), bestehend aus einem
Frequenzmeßwerk und der mechanisch-
f
- I
I
I
li -
hydraulischen
Ein
vor, falls die
Stabilisierungseinrichtung.
besonderer Fall (s. Abb. 58) liegt
Kennlinie der einen Maschine I
f' :
-~-----..,
I
: horizontal liegt. In diesem Falle über-
~N~ nimmt diese Maschine alle Lastschwan-
I I
I I kungen und die Maschine II ist immer
I I
mit der Leistung N 2 belastet, es sei denn,
N
daß man mit dem Drehzahlstellmotor
Abb. 58. Belastungsaufteilung aufeine
Maschine mit statischer und eine mit eine Parallelverschiebung der Kennlinie II
astatischer Kennlinie. vornimmt.
Die gebrachten Überlegungen gelten nicht nur für parallel arbeitende
Maschinen, sondern auch für parallel arbeitende Kraftwerke. Arbeiten
mehrere Grundlastkraftwerke und ein Spitzenkraftwerk zusammen, dann
wird man auf jeden Fallletzterem eine flache, unter Umständen eine hori-
zontale Charakteristik geben, damit es die Lastschwankungen übernimmt.
Die Maschinenregelung in den Kraftwerken 69
Es seien noch die Gesetzmäßigkeiten für die Lastverteilung bei par-
allel arbeitenden Maschinen abgeleitet. Ist die dauernde Drehzahlände-
rung d% jeder Maschine bekannt, so kann auch für jede Maschine die bei
Nennleistung N 0 vorhandene Frequenzabsenkung L1 fo nach Gl. (26) er-
mittelt werden. Auf Grund der Abb. 59 gilt folgende Beziehung:
No
L1N = Llf iJfo • (30)

Bezeichnet man allgemein als Leistungszahl die Größe


No
K = t1fo' (31)

dann geht Gleichung (30) über in


L1N=KL1f. (32a)
Hat man mehrere Maschinen mit den Leistungszahlen KI, K 2, K 3 und sind
die Lastzunahmen L1 NI, L1 N 2 , L1 N 3 , dann gilt, da L1 f für alle Maschinen
gleich sein muß, J
L1NI =KILlt l
L1N2 = K2Llf f (32b)
L1Na = KaL1f.
Diese Gleichungen addiert, ergeben
.J} L1 N = (.J}K) Llf. (32c)
Bezeichnet man die gesamte Last-
schwankung mit
No
Abb. 59. Frequenzkennlinie.
L1N,.=.2L1N
und die resultierende Leistungszahl des ganzen Werkes mit

Kr=.2K= K 1 + K + K + · ··
2 3 (33)
dann ergibt sich
(34)
oder
Af- iJNr (35)
LJ - Kr •

Setzt man den We.t:t von Llf in die Gleichungen (32b) ein, dann
ergibt sich

(36)
70 K.ra.ftwerke

Obigen Rechnungen liegt die Voraussetzung zugrunde, daß bei Las


schwankungen sämtliche im Betrieb befindlichen Maschinen an denseihe
teilnehmen. Es können jedoch gelegentlich auch Abweichungen vo
dieser Voraussetzung eintreten. In der Abb. 60 a sind zwei Kennlinien
und II von zwei Maschinen aufgezeichnet. Ist die Frequenz größE
als f', dann gibt nur die Maschine I Leistung ab; ist die Frequen
dagegen kleiner, s
f b übernehmen beide M~
I+H schinen Last. DemgE
mäß ist die Leistung!
kennlinie eine gehre
ebene (s. Abb. 60 b:
Man kann jedoch durc
Nachregelung (Para]
N N,. Ieiverschiebung der
Abb. 60 & u. b. Frequenzkennlinien zweier Maschinen.
& Kennlinien getrennt aufgezeichnet, b resultierende Kennlinie Charakteristik) errei
für beide Maschinen.
eben, daß stets die ge
wünschte Zahl an Maschinen sich an der Lastübernahme beteiligen. Di
gebrachten Formeln gelten auch für geknickte Kennlinien, es müsse1
dann nur in die Rechnungen die Maschinen eingesetzt werden, welch
sich an der Lastübernahme beteiligen.
Bei Maschinen und Kraftwerken, welche Grundlast fahren bzw. ihr
Leistung nach einem Fahrplan abgeben,, die sich also um die Frequen
nicht zu kümmern haben, da diese von einer anderen Maschine oder einen
anderen Kraftwerk gehalten wird, is
f c " ~d streng genommen ein Regler über
r-------t-~e1 ~--1ff flüssig. Es braucht hier nur die Off
I
I
nung für den Energiezufluß entspre
I
I chend dem Fahrplan verändert zu wer
I den. Die Kennlinie ist also (s. Abb. 61
I
I
I eine vertikale Gerade a-a, d. h. di1
I
I Leistung ist unabhängig von Frequenz
Ia
schwankungen, sie verschiebt sich je·
Abb. 61. Frequenzkennlinie mit
N doch entsprechend der Ventilstellun~
zusätzlicher Beeinflussung. z. B. bei kleinerer Leistung in die LagE
b-b.
Solche vertikalen Kennlinien haben jedoch Nachteile. Wird z. B. in·
folge einer Netzstörung ein großer Teil der Last abgeschaltet, so werde11
die Maschinen durchgehen wollen, bis eine übergeordnete, für die Sicher·
heit der Maschine notwendige Drehzahlbegrenzung einsetzt. Zweck-
mäßiger ist es in diesem Betriebsfall jedoch, wenn eine Frequenzregelung
stattfindet, damit die Frequenz für die noch angeschlossenen Verbrauebei
p:ehalten wird. Uml!ekehrt "kann der Fall eintrP.bm. rln.ß in rlem Netz-
Über den Einsatz von Maschinen und Kraftwerken 71

verband plötzlich infolge Ausfalls einer Maschine die Frequenz unzu-


lässig stark sinkt. In diesem Falle ist es erwünscht, wenn das Kraftwerk,
sofern es nicht voll belastet ist, mit einspringt, um die Frequenz zu
stützen. Obige Forderungen können erfüllt werden durch eine Charakte-
ristik entsprechend Abb. 61, die bei d und e einen Knick hat. Liegen
die normalen Frequenzschwankungen in dem Bereich zwischen d und e,
dann wird das Kraftwerk unabhängig von Frequenzschwankungen auf
konstant eingestellte Leistung arbeiten. Tritt jedoch eine unzulässige
Frequenzabsenkung ein, dann wird das Kraftwerk eine erhöhte Leistung
abzugeben vermögen entsprechend der Geraden e-g. Umgekehrt wird,
falls infolge Entlastung die Frequenz stark ansteigen will, eine Be-
grenzung durch den Teil c-d der Kennlinie stattfinden. Die geforderte
Form der Kennlinie kann durch übergeordnete Meßgeräte, welche z. B.
den Drehzahlstellmotor des Reglers beeinflussen, erreicht werden.

c) Uber den Einsatz von Maschinen und Kraftwerken


und über die richtige Lastverteilung
In einem Kraftwerk bzw. in einem Netz müssen infolge der schwan-
kenden Belastung Maschinen aus dem Betrieb gezogen bzw. neu ein-
gesetzt werden. An Hand des Belastungsdiagramms kann man sich im
voraus ein Bild machen, mit welcher Leistung und auf welche Zeit die
betreffenden Maschinen voraussichtlich belastet sein werden. Um eine
Kraftmaschine in Betrieb zu nehmen, ist eine bestimmte Zeit erforder-
lich, innerhalb der die Inbetriebsetzungsarbeit A 0 aufzuwenden ist. Da-
bei kann Energie wie Elektrizität, Dampf usw. verbraucht werden. Diese
Inbetriebsetzungsarbeit kann die Wirtschaftlichkeit einer Maschine, falls
sie nur kurzzeitig in Betrieb bleibt, stark beeinträchtigen. Hat man ver-
sc~iedene Maschinen zur Verfügung, so können folgende Gesichtspunkte
als Anhaltspunkte gelten, welche Maschinen am günstigsten eingesetzt
werden. Die Inbetriebsetzungsarbeit, in kWh gemessen, sei A 0 • Besteht
diese nicht nur aus verbrauchter Elektrizität, sondern auch aus Dampf,
so ist die Umrechnung in kWh so vorzunehmen, daß man die verbrauchte
Dampfmenge gleich der Zahl von kWh setzt, die man im Betriebe damit
erzeugen könnte. Ist die darauffolgende Betriebszeit T und ist die mitt-
lere Verlustleistung des Maschinensatzes (einschließlich Kesselanlage) in
kW gleich N 0 , so ist die gesamte Verlustarbeit in kWh gleich
A0 +N 0 T. (37)
Uns interessieren die Verluste, bezogen auf die Zahl der erzeugten kWh,
die, falls die mittlere Leistung Nm ist, den Wert Nm T besitzt. Diese
spezifischen Verluste
Ao+NoT .Ao 1
as= -NmT =Nm T
+ Nm
No (38)
72 Kraftwerke

sollen möglichst klein sein. Man kann für die verschiedenen zur Verfügung
stehenden Maschinen die spezifischen Verluste für die in Frage kommende
Betriebsdauer T und mittlere Leistung Nm berechnen und danach die
Maschine auswählen, welche die kleinsten spezifischen Verluste ergibt.
Obige Betrachtungen gelten auch für Maschinen verschiedener Kraft-
werke, nur muß dann berücksichtigt werden, daß die Energieerzeugungs-
kosten in den einzelnen Kraftwerken verschieden sein können. Bei der
Rechnung interessieren nur die sog. veränderlichen Energiekosten, denn
die festen Kosten, die durch den Kapitaldienst, die Abschreibungen usw.
sich ergeben, bleiben unverändert, einerlei, ob die eine oder andere Ma-
schine in Betrieb gesetzt wird. Sind die veränderlichen Kosten pro kWh
gleich b in DM, dann sind die spezifischen Verlustkosten gleich

k =b(Ao:m~T) = b(~: -~- + ::) DMjkWh.


8 (39)

Man kann jetzt untersuchen, bei welchem Maschinensatz diese spezi-


fischen Kosten am kleinsten werden und wird diesen dann in Betrieb
nehmen.
Bei mehreren in Betrieb befindlichen Kraftmaschinen wird der Fall
selten sein, daß alle restlos ausgenutzt sind. Betrachten wir zunächst
den Fall von 2 Maschinen, die z. B. zusammen eine Belastung von 1()()<>/o
herzugeben haben, so kann man die Belastung derart aufteilen, daß die
eine z. B. mit 70% belastet wird und daß der zweiten Maschine der Rest
der Belastung (30%), der wesentlich kleiner sein kann als der Leistung
der Maschine entspricht, zugewiesen wird. Ferner kann man auch die
Belastung gleichmäßig auf beide Maschinen verteilen. Es gibt sicher eine
Verteilung der Belastung, welche die günstigste ist. Diese sei jetzt be-
rechnet, und zwar sei die Rechnung durchgeführt für den Fall von drei
miteinander arbeitenden Maschinen, welche zusammen die Leistung N
herzugeben haben. Dabei sei von jeder Maschine bekannt, in welcher
Weise die zugeführte Leistung L sich in Abhängigkeit der abgegebenen
Leistung N ändert (s. Abb. 62a). Die gesamte zuzuführende Leistung ist
für die drei Maschinen L,=L 1 +L 2 +L 8 • Diese zuzuführende Leistung
soll möglichst klein sein. Weiterhin gilt, da die abgegebene Leistung
konstant sein soll, die Bedingungsgleichung
N1 +N +N
2 3 = N, = const. (40)
Wenn die zuzuführende Leistung L, ein Minimum sein soll, muß das
Differential dL, gleich Null sein. Es gilt also
oL1 oL2 oL3
+
dL, = oN1 dN1 oNa dN2 +
oNa dN3 = 0. (41)
Beachtet man, daß aus GI. (40) die Gleichung
dN1 +dN2 +dN8 = 0 (42)
Über den Einsatz von Maschinen und Kraftwerken 73

folgt, dann ergibt sich, daß GI. (41) immer gleich Null wird, wenn der
Bedingung
aL 1 aL 2 aL3
aN1 = aN2 = aN; (43)

genügt wird. Da keine Verwechslung eintreten kann, seien statt der


partiellen die normalen Differentialquotienten benutzt so daß auch gilt:
dL 1 dL 2 dL 3
dN 1 = dN2 = dN3 • (44)

Diese Formel besagt also, daß die Zunahme der zuzuführenden Leistung
in Abhängigkeit der abgegebenen Leistung bei den verschiedenen Ma-
schinen gleich sein muß. I. I. b
a
Betrachtet man zwei Ma-
schinen mit den Leistungs-
kennlinien L1 = f (N1) und
L 2 = f(N 2 ) (s. Abb. 62b).
Die Bedingung
dL1 d L2
dN~= dN2
N N
wird erfüllt für die einge- Abb. 62a u. b. Aufgenommene Leistung in Abhängigkeit
zeichneten Leistungen N 1 der abgegebenen,
a für eine Maschine, b für zwei Maschinen.
und N 2• Würde man die
Leistung auf beide Maschinen gleichmäßig verteilen, daß also jede
die Leistung N 1 ~ N2 abgeben würde, dann wäre eine größere Leistung
L1+ L 2 aufzuwenden, die angestrebte Wirtschaftlichkeit also nicht er-
reicht. Sind die vorhandenen Maschinen in ihren Kennlinien gleich-
artig, dann vereinfacht sich unsere Bedingung und heißt, daß die Last
auf die Maschinen prozentual der Nennleistung gleichmäßig verteilt
werden muß.
Wir haben unsere Wirtschaftlichkeitsbedingungen abgeleitet, indem
wir das Differential dNr gleich Null gesetzt haben. Dies ist jedoch nicht
gleichbedeutend damit, daß ein Minimum vorhanden ist. Beispielsweise
könnte auch ein Maximum auftreten. Ein Minimum ist jedoch auf jeden
Fall vorhanden, wenn dL 1 jdN1 , dL2 jdN2 • •• mit wachsendem N 1 bzw.
N 2 zunimmt, d. h. die Größen

bzw.

positiv sind, also nicht Null oder negativ. Sollte letzterer Fall auftreten,
dann sind Spezialuntersuchungen anzustellen.
74 Die Drehstromgeneratoren

111. Die Drehstromgeneratoren


A. Allgemeines
Der Aufbau der in den Kraftwerken zur Anwendung kommenden
Drehstromgeneratoren richtet sich nach der Drehzahl ihrer Antriebs-
maschinen. Liegen zum Antrieb Dampfturbinen vor, so werden nur
für Leistungen bis zu etwa 10000 kVA die Generatoren in 50 Hz-Netzen
mit ausgeprägten Polen für eine Drehzahl von 1500 Ufmin gebaut,
während für größere Leistungen die eigentlichen Turbogeneratoren vor-
gesehen werden. Diese sind durch einen zylindrischen Rotor mit verteilter
Erregerwicklung in 2-poliger Ausführung für 3000 U Jmin in 50 Hz-Netzen
gekennzeichnet und laufen in 60Hz-Netzen mit 3600 Ufmin.
Die Grenzleistung von Turbogeneratoren wurde durch die Einführung
der Wasserstoffkühlung bedeutend gesteigert und noch wesentlich er-
weitert durch die direkte Kupferbelüftung des Rotors. Während heute
schon Turbogeneratoren mit einer Leistung von etwa 200000 kVA in
Betrieb sind, plant man schon den Bau von Einheiten über 300000kVA
bei 3000 Ujmin. Selbst diese großen Einheiten haben Eigenventilation
durch an den E!nden des Rotors angebrachte Ventilatoren, welche die
Kühlluft ansaugen und diese durch zahlreiche Luftschlitze und Kühl-
kanäle im Generator hindurchpressen (siehe Abb. 63).
In 50-Hz-Netzen werden Generatoren mit einer Leistung über etwa
40000 kVA aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel wasserstoff-
gekühlt. In 60-Hz-Netzen wendet man die Wasserstoffkühlung schon bei
Leistungen von etwa 15000kVA an. Abb.64 zeigt einen Schnitt durch
einen wasserstoffgekühlten Turbogenerator.
Erfolgt der Antrieb der Generatoren durch Wasserkraftmaschinen,
Diesel- oder Gasmotoren, so liegen die Drehzahlen im allgemeinen be-
achtlich unter 1500 Umdrehungen. Diese Generatoren erhalten Polräder
mit ausgeprägten Polen. Da solche Generatoren schmaler, in ihren
sonstigen Abmessungen jedoch größer als Turbogeneratoren sind, bereitet
die Abführung der Verlustwärme weniger Schwierigkeit.
Die Kühlluft wird inner- oder außerhalb des Gebäudes angesaugt,
durchströmt den Generator und gelangt an anderer Stelle wieder ins
Freie. Diese Luftführung ist nur erlaubt, wenn vollkommen reine Luft
zur Verfügung steht, was gelegentlich bei Wasserkraftwerken der Fall
ist. Bei staubhaltiger Luft leitet man erst die Kühlluft zur Reinigung
durch Filter und schickt sie dann in den Generator. Die Filter kann
man bei der sog. Kreislaufkühlung, die bei großen Generatoren allgemein
üblich ist (s. Abb. 65), vermeiden. Die den Generator durchströmende
Luft wird in einem besonderen Wasserkühler rückgekühlt und darauf
dem Generator wieder zugeleitet; der Generator kann somit nicht
Allgemeines 75
verunreinigt werden. Die
Kühler werden in der Regel
so bemessen, daß die Kühl-
luft des Generators 10° C
oder manchmal auch nur
5° C wärmer als das Kühl-
wasser ist. Das Verfahren
hat noch den Vorteil, daß
ein durch einen Generator-
schaden hervorgerufener
Brand keine größere Aus-
dehnung annehmen kann,
da die zur Verfügung
stehende Sauerstoffmenge ~
beschränkt ist und man in "'~
den Kreislauf im Störungs- ]_=
;::>
falle noch Kohlensäure ein- g
strömen lassen kann. Bei "'
der Kreislaufkühlung wer- >
0

"""·~~~i[~;===~ :=:
~
den die sonst durch das
Gebäude führenden und oft <
>
störenden Luftkanäle ge- .:.:
0
g
spart. ...
CC>
Damit bei Netzstörun- ....
.8
gen, bei denen mechanische ~
1l
f
Pendelungen der Maschinen
auftreten können, die Gene-
ratoren in den Kraftwerken
..."
~
weniger leicht außer Tritt .c.0
fallen (s. S. 91), erhalten sie <
zweckmäßig eine Dämpfer-
wicklung; vielfach genügen
auch massive Pole. Dies
bewirkt auch, daß bei ein-
phasigen Lasten die Span-
nungskurve unverzerrt
bleibt. Bei Turboläufern
werden hierzu z. B. unter
den Nutenkeilen des Rotors
Flachkupferbänder einge-
legt, die an den Enden
unterhalb der Rotorkappen
miteinander verbunden sind
76 Die Drehstromgeneratoren

oder es wird eine Zweischichtdämpferwicklung eingebaut (s. Seite 91).


Bei Generatoren mit ausgeprägten Polen werden durch die Polschuhe
Dämpferstäbe aus Kupfer gezogen, die an den Enden durch Kupfer-

Abb. 64. Wasserstoffgekühlter G enerator 60Hz (GE.) mit eingebauten


Kühlern und Wellendichtung.

ringe verbunden sind. Arbeiten Generatoren auf größere Gleichrichter,


dann müssen die Dämpferwicklungen reichlich bemessen sein. Die Ober-
wellen im Strome, die beim Gleichrichterbetrieb vorhanden sind, ver-
ursachen auch Oberwellenströme in der
Dämpferwicklung, die leicht zu hohen
Temperaturen führen können.
Der Wirkungsgrad moderner Genera-
toren liegt hoch und beträgt je nach
Größe der Maschine bei Vollast 94 bis
98%. Die Abhängigkeit des Wirkungs-
grades von der Belastung geht aus folgen-
den Angaben hervor: Der Wirkungsgrad
I eines 20000 kV A-Generators beträgt
bei cos cp=0,8 und 1/rLast 97,1%, bei
..._ _., )
%-Last 96,7%, bei ~-Last 95,7% und bei
%,-Last 92,2%. Die Spannung der in
Abb. 65. Umlaufkühlung eines Turbo-
generators (BBC). K Kühler.
Deutschland aufgestellten Generatoren
beträgt heute meist 6300 oder 10500 V.
Man wählt die Nennspannung des Generators immer 5% höher als der
Netzspannung entspricht (10500V bei 10000V Netzspannung), um den
Spannungsabfall bis zum Verbraucher etwas ausgleichen zu können. Es
liegt mitunter das Bestreben vor, für größere Leistungen mit den Span-
nungen der Generatoren noch wesentlich höher zu gehen. Wegen des
erhöhten Aufwandes an IsoHermaterial stellen sich diese Generatoren
Diagramm der Turbogenerators 77

meist höher im Preis. Trotzdem können unter Umständen Ersparnisse


gemacht werden, wenn etwa das Hochspannungsnetz einer Großstadt
von 20 000 V direkt von einem 20000 V-Generator gespeist wird, denn
man kann dann die Transformatoren im Kraftwerk sparen.

B. Diagramm des Turbogenerators


Es werde das Diagramm für den Drehstromgenerator abgeleitet, und
zwar zunächst für den Turbogenerator mit zylindrischem Rotor und da-
mit konstantem Luftspalt [
über den ganzen Umfang.
Die Wirkungsweise der
Generatoren sei als bekannt
vorausgesetzt.
Wird in der in Abb. 66a
schematisch dargestellten
Drehstromwicklung 1-1',
2-2' und 3-3' Drehstrom
erzeugt, so entsteht durch a
Abb. 66a u. b. Schematische Darstellung eines
das Zusammenwirken der Drehstromgenerators.
Amperewindungen der a Flußmaximum schneidet die Wicklung 1-1'.

V
b Flußmaximum hat sich um den Winkel"' gedreht.
3 Wicklungen ein Drehfeld.
Diese Amperewindungen denken wir uns näherungsweise sinusförmig
längs des Luftspaltes verteilt. In Abb. 67a sind die Ströme des Drei-
phasensystems durch das Zeigerdiagramm dargestellt. Dreht sich das
Zeigerdiagramm im Linkssinne,
so werden die erzeugten Ampere- I1
windungen sich ebenfalls im
Linkssinne drehen. Für den
Zeitpunkt der Abb. 67a haben IJ ---------- ,
die räumlich sinusförmigen Am- \
perewindungen der drei Ströme \
die in der Abb. 67b aufgezeich- \12
nete Verteilung und ihre Größe a b
und Richtung läßt sich durch Abb. 67a u. b. Generatordiagramme.
e
die Anker-Amperewindungen n.w a Zeigerdiagramm der Ströme, b Lage der resultierenden
Amperewindungen des Ankers.
kennzeichnen, die die Richtung
des von den Amperewindungen erzeugten Feldes angeben und proportio-
nal dem Strom / 1 sind. In unserem Zeitdiagramm ist also der Strom-
vektor / 1 proportional dem Drehfeld (Amperewindungen) und gibt auch
dessen räumliche Lage an.
Wir wollen annehmen, der vom Läufer erzeugte, ebenfalls räumlich
sinusförmig verteilte Fluß C/J habe die in der Abb. 66a dargestellte Rieb-
78 Die Drehstromgeneratoren

tung und Größe. Dreht sich das Polrad und damit der Fluß im Links-
sinne, so wird in der Wicklung 1, deren Leiter sich unter Polmitte be-
finden, der Höchstwert der EMK E erzeugt; in diese Richtung fällt das
Feld, welches der durch diese EMK erzeugte Strom bei ohmscher Be-
lastung und induktivitätsfreier Wicklung erzeugen würde. Obwohl in dem
betrachteten 'Augenblick die in Wicklung 1 erzeugte EMK am größten ist,
umschließt die Wicklung 1 den Fluß Null. Nach einer gewissen Zeit
hat sich das Polrad um den Winkelex gedreht (s. Abb. 66b) und der Fluß
durchsetzt jetzt teilweise die Wicklung 1. Den Augenblickswert if>a des
von der Wicklung 1 umschlungenen Flusses
kann man durch Projizieren des Vektors if>
auf die Vertikale erhalten. Die in Wick-
lung 1 erzeugte EMK hat sinusförmig ab-
genommen und man erhält den Augen-
blickswert e der EMK durch Projizieren
des EMK-Vektors E auf die Vertikale.
Man kann also die räumlichen Vektoren if>
~ und E der Abb. 66 auch als Vektoren eines
Zeitdiagramms auffassen, wobei der Fluß if>
der EMK um 90° voreilt. Hat man eine
Maschine mit p Polpaaren, dann ist ganz
allgemein der räumliche Winkelrxfp, wenn IX
der zeitliche oder wie man sagt, der elek-
trische Winkel ist.
Abb. 68. Diagramm des Drehstrom-
generators mit zylindrischem Rotor.
Der von der EMK erzeugte Strom I
hat im allgemeinen gegen die Sternspan-
nung U A (U mit dem Index;... bedeutet im folgenden die Phasen- oder
Sternspannung, während U ohne Index die verkettete Spannung ist)
eine Phasenverschiebung cp. Um E zu erhalten, muß man im Zeitdia-
gramm, das man, wenn symmetrische Verhältnisse vorliegen, stets für
eine Wicklung zeichnet (s. Abb. 68), zur Sternspannung U A in Richtung
des Statorstromvektors 11 den ohmseben Spannungsabfalll1 • R, senk·
recht dazu den induktiven Spannungsabfalll1 • X 8 (X8 = Statorstreu-
reaktanz) des Generators auftragen. Die Statorstreuung wird vielfach
aus dem Wert der Spannung ermittelt, die man an den Stator bei heraus-
genommenem Rotor anlegen muß, damit der Generatornennstrom fließt.
Bei diesem Verfahren wird auch die Bohrfeldstreuung mitgemessen. Die
Bohrfeldreaktanz in Ohm läßt sich verhältnismäßig genau nach der
Formel
XB = 0,151 .J... (w ~)210-s (45)
p
rechnen; in dieser Gleichung bedeuten I die Frequenz, l die Eisenbreite
abzüglich Luftschlitze in cm, p die Polpaarzahl, w die Windungszahl
Diagramm des Turbogenerators 79

pro Phase, g = fw cos ~ den Wicklungsfaktor mal Schrittverkürzungs-


faktor. Um die Statorstreuung zu erhalten, zieht man von der Reaktanz,
die bei der Bohrprobe gemessen wird, die Bohrfeldreaktanz ab.
Ebenfalls in Richtung 11 • X 8 liegt der von der Anker-Rückwirkungs-
reaktanz (Hauptreaktanz) Xa hervorgerufene Spannungsabfall 11 • Xa.
Die beiden Spannungen 11 • X 8 und 11 • Xa lassen sich zu 11 • Xa zusam-
menfassen, wobei Xa = X 8 + Xa die synchrone Reaktanz ist. Man
unterscheidet die synchrone Reaktanz in der Längsachse Xa (Direkt-
achse) und die synchrone Reaktanz in der Querachse Xq. Bei Turbo-
generatoren kann man Xq = Xa setzen. Bei Schenkelpolgeneratoren ist
Xq ""'" (0,55 bis 0,65) · Xa, wobei der kleinere (Jn=E:;::::
Wert für Maschinen mit hohen Polzahlen,
der größere Wert bei kleineren Polzahlen in
Betracht kommt.
Es ist sehr nützlich, die Reaktanzen auf f?r
dieNennreaktanz des Generators zu beziehen.
DieNennreaktanz des Generators istgegeben
durch ~~. Dieser bezogene Reaktanzwert
(per unit value) schwankt nur in geringen
Grenzen für beliebige Leistungen der Maschi-
nen. Der bezogene Wert Xa = Xa · UInA ist, Abb. 69 a u. b. Schaltung zur Defi-
nition des Kurzschlußverhältnisses
wie man erkennt, auch der bezogene Span- von Generatoren.
nungsabfall und der reziproke Wert ergibt den auf den Nennstrom be-
zogenen Kurzschlußstrom
1 _ U;.,
(46)
xa- Xa ·In'

Die synchrone Reaktanz Xa kann man sich veranschaulichen, indem man


einen ungesättigten Generator betrachtet, der mit der synchronen
Drehzahl unerregt läuft und mit der Nennspannung gespeist wird. Im
stabilen Zustand fließt dann ein Strom IKunues (Abb. 69a). Die Reaktanz,
die der Generator für dasNetz darstellt, ist gegeben durch Xa = I UnA .
Kunges
Geht man entsprechend Abb. 69b in der Weise vor, daß man den
synchron laufenden ungesättigten Generator kurzschließt und ihn mit
der Leerlauferregung i 0 erregt, so fließt ein gleichgroßer Strom I Kunges .
Dieser Strom, bezogen auf den Nennstrom IK;~'ues , nennt man das
ungesättigte Kurzschlußverhältnis. Die synchrone Reaktanz ist der
reziproke Wert des ungesättigten Kurzschlußverhältnisses. Es gilt:

xa = -UnA
- - . -In- = - -
In
-. (47)
IKunges Un}" IKunges
80 Die Drehstrom generator en

Ix
Im allgemeinen versteht man unter dem Kurzschl ußverhäl tnis In
(auch Leerlauf- Kurzschl ußverhäl tnis genannt) den gesättigt en Wert,
d. h. den auf den Nennstro m bezogenen Kurzschl ußstrom, der dem
Leerlaufe rregerstro m i 0 eines Generato rs mit Sättigung entsprech end
Abb. 70 zugeordn et ist. Man kann den reziproke n Wert dieses Kurz-
schlußve rhältniss esals die gesättigt e synchron e Reaktanz bezeichnen.
Bezeichn et man mit ixn den Erregerst rom, für den der Kurzschl uß-
stromgle ich dem Nennstro m wird, so gilt
Ix _ io (48)
In - ixn ·
Turbogen eratoren sollen entsprech end den Empfehl ungen des VDE ein
Kurzschl ußverhäl tnis von 0,5-0,6 aufweisen, wobei 0,5 fü-r Generato ren
I u
t t
{/

io io
vnges
linie } . Abb. 70a. Veteinfachtes Spannungs·
Abb. 70 · ab Leerlaufkenn
Kurzschluß-Kennlinie emes Synchrongen erators. diagramm des Turbogenerators.

bis 8000 kVA und 0,6 für Generato ren ab 50 000 kVA gilt. Generato ren
mit ausgeprä gten Polen haben in der Regel ein Kurzschl ußverhäl tnis
von etwa 0,8 bis l.
Die Resultier ende von U;..., und 1 1 • Xa ergibt, wie aus Abb. 68 hervor-
geht, die Polradsp annung E 2 , die mit U).., den Polradwi nkel <5 einschließt.
Man kann den Statorstr om 11 in einen Längsstr om 11 d und einen
Querstro m 11q zerlegen, dann ist, da bei Turbogen eratoren die Quer-
reaktanz ungefähr gleich der Längsrea ktanz ist, 11 • Xa die geometrische
Summe von 11 q • Xaq +
11 a · Xaa oder, wenn man wie bei der Längs-
reaktanz die Streureak tanz und die Ankerrüc kwirkung s-Querre aktanz zu
Xq = Xs +
Xaq zusamme nfaßt, gilt auch 11 • Xa = 11 q · Xq 11 a · Xa. +
Senkrech t zu E 2 . liegen die Rotoram perewind ungen 0 2 • Zieht man
hiervon die Statoram perewind ungen 0 1 ab, so ergeben sich die resul-
tierenden Amperew indungen er
Das vereinfac hte Spannun gsdiagram m des Turbogen erators, bei
welchem der Ohms"che Spannun gsabfall vernachlä ssigt ist und I den
Dia.gra.mm des Turbogenerators 81
Statorstrom und E 2 die Polradspannung bedeuten, zeigt Abb. 70a.
Ausgehend von diesem Diagramm ergibt sich
E 2 sin d = I Xa · cos qJ , (49)
N w = UA I · cos qJ , (50)
N _ UA • E 2 • sin 15 (51)
w- Xa '
I _ E 2 ·sinl5 (52)
w- Xa '

I _ E 2 • oos 15 _ UA
b- Xa Xa · (53)
Dividiert man sämtliche Spannungen dieses Diagramms durch Xa und
bezieht diese Stromwerte auf den Nennstrom des Stators In. so erhält
man das Stromdiagramm bzw.
Leistungsdiagramm Abb. 70b.
Das charakteristische Dreieck
wird durch die Seiten
OA = h , AO = _!_
In In
und
00=~
X

gebildet, wobei e die auf die


Nennspannung bezogene Pol-
radspannung und x die auf die
Abb. 70b. Leistungsdiagramm des Turbogenerators.
Nennreaktanz bezogene syn-
chrone Reaktanz bedeutet. ~ist gleich dem auf den Nennstrom bezoge-
x
nenDauerkurzschlußstrom beiNennerregung. Die Projektion des Stromes
auf die Ordinate ergibt den Wirkstrom bzw. die Wirkleistung N w, die
Projektion auf die Abszisse deJao.Blindstrom bzw. die Blindleistung Nb.
Im anderen Maßstab kann auf der Ordinate oder auf der Abszisse die
Scheinleistung N 8 abgelesen werden. Das Diagramm ist für ein un-
gesättigtes Kurzschlußverhältnis IIK = 0,6, für cos (/J = 0,8 und für
den Nennstrom L n
= 1 aufgetragen. Der Polradwinkel ermittelt sich

aus tan d = ~:~ = ; = ca. 33°. Für Leistungsfaktoren des Generators


höher als der N ennleistunsgfaktor liegen die Belastungspunkte für den
Nennstrom auf dem Kreisbogen OD. Beim Punkt D ist die Stabilitäts-
grenze erreicht, da der Winkel d zu 90° geworden ist (s. GI. (51)). Kann
mit Rücksicht auf die Antriebsmaschine nicht mit höherer Wirkleistung
als der Nennwirkleistung gefahren werden, so ist die Leistungsgrenze durch
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 6
82 Die Drehstromgeneratoren

die Gerade GD gegeben. Für Leistungsfaktoren unter dem Nennleistungs-


faktor darf der Erregerstrom entsprechend der Strecke 00 nicht über-
schritten werden. 11K ist der Leerlauferregung i 0, ~der bezogenenNenn-
n X
lasterregung ~n zugeordnet. Die Grenze ist daher durch einen Kreis um 0
•o
mit dem Radius 00 gegebe1,1. Dieser Kreis schneidet die Abszisse in E.
Die Punkte rechts von .A auf der Abszisse entsprechen dem Pha.sen-
"o~~--~--~--r--.
schieberbetrieb im übererregten Zustand.
% Die Phasenschieberleistung ist grundsätz-
7~~-+---r-+.~~r-~
lich immer kleiner .als die Nennleistung.
Man erkennt aus Abb. 70b, da.ß sie durch
00- O.A gegeben ist, d. h. aus der Diffe-
renz von dem auf Nennstrom bezogenen
Dauerkurzschlußstrom bei Nennerregung
Ln und dem Kurzschlußverhältnis ~:
1
Im vorliegendenFall ergibt sich die Phasen-
schieberleistung zu 1,44-0,6, d.h. zu0,84
der Nennleistung. Die Punkte für reine
kapazitive Last liegen auf der Strecke .AO.
Ist der kapazitive Strom ebenso groß wie
derinduktive Strom O.A, den der unerregte
Generator aufnimmt, so ist die Grenze der
0 theoretischen kapazitiven Belastbarkeit
gegeben, die bei dem gewählten Beispiel
A~~~~~:ior!"!;re'~~~:r!~~~n- 0,6 Nn beträgt. Ermittelt man aus dem
°·
verhältnie von 6• Strom-Diagramm die Erregung bei be-
liebigem Strom und Leistungsfaktor, so .erhält man die V-Kurven, dif;l
den Erregerstrom bei konstanter Spannung für beliebige Belastungs-
zustände angeben (Abb. 70c).

C. Diagramm des Generators mit ausgeprägten Polen


Bei Generatoren mit ausgeprägten Polen trifft die. Annahme kbn-
stanten Luftspaltes längs des Umfanges nicht mehr zu. Hier muß bei
Aufstellung des Generatordiagramms das Vorhandensein der ausgepräg-
ten Pole berücksichtigt werden. Ist die Generatorspannung UA und hat
der Statorstrom 11 gegen U A eine Phasenverschiebung cp (induktive
Belastung), so erhält man die EMK E, ebenso wie im Diagramm Abb. 68,
durch geometrische Addition des ohmschen Spannungsabfalls 11 • R und
des induktiven 11 ·X, zur Sternspannung UA (s. Abb. 71). Setzen wir
zunächst die Kenntnis der Richtung der Polradspannung E 2 voraus,
die mit der Spannung U;.. den Polradwinkel {J einschließt und zerlegen
Diagramm des Generators mit ausgeprägten Polen 83
den Statorstrom 11 in die Längskomponente 11 a und die Querkompo-
nente 11 q, so erhält man die Polradspannung E 2, indem· man an den
Endpunkt von E senkrecht zu E 2 die Spannung 11 q • Xaq anträgt,
wobei Xaq die AnkerrückwirkUngsreaktanz in der Querachse bedeutet.
Hierzu addiert man in Richtung
vonE2 die Spannung 11a• Xa a' wo-
bei Xaa die Ankerrückwirkungs-
reaktanz in der Längsachse ist.
Der Endpunkt ergibt die Polrad-
spannung E 2 •
Die Streureaktanz und die
Ankerrückwirkungsreaktanz in
der Längsachse lassen sich zur
synchronen Reaktanz Xa in der
Längsachse zusammenfassen. Es
gilt Xa = X 8 + Xaa· Ebenso gilt
für die Querreaktanz Xq = X 8
+ Xaq· Aus der Abb. 71 geht
auch hervor, wie sich E 2 ergibt,
indem man an den Endpunkt Abb. 71. Diagramm eines Drehstromgenerators
von 11 • R (oder näherungsweise mit ausgeprägten Polen.
an den Endpunkt von U)) 11 q • Xq
und11 a · Xa anträgt. Da 11 q = 11 • cos (rp + b) und dieser Winkel auch
bei A auftritt, so ist die Strecke AB= 11 • Xg. Damit kann die ursprüng-
lich angenommene Richtung von E 2 bestimmt werden. Man kann nun
zur Bestimmung von E 2 auch so vorgehen, daß man von Punkt A oder

a b
Abb. 72 a u. b Ankerrückwirkung bei einem Generator mit ausgeprägten Polen.
a Es sind nur Queramperewindungen vorhanden, b es sind nur Gegenamperewindungen vorhanden.

näherungsweise vom Endpunkt des Spannungsvektors U A senkrecht


zu 11 die Strecke AB = 11 • Xq und A 0 -: 11 • Xa aufträgt. Die Ver-
bindung von 0 mit B ergibt die Richtung von E 2 • Den Endpunkt
von E 2 erhält man, indem man von Punkt 0 ein Lot auf die Richtung
von E 2 fällt.
Senkrecht zu E 2 liegen die Rotoramperewindungen 8 2 • Zieht man
hiervon die Statoramperewindungen 8 1 ab, und zerlegt diese in eine
Längs- und Querkomponente und errichtet das Lot auf E 2 im Ursprung 0,
6*
84 Die Drehstromgeneratoren

so gibt die Strecke bis zum Schnittpunkt mit den Queramperewin-


dungen die resultierenden Amperewindungen 8,, in deren Richtung
auch der Fluß tPr liegt.
Die Abb. 72a und b zeigen aDBchaulich das Zusammenwirken der
Felder, die von den Quer- und Lä.ngs-Statora.mperewindungen und von
den Rotoramperewindungen erzeugt werden. Die Längsamperewindungen
rufen ein Feld hervor, das dem von den
Rotoramperewindungen hervorgerufenen
Feld entgegenwirkt. Die Lage des von
den Queramperewindungen hervorgerufe-
nen Feldes zu dem Erregerfeld geht aus
Abb. 72a hervor.
Ähnlich wie beim Turbogenerator läßt
sich auch aus dem vereinfachten Span-
nungsdiagramm des Generators Abb.37a
mit ausgeprägten Polen das Leistungs-
diagramm Abb. 73b ableiten. Es gilt:
E~ sin ~ = 1· xd. COSq>. (54)
Da
Nw = U;.. ·1· coscp (55)
ist, gilt
tl
Abb. 73a. Vereinfachtes Spannungs- (56}
diagramm des Gen~rators mit
ausgeprägten Polen.
wobei
E'2 = E 2 + UA (Xd Xq
- Xrz) • cos ~=K0 + GK , (57)

N = UA · E 2 ·sind + U).. • (Xd- Xq) . . 2 .ll


(58)
w Xa 2 Xd · Xq sm u '
l _ E, . .ll
w--X smu
+ UA2 (XtJ-Xg)
X
.
·stn 2 u.
.ll
(59)
d d ·Xg
Der Ausdruck für die Wirkleistung der Maschine mit ausgeprägten
Polen unterscheidet sich von dem für die Maschine mit Vollpolen durch
das Glied
u1. (Xa -Xq) • sin 2 ~, (60)
2 Xa ·Xg
das unabhängig von der Erregung ist. Die Synchronmaschine mit aus-
geprägten Polen kann auch bei der Erregung 0 eine Wirkleistung ab-
geben, die man Reaktionsleistung nennt und, deren Höchstwert bei
einem Polradwinkel von~ . 45° den Wert u)... XXd XXq e~eicht; dieser
2 d" II
Diagramm des Generators mit ausgeprägten Polen 85
Wert wird z.B. bei einem Verhältnis XqfXa = 0,65 das etwa 0,27-fache
der Nennleistung.
Ähnlich ergibt sich für den Blindstrom der Maschine mit ausgeprägten
Polen
lb = E 2 • cos <5- UA
Xa Xa
+
UA (Xa -Xq) (cos 2 <5 -I)
2 Xa ·Xq
(6I)

Das Strom- bzw. Leistungsdiagramm des Generators ·mit ausgeprägten


Polen (Abb. 73b) erhält man wiederum durch Division sämtlicher Größen
durch die Längsreaktanz Xa und um bezogene Werte zu erhalten, durch

---- -------
L

-·-- ........,,,

6' II 0
U;JXrA'td.q!JB
%d Xq-
t·ftt.
A(l 'fl
=t

Abb. 73 b. Leistungsdiagramm des Generators


mit ausgeprägten Polen.

den Nennstrom In. Das Diagramm wurde für eine Längsreaktanz von
Xa =I und für eine Querreaktanz von Xq = 0,65 sowie für L = I
~~ =I auf und unter dem WinkelfP
-:q)
gezeichnet. Man trägt OA =
AG= 11 = I. UA wird= I gesetzt; man trägt dann OG = U A <x.;
n d • q
= 0,538 auf, dann ist GO = la und KG = la , das
e' e
bei dem gewählten
Beispiel sich zu I,78 (Dauerkurzschlußstrom bei Nennerregung) ergibt.
Hält man die Strecke KG, die der Nennerregung proportional ist, kon-
stant, läßt den Winkel <5 variieren und trägt vom Umfang des Kreises
mit dem Mittelpunkt H und dem Radius HO die Strecke KG ab, so
erhält man die Grenzkurve GE für Leistungsfaktoren, die unter dem
Nennleistungfaktor liegen. Der Bogen EG ist nicht mehr wie bei der
Vollpolmaschine der Teil eines Kreises, sondern der Teil einer Pascalsehen
Schnecke. Für höhere Leistungfaktoren und für den kapazitiven Be-
reich liegen die Grenzwerte auf einem Kreis um A mit dem Radius AG.
86 Die Drehstromgeneratoren

Die Punlde der Grenzlinie EO DO können auch aus den Gleichungen (59)
u. ( 61) ermittelt werden. Begrenzt die Antriebsmaschine die Wirkleistung,
so ist wiederum die Gerade CD als Begrenzung maßgebend.
Den Polradwinkel f5 bei Nennlast liest man zu etwa 20° 31' ab. Die
theoretische Stabilitätsgrenze, die für den Grenzwinkel (j = 90° gilt,
ist ebenfalls eingetragen. Sie ergibt sich aus der Differentialgleichung
des Wirkstromes im vorliegenden Falle wie folgt:

0~~ 9 = sin 2 (J + 6,607 · sin (j (62)


oder
( 63 )
0,~~ 9 = y = sin 2 <5 + a · sin <5 , wobei _ E 2Xq
a- U (Xa-Xq)'
y' = 2 cos 2 <5+ a • cos <5 = 0 , (64)
a 1 ;--
cos <5 = - 8 ± 8 1Va + 32 .
2 (65)

Errechnet man hiernach für beliebige Werte von a die zugehörigen


Winkel (J, so erhält man die Kurve GL lür die Stabilitätsgrenze.
Die Phasenschieberleistung bei cos rp = 0 übererregt ist, wie auch
aus der Gl. (61) hervorgeht, in gleicher Weise wie bei der Vollpol-
maschine !!_- _!!___ d. h. durch den relativen Dauerkurzschlußstrom
Xa Xa'
minus dem Kurzschlußverhältnis gegeben. Bei untererregtem Betrieb
ist ebenfalls wie bei der Vollpolmaschine die zulässige Blindleistung
durch das Kurzschlußverhältnis %a = OA = 1 gegeben. In Verbindung
mit einem rasch arbeitenden Schnellregler 1 gelingt es, die untererregte
Blindleistung entsprechend _i:' =AG= 1,385 zu erreichen, die jedoch
q •
im vorliegenden Fall wegen Überschreitung des Statorstromes nur
kurzzeitig ausgenützt werden könnte.

D. Der Kurzschlußstrom und die unsymmetrische


Belastung des Generators
a) Der Stoßkurzschlußstrom
Im ersten Augenblick nach Kurzschlußeintritt treten große Stoß-
ströme auf, die nach einigen Sekunden auf den Wert des Dauerkurzschluß-
stromes abklingen. Im folgenden soll die Größe des Kurzschlußstromes
unmittelbar nach dem Eintreten des Kurzschlusses ermittelt und der
weitere Verlauf des Kurzschlußvorganges untersucht werden. Um klare
1 W ALDVOGElL: Theorie der Spannungshaltung einer auf eine lange leerlaufende
Leitung arbeitenden Drehstrommaschine. (BBC-Mitteilung Nr. 8/August 1945.)
Der Stoßkurzschlußstrom 87

Verhältnisse zu schaffen, $ei dabei vom leerlaufenden Generator aus-


gegangen, der dreipolig kurzgeschlossen werde. Die vorhandene EMK. E
wird durch den um 90° voreilenden Fluß (}) erzeugt, der seinerseits durch
die Amperewindungen er hervorgerufen wird. Der entstehende Kurz-
schlußstrom wird, da die Kurzschlußbahn vorwiegend induktiv ist, der
EMK um 90° nacheilen (Abb. 73c). Dieser Strom erzeugt gleichphasige
Amperewindungen 8a, welche den
Fluß(}) auslöschen wollen. Der Fluß (j)
kann jedoch nicht plötzlich ver-

.
schwinden, da durch eine Flußah-
nahme (- d(J)jdt) Ströme erzeugt
werden, welche den Fluß aufrecht fJz ~
zu erhalten suchen. Diese Ströme Abb. 730 ' :r~!~~~~"l:=. für Stoß-
fließen teils in der Erregerwicklung
oder in der Dämpferwicklung (falls eine solche vorhanden), teils auch in
möglicherweise vorhandenen massiven Eisenteilen. Diese hierdurch
gebildeten zusätzlichen Amperewindungen ez,
welche im ersten Augen-
blick die Ankeramperewindungen ea
kompensieren, klingen jedoch all-
mählich ab. Damit verschwindet auch der Fluß bis auf einen Betrag,
der der EMK im Dauerkurzschlußzustand entspricht. Da ·bei Kurz-

I
schlußbeginn der Fluß(}) und damit auch die EMK des Normalzustandes
praktisch bestehen bleiben, erhält man für den ersten Augenblick einen
sehr hohen Stoßkurzschlußstrom.
Bei diesem transienten Vorgang verhält
sich der Generator wie ein Transformator. Man
erhält folgendes Ersatzschaltbild (Abb. 73d), Xa.
wobeiX81 dieprimäre (Stator-)Streureaktanz _
und X 82 die sekundäre (Rotor-) Streureaktanz Abb. 73 d. Ersatzschaltung für die
und Xa die Ankerrückwirkungs-(Haupt-) Ermittlung der transienten
Generator· Reaktanz X'.
Reaktanz bedeutet. Bezeichnet man mit a 1
und a2 die auf Xa bezogenen Reaktanzen, so ergibt sich als'Resultierende
die transiente (Übergangs-)Reaktanz. X'= Xs 1 ~:2 ~~~ = Xd · o, +
wobei a' der totale Streukoeffizient gegeben ist durch

a' 1 (66)
=I-
(1 + 0'1) (1 + 0'2)
Ist z.B. Xd = 1
0,6 , a' = 0,12, so wird X'= 0,2. Der Stoßkurzschluß-
Wechselstrom errechnet sich zu__!_ = 5, d. h. zum 5-fachen des Nenn-
0,2
stromes.
Vorgenannte Werte gelten für Generatoren ohne Dämpferwicklung
mit geblättertem Rotor. Alle Turbogeneratoren haben massive Rotoren,
88 Die Drehstromgeneratoren

manchmal auch noch eine Dämpferwicklung. Außer der Rotorstreuung


ist daher auch noch die Streuung Xs 3 bzw. a 3 = ~: der Dämpfer-
wicklung wirksam, die wir uns im Ersatzschaltbild parallel zu X 82 vor-
stellen müssen (Abb. 73e). Für einen Turbogenerator mit massivem
Rotor bzw. mit Dämpferwicklung ergibt sich als resultierende Reaktanz
die "subtransiente Reaktanz" (Anfangs-Reak-
tanz) X" =X· a", wobei
a" = 1 - 1 (67)
(l +a (1 +~)
1)
+ a2 as
ist. Der totale Streukoeffizient a" ist infolge
Abb. 73e. Ersatzschaltung für die
Ermittlung der subtransienten
Generator-Reaktanz X".der Dämpferwicklung bzw. des Einflusses der
massiven Pole noch etwas kleiner als bei einem
lamellierten Rotor. Hat erz. B. bei einem Turbogenerator mit einem Kurz-
schlußverhältnisvon 0,6 denWert 0,072, so ergibt sich X" zu 0 •072 =0,12.
0,6
Der Stoßkurzschlußwech selstrom eines solchen Generators beträgt daher
l
das O,l 2 = 8,33 fache des Nennstromes.
Nun ist bei einem Generator entsprechend Abb. 73f wie bei Ein-
schaltung einer Drossel die Größe des Stromes abhängig vom Schalt-
augenblick. Schalten wir in dem
Augenblick, in dem die Spannung
ihren Höchstwert hat, so ergibt sich
ein Strom, der durch UJJX" bzw.
t
U)../X' gegeben ist. Wird in dem
Augenblick geschaltet, in dem die
Spannung 0 ist, ist auch die Strom-
änderung 0. Man erhält einen Verlauf
entsprechend Abb. 73f und erkennt,
Abb. 73 f. Verlauf des Einschaltstromes,
abbäll,llig vom Schaltangenblick. daß der Strom auf den doppelten Wert
ansteigt. Für eine subtransiente Reak-
tanz von 0,12 wurde der Stoßkurzschlußwech selstrom I';. zum 8,33-fachen
des Nennstromes ermittelt. Der auftretende höchste Stoßkurzschluß-
strom ist hiernach das Doppelte dieses Wertes. Es tritt also noch ein
Gleichstromglied auf, das den Strom auf den doppelten Wert erhöht.
Die Nullinie des Stromes verschiebt sich um den Höchstwert von I~
nach unten. Infolge des wirksamen Ohmsehen Widerstandes wird nicht
der doppelte Kurzschlußstrom erreicht, sondern nur etwa 90 v.H. hier-
von, also das 1,8-fache. Dementsprechend wird bei einer Reaktanz
von 12 v.H. der Stoßkurzschlußstrom das 1,8 · 8,33, d. h. das 15-fache
des Scheitelwertes des Nennstromes. Nach den VDE-Vorschriften 0530
soll der Stoßkurzschlußstrom von Generatoren bis 25 MVA das 15-fache
Der Stoßkurzschlußstrom 89
und darüber das 18-fache des Scheitelwertes des Nennstromes nicht
überschreiten; letzterer Wert entspricht einer subtransienten Reaktanz
von 0,1.
Die Gleichstromkomponente des Stoßkurzschlußstromes nimmt nach
der Zeitkonstanten Ta=~ ab, wobei xi die bezogene inverse (Gegen-)
wrw
Reaktanz des Generators (worauf weiter unten zurückgekommen wird)
und ra der bezogene Widerstand der Ankerwicklung bedeutet. Das Ab-
klingen eines symmetri-
schen Stoßkurzschluß-
stromesgehtausAbb.73g
hervor. Für die ersten
Perioden des Abklingens
des Kurzschlußstromes
ist die subtransiente (An·
fangs-) ZeitkonstanteT;, \;i~
die durch x;und den
II
wirksamen Ohmsehen
---ld ___ j
Widerstand der dämp- .. _________l _________________________ _
fendenKreise (Dämpfer-
wicklung und massive ~
Teile) gegeben ist, maß- Zeit-
gebend. Mit dieser Zeit- Abb. 73g. Abklingen des symmetrischen Btoßkurzschlußstromes
konstante nimmt die Stromkomponente I';.- I~ nach der exponentiellen
t
- T"
Funktion (I';. -I~) e d ab. T; beträgt ungefähr 0,03-0,()4. Sekunden.
Nach dem Abklingen des subtransienten Vorgangs verhält sich die
Maschine, als ob sie nur die transiente Reaktanz x~ hätte, die die Strom-
komponente I~ bestimmt und auf den Dauerkurzschlußstrom bei Leer-
lauf lx abklingt, wenn der Kurzschluß bei unbelastetem Generator
durchgeführt wurde.
Die Stromkomponente I~ - IK klingt nach der exponentiellen
t

Funktion (I~ -Ix) · e Tit ab. Die transiente Zeitkonstante T~ ist gegen-
über der Leerlaufzeitkonstante T~ im Verhältnis
0
xaXd kleiner, d. h. es gilt
I

T~ = T~ . xd • Die Zeitkonstante T~o ist angenähert aus der lnduk-


o Xd
tivität der Erregerwicklung (Polradwicklung) bei offenem Ankerkreis
und Erregung für Nennspannung zum Widerstand der Erregerwicklung
gegeben; sie beträgt 5-10 Sekunden, wobei die höherenWerte Maschinen
großer Leistung zugeordnet sind 1•
1 VDE 0530.
90 Die Drehstromgeneratoren

b) Die unsymmetrische Belastung des Generators


Liegt eine beliebige unsymmetrische Belastung vor, so kann diese
entsprechend Abb. 73h in eine symmetrische und in eine einphasige

Abb. 73h. Ersatzschaltung für den unsymmetri sch Abb. 73i. Ermittlung des einphasigen
belast eten Drelphasen-Generator. Stromes Je und der SchieflastIef In .

--
Belastung zerlegt werden. Bei unsymmetrischer Belastung ergibt die

2· ~~~-.
Zusammensetzung der drei Ströme entsprechend Abb. 73i nicht ein

lmu l§u

Abb. 73k. Zerlegung eines einphasigen Stromes in Mit- und Gegenkomponente.

gleichseitiges, sondern ein schiefes Dreieck. Wird über diesem das


gleichseitige Dreieck errichtet, so ergibt die Verbindung der Dreieck-
spitzen den einphasigen Strom.
Ein solcher einphasiger Strom
kann in eine gleich große Mit-
und . gegenläufige Komponente
(Im bzw. lu) von je dem - 1- fachen
V3
des einphasigen Stromes zerlegt
werden (Abb. 73k). Die gegen-
läufige (inverse)Komponente, auf
denNennstrom des Generators be-
zogen, nennt man Schieflast. Bei
Abb. 73 J. Zweischicht-'Dämpferwlcklung Turbogeneratoren bis 100 MVA
eines BBC-Turbcgenerators.
ohne Dämpferwicklung ist eine
Schieflast von 12,5 v. H. zulässig, d.h. der einphasige Strom darf
höchstens 12,5 · y3 = 21,6 v. H. des Nennstromes betragen; für Lei-
Dauerkurzschlußstrom 91
stungen über 100 MVA ist die zulässige Schieflast 8%. Bei größeren
Schieflasten ist eine Dämpferwicklung erforderlich. Abb. 731 zeigt eine
sogenannte Zweischicht-Dämpferwicklung, die bei größeren Schieflasten
für Turbogeneratoren Verwendung findet. Während für eine reine Mit-
komponente als Widerstand die synchrone Reaktanz in Frage kommt,
ist zu beachten, daß die gegenläufige Komponente die hohe Geschwin-
digkeit gegenüber dem Rotor von der doppelten der Nenndrehzahl auf-
weist. Deshalb ist für das von einer Gegenkomponente herrührende
Drehfeld die subtransiente Reaktanz maßgebend, d. h. die inverse
Reaktanz Xi ist = X".

c) Dauerkurzschlußstrom
Der dreipolige Dauerkurzschlußstrom bei Leerlauferregung beträgt
für die ungesättigte Maschine
I I I I_I _ UA
- Kunges- Xa ·

Für die gesättigte Maschine ist der Dauerkurzschlußstrom bei Leerlauf-


erregung IK· Das VerhältnisiK/In nennt man das Kurzschlußverhältnis;
dieses gilt für die Leerlauferregung i 0 • Bei Nennerregung in ist der Dauer-
kurzschlußstrom im Verhältnis Vn = infi 0 größer. Wird die Spannung
des Generators automatisch geregelt, so wächst der Dauerkurzschluß-
strom auf einenWert an, der gegenüber dem Kurzschlußstrom bei Leer-
lauferregung im Verhältnis der maximalen Erregung zur Leerlauf-
erregung größer ist. Eine Beeinflussung des Kurzschlußstromes infolge
der Sättigung ist im allgemeinen bei Klemmenkurzschluß mit höchster
Erregung noch nicht festzustellen.
Beim zweipoligen Kurzschluß liegt eine einphasige Belastung vor.
Der Strom der Mitkomponente ist ebenso groß wie der Strom der Gegen-
komponente. Man kann daher die Reaktanz für die Mit- und Gegen-
komponente in Reihe schalten und erhält dann, sowohl für die Mit- als
auch Gegenkomponente, einen Strom, der durch UA = X (UA.
Xa + Xi a l + ai)
gegeben ist (Abb. 73m). Die beiden Ströme setzen sich zum resultieren-
den zweipoligen Dauerkurzschlußstrom von der Größe {3 · Xa g~ ai) zu-
sammen, so daß das Verhältnis vom zweipoligen zum dreipoligen Dauer-
kurzschlußstrom 1 ~ai beträg1. Bei Vernachlässigung von ai ist der
zweipolige Dauerkurzschlußstrom das (3 -fache des dreipoligen.
Beim einpoligen Kurzschluß kann man den Strom zwischen Phase
und Sternpunkt nach Abb. 73m in drei gleich große Komponenten
zerlegen. Für jede Komponente ist der resultierende Widerstand gegeben
92 Die Drehstromg eneratoren

durch die Summe aus der synchrone n Reaktanz, der inversen Reaktanz
und der Nullreakta nz. Für die einzelnen Stromkom ponenten ergibt
sich der Strom zu _ _ u_A___ und der resultieren de Kurzschlu ßstrom
Xa+Xi+ Xo
3 - · - größer als der
ist das dreifache dieses Wertes. Er ist daher ----;-
1-, CJi + CJo
dreipolige Dauerkurz schlußstro m.
Für transiente Vorgänge ist lediglich das erste Glied Xa im Nenner
der Gleichung en für den ein-, zwei- und dreipoligen Kurzschlu ßstrom
durch X~ zu ersetzen.

~ - I

illjl
lo
li= J(/;.
xd (l+IJi"+OO)
ll 3
liu -(7+oi;+rro)

Abb. 73 m. Verhältnis von 3:2:1-poligem Dauerkurzschlußstrom.

In Tab. l sind die üblichen Werte der verschiede nen Reaktanze n


von Generatore n und zwar von Turbogene ratoren und Generator en mit
ausgepräg ten Polen zusammen gestellt.

Tabelle 1. Reaktanzen von Synchron-G eneratoren


X I X" X' X·
Xo
Generatoren-
Bauart Synchr. I subtrans. transiente I inve~: e Null-Reaktanz
Reaktanz , Reaktanz Reaktanz Reaktanz

Turbo· 1,67 · · · 2 [ 0,1 · · · 0,15 i 0,15 · · · 0,25 'o,1· · · 0,15. 0,01 · · · 0,08

-m~it~a~~~,~~~[-;ägten -0,~~1,~~~ ~.~-5 ~~ --0,; -~~- 0,2 ~0,45 ~0,~ -~0,: ~- 0,0; ~0,2-
,
~Dämpferwicklung
1

------- --~-----.---
~~

ohne TJ~';;~!erwick- 0,6 ... 1,2[ 0,2 · · · 0,45[ 0,2 · · · 0,45 0,3 · · · 0,61 0,04 · · · 0.25
1
Die Erregung der Generatoren 93
E. Die Erregung der Generatoren
Neuzeitliche Wechselstromgeneratoren beziehen, von Ausnahmen ab-
gesehen, ihren Erregerstrom von unmittelbar angebauten, bzw. über Ge-
triebe angetriebenen Erregermaschinen, die in der Regel als selbst-
erregte Nebenschlußmaschinen ausgeführt sind. Die Regelung des Feld-
stromes i der Drehstromgeneratoren erfolgt durch Widerstände im
Nebenschlußfeld des Erregergenerators. Man hatte früher unmittelbar
im Feldstromkreis des Drehstromgenerators die Widerstände, hat jedoch
heute diese Regelart ver-
lassen, da die Wider- 1/
stände groß sein müssen
und somit erhebliche
Verluste verursachen.
Aus dem Leistungs-
diagramm und den dar-
aus abgeleiteten V-Kur-
ven lassen sich die unge-
fährenErregerströmefür
beliebige Belastungszu-
stände ermitteln. Für die
genauere Bestimmung
des Erregerstroms unter
Berücksichtigung der
Sättigung ist es zweck-
mäßig, dasASA-Verfah- L ErrtyW-
ren (American Standard .rlrtim i
Association) zu Grunde Abb. 7,, Ermittlung des Erregerstromes eines Generators
unter Berücksichtigung der Sättigung.
zu legen, das neben-
stehendem Diagramm entspricht (Abb. 74). Man zieht durch Un eine
Parallele zur Abszisse und trägt auf dieser den Erregerstrom AD für eine
Belastung mit dem Nennstrom In bei cos q; = 0 übererregt auf. Von
D aus trägt man die Strecke DO = o ab, die den Erregerstrom ix~ für
einen Kurzschlußstrom gleich dem Nennstrom darstellt. Da

ist
. . In ·X
~Kn = ~o }Ji = ~0 d

d. h.' die Strecke DO, die Basis des Potier-Dreiecks, kann auch aus dem
Leerlauferregerstrom, multipliziert mit der synchronen Reaktanz, ermit-
telt werden. Durch den Punkt 0 zieht man eine Parallele zur Luftspalt-
kennlinie; vom Schnittpunkt dieser Parallelen mit der Leerlaufkennlinie
94 Die Drehstromgeneratoren

fällt man ein Lot auf die Strecke c; dies ergibt die Potierspannung Ep.
Bei einem Betrieb mit cos ({J = 0 übererregt, d. h. induktiver Last, addiert
sich die Polradspannung Ep zu der Nennspannung OA = Un algebraisch
und damit erhält man die EMK E zu OG. Zieht man eine Parallele zur
Abszisse durch G, so schneidet diese zwischen der Luftspalt- und der
Leerlaufkennlinie die Strecke b ab, die die Erhöhung des Erregerstroms
infolge der Sättigung zur Folge hat. Der weitere Anteil ist gegeben
durch die Strecke a =AB, welche den Erregerstrom i 0 ung88 entspre-
chend der Luftspaltkennlinie bei der SpannungUn darstellt.
Ist der Punkt D, d.h. der Erregerstrom für Belastung mit dem Nenn-
strom In bei cOS({J=Oübererregt'nichtbekannt, somußdiePotierspannung
Ep errechnet werden, worauf das charakteristische Dreieck OHN kon-
struiert wird. Die Potierspannung ist etwas größer als
die subtransiente Reaktanz und erreicht Werte bis zur
Gesamtstreuspannung, die man bei der Bohrfeldprobe
(s. S. 78) mißt.
Der Erregerstrom wurde in Abb. 74 für eine Be-
lastung z. B. mit In und cos ({J = 0 übererregt in 3 Kom-
ponenten a, b und c zerlegt. Für einen beliepigen
Leistungsfaktor und den Strom In erhält man den er-
forderlichen Erregerstrom, indem man auf der Abszisse
die Strecke OM = a = i 0 u11 g88 aufträgt. Von M aus trägt
man unter dem WinkelqJ die Strecke MI= OD = c auf
Abb. 76. Drehstrom-
generator mit und erhält als resultierenden Erregerstrom ohne Sätti-
angebauter Erreger- gung OJ. Der Einfluß de:r SättigUn.g wird näherungs-
maschine.
weise berücksichtigt, ingem man zunächst an OA = Un
unter dem Winkel ({J die Potierspannung Ep. anträgt und vom Endpunkt
von Ep eine Parallele zur Abszisse zieht, die zwischen der Leerlauf- und
der Luftspaltkennlinie den Erregeranteil IX, der für die Sättigung in
Betracht kommt, ausschneidet. Dieser Anteil wird in der Verlängerung
von 01 aufgetragen. OK = OL ist dann die Erregung beim Nennstrom In
und dem Phasenverschiebungswinkel (/J·
Vorstehendes Diagramm ergtbt sowohl bei Maschinen mit Vollpolen als
auch bei Maschinen mit ausgeprägten Polen gute Resultate.
Es sei in folgendem die Regelfähigkeit einer normalen Erreger-
maschine (Abb. 75) untersucht. Die Leerlaufcharakteristik der Erreger-
maschine zeigt Abb. 76. Selbsterregung ist möglich, wenn die unter dem
Neigungswinkel tan IX= R verlaufende Gerade i 8 R mit der Leerlauf-
charakteristik einen SchnittpunktS bildet. Dabei bedeutet i, den Erreger-
strom des Erregergenerators und R den Gesamtwiderstand im Anker-
und Erregerkreis a. Sieht man näherungsweiße vom inneren Widerstand
des Erregergenerators ab, so hat man mit dem Schnittpunkt auch die
Klemmenspannung der Erregermaschine und damit den durch den
Die Erregung der Generatoren 95
Drehstromgenerator fließenden Erregerstrom ] 6 • Um eine kleinere Klem-
menspannung an der Erregermaschine zu erzielen, muß der Widerstand
im Erregerkreis a der Erregermaschine vergrößert werden. Die Wider-
standsgerade wird dann steiler und kann mit dem geradlinigen Teil der
EMK-Kurve zusammenfallen (Abb. 76), d. h. es sind jetzt überhaupt
keine stabilen Verhältnisse mehr vorhanden. Eine Erregercharakteristik
nach Abb. 76 kann also nur Verwendung finden, wenn der Regelbereich

Abb. 76. Leerlaufkennlinie der Abb. 77. Leerlaufkennlinie einer


Erregermaschine. Erregermaschine mit Regulierpolen.

der Erregermaschine klein ist und man stets im gekrümmten Teil der
EMK-Kurve arbeitet. Um die Regelfähigkeit zu verbessern, baut man
Erregermaschinen, bei denen die Pole durch besondere Maßnahmen schon
bei kleinen Strömen ie in den Sättigungsbereich gelangen; z. B. kann man
in die Pole (Regulierpole) Schlitze anbringen wie in Abb. 78. Man erhält
damit eine EMK-Kurve, die schon bei kleinen Erreger-
strömen gekrümmt ist (s. Abb. 77) und auch für kleinere
Spannungen Schnittpunkte mit der Widerstandsgeraden
liefert. Wenn auch mit solchen Spezialpolen die meisten
in der Praxis vorkommenden Regelforderungen erfüll-
bar sind, so sind doch in Fällen, in denen wegen kapazi-
tiver Belastung der Erregerstrom auf sehr kleine Werte
gebracht werden muß, die Erregermaschinen mit Regu-
lierpolen nicht genügend stabil, denn die
Schnitte mit der EMK-Kurve sind im
niederen Bereich verhältnismäßig flach.
Eindeutige Regelverhältnisse erhält
Abb. 78. Regulierpol Abb. 70. Drehstrom-
man, wenn die Erregermaschine durch einer Erregermaschine generator mit Haupt-
einen Hilfserreger mit konstanter Span- mit Querschlitz. und Hilfserreger-
maschine.
nung fremderregt wird (s. Abb. 79).
Wird dann im Erregerkreis b des Haupterregers der Feldstrom ie durch
Widerstände geregelt, so kann die Erregerspannung für den Drehstrom-
generator von Null bis auf vollen Wert stabil geregelt werden.
Eine besondere Hilfserregermaschine ist auch notwendig, falls ein
schnelles Regeln der Spannung gefordert wird, z. B. um die Stabilität
96 I>ie I>rehstroDlgeneratoren

einer Kraftübertragung zu sichern. Eine selbsterregte Erregermaschine


nach Abb. 75 wird sich, da sie ihr Feld selbst schaffen muß, nicht so
schnell regeln lassen, wie eine fremd erregte nach Abb. 79. Man kann
zeigen, daß die Erregung um so langsamer ist, einen je flacheren Winkel
die Widerstandsgerade mit der Charakteristik nach Abb. 76 bildet. Theo-
retisch ist sogar im gradlinigen Teil der Kennlinie die Zeitkonstante der
Erregung unendlich groß. (Begriff der Zeitkonstante s. Abb. 82.) Eine
selbsterregte Erregermaschine braucht, um von Remanenzspannung auf
Nennspannung hochzufahren, etwa 5 bis 10 mal so lange, als wenn ihr
Feld an die konstante Nennspannung ge-
U legt wird. Die Schnelligkeit der Erregung
kann ferner gesteigert werden, falls die
magnetischen Wege zur Unterdrückung
der Wirbelströme lamelliert werden. Eine
.dU noch weitere Steigerung der Erregungs-
geschwindigkeit kann durch das Anlegen
einer höheren Spannung bei gleichzeitigem
Vorschalten eines Widerstandes erreicht
werden (Schnellerregung). Zur Orientierung
diene, daß die Zeitkonstante einer fremd-
1------.dt - - - - - . 1 erregten schnellaufenden Erregermaschine
etwa 0,2 sec beträgt.
Eine Erregermaschine beurteilt man
vielfach nach der Erregergeschwindigkeit,
0~------------~t-
die nach den amerikanischen Normen wie
Abb. 80. Definition der "Erreger·
geschwindigkeit" nach den
folgt definiert ist:
amerikanischen Normen. Die leerlaufende Erregermaschine wird
bei Nenndrehzahl auf die für den Nenn-
betrieb des Generators erforderliche Nennerregerspannung bei einer
absoluten Temperatur der Feldwicklung von 75° C r~guliert. Nun
wird der Regulierwiderstand im Feldkreis des Erregers plötzlich kurz
geschlossen und man bestimmt die Kurve U = f(t) (Abb. 80). Man
wählt t = 0,5 sec und ersetzt die Kurve durch eine Gerade, derart,
daß die Fläche a =der Fläche b wird und das Verhältnis ~~ ent-
spricht dann der Erregergeschwindigkeit in Volt/sec.
Bezogen auf die Nennerregerspannung sollte bei größeren Maschinen
die Spannungsaufbau-Geschwindigkeit mindestens 0,5 sein; d. h., daß
z. B. bei einer Nennerregerspannung von 250 Volt die Spannungsaufbau-
Geschwindigkeit mindestens 125 Voltfsec betragen soll.
In Netzen, welche im Verbundbetrieb arbeiten und in denen Wert
auf Stabilität der Kraftübertragung gelegt wird, ist es notwendig, daß
bei Fernkurzschlüssen die Spannung der Werke, welche miteinander
Die Schnellregelung der Generatorspannung 97

synchron arbeiten sollen, in der Zeit bis zum Abschalten des Kurz-
schlusses nicht allzu stark gesenkt wird, da sonst der Synchronismus ver-
lorengeht. Hier kommt es nicht nur auf die Erregergeschwindigkeit,
sondern auch auf einen genügenden Leistungsüberschuß der Erreger-
maschine an. Im Kurzschluß verursacht nämlich die Ankerwicklung ein
starkes Gegenfeld, welches erhöhte Amperewindungen in der Erregung
zur Kompensierung bedarf, d. h. die Erregermaschine muß eine höhere
Leistung als im Nennbetrieb abgeben. Unter Umständen wird man in
schwierigen Fällen eine Überbemessung der Spannung von 20-50%
gegenüber dem Nennbetrieb vorsehen müssen; die maximal erreich-
bare Spannung des Erregers bezeichnet man als Deckenspannung. (Ameri-
kanische Bezeichnung: ceiling voltage.)
Bei langsam laufenden Wasserkraftgeneratoren mit unmittelbar ge-
kuppelten Erregermaschinen ist die Zeitkonstante besonders groß, da
wegen der kleinen Drehzahl die Erregermaschinen groß ausfallen. Will
man kleinere, rasch laufende Erregermaschinen haben, so müssen sie ge-
trennt von dem Hauptgenerator angeordnet sein, wobei der Antrieb ent-
weder durch ein Getriebe oder durch einen Drehstrommotor erfolgt, der
vom Generator gespeist wird. Die getrennte Anordnung der Erreger-
maschine ist auch erwünscht, um die Bauhöhe der Turbinen klein zu
halten. Die recht schöne Lösung des Erregerumformers bereitet jedoch
die Schwierigkeit, daß bei Inbetriebsetzung des Generators zunächst
noch keine Spannung vorhanden ist, welche den Asynchronmotor für die
Erregermaschine speist.
Eine zuverlässige Sicherstellung der Erregung besteht darin, den
Motor des Erregerumformers durch einen auf dem Hauptgenerator auf-
gebauten Hilfsgenerator zu speisen.

F. Die Schnellregelung der Generatorspannung


a) Tirrill-, Wälzsektoren- und Öldruckregler
Von den Generatoren in den Kraftwerken verlangt man, daß sie weit-
gehendst die Spannung halten. Da die Belastung der Generatoren dau-
ernden Schwankungen unterworfen ist, wird eine fortwährende Regelung
der Erregung notwendig. Um diese möglichst zu beschränken, baute man
früher Generatoren mit kleiner synchroner Reaktanz (großer Luftspalt).
Um wirtschaftlichere Generatoren zu erhalten, baut man sie heute mit
großer synchroner Reaktanz, sog. weiche Maschinen, bei denen allerdings
bei schwankender Belastung die Erregung wesentlich mehr geändert
werden muß. Da diese Spannungsregelung von Hand unvollkommen ist,
und um das Personal zu entlasten, hat man automatische Vorrichtungen,
sog. Schnellregler, gebaut, welche bei Belastungsschwankungen möglichst
rasch die Erregung den neuen Belastungsverhältnissen anpassen.
Buchbold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 7
98 Die Drehstromgeneratoren

Betrachten wir einen vollbelasteten Generator, dessen Belastung


plötzlich zurückgeht. Wenn die Klemmenspannung konstant bleiben
soll, muß der Erregerstrom des Generators verkleinert werden, d. h.
man muß in den Feldkreis a des Erregers (Abb. 75) Widerstand ein-
schalten. Der Strom im Feldkreis ändert jedoch nicht sofort seinen
Wert, · sondern strebt wegen der in der Feldwicklung vorhandenen
Induktivität nur langsam seinem Endwert zu. Entsprechend langsam
sinkt auch die Spannung an der Erregermaschine.
Dadurch treten vorübergehend amDrehstromgenerator
hohe Spannungen auf. Durch verschiedene Maßnahmen
kann man die durch die Erregermaschine bedingte
Trägheit bei der Spannungsregelung verkleinern.
Es sei zunächst das Ptinzip erörtert, auf welchem
R der Tirrill-Regler beruht. Zur Verwendung kommt eine
Abb. 81 • Prinzip der Erregermaschine (s. Abb. 81), in deren Erregerkreis
8cbne1Iregelung ein besonderer Widerstand R liegt, der durch einen
nach TnmiLL. Schalter 8 kurzgeschlossen werden kann. Für diesen
Fall (kein Widerstand im Feldkreis) zeigt die Kurve 1 der Abb. 82, wie
der Fluß (bzw. die EMK) der Erregermaschine nach dem Einschalten
dem Endwert zustrebt. Die Zeitkonstante T1 ist dabei verhältnismij.ßig
groß. Wird der Widerstand R eingeschaltet, so wird die Zeitkonstante
des Kreises kleiner und die Spannung der Erregerxnaschine nimmt gemäß
der Kurve 2 wesentlich
rascher ab. DasWesen
der Schnellregulierung
besteht in dem dauern-
den Ein- und Ausschal-
tendes WiderstandesR,
so daß man fürdie EMK
bzw. Flußkurve die
Zickzackkurve 3 der
Abb. 82 erhält. Infolge
t der Induktivität der
Abb. 82. Regelkennlinien des Tlrriii·Reglers. Erregerwicklung des
Drehstromgenerators
wird der dort fließende Strom ] 8 praktisch konstant sein, sofern das
Tempo der Schwankungen genügend schnell ist. Wird jetzt die Maschine
entlastet, so wird sehr rasch, da man für den Obergang den steilen Teil
der Kurve 2 ausnutzt, die dem neuen Beharrungszustand entsprechende
Zickzackkurve 4 erreicht und zu hohe Spannung am Generator vermie~
den. Um schnelle Regelfähigkeit zu erzielen, ist es notwendig, daß die
vorkommenden Erregerspannungen in einem Bereich genügender Steil-
heit der Kurven 1 und 2 ·liegen, d. h. die Erregermaschine muß über-
Tirrill-, Wälzsektoren- und Öldruckregler 99
bemessen sein. Beim wirklichen Regler erfolgt das dauernde Öffnen und
Schließen des Kontaktes S von einem Relais, welches von der Spannung
überwacht wird.
Bei der beschriebenen Regelart handelt es sich um einen Apparat,
bei dem Relais dauernd in Bewegung sind, auch wenn keine Regelung
stattfindet. Es gibt aber auch Schnellregler, die nur bei Abweichung
der Spannung vom Sollwert arbeiten, sonst dagegen in Ruhe sind. Ein
solcher Regler ist z. B. der Wälz-Sektoren-Regler der Firma BBC; der
in Abb. 83 schematisch als 2-Sektor-Regler aufgezeichnet ist. Er be-
steht aus einer Aluminiumtrommel, auf die von einem an der Gene-
ratorspannung liegenden Spannungssystem nach dem Ferraris-Prinzip
ein Drehmoment aus-
geübt wird. Diesem
Drehmoment wirkt
eine Feder f entgegen,
die mit ihrem einen
Ende im Raum und
mit ihrem anderen
Ende an der Trom-
mel befestigt ist. Mit
der Trommel stehen
außerdem zwei Wälz-
sektoren s in Verbin-
dung, die bei Rechts- Abb. 88. Schema des Wälzsektorenreglers (BBC).
drehung Widerstand
in den Erregerkreis des Erregers einschalten. Mit der Trommel ist ferner
ein Zeiger verbunden, der angibt, wie der Regler steht, sowie eine
Feder q, die mit einem Zahnsegment p in Verbindung steht, welches
auf eine Aluminiumscheibe arbeitet, die von permanenten Magneten m
abgedämpft wird.
Befindet sich der Regler in der Stellung 1 im Gleichgewicht und wird
der Generator entlastet, so wird das vom Ferraris-Motor ausgeübte Dreh-
moment größer, da die Spannung ansteigen will, und überwiegt gegen-
über der Federkraft f. Die Trommel will sich in ihre Endlage bewegen,
wird jedoch durch die sich allmählich spannende Feder q daran gehindert,
weil infolge der in der Scheibe o erzeugten Dämpfungskraft das Zahn-
segment p nicht so rasch zu folgen vermag. Die unmittelbar nach der
Entlastung erreichte Stellung der Sektoren wird etwa bei Zeigerstellung 3
liegen. Der Generator vermindert jetzt infolge der geringeren Erregung
seine Spannung und das auf den Ferraris-Motor ausgeübte Drehmoment
nimmt ab, die Trommel bewegt sich im Linkssinne etwas zurück. In der
Zwischenzeit ist außerdem das Zahnsegment p nachgekommen, die
Feder q entspannt sich und mit der Zeigerstellung 2 wird die neue Gleich-
7*
100 Die Drehstromgeneratoren

gewichtslageetwa erreicht sein. Das Charakteristische an dieser Regelung


ist die im ersten Moment erfolgende Überregulierung bis in Stellung 3,
durch die eine rasche Feld- und EMK-Änderung erzwungen wird.
Man kann bei solchen Reglern unterscheiden zwischen einer astati-
schen und einer statischen Einstellung. Bei der astatischen Einstellung
muß das Federsystem f durch eine Zusatzfeder so abgeglichen sein, daß
bei konstanter Regelspannung das System sich in allen Lagen im Gleich-
gewicht befindet, d. h. der Regler reguliert auf genau konstante Spannung
unabhängig von der Belastung, d. h. auch unabhängig von der Stellung
des Reglers.
Bei einem Regler mit statischer Kennlinie ist die Federung so be-
messen, daß, um die Trommel im Rechtssinne zu drehen, eine allmählich
etwas ansteigende Spannung notwendig ist. Da dabei jedoch Widerstand
eingeschaltet wird, bedeutet dies, daß mit kleiner werdender Belastung
des Generators die Spannung etwas
steigt, mit zunehmender Belastung da-
gegen etwas fällt.
Die statische Einstellung ist not-
wendig, wenn mehrere Generatoren mit
je einem Regler parallel auf das gleiche
Sammelschienensystem arbeiten, was
zunehmeno'e l?eglersfel/ung
(enlspr.abnehmendemWidersfond) bei astatischer Regelung nicht möglich
Abb. 8,. Kennlinien zweier Regler in
Abhllngigkeit der Reglerstellung.
ist. Betrachtet man z. B. zwei parallel
geschaltete Generatoren. Ist infolge
Ungenauigkeiten der eine astatische Regler auf eine etwas höhere Span-
nung als der andere eingestellt, so wird sich die Sammelschienenspannung
auf einen mittleren Wert einstellen, der für den ersten Regler zu niedrig
und für den zweiten Regler zu hoch ist. Der erste Regler wird versuchen,
die Spannung zu erhöhen, während der zweite Regler versuchen wird,
dieselbe zu erniedrigen. Beide Regler arbeiten falsch, denn der eine
Regler wird schließlich allen Widerstand kurzschließen und der andere
allen Widerstand vorschalten, so daß zwischen beiden Maschinen große
wattlose Ströme fließen werden. Eine Spannungsregelung findet dabei
überhaupt nicht mehr statt.
Nur noch selten findet man die Lösung, daß von mehreren Generatoren nur
einer einen astatischen Regler erhält, also die ganze Spannungsregelung über-
nimmt. Steigt die Belastung des Netzes, dann muß der Generator seine Erregung
verstärken. Seine Blindstromerzeugung steigt, die der anderen Generatoren
fällt, da. diese sonst nicht die Spannung halten können. Sind 2:_ie Unterschiede
zu groß, dann muß di.e Erregung der nicht geregelten Generatoren von Hand nach-
gestellt werden.
Sind die Regler statisch eingestellt, so verläuft die Spannung in Ab-
hängigkeit der Reglerstellung für den Regler 1 nach der Kurve I und
für den Regler 2 nach der Kurve li (s. Abb. 84). Da die Sammelschienen-
Terrill-, Wälzsektoren- und Öldruckregler 101
spannung für beide Regler dieselbe ist, wird der Gleichgewichtszustand
durch die Punkte a und b gegeben, sein, die Reglerstellungen werden also
etwas verschieden sein. Der Unterschied ist jedoch um so geringer, je
genauer die beiden Regler eingestellt sind und je größer die Statik
des Systems ist.
Oft ist die abfallende Charakteristik des statischen Reglers nicht
erwünscht. Man kann dann die Statik nach der Schaltung Abb. 85
ganz oder teilweise kompensieren. Bei dieser Schaltung wird das
Spannungssystem des Reglers durch einen SpannungswandlerS gespeist.
· Dem Spannungssystem des Reglers sind zwei Widerstände R und R 0
vorgeschaltet. An die Anzapfung a der Widerstände R und R 0 ist die

~~'
1

3~2

Abb. 85. Wälzsektorenregler mit zusätzlicher Abb. 86a-c. Diagramm für zusätzliche
Kompoundierung. Kompound.ierung des Wälzsektoren-
reglers.

eine Zuleitung des Stromwandlers St angeschlossen. Die dem Span-


nungssystem aufgedrückte Spannung ist durch den Vektor U12 gegeben
(s. Abb. 86). Hat der vom Generator abgegebene Strom 11 die Phasenver-
:"chiebung Null, dann weist er gegen die Spannung U12 eine Phasenver-
schiebung von 30° auf (s. Abb. 86a). Wird 11 nacheilend, dann wächst die
Phasenverschiebung gegen U12 • Beispielsweise ist bei einer Phasenver-
schiebung des Stromes gegenüber der Spannung U1 von 60°, die Phasen-
verschiebung gegen die Spannung U12 90°. Bei einem cos rp = l hat die
vom Stromwandler am Widerstand R 0 erzeugte Spannung die Größe 11 R 0
(s. Abb.86b). Der durch die Spannungsspule des Reglers fließende Strom
ist, wenn R 0 klein gegen R ist, annähernd durch die Spannungsdiffe-
renz U' (s. Abb. 86b) gegeben. Da U' und damit der Spulenstrom, also
auch das Reglermoment, mit wachsendem I kleiner wird, wird der Regler
Widerstand abschalten, also auf höhere Sp'annung regeln, d. h. eine
Kompoundwirkung ausüben. Dadurch kann die Statik des Reglers kom-
pensiert werden. Besitzt der Strom etwa eine Phasenverschiebung von
60° (s. Abb. 86c), dann ist U' etwas größer als U12 geworden, die vom
Regler eingestellte Spannung wird etwas tiefer liegen als durch die
102 Die Drehstromgeneratoren

Statik bedingt. Im allgemeinen wird man die Kompensierung der Span-


nung für einen mittleren cos q;, z. B. 0,8, durchführen und hat dann
bei schlechterem cosq; eine Spannungssenkung. Diese Eigenschaft ist für
den Parallelbetrieb mehrerer Generatoren sehr günstig. Sollte z. B. ein
Generator zu stark erregt sein, so bedeutet dies, da die Wirkleistung
durch den Drehzahlregler der Antriebsmaschine eindeutig gegeben ist,
daß die Maschine erhöhte Blindleistung abgibt. Da hierbei ein schlech-
terer cos q; vorhanden ist, wird die
Kompoundierung weniger wirksam, der
Regler verkleinert die Erregung und
der cos q; wird wieder besser. Man er-
reicht also bei statischen Reglern mit
einer cos q;-abbängigen Kompoundie-
rung, außer der Spannungsregelung, daß
Abb. 87. Schematische Darstellung
eines Öldruckreglers. der cos cp der einzelnen Maschinen
untereinander gleich bleibt.
Hat man langsam laufende Generatoren mit großen Erregerströmen,
welche von einem Regler nach Abb. 83 nicht bewältigt werden können,
so muß der Feldwiderstand durch einen Servo-Motor für größere Ver-
stellkräHe angetrieben wer-
den, welcher elektrisch oder
auch hydraulisch arbeiten
kann. Abb.87 zeigtimPrin-
zip . einen Öldruckregler.
Hier arbeitet eine Span-
nungsspule a auf einen Öl-
schieber b, welcher in der
gezeichneten Mittellage die
beiden Ölleitungen c und d
absperrt. Der Schieber b
befindet sich in einem Ge-
häuse, dessen unteres und
oberes Ende mit der Druck-
ölleitung in Verbindung
steht. Nimmt man an, die
Spannung steigt, dann wird
Abb. 87a. Hochlelstungsregler, Type KC. Rückseite mit die Spannungsspule a ihren
Meßwerk und Ölpumpenmotor.
Kern etwas anziehen und
den Steuerschieberb dabei nach oben bewegen. Es vermag jetzt Druck-
öl in die Leitung d zu strömen, wodurch der Kolben f im Zylinder e
nach oben bewegt wird. Das aus der oberen Zylinderhälfte durch die
Rohrleitung c entweichende Öl kann durch die Abflußöffnung q in einen
Ölsammelbehälter fließen, von wo es durch eine Druckpumpe wieder
Magnetische Regler 103
in die Druckölleitung gefördert werden kann. Da der Kolben f sich
nach oben bewegt, wird er mit einem Schleifkontakt g so lange Wider-
stand zuschalten, bis die Nennspannung wieder erreicht ist und der
Schieber b die Ölleitung c und d absperrt.
Einen Hochleistungs-Spannungsregle r mit Öldruckservomotor zeigt
Abb. 87a.
Im Prinzip ist dieses Steuerverfahren identisch mit dem Verfahren,
welches bei den Drehzahlreglern (s. S. 62) zur Anwendung kam, nur
wurde dort der Steuerschieber nicht durch eine Steuerspule, sondern
durch ein Zentrifugalpendel betätigt.

b) Magnetische Regler
Der hohe Stand der Magnetverstärker-Technik ermöglichte eine viel-
seitige Anwendung von magnetischen Reglern auf den verschiedensten
Gebieten der Regeltechnik, unter anderem auch bei der selbsttätigen
Spannungsregelung von Generatoren. Das Grundelement eines ma-
gnetischen Verstärkers ist die gleichstromvormagnetisierte Drossel, die
je nach dem Grad ihrer Vormagnetisierung einen verschieden großen
induktiven Blindwiderstand abgibt. In verschiedenen Ländern, vor
allem in Schweden, ist auch die Bezeichnung Transduktor gebräuchlich.
Die Entwicklung der Magnetverstärker hat in den letzten Jahren sehr
rasche Fortschritte gemacht, seitdem es gelungen war, weichmagnetische
Werkstoffe mit äußerst günstigen Eigenschaften zu erzeugen. Des
weiteren war es möglich, im Gleichrichterbau Trockengleichrichter mit
hoher Lebensdauer und günstigen Kennlinien zu entwickeln. Dies waren
die Voraussetzungen für eine gute Qualität der Magnetverstärker.
Es wurden im Laufe der Zeit verschiedene Arten von Magnetver-
stärker-Schaltungen mit grundlegend verschiedener Wirkungsweise ent-
wickelt. Man kann diese etwa wie folgt aufgliedern:
I. Magnetverstärker mit Induktivitäts-Bteuerung
II. Magnetverstärker mit Sättigungs-Steuerung
A. Magnetverstärker mit stromsteuernder Charakteristik
B. Magnetverstärker mit spannungssteuernder Charakteristik
1. Steuerung durch Gleichstrom-Vormagnetisierung
2. Steuerung mit Spannungszeitflächen.
Alle diese Varianten haben gemeinsam, daß die Magnetisierungs-
Kennlinie der Eisenkerne nicht linear ist. Der Unterschied zwischen
den beiden Hauptgruppen I und 11 besteht darin, daß jeweils in ver-
schiedenen Bereichen der Magnetisierungskennlinie gearbeitet wird.
Je nach Güte und Verwendungszweck des Magnetverstärkers wird als
Kernmaterial Dynamoblech IV oder hochpermeable Sonderlegierungen
wie Permenorm 5000 Z und Hyperm 50 T verwendet. Der Eisenkern
wird geschlossen ausgeführt und erhält eine oder mehrere Wicklungen.
104 Die Drehstromgeneratoren

Außer den vom Transformatorenbau her bekannten Mantel- und Schen-


kelkern-Schnitten werden Ovalkerne sowie Ringkerne benutzt. Die
letzteren zeichnen sich durch geringe Streuung aus.
Anhand der Abb. 87b sei die Wirkungsweise eines Magnetverstärkers
mit Induktivitäts-Steueruilg näher erläutert. Die gezeichnete Ma-
gnetisierungs-Kennlinie ist die eines gewöhnlichen Eisenbleches. Ein Maß
für die Wechselstrom-InduktiVität ist die Neigung an der entsprechenden
Stelle der Kurve. Die Größe für jeden beliebigen Punkt der Magneti-
sierungs-Kennlinie läßt sich aus der ebenfalls dargestellten Differential-
D Kurve ermitteln. Der Lastwider-
u- l l B; stand RB der in der Abbildung
~ Jl--~---------- wiedergegebenen Schaltung ist
\.fV'\ _
1

1 J so bemessen, daß sein Ohmscher


it1 : Widerstand gegenüber demjeni-
j gen der Wicklung der Drosael-
:lc-o spule groß ist, jedoch aber klein
·~~·~---=~--~~~
:&.r (!,Ist gegenüber dem induktiven.Blind-
'J widerstand wL der Drossel.
Legt man an den Stromkreis
die Wechselspannung u "'• so
fließt ein Strom i B, der im wesent-
lichen durch die Drossel bestimmt
ist. An RB fällt fast keine Span-
nung ab.
t. Erzeugt man mittels eines
.ie= JJ,z. i _ u~ • u-... Steuergleichstromes / 2 die Durch-
wl e-,Jo .r .;o, y; zo-g:- fl a
tJ • yno +w "' B utung er2 , so ist der Kern ge-
Abb. 87b. Magnetverstärker mit Induktivitits· sättigt. Die DroRsel besitzt nun
steuerung.
praktisch keinen Blindwiderstand
mehr, so daß dieselbe Spannung u jet2't einen Strom iB treibt, der im
wesentlichen nur durch den Lastwiderstand RB bestimmt ist. Mit
kleineren Steuerströmen Ist verschiebt man den Arbeitspunkt auf der
Magnetisierungs-Kennlinie und steuert dadurch die Größe des Last-
stromes iB und somit den Betrag der Leistung, derin RB umgesetzt wird.
Magnetverstärker mit Induktivitäts-Bteuerung haben den Vorteil,
daß die Kurvenform der Speisespannung nur sehr wenig verzerrt wird
und außerdem bei geeigneter Wahl der Bauelemente mit Steuerleistungen
von wenigen p, W eine hohe Verstärkung erzielt werden kann. Sie finden
daher als Meßverstärker für kleinste Ströme und Spannungen Anwen-
dung.
Während die Magnetverstärker mit Induktivitäts-Bteuerung (Grup-
pe I) als veränderliche Vorwiderstände aufzufassen sind, bei denen der
Betrag der Drossel-Reaktanz gesteuert wird, muß man die nachstehend
Magnetische Regler 105
näher beschriebenen Magnetverstärker mit Sättigungssteuerung (Grup-
pe II) als periodisch arbeitende Schalter betrachten. Es wird innerhalb
jeder Arbeits-Halbwelle vom ungesättigten in den gesättigten Kern-
zustand umgeschaltet, wobei die Zeitdauer des gesättigten Zustandes
gesteuert wird.
Das Prinzip der Magnetverstärker mit Sättigungssteuerung sei
wieder anhand der Abb. 87c erläutert, wobei der besseren Verständ-
lichkeit wegen die Magnetisierungs-Kennlinie idealisiert angenommen
wurde. Im steilen Bereich der Kennlinie ist der Blindwiderstand L sehr
groß und im waagerechten Bereich, dem Sättigungsbereich, L hingegen
Null. Es sei wieder die von
früher bekannte Schaltung
verwendet., d.h. RB wurde so
gewählt, daß sein Widerstand
groß gegenüber dem Ohm-
sehen Widerstand der Dros-
selwicklung, jedoch klein
gegenüber dem Blindwider-
stand der Drossel ist.
Im Gegensatz zur vori-
gen Schaltung wird nun die
Wechselspannung U SO groß Abb. 87c. Magnetverstärker mit Sättigungssteuerung.
gewählt, daß diese die Induk-
tion B im Drosselkern zwischen dem unteren und dem oberen Sättigungs-
knick zu ändern vermag. Man erhält
dB
u(t) = w · F · Tt . (68a)
Integriert man diese Gleichung über die positive Halbwelle, so ergibt sich
T/2
Ju(t) dt =
0
W • F · (Bmax- Bmin) . (68b)

Der Gleichung (68a) kann entnommen werden, daßB während der posi-
tiven Spannungshalbwelle zunimmt und während der negativen Halb-
welle abnimmt. Die Gl. {68b) läßt erkennen, daß die gesamte positive
Spannungszeitfläche notwendig ist, um die Induktion im Drosselkern
von Bmin bis Bmax zu ändern. Die negative Spannungszeitfläche bewirkt
dasselbe in umgekehrter Richtung.
Zu Beginn einer positiven Spannungshalbwelle befindet sich der
Drosselkern also immer im Zustand Bmin· Während der auf der Magneti-
sierungskennlinie laufende Arbeitspunkt zwischen Bmin und Bmax hin-
und herpendelt, fließt nur der kleine Magnetisierungsstrom i 0 •
Wenn man nun den Magnetisierungszustand der Drossel so verändert,
daß diese zu Beginn der positiven Spannungshalbwelle sich auf der
106 Die Drehstromgeneratoren

Kurve bei B 1 anstatt bei Bmin befindet, so erhält man folgende Arbeits-
weise:
Der Arbeitspunkt bewegt sich während der positiven Spannungs-
halbwellenach oben und erreicht jedoch schon vor dem Ende der Halb-
welle Bmare; es war nur ein kleinerer Teil der Spa,nnung.szeitfläche not-
wendig, um den oberen Sättigungsknick zu erreichen. Der Kern ist
daher mitten in der positiven Spannungshalbwelle plötzlich gesättigt,
so daß eine weitere Flußänderung nicht stattfinden kann. Die Drossel
nimmt den Rest der Spannungszeitfläche nicht mehr auf, so daß dieser
nun in den Lastwiderstand RB zu liegen kommt. Der Strom i steigt
plötzlich sprungartig an bis zu der Höhe, die durch den Widerstand RB
bestimmt wird.
Der Punkt B 1 wird während der negativen Halbwelle durch die
Steuerquelle festgelegt. Man erreicht dies entweder durch Gleichstrom-
Vorma,gnetisierung oder Spannungszeitflächen-Steuerung. Je höher die
Lage des Punktes B 1 desto länger ist die Zeitdauer der Sättigung und
darmit tritt ein größerer Teil der Spannungszeitfläche an die Last RB, so
daß der Strommittelwert dementsprechend groß wird. Der Kern pendelt
a,lso dauernd zwischen dem gesättigten und ungesättigten Zustand.
Der Einfachheit halber wurden im vorstehenden die Vorgänge an
einer Drossel geschildert. An der anderen, parallel geschalteten Drossel,
ereignen sich dieselben Vorgänge eine Halbwelle später. Die Arbeits-
weise dieser Magnetverstärkerschaltung ergibt, daß bei sinusförmiger
Speisespannung die Spannung und der Strom am Verbraucher RB stark
oberwellenhaltig ist. In den meisten Fällen jedoch ist dieser Umstand
nicht störend.
Der eingangs erwähnten Zusammenstellung über die verschiedenen
grundsätzlichen Magnetverstärker-Schaltungen kann man entnehmen,
daß diese sowohl mit stromsteuernder als auch mit spannungssteuernder
Charakteristik gebq.ut werden können. Im ersten Fall ist die Schaltung
so abgestimmt, daß ein Gleichgewicht zwischen Laststrom und Steuer-
strom besteht. Es wird dann soviel Strom geliefert, wie auf der Steuer-
-seite vorgeschrieben wird, d. h. der stromsteuernde ·Magnetverstärker
gibt unabhängig von Lastschwankungen konstanten Strom ab. Kehrt
man die Richtung des Steuerstromes um, so vertauschen die beiden
Drosseln ihre Rollen; der Laststrom bleibt. jedoch unverändert.
Mit dieser Schaltung erhält man Verstärkungsfaktoren in der Größen-
ordnung von 100. Man kann diese noch verbessern, indem man den
Verstärker rückkoppelt oder, wie man sich noch ausdrückt, selbstsättigt.
Allerdings verliert dadurch der Magnetverstärker seine stromsteuernde
Charakteristik. Die Selbstsättigung wird erreicht, indem man einen Teil
des Laststromes der Drossel zuführt und dadurch einen höheren Sätti-
gungsgrad erreicht als dies durch den Steuerstrom möglich war.
Magnetische Regler 107
Eine weitere Methode zur Selbstsättigung besteht darin, daß man in
die Drosselzweige je ein Gleichstrom-Ventil einfügt. Die Gleichrichter
haben. die Aufgabe, nur in der jeweils positiven Halbwelle Strom durch
die Drossel fließen zu lassen. Der durch die Arbeitswicklung fließende
Strom ist nunmehr ein pulsierender Gleichstrom. Die durch ihn erzeugte
Durchflutung unterstützt die Steuer-Durchflutung, wie es soeben bei der
Rückkopplung des stromsteuernden Verstärkers geschildert wurde.
Im Gegensatz zu der vorhin genannten stromsteuernden Charak-
teristik wurde nun mit Hilfe der Selbstsättigung die spannungssteuernde
Charakteristik erhalten. Der. Steuerstrom bestimmt die Größe der
Spannungszeitfläche, die an die Last Rn tritt. Diese Fläche ist beim
verlustfreien Magnet- 8 Bmar 8 Bmar
verstärker unabhängig
von der Belastung, so
daß die Spannung am
Belastungswiderstand
~~'~------~
tSI to H
_____ 8_1~:------~
H
über den ganzen Bereich
konstant bleibt.
Die Güte eines Ma-
gnetverstärkers wird
nach dem sog. Gütefak-
tor G beurteilt. Dieser
ist definiert zu G = ; ,
Abb. 87d. Magnetverstärker mit Sättigungssteuerung.
wobei v den Verstär- Charakteristik: spannungsteuernd. Steuerung: mit Spannungs-
zeitfläehen.
kungsfaktor und T die
Stellzeit für 63% des Stellbereiches bedeutet. Die Stellzeit ist durch
das Verhältnis Drossel-Induktivität L durch Steuerwicklungswider-
stand Rst definiert. Bei einer plötzlichen Änderung der Steuerspannung
erreicht der Steuerstrom seinen neuen Wert erst nach einer Übergangs-
zeit, die von der Zeitkonstanten T = RL des Steuerkreises bestimmt
St
ist. Man erkennt daraus, daß, um die Zeitkonstante sehr klein zu er-
halten, die Vergrößerung von Rst gegen oo notwendig ist. Dies erfordert
aber auch eine sehr große Steuerleistung, so daß die Zeitkonstante nur
auf Kosten der Verstärkung verringert werden kann.
Schließlich sei noch der Magnetverstärker mit spannungssteuernder
Charakteristik und Spannungszeitflächen-Steuerung anhand der Abb. 87d
näher erläutert, da diese Schaltung sich in zunehmendem Maße durch-
gesetzt hat und gegenüber den sog. klassischen Verstärkern mancherlei
Vorteile besitzt. Der Unterschied zwischen der klassischen Ausführung
und dem neueren Magnetverstärker besteht in der Art des Steuervor.
gangs. Während bisher ein Steuergleichstrom den Magnetisierungs-
Zustand vorschrieb, in welchen die Drossel während der negativen
108 Die Drehstromgeneratoren

Spannungshalbwelle zurücklief, greift jetzt die negative Spannungs-


halbwelle selbst in den Steuerkreis ein und führt mittels aus dem Netz
gelieferter Energie eine Entmagnetisierung des Kernes durch. Der
Steuerkreis heißt nunmehr Rückstellkreis nnd enthält das Steuerorgan
und den Steuergleichrichter. Die Steuerwicklung sowie die Arbeits-
wicklung kann man bei dieser Schaltung zu einer Wicklung zusammen-
legen. Das Steuerorgan kann verschieden ausgeführt sein. Im einfachsten
Fall ist dies ein Ohmscher Widerstand Rst· Wählt man Rst = 0, so
vermag die negative Spannungszeitfläche den Kern in den niedrigsten
Magnetisierungszustand Bmin zu bringen. Ist dagegen Rst =l= 0, so fällt
ein Teil der Spannung an Rst ab und zur Entmagnetisierung ist nur ein
Teil der Spannungszeitfläche
verfügbar.
DieserFall wirdinAbb.87d
rechts dargestellt. In der
Steuerhalbwelle findet eine
Entmagnetisierung bisB1 statt.
Bei der linken Darstellung
der Abb. 87d ist Rst=OO ge-
wählt. Darum kann keine Ent-
magnetisierung der Drossel
stattfinden, so daß die nächste
Abb. 87e. Schaltung eines Magnetverstärkers mit
Sättigungssteuerung. Charakteristik: spannungsteuernd. Arbeitshalbwelle voll an die
Steuerung: mit Spannungszeltflächen.
Last tritt.
Durch geeignete Wahl von Rst läßt sich daher ein bestimmter Grad
von Entmagnetisierung erreichen und erhält dadurch, wie in den bis-
herigen Fällen, einen bestimmten Magnetisierungszustand, der zu Beginn
der positiven .Spannungshalbwelle herrscht. Dieser Zustand bestimmt
die Größe der Spannungszeitfläche, die nach erreichter Sättigung für
die Last übrig bleibt. Man spricht nunmehr vom Rücklauf-Magnet-
verstärker und führt die Schaltung entsprechend der Abb. 87 e als Zwei-
wegschaltung aus. Die Schaltung a ist für Wechselstrom-Ausgang,
wogegen die Schaltung b für Gleichstrom-Ausgang vorgesehen ist. Das
Steuerorgan kann sowohl als Ohmscher Widerstand oder als induktiver
Widerstand, beispielsweise eine vormagnetisierte Drossel, oder als Gleich-
strom-Generator. mit veränderbarer Spannung (Tachodynamo) ver-
wendet werden. Das ideale Steuerorgan ist ein leistungslos veränder-
licher Widerstand, also etwa eine als Pentode ausgebildete Elektronen-
Röhre. Auch ein Wechselstrom-Generator mit veränderbarer Spannung
ist zum Entmagnetisieren geeignet, wenn er nur dieselbe Frequenz wie
die Arbeitswechselspannung besitzt·.
Das Steuerorgan muß im Gegensatz zu früher nicht mehr Energie
liefern, sondern eine kompensierende Spannung erzeugen und Entmagne-
Magnetische Regler 109
tisierungs-Strom führen können. Das Steuerorgan muß deshalb für
eine (negative) Steuerleistung dimensioniert sein. Die Steuerleistung ist
bestimmt durch die Eigenschaften des Kernmaterials und durch die
Kernabmessungen. Sie hat damit für eine bestimmte Drosseltype eine
wohldefinierte Größe, deren Überschreitung sinnlos, deren Unterschrei-
tung jedoch unmöglich ist.
Der Verstärkungsfaktor dieser Schaltung liegt in der Größenordnung
von 100-1000. Die Zeitkonstante dieser Schaltung ist 0, es tritt allein
die noch Magnetverstärkern eigene Totzeit von einer Halbwelle der
Speisewechselspannung auf. Die Totzeit ist dadurch bedingt, daß eine
Änderung der Entmagnetisierung sich erst nach Beginn der nächsten
negativen Halbwelle auswirken kann. Nach Ablauf der Totzeit wird eine
sprunghafte Steuerspannungs-Änderung sofort den neuen Aussteuerungs-
Grad bewirken, während bei der klassischen Schaltung der sprunghaften
Steuerspannungs-Änderung immer erst eine Steuerstrom-Änderung nach
Ablauf der Zeitkonstante und damit auch der neue Aussteuerungsgrad
nach dieser Verzögerung erreicht wurde.
Die Anwendung der Magnetverstärker auf den Bereich der selbsttäti-
gen Spannungsregelung sei nun für einen kleineren Drehstrom-Generator
im Prinzip geschildert. Der Drehstrom-Generator sei mit einer selbst-
erregten Erregermaschine direkt gekuppelt. Die Erregermaschine speist
das Polrad des Drehstrom-Generators und liefert somit die für diesen
notwendige Erregung. Die Regelung erfolgt im Nebenschlußkreis der
Erregermaschine, indem der Feldstrom durch den Regler entsprechend
der erforderlichen Erregung geändert wird.
Über einen Spannungswandler liegt an dem Magnetverstärker die
Generatorspannung als die Speise-Wechselspannung an. Die vorma-
gnetisiertenDrosseln und der Lastwiderstand sind zusammenmit Trocken-
gleichrichtern so geschaltet, daß der Laststrom als Gleichstrom erhalten
wird. Die am Lastwiderstand abfallende Gleichspannung, die Ausgangs-
spannung des Reglers, wird der Erregerspannung der Maschine entgegen
gerichtet, so daß die Differenz beider Spannungen die effektiv wirksame
Erregung gibt. Durch die Veränderung der Ausgangs-Spannung des
magnetischen Reglers läßt sich daher eine .Änderung der Erregung des
Drehstrom-Generators mittelbar erreichen.
Die Größe der Regler-Ausgangsspannung ist vom Grad der Vorma-
gnetisierung der Drosselspulen abhängig. Sind diese nur wenig gesättigt,
so ist die Ausgangs-Spannung des Reglers entsprechend klein. Bei
starker Sättigung kann ein großer Anteil der Speise-Spannung am Last-
widerstand abfallen, man erhält eine große Ausgangs-Spannung. Eine
konstante Vormagnetisierung der Drosseln wird von einer Konstant-
strom- Quelle, die eine Steuerwicklung speist, erreicht. Dieser Vorma-
gnetisierung wird auf einer weiteren Steuerwicklung ein der veränder-
110 Die Drehstromgeneratoren

liehen Generatorspannung proportionaler Strom entgegengerichtet, so daß


der Grad der Vormagnetisierung durch die Differenz der beiden Flüsse,
hervorgerufen von den Steuerströmen der beiden Steuerwicklungen,
bestimmt wird. Die Stabilisierung der Regelung kann über Rückführ-
Transformatoren, die eine weitere Steuerwicklung speisen, ermöglicht
werden. Im Magnetverstärker findet somit ein Soll-Istwert-Vergleich
statt, wobei die Differenz die Größe der Reglerausgangs-Spannung und
damit die Größe der Erregung des Drehstrom-Generators bestimmt.
Die Handsteuerung der Generatorspannung ist in der Weise möglich,
daß durch die Umschaltung eines unterbrechungslos schaltenden Schal-
l? J' r ters anstelle des Magnet-
verstärkers der Feldsteller
in den Nebenschlußkreis
der Erregermaschine ge-
schaltet wird. Durch Ver-
änderung dieses Wider-
standes von Hand kann
die Größe des Feldstromes
der Erregermaschine und
damit die Erregung des
Generators eingestellt
werden.
&:~~ Die Abb. 87f zeigt die
J/Mp~.~ Anwendung eines magne-
Abb. 87f. Schaltschema für selbsttätige Spannungsregelung tischen Reglers, der nach
mit Rücklauf-Magnetverstärker ohne Erregermaschine.
dem Baukasten-System
ausgeführt ist. Die verschiedenen Stufen sind als Einschubteile für
Gestelle ausgeführt, so daß eine leichte Zugänglichkeit zu den einzelnen
Bauelementen gewährleistet ist. Der Regler ist mit einer 7 kW MV-End-
stufe ausgestattet, so daß im vorliegenden Fall auf .eine gesonderte Er-
regermaschine verzichtet werden konnte. Der Regler ist mit Rücklauf-
magnetverstärkern ausgestattet.
Da bei größeren Generatoren mit Leistungen über 1000-3000 k VA
die direkte Schaltung eines magnetischen Reglers in den Erregerkreis der
Erregermaschine der hohen Leistung wegen nicht zweckmäßig ist, wurden
Schaltungen mit weiteren Zusatzmaschinen angewendet. Je nach der
Größe des Erregerbedarfs kann man mit einer Stoßerregermaschine und
einem Konstant-Spannungs-Generat or bzw. mit Stoßerregermaschine,
Hilfsstoßerregermaschine und Konstant-Spannungs-Generat or aus-
kommen. Diese Zusatzmaschinen werden gewöhnlich gesondert durch
einen Gleichstrom-Motor oder einen Drehstrom-Motor angetrieben,
wobei zusätzlich noch ein Schwungrad vorgesehen werden kann, so daß
im Falle eines kurzzeitigen Spannungs-Ausfallesam Antriebsmotor die
Selbstregelnde Generatoren 111
Erregung des Generators nur wenig beeinflußt wird. Der magnetische
Regler arbeitet in diesem Falle der fest eingestellten Erregung der Stoß-
erregermaschine durch eine veränderliche Gegenerregung entgegen.
Die resultierende Erregung wird dem Feld der Haupterregermaschine
zugeführt.
c) Selbstregelnde Generatoren
In den letzten Jahren sind bei Generatorleistungen bis etwa 300 kVA
selbstregelnde Synchrongeneratoren stärker in den Vordergrund getreten.
Man ging von der physikalischen Tatsache aus, daß sich eine Synchron-
maschine infolge ihrer Remanenz selbsterregen kann. Es lag deshalb nahe,
unter Verzicht auf eine eigene Erregermaschine, den Erregerbedarf von
der Generatorspannung über eine geeignete Regeleinrichtung selbst zu
erzeugen.
Diese Regeleinrichtung besteht im wesentlichen aus vormagneti-
sierten Drosselspulen und Trockengleichrichtern. Die Leerlauferregung
wird der Generatorwechselspannung entnommen und über Gleichrichter
dem Polrad des Synchrongenerators zugeführt. Die bei Belastung des
Generators zusätzlich erforderliche Erregung wird ebenfalls vom
Synchron-Generator geliefert. Ein dem Generatorstrom proportionaler
Strom wird über einen Stromtransformator vektoriell zur Leerlauf-
erregung addiert, so daß eine leistungsfaktorabhängigeKompoundierung
erreicht wird. Weitere, die Generatorspannung beeinflussende Störgrößen,
wie beispielsweise Änderung der Drehzahl, werden durch einen Soll-Ist-
wertvergleich erfaßt und durch entsprechendes Variieren der Gleich-
stromvormagnetisierung des Stromtransformators im Regelkreis selbst-
tätig berücksichtigt. Die Generatorspannung kann durch Veränderung
eines Sollwerteinstellers in den Grenzen von ± 5% eingestellt werden.
Auf verhältnismäßig einfache Weise kann der Generator eine statische
Kennlinie erhalten, d. h. die Generatorspannung sinkt mit steigender
Blindstromabgabe leicht ab, indem man den Sekundärstrom eines Strom-
wandlers auf den selbsttätigen Spannungsregler zusätzlich wirken läßt.
Damit ist auch ein stabiles Verhalten des selbstregelnden Synchron-
generators im Parallelbetrieb gesichert.
Diese Generatoren werden u. a. bei Kraftwerkshilfsbetrieben, klei-
neren Schiffsgeneratoren,' Notstromaggregaten und ähnlichen Verwen-
dungszwecken angewendet. Sie zeichnen sich durch äußerst rasches
Reagieren auf Belastungsschwankungen deshalb aus, weil die Zeit-
konstante der Erregermaschine in Fortfall kommt und die Beeinflussung
des Stromtransformators direkt auf das Polrad wirkt. Besonders in den
Fällen, bei denen Stoßbelastungen in Höhe des Generatornennstromes
eintreten können, ist das geschilderte Regelverhalten stets erwünscht.
Es sei noch erwähnt, daß die Zeit bis zur Selbsterregung dieser Synchron·
generatoren auf Nennspannung in der Größenordnung von 1 sec liegt.
112 Die Drehstromgeneratoren

G. Pendelungen von Synchronmaschinen in Netzen


a) .Allgemeines
Synchrongeneratoren vermögen mechanische, z. B. durch Laststöße
ausgelöste Schwingungen auszuführen, welche sich der Drehbewegung
der Maschine überlagern. Um Einblick in diese Schwingungen und ihre
Auswirkungen zu gewinnen, werde von dem auf S. 80 behandelten Gene-
ratordiagramm ausgegangen: Die Phasenspannung sei UA• der Strom I
besitze die Phasenverschiebung(/) (s. Abb. 71 und 88a). Senkrecht zum
Strom I wird an UA die Spannung I X 4 aufgetragen (I ·r werde vernach-
lässigt). Man erhält als resultierenden Vektor die EMKE2• Die Leistung,
welche der Drehstromgenerator abgibt, ist
3l(Xd)
N = 3 UA·I cos <p = (X~ UA cos 1P, (69a)

wobei im letzten Ausdruck Zähler und Nenner mit (Xtl) erweitert sind.
Zur Berechnung des Dreh-
moments des Generators sei
noch vorausgeschickt: Ist die
Kreisfrequenz des Wechsel-
stromes w, so ist die Winkel-
geschwindigkeit unseres Gene-
rators ebenfalls gleich w, sofern
die Maschine zweipolig ausge-
führt ist. Bei 2 p-poliger Aus-
führung müssen wir uns die
Generatoren stets auf die
zweipolige Type, beiderelektri-
sche und mechanische Winkel-
geschwindigkeit übereinstim-
Abb. 88a u. b. a Generatordlagramm. b lrlechanlsches men, reduziert denken.
lrlodellf1lrelnen Generator. Die mechanische Leistung
in mkgfsec ist gleich Dreh-
moment mal Winkelgeschwindigkeit, also M · w und muß gleich der
elektrisch abgegebenen Leistung sein, sofern wir die Verluste vernach-
lässigen. Da die Leistung N in Watt gegeben ist, muß diese Größe noch
durch g = 9,81 geteilt werden, um sie in mkgfsec zu erhalten. Es gilt
also die Beziehung:
Mw=Nfg
oder
N 3
M = g. (I) = (Xd)g. (I) • I (Xtl). uA COSqJ • (69b)
'-._.-' ~ '-v-'
Ci ~ h
Allgemeines 113
Trennt man diese Gleichung in der ausgeführten Weise auf, so kann man
sie auch unter Benutzung der Abkürzungen wie folgt schreiben:
M = (cix) ·h. (69c)
Diese Gleichung stimmt im Aufbau mit dem Satz aus der Mechanik:
Drehmoment= Kraft (cix) X Hebelarm (h) überein und gestattet, den
Generator durch ein einfaches mechanisches Modell zu ersetzen (siehe
Abb. 88 b). Man wird bald erkennen, daß dieses Modell in anschaulicher
Weise Aufschluß über manche komplizierten Vorgänge geben kann.
Um die Verbindung zwischen Generator und dem mechanischen Mo-
dell (Abb. 88 b) herzustellen, denken wir uns den Vektor E 2 , der der Pol-
mitte des Läufers um 90° nacheilt, fest mit· dem Polrad des Generators
verbunden, so daß er sich auch 50mal je sec dreht. Der Netzvektor UA•
der die gleiche Drehzahl hat, bleibt gegenüber dem Vektor E 2 um den
Polradwinkel {} zurück. Wir wollen annehmen, daß der Generator auf
ein großes Netz arbeite, so daß der Spannungsvektor UA• der zu diesem
Netz gehört, in seiner Größe konstant ist und auch mit konstanter Ge-
schwindigkeit rotiert. (Mitunter ist es zweckmäßig, von dieser gleich-
mäßigen Bewegung der beiden Vektoren abzusehen und nur die Bewegung
der Vektoren gegeneinander zu beachten.) Um vom Generator Leistung
ins Netz liefern zu können, denken wir uns den Endpunkt des Vektors E 2
mit dem Endpunkt des Vektors U A durch eine Feder verbunden, welche
in ungespanntem Zustand (es wird kein Strom übertragen) die Länge
Null besitzt. Ist ihre Federkonstante gleich Ci, so ist die von der
Feder ausgeübte und somit übertragene Kraft, wenn die Feder auf die
Länge x gereckt ist, gleich cix. Um diese Kraft ausüben zu können, muß
der Generator durch ein Drehmoment angetrieben werden, welches gleich
Kraft X Hebelarm ist, also die Größe M = (cix)h besitzt. Da Überein~
stimmung mit der Gl. (69c) besteht, ist unser Modell in Ordnung. Man
erkennt auf Grund dieses Modells, daß, je mehr Drehmoment dem Gene-
rator zugeführt wird, also auch je größer die abgegebene Leistung ist, der
E 2-Vektor dem Spannungsvektor mehr und mehr voreilt. Das größte
Drehmoment, damit auch die größte abgegebene Leistung, wird bei einem
Winkel {} = 90° erreicht; falls {} größer als 90° wird, nimmt das Dreh-
moment wieder ab und wird bei {} größer als 180° sogar negativ.
Treten Pendelungen auf, so finden im Inneren der Generatoren elektro-
magnetische Ausgleichsvorgänge statt, d. h. in der Polradwicklung, in
den Dämpferstäben und im Eisen werden Ströme induziert. Theoretische
Überlegungen und Versuche haben gezeigt, daß man in solchen Fällen
meist nicht mit der synchronen Reaktanz X, sondern mit einer kleineren,
der sogenannten Pendelreaktanz X" rechnen muß, wobei die fiktive
Spannung jetzt E" ist und eine andere Phasenlage hat (Abb. 89). Daß
X" kleiner werden muß, ersieht man, falls man den Grenzfall sehr rascher
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 8
114 Die Drehstromgeneratoren

Polradschwingungen untersucht. Hier ist die transiente Reaktanz X'


(s. S. 87), d. h. die bei raschen Vorgängen wirksame Streuung maß-
gebend.
Bei Schenkelpolgeneratoren kann man bei normalen Pendelerschei-
nungen rechnen, daß X P ungefähr gleich X 11 ist.
Obige Angaben gelten unter der Voraussetzung konstanter Erregung.
Hat man jedoch schnelle Spannungsregler in Verbindung mit schnell
arbeitenden Erregermaschinen genügender Leistung, dann kann man es
erreichen, daß der minimale Grenzwert, d. h. die
transiente Reaktanz einigermaßen konstant ist.
Steigt die Leistung N des Generators, dann muß
der Polradwinkel {} nach Gl. (51) größer werden. Es
besteht jedoch keine Proportionalität, sondern die
Leistung nimmt nach einem Sinusgesetz zu (Abb. 90).
Die größte elektrische Leistung wird bei einem Pol-
radwinkelvon 90° übertragen. Bei einem größeren
Abb. su. Generatordia- Polradwinkel nimmt die elektrisch abge b bare Leistung
gramm bei Pendelungen.
wieder ab. Stabil ist nur der erste ansteigende Ast
der Leistungskurve, der zweite ist unstabil. Dies erkennt man, wenn
man annimmt, daß in einem Punkt auf dem abnehmenden Ast der
Leistungskurve gerade Gleichgewichtszustand zwischen Antriebsleistung
und abgegebener elektrischer Leistung vorhanden ist. Steigt aus irgend-
einem Grunde die Antriebsleistung um den Betrag AN, so wird, da bei
dem vorhandenen Polradwinkel nur die elektrische Leistung N abge-
geben werden kann, das Polrad im Sinne
einer Vergrößerung seines Polradwinkels
durchgedreht werden. Damit wird aber
die elektrische Leistung verkleinert, das
Antriebsmoment findet kein entsprechen-
des Gegenmoment, das Polrad wird sich
infolgedessen überschlagen.
Abb. 90. Die Leistung bzw. das Dreh- Es sei jetzt untersucht, was für Eigen-
moment In Abhängigkeit des Polrad-
winkels. schwingungen der an einem starren Netz
hängende Generator ausführen kann,
wenn er den Polradwinkel {} inne hat und er durch einen Stoß, bedingt
durch eine schroffe Laständerung, aus seiner Gleichgewichtslage aus-
gelenkt wird. Zu diesem Zweck sei noch die sog. synchronisierende
Leistung N, berechnet. Unter N 8 sei der Betrag verstanden, um den
die Leistung anwächst, wenn der Winkel{} um die Einheit vergrößert
wird, also differentiell ausgedrückt

(70)
Allgemeines 115

Man findet nach Gl. (51)


Ns= cos f}. (7la)

Da Leistung und Drehmoment einander proportional sind, ergibt sich


analog für das synchronisierende Drehmoment M 8
dM Ns
M 8 = a;:o: = gw. (7lb)
Zur Ableitung der Schwingungsgleichung des Generators bedient man
sich des mechanischen Modells (Abb. 91): Greift eine Masse m an einer
Feder mit der Federkonstanten c (Zunahme der Federkraft bei einer
Federauslenkung von 1 cm) an, so gilt für die Kreisfre-

m!
quenz v dieses schwingungsfähigen Systems (Abb. 91) wie
aus der Mechanik bekannt:
(72)

Auf den Synchrongenerator übertragen, entspricht der Abb. Dt.


Federkonstanten c das synchronisierende Moment M 8 , der Sch;::d~f~gs­
Masse m das Trägheitsmoment 8'. Dabei ist zu beachten,
e
daß, falls der Generator 2p-polig ist, sein Trägheitsmoment auf das
einer zweipoligen Maschine, also auf 8' reduziert werden muß. Man geht
hierbei von der Überlegung aus, daß die lebendige Energie der gedachten
zweipoligen Maschine genau so groß sein muß, wie die Energie der vor-
handenen 2p-poligen. Es gilt also

!8' w2=! e(;t (73)


oder
(74)

Wir erhalten damit für die Kreisfrequenz der Generatorschwingungen


unter Anlehnung an die GI. (7lb), (72) und (74) folgende Beziehung

V=v' N~.
gro-
(75)
p2

Bezeichnet man die Eigenschwingungszahl des Generators pro sec mit z


und die Schwingungsdauer mit T, dann gelten folgende Beziehungen:

V= 2 nz, z= 1
T; T-- 2vn . (76)

Aus der GI. (75) geht hervor, daß die Frequenz und damit die Schwin-
gungsdauer keine Konstante der Maschine ist, sondern sich mit N., der
synchronisierenden Leistung, welche wiederum nach GI. (7la) keine Kon-
stante ist, verändert. Konstant ist die Schwingungsdauer nur für einen
S*
116 Die Drehstromgeneratoren

bestimmten Belastungsfall, also einem gegebenen {} und unter Annahme,


daß die auftretenden Schwingungen klein sind, die Größe von {} sich nicht
wesentlich ändert. Größenordnungsmäßig liegt die Schwingungsdauer
der Generatoren bei etwa T = 1,25 sec. Die durch irgendeine Ursache
hervorgerufenen Schwingungen werden durch die an sich vorhandene
Reibung und durch die auftretenden Verluste gedämpft. Diese Dämp-
fung kann wirksam vergrößert werden durch eine auf dem Polrad an-
gebrachte Dämpferwicklung, in der bei Verschiedenheit zwischen der
Umlaufgeschwindigkeit des Läufers und des Netzvektors Ströme induziert
werden und damit Verluste auftreten, welche die Schwingung mindern.
In unserem mechanischen Ersatzbild kann der Einfluß der Dämpferwick-
lung durch eine Reibungsdämpfung, die zwischen UA-Vektor und E 2-
Vektor angebracht ist und welche proportional der Relativgeschwindig-
keit zwischen beiden Vektoren ist, berücksichtigt werden.
Wird ein Generator durch einen Diesel- oder Gaskraftmotor ange-
trieben, so ist das Antriebsmoment nicht konstant, sondern enthält über-
gelagerte höhere Harmonische. Ist eine dieser Harmonischen in Resonanz
mit der Eigenschwingungszahl des Generators, dann kön~en bei genü-
gender Größe der Harmonischen unangenehmePolradschwingungen auf-
treten, welche mit starken Leistungsschwankungen verbunden. sind. Ein
solcher Resonanzfall muß vermieden werden.

b) Das Synchronisieren und die dabei auftretenden Pendelungen


Ein Generator, der zunächst noch leer läuft, soll auf ein Netz mit der
Spannung UA geschaltet werden. Da zwischen dem Generator und dem
Netz noch keine Verbindung besteht, darf auch im Ersatzbild (Abb. 92a)
die federnde Verbindung noch nicht eingezeichnet werden. Man kann
sich vorstellen, daß die Feder die in Abb. 92a eingezeichnete Lage hat.
Wird nun zwischen Generator und Netz der Schalter eingelegt, so ist das
gleichbedeutend, daß die Feder plötzlich E 2 und· UA verbindet (s. Abb.
92b). Wird vorausgesetzt, daß in diesem Augenblick die Polradgeschwin-
digkeit und die Netzgeschwindigkeit gleich sind, daß also vor dem Par-
allelsebalten nur eine Phasendifferenz {}0 vorlag, so werden Pendelungen
mit dem Maximalwinkel {}0 um den Vektor U A. stattfinden. Besitzt da-
gegen in dem gezeichneten Augenblick der E 2-Vektor eine Relativge-
schwindigkeit gegen UA• so wird infolge der lebendigen Energie der Gene-
ratormasse zunächst ein Weiterschwingen stattfinden, also{} größer als {}0
werden und erst bei einem größeren Winkel {}~ eine Umkehr der Schwin-
gung erfolgen. Unter Umständen braucht eine Schwingungsumkehr über-
haupt nicht zu erfolgen, d. h. dann, daß der Generator sich überschlägt.
Wie aus der Abb. 92b erkenntlich ist, tritt dies ein, wenn {}~ > 180° wird,
da dann die Feder das Polr~d in gleichem Sinne weiterzieht.
Das Synchronisieren und die da.bei auftretenden Pendelungen 117

Wenn man elektrisch stoßfrei synchronisieren will, muß man die


mechanischen Pendelungen des Generators vermeiden, da diese elek-
trische Leistungspendelungen Ausgleichströme Ia erzeugen, die propor-
tional der Größe x in unserem Netzmodell (s. Abb. 92b) sind. Man muß
also darauf achten, daß im Moment des Synchronisierens der Winkel{}
und die relative Geschwindigkeit zwischen beiden Vektoren klein 'ist.
Das Synchronisieren kann von Hand oder auch durch automatisch
arbeitende Synchronisiergeräte erfolgen. Bei letzteren forderte man, daß
ein Parallelschalten erst dann erfolgt, wenn erstens der Vektor E 2 und
die Spannung UA. sich, wie die Erfahrung lehrt, um weniger als 7° von-
einander unterscheiden, zweitens der Schlupf, d. h. die Frequenzdifferenz
nicht mehr als 0,2% beträgt, und drittens die Maschinenspannung gleich

Abb. 92a-c. Schwingungsmodell beim Synchronisieren; a vor dem Synchronisieren, b beim Synchroni·
sieren, c falls EMK und Sammelschienenspannung verschieden groß, jedoch in Phase sind.

der Netzspannung ist. Letztere Bedingung braucht jedoch nicht so


genau eingehalten zu werden, da Abweichungen hiervon (s. Abb. 92c)
nur wattlose Ströme, jedoch keine Pendelungen hervorrufen.
Die oben geschilderte Feinsynchronisierung, die an und für sich er-
strebenswert ist, kann mitunter schwierig durchzuführen sein. Ja es
kann vorkommen, daß bei automatischen Synchronisiereinrichtungen ein
Parallelschalten überhaupt nicht stattfinden kann, z. B. wenn ein Netz
gestört ist und die Frequenz dauernd schwankt. Hier ist unter Umstän-
den eine Synchronisierung von Hand eher möglich, da man besser ab-
und zugeben kann. In solchen Betriebsfällen nimmt man die durch die
im Moment des Synchronisierens noch vorhandenen Unstimmigkeiten
hervorgerufenen Pendelungen und Stromstöße in Kauf.
Wenn man größere Stromstöße beim Synchronisieren zuläßt, kann
man zu sehr einfachen Synchronisierungsmöglichkeiten kommen. Man
wird den Generator schwach erregen, so daß der EMK-Vektor E 2 klein
ist (s. Abb. 93). Wird jetzt die Maschine auf das Netz geschaltet, so ist
die Größe des Ausgleichstromes proportional x (s. Abb. 93). Da x bei
118 Die Drehstromgeneratoren

kleinem Es ziemlich unabhängig von dem Winkel {} ist, braucht beim


Parallelschalten auf die Phasenlage, also auf {}nicht geachtet zu werden.
Man muß jedoch dafür sorgen, daß der Generator durch seine Antriebs-
maschine angenähert auf Netzfrequenz gebracht wird, .damit das Fangen
des Polrades, also das Synchronisieren, rasch erfolgt. Im Modell fangen
sich die beiden Netzvektoren wie folgt:
Durch die Dämpfung, die proportional der
Geschwindigkeitsdifferenz beider Vektoren
ist, werden diese auf etwa gleiche Ge-
schwindigkeit gebracht. Synchronismus
kann hierdurch allein jedoch nicht erreicht
werden, da Lager und Luftreibung stets
einen gewissen Schlupf bedingen. Erst -die
gedachte Feder, welche Es und U A ver-•
bindet, bringt das Polrad in den synchro-
nen Lauf und macht den Schlupf zu
Null. Im Moment des Parallelschaltens
Abb. 93. Synchronlsierung bei schwacher (s. Abb. 94 Schalter 1) verhält sich der
Erregung.
Generator ähnlich wie ein Asynchron-
motor. Gelangt er in die Nähe der synchronen Drehzahl, so wird er
durch die schwache Polraderregung in Synchronismus gebracht. Nach-
dem der Synchronismus erreicht ist, wird die Erregung voll eingeschal-
tet, Es wird also vergrößert (s. Abb. 94, Schalter 2) und die großen
wattlosen Ströme, die vorher dem Generator aus dem
Netz zugeflossen sind, kommen, da die Maschine ihre
Erregung nun selbst restlos liefert, in Wegfall.· Um
die Stromstöße im Moment des Parallelschaltens klein
:1 zu halten, kann man dem Generator eine Drosselspule
H=F=:...J vorschalten. Dies ist gleichbedeutend mit einer Ver-
größerung von X. Bei einer gegebenen Abweichung der
beiden Vektoren voneinander (s. Abb. 93) ist der Aus-
2f1'=Q gleichstrom umso kleiner, je größer die Gesamtreak-
tanz ist. Man kann also durch eine solche Drosselspule
Abb. 94. Schaltung für di A • hst rome
..
Grobsynchronisierung. e usgI eiC verklemern,
· die Masch'me weiC· her
machen. Dabei wird allerdings auch das die Synchroni-
sierung besorgende Moment kleiner. Ins Modell übertragen, bedeutet das
Zuschalten der Drossel die Verwendung einer weicheren Feder. Selbst-
verständlich wird man, nachdem die Maschine sich gefangen hat und die
Erregung verstärkt worden ist, die Fangdrossel (s. Abb. 94, Schalter 3)
kurzschließen. Solche Grobsynchronisierung wurde früher angewandt,
wenn Generatoren automatisch rasch synchronisiert werden sollten 1•
1 Siehe auch G. Ml!1INERS: Die Technik selbsttätiger Steuerungen und An-
lagen. München u. Berlin: R. Oldenburg 1936.
Pendelungen der Generatoren durch Belastungsänderungen 119

Heute verfügt man über Schnellsynchronisier-Einrichtungen, die ein


Synchronisieren bei Frequenzdifferenzen von 1% ohne unzulässig hohe
Schaltstöße ermöglichen. Dadurch ergibt sich auch die Möglichkeit, zum
Anwerfen von Synchronmaschinen Anwurfmotoren mit gleicher Polzahl
zu verwenden und das Synchronisieren, mit Hilfe einer derartigen Schnell-
synchronisier-Einrichtung durchzuführen.

c) Pendelungen der Generatoren durch Belastungsänderungen


Andert sich bei einer Synchronmaschine plötzlich die Belastung, so
treten Schwingungen des Polrades auf, die unter Umständen zu einem
Außertrittfallen des Generators führen können. Abb. 95 zeigt die Lei-
stungskurve, die bekanntlich der Drehmomentenkurve proportional sein
muß, in Abhängigkeit vom Polradwinkel {}. Die zunächst vorhandene
Belastung entspreche auf der Kurve dem Punkt 1 und habe die GrößeN0 •
Wird die Antriebsleistung plötzlich um
L1 N erhöht, etwa dadurch, daß die
Dampfzufuhr zur Turbine vergrößert
wird, so ergibt sich der neue Gleichge-
wichtszustand im Punkt 2 der Leistungs-
kurve. Der Übergang vom Punkt 1 zum
Punkt 2 erfolgt nicht allmählich, son-
dern in Form von Schwingungen. Dies
geht aus folgendem hervor: Wenn im ~'17;;-L--------;:-;;;;------"
Zustand 1 die Leistung plötzlich um LI N Abb. D5. Diagramm zur Ermittluug des
vergrößert wird, so ist zunächst die An- Uberschwingens des Polrades.

triebsleistung größer als die elektrisch abgegebene, und zwar entspricht


dem Energieüberschuß die senkrecht schraffierte Fläche (Arbeit= Dreh-
moment X Winkel in Bogenmaß). Dieser Überschuß wird das Polrad be-
schleunigen und eine zusätzliche Geschwindigkeit erteilen, welche sich der
an und für sich vorhandenen Drehgeschwindigkeit des Polrades über-
lagert. Wenn der Punkt 2 erreicht wird, stimmt zwar die zugeführte
Leistung mit der elektrisch abgegebenen überein, das Polrad besitzt je-
doch infolge seiner erhöhten Geschwindigkeit noch zusätzliche kinetische
Energie, die es über den Gleichgewichtszustand bis zum Punkt 3 hinaus-
schwingen läßt. Hierbei wird die zusätzliche kinetische Energie in poten-
tielle Energie umgewandelt, da nach Überschwingen des Punktes 2 das
elektrische Gegenmoment (entsprechend der abgegebenen elektrischen
Leistung) größer wird als das Antriebsmoment. Im Punkt 3 ist die ge-
samte zusätzliche kinetische Energie in potentielle Energie umgewandelt.
In diesem Punkt ist aber die elektrisch abgegebene Leistung größer als
die mechanisch zugeführte. Das Polrad wird also abgebremst undschwingt
damit wieder zurück und so fort. Unter Vernachlässigung aller Verluste
120 Die Drehstromgeneratoren

wird in Abb. 95 die waagrecht schraffierte Fläche gleich der verti·


kal schraffierten. Liegt die Ausgangsleistung N 0 etwas tiefer, etwa wie
in Abb. 96, so kann der Fall eintreten, daß beim Überschwingen, falls
der Punkt 4 überschritten wird (da dann Antriebsleistung > als elektrisch
abgegebene Leistung) einRückschwingen des Polrades nicht mehr möglich
ist, das Polrad durchrutscht und damit der Synchronismus verloren geht.
Solche Fälle des Überschwingens sind im Kraftwerksbetrieb immer
möglich. Hierfür ein Beispiel: Ein Kraftwerk beliefere über eine Doppel-
leitung ein anderes Kraftwerk, dessen Spannung U A sei. Durch Abschalten
der einen Leitung wird plötzlich die Leitungsinduktivität und damit die
Gesamtinduktivität Xa+XL, welche diesmal in GI. (51) einzusetzen ist,
um N zu erhalten, vergrößert. War die ursprüngliche Leistungskurve 1

Abb. 06. Diagramm zur Feststellung Abb. 07. Diagramm zur Feststellung der
des Außertrittfallens. Polradschwingungen bei plötzlichen
Vergrößerungen der Induktlvltit.

(s. Abb. 97), so wird sie nach dem Schaltvorgang etwas niedriger liegen
.[s. Kurve Il, Abb. 97 und GI. (51)]. Da die Antriebsleistung N 0 der Ma-
schine im ersten Augenblick unverändert ist und in der Kurve I I dieser
Leistung ein größerer Polradwinkel {}2 entspricht, wird die neue Gleich·
gewichtslage auch nur mittels Schwingungen erreichbar sein, wobei
unter ungünstigen VerhältniSBen ein Außertrittfallen möglich ist.
Die gebrachten Überschwingdiagramme gelten unter der Vorausset-
zung der Verlustlosigkeit und daß die Generatorreaktanz konstant ist.
Dies trifft annähernd bei Schenkelpolgeneratoren zu, bei denen auch bei
Pendelvorgängen die Pendelreaktanz etwa gleich der Querreaktanz ist.
Bei TUrbogeneratoren muß jedoch bei Pendelungen mit der kleineren
Pendelreaktanz, die bei sehr raschen Vorgängen zur transienten Reak·
tanz wird, gerechnet werden. Die Maschine verhält sich bei einem
Stoß infolge der Pendelreaktanz steifer als ohne Berücksichtigun~
derselben.
Ein anderer Fall: Zwei Kraftwerke I und II sind miteinander durch
eine Kuppelleitung verbunden und speisen einen etwa in der Mitte der
Leitung befindlichen Abnehmer A (Abb. 98a) mit der Spannung U A
Die Lage der Polräder ist durch E 21 und E 211 in Abb. 98 b gegeben. Er-
Pendelungen der Generatoren durch Belastungsänderungen 121

folgt jetzt bei dem Abnehmer A ein Kurzschluß (UA = 0), dann besteht
zwischen den beiden Kraftwerken keine synchronisierende Kraft mehr.
Beide Kraftwerke werden, da die Spannung zusammenbricht und sie nur
Blindleistung in den Kurzschluß hineinpumpen, praktisch entlastet. Im
ersten Moment des Kurzschlusses steht. (solange die Regler der Kraft-
maschinen noch nicht aus-
geregelt haben) weiterhin
die volle Antriebsleistung
zur Verfügung. Die Folge
ist, daß die Polräder sich be- b
schleunigen und hierbei
nach einer gewissen Zeit ~~~n--o.~ 1
eine größere Abweichung
gegeneinander erhalten kön-
nen (erkenntlich durch Eu
undE 211 inAbb.98c). Wird
dann der Kurzschluß durch
den SchalterS abgeschaltet,
Abb. 98a-c. a Zwei Kraftwerke arbeiten auf einen Ver-
so werden die beiden Pol- braucher, b Lage der EMK-Vektoren vor dem Kurzschluß,
räder wieder durch eine ge- c Lage der EMK· Vektoren nach Abschaltung
des Kurzschlusses.
dachte Feder miteinander
verbunden. Im Gegensatz zu Abb. 98 b, in der, wegen der nach A abge-
gebenen Leistung, E 21 und E 211 im Modell ein Drehmoment auf den Vektor
U A übertragen wird, ist dies, da A jetzt abgeschaltet ist, in Abb. 98c
nicht der Fall. U;.., stellt sich hier entsprechend der induktiven Abfälle I a
+
(Xa 1 X1, 1) und Ia (Xa 2 +XL 2) ein.
Das synchronisierende Moment in
Verbindung mit der Dämpfung wird
versuchen, die E 2- Vektoren miteinander
in Übereinstimmung zu bringen. Hierbei
treten Schwingungen der beiden Pol-
räder mit den zugehörigen Vektoren E 21
und E 2 11 gegeneinander auf. Dabei
können je nach .der augenblicklichen
Lage von Eu und Eui die Ausgleich- Abb. 99. zwei Generatoren sind durch eine
ströme I a derart groß sein, daß der Über- Kuppelleitung verbunden und am Ende der
Kuppelleitung erfolgt ein Kurzschluß.
stromschutz in den Kraftwerken I und II
zum Ansprechen kommt und ein Abschalten bewirkt, obwohl die Strecke
I - l i gesund ist und die Generatoren sich fangen würden. Der Über-
stromschutz sollte gegen solche Pendelungen unempfindlich sein, was
jedoch nicht immer der Fall ist.
Es sei jetzt untersucht, in welcher Zeit ein Kurzschluß abgeschaltet
werden muß, damit noch ein rasches und sicheres Fangen der Genera-
122 Die Drehstromgeneratoren

toren nach Abschalten des Kurzschlusses erfolgt. Zur Untersuchung


seien wiederum zwei durch eine Kuppelleitung miteinander verbundene
Kraftwerke (s. Abb. 99), die mit ihrer Nennleistung belastet seien, be·
trachtet. Es trete beim Kraftwerk II ein Kurzschluß auf (ungünstigster
Fall für unsere Betrachtung). Die Spannung am Kraftwerk II bricht zu-
sammen, während, wenn die Kuppelleitung lang ist, die Spannung im
Kraftwerk I ziemlich erhalten bleibt und das Kraftwerk I seine Ver·
braucher weiter mit dem Strom beliefern kann. Da die Belastung des
Kraftwerks I also unverändert bleibt, können wir näherungsweise an-
nehmen, daß sein Polrad sich mit konstanter Geschwindigkeit weiter-
dreht, während das Polrad des Kraftwerks II, da es entlastet ist, sich
beschleunigen wird. Hatte vor dem Kurzschluß das Polrad des Kraft-
werks II gegenüber dem Vektor U;.., der Klemmenspannung eine Lage
inne, welche durch den Vektor E 2, gekennzeichnet ist, dann wird nach
einer Zeit t das Polrad sich um den Winkel {) vorgedreht haben. Da das
Kraftwerk II vor dem Kurzschluß Nennlast haben sollte, so wird auch
nach Kurzschlußbeginn (solange der Regler nicht eingegriffen hat) zu-
nächst noch das normale Moment für die Beschleunigung zur Verfügung
stehen. Für die weitere Betrachtung sei noch der Begriff der Anlaufzeit
Ta eingeführt, worunter die Zeit verstanden sein soll, die das Polrad
benötigt, um bei normalem Antriebsmoment entsprechend der Schein-
leistung des Generators von Null auf Synchronismus zu kommen. Die
Winkelbeschleunigung b, welche in diesem Fall vorhanden ist, hat die
Größe
(77)

Da diese Beschleunigung auch in unserem Fall vorhanden ist, ergibt sich


für die überlagerte Winkelgeschwindigkeit
v=b ·t (78)
oder
w
V= Ta. t (79)

und demgemäß für den Winkel {) im Bogenmaß


1 1 w (80)
{} = 2 b t2 = 2 Ta t2.
Berechnet man für verschiedene Zeiten den Winkel {} in Grad, so erhält
man z. B. bei einer Anlaufzeit Ta von 10 sec folgende Werte:
t = 0,1 0,2 0,3 1 sec
{) = 9° 36° 81° 900°.
Berücksichtigt man, daß der Winkel {) 0 bei Normallast etwa schon 40°
beträgt, dann wird z. B. eine Zeit von 0,3 sec schon eineil Polradwinkel
Pendelungen der Generatoren durch Belastungsänderungen 123
von über 120° gegenüber dem gleichmäßig rotierenden Vektor U;... er-
geben. Da außerdem das Polrad infolge seiner Beschleunigung eine zu-
sätzliche Geschwindigkeit erhält, wird der Winkel{}+ {}0 sich noch zu
vergrößern suchen. Wird also erst nach 0,3 sec der Kurzschluß abge-
schaltet, so ist mit einem sofortigen Fangen der Kraftwerke nicht zu
rechnen. Man wird also, wenn sofortiges Wiederfangen eintreten soll, die
Zeit, innerhalb welcher der Kurzschluß abgeschaltet werden muß, mög-
lichst unter 0,2 sec zu wählen haben. Man ersieht, daß bei den verhältnis-
mäßig großen Abschaltzeiten, welche die Schalter einschließlich Selektiv-
schutz meist noch haben, mit einem Außertrittfallen der Kraftwerke
bei ungünstiger Lage des Kurzschlußortes zu rechnen ist. Die Kraft-
werke laufen dann asyn- Xt, a Xtt
chron und es treten zwi-
sehen ihnen kurzschluß-
artige Ausgleichsströme
auf. Ob dann, voraus-
gesetzt der Überstrom-
schutz spricht nicht an,
von selbst infolge der
Dämpfung und der syn-
chronisierenden Kräfte
allmählich _ein Fangen
eintritt, läßt sich ohne r ][
Kenntnis der Einzel- Abb. 100 a u. b. Zwei Kraftwerke arbeiten über je eine Leitung
heiten nicht beantwor- aufeinen Verbraucher, b Vektorendiagramme.

ten. Es ist daher wichtig, Leistungsschalter und Selektivschutz mit


möglichst kleinen Abschaltzeiten zu entwickeln. Da die meisten Kurz-
schlüsse nicht als Klemmenkurzschlüsse zu werten sind, können die
Abschaltzeiten etwas größer als 0,1 bis 0,2 sec sein. Erreicht man Ab-
schaltzeiten von 0,25 bis 0,3 sec, so dürfte ein Auseinanderfallen der
Kraftwerke nur selten zu erwarten sein.
Es seien wieder zwei Kraftwerke I und II betrachtet, welche über je
eine Kuppelleitung ei,nen Abnehmer, dessen Spannung U;... annähernd
konstant sei, mit Strom versorgen (Abb. 100 a). Auf diesen Vektor U A
sei die EMK E 2 r des Kraftwerks I und der Vektor E 2 rr des Kraftwerks II
bezogen. Da es oft unübersichtlich ist, in einem einzigen Schaltbild das
Verhalten von mehreren Kraftwerken zu betrachten, sei das Diagramm
für das Kraftwerk I links und das für das Kraftwerk II rechts in der
Abb.lOOb angegeben. Der Netzvektor UA' auf den wir beide Kraftwerke
beziehen wollen, ist in der Mitte ebenfalls aufgezeichnet. Da die 3 U;...-
Vektoren identisch sind, kann man sich in Abb. lOOb vorstellen, daß sie
durch eine starre WeHe k, auf der die Polräder I und II lose lagern, mit-
einander verbunden sind. (Die Abb.100b ist verzerrt gezeichnet, da die
124 Die Drehstromgeneratoren

Polräder mit den Diagrammen senkrecht zur Welle k liegen.) Dadurch


wird ihre Lage zueinander, auch wenn man sich vorstellt, daß sie sich
50mal in der Sekunde drehen, gewährleistet. Bei Bestimmung der im
Modell vorzusehenden Federung zwischen dem Vektor U A und den Vek-
toren der Kraftwerke I und II ist zu beachten, daß zu den synchronen
Reaktanzen dss jeweiligen Kraftwerks auch die zugehörige Leitungs-
impedanz bis zum Abnehmer hinzuzuschlagen ist. Wenn die Kraftwerke
I und II Leistung abgeben, werden die zugehörigen Polradvektoren E 2
die in der Abb.lOOb aufgezeichnete Lage einnehmen. Die Leistung wird
auf den in der Mitte der Abbildung gezeichneten UA-Vektor übertragen.
Man muß sich vorstellen, daß von der Weile dieses Vektors mechanische
Leistung abgenommen wird (z. B. durch mechanische Abbremsung),
welche gleich der elektrisch aufgenommenen Leistung ist. Tritt jetzt im
Netz eine Zusatzbelastung AN auf, dann muß aus den Generatoren eine
größere Leistung herausgeholt werden, wobei jedoch im ersten Moment, da
die Regler an den Antriebsmaschinen noch nicht angesprochen haben, die
zur Verfügung stehende Antriebsleistung unverändert geblieben ist. Grö-
ßere Leistung kann aus den Generatoren nur herausgeholt werden, wenn
die Polräder verzögert werden, also ein Teil ihrer kinetischen Energie zur
Deckung der zusätzlichen Leistung verwandt wird. Die Folge ist ein Ab-
sinken der Netzfrequenz. Hierauf sprechen die Regler der Antriebsaggre-
gate an und bewirken eine entsprechende Steigerung der Antriebsleistung.
Tritt die Zusatzlast plötzlich auf, so ist dies gleichbedeutend [falls
man von der Drehbewegung der Vektoren absieht und annimmt, daß im
Netz keine Massen (Motoren) vorhanden sind, die Netzbelastung also
durch Widerstände (Lampen) erfolgt], daß die UA-Vektoren um einen
Winkel {}0 plötzlich nach rechts gedreht werden (Abb.lOOb) bis Gleich-
gewicht zwischen der zusätzlichen Last und den erhöhten Federspan-
nungen der einzelnen Vektoren vorhanden ist. Die Polräder können
wegen ihrer Masse im ersten Augenblick ihre Lage nicht ändern. Ist der
Verdrehungswinkel des U A-Vektors {}0 , dann ~ird die zusätzliche vom
Kraftwerk I abgegebene Leistung entsprechend GI. {70) gleich
AN1 =Nu fJo (81)
und die vom Kraftwerk li gleich
ANa = N,2{}o.
Addiert man die Gleichungen, dann ergibt sich verallgemeinert für be-
liebig viele Kraftwerke

(82)
Pendelungen der Generatoren durch Belastungsänderungen 125

Das auf das Polrad I ausgeübte zusätzliche Moment ist dann


L1 M _ LI Nt _ ff0 N 81 _ LIN . N 81
1 - gw - gw - J;Ns gw (83)

Durch dieses Moment wird das Kraftwerk I mit


b LIN N 81 1
J;Ns . fJW. 0tfPi.
(84)
1 =
verzögert, während die Verzögerung des Kraftwerks II den Wert
b _ LIN . Ns 2 ,_1_
2- J;Ns gw 02/P~ (85)

aufweist. Diese im ersten Moment vorhandenen und im allgemeinen ver-


schiedenen Verzögerungen, werden nach einer gewissen Zeit in eine kon-
stante Verzögerung b0 übergehen, denn die beiden Kraftwerke müssen
infolge der synchronisierenden Kräfte, wenn man von überlagerten Aus-
gleichsschwingungen absieht, sich gleichmäßig verzögern. Diese Ver-
zögerung ergibt sich, da die Gesamtmasse gleich ( @1 /p~+ @2 /p~) ist, zu
b _ LIN. 1 _ LIN_l_ (86)
0 - +
gw 0t!P~ 02/P~- gw J;0fp 2 •

Der Übergang von den Anfangsverzögerungen b1 und b2 zur Verzögerung


b0 erfolgt, wie erwähnt, durch Schwingungen. Solche Schwingungen sind
unangenehm, da dabei leicht der eine oder andere Generator außer Tritt
fallen kann. Hat man z. B. mehrere Generatoren mit einem verhältnis-
mäßig schwachen Generator dabei, der ein ziemlich hohes Trägheits-
moment besitzt, so wird bei der auftretenden Verzögerung das Polrad
wegen seiner großen Masse das Bestreben haben, seine Geschwindigkeit
möglichst wenig zu verkleinern und da die synchronisierende Kraft klein
ist, kann in einem solchen Falle ein Außertrittfallen stattfinden. Am
besten ist es und man kann hierdurch Polradschwingungen vermeiden,
wenn die im ersten Moment vorhandenen Beschleunigungen b1 , b2 usw.
einander gleich, also auch gleich b0 , sind. In unserem Falle trifft dies
ZU für

(87)

d. h. aber nach Gl. (75), daß die Eigenfrequenzen der verschiedenen Ge-
neratoren einander gleich sein sollen.
Wir wollen unser Ersatzbild noch für den Fall erweitern, daß das
Netz in größerem Maße durch Asynchronmotoren belastet sei. Diese
haben, vom Schlupf abgesehen, praktisch gleiche Drehzahl wie das Netz.
Sinkt die Netzfrequenz, dann wird auch die Drehzahl dieser Asynchron-
motoren abnehmen. Man kann sich also die Wirkung der Asynchron-
126 Die Drehstromgeneratoren

motoren durch eine Masse M (Abb.lOOb) ersetzt denken, welche mit


dem mittleren Netzvektor U A verbunden ist. Man erkennt also, daß
Generatoren sowie Motoren miteinander schwingungsfähige Systeme bil-
den, die die mannigfaltigsten Schwingungen gegeneinander ausführen
können, wobei auch der Netzvektor U A• der streng genommen in seiner
Größe nicht konstant ist, sondern ebenfalls Schwankungen unterliegt,
sich an diesen Schwingungen mitbeteiligen kann.

H. Asynchrongeneratoren
Sobald die Läuferdrehzahl einer Asynchronmaschine diejenige ihres
Drehfeldes übersteigt; kehrt sich mit dem Drehmoment auch die Energie-
richtung um, und die Maschine arbeitet als Drehstromgenerator. Ent-
scheidend für den Betrieb ist die Existenz eines Drehfeldes, das- im
Gegensatz zum Synchrongenerator- vom Netz her erregt werden muß.
Ein Alleinbetrieb eines Asynchrongenerators mit seinen Verbrauchern
ist also ohne besondere Maßnahmen nicht möglich. Er braucht immer
Verbindung mit einem Netz, das die Erregung liefert und die Frequenz
bestinunt. Der mit der abgegebenen Leistung wachsende nachteilige
Blindleistungsbedarf beschränkt die Anwendung des Asynchrongenera-
tors auf Leistungen, die klein sind im Vergleich zur Leistung der im Netz
arbeitenden Synchrongeneratoren. Als Vorzug ist die einfache, betriebs-
sichere Bauart, z. B. als Käfigläufer, und der Fortfall einer Synchroni-
sierungseinrichtung sowie der Erregermaschine mit Regler anzusehen.
Damit ergeben sich Vorteile in;t Gewicht, Platzbedarf, Preis, oft auch im
Wirkungsgrad und hinsichtlich Pendelungen.
Bei gegebener Spannung und Frequenz hängt die abgegebene Lei-
stung nur vom Schlupf ab. Sie ist durch die Drehzahl der Kraftmaschine
einzustellen, die nur wenige Prozente über der synchronen Drehzahl des
Generators liegt. Meistens wird mit fester Drehzahl bzw. Leistung gear-
beitet, da bei Teillast der Leistungsfaktor stark abnimmt. Der Asyn-
chrongenerator wird gewöhnlich leer hochgefahren und dann auf das
Netz geschaltet. Der Schaltstromstoß ist unabhängig von der Einschalt-
drehzahl. Er klingt schnell ab auf den durch den Schlupf bestimmten
Dauerstrom. Beim Kurzschluß sowie beim Abschalten wird der Asyn-
chrongenerator spannungslos, und der entlastete Antrieb ist gegen Durch-
gehen zu schützen oder entsprechend zu bemessen.
Asynchrongeneratoren werden gelegentlich in abgelegenen auto-
matischen oder ferngesteuerten Unterwerken angewandt, wenn bei
kleiner Leistung noch ein Vorteil gegenüber einer Synchronmaschine mit
fernbetätigter Grobsynchronisierung und Erreger bleibt.
Um den Asynchrongenerator netzunabhängig zu machen, wird zur
Erregung ein Kondensator verwendet. Unter Beachtung von kritischer
Die Transformatoren 127
Drehzahl und Kapazität- ähnlich wie beim selbsterregten N ebenschluß-
generator - kann sich die Maschine infolge ihrer Remanenz über die
Kondensatoren selbst erregen auf eine Spannung U 0 , die durch den
Schnittpunkt der Leerlaufkennlinie (Spannung U als Funktion des
Blindstromeslb) und der Kondensatorgeraden (u = Ib ·Xe=:~) in
Abb.100c gegeben ist. Spannungshaltung u U-10 ·XC'
ist leicht möglich durch eine geringe
Drehzahl - bzw. Frequenzsteigerung
mit der Belastung, weil die Kennlinien
in Abb.lOOc sich mit der Frequenz
gegenläufig ändern. Blindstromverbrau-
cher sind bei der Erregerkapazität mit
zu berücksichtigen. Die Anwendung be-
schränkt sich auf kleine Einzelanlagen,
bei denen trotzdes Kondensators noch
Abb. 100 c. Selbsterregter Asynchrongene·
ein preislicher Vorteil gegenüber Syn- rator. Leerlaufkennlinie und Kondensator·
gerade bei konstanter Fiequenz. Bei Fre·
chronmaschinen bleibt. quenzerhöhung gestrichelte Linien.

IV. Die Transformatoren


A. Allgemeines
Da die von den Generatoren erzeugte Spannung für eine wirtschaft-
liche Energieverteilung zu niedrig ist, benötigt man in den Kraftwerken
außer den Drehstromerzeugern noch Umspanner. Die durch die Trans-
formatoren in den Kraftwerken erzeugte hohe Verteilungsspannung muß
in den Verbraucherzentren wieder auf niedere Werte heruntergespannt
werden. Es werden also sowohl in den Kraftwerken als in den Netzen
in großer Zahl Transformatoren benötigt, so daß die Kenntnis ihrer
Eigenschaften wichtig ist. Für die folgenden Betrachtungen sei die
Wirkungsweise und der Aufbau des Transformators als bekannt voraus-
gesetzt.
Drehstromtransformatoren können in vielerlei Weise geschaltet wer-
den, etwa in Stern-Stern, in Dreieck-Dreieck, in Dreieck-Stern bzw.
umgekehrt, usw. (s. Abb. 101). Trotz der verschiedenen Schaltmöglich-
keiten gibt es sicher für jeden Verwendungszweck eine günstigste. Um
diese jeweils erkennen zu können, sollen die Eigenschaften der verschie-
denen Schaltungen im folgenden genauer betrachtet werden.
Bei einer im Stern geschalteten Wicklung ist die Phasenspannung
U;., wenn die verkettete Spannung U gegeben ist, U;.. = Ujf3, also klei-
ner als diese. Bei der Dreieckschaltung stimmen dagegen Phasenspan-
nung und verkettete Spannung überein. Es besteht also zwischen der
128 Die Transformatoren

Stern- und der Dreieckschaltung der Unterschied, daß die erstere eine
lj'V3 -fach kleinere Phasenspannung hat. Da bei gegebenem Fluß bei der
Sternschaltung die Zahl der Windungen ebenfalls lfY3kleinerist, hat
man bei dieser Schaltung bei gleicher Leistung und gleicher verketteter
Spannung y'3 -mal kräftigere Querschnitte (gleiche Stromdichte). Bei der
Sternschaltung ist wegen der geringeren Windungszahl der Isolations-
aufwand geringer als bei der Dreieckschaltung. Deshalb ist die Stern-
schaltung vorwiegend bei höheren Spannungen am Platze. Die Dreieck-
wicklung findet dagegen bei nicht zu hohen Spannungen und bei größeren
Strömen Verwendung. Wird z. B. bei der
Sternwicklung, infolge zu großen Stromes,
der Querschnitt zu groß, so daß man
gezwungen wird, die Wicklung in zwei

Abb. lOla-c. Transformatoren- Abb. 102a-c. Ströme und Flüsse bei Sättigung
schaltungen. des Transformators (Remanenz vernachlässigt).
a Btern-Sternschaltung, b Dreieck- aStromund Fluß in Abhängigkeit der Zeit, b Magneti-
Dreieckschaltung, c Dreieck- sierungsstrom zerlegt in Grund- und Oberwellen,
St.ernschaltung. c Magnetisierungsstrom mit fehlender 3. Harmonischen.

parallele Gruppen zu unterteilen, so kann unter Umständen beim Über-


gang auf Dreieckwicklung die Unterteilung vermieden werden.
Der in Stern-Stern geschaltete Transformator der Abb. 101 a liege
primärseitig an Spannung, die Sekundärwicklung sei jedoch unbelastet,
so daß die Primärwicklung nur den Magnetisierungsstrom aufzunehmen
hat. Bei einem (Einphasen-) Transformator muß bei zugeführter sinus-
förmiger Spannung der Fluß ebenfalls sinusförmig sein (allerdings 90°
phasenverschoben). Der Magnetisierungsstrom I (s. Abb. 102a) ist je-
doch wegen der Eisensättigung nicht sinusförmig, sondern verzerrt. Wie
eine Zerlegung der Stromkurve in die einzelnen Harmonischen zeigt, ent·
hält sie außer der Grundwelle noch sämtliche ungeradzahligen Harmo-
nische, deren Größe mit wachsender Ordnungszahl sinkt. Dabei ist
(s. Abb.l02b) die3. Harmonische negativ, die5. positiv, die7. negativusw.
Für die 3. Harmonische, ebenso für alle durch 3 teilbaren Har-
monischen, ergibt sich im Falle des Drehstromtransformators, daß die
Allgemeines 129

l
Ströme dreifacher Frequenz in den 3 Phasen folgende Größen haben
müßten:
iui, = hn sin 3wt
iui, = hu sin 3 (wt- 120) = hu sin 3wt (88)
iu1• = hn sin 3 (wt - 240) = hii sin 3 wt,
d. h. aber, daß alle drei Phasenströme dreifacher Frequenz der Größe und
Phase nach gleich sind. Da sie sich im Sternpunkt des primärseitig in
Stern geschalteten Transformators nicht zu Null ergänzen können, ver-
mögen sie in einem nicht geerdeten Drehströmsystem überhaupt nicht
zu flief3en. Hierbei ist vorausgesetzt, daß die drei Schenkel des Trans-
formators magnetisch gleich sind. Da jedoch der Fluß im mittleren Schen-
kel einen kleineren magnetischen Widerstand (nur Widerstand des Schen-
kels) hat als der in den beiden äußeren (Widerstand von Schenkel und
Joch), sind die Magnetisierungsströme in den drei Phasen nicht gleich.
Es vermag jetzt, da GI. (88) nicht mehr genau gilt, eine kleine 3. Harmo-
nische zu fließen. Entsprechendes gilt für sämtliche durch 3 teilbaren
höheren Harmonischen. Um diese Harmonischen möglichst zu beseitigen,
empfiehlt es sich, die Anschlüsse der einzelnen Transformatoren an die
Phasen R, S und T nicht gleich, sondern zyklisch vertauscht, vorzu-
nehmen.
Wie erwähnt, vermag, falls man von der Unsymmetrie der drei Kraft-
linienwege absieht, im Magnetisierungsstrom bei Sternschaltung keine
3. Harmonische zu fließen. Wir wollen, um einen sinusförmigen Fluß zu
ermöglichen, annehmen, diese 3. Harmonische sei zunächst vorhanden,
wobei wir sie jedoch wieder kompensieren wollen, indem wir zusätzlich
auf jedem Schenkel die Amperewindungen einer 3. Harmonischen glei-
cher Größe, jedoch entgegengesetzter Richtung, annehmen. Untersuchen
wir zunächst einen Dreischenkeltransformator, so können die zusätz-
lichen Amperewindungen, die in den drei Schenkeln gleichphasig sind,
keinen im Eisen geschlossenen Hauptfluß erzeugen, sondern nur einen
Streufluß, der von den Jochen ausgeht und sich über die Luft und die
Kesselwände schließt. Im großen und ganzen bleibt der Fluß pro Schen-
kel sinusförmig und erhält nur eine durch die Jochstreuung bedingte
kleine Flußkomponente dreifacher Frequenz, die in der Phasenspannung
eine EMK dreifacher Frequenz erzeugt, die sich jedoch bei Bildung der
verketteten Spannung heraushebt. Da der Fluß ziemlich sinusförmig ge-
blieben ist, enthält der zufließende Magnetisierungsstrom dieselbe positive
5. Harmonische, welche die Abb.102c zeigt. (Die 7., ll., 13. usw. Harmo-
nischen müssen bei genauer Betrachtung auch berücksichtigt werden.)
Anders liegen die Verhältnisse, falls man drei im Stern geschaltete
Einphasentransformatoren, von denen jeder einen magnetischen Rück-
schluß hat, oder einen Dreiphasentransformator mit 4. bzw. 5. Schenkel
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 9
130 Die Transformatoren

als Rückschluß, untersucht. Jetzt vermögen die noch vorhandenen Zu-


satzamperewind1].ngen dreifacher Frequenz, welche beim Dreischenkel-
transformator nur einen kleinen Streufluß erzeugen konnten, sich infolge
des magnetischen Rückschlusses auszuwirken, so daß der Fluß im Maxi-
mum geschwächt wird, also nicht mehr sinusförmig ist, sondern eine
starke 3. Harmonische entsprechend Abb. 103a besitzt. Der Fluß kann
nur durch 3 teilbare Harmonische haben, weil dann die hierdurch be-
dingten elektromotorischen Kräfte, welche in den
drei Wicklungen gleichphasig sind, bei Bildung
der verketteten Spannung, die ja sinusförmig
sein soll, sich herausheben. Die Flußkurve der
Abb.l03a muß von einem Magnetisierungsstrom
erzeugt werden, der außer der Grundwelle ein~
5., 7. usw. Harmonische hat, demjedochdie durch
3 teilbaren Harmonischen fehlen. Der Magneti-
Abb. 10sa u. b. Fluß und sierungsstrom wird, falls wir uns auf die 5. Har-
strommitbeim Transformator monische beschränken, etwa die in der Abb.l03 b
magnetischem
Rückschluß. gezeichnete Form haben. Die 5. Harmonische ist
aderFlußkurve
Zeit, binstromkurve
Abhängigkeit
in nach dieser Abbildung diesmaI mc ' h t pOsitiv,
' ·
Abhängigkeit der Zeit. sondern negativ.
Die 3. Harmonischen in der Phasenspannung bewirken, daß das
Potential des Sternpunktes gegen Erde nicht die Größe Null, sondern
annähernd den Wert der Phasenspannung dreifacher Frequenz hat. Dies
erkennt man aus der Abb.l04. Die speisende Leitung, wie auch der
Sternpunkt, besitzen Kapazität gegen Erde. Die Kapazität des Stern-
punktes gegen Erde ist jedoch wesentlich
kleiner als die der Leitung. Für die elektro-
motorischen Kräfte Em dreifacher Frequenz
besteht über die Kapazitäten ein geschlosse-
ner Stromkreis. Da die Leitungskapazitäten
jedoch bedeutend größer sind, als die Kapazi-
tät des Nullpunkts gegen Erde, wird letztere
praktisch die Spannung der 3. Harmonischen
Abb. 104. Zuleitungs-' und Stern- gegen Erde annehmen. Diese Spannung ist
punktskapazltäten eines
Transformators. bei einem Fünfschenkeltransformator wesent-
lich größer als bei einem Dreischenkeltrans-
formator, da bei der Ausführung des Fünfschenkeltransformators eine
kräftige 3. Harmonische in der Phasenspannung vorhanden ist.
Es sei jetzt die Magnetisierung eines Transformators mit einer pri·
mären Dreieckwicklung untersucht. Auch hier zeigt sich das Bestreben,
daß bei sinusförmiger Klemmenspannung jede Phase einen sinusförmigen
Fluß ausbilden will, damit aber auch einen Magnetisierungsstrom drei-
facher Frequenz aufnehmen muß. Dieser Strom, der in jeder Phase
Allgemeines 131
gleichphasig ist, kann, wie Abb.l05 zeigt, in der Dreieckwicklung fließen.
Die Ströme der I., 5., 7. Harmonischen werden über die drei Zuleitungen
den drei Phasen zugeführt. Da also bei der Dreieckwicklung der Fluß
praktisch sinusförmig ist und alle Harmonischen des Stromes bekommt,
die er braucht, sagt man, seine Magnetisierung sei eine natürliche und
keine erzwungene, wie bei der Sternschaltung. Hierbei ist es gleich, ob
die Sekundärseite im Dreieck oder im Stern geschaltet ist.
Ist der Transformator primärseitig im Stern, sekundärseitig dagegen
im Dreieck geschaltet, so ist die Magnetisierung ebenfalls eine natürliche.
Es werden jetzt primärseitig dem Transformator die Harmonischen des
Magnetisierungsstromes zufließen, die nicht durch 3 teilbar sind, während
die durch 3 teilbaren Harmonischen in der sekundären Dreieckwicklung
als Kurzschlußstrom zum Fließen kommen. (Dieser Kurz- ee e
schlußstrom wird durch die durch 3 teilbaren Harmoni-
schen im Fluß, die durch das Fehlen dieser Harmoni- ,~,~~ ~
schen im Magnetisierungsstrom bedingt sind, erzeugt.
Die Flußharmonischen sind jedoch sehr klein, da sie nur
die Kurzschlußströme erzeugen müssen.)
Auch bei einem Stern-Stern-Transformator kann die Abb.schaltung.
105. Dreieck-

erzwungene Magnetisierung zu einer natürlichen gemacht


werden, wenn man eine dritte in sich kurzgeschlossene Dreieckwicklung
aufbringt. In dieser sog. Tertiärwicklung können die durch 3 teilbaren
Harmonischen, welche für eine natürliche Magnetisierung gebraucht
werden, fließen. Dadurch treten auch die sonst bei Stern-Sternschaltung
vorhandenen Streuflüsse und Nullpunktsspannungen dreifacher Frequenz
nicht auf. Es sei darauf hingewiesen (s. S. 409), daß man heute Trans-
formatoren bauen kann, deren Magnetisierungsstrom praktisch ober-
wellenfrei ist.
Die Größe des Magnetisierungsstromes eines Transformators hängt
von der Größe des Transformators und von der Spannung ab. Je größer
der Transformator ist, um so relativ kleiner ist der Magnetisierungsstrom.
Er beträgt
für einen 30 kVA Transformator etwa 8%
für einen 3 000 kVA Transformator etwa 3%
für einen 30 000 kVA Transformator etwa 2%.
Oft wird von den Transformatoren Nullpunktbelastbarkeit verlangt,
z. B. wenn eine Erdschlußspule angeschlossen werden soll (s. S. 388) oder
bei Niederspannungstransformatoren, bei denen die Lichtlast zwischen
Außenleiter und Nulleiter geschaltet wird. Wenn man im letzten Falle
auch bestrebt ist, die drei Phasen möglichst gleichmäßig zu belasten, wird
man trotzdem mit Nulleiterströmen zu rechnen haben. Wir wollen den
Fall betrachten, daß nur eine Phase über den Nullpunkt belastet und der
Dreischenkeltransformator in Stern-Stern geschaltet sei (s. Abb. 106a).
9*
132 Die Transformatoren

Die sekundären Amperewindungen werden dann primäre Gegenampere-


windungen erzwingen, so daß keinerlei ganz im Eisen geschlossene zu-
sätzlichen Flüsse entstehen, was mit der konstanten angelegten verkette-
ten Spannung nicht vereinbar wäre. Dies ist aber nur möglich, wenn die
resultierenden Amperewindungen der drei Schenkel in Größe ,und Rich-
tung gleich sind. Es werden also primärseitig, falls man das Windungs-
2
verhältnis l : l annimmt, in der belasteten Phase der Strom 3 I und
in den unbelasteten je ~ I fließen (s. Abb. l06a), pro Schenkel werden
dann gleichgerichtete I/3 Amperewin-
dungen vorhanden sein (s. Abb.l06b). Da
diese im Falle des Dreischenkeltrafos im
Eisen sich schließende Flüsse nicht er-
zeugen können, werden Streuflüsse durch
die Luft entstehen, welche sowohl unzu-
lässige Erwärmungen in benachbarten
Abb. 106a u. b. Einphasig belasteter
Stern-Stern-Transformator. Metallteilen hervorrufen, als auch erheb-
a Stromverlauf, b Restampere- liche Spannungsabfälle verursachen. Eine
windungen.
nennenswerte Nullpunktsbelastbarkeit be-
sitzt demgemäß ein in Stern-Stern geschalteter Transformator nicht
und man wird im allgemeinen keinen Nullpunktstrom zulassen, der
größer als 10% des Nennstromes ist. Besitzt der Transformator einen
4. oder 5. Schenkel, dann ist er überhaupt nicht nullpunktbelastbar.
Die nicht kompensierten Amperewindungen der Abb. l06b vermögen

Abb. 107. Dreieck·Stern·Transformator Abb. 108. Stern-Stern-Transformator mit


bei einphasiger Belastung. Tertiärwicklung einphasig belastet.

jetzt über den 4. und 5. Schenkel einen derartigen Fluß zu treiben (kleiner
magnetischer Widerstand!), der bewirkt, daß die Spannung an der
belasteten Phase zusammenbricht.
Die Dreieck-Dreieckschaltung scheidet bei diesen Betrachtungen aus,
da sie keinen Nullpunkt hat, der belastet werden könnte. Die Dreieck-
Sternschaltung ist auf der Sternseite nullpunktsbelastbar (s. Abb.l07),
da die Amperewindungen der Belastung unmittelbar an Ort und Stelle
durch primäre Gegenamperewindungen kompensiert werden können. Zu-
sätzliche aus dem Joch heraustretende Streuflüsse werden hier also nicht
auftreten. Man kann auch die Stern-Sternschaltung nullpunktbelastbar
Allgemeines 133
machen, indem man eine besondere tertiäre Wicklung anordnet. In dieser
wird jetzt ein Strom von der Größe ! (ü = 1 : 1) fließen (s. Abb. 108),
um die bei der Stern-Sternschaltung der Abb.106 den Streufluß ausbil-
denden Amperewindungen zu kompensieren.
Wir kennen noch eine weitere Schaltung, welche voll nullpunktbe-
lastbar ist, nämlich die Stern-Zickzackschaltung (s. Abb.109). Auf der
Sekundärseite ist die pro Phase vorhandene Wicklung in zwei Gruppen
unterteilt. Die eine Gruppe des Schenkels 1 (EMK E 1) ist mit der zwei-
ten Gruppe des Schenkels 2 (EMK Eu) so verbunden, daß die elektro-
motorischen Kräfte sich geometrisch subtrahieren, die Phasenspannung
also E 1 = E 1 /'-.Eu ist (s. Abb. 109b u. c). Es ist

(89)

oder, da E 1 = E /2 ist, wobei E die Phasenspan-


nung ist, wenn die zwei Gruppen einer Phase in
normaler Weise hintereinander geschaltet sind,
ergibt sich
y3
E 1 = 2 E = 0,866E . (90)

Die Sekundärspannung I I f,_

Bi5---~
wird also in der Zick-
zackschaltung um etwa
14% kleiner, als wenn
man bei gleicher Win-
dungszahl die nor-
7 a V
male Sternschaltung Abb. 109 a-c. a Stern-Zickzack-Transformator bei einphasiger
Belastung. b Diagramm der je Wicklungshälfte erzeugten
gewählt hätte. Man elektromotorischen Kräfte. c Diagramm der Stern-
Zickzackschaltung.
braucht in der Sekun-
därwicklung etwa also 14% mehr Kupfer, da man rd. 14% mehr Win-
dungen aufbringen muß, um gleiche Spannungen wie bei Sternschaltung
zu erzeugen.
Denkt man sich den Transformator auf der Sternseite an Spannung
gelegt, ·SO ist die Magnetisierung erzwungen. Auf der Sekundärseite be-
sitzt jedoch im Gegensatz zu der normalen Sternwicklung der Stern-
punkt gegen Erde das Potential Null, denn die in den Wicklungshälften
der Schenkel 1 und 2 erzeugten 3. Harmonischen, die gleichphasig sind,
verschwinden in der Phasenspannung, da ja diese Wicklungshälften
gegeneinander geschaltet sind. Fließt der einphasige Strom I, dann
können sich die Amperewindungen entsprechend Abb. 109a an Ort
und Stelle aufheben. Die Zickzackschaltung ist daher beliebig null-
punktbelastbar.
134 Die Transformatoren

Auf Grund der bisherigen Überlegungen kommen wir bezüglich der


Verwendbarkeit der einzelnen Schaltungen zu folgendem Ergebnis: Wenn
in Kraftwerken Generatoren über Transformatoren auf ein Hochspan-
nungsnetz arbeiten, wird man meistens die Transformatoren Dreieck-
Stern schalten. An der Dreieckschaltung liegt dabei die niedere, an der
Sternschaltung die höhere Spannung. Man erreicht durch die Dreieck-
wicklung eine natürliche Magnetisierung, durch die hochspannungsseitige
Sternschaltung die isotiertechnisch günstigste Ausführung. Der Trans-
formator ist außerdem nullpunktbelastbar, was gefordert werden muß,
wenn auf der Hochspannungsseite Erdschlußspulen vorgesehen werden.
Die Stern-Sternschaltung ist aus isotiertechnischen Gründen zweck-
mäßig, wenn zwei Hochspannungsnetze miteinander über einen Trans-
formator gekuppelt sind. Um Streuflüsse aus den Jochen zu vermeiden
und um den Transformator im Nullpunkt durch die Erdschlußspule voll
belasten zu können, wird man dann noch eine Tertiärwicklung vorsehen.
Transformatoren in Dreieck-Dreieckschaltung kommen praktisch
kaum vor.
Transformatoren, deren Sekundärseiten auf 400/231 V geschaltet sind,
d. h. Ortsnetz-Transformatoren, werden mit Dreieck-Sternschaltung und
Stern-Zickzackschaltung ausgeführt, da beide voll nullpunktbelastbar
sind. Welche Schaltung im einzelnen angewandt wird, das entscheiden
wirtschaftliche Erwägungen. Es zeigt sich, daß bei kleineren Leistungen,
bei denen die Hochspannungsdrähte verhältnismäßig dünn sind, man
besser die Hochspannungswicklung in Stern schaltet und auf der Nieder-
spannungsseite lieber rd. 14% mehr Kupfer für die Zickzackschaltung
aufwendet, als den Transformator in Dreieck-Stern zu schalten. Deswegen
sind die meisten Ortsnetztransformatoren in Stern-Zickzack geschaltet.
Bei größeren Leistungen ist die Dreieck-Sternschaltung wieder günstiger.
Bei Transformatoren können beim Einschalten Überstromerschei-
nungen ("rush" genannt) auftreten. Um diese zu erklären, sei zunächst für
den normalen Betrieb der Verlauf von Fluß tP und Spannung U in Abb.110a
aufgezeichnet. Wird ein beispielsweise leerlaufender Transformator beim
Nulldurchgang der Spannung (Zeit t = 0) eingeschaltet, so müßte der
Fluß plötzlich vollen negativen Wert haben. Dies ist physikalisch un-
möglich, denn ein endlicher Fluß kann nicht in unendlich kurzer Zeit
entstehen. Es wird sich deshalb eineFlußkurve t/>1 ausbilden, .bei der die
Gestalt der ursprünglichen Flußkurve unverändert bleibt, im Einschalt-
zeitpunkt der Fluß jedoch durch Null geht. Da die neue Flußkurve
gleichen Differentialquotienten besitzt wie die ursprüngliche, ist die
Klemmenspannung, welche proportional dtl>fdt ist, unverändert geblieben.
Da die Flußkurve t/>1 gegenüber der Kurve tP (Widerstand der Wicklung
vernachlässigt) einen doppelt so großen Maximalwert besitzt, ist ein
riesenhafter Magnetisierungsstrom notwendig. In der Abb.110b ist die
Allgemeines 135
Magnetisierungskurve des Transformators aufgezeichnet. Um den Maxi-
malwert des normalen Flusses (j)m zu erzeugen, genügt ein Maximalwert
des Magnetisierungsstromes von der Größe / 1 , um dagegen den Maximal-
wert 9)1m der gehobenen Flußkurve 9)1 zu erzeugen, gehört ein maximaler
Stromwert von der Größe / 2 , der wegen der hohen Sättigung ein Viel-
faches des Magnetisierungsstromes und etwa das 2- bis 3fache des Nenn-
stromes des Transformators sein kann. Zeitlich gesehen hat der Magneti-
sierungsstrom beim Einschalten den Verlauf der Abb. HOc. Infolge der
im Stromkreis vorhandenen Widerstände klingt der Strom allmählich auf
den normalen Magnetisierungsstrom ab (etwa 0,5 sec). Man kann die
hohen Stromspitzen beim Einschalten vermeiden (abgesehen vom zu-
fa1ligen Einschalten im Maximalwert der Spannung), falls ein Widerstand
a b
--
r;P
--- ------------}
Sclmiffpvnki!Jeil;

Abb. 110 a-c. Einschaltvorgänge beim

I~
Transformator.
'{2 a Fluß in Abhängigkeit der Zelt, b Fluß in Ab·
hängigkeit des Strome~, c Verlauf des Einschalt-
....... __ stromes beim leerlaufenden Transformator •

kurzzeitig vorgeschaltet und dann nach einigen Perioden kurzgeschlossen


wird. Eine solche Schaltapparatur ist jedoch kompliziert, so daß man
sie, wenn irgend möglich, vermeidet. Im Kraftwerk, wo Generator und
Transformator meist eine Einheit bilden, spielt die beschriebene Er-
scheinung keine Rolle, da man den Transformator mit dem Generator
gemeinsam hochfährt.
Bei Transformatoren muß man damit rechnen, daß auf der Hoch-
oder Niederspannungsseite 1 Kurzschlüsse auftreten, also große Kurz-
schlußströme durch den Transformator fließen, die, abgesehen von Er-
wärmungen große Kräfte erzeugen. Betrachtet man einen Transformator
mit Röhrenwicklung, bei dem z. B. die Niederspannungswicklung innen
und die Hochspannungswicklung außen ist, so haben die durch beide
Wicklungen fließenden Ströme entgegengesetzte Richtung und stoßen
sich ab. Demgemäß wird bei einem Kurzschluß die innere Wicklung zu-
sammengepreßt, also auf Druck beansprucht, während die äußere Wiek-
1 VIDMAR, M.: Tra.nsform~torenkurzschlüsse. Braunschweig, Vieweg & Sohn,
1954.
136 Die Transformatoren

lung nach außen gepreßt, also auf Zug belastet wird. Ungünstig bean·
~prucht sind Transformatoren mit rechteckigen oder elliptischen Spulen.
Deswegen verwendet man heute bei Groß-Transformatoren praktisch nur
runde Zylinderspulen. Bei unsymmetrischer Anordnung der Ober- und
Unterspannungswicklung treten bei Kurzschlüssen zwischen diesen auch
axiale Kräfte auf. Dieser Fall liegt bei Reguliertransformatoren vor,
bei denen Wicklungsteile ab- und zugeschaltet werden müssen. Hier er-
fordert die Beherrschung der Stromkräfte besondere Sorgfalt.
Abgesehen von den Kurzschlußkräften muß mit Überspannungen in-
folge Auftretens von Wauderwellen gerechnet werden. Deshalb werden
oft die Windungen am Eingang und am Sternpunkt stärker isoliert, wobei
darauf geachtet werden muß, daß die stärker isolierten Wicklungsteile
keine von den anderen Wicklungsteilen unabhängige Eigenschwingungen
ausführen (weiteres s. S. 398).
Die Größe der Transformatoren ist durch ihre Transportmöglichkeit,
d. h. durch das Eisenbahnprofil, gegeben. Große Transformatoren 1 wird
man mit Ölfüllung verfrachten und lediglich die Klemmen und das Aus-
dehnungsgefäß werden, sofern sie das Bahnprofil überschreiten, während
der Beförderung abgenommen. Um möglichst große Transformatoren
befördern zu können, verwendet man Spezialwagen mit tief gezogenem
Träger (s. Abb. 128). Man strebt heute danach, auch bei großen Leistun-
gen Transformatoren zu verwenden, bei denen während des Transportes
weder Klemmen noch sonstige Teile abmontiert werden müssen, so daß
eine Aufbereitung des Ölesam Bestimmungsort vermieden wird. Diese
sog. Waudertransformatoren (s. Abb.127 u. 128), die man heute schon
bis über 100 000 kVA bauen kann, zwingen zu speziellen Konstruktionen,
besonders hinsichtlich der Klemmen, damit diese nicht aus dem Bahn-
profil herausragen.
Es sei noch auf folgendes hingewiesen: Arbeitet ein Transformator
z. B. von einem 6 kV- auf ein 380 V-Netz, so wird das Übersetzungsver-
hältnis nicht 6000/380 gewählt, sondern 6000/400. Man wählt normaler-
weise die Sekundärspannung um 5% höher als die Netzspannung, um den
im Transformator und im Netz bei Belastung auftretenden Spannungs-
abfall etwas auszugleichen.

B. Der Transformator als Leitungselement


a) Zweiwicklungstransformator
In den Leitungsnetzen unserer Kraftversorgung kommen in großer
Zahl Transformatoren vor. Es soll gezeigt werden, daß man sich für
1 STENKVIST, E.: Die Transformatoren für die schwrdische 380-kV-Über-
~ra.gung. CIGRE-Ber. 1952, Nr. 138. - ScHUMANN, W. 0. und H. PltiNZ:
Fortschritte der Hochspannungstechnik. Akad. Verlagsanstalt, Leipzig 1954.
Zweiwicklungstransformator 137
Netzberechnungen die Transformatoren durch Induktivitäten und Wider-
stände ersetzt denken kann.
Wir gehen von dem einphasig aufgezeichneten Transformator der
Abb. 111 aus. Die Primärseite habe w1 und die Sekundärseite w2
Windungen, also ist das Übersetzungsverhältnis gleich ü = w1fw 2•

f; /
Primär- und Sekundärwicklung haben ohmseben und induktiven Wider-
stand, der in der Abb.111 eingetragen ist. Abb. 112 zeigt das bekannte
einphasig durchgeführte Transformatordiagramm für
Primär- und Sekundärseite. Dabei ist die primäre Span-
nung U1 , die sekundäre U2• Um das Transformator- I, Xa
diagramm aufzustellen, gehen wir von der Tatsache u. ] 1 '3

aus, daß der Magnetfluß Primär- und SekundärWick- Wa


lung durchdringt und hier elektromotorische Kräfte E 1 E
bzw. E 2 erzeugt, die sich zueinander wie die Windungs- Abb.lll.
Ersatzschema des
zahlen verhalten und gleichphasig sind. Einphasentrans·
formators.

(91)

Wir gehen von der EMK E 2 der Sekundärwicklung aus. Zieht man von
dieser den induktiven und ohmseben Spannungsabfall, also J 2 X2 und
/ 2 r2, geometrisch ab, so erhält man die Klemmenspannung U 2• Wir wollen
U 2 , E 2 sowie / 2 X 2 und J2 r 2 mit dem Faktor ü
multipliziert auftragen (s. Abb.112). Man hat
dann den Vorteil, daß E 2 ü auch gleich E 1 ist. Der
Strom / 2 eilt der Spannung U 2 um den Winkel ffJ
nach. Sieht man vom Magnetisierungsstrom ab,
dann müssen die primären und sekundären
Amperewindungen sich aufheben, wobei
11 w1 =12 w2 oder 11 =12/ü (92)
ist. Bei der in der Abb.l11 als positiv ange-
gebenen Stromrichtung von / 1 und / 2 ist das
Amperewindungsgleichgewicht vorhanden, falls
/ 1 und / 2 gleichphasig sind. Die mit ü multipli- Abb. 112. Diagramm
des Transformators.
zierten ohmseben Spannungsabfälle der Sekundär-
seite lassen sich unter Benutzung der Gleichung / 1 = 12 /ü wie folgt
schreiben.

Diese auf die Primärseite überführten sekundären Spannungsabfälle


haben gleiche Phasenlage wie die entsprechenden primären / 1 r1 und J 1 X 1
(Magnetisierungsstrom vernachlässigt), die man zu E 1 = E 2 ü addieren
muß, um U1 zu erhalten (s. Abb. 112). Addiert man den überführten
138 Die Transformatoren

sekundären und primären ohmscheu Spannungsabfall, so ist deren Summe


+
/ 1 (r1 ü 2 r2) im Diagramm durch die Strecke 2-3, die Summe der
+
induktiven Spannungsabfälle / 1 (X1 ü 2 X 2) durch die Strecke 3-1 dar-
gestellt.
Die Abb. 113 zeigt das gleiche Transformatordiagramm, nur sind die
nicht mehr benötigten Vektoren weggelassen und die ohmscheu und in-
duktiven Spannungsabfälle zusammengezogen worden. Für die Rech-
nung ist es zweckmäßig, die ohmscheu und induk-
tiven Widerstände auf primärer und sekundärer
Seite in einem einzigen Ersatzwiderstand R 01
und einer einzigen Ersatzreaktanz X 01 auf einer
.!
•r/.
;r .Ltflf~l}ü1-J;Rp,
Seite des Transformators, in diesem Fall auf der
Primärseite, zusammenzuziehen. Es gilt dann:

Das Vektordiagramm der Abb. 113 zeigt, daß


man für den Transformator ein einfaches Ersatz-
bild entsprechend Abb. 114 aufzeichnen kann,
denn man erhält die auf die Primärseite be-
zogene Spannung ü U2 , falls man annimmt, daß
Abb. 113. Vereinfachtes
Transformatordiagramm. R 01 und X 01 vom Strom / 1 = 12 /ü durchflossen
sind und man von U1 die Spannungsabfälle I 1 R 01
und I 1 X 01 geometrisch abzieht. Man kann also zur Rechnung einen
Transformator, indem man sämtliche Größen auf die Primärseite bezieht,
durch einen Ersatzwiderstand R 01 und eine Ersatzreaktanz X 01 ersetzen.
In gleicher Weise kann man auch falls es zweckmäßig ist, alle Größen
auf die Sekundärseite übertragen (R02 und X 02 ).
Das Transformatorersatzbild gilt auch für den symmetrisch belasteten
Drehstromtransformator beliebiger Schaltung, sofern man dort alles auf
die Phase bezieht, den Transformator sich also
gedanklich in Stern-Sternschaltung umgewandelt
denkt.
Das in den Abb.112 und 113 mit 1-2-3
Abb. 114. Ersatzschaltung
des Transformators. bezeichnete Dreieck, auch Kurzschlußdreieck ge-
nannt, hat eine besondere Bedeutung. Schließt
man die Sekundärseite des Transformators kurz und führt man primär-
seitig eine solche Spannung U1K (bei Drehstrom U AlK) zu, daß der
Strom I 1 fließt, dann erhält man das Diagramm nach Abb. 115, das
dem Kurzschlußdreieck entspricht. Die Spannung U1K für einen Kurz-
schlußstrom I K = In heißt die Kurzschlußspannung des Transformators
und ist auch gleich In· zK1, wobei zK1 die auf die primäre Seite be-
zogene Kurzschlußimpedanz des Transformators ist. U K wird meist in
Prozenten der Nennspannung, also als UK% angegeben. U K% ist unab-
Zwei wicklungstra.nsformator 139
hängig davon, ob der Kurzschlußversuch von der Primär- oder Sekundär-
seite des Transformators aus durchgeführt wird, ferner ob die Bezug-
nahme auf die verkettete oder Phasenspannung erfolgt. Es ist also, falls
der Index 1 und 2 die Primär- und Sekundärseite kennzeichnet,
U x% = UUtK . 100 = ~~K • 100 = UUA.tK . 100 = UUAaK. 100 . (94)
t va At Au
Beim Kurzschlußversuch, den man bei Nennstrom durchführt, wird die
zugeführte Leistung N K gemessen, die gleich den Kupferverlusten der
Wicklung ist, da die Eisenverluste wegen der geringen Kraftliniendichte
infolge der kleinen Kurzschlußspannung U1 x vernachlässigt werden kön-
nen. Die KurzschlußverlusteNK werden meist in Prozent, als N x%.
angegeben. Mit diesen durch den Kurzschlußversuch erhaltenen Werten
lassen sich weitere Größen des Transformators er-
mitteln. Der Winkel q;x im Kurzschlußdreieck ergibt
sich zu:
I 1 R 01 IfR01 Nx%
cosq;x=-u-=
tK
(u ) = ux 'Y..
Il ul ___.1!!._
(95)
ul
0

Diese Gleichup.g gilt sowohl für den Einphasen-, als l


auch den Drehstromtransformator. Für die auf die A~~~~ fe~~r:~a-
Primärseite bezogene Kurzschlußimpedanz zx1 (das formators.
ist der Gesamtwiderstand des Transformators im Kurzschluß) erhält
man beim Drehstromtransformator, falls U1 dessen verkettete Primär-
spannung ist und der Index A angibt, daß die betreffende Spannung auf
die Phase bezogen ist,
Ux% U1
UAtK 100 'V3 Ux%Ut
Zxt=---y;-= - - l - 1 - - = 100 · V3 · 11 ' (96)

Wie aus Abb. 115 hervorgeht, gilt


ItRot = U AtK cosq;x
oder
Rot= Zgl cosq;x. (97a)
Entsprechend ergibt sich für X 01
X 01 = zx1 sinq;x. (98a)
Rechnet man mit der symbolischenMethode, so muß man, falls i=f-1
ist, für die Kurzschlußimpedanz 3x1 den Wert einsetzen
3Kt = zx1 (cos (/JK + i sinq;x) . (99)
In der Abb.ll6 ist etwas ausführlicher gezeigt, wie die Berechnung
eines Netzes mit Transformatoren durchgeführt werden kann. Es sei
140 Die Transformatoren

ein Generator mit der Spannung U1 vorhanden, der über ein Leitungsnetz
mit dem ohmseben Widerstand r1 und der Induktivität X 1 und über einen
Transformator ein weiteres Netz speist. An den Stellen I und II werden
die Ströme h und In abgenommen. Zur Berechnung der Spannung U 1
und U11 kann man z. B. alle Widerstände, Spannungen und Ströme der
Sekundärseite auf die Primärseite überführen. Dabei müssen nach GI.
(93) die sekundären Widerstände mit ü 2 , die Spannungen nach Gl. (91)
mit ü und die Ströme nach GI. (92) mit 1/ü multipliziert werden. Für den
Transformator berechnet man R 01 und X 01 und kann dann dasErsatzbild
der Abb. 116b aufzeichnen. Es ist jetzt möglich, in bekannter Weise
U 1ü und U 11 ü, damit aber auch U 1 und Um zu berechnen.

li /n
{/1
b
Ir In
fl., u u
u

Ir In.
Abb. 116a-c. ilberführung zweier durch einen Transformator gekuppelter Netze
auf ein einfaches Schaltbild.
a Anordnung der beiden Netze, b Ersatzbild bei ilberführung der Sekundärseite auf die primäre,
c Ersatzbild bei ilberführung der Primärseite auf die sekundäre.

In der Abb.ll6 können sowohl die Phasen- als auch die verketteten
Spannungen eingetragen sein. Die Spannungsabfälle dürfen jedoch, da
in ihnen die Phasenwiderstände bzw. Phas~nreaktanzen enthalten sind,
im Diagramm nur zu den Phasenspannungen addiert bzw. abgezogen
werden. Zur Vereinfachung denkt man sich oft diese Diagramme mit
y3 multipliziert. Dann kann man die Phasenspannungen zahlenmäßig
gleich den verketteten Spannungen einführen, muß jedoch alle Wider-
stände und Reaktanzen f3-mal größer einsetzen.
Statt die sekundären Leitungsdaten auf die Primärseite zu über·
führen, kann man auch die primärseitigen Größen auf die Sekundärseite
überführen entsprechend Abb. 116c. Die sekundärseitigen Widerstände,
Spannungen und Ströme bleiben jetzt unverändert. Für den Transfor-
mator muß jetzt im Ersatzbild
(97b)
und
(98b)
Zweiwicklungatransformator 141
eingesetzt werden, wobei, falls U2 die verkettete Sekundärspannung ist,
Ux%U2
ZK2 = 100 • V3 • Js (100)

Die Generatorspannung U1 muß mit 1/ü, der Widerstand r1 und die


Reaktanz X 1 mit 1fü2 multipliziert werden, um sie auf die Sekundärseite
überführen zu können. Ob man die Überführung auf die Sekundärseite
(nach Abb. ll6c) oder auf die Primärseite (nach Abb. ll6b) vornimmt,
ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Im vor-
liegenden Falle macht es etwas weniger Rechen-
arbeit, wenn man alle Größen auf die Sekundär-
seite be?.ieht.
Da es möglich ist, einen Transformator
durch eine Induktivität und durch einen ohm-
sehen Widerstand zu ersetzen, kann man auch
den im Transformator auftretenden Spannungs-
abfall LI U berechnen. Zeichnet man das Trans-
formatordiagramm als Prozentdiagramm auf,
so erhält man nach Abb. 117 für den Span-
nungsabfall LI U in Prozenten.
Abb. 117. Diagramm zur Er·
LI U% = U x% (costp costpx+ sintp sintpx). (101) mlttlung des Spannungsabfalls
im Transformator.
Man erkennt aus dieser Gleichung, daß der im
Transformator auftr.etende Spannungsabfall um so größer ist, je höher
die Kurzschlußspannung ist. Soll der Spannungsabfall kleine Werte
haben, was z. B. bei Verteilungstransformatoren, welche auf Nieder-
spannungsnetze arbeiten, erwünsC'ht ist, so muß U x% klein gehalten
werden (etwa 4 bis 6%). ~
Bei größeren Transforma-
toren, bei denen man
die Spannungsabfälle im
Transformator durch be-
sondere Einriebtungen
ausregeln kann (s. S.148),
Wa''blt man di'e Kurz- Abb.118. Schematische Transformator-
darstellung bei Berücksichtigung
Abb.llO. Diagramm
für Leerlaufstrom.
schlußspannung größer, des Leerlaufstromes.
etwa bis 10%, da dann bei KurzsC'hlüssen im Netz die auftretenden Kurz-
schlußströme und ihre Auswirkung kleiner bleiben.
Bei den bisherigen Betrachtungen wurde der Magnetisierungsstrom im Trans-
formator vernachlässigt. Bei den meisten Rechnungen, die für volle Strom-
belastung durchgeführt werden, spielt er tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle.
Es soll jedoch, um auch schwachbelastete Leitungen berechnen zu können,
gezeigt werden, wie er in die Rechnung eingesetzt werden kann. Das Ersatzdia-
gramm für den Transformator muß dann, wenn es einpolig aufgezeichnetwird, die
in Abb. 118 aufgezeichnete Form haben. Den Magnetisierungsstrom I 0 kann man
142 Die Transformatoren

sich (s. Abb. 119) (von den höheren Harmonischen sei abgesehen) in einen Wirk-
strom Iw, der durch die Hysteresis- und Wirbelstromverluste bedingt ist, und in
einen reinen Magnetisierungsstrom Ip, welcher der Spannung um 90° nacheilt,
zerlegt denken. Der Strom Iw fließt im Ersatzbild für den Transformator durch
einen parallel geschalteten Widerstand Rp, I,. durch eine Induktivität Xp, und von
hier über einen widerstandslos gedachten Nulleiter zurück.
Durch den Leerlaufversuch erhält man den Magnetisierungsstrom I 0 und die
LeerlaufverlusteN0 des Transformators. Meist wird I 0 in Prozenten des Normal-
stromE:'s, also als I 0 %, und N 0 in Prozenten der Nennleistung als N 0 % angegeben.
Den Winkel rp0 , den I 01 gegen die Spannung U A01 bildet (s. Abb. 119), kann man
berechnen zu:
1U1 V3
cos rp = I- ut = -Iu,
---
u1va (~:)
0
I01 I1
oder
cos rp0 = -N.%
0 -
Io%
• (102)
(Diese Gleichung gilt auch für Einphasentransformatoren.) Im Falle des Dreh-
stromesgilt für Rp und Xp
R U1 U1
(103)
'P = V3Iw 1 = V3I01 cos rp0
(104)
oder meist annähernd
(105)

Zur Berechnung der Ersatzgrößen eines Transformators wird N K%


und N 0 % gebraucht. N K% liegt bei kleineren Transformatoren etwa
bei 2% und erreicht bei Großtransformatoren Werte bis herab zu etwa
0,5%. N 0% ist kleiner, die entsprechenden Werte sind etwa 1,0-0,1%.
Wegen dieset geringen Verluste kann man bei Großtransformatoren auf
Wirkungsgrade kommen, die 99% übersteigen.

b) Dreiwicklungstransformator
Oft liegt das Bedürfnis vor, die Energie in Kraftwerken oder Um-
spannstationen mit mehreren Spannungen zu verteilen. Man kann in
einem derartigen Fall aus Ersparnisgründen einen Transformator mit
mehr als 2 Wicklungen verwenden. Hat die im Kraftwerk erzeugte
Spannung 10 kV und soll die Energie etwa mit 60 und 100 kV verteilt
werden, so bringt man au{ dem Eisenkern Wicklungen für 10, 60 und
100 kV an. Abb.120 zeigt schematisch einen solchen Dreiwicklungtl-
transformator einpolig gezeichnet.
Es ist naheliegend, für einen Dreiwicklungstransformator ein Ersatz-
bild nach Abb.121 zu zeichnen, welches aus den Impedanzen ~to ~ 2 und ~ 3
besteht. Bei einem Dreiwicklungstransformator kann man drei Kurz-
schlußversuche durchführen. Man schließt z. B. (s. Abb. 122) die Trans-
Dreiwicklungstransformator 143
formatorwicklung 2 kurz und führt der WiekJung 1 eine Spannung zu,
während die Wicklung 3 offen ist. Man kann dann auf Grund des Ver-
suches eine Kurzschlußimpedanz ~ 12 in bekannter Weise ermitteln. Führt
man dagegen der Wicklung 2 Spannung zu und schließt die Wicklung 3
kurz, dann ergibt sich eine Kurzschlußimpedanz ~ 23 • In ähnlicher Weise

i.
Abb. 120. Schematische
4~
Abb. 121. Ersatzbild des Abb. 122. Dreiwicklungs-
Darstellung des Drelwick- · Drelwlcklungstrans- transformator mit kurz-
lungstransformatore. formators. geschlossener Wicklung 2.

kann auch eine Kurzschlußimpedanz ~31 bestimmt werden. (Alle Impe-


danzen werden auf eine Seite bzw. eine Verteilungsspannung bezogen!)
Nach dem Ersatzdiagramm (Abb. 121) muß gelten:
3u= b1 + bsl 3x 11"1 3

~23 = ~2 + ~3 ~ xl: X

~31 = ~3+ 31 J
(106)
~ . X

Aus diesen drei Gleichungen ergeben sich 31,32 und 3a·


X il
~ .
e
X
Eisen

Es ist:
1
oi-
- ~12 + ~31- ~23
2
X~

)C
~
1; •
.
e
X

1 _ ~u+ 3u-331 (107)


o2- 2
1 _ 3u+ 3u-3u
o3- 2

Damit sind die Impedanzen für das Ersatzbild des Abb. 129. Dreiwicklungs-
Dreiwicklungstransformators berechnet. transformator (strom-
liefemde Wicklung
Bei einem Dreiwicklungstransformator ist anzu- befindet sich In der
Mitte).
streben, falls 1 die stromliefernde und 2 und 3 die
stromverteilenden Wicklungen sind, daß schwankende Strombelastungen
in der Wicklung 3 möglichst keine Spannungsschwankungen in der
Wicklung 2 bedingen. Dies wird erreicht, wenn die stromliefernde
Wicklung zwischen den beiden stromabgebenden Wicklungen eingebaut
ist. Abb. 123 zeigt die drei Wicklungen im Schnitt.
Es seien nur die Wicklungen 1 und 2 in Betrieb und die Ströme in
der Wicklung 2 sollen in die Papierebene hinein (dünne Kreuze) und in
der Wicklung 1 aus der Papierebene heraus (dünne Punkte). gerichtet
sein. Das Streufeld zwischen der Wicklung 1 und 2, welches, falls der
ohmsehe Widerstand der Wicklungen klein ist, den Spannungsabfall
zwischen 1 und 2 verursacht, ist durch die Kurve abcd gegeben.
144 Die Transformatoren

Ist jetzt die Wicklung 2 unbelastet, dagegen die Wicklungen 1 und 3


belastet (dicke Punkte in der Wicklung 1 und dicke Kreuze in der Wiek·
lung 3), so wird der Streufluß zwischen der Wicklung 1 und 3 durch den
Linienzug a' b' c' d' gegeben sein.
Sind jetzt die Wicklungen 2 und 3 gemeinsam in Betrieb, dann bildet
sich das resultierende Streufeld d' c'b'bcd aus. Aus der Abb. 123 ersieht
man, daß sich das Streufeld zwischen den Wick-
1e lx lungen 1 und 2 und zwischen den Wicklungen 1
s;.,•

~ .
~. X
Iund 3 und damit auch der Spannungsabfall nur
wenig geändert, und zwar etwas verkleinert hat. Die
il•
~ . Anordnung der Wicklung ist sicher günstig. Wäre
: . , ... 1 dagegen die stromliefemde Wicklung 1 (s. Abb.-124)

.. .
~. außen angeordnet, dann würde sich, falls nur.. die
~· X
IWicklungen 1 und 2 stromdurchflossen sind, das
Streufeld abcd ergeben. Arbeitete dagegen nur die
Wicklung 1 und 3, dann würde das Streufeld ab' c' d'
gelten. Wären sämtliche Wicklungen gleichzeitig im
Betrieb, dann würde das resultierende Streufeld
Abb.t24. Drelwlcklungs· gleich aefgc' d' sein. Jetzt wäre der Streufluß zwi-
transformator (strom-
liefemde Wicklung schen der WIC • klung 1 und 2 ganz erbe blich ver-
befindet sich ausen>- größert worden, d. h. daß Stromschwankungen in der
Wicklung 3, Spannungsschwankungen in der Wicklung 2 bel'Vorriefen.
Die Anordnung der Abb.124 ist also möglichst zu vermeiden. Da:brei-
wicklungstransformatoren meist Transformatoren großer Leistung sind,
bei denen in erster Linie die induktiven Widerstände maßgebend sind,
kann man im Ersatzbild auf die ohmseben Widerstände im allgemeinen
verzichten. Man kann dann näherungsweise die Impedanzen gleich den
Reaktanzen setzen. Es gilt dann:

(108)

Abb.125a u. b. Dreiwicklungstransformator
für Rechenbelspiel.
a Leistungsverteilung, b Ersatzschema. Beispiel: Es sei ein Dreiwicklungstrans-
formator nach Abb. 125 gegeben, der bei
Nennleistung in der Wicklung 1 30000 kVA aufnimmt und diese durch die
Wicklung 2 mit 20000 kVA und durch die Wicklung 8 mit 10000 kV A verteilt.
Die Wicklung 1 hat 100 kV, die Wicklung 2 60 kV und die Wicklung 8 30 kV. Für
die Kurzschlußspannung gelten folgende Wel'te:

Ux 1 a = 10 % bei 20000 kVA,


UK 1 8 = 4,5% bei 10000 kVA,
UKu = 10,5% bei 10000 kVA.
Dreiwicklungstransformator 145
Beziehen wir unsere Ersatzbilder auf 100 kV, dann ergeben sich folgende
Normalströme: 20000
112 = = l15A
V3-IOo '
10000
1 13 =-V'---=
3·100
57,5A,

10000
I 23 = V3·100 = 57,5 A '
Mit diesen Strömen und den bekannten Kurzschlußspannungen können die auf
100 kV bezogene Kurzschlußreaktanzen [nach Gl. (96)] wie folgt berechnet
werden: 0,1. 100000
X 12 =,....,z12 = ------=50 Q,
V3 • 115
0,045 . 100000
X 13 =,....,z13 = V3. 57,5 = 45 [J,
0,105. 100000
Xz 3 =,....,z~ 3 = -V-- - = 105 Q.
3. 57,5
Unter Benutzung der Gl.(l08) bekommen wir für die Reaktanzen unseres Ersatz-
schaltbildes (Abb.125b):
x
1 = 50+45-105
=- 5 n.
2
x 2 = 105+50-45 = 55 n,
2
Xa = 45+ 105-50 = 50 Q.
2
Interessanterweise ergibt sich bei dieser Rechnung X 1 negativ, so daß es also
den Charakter einer Kapazität hat. Physikalisch ist dies darauf zurückzuführen,
daß, falls die Wicklungen 1 und 2 stromdurchflossen sind und dann die Wicklung 3
hinzukommt, der verkettete Fluß zwischen 1 und 2 etwas abnimmt und damit
auch der Spannungsabfall zwischen 1 und 2.

C. Kühlung der Transformatoren


Die im Transformator erzeugte Verlustwärme muß aus dem Olkessel,
in dem die Wicklung sitzt, abgeführt werden. Bei kleineren Leistungen
genügt die Wärmeabfuhr unmittelbar aus der Oberfläche des Transfor-
matorkessels, wobei man die Oberfläche durch Wellnng und ähnliche
Mittel vergrößern kann. Um die Wärmeabfuhr durch natürliche Lüftung
noch zu verbessern, versieht man die Ölkessel mit Kühlrohren oder auch
Radiatoren, welche seitlich am Transformator angeordnet sind und oben
und unten mit dem Kessel in Verbindung stehen (s. Abb. 126 u. 127).
In den Kühlrohren, die von der aufsteigenden Luft gekühlt werden,
wird dem Öl Wärme entzogen. Das abgekühlte Öl ist spezifisch schwerer
als das wärmere Öl im lnnern des Kastens. Dadurch bewegt sich das Öl
in den Kühlrohren von oben nach unten und es entsteht eine dauernde
Ölumwälzung, mit der eine gute Wärmeabgabe an die Umgebung ver-
Buchhoid/Happoidt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 10
146 Die Transformatoren

bunden ist. Man kann Transformatoren mit natürlicher Kühlung bis


etwa 30000 kV A bauen. Wenn selbstgekühlte Transformatoren im Innern
von Gebäuden, z. B. in Transformatorenkammern untergebracht sind,
muß Kühlluft an einer tiefgelegenen Stelle des Raumes ein-, an einer
hochgelegenen Stelle austreten können. Man braucht ungefähr pro kW-
Verlust sekundlich 1 / 20 m 3 Frischluft mit einer Eintritts-Temperatur von
höchstens 25° C, andernfalls entsprechend mehr. Wenn der natürliche
Luftzug nicht ausreicht, um die benötigte Luft zu fördern, müssen
besondere Ventilatoren eingebaut werden. Transformatoren mit natür-
licher Kühlung werden sehr viel in Freiluftanlagen angewandt.
Da ·tlie elektrischen Festig-
keitseigenschaften des Transfor-
matoröles (Durchschlagsfestig-
keit von aufbereitetem Öl
125 kVfcm und mehr) leiden,
wenn das Öl warm und groß-
flächig mit der Luft in Berüh-
rung kommt, versieht man die
Öltransformatoren mit einem
Ölkonservator. Dies ist ein Ge-
fäß, welches über dem Trans-
formator angeordnet und durch
eine Rohrleitung mit diesem
verbunden ist (Abb. 126). Man
Abb. 126. Transformator mit Kühlrohren. erreicht hierdurch, daß das im
Transformator befindliche Öl
kaum mit der Luft in Berührung kommen kann, andererseits bei Erwär-
mung sich auszudehnen vermag. Das im Ölkonservator befindliche Öl,
das nur kleinflächig mit der Luft in Berührung kommt, schützt gewisser-
maßen das im Transformator befindliche Öl.
Man kann die Kühlung eines Transformators verbessern, indem man
außen am Kessel unterhalb der Radiatoren Ventilatoren anordnet
(Abb. 127), welche zusätzlich Luft auf die Kühlrohre bzw. Kühlrippen
blasen. In der kalten Jahreszeit bzw. bei schwacher Belastung stehen
diese Ventilatoren still, während sie in der warmen Jahreszeit und bei
größerer Belastung laufen müssen. Mit dieser Ausführung lassen sich
Transformatoren bis etwa 100000 kVA bauen. Bei größeren Leistungen
muß man die Verlustwärme in einem besonderen Kühler abführen, der
häufig getrennt vom Transformator aufgestellt und mit diesem durch
Rohrleitungen verbunden ist. Beim Waudertransformator ist die Kühl-
einrichtung mit dem Transformator zusammen in der Weise vereinigt,
daß entweder an den beiden Schmalseiten oder auf dem Deckel des
Transformators (Abb. 128) besonders ausgeführte Hochleistungskühler
Kühlung der Transformatoren 147
angebracht sind, wobei die Wärmeabfuhr durch Beblasung mit Lüftern
geschieht. Man braucht jedoch eine Ölpumpe, welche das warme Öl am
oberen Teil des Kessels absaugt, durch den Kühler preßt und es an einer
tiefer gelegenen Stelle wieder hineindrückt. Damit eine wirksame Wärme-
abfuhr aus dem Öl stattfindet, muß der Kühler mit einem Kühlmittel

Abb. 127. Wandertransformator 30 MVA, 110 ± 16%/2 X 5,25 kV mit Stufenscbaltwerk,


Kühlungsart S/F (AEG).

bespült werden. Das einfachste Mittel ist Frischluft, die man mittels
Ventilatoren durch den Kühler bläst (Abb.l28). Diese Ausführung findet
man in Freiluftanlagen. Bei Platzmangel, besonders in Gebäuden, kann
der Kühler wesentlich verkleinert werden, wenn dem Öl durch Kühl-

Abb. 128. Wandertransformator 100/100/30 MVA 220/110/10 kV (BBC).

wasser, welches durch den Kühler gepumpt wird, die Wärme entzogen
wird. Eine andere, früher oft gebräuchliche, jedoch mehr Platz benö-
tigende Anordnung, verwendet als Ölkühler Schlangenrohre, die in einem
mit Wasser gefüllten Becken angeordnet sind. Dem Becken muß dauernd
soviel Wasser zu- bzw. abgeführt werden, als Kühlwasser zur Abführung
der Verlustwärme nötig ist.
10*
148 Die Transformatoren

D. Regelung der Transformatoren


In den Hochspannungsnetzen treten oft Spannungsabfälle von über
10% auf, die an geeigneter Stelle wieder ausgeregelt werden müssen.
Hierzu hat man früher bei kleineren Leistungen Induktionsregler ange·
dU;.., fh.+Lll/,J.. wandt. Diese sind jedoch teuer, haben großen
Magnetisierungsstrom, sind nicht kurzschluß-
fest und lassen sich für höhere Spannungen
nicht bauen. Sie wurden daher durch regel-
bare Zusatztransformatoren verdrängt. Das
Prinzip dieser Transformatoren zeigt die
Abb. 129. Regeltransformator Abb.129. Man verwendet einen Transforma-
in Sparschaitung. tor in Sparschaltung, dessen primäre Phasen-
spannung UA sei. Die Windungszahl für die Sekundärspannung ist nach
oben und unten innerhalb gewisser Grenzen regelbar. Gemäß der Abb.129
ist die geregelte, abgehende Phasenspannung
+ U;.. L1 UA- Die primäre Eingangsspannung ist
also um den Betrag L1 UA. vergrößert worden.
Soweit angängig vermeidet man meist diese
Zusatztransformatoren, indem man die Leistungs-
Abb. 130. Transformator transformatoren selbst als Regeltransformatoren
mit Regelwlcklung.
ausbildet (Abb. 130), d. h. man schafft die Mög-
lichkeit, eine Wicklung in ihrer Windungszahl ·durch Windungsan-
zapfungen z. B. um ±16%, unter Umständen auch ±22% in Stufen ver-
ändern zu können. Letztere Anordnung ist billig
und die durch die Regelung bedingten zusätzlichen
Verluste sind klein. Man kann selbstverständlich
nicht, wie nach der schematischen Darstellung ver-.
mutet werden könnte, bei größeren Leistungen die
Wicklung feinstufig abtasten, sondern man kann
nur eine Reihe von Anzapfungen vorsehen, die nach-
einander eingeschaltet werden. Die Umschaltung
von einer zur nächsten Stufe muß ohne Leistungs-
unterbrechung erfolgen. Auch darf kein Teil einer
Transformatorenwicklung widerstandslos kurz ge-
schlossen werden, da sonst große Kurzschlußströme
entstehen könnten. Abb.131 zeigt, wie eine solche
Umschaltung möglich ist. Es bedeutet a die zu
regelnde Wicklung mit den Anzapfungen b, welche
Abb. 131. Schema eines
Stufenschalters. mittels zweier Wählerkontakte c1 und c2 mit den
zwei Stromschienen g1 und g2 verbunden werden
können. In der gezeichneten Lage fließt der Strom über den Kontakt c1
und den Lastschalterd zum Verbraucher. Soll auf eine höhere Stufe
Regelung der Transformatoren 149
geschaltet werden, so wird der Lastschalterd nach reehts in die punktierte
Stellung bewegt. Dadurch wird in den Stromkreis zunächst der Wider-
stand r1 und dann auch der Widerstand r2 geschaltet. In diesem Augen-
blick ist die Transformatorenwicklung, welche zwischen den Wählerkon-
takten c1 und c2 liegt, über die Widerstände r1 und r2 kurzgeschlossen. Der
Kurzschlußstrom läßt sich jedoch durch Wahl der Widerstände r1 und r 2 in
gewünschten Grenzen halten. Bei weiterer Bewegung des Lastschalters d
wird der von c1 kommende, über r 1 fließende Stromteil abgeschaltet und
dann der Widerstand r2 kurzgeschlossen, so daß die Stromlieferung jetzt

Abb. 132. Regeltransformator 40000 kV A, 110 kV Überspannung.

von dem Wählerkontakt c2 erfolgt. Soll auf eine noch höhere Stufe geschal-
tet werden, so wird der Kontakt c1 , der jetzt stromlos ist, eine Stufe weiter
geschaltet und dann der Lastschalterd wieder nach links bewegt. Der Vor-
teil dieser Schaltart (Dr. JANSEN) besteht darin, daß das Umschalten ver-
mittels eines Kraftspeichers rasch (etwa 2-3 Per.) erfolgen kann und
dadurch die vorübergehende Spannungsabsenkung, die eintritt, wenn die
Widerstände r 1 oder r2 vorgeschaltet sind, sich kaum bemerkbar macht.
Ferner können bei raschem Umschalten die Widerstände r 1 und r2 klein
gehalten werden, weil dann in ihnen die Verlustwärme klein ist. Da die
Wählerkontakte c1 und c2 sich von den Anzapfungskontakten b funken-
frei abheben, können sie direkt im Transformatorölliegen, während der
Lastschalter d, da er Leistung abzuschalten hat, in einem gesonderten
Ölraum innerhalb oder außerhalb des Transformatorkastens angeordnet
sein muß. Konstruktiv hat der Lastschalter bei größeren Leistungen im
Gegensatz zu Abb. 131 Druckkontakte.
150 Die Tra.nsforma.toren

Die Innenansicht eines modernen Regeltrafos von 40000 kVA Lei-


stung mit HO kV Oberspannung zeigt Abb. 132. Die Reglerteile sind
mit den gleichen Buchstaben wie bei Abb. 131 bezeichnet.
Regelt man auf der Eingangsseite der Wicklung gemäß Abb. 130, so
braucht man für die drei Phasen drei Satz Wähler- und Lastschalter, die
mit voller Spannung gegeneinander isoliert sein müssen. Die Last-
schalter sind wegen der entstehenden Schaltfunken vielfach außerhalb
des Transformators auf der Armatur der drei Ausführungsisolatoren be-
festigt (gleiches gilt für die Widerstände). Die zu dem Lastschalter
führenden Leitungen einer Phase, die gegeneinander nur kleine Span-
nungen führen, gehen durch denselben Isolator und können auf der Arma-
tur leicht gegeneinander isoliert werden.
Günstigere Verhältnisse liegen vor, wenn man die Regelung im Null-
punkt des Transformators vornimmt (Abb. 133), was bei der Stern-
schaltung möglich ist. Hier haben die Wähler- und auch die Lastschalter

3E
der drei Phasen gegeneinander nur geringe Span-
nungen, so daß man sie, gegeneinander leicht
isoliert, auf einem einzigen Isolator unterbringen
kann, der im Erdschlußfall die Phasenspannung
aushalten muß.
Abb. 133. Transformator mit
Regelung am Nullpunkt. Bei anderen Ausführungen (s. Abb.132) sind
Lastschalterwiderstände in einem besonderen
Isotierzylinder mit getrennter Ölfüllung koaxial über den Wählern unter
Deckel des Transformators eingebaut. Für die Leitungsausführungen
genügen bei Verwendung dieser Schalter normale Transformatorendurch-
führungen.
Der Antrieb der Wähler und Lastschalter erfolgt durch einen Motor-
antrieb mit dazwischengeschalteter Übertragungskinematik. Es ist dafür
zu sorgen, daß der Schaltmechanismus z. B. durch einen Kraftspeicher,
wie vorerwähnt, nicht in einer Zwischenstellung stehenbleibt.

E. Parallelschaltung und Erwärmung


von Transformatoren
In den Schaltanlagen der Kraftwerke und Umspannstationen findet
man vielfach parallel geschaltete Transformatoren. Diese Anordnung
hat den Vorteil, daß bei kleiner Last ein Teil der Transformatoren abge-
schaltet und bei Ausfall einer Einheit der Betrieb von den verbleibenden
Transformatoren weitergeführt werden kann. Auch ist bei der Unter-
teilung der Transformatorleistung in mehrere Einheiten eine Reserve-
haltung billiger. Im folgenden seien die Bedingungen untersucht, unter
denen ein einwandfreier Parallellauf mehrerer Transformatoren maglieb
Parallelschaltung und Erwärmung von Transformatoren 151
ist. Zunächst müssen bei gleicher Primärspannung die Transformatoren
gleiche Sekundärspannung aufweisen, d. h. also, daß die Übersetzungs-
verhältnisse parallel geschalteter Transformatoren gleich sein müssen.
Diese Bedingung allein genügt jedoch noch nicht. Haben wir z.B. zwei
Transformatoren (s. Abb. 134), die Stern-Stern bzw. Dreieck-Stern ge-
schaltet sind, dann sind bei gleichen Primärspannungen, wie aus den
Diagrammen (Abb.134a u. b) hervorgeht, die Spannungen auf der Sekun-
därseite der Größe nach,
jedoch nicht der Phasen-
lagenach, gleich. Die bei-
u
ww
UVWuvw u

den sekundären Sterne


sind gegeneinander um a
30° verdreht, so daß also
eine Parallelschaltung w V w V

unmöglich ist. Man muß u


u UVWuvw
daher auchdie Schaltung
der miteinander parallel [UhlW
zu schaltenden Trans-
formatoren untersuchen. b
In den VDE-Vorschrif-
ten sind in einer Zusam-
menstellung (Abb. 135) w
Abb. 134 a u. b. Parallelarbeit der Transformatoren.
Transformatoren ver- a Stern-Sternschaltung, b Dreieck-Sternschaltung.
schiedener Schaltung in
Gruppen eingeteilt, die, _ _s~am_m~el~sc~h~ie~n~en_ _ \ RST [ rst
gleiche Übersetzungs- Ober- I Unter-
Anseblaß der spannung spannung
verhältnisse vorausge-
setzt, parallel geschaltet uvw uvw
werden dürfen. Trans- uwv wvu
formatoren verschiede-
wvu vuw
vuw uwv
ner Gruppen dürfen
nicht miteinander parallel geschaltet werden. Sehr viel zur Anwendung
kommt die Gruppe C. Es sei erwähnt, daß Transformatoren der Schalt-
gruppe C und D parallel geschaltet werden können, wenn die Verbindung
ihrer Klemmen nach obigem Schema erfolgt.
Auf S.138 wurde gezeigt, daß in einem Ersatzschema ein Transfor-
mator durch eine Induktivität und einen Widerstand ersetzt werden
kann. Sehen wir zunächst der Einfachheit halber vom ohmscheu Wider-
stand ab, dann gilt für zwei parallel geschaltete Transformatoren
(Abb. 136a) das Ersatzbild der Abb. 136b. Die beiden Transformatoren
werden sich an der Lastverteilung im umgekehrten Verhältnis ihrer
Reaktanzen beteiligen. Hat der eine Transformator eine sehr große,
der andere eine kleine Reaktanz, so wird durch ersteren praktisch kein
J 2 J 4 5 6
tiber- 8/s-
8ezeichnvng Zetgerbiltl Scholtvngsbiltl*
setzung' !ler1!;e
/(enn- Sc!Jolt- 8eze1ch-
grvppe OS 1/S OS 1/S {/Ll :I/tz nung
zohl
/Jrehstrom -/,eistungstrons!Ormotoren
j/ {/ Jl II- w Zl TIJ

[Md [Md
Zl
rv,

ww
OdO A 1
u6w u6m n12

EJ
Jl V
m,
0 uAw uAm rvz A2

V // y w ll v m
[Md ~
j/
21Zl1
OzO /1-;z_TV A3
ußw 37Vz

[Md m
.----- // {/y w
TV-<IL w,
/Jy5 Cl
u6w ffwz

w WJJ
V
y // II W
IL V T1J

w<J
l{,

5 Yd 5 {j)__ft/ }'3'rv1
7Vz
cz

w m
y V
// Jl w Ii- V 1Zl

y z. 5 (JAw lll~ V
271J7
W7Vz
CJ

m
Ii- V 1V
'--
Jl {/ J w
Odo
1/L.::,W
~\7/L
[IM .!!2
lllz
8 1

w m
V
y {/ V W
IL V TIJ

6 Yyo {j)__ft/ rvyiL !!±. 82

[Md m
71J2
V IL V TIJ
V
{/ V W
!V~ll- 27V1
Ozo 83
1/L.::,W 371J2

[Md w
V 1L V 1V

{/ V W ll V TIJ
V V
TV1
/) y "
ußw )--m Y.1'7Vz
/) 1

w ~
u
y V // Jl w IL U 1V
y d !J {/Aw
wm, 02

w
11 [>rv
TVz

w
ll
II V {/ II W
2TIJ,
y l !J
uAw Y'rv lß'mz 03
IL
Einpilosen - Leislungslronsformoloren
{/ IL {/

I I
Ii-

0 1 i 0
I
V
I
V
m,
1Vz
E
V V

• Als Bezugsseite für die Schaltungsbilder gilt die Oberspannungsseite. Bei den Wicklungen
ist gleicher Wickelsinn vorausgesetzt.
•• w, und w. sind Strang-Windungszahlen und U L 1 und U L• sind Leiterspannungen.
Abb. 135. Parallelschaltmöglichkeiten der verschiedenen Schaltgruppen. (Nach VDE 0532/7.55.)
Parallelschaltung und Erwärmung von Transformatoren 153
Strom, durch den zweiten Transformator dagegen der gesamte Strom
fließen, d. h. also, daß dieser Transformator überlastet wird. Anzustreben
ist eine Stromverteilung entsprechend der Nennleistung der Transforma-
toren. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die beiden Reaktanzen
umgekehrt proportional der zugehörigen Transformatorleistung sind oder,
was gleichbedeutend ist, daß die Kurzschlußspannungen, in Prozenten aus-
gedrückt, gleich sind. Dabei ist, ohne

llll
daß die richtige Stromverteilung nen-
nenswert gestört wird, eine Abwei-
chung der Kurzschlußspannungen von
100/o zulässig. a b
Streng genommen ist das Ersatz- Abb. 136 a u. b. Parallelschaltung
der Transformatoren.
bild unserer Transformatoren unter a schematische Darstellung, b Ersatzschaltung.
Berücksichtigung derohmsebenWider-
stände das der Abb.137. Unsere Forderung müßte also heißen, daß die
Impedanzen sich in ihrer Größe umgekehrt verhalten wie die zugehörigen
Leistungen. Dies ist ebenfalls gleichbedeutend mit einer Übereinstim-
mung der Kurzschlußspannungen. Außerdem sollte der Impedanzwinkel
bei beiden Transformatoren gleich sein. Hat man jedoch Transforma-
toren, die in ihrer Leistung nicht gar zu sehr abweichen, dann sind auch
die Impedanzwinkel nicht allzu verschieden und es
genügt im allgemeinen die Forderung, daß die Kurz-
schlußspannungen gleich sind. Man soll jedoch mög-
lichst anstreben, daß die Leistungen parallel zu schal-
tender Transformatoren nicht mehr als 3:1 abweichen, Abb. 137. Ersatzschal-
tung zweler parallel
da sonst kleine Unterschiede in der Kurzschlußspan- arbeitender Transfor-
matoren unter Berück-
nung den schwächeren Transformator schon beacht- sichtigung der ohmschen
Widerstände.
lich überlasten können.
Was die Größe der auszuwählenden Transformatoren anbetrifft, so
liegen die Verhältnisse bei Kraftwerkstransformatoren einfach. Ist hier
z. B. ein Generator und ein Transformator zu einer Einheit zusammen-
gekuppelt, so muß die Nennleistung des nach den VDE-Vorschriften
bemessenen Transformators mindestens gleich der des zugehörigen Gene-
rators sein. Es ist zu beachten, daß die Nennleistung eines nach den
VDE-Vorschriften ausgelegten Transformators gleich seiner Leistungs-
aufnahme ist.
Schwieriger liegen die Verhältnisse bei Netztransformatoren. Ist der
Belastungsverlauf gegeben, so kann nach den Methoden in Kap. XXI
ermittelt werden, ob eine zunächst geschätzte Transformatorleistung
in bezug auf Erwärmung ausreichend ist. Man sollte jedoch auf keinen
Fall die Transformatoren zu knapp wählen, da oft im Laufe der Zeit
die Netzbelastung größer wird, ohne daß zunächst ein neuer Transfor
154 Die Transformatoren

mator aufgestellt werden kann. Die Auswahl der richtigen Transforma-


torleistung ist hier sehr stark eine Sache des richtigen Gefühls.
Ein Transformator arbeitet bei Nennleistung mit günstigem Wir-
kt~ngsgrad, wenn der Transformator so ausgelegt ist, daß die Kupfer-
verluste und Eisenverluste gleich sind. Transformatoren in Stadtnetzen,
mit vorwiegender Lichtlast laufen jedoch längere Zeit am Tage praktisch
leer und werden nur kurzzeitig voll belastet. Mit Rücksicht auf den
Gesamtjahreswirkunsgrad ist es günstig, wenn diese (Licht-)Transfor-
matoren so ausgeführt werden, daß die Eisenverluste klein bleiben. Dies
bedingt aber, da die Transformatoren nicht verteuert werden dürfen,
ein Anwachsen der Kupferverluste, was jedoch auf den Jahreswirkungs-
grad wenig ausmacht, da die Transformatoren, wie vorausgesetzt, nur
kurzzeitig mit Vollast arbeiten.

F. Quertransformatoren
Bei den normalen Regel- bzw. Zusatztransformatoren wird die Phasen-
bzw. verkettete Spannung vergrößert oder verkleinert. Die Phasenlage
sowohl der Phasen-, als auch der verketteten Spannung ändert sich bei
der Regelung nicht. Es handelt sich also nur um eine Vergrößerung
bzw. Verkleinerung des Spannungssterns.

Abb. 138. Quertransformator mit Querkomponente senkrecht zur Phasenspannung.

In Ringnetzen (s. S. 499), welche von Kraftwerken gespeist werden


und die Strom an Verbraucher liefern, tritt gelegentlich der Fall ein, daß
die Stromverteilung innerhalb des Leitungsringes, die sich entsprechend
den vorhandenen ohmscheu und induktiven Widerständen einstellt, nicht
den Forderungen des Betriebes entspricht. Um die Stromverteilung zu
beeinflussen, muß in den Ring eine elektromotorlache Kraft eingeschaltet
werden, die einen im Ring fließenden Zusatzstrom erzeugt, der sich den
ursprünglichen Strömen überlagert und die gewünschte Stromverteilung
herstellt.
Nehmen wir an, die durch den Ring den Abnehmern zufließenden
Ströme seien vorwiegend Wirkströme, dann muß, wenn der Zusatzstrom
die gleiche Phasenlage haben soll, die Zusatzspannung annähernd 90°
Quertransforma.toren 155
voreilen, sofern der induktive Widerstand gegenüber dem ohmseben
Widerstand der Leitung vorherrscht. Es fragt sich, in welcher Weise
eine der Phasenspannung um annähernd 90° voreilende Zusatzspannung
erzeugt werden kann. Abb. 138 zeigt im Prinzip die Schaltung. Die
Primärwicklung des Zusatztransformators ist im Dreieck geschaltet.
Die Spannung U23 besitzt gegenüber der Phasenspannung U]..1 eine Nach-
eilung von 90°. Bringt man auf dem Schenkel2 des Transformators eine
Sekundärwicklung auf und schließt diese so an, daß die in ihr induzierte
EMK umgekehrt gerichtet ist wie die Spannung U23, so hat diese neue
Spannung eine Phasenvoreilung von 90° gegenüber der Spannung U;..1 •
Entsprechende Überlegungen gelten für die anderen Phasen. (Die in der
Abbildung eingetragenen Pfeile geben die positive Richtung der EMK
an.) Abb. 138 zeigt, wie die Schaltung für die drei Phasen durchgeführt
werden muß. Man wird an der Sekundärwicklung Anzapfungen vor-
sehen, damit man je nach den betrieblichen Anforderungen die Zusatz-

2
0..1
J

Abb. 139. Quertransformator mit Querkomponente oo• zur Phasenspannung.


spannungregeln kann. Durch eine nicht eingezeichnete Wicklungsum-
schaltung kann der Zusatzspannung auch entgegengesetzte Phasenlage
gegeben werden. Ein solcher Transformator heißt Quertransformator im
Gegensatz zu den normalen Regeltransformatoren, die oft Längstransfor-
matoren genannt werden.
In der Mehrzahl der Fälle wird es mit Rücksicht auf die ohmseben
Leitungswiderstände nicht notwendig sein, daß die Zusatzspannung
um 90° der Phasenspannung vorgeschwenkt wird, sondern es genügt eine
Voreilung von etwa 60°. In einem solchen Falle wird man die Primär-
wicklung im Stern schalten und muß die Zusatzwicklung für die Phase 1
auf dem Schenkel 2 im umgekehrten Schaltsinne anordnen, um die
gewünschte Phasenvoreilung zu erhalten (s. Abb. 139).
Während normale Regeltransformatoren einen Regelbereich von
±16%, unter Umständen ±22% haben, zeigt es sich, daß in größeren
Ringnetzen eine wirksame Beeinflussung der Stromverteilung oft nur
erzielt werden kann durch eine Querkomponente zur Phasenspannung,
die wesentlich größer ist als die entsprechenden Werte bei Längstrans-
formatoren.
156 Generatorschutz

V. Generatorschutz
A. Allgemeines
Die Generatoren in den Kraftwerken stellen große Werte dar und
müssen deshalb so geschützt werden, daß beim Auftreten irgendwelcher
Fehler Schutzapparate ansprechen, welche die sofortige Abschaltung
des Generators veranlassen. Erfolgt dies frühzeitig genug, dann wird in
der Mehrzahl der Fälle die Zerstörung klein bleiben, so daß mit mäßigen
Kosten gerechnet und in kürzester Zeit der Generator wieder in Betrieb
genommen werden kann.
Nach ihrem Zwecke unterscheidet man Schutzeinrichtungen mit
vorbeugenden Maßnahmen, die eine drohende Gefährdung der Genera-
toren vorsorglich signalisieren und andere Schutzeinrichtungen, die bei
entstandenem Fehler früh-
zeitig eingreifen, indem sie
den GeneratorvomNetz ab·
schalten und ihn erforder·
lichenfalls rasch entregen,
um die Zerstörung an der
defekten Stelle möglichst
klein zu halten.
Die Generatoren können
durch folgende Isolations-
fehler gefährdet werden:
a) in der Statorwick-
a b c d lung:
Abb. 140a-d. Fehlermöglichkelten in der Statorwicklung
von Drehstrom-Generatoren. I. Wicklungsschluß, d.h.
a Wicklungsschluß, b Wlndungsschluß, c Erdschluß,
d Doppel-Erdschluß.
Schluß zwischen 2 verschie·
denen Phasen (Abb. 140a).
2. Windungsschluß, d. h. Schluß zwischen Windungen, die derselben
Phase angehören (Abb. 140 b).
3. Erdschluß, d. h. Schluß einer Wicklung mit dem Stator-Eisen
(Abb. 140c).
4. Doppel-Erdschluß. Dieser gefährliche Störungsfallliegt vor, wenn
zu einem Erdschluß im Generator gleichzeitig noch ein Erdschluß einer
anderen Phase hinzukommt (Abb. 140d). Hierbei fließen kurzschluß-
artige Erdschlußströme über die Erdschlußstelle im Generator, wodurch
das aktive Eisen besonders in Mitleidenschaft gezogen wird.
Die Stator-Isolation kann auch durch· Kurzschlußströme in der Ver·
teilungsanlage oder länger andauernde Überströme gefä.hrdet werden.
Auslöser und Relais 157
b) in der Rotorwicklung:
5. einpoliger Erdschluß. Ein Schluß zwischen Wicklung und Eisen
beeinträchtigt die Betriebsfähigkeit eines Generators nicht, weshalb
dieser Fehler im allgemeinen nur signalisiert wird.
6. Windungsschluß. Metallische Berührung zwischen 2 benachbarten
Windungen der Rotorwicklung ist selten, weshalb man auf eine Schutz-
einrichtung zu seiner Erfassung in der Regel verzichtet. Nur bei Ljung-
ström-Generatoren wird ein Rotor-Windungsschluß-Schutz gelegentlich
eingebaut, weil er mit einfachen Mitteln erreicht werden kann.
7. Unzulässige Erwärmung infolge der Rückwirkung unsymme-
trischer Ströme im Stator auf den Rotor.
Es ist nicht möglich, die verschiedenen Fehlermöglichkeiten durch
eine einzige Schutzeinrichtung mit ausreichender Empfindlichkeit zu
erfassen, da die Merkmale der Störungen zu verschieden sind. Es wurden
daher Schutzeinrichtungen gegen die oben erwähnten Störungen ent-
wickelt.
In Verbindung mit dem Generatorschutz wird gewöhnlich auch ein
Rückleistungs-Relais bei Dampfturbinen-Antrieb vorgesehen, das auf
Generator-Rückleistung anspricht, die bei dampfseitigen Störungen auf
der Antriebsseite entstehen und die Turbine gefährden kann, weil der
Generator als Motor wirkend die Turbine ohne Dampfdurchsatz auf
Drehzahl hält. Das Rückleistungsrelais schaltet in diesem Störungsfall
den Generator vom speisenden Netz ab, worauf der Turbosatz ausläuft.
Das Rückleistungsrelais stellt somit einen Schutz für die Turbine dar.
Die Schaltung wird oft in der Weise ergänzt, daß ein Durchgehen der
Turbine bei Betätigung des Schnellschlusses vermieden wird, solange
die Dampfzufuhr noch nicht vollständig aufgehört hat.

B. Auslöser und Relais


Spricht bei einem Generator der Überstromschutz oder ein Schutz
gegen innere Fehler an, so muß der Generator zunächst durch einen
Schalter vom Sammelschienensystem abgetrennt werden. Das Auslösen
des Schalters bewirken Auslöser bzw. Relais, die im folgenden für den
Fall eines Überstromschutzes behandelt werden sollen. Die Übertragung
der Überlegungen auf andere Schutzarten ergibt sich dann von selbst.
Abb. 141 zeigt einen Generator mit einem Schalter, der in seiner Ein-
schaltstellung verklinkt ist. Zwei Phasen des Generators sind über magne-
tische Auslöser A1 und A 2 geführt. Entsteht ein unzulässig hoher Strom,
so sprechen der eine oder auch beide Auslöser A1 und A 2 je nach UrsachE>
und Art des Überstromes an und lösen die Verklinkung des Schalters,
der nun durch Federkraft auslösen kann. Prinzipiell genügt im Dreh-
158 Generatorschutz

stromnetz die Verwendung von zwei Auslösern in zwei Phasen. Sehr


oft wird man jedoch aus Gründen der Sicherheit in allen drei Phasen
Auslöser vorsehen. Die in der Abb. 141 gezeigten Auslöser sind sog.
Primärauslöser, da sie vom primären, d. h. vom
Hauptstrom durchflossen sind. Diese Primär-
auslöser wird man nur bei kleineren Leistungen
A, und nLcht allzu hohen Spannungen anwenden.
Liegen ·.höhere Betriebsspannungen vol' oder
Az besteht die Gefahr großer Kurzschlußströme,
so daß · an den Auslösern Schäden auftreten
ßenerulor können, sei es, daß sie infolge zu großer Er-
wärmung verbrennen oder .daß sie durch die
Abb. Ul. Generator mit
PrimJirauslO!!er. beim Kurzschluß auftretenden Kräfte zerstört
werden, dann ist es richtiger, mit Sekundär-
auslösern zu arbeiten. Man sieht, wie Abb. 142 einpolig zeigt, einen
Wandler W vor, der auf den Sekundärauslöser A arbeitet. Am Auslöser
selbst sind jetzt keine hohen Spannungen und man kann es bei größeren
Kurzschlußströmen durch Sättigung des Wandlers er-
reichen, daß die im Auslöser fließenden Ströme thermisch
und dynamisch beherrschbar sind. Heute werden in der
Regel die Sekundärauslöser so bemessen, daß sie den
Kurzschlußbeanspruchungen gewachsen sind. DerWand-
w ler muß verhältnismäßig kräftig ausgebildet sein, da er
den Strom liefern muß, um die Auslöseklinke zu be-
Bekt!~t:!Öeer. tätigen. Günstiger wird die Anordnung noch, wenn man
außer einem Stromwandler W (s. Abb.143) ein Auslöser-
relais R verwendet, welches einen Konta~t betätigt, durch den von
einer Betätigungsbatterie aus Strom zu dem Auslöser A fließt. Man hat
dann dEm Vorteil, daß das Relais R, welches nur den Kontakt zu
schließen hat, also nur kleine Kräfte auszuüben
braucht, klein und empfindlich ausgebP,det werden
kann; auch kann der Wandler für eine kleinere
Leistung bemessen sein. Die für den Auslöser not-
wendigen Energien werden in beliebiger Größe von
der Gleichstromquelle geliefert. Diese Anordnung von
Sekundär-Relais kommt heute in wichtigen Anlagen
meistens vor.
Beim Ansprechen des Sekundär-Relais schließt
Ab!:;1~'!~=:!,~:~Ier sein Arbeitskontakt, wodurch die Auslösespule· des
Schalters von der Gleichstromquelle erregt, und
somit der Auslöse-Befehl für den Schalter erteilt wird (Abb. 143).
Wenn von einem Sekundär-Relais gleichzeitig mehrere Schalter betätigt
werden sollen, so ordnet man zwischen Relais und Schalter ein Hilfs-
Auslöser und Relais 159
schütz an, das mit den erforderlichen Kontakten zum Einschalten der
verschiedenen Schalter-Auslösespulen oder Signale ausgestattet ist.
Diese Anordnung ist in den Kraftwerken und Verteilerstationen fast
allgemein gebräuchlich. Sekundär-Relais bieten den Vorteil, daß sie
auf Schaltfeldern aufgebaut werden können und so die Überwachung
des Betriebes erleichtern. Im Gegensatz dazu müssen die Primär-
Auslöser, die auch als Primär-Relais bezeichnet werden, weil sie vom
primären Betriebsstrom durchflossen und die Schalterauslösung in den
meisten Fällen aufmechanischem Wege direkt bewirken, am Aufstellungs-
ort des Schalters eingebaut werden.
Man verlangt von einem Primär- oder Sekundär-Relais, daß es
innerhalb eines gewissen Bereiches auf einen bestimmten Auslöse-
strom einstellbar ist. Dieser Bereirh liegt meistens zwischen dem 1,2- bis
2fachen Nennstrom. Die Veränderung der Einstellung der Ansprech-
stromgröße kann etwa derart vorgenommen werden, daß die Feder, die
den Magnetanker in der Ausschaltstellung hält, verschieden stark ge-
spannt wird.
Sehr oft verlangt man, daß erst nach einer bestimmten, einstellbaren
Zeit nach Auftreten des Überstromes der Schalter ausgelöst wird. Im
Falle der Abb. 143 darf dann durch den Anker des Relais R der Auslöse-
kontakt nicht unmittelbar betätigt werden, sondern es muß zunächst ein
Zeitglied freigegeben werden, welches nach einer gewissen Zeit den Aus-
lösekontakt schließt. Dieses Zeitglied kann aus einem Uhrwerk, einem
Hemmwerk oder einem kleinen Synchronmotor, der nach seiner Freigabe
durch das Relais vom Relaisstrom angetrieben wird, bestehen. Solche
Relais, welche erst nach einer gegebenen einstellbaren Zeit ansprechen,
heißen Zeitrelais.
Nimmt man an, es trete ein Strom auf, der etwas oberhalb des An-
sprechstromes liegt, so wird der Primärauslöser bzw. das Relais ansprechen
und das Zeitglied freigeben. Verschwindet vor Ablauf des Zeitwerkes der
Überstrom, so muß das Relais wieder in seine Ausgangsstellung zurück-
gehen ohne auszulösen. Hat der Auslösestrom des Relais die Größe la,
so wird der Strom, bei dem das Relais wieder abfällt, der sog. Rückfall-
strom I,, etwas tiefer liegen. Ideal wäre, wenn das Abfallverhältnis
Ir/la=1 wäre. Dieses Verhältnis wird jedoch im allgemeinen nicht er-
reicht. Ir/la liegt praktisch bei etwa 0,85 bis 0,95.
Von einem Primärauslöser bzw. Relais ist wesentlich zu wissen,
welcher Strom im Kurzschlußfalle über eine gewisse Zeit ausgehalten
werden kann. Auskunft hierüber gibt der Einsekundenstrom, der auch
thermischer Grenzstrom ltherm genannt wird. Man versteht darunter den
Strom, der während einer Sekunde ausgehalten werden kann, ohne daß
die Wicklung zu heiß wird. Ist der Schaltverzug (Zeit vom Beginn des
Kurzschlusses bis Öffnen der Kontakte) infolge der Zeiteinstellung
160 Generatorschutz

t Sekunden und der thermische Grenzstrom gleich I therm• dann kann als
größter beim Kurzschluß in der Wicklung auftretende Strom I= Ithermlft
zugelassen werden. Es tritt dann gleiche Erwärmung auf wie beim ther-
mischen Grenzstrom (Wärmeabstrahlung ist hierbei vernachlässigt).
Itherm kann z. B. das 100- bis 200fache des Nennstromes betragen.
Außerdem ist auch noch angegeben, welcher dynamische Grenzstrom
(Ia11n) im Kurzschlußfall mechanisch ausgehalten werden kann.
Wie gezeigt wurde, besteht ein Zeitrelais aus einem Ansprechglied,
das auf die Störung, z. B. auf den Überstrom, anspricht und einem Zeit-
glied, das vom Ansprechglied zum Ablauf freigegeben wird und nach

m
einer gewissen Zeit den Auslösebefehl gibt. Abb. 144 zeigt schematisch,
wie bei genauerer Darstellung ein Zeitrelais mitunter aufgezeichnet wird.
Der mit A bezeichnete Teil gibt das Ansprechglied an,
As> während der mit S bezeichnete Teil das Zeitglied darstellt.
Es ist nicht unbedingt notwendig, daß das Relais R
der Abb. 143 die Zeitverzögerung enthalten m:uß, viel-
mehr kann das Relais R zunächst einen Hilfsstromkreis
Abb.U••
Symbolische Dar-
schließen, durch den elektrisch ein besonderes Zeitglied
stellu;ng eines Über- freigegeben wird, welches erst nach Ablauf einen Kontakt
stromzeltrelais.
schließt, der den Auslöser des Schalters speist.
Um ein selektives Abschalten zu erzielen, gebraucht man gelegentlieh
Relais, welche wattmetrisch arbeiten. Ein derartiges Relais, welches ge·
eignet geschaltete Strom- und Spannungsspulen besitzt, spricht nur an,
falls ein Überstrom in der einen Richtung, nicht jedoch in der anderen
fließt.
Primärauslöser stellen im Leitungszuge Induktivitäten dar, an denen
beim Auftreffen von Wanderwellen Überspannungen entstehen können.
Sie müssen deshalb dagegen geschützt werden z. B. durch Parallel-
schaltung von Widerständen.

C. Überstromschutz
In Abb. 145 ist gezeigt, in welcher Weise der Überstromschutz eines
Generators ausgebildet sein kann. In zwei Phasen, oder meistens aus
Reservegründen in den drei Phasen, und zwar benachbart dem Stern-
punkt, sind drei Stromwandler eingebaut, welche in vorliegendem Falle
auf drei Überstromzeitrelais arbeiten. Wenn ein Oberstrom, etwa infolge
eines Sammelschienenkurzschlusses, fließt, sprechen diese Relais an und
schließen nach einer eingestellten Zeit Hilfskontakte, so daß von einer
Gleichstromquelle über diese ein Strom zur Auslösespule des Generator-
schalters zu fließen vermag und den Schalter auslöst. Fließt ein Über-
strom infolge eines Netzkurzschlusses, so soll dieser von dem benach-
Überlastschutz 161
hatten Netzschalter abgeschaltet werden. Der Generatorschalter spricht
nicht an, wenn seine Auslösezeit größer ist als die längste Auslösezeit der
im Netz eingebauten Schalter. Hat man im Netz unabhängige Zeit-
relais, die gegeneinander zeitlich gestaffelt sind (s. S. 355), so kann
man unter Umständen (ältere Netze) am Generator auf Zeiten von
5 (bis 10) sec kommen, während welcher der Generator den vollen
Kurzschlußstrom führt. Sollte einmal der vorletzte Netzschalter ver-
sagen, dann wird nach der eingestellten Zeit der Generatorschalter ab-
schalten. Der Überstromschutz des Generators bildet also eine Art
Reserve. Wenn im Generator selbst ein Kurzschluß, d. h. ein Wicklungs-
schluß zwischen zwei Phasen entsteht,
dann sprechen die Überstromrelais an,
lösen jedoch erst nach längerer Zeit den
Schalter aus. Da in dieser langen Zeit
größere Zerstörungen im Generator statt- +---t--
finden können, ist dieser Schutz nicht
gegen innere Schäden geeignet. Arbeiten
mehrere Generatoren parallel auf ein Netz ~
und tritt in einer Maschine ein innerer I§~
·Fehler auf, so werden alle Generatoren ~
auf die Fehlerstelle arbeiten und somit
Überstrom führen. Es kann, wenn nur
Überstromrelais vorgesehen sind, der Fall
eintreten, daß auch die gesunden Genera-
toren abgeschaltet werden, was aber nicht
erwünscht ist. Man muß also nach anderen
Schutzarten suchen, die rascher und selek-
Abb. U5. "Überstromschutz eines
tiver abschalten. Der vorhandene Über- Generators.
stromschutz kommt daher praktisch nur
in Frage zum Schutz gegen Sammelschienen-Kurzschlüsse oder als
Reserveschutz, falls der vorletzte Netzschalter oder der noch zu be-
handelnde Fehlerschutz des Generators versagt.
Prinzipiell kann man die drei Stromwandler auch vor die Wicklung
des Generators legen. Nur wird dann bei einem Fehler im Generator
durch die Stromwandler, falls der Generator allein auf das Netz arbeitet,
kein Strom fließen und der Überstromschutz kann nicht als Reserve
wirken.
D. Überlastschutz
Die Generatoren sind wie die übrigen Betriebsmittel einer Netzanlage,
z. B. Transformatoren, Kabel usw. vorübergehend überlastbar, ins-
besondere wenn sie vorher nicht voll belastet waren. Andererseits kann
bei zu hohen und lang andauernden Betriebsströmen infolge übermäßiger
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 11
162 Generatorschutz

Temperatur die Isolation schadhaft werden und schließlich ein Erd- oder
Kurzschluß entstehen. Um die Überlastungsfähigkeit von Generatoren
sowie _Transformatoren und Kabel voll ausnützen zu können, hat man
den Überlastschutz geschaffen. Er leistet gute Dienste, z. B. bei Aus-
fall parallel arbeitender Maschinen oder wenn plötzlich die Zuschaltung
eines weiteren größeren Verbrauchers dringend notwendig wird. Der
Generator kann überlastet weiter betrieben werden, solange es der Über-
lastschutz zuläßt. Inzwischen können im Netz Maßnahmen zur Ent-
lastung des Generators vom Bedienungspersonal getroffen werden, etwa
durch Zuschaltung einer Maschine oder Abschaltung weniger wichtiger
Verbraucher.
Diese Aufgabe läßt sich nur mit einer Einrichtung erreichen, die
die Erwärmung des Generators während des Betriebes dauernd überwacht
und die zulässige Grenztemperatur meldet, um so die frühzeitige Alterung
der Wicklungsisolation infolge starker Erwärmung zu verhindern. Hierzu
können Widerstandsthermometer oder Thermo-Elemente in der Nut der
Statorwicklung für die direkte betriebsmäßige Messung verwendet
werden. Sie stellen einen Fremdkörper in der Isolation dar, der beson-
ders bei hohen Spannungen unerwünscht ist. Nach dem Einbau sind sie
schwer zugänglich, weshalb man bei Defekten oft auf Ersatz verzichtet.
Zur Vermeidung dieser Nachteile ist man dazu übergegangen, den Ver-
lauf der tatsächlichen Wicklungstemperatur auf indirekte Weise zu
messen, d. h. an einem Modell genau nachzubilden.
Hierzu dient ein thermisches Relais. Es bildet die Temperaturkurve
des Generators getreu nach und mißt die Temperatur. Das Thermo-
Relais kann als Primär-Relais zum direkten Einbau in die zu schützende
Leitung oder als Sekundär-Relais zum Anschluß für Stromwandler aus-
geführt werden, das dann wie ein Überstrom-Zeitrelais nach Abb. 145
angeschlossen wird. Wenn die Erwärmung des Generators ein zulässiges
:Maß überschreitet, schließt es seinen Kontakt. Da in diesem Zustand der
Generator nicht momentan gefährdet ist, ist eine sofortige Abschaltung
entbehrlich, es genügt Signalisierung, damit das Betriebspersonal die
für die Entlastung des Generators notwendigen Maßnahmen ergreifen
kann.
Die Thermo-Relais gestatten die Überlastungsmög1ichkeit der Gene-
ratoren in Notfa.Ilen, z. B. bei Netzzusammenbrüchen voll auszunützen,
solange die überlastete Maschine nicht selber gefahrdet wird und es die
Antriebsmaschine zuläßt. Im allgemeinen reicht ein Thermo-Relais für
den Generator aus. Eine günstige Anordnung zum Schutze des Gene-
rators gegen strommäßige Überbeanspruchungen besteht aus 2 Über-
strom-Zeitrelais für den Kurzschlußschutz und ein Thermo-Relais für
den Überlastschutz in der 3. Phase.
Wicklungsschlußschutz 163
E. Wicklungsschlußschutz
Zur Feststellung eines Wicklungsschlusses eignet sich am besten der
Differentialschutz (s. Abb. 146). Bei diesem sind in jeder Phase an beiden
Wicklungsenden Stromwandler angeordnet, die gleichsinnig miteinander
verbunden sind. Von den Verbindungen führen drei Leitungen a, b, c,
wie aus der Abb. 146 ersichtlich, zu einem Differentialrelais und von
hier eine vierte Leitung zur Erde. Bei normalem Betrieb des Generators
fließen in den Stromwandlern vor und hinter der Wicklung gleiche Ströme.
An den drei Zuleitungen zum Differentialrelais herrscht also die Span-
nung 0 und es wird kein Strom zum Differentialrelais fließen. Tritt
jedoch in der in Abb. 146 gekennzeichneten Weise zwischen den Phasen 1
und 2 ein Wicklungsschluß auf, dann werden Ströme in der gestrichelten
Pfeilrichtung durch den Strom- 3
wandler fließen. Da ferner die 2
parallel arbeitenden Generatoren 1
in die Fehlerstelle hineinspeisen,
werden die oberen Stromwandler -+
der kranken Phase sogar in um- j't I
gekehrter Richtung vom Strom
durchflossen sein. Die in den lJ I ~~

t
Stromwandlern erzeugten Ströme
sind nun nicht mehr gleich, die Oiferentiol-
re!ois zur
Differenz beider Wandlerströme 111 a fnfregung
muß durch das Differentialrelais c b
fließen. Damit wird das Relais 1! I I ' I
ansprechen, den Schalter zur Aus- -- - I-
lösung bringen und die Entregong Abb. 146. Generator mit Differentlalschut.z.
einleiten.
Der Differenl;ialschutz darf mit Rücksicht auf Falschauslösungen nicht
zu empfindlich eingestellt sein, es sei denn, daß besonders abgeglichene
Stromwandler benutzt werden. Im allgemeinenwird bei einem Fehlerstrom
von 10- 20% des Nennstromes das Differentialrelais auslösen. Dieser
Betrag erscheint zunächst ziemlich hoch, ist jedoch durch die Forderung
bedingt, daß bei Netzkurzschlüssen der Differentialschutz nicht an-
springen soll. Da die hierbei fließenden Kurzschlußströme den Maximal-
wert des Nennstromes unter Umständen um das 15fache übertreffen,
können infolge nicht ganz gleicher Sättigungserscheinungen die Strom-
wandler prozentual etwas gegeneinander abweichen. Bei diesen großen
Strömen bedeuten jedooh prozentuale kleine Abweichungen schon beacht-
liche Ströme im Differentialrelais, die unter Umständen den Schalter
zur Auslösung bringen können, obwohl kein Generatorfehler vorliegt.
Will man den Differentialschutz empfindlicher einstellen, so erfordert
11*
164 Generatorschutz

dies bis in das Überstromgebiet genau abgeglichene Stromwandler. Man


kann jedoch das Auslösen des Differentialschutzes bei außenliegenden
Kurzschlüssen auch vermeiden, indem man den Differentialschutz stabi-
lisiert, d. h. gegen Stromwandler-Falschströme unempfindlich macht,
ohne daß die Ansprechempf!ndlichkeit auf innere Kurzschlüsse dar~mter
leidet. Man hat dann den Vorteil, daß Stromwandler mit normalem
Abgleich verwendet werden können (s. S. 186.)
Der Differentialschutz läßt sich auch anwenden, wenn Generator und
Transformator eine Einheit bilden. Hierbei kann der Transformator mit-
geschützt werden. Dieser Schutz ist in Abb. 147 aufgezeichnet und zeigt,
daß, die Stromwandler einmal auf der Transformator- urid das andere
G
Mal auf der Generatorseite
eingeschaltet sind. Da
im normalen Betrieb die
auf der Oberspannungs-
seite und auf der Gene-
ratorseite vorhandenen
Stromwandler meist nicht
2
gleicheWandlerströme er-
zeugen, ist in solchen
Fällen ein Zwischenwand-
ler notwendig. Bei dem
Differentialschutz muß
auch berücksichtigt wer-
den, daß der Transforma-
tor vielfach in Dreieck-
Stern geschaltet ist, d. h.
der oberspannungsseitig
Abb. 147. Gemeinsamer stabilisierter Differentialschutz vorhandene Spannungs-
für Generator und Transformator.
1 Generator; 2 Drehstrom-Transformator; 3 Stromwandler; stern ist gegenüber dem
4 Differentialrelais; 5 Zwischenstromwandler; 6 Auslösung für
Leistungsschalter; 7 Auslösung für Rotor·Entregungsschalter. Spannungssterndes Gene-
rators in der Phase ver-
schoben. Damit die Wandlerströme mit ihren Amperewindungen auf dem
Zwischenwandler im normalen Betrieb sich zu Null ergänzen, muß diese
Verschiebung beseitigt werden, z. B. indem die dem Transformator zu-
gehörigen Wandlerwicl;dungen ebenfalls im Dreieck geschaltet werden.
Ganz zu Null werden sich die Amperewindungen nicht ergänzen, da der
Magnetisierungsstrom des Transformators wie ein kleiner Fehlerstrom,
auf .den jedoch das Differentialrelais nicht ansprechen darf, wirkt. Des-
wegen ist besonders auch hier eine Stabilisierung des Schutzes, wie
Abb.l47 zeigt, angebracht. Durch eine spezielle Schaltung kann erreicht
werden, daß ein Fehlansprechen durch den vorübergehenden Einschalt-
strom (rush) des Transformators vermieden wird (s. S. 188).
Windungsschlußschutz 165
F. Windungsschlußschutz
Tritt innerhalb der Phase ein Windungsschluß auf, so spricht der
Differentialschutz leider nicht an. Bei einem Windungsschluß wird die
betroffene Phase in der Spannung verkleinert, etwa wie in Abb. 148 b
gezeigt. Unter Ausnutzung dieser Spannungsahsenkung kann man mit
der in Abb. 149 dargestellten Schaltung einen Windungsschlußschutz
ausbilden. Es wird an die drei Phasen des
Generators ein Spannungswandler S an-
geschlossen, dessen Sternpunkt mit dem
Sternpunkt des Generators in Verbindung
steht. Bei Windungsschluß ist die geome-
trische Summe der drei Spannungen im
Abb. 148a u. b. Diagramme für
Spannungswandler nicht mehr gleich Null Windungsschluß.
a Normal betrieb, b Windungsschluß
(s. gestrichelte Pfeile in Abb. 148b), es in Phase 2.
wird also in der offenen Dreieckwicklung
des Wandlers, welche die Phasenspannungen addiert, eine Restspan-
nung U, auftreten, welche das Windungsschlußrelais zum Auslösen bringt.
Um zu vermeiden, daß im normalen Betrieb durch höhere Harmonische
in der Phasenspannung des Generators (3. und alle durch 3 teilbaren
Harmonischen) Falschauslösungen stattfinden können, ist ein Sperrkreis
in den Relaiskreis geschaltet.
Sehr einfach kann der Windungsschlußschutz bei Ljungström-Gene-
ratoren gehalten werden. Es handelt sich hier (s. S. 10) um zwei von

I 1I
(
1 2 1' II' 3'

l t
-
1'1
Abb. 14\l. WindungsschlußEchutz. Abb. 150. Windungsschlußschutz bei
Ljungström ·Generatoren.

einer Turbine angetriebene Generatoren, die immer parallel geschaltet


sind. Werden die Nullpunkte (s. Abb. 150) durch eine Leitung, in welcher
ein Wandler liegt, miteinander verbunden, so wird normalerweise diese
Verbindung stromlos sein. Ist jedoch in der Phase 1 ein Windungsschluß
vorhanden, so wird hier die Spannung kleiner und es vermag jetzt in der
gestrichelten Weise ein Ausgleichstrom zu fließen, so daß der Wandler
stromdurchflossen ist und die Abschaltung des Generators bewirken kann.
166 Generatorschutz

G. Stator-Erdschlußschutz
Sehr viele Fehler haben ihre Ursache in Erdschlüssen der Statorwick-
lungen, die innerhalb des Generators. sich ausbilden und die dann unter
Umständen in einen Doppelerdschluß, d.h. meist in einen Wicklungs.
kurzschluß übergehen. Es muß also ein Schutz vorgesehen werden,
der bei einem Schluß der Statorwicklung mit dem Statoreisen, den
Generator abschaltet und ent)."egt.
Die verschiedenen Schaltungen der gebräuchlichen Erdschlußschutz·
Einrichtungen unterscheiden sich durch die Methode, wie der über
,~ die Erdschlußstelle fließende Fehler·
strom auf das für das sichere An-
jb~~====
i= sprechen der Schutzeinrichtung not-
t wendige Maß durch ein Hilfsmittel
i künstlich vergrößert und der bei
i Klemmenerdschluß auftretende Erd-
i schlußstrom zur Schonung der Erd-
i schlußstelle auf einen zulässigen
i Höchstwert begrenzt wird. Arbeiten
i mehrere zu schützende Generatoren
auf eine gemeinsame Sammelschiene,
I
i so muß der Erdschlußschutz selektiv
wirksam sein, wodurch zusätzliche
t Apparate benötigt werden. Dagegen
i ' .
\ --------J können für Stromerzeuger, die direkt
'-·-·-·-·
Abb. 151. Einfacher, selektiver stator-Erd- auf einen Transformator arbeiten, ein-
schluBschutz mit Widerstandserdung fache Erdschlußschutz-Einrichtungen
am Generator·Sternpunkt.
verwendet werden, da die Selektivität
durch die galvanische Trennung des Generators vom Netz gegeben ist
und deshalb die besonderen Hilfsmittel zur Unterscheidung zwischen
generatorseitigen und 'n.etzseitigen Erdschlüssen entfallen können.
Wir wollen zunächst annehmen, daß der Generator auf eine Sammel-
schiene mit anderen Generatoren parallel arbeitet und ein Erdschluß in
einer Phase nicht unmittelbar am Nullpunkt, sondern mehr benachbart
dem Phasenende liegt (bei A in Abb.l51). Arbeitet der Generator auf ein
großes Netz mit genügender Kapazität, dann vermag, genau wie bei
einem sonstigen Erdschluß, ein kapazitiver Erdschlußstrom zu fließen,
der sich über die Fehlerstelle im Generator schließt. Man könnte daran
denken, einen Gestellschluß durch den Differentialschutz mitzuerfassen.
Prinzipiell wäre dj.es möglich, praktisch jedoch meist nicht, da der Diffe-
rentialschutz mit Rücksicht auf Kurzschlüsse nicht zu empfindlich ein-
gestellt werden darf und die Erdschlußströme meistens nicht einen solchen
Betrag erreichen, daß das Differentialrelais zum Ansprechen gelangt. Sehr
Stator-Erdschlußschutz 167
oft sind die durch die Anlage gegebenen Erdschlußströme zu klein,
besonders wenn das Netz durch Erdschlußspulen kompensiert ist, oder
wenn der Generator über einen Transformator auf ein Netz arbeitet
(hier kommt nur die verhältnismäßig kleine Kapazität der Zuleitungen
und der Wicklungen in Frage), so daß der natürliche Erdschlußstrom
allein zum Ansprechen des Schutzes nicht ausreicht. Man muß ferner
bedenken, daß, je näher die Erdschlußstelle am Wicklungs-Nullpunkt
liegt, um so kleiner die auf den Erdschluß wirkenden Spannungen,
also auch die Fehlerströme werden. Im allgemeinen muß man, um
einen brauchbaren Erdschlußschutz zu schaffen, den Erdschlußstrom
künstlich vergrößern, etwa dadurch, daß nach Abb. 151 der Generator-
Sternpunkt über einen geeignet bemessenen Widerstand geerdet wird ..
Die Größe des Widerstandes ergibt sich aus der Forderung, daß bei Erd-
schluß an den. Klemmen, bei dem der größte Fehlerstrom fließt, dieser
nur solche Werte erreicht, daß keinerlei beachtliche Zerstörungen durch
den Erdschlußstrom hervorgerufen werden. ·Dieser Wert liegt etwa bei
5 A. Je näher der Fehler nach dem Wicklungs-Sternpunkt rückt, um so
kleiner wird der durch den Erdungswiderstand fließende Strom, um bei
einem Fehler im Wicklungs-Sternpunkt Null zu sein.
Bei der Schaltung nach Abb.151 wird ein Spannungsrelais und ein
Relais mit Strom- u. Spannungsspule verwendet, das als Sperr-Relais
dient, dessen Aufgabe unten erläutert wird. In die Phasen-Ableitungen
sind 3 Stromwandler e eingebaut, deren Sekundärwicklungen in der sog.
Holmgreen-Schaltung gleichsinnig parallel geschaltet sind, so daß sie die
vektorielle Summe der Betriebsströme messen. Bekanntlich ist in einem
Drehstrom-System die vektorielle Summe der 3 Phasenströme Null,
auch bei Kurzschlußvorgängen oder unsymmetrischen Betriebsströmen.
Fließt dagegen aus dem Dreiphasen-System an einer Stelle ein Strom, z. B.
ein Erdschlußstrom nach Erde ab, so entsteht eine Nullstrom-Kompo-
nente als Reststrom, der in der Summenstromschaltung nach Holmgreen
aus den 3 Betriebsströmen ausgeschieden und in der Schaltung Abb.151
der Stromspule des wattmetrischen Relais zugeführt wird, Seine Span-
nungsspule ist mit dem Spannungsrelais gemeinsam an den Spannungs.
wandler zwischen Generator-Sternpunkt und Erde angeschlossen. An
diesem tritt sowohl bei Erdschluß im Generator oder Netz eine Spannung
auf. Bei einem·Erdschluß im Generator, z. B. an der Stelle a, fließt der
Erdschlußstrom über den Erdungswiderstand an die Fehlerstelle zurück.
Die am Erdungswiderstand hervorgerufene Spannung bringt das Span-
nungsrelais zum Ansprechen, sobald die Erdschlußspannung den An-
sprechwert des Relais überschritten hat. Das wattmetrische Erdschluß-
R-elais hält seinen Kontakt geschlossen, so daß· durch das Schließen des
Kontaktes des Spannungsrelais der Generatorschalter und die (nicht
gezeichnete) Schnellentregongs-Einrichtung betätigt werden.
168 Generatorschutz

Erfolgt nun ein Erdschluß außerhalb des Generators, etwa an der


SteHe b des Netzes, so spricht wieder das Spannungsrelais an, jedoch
ist jetzt die Summe der 3 Phasenströme nicht mehr = 0 sondern gleich
dem Erdschlußstrom, so daß das Sperr-Relais erregt wird, seinen Kon-
takt öffnet und der Auslösekreis für den Generatorschalter trotz des
Schließens des Kontaktes des Spannungsrelais, das etwas verzögert wird,
offen bleibt. Das wattmetrische Relais dient also als Sperr-Relais, um
bei Netz-Erdschlüssen die unerwünschte Abschaltung des Generators
zu verhindern. Die Einrichtung wirkt selektiv.

I t

:er
1f II II' ! · -·-fro'.ro?luß-Re!ot.i':-J
t t t
". ........ I MRW,O ~lillj
i ~~
4 _. ~1"--
L . f--·--·- -·
-+

-'~'ll'" /iJ.
a

itll~ lt

~~m1 br:r
I at I t~,.
I
( ~~
".

1"-- f-"'
~
_".....

ll.lll
"'
b
Abb. 152 a u. b. Statorerdschluß mittels Gleichrichterschaltung der Erdschlußrelais (SSW).

Je näher der Erdschluß dem Generator-Sternptmkt zu liegt, um so


kleiner wird die Erdschlußspannung und der Erdschlußstrom für die
beiden Relais. Mit dieser Einrichtung werden daher nur etwa 70% der
Wicklung geschützt. Arbeiten mehrere Generatoren auf eine Sammel-
schiene, so wird man im allgemeinen nicht jeden Generator erden, da
dann der Erdschlußstrom zu groß würde, sondern man schafft an der
Sammelschiene einen ·künstlichen Sternpunkt durch einen Erdungs-
transformator ( Gestelldrossel).
Eine derartige Anordnung des Stator-Erdschlußschutzes für mehrere
auf eine Sammelschiene arbeitende Generatoren zeigt Abb. 152, in der
der Stator-Erdschlußschutz mit dem Differentialschutz kombiniert, sowie
der Fehlerstromverlauf bei innerem und äußerem Erdschluß dargestellt
Stator-Erdschlußschutz 169
ist. Der künstlich vergrößerte Erdschlußstrom wird an der Gestell-
drossel a für alle parallel arbeitenden Generatoren gemeinsam erzeugt,
indem im Erdschlußfalle ein durch den Belastungswiderstand b der
Dreieckwicklung bestimmter Strom über die Fehlerstelle fließt; dessen
Stärke ist, da nur eine Erdung vorhanden, von der Anzahl der in Betrieb
befindlichen, geschützten Generator~n unabhängig. Bei Erdschluß im
Generator (Abb. 152a) oder an den Phasenableitungen in dem von den
beiden Stromwandlergruppen begrenzten Schutzbereich für den Diffe-
rential- und Erdschlußschutz fließt ein Erdschlußstrom über die Fehler-
stelle und erregt dabei die in einer Doppel-Summenstromschaltung an-
geordneten Differential-Stromwandler-Gruppen. Der Erdschlußstrom
fließt sekundär, wie durch Pfeile angedeutet, über den am Differential-
relais gebildeten Sternpunkt in das Erdschlußstromrelais hinein zum
sekundären Sternpunkt der Stromwandler zurück; Zur Erfassung ge-
nügend kleiner Erdschlußströme bzw. Erzielung eines hohen Schutz-
bereiches wird ein empfindliches Drehspul- Stromrelais verwendet, welches
über einen Gleichrichter und Zwischenwandler im Summenstromkreis
gespeist wird.
In Abb. 152 ist das Erdschluß- und Differentialrelais in einem Ge-
häuse eingebaut. Der Erdschlußschutz hat die für die Unterscheidung
zwischen äußeren und inneren Erdschlüssen notwendige selektive Wir-
kungsweise, die durch die Doppel-Summenstromwandler gegeben ist. Bei
äußerem Erdschluß (Abb. 152b) hebt sich die Wirkung der in den ein-
zelnen Phasen fließenden Erdschlußströme, wie aus den eingetragenen
Strompfeilen hervorgeht, auf, so daß das Erdschlußrelais, wie er-
wünscht, in Ruhe bleibt.
Um über dem gesamten Schutzbereich den Erdschlußstrom bei be-
liebiger Entfernung der Fehlerstelle vom Wicklungs-Sternpunkt weit-
gehend konstant zu halten, wird der Belastungswiderstand b abhängig
von der Nullpunkt-Verlagerungsspannung selbsttätig geregelt.
Eine andere Möglichkeit, den künstlichen Erdschlußstrom bei Ver-
änderung der Fehlerstelle zwischen Generator-Sternpunkt und Wick-
lungsklemme weitgehend konstant zu halten, besteht durch die Ver-
wendung spannungsabhängiger Widerstände, wie z.B. Abb. 153 eine
Erdschlußschutz-Einrichtung für parallel arbeitende Generatoren nach
Dr. BüTOW zeigt. Der künstliche Erdschlußstrom wird über einen Drei-
phasen-Transformator mit herausgeführtem Sternpunkt für alle Strom-
erzeuge!' gemeinsam erzeugt, indem der zugängliche Sternpunkt über
einen mit Eisen-Wasserstoff-Lampen belasteten Einphasen-Transfor-
mator geerdet wird. Zur Erfassung des Erdschlußstromes und Erzielung
der Selektivität werden in den Klemmenableitungen des Generators drei
Stromwandler in Summenschaltung eingebaut, die nur bei generator-
seitigen Erdschlüssen von dem an der Sammelschiene erzeugten künst-
170 Generatorschutz

liehen Erdschlußstrom erregt werden und so für die Selektivität des


Erdschlußschutzes sorgen. Durch die Verwendung der spannungsabhän-
gigen Eisen-Wasserstoff-Widerstände entsteht der Vorteil, daß sich der
Erdschlußstrom bei kleinen Erdschlu_ßspannungen linear, bei größeren

Abb. 153. Wattmetrischer Erdschlußschutz für mehrere auf gemeinsame Sammelschiene


arbeitende Generatoren (AEG).

Erdschlußspannungen nur wenig ändert, so daß der Erdschlußstrom Qber


einen großen Spannungsbereich fast gleich bleibt. Die Spannung für
das Erdschlußrelais wird, wie das Schaltbild zeigt, für jede Maschine
getrennt gewonnen. Sie wird dem Erdschluß-
relaisüber den Reduktor zugeführt und mit Hilfe
von spannungsabhängigen Widerständen wird ihr
die gleiche Charakteristik erteilt, wie sie der
künstlich erzeugte Erdschlußstrom besitzt. Durch
diese Maßnahme gelingt es, auch bei Erdschlüssen
in der Nähe des Sternpunktes ein kräftiges Dreh-
moment zu erzeugen und trotz kleinstem Fehler-
••===•=~~ strom einen Schutzumfang von 90% zu erzielen.
Abb. 154. Prinzip der Erd-
strombildung des selektiven Eine andere Lösung zur Erzeugung eines
Erdschlußschutzes für parallel
rubeitende Generatoren durch wenig veränderlichen Erdschlußstromes wurde
Erdung einer Phase. durch die Erdung einer gesunden Phase gefunden.
Das geschieht im Prinzip nach Abb. 154. Beim Eintritt eines Erd·
schlusses wird eine der gesunden Phasen über einen Widerstand an Erde
gelegt, so daß auf den entstehenden Stromkreis die Spannung E 0 wirkt.
Es ist ersichtlich, daß ihre Größe bei Erdschluß im Nullpunkt gleich ist
der Phasenspannung und bei Erdschluß an der Klemme gleich der ver·
ketteten. Der so entstehende Erdstrom, in seinem Maximalwert meist
zu 5 A gewählt, ändert sich deshalb bei allen möglichen Fehlerlagen
Stator-Erdschlußschutz 171
höchstens im Verhältnis 1: 1,73. Eine Ausführung dieser Erdschluß-
schutz-Einrichtung zeigt Abb. 155. Zur Feststellung eines Netz- oder
Generator-Erdschlusses dient ein· dreipoliges, wattmetrisches Relais 3,
dessen Einzelrelais an je einer verketteten Netzspannung liegen, während
das zweite Spulensystem aller drei .Relais mit der Erdschlußspannung
gespeist wird. Der dreiphasige Erdungstransformator 2, mit einer in
Stern geschaltenen Sekundärwicklung 2b und einer in offenem Dreieck
geschalteten Tertiärwicklung 2a zur Messung der Erdschlußspannung,

Abb.155. Prinzipschaltbild des selektiven Erdschlußschutzes für parallel arbeitende


Generatoren (BBC).

führt über den Erdungswiderstand 7 im Erdschlußfall transformatorisch


die Polerdung durch, in dem durch das Erdungsschütz 5 die Erdung
vorgenommen wird, welches von dem Erdschlußspürorgan 3 den Ein-
schaltbefehl erhält. Der entstehende Erdschlußstrom kann nur bei
einem Erdschluß auf der Generatorseite von den Summenstromwand-
lern 9 als Summenstrom gemessen werden. Das hochempfindliche,
wattmetrische Erdschlußrelais 8 wird im Spannungspfad von einer
verketteten Generatorspannung geeigneter Phasenlage gespeist, die vom
Erdschlußüberwacher 3 ausgewählt wird. Ein besonderer Vorteil dieser
Erdschlußschutz-Einrichtung liegt darin, daß auch bei Erdschlüssen in
172 Generatorschutz

Sternpunktnähe das -Erdschlußrelais 8 ein kräftiges Drehmoment ent-


wickeln kann, so daß eine unbestimmte Arbeitsweise bei schwachen Erd-
schlüssen nicht möglich ist. Mit dieser Schutzeinrichtung kann ein
Schutzbereich von mindestens 95% erreicht werden.
Einfacher sind die Erdschlußschutz-Einrichtungen für Generator-
Transformator-Einheiten, da auf die Mittel für die Selektivität ver-
zichtet werden kann. Eine gebräuchliche Anordnung zeigt Abb. 156.

Abb. 156. Erdschlußschutz für Generator und Transformator in Blockschaltung (BBC).

Ein polarisiertes Erdschlußrelais 6, welches an dem Spannungs-


wandler 3 im Generator-Sternpunkt zur Messung der Erdschlußspan-
nung angeschlossen ist, löst bei Erdschluß die Gruppe aus. An Stelle
eines gewöhnlichen Spannungsrelais wird hier ein Relais verwendet, das
über ein zweites Spulensystem mit einer verketteten Spannung polarisiert
wird. Es kann dadurch für hohe Empfindlichkeit gebaut werden. Der
größte Vorteil ist, daß es durch die Polarisation unempfindlich gegen
Oberwellen wird. Um bei oberspannungsseitigen Erdschlüssen eine Fehl-
auslösung infolge der kapazitiven Kopplung der Oberspannungswicklung
mit der Niederspannungswicklung zu vermeiden, wird parallel zum
Sternpunkt-Spannungswandle r ein Widerstand 4 geschaltet, der so be·
Spannungssteigerungsschutz 173
messen ist, daß der durch den unterspannungsseitig fließenden Erdungs-
strom erzeugte Spannungsabfall die Ansprechgrenze des Erdschluß-
relais 6 nicht erreicht. Diese einfache Erdschlußschutz-Einrichtung ist
in der Lage, 95% der Wicklungslänge zu schützen.
Durch die Anordnung nach Abb. 151 kann die Wicklung in unmittel-
barer Nähe des Generator-Nullpunktes nur bei Zulassung eines großen
Erdschlußstromes geschützt werden. Es ist jedoch in seltenen Fällen hier
mit Erdschlüssen zu rechnen. Ein Schutz des Nullpunktes kann mit einer
Schaltung nach Abb. 157 a erreicht werden, J 2 1
bei der in Reihe mit dem Widerstand ein HUfs-
transformator geschaltet wird, dessen Primär-
wicklung an zwei Phasen angeschlossen wird.
Durch diesen HUfstransformator wird der Stern-
punkt A um einen kleinen Betrag gehoben, so b
daß er normalerweise eine Spannung gegen
Erde von der GrößeO-A (s. Abb.l57b) hat.
Tritt jetzt in der Nähe des Nullpunktes ein
Erdschluß auf, so vermag der Erdschlußschutz
anzusprechen. Arbeitet der Generator auf ein Abb. 157a u. b. Gestellschluß-
Netz mit größerer Kapazität, so fließt infolge schutz zur Erfassung des
Wicklungsnullpunktes.
der HUfsspannung schon im Normalbetrieb a Schaltung, b Spannungs-
diagramm.
ein fltrom, der bei Kurzschlüssen in Verbindung
mit den Fehlerströmen der Differentialwandler zu Fehlauslösungen
führen kann. Deshalb verwendet man obigen Schutz nur, falls das Netz
durch Transformatoren abgeriegelt ist.

H. Spannungssteigerungsschutz
Ein Schutz gegen eine unzulässig hohe Spannungssteigerung ist
manchmal zweckmäßig. Bei einer Lastabschaltung erhöht sich die
Klemmenspannung des Generators sprunghaft um die Spannungserhö-
hung, die der vorausgegangene Laststrom in der transienten Reaktanz
der Statorwicklung hervorgerufen hat. Die Klemmenspannung wächst
noch weiter an, wenn der Generator nach einer Lastabschaltung im
Netz kapazitiv belastet bleibt, z. B. durch eine leerlaufende Hochspan-
nungsleitung. Mit der Entlastung beginnt ein Drehzahlanstieg, der die
Spannungssteigerung verstärkt. Leistungsfähige automatische Span-
nungs-Schnellregler begrenzen die Spannungserhöhung und machen sie
wieder rückgängig.
Schutzrelais gegen gefährliche hohe Spannungssteigerungen sind ins-
besondere dann erforderlich, wenn.die Drehzahl-Regeleinrichtungen der
Antriebsturbinen versagen. Bei Wasserturbinen kann die.Drehzahl beim
174 Generatorschutz

Durchgehen auf das Zwei- bis1 Dreifache der Nenndrehzahl steigen; die
Generatorspannung kollll)J.t in kurzer Zeit auf hohe Werte. Zur Unter-
stützung des automatischen Spannungsreglers im Sinne der Spannungs-
begrenzung ist deshalb ein momentan wirkendes Spannungsrelais vor-
zusehen, das vor Erreichen einer gefährlichen Spannungshöhe den
Generator sofort abschaltet und schnellstens entregt. Bei Generatoren
mit Dampfturbinen-Antrieb kann der Spannungssteigerungsschutz in
der Regel weggelassen werden, da hier wegen des Turbinen-Schnell-
schlusses die Überdrehzahlen zuverlässig auf kleine Werte begrenzt
werden. Generatoren, die aufFreileitungen arbeiten, können auch äußeren
Überspannunge;n, etwa durch Blitzschlag in die Leitungen oder in deren
Nähe, hohen Beanspruchungen ausgesetzt werden. Ihre Höhe wird durph
Überspannungs-Ableiter am Eingang und am Sternpunkt der Stator-
wicklung auf ein unschädliches Maß herabgesetzt. Dieser Schutz ißt
insbesondere bei Generatoren, die ohne Zwischenschaltung eines Trans-
formators auf die Freileitung speisen, notwendig, wird öfters aber auch
bei Generatoren, die über Transformatoren in Blockschaltung auf die
Freileitung arbeiten, vorgesehen.

I. Rotor-Erdschlußschutz
Auch im Rotor kann sich ein Schluß zwischen der Erregerwicklung
und dem Eisen ausbilden. Wenn auch ein solch einfacher Schluß zunächst
keine Gefährdung bedeutet, so wird, falls noch ein zweiter Schluß hinzu-
kommt, ein Teil der Erreger-
wicklung kurzgeschlossen. Die
einzelnen Pole der Maschine
werden dannnicht mehr gleiche
Amperewindungen haben; da-
Abb. 158. Schutz des Rotors. mit werden auch die Flüsse
der einzelnen Pole verschieden
sein. Hierdurch treten einseitig radiale Kräfte am Rotor auf, welche
diesen zu starken Vibrationen bringen können und ihn gefährden. Solche
Gefahren kann man vermeiden, falls man ein Relais vorsieht, welches auf
einen Rotorschluß anspricht. Die Abb. 158 zeigt die Ausführung. Auf
den Erregerkreis wirkt über einen Spannungswandler W und eine
Kapazität 0 eine Wechselspannung. Ist kein Schluß im Rotor, dann
wird durch die Kapazität 0 praktisch kein Strom fließen und das
Relais R nicht ansprechen. Tritt jedoch im Rotor ein Schluß auf, so
vermag über die Kapazität 0 ein Strom zu fließen, der sich über die
Fehlerstelle und die Erde schließen kann. Das Relais spricht jetzt an
und kann ein Warnungszeichen ertönen lassen.
Turbinenschutz 175

K. Schieflastschutz.
Im Abschnitt III "Drehstromgen eratoren" wurde die Schieflast be-
handelt.
Die Gegenkomponente kann durch eine Schaltung entsprechend
Abb.l59 erfaßt werden. Hier wird der Wandler einer Phase auf einen
ohmseben Widerstand und der der zwt::iten, voreilenden Phase auf eine

•111--f-:--t-- +:r------,
J

Abb.159. qegenstromschutzgeg en
unzulässige unsymmetrische Be-
lastung von Generatoren.
1 Generator; 2 Gegenstromrelais;
3 Stromwandler; 4 HUfsstrom-
wand!er; ti Impedanz; 6 Hupe;
7 Hilfsstromquelle.

Impedanz mit dem Impedanzwinkel 60° belastet, so daß das Relais, wie
man aus Abb. 73i erkennen kann, den einphasigen Strom bzw. die Gegen·
strom-Kompon ente mißt. Das Gegenstromrelais ist gegen Frequenz-
abweichungen stabilisiert.

L. Turbinenschutz
Die Schutzeinrichtung für Turbo-Generatoren, die mit einem elek-
trischen Netz parallel arbeiten, können vorteilhaft durch ein Rück-
leistungsrelais erweitert werden, das bei dampfseitigen Störungen eine
Gefährdung der Turbine vermeidet. Wenn aus irgendeinem Grunde
eine Störung in der Dampfzufuhr der Turbine auftritt, so kann die
176 Generatorschutz

Antriebsleistung der Turbine auf Null zurückgehen und der Generator


entlastet sich. Die Turbine wird dann von der Synchronmaschine an-
getrieben und auf Drehzahl gehalten. Der Generator nimmt dabei
Rückleistung aus dem speisenden Netz auf, die der Leerlauf-Antriebs-
leistung von Turbine und Generator entspricht. Laufen aber Dampf-
turbinen ohne den "kühlenden" Dampfdurchsatz weiter, können sie
sich unzulässig hoch erhitzen infolge der starken Luftreibung .. Um
diesen Störungsfall zu verhindern, sieht man ein Rückleistungsrelais
R s r vor, das bei Rückleistung
.:!: anspricht. Abb. 160 zeigt
die Anordnung des Rück-
-.+--t>.....,_+~ s leistungsrelais. Es ist über
Strom- und Spannungswand-
ler zur Leistungsmessung an
den Generator angeschlossen.
Beim Ansprechen des Rück-
leistungsrelais 3 löst es nach
einer einstellbaren Zeitver-
zögerung voneinigen Sekun-
den den Generatorschalter 5
aus, worauf die Turbogruppe
zum Stillstand ausläuft. Eine
andere Gefährdung der
2 Dampfturbine kann ferner
SfetJer-öt durch Versagen des Tur-
binen- Schnellschlusses ent-
stehen, der man bei parallel
Abdompf arbeitenden Generatoren be-
Abb. 160. Turbinenschutz. gegnet, indem man die Schal-
1 Turbine; 2 Generator; 3 Rücklästungsrelais;
4 Öldruckwächter; 5 Generatorschalter.
tung des Rückleistungsrelais
in einfacher Weise ergänzt.
Soll die Turbogruppe durch Betätigung des Schnellschlusses stillgesetzt
werden, so kann der Fall eintreten, daß die Absperr-Ventile wider Er-
warten nicht vollständig schließen, so daß der Generator von der Turbine
noch angetrieben wird. Würde der Generator in diesem Störungsfall vom
Netz abgetrennt, so ginge die Turbine in wenigen Sekunden auf Über-
drehzahl. Bei Schnellschlußversager darf also der Generator nicht vom
Netz getrennt werden, damit nicht die letzte Sicherheit gegen Drehzahl-
erhöhung aufgegeben wird. Wir erkennen, daß der Generator erst dann
vom Netz abgeschaltet werden darf, wenn das Rückleistungsrelais die
Aufnahme von Rückleistung aus dem Netz gemessen hat. Man ergänzt
die Schaltung des Rückleistungsrelais in der Weise, daß ein vom Schnell-
schluß abhängiger Kontakt 4 a-b mit einem zweiten Kontakt c- d
Schnellentregung 177

des Rückleistungsrelais 3 in Reihe geschaltet wird, so daß der Generator


erst, wenn die Absperrorgane die Dampfzufuhr vollständig unterbunden
haben und er Rückleistung aufweist, abgeschaltet wird.

M. Schnellentregung
Bei Fehlern im Innern des Generators, namentlich bei solchen, die
einen Lichtbogen hervorrufen, muß die Energiezufuhr zur Defektstelle
sofort unterbunden werden, damit der entstandene Schaden möglichst
nur auf den örtlichen Defekt begrenzt bleibt. Hierfür genügt die sofortige
Abschaltung des Generators voni Netz nicht, sondern es muß noch für
eine rasche Entmagnetisierung gesorgt werden, damit der Generator mit
seiner eigenen Spannung nicht länger auf die Defektstelle arbeiten kann.
Hierzu dient die Schnellentregungs-Einrichtung. Sie hat die Aufgabe,
nach der Abschaltung des Generators
vom Netz einen raschen Feldabbau im
Generator herbeizuführen. Hierzu muß
die magnetische Energie der Läuferwick-
lung in kürzester Zeit vernichtet werden.
Um die Zerstörungsarbeit des Licht-
bogens möglichst klein zu halten, kommt
es entscheidend darauf an, das Feld
anfangs mit höchst zulässiger Geschwin-
digkeit abzubauen, damit die Generator-
a +
spannung so schnell wie möglich unter
die Lichtbogenspannung an der Fehler- Abb. 161 a u. b. Schnell-Entregungs-
einrichtungen.
stelle sinkt und die Zerstörungswirkung a mit Feldschwächung im Erregerkreis (für
aufhört. Andererseits dürfen beim Ent- im kleine Generatoren), b mit Feldschwächung
Erreger- und Rotorkreis (für mittlere
regungsvorgang durch das rasche Ab- Generatoren).

klingen des Rotorstromes keine unzulässig


hohen Spannungen in der Rotorwicklung entstehen. In der einfachsten
Ausführung, die vorwiegend für kleinere Generatoren Anwendung findet,
wird ein Widerstand in den Feldkreis der Erregermaschine durch Öffnen
eines parallel dazu liegenden Entregungsschalters eingeschaltet, der im nor-
malen Betrieb durch den Entregungsschalter überbrückt ist (Abb. 161 a).
Dadurch wird das Feld der Erregermaschine geschwächt, wodurch auch
die Erregung des Generators und damit seine Spannung abklingt. Bei
dieser Art der Entregung ist die Entregungszeit noch verhältnismäßig
groß. Die Spannung wird bis zur Remanenzspannung herabgesetzt.
Für Generatoren mittlerer Größe kann eine kürzere Entregungszeit
durch einen zusätzlichen Widerstand im Rotorkreis erzielt werden, der
ebenfalls durch einen zweiten Kontakt des Entregungsschalters im
Normalbetrieb überbrückt, im Entregungsfalle eingeschaltet ist, so daß
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Aufl. 12
178 Generatorschutz

eine raschere Vernichtung der magnetischen Energie des Rotors statt-


finden kann (Abb. 161b). Eine andere, häufig verwendete Schnell-
Entregung ist die Schwingungs-Entregung (Abb. 162).
Sie arbeitet wie folgt:
Die Erregermaschine liefert bei Normal-Entregung
des Generators den Läuferstrom I und den Feldstrom i
der Erregermaschine, die wie gezeichnet fließen. Im
Ankerkreis der Erregermaschine wird vor der Ab-
I
R zweigung a zu den beiden Feldern ein geeignet be-
r- messener Widerstand R angeordnet, der im Normal-
·+ fi I fall durch den Schalter S kurzgeschlossen ist.
1
r Gebräuchlich ist auch eine Anordnung, bei der im
Abb. 162. Schwingungs- E n t regungs.ta
Entregung. r 11 d' R t
e 1e o orWic· klung d urch emen
· Sch a 1-
ter von der Erregermaschine einpolig abgetrennt und
unterbrechungslos auf einen Dämpfungswiderstand umgeschaltet wird,
wodurch infolge der Vernichtung der im Polrad aufgespeicherten magne-

Spannungswund/er

Abb. 163. Schnellentregung nach der Umpol-Methode für extrem kurze Entregungezeiten
für Generatoren größter Leistung.

tischen Energie eine Herabsetzung der Maschinen-Spannung schnell


erfolgt.
Eine noch weitere Verkürzung der Entregungszeit kann durch die
Umpol-Methode nach' Abb. 163 erreicht werden, die bei Generatoren
Relais-Prüfeinrichtung 179
sehr großer Leistnng mit Hilfserregermaschinen angewendet wird. Im
Rotorkreis ist ein Feldschwächnngswiderstand eingebaut, der von dem
Entregungsschalter bei Normalbetrieb überbrückt wird. Auf dem Ent-
regungsschalter sind noch Kontakte für den Umpolschalter angeordnet.
Im Entregungsfalle wird durch Öffnen des Entregungsschalters der
Feldschwächungswiderstand in Reihe mit der Läuferwicklung geschaltet.
Gleichzeitig wird die Feldwicklnng durch den Umpolschalter an die volle
HUfserregerspannung mit umgekehrter Polarität angeschlossen. Diese
Gegenerregung wird, sobald die Generatorspannung auf einen sehr
kleinen Wert abgesunken ist, durch ein Minimal-Spannungsrelais unter-
brochen, das über einen Spannungswandler an die Generatorspannung
angeschlossen ist. Außerdem sieht man noch ein Zeitrelais vor, das
nach einer einstellbaren Zeit auf alle Fälle die Gegen-Erregung unter-
bricht.
N. Relais-Prüfeinrichtung
Da die Schutzrelais nur sehr selten zum Ansprechen kommen, ist es
zweckmäßig, ihre Betriebsbereitschaft regelmäßig zu kontrollieren. Hier-
zu dienen Relais-Prüfeinrichtungen, mit denen die Relais während des
Betriebes oder Stillstands des Generators zum Ansprechen gebracht und
RS T

3 I> I> I>

Abb. 164. Einfaches Prüfen eines Überstromrelais mit ÜberlagerungEstrom.


1 Drehstrom-Synchrongenerator; 2 Stromwandler; 3 Überstromrelais;
4 Prüfstromquelle; 5 Prüfwiderstand; 6 Prüftaster.

so aufrichtige Wirkungsweise erprobt werden können .. Die Relais-Prüf-


einrichtnng muß absolut sichereine Fehlabschaltung des Generators ver-
hindern; leichte Bedienung ist anzustreben. Abb. 164 zeigt ein einfaches
Prüfverfahren mit Überlagerungsstrom für 3 Überstrom-Relais. Mit den
Prüftastern wird dem Betriebsstrom der Relais noch ein fremder Strom
aus einer Wechselstromquelle überlagert, der mittels Widerstand 5
auf einen zum Ansprechen sicheren Wert einmalig eingestellt wird.
Bei Betätigung des Prüftasters 6 liefert die Prüfeinrichtung bei Er-
problmg während des Betriebes den zum Ansprechen noch fehlenden
Zusatzstrom, der für die Prüfung bei stillstehender Maschine mittels
12*
180 Transformatorschutz

Prüfwiderstand auf den vollen Ansprechwert erhöht werden muß. Um


bei der Prüfung eine Fehlabschaltung des Generators zu vermeiden,
werden bei Betätigung des Prüfschalters gleichzeitig die Auslöse-Lei-
tungen für den Generator- und Entregungsschalter unterbrochen. Mit
Meßinstrumenten und Regeleinrichtungen erweiterte Prüf-Einrichtungen
gestatten die Ansprechwerte für Strom, Spannung und Laufzeit der
Relais bei Stillstand oder Betrieb des Generators genau zu ermitteln,
ohne daß irgendwelche Um.klemmungen an den Relais während ihrer
Erprobung vorgenommen werden müssen. Zu e;nem Relais-Prüfwagen
zusammengebaut, kann die Erprobung der Schutzeinrichtungen für
alle Maschinen des Kraftwerkes in einfacher und genauer Weise durch~
geführt werden.

VI. Transformatorschutz
A. Allgemeines
Auch für die Transformatoren gilt derselbe Grundsatz wie für die
Generatoren, daß ihre Konstruktionen allen betriebsmäßigen Anfor-.
derungen und darüber hinausgehenden Beanspruchungen vorüber-
gehend gewachsen sein müssen, ohne Schaden zu erleiden. Äußere Ein-
wirkungen, wie Stoßspannungen 1 atmosphärischer Herkunft führen
infolge der übermäßigen Beanspruchung der dielektrischen Festigkeit
ohne Erwärmung der Wicklungsisolation früher oder später zu einem
Isolationsdurchschlag. Um einen Transformatorschaden zu vermeiden
oder zu begrenzen, sind Schutzmaßnahmen notwendig, die bei einer
drohenden Gefährdung vorbeugend warnen oder abschalten und bei einem
eingetretenen Defekt immer den Transformator sofort spannungslos
machen. Wieder ist wie beim Generatorschutz die grundsätzliche Auf-
gabe gestellt, daß die Schutzrelais bei inneren Schäden oder bei Stö-
rungen auf den anschließenden Sammelschienen sicher ansprechen und
bei entfernten Netzstörungen eine Fehlauslösung sicher vermeiden. Der
Schutz für Transformatoren ist mit einfacheren Mitteln möglich als
für Generatoren. Die gebräuchlichsten Schutzeinrichtungen für Trans-
formatoren sind:
a) gegen äußere Einwirkungen:
Schutz gegen atmosphärische Überspannungen
Schutz gegen äußere Kurzschlüsse und thermische Überlastungen.
b) gegen innere Fehler:
Buchholzschutz
Differentialschutz.
1 R. ELSNER: Detection of insulation failures during impulse testing of ttans-
l'ormers. CIGRE-Ber. 1954, Nr. 101.- W. RABUS: The impulse volta.ge difference
method for the detection a.nd loca.tion of faults during fullwave impulse test on
transformers. CIGRE-Ber. 1954, Nr. 139.
Überstrom- und Überlastschutz 181

B. "Überspannungsschutz
Gefährliche Überspannungen können durch atmosphärische Stö-
rungen, Schaltvorgänge oder intermittierende Erdschlüsse ausgelöst
werden. Um sie auf ein für die Transformator-Isolation unschädliches
Maß herabzusetzen, werden Überspannungsahleiter vorgesehen und in
der Regel am Eingang der Station in jede Leitung eingebaut. Die Ab-
leiter setzen die ankommende Überspannungswelle bis auf die soge-
nannte Restspannung herab und flachen außerdem die Welle ab, so daß
die zwischen benachbarten Windungen des Transformators auftretende
Spannung ausgehalten werden kann.

C. "Überstrom- und "Überlastschutz


Gelingt es bei Sammelschienen- und Netz-Kurzschlüssen dem Netz-
schutz nicht, die defekte Stelle abzutrennen, so muß auch der Trans-
formator abgeschaltet werden, um durch Überströme zu langer Dauer

I
eine übermäßige Erwärmung zu vermeiden.
Hierzu verwendet man Überstrom-Zeitrelais, die ~ f ~-
bei Überschreiten des eingestellten Überstromes ~mmma·~~·..J.
ansprechen und bei Andauern des Überstromes
Abb. 165. Bimetallrelais
-nach Ablauf der Auslöseverzögerung Kontakt für Transformator.
geben für die Transformator-Abschaltung. Um
den speziellen Schutzrelais gegen Netz-Kurzschlüsse Gelegenheit zum
Ansprechen zu geben, müssen die Überstrom-Zeitrelais auf Zeitver-
zögerung eingestellt werden, die dem Netzschutz augepaßt werden
muß. Sie sprechen auch auf innere Kurzschlüsse an, hab~n jedoch
wegen der Auslöseverzögerung nur eine Grobschutzwirkung. In Not-
fällen kann es wertvoll sein, die volle Überlastungsfähigkeit des Trans-
formators auszuschöpfen.. Hierzu is:t es notwendig, die Wicklungs-
temperatur zu überwachen. Dazu dienen Thermo-Relais, die die Er-
wärmung des Transformators dauernd messen, und ansprechen, sobald sie
einen zulässigen Höchstwert erreicht hat. Besonders bei Transforma-
toren leistet die Anwendung von Thermo-Relais gute Dienste, die durch
Ausnutzung der großen Überlastbarkeit eine in kritischen Versorgungs-
zeiten nützliche Leistungsreserve schaffen. Das Thermo-Relais läßt
man meist auf Signal wirken, damit das Personal für Entlastung des
Transformators sorgen kann, wozu noch Zeit ist, da der Transformator
betriebsmäßigen Überlastströmen kurzzeitig ohne Schaden standhält.
Für den Überlastschutz genügt ein Thermo-Relais in einer Phase. Sind
noch Überstrom-Zeitrelais vorhanden, so empfiehlt sich eine Kombination
von 2 Überstrom-Zeitrelais in 2 Phasen für den Kurzschlußschutz und
1 Thermo-Relais in der dritten Phase für den Überlastschutz des Trans-
formators.
182 Transformatorschutz

Transformatoren können auch gegen Überlastung geschützt werden,


d11durch, daß man unter dem Deckel einen Bimetallstreüen anbringt, der
sich bei Erwärmung des Transformators durchbiegt (s. Abb. 165). Der
Bimetallstreüen kann bei zu großer Erwärmung des Trahsformators
einen Kontakt schließen, der das Personal warnt. Bei unbewachten
Transformatoren kann ein solches Bimetallrelais auch unmittelbar die
Abschaltung des Transformators bewirken.

D. Buchholz-Schutz
Zur Feststellung innerer Fehler bei Öltransformatoren mit Aus-
dehnungsgefäß eignet sich der nach dem Erfinder benannte Buchholz-
Schutz, der sehr empfindlich arbeitet. Sein Prinzip
beruht auf der Erscheinung, daß jeder Fehler im Öl
von einer Gasentwicklung begleitet ist. Die Gas-
blasen werden in einem Schwimmer-Apparat im
Deckel des Kastens gesammelt, der bei leichteren
Abb. 166· Schematische
Anordnung des
Fehlern ein Warnsignal betätigt, bei schweren den
Buchholz-Schutzes. Transformatorschalter abschaltet.
Das Buchholz-Relais wird in die Verbindungsleitung zum Ausdeh-
nungsgefäß eingebaut (Abb.l66). Das Relais enthält im Innern (Abb.l67)
z. B. zwei Schwimmer. Werden infolge eines inneren Fehlers Gasblasen
gebildet, so steigen diese nach oben und gelangen in das Buchholz-Relais,
in welchem sie allmählich
die Flüssigkeit verdrängen.
Dadurch nimmt der Auf-
trieb des oberen Schwim-
mers ab,er bewegt sich nach
unten und eine Quecksilber-
Schaltröhre schließt einen
Kontakt, durch den ein Si-
gnal ausgelöst werden kann.
Das Personal wird gewarnt
und kann versuchen, die
vom
li-ons- Ursache des Ansprechens
/örmqfor
zu ergründen und gegebe-
nenfalls den Transforma-
tor zwecks näherer Unter-
suchung abzuschalten_
Abb. 167. Buchholz-Relals. Kurzschlüsse im Innern
des Transformators werden
stets mit einer heftigen Gasentwicklung verbunden sein. Hierdurch wird
das Öl stoßartig in das Ausdehnungsgefäß gepreßt und der untere
Differentialschutz 183
Schwimmer durch die kräftige Ölströmung nach unten gekippt. Die
hiermit verbundene Kontaktgabe löst unmittelbar den oder die Leistungs-
schalter aus.
Der Buchholz-Schutz ist ein Überwachungs-Apparat, der auf alle
Fehler innerhalb des Kastens anspricht, und diese schon im Entstehen
meldet. Außer Isolationsfehlern erfaßt er auch Leiterbrüche, schlechte
Kontaktstellen z. B. an den Stufenschaltern, sowie Eisenbrand. Ferner
spricht dieser Schutz auch auf Überschläge unter Deckel an, die meist an
den Durchführungen auftreten. Er arbeitet selektiv, da die Gasent-
wicklung nur durch Vorgänge im zugehörigen Transformator hervor-
gerufen wird. Im Hinblick auf mögliche Störungen außerhalb des Kes-
sels, wie Klemmenüberschläge, bedarf er einer Ergänzung, die meist
durch den Differentialschutz vorgenommen wird.

E. Differentialschutz
Der Differentialschutz kann gemäß Abb. 168 ausgebildet sein. Das
Differential-Relais wird an Stromwandler vor beiden Transformator-
wicklungen angeschlossen und R S T
durch die Differenz ihrer Sekun-
därströme erregt. Bei Kurz-
schluß im Bereich zwischen den
2 •I I~
Stromwandlern fließt ein Strom,
l
in der Auslösewicklung des Re- tr "
~
lais, so daß es anspricht. Es l
werden also auch die Zuleitun- U V w l<
l OJ
gen zu den Transformatorwick- L....J._
Yd5 1~ dreipoties I
lungen innerhalb der Einbau- 1 11 Oifferentia relois 1
stelle der Stromwandler mitge- v~u
schützt. lL lJ 7/J

Im Normalbetrieb und bei

~.
Kurzschlüssen außerhalb des
Schutzgebietes, das durch die 2 ·II Kl "
beiden Stromwandlergruppen
begrenzt wird, soll das Differen-
tialrelaisnicht ansprechen. Auch
R S T
im Normalbetrieb bei Trans- Abb. 168. Dlfferentialschut.z eines Drehstrom-Trans-
formatoren mit einer Regelwick- formators in Yd 5 Schaltung mit einem dreipoligen
Differentialrelals.
lung darf keine Fehlauslösung 1 Drehstrom-Transfcrmator in Yd 5 Schaltung;
2 Hauptstromwandler; 3 Zwischenstromwandler;
durch den Differentialschutz er- 4 Dreipoliges Differentialrelais.
folgen, wenn der Stufenschalter
in eine andere Stellung gebracht und sich hierdurch das Übersetzungs-
verhältnis des Transformators ändert. Ferner kann der unvermeidliche
Magnetisierungsstrom eine Fehlauslösung bewirken, da er im Normal-
184 Transformatorenschutz

betrieb einen durch die Hauptstromwandler übersetzten Strom durch das


Differentialrelais schickt und deshalb die gleiche Wirkung hat wie ein
Fehlerstrom. Der Magnetisierungsstrom kann bei veränderten Betriebs-
verhältnissen z. B. bei vorübergehender Erhöhung der Netzspannung,
etwa nach La.stabschaltungen, ansteigen und unter Umständen das
Differentialrelais zum Ansprechen bringen. Der Magnetisierungsstrom
ist besonders beim Einschalten von Transformatoren groß (s. S. 135).
Ebenso kann bei Stern-Stern-Transformatoren mit geerdetem Steru-
R s r punkt im Falle von Netz-
1l l \ \ \ -1' .fl
Erdschluß ein hoher Fehler-
li strom entstehen, der ohne
besondere Abhilfe das Diffe-
,, rentialrelais zum Ansprechen
•II,K
bringen würde. Wenn die
2
I~ ~ ~
l Stromwandler nicht bis zu
den höchsten vorkommenden
u V W ,.- ·-·-·h Stoßkurzschlußströmen ge-
nau abgeglichen sind, er-
i 4 ( ~~ i 3 geben sich ebenfalls Diffe-
vvu
Yd5

I h '"'"ih -"1
-'1'
renzströme, die zum Fehl-
L~lo>t ansprechen führen können.
u V nJ -·- -j_j
+ Zur Vermeidung von
2 ~h
ILK
l
jl I~ Fehlauslösungen infolge der
vorbezeichneten Ursachen
I,
werden die unten erwähnten
\ -1'
J J D
Maßnahmen am Differential-
relais ergriffen. Bei Stern-
lll R S T
Dreieck-Schaltung, die in
Abb.l68 vorgesehen ist, muß
Abb. 169. Scbaitung der Stromwandler fllr den Differential·
schutzeines Transformators in Stern-Dreleck-Schaltwip; Y5 a. durch entsprechende Schal-
1. Drehstrom-Transformat{)r; 2. Stromwandler; tung von Hilfsstromwand-
3. Differentialrelais; 4. Leistungsschalter.
lern die Phasenverschiebung
sekundär- gegenüber primärseitig berücksichtigt werden. Man kann
auch die Phasenverdrehung durch Dreieck-Schaltung der Primärwandler
entsprechend Abb.l69 erreichen, jedoch ist die Schaltung nach Abb. 168
für solche Fälle vorzuziehen, da hierbei eine gleichwertige Erdung der
3 Sekundärwicklungen im Sinne der VDE-Vorschriften für Stromwandler
in Hochspannungsanlagen über I kV gegeben ist.
Wenn der Nullpunkt einer Transformatorwicklung bei Stern-Stern-
Schaltung des Transformators direkt oder über eine Löschspule geerdet
ist (Abb. 170) kann mit einer Fehlauslösung des Differential-Relais bei
einem Erdschluß außerhalb des durch die Stromwandler begrenzten
Schutzbereiches gerechnet werden, weil hierbei die primären und sekun-
Differentialschutz 185
dären Ströme in jeder Phase des Transformators nicht mehr gleich groß
bleiben und infolgedessen ein störender Nullpunkt-Strom über das
Relais fließt. Das unerwünschte Ansprechen des Differentialrelais läßt
sich durch Dreieck-Schaltung und zwar wieder zweckmäßig der Zwischen-
Stromwandler-Sekundärwick- 'n s r
Iungen erreichen.
Um bei störenden Diffe-
renzströmen ein Fehlanspre-
chen des Differentialschutzes
zu vermeiden, wird dieses, wie 3
folgt stabilisiert.
Bei einem normalen Diffe-
rentialschutz spricht das Relais
(s. Gerade a, Abb. 171) bei 3
einem bestimmten Fehler-
strom I 1 an. Bei einem Trans-
formator ohne Regelbarkeit
wird man I 1 so wählen, daß It
mit genügender Sicherheit R S T
über dem Fehlerstrom I,.., der Abb. 170. Differentialschutz eines Drehstrom-Trans·
formators mit Erd schluß-Löschspule auf der
durch den Magnetisierungs- Oberspannungsseite.
1. Drehstrom-Transformator mit Erdschluß-Löschspule
strom des Transformators und auf der Oberspannungsseite; 2. Hauptstromwandler;
durch Wandlerfehler bei hohen 3. Zwischenstromwandler; 4. Dreipoliges
Dlfferentialrelals.
Strömen bedingt ist, liegt.
Wird die Wicldung geregelt, so verändert sich das Übersetzungsver-
hältnis, und da die Differentialwandler in ihrem Übersetzungsverhältnis
unverändert bleiben, wird sich jetzt ein Fehlerstrom, der durch das
Differentialrelais fließt, ergeben. Dieser zu-
sätzliche Fehlerstrom I/ wird (konstante An-
zapfung vorausgesetzt) proportional dem ab-
gegebenen Strom ansteigen (Gerade b) und
bei einer Stromstärke, die größer als I 0 ist
abgegebener Strom
(s. Abb.l7l), wird das Differentialrelais
Ahb. 171. Fehlerkurve und Ansprach-
ansprechen, obwohl kein Fehler vorliegt. kurve in Abhängigkeit des Stromes.
Günstiger wäre eine Charakteristik des Diffe-
rentialrelais wie in Abb. 172a (Gerade a), d.h. der Auslösestrom soll
mit wachsendem abgegebenen Strom ebenfalls zunehmen. Zeichnet
man in dieser Abbildung den durch den Magnetisierungsstrom und
das veränderte Übersetzungsverhältnis bedingten Fehlerstrom ein
(Gerade b), so erkennt man, daß sich zwischen den beiden Geraden a
und b kein Schnittpunkt mehr ergibt. Das Differentialrelais wird also
nicht ansprechen, sofern nicht ein großer Fehlerstrom auftritt, der
durch einen Fehler im Transformator hervorgerufen wird. Die an-
186 Transformatorschutz

steigende, wenn auch nicht immer geradlinige Charakteristik a erhält


man, indem mit dem Anker des Differentialrelais R der Anker eines
zweiten Relais Z verbunden wird, welches von, einem Strom durchflossen
wird, der dem Leitungsstrom entspricht (Abb. l72b). Die Kräfte von Z
und R sind einander entgegengesetzt gerichtet. Steigt der Leitungs-
strom, dann nimmt die Kraft der Spule Z, welche den Anker in der

abgege/Jener Strom
Abb. 172a. Gewünschte Ansprech· Abb. 172b. Differentialrelais mit
kurve in Abhängigkelt des zusätzlicher Haltewicklung.
abgegebenen Stromes.

Ruhelage halten will, zu. Es ist jetzt ein größerer Fehlerstrom, der durch
das Differentialrelais R fließen muß, notwendig, um ein Ansprechen
herbeizuführen. Man hat also durch ein solches stabilisiertes Differential-
relais mit zusätzlicher Haltewicklung den Vorteil, auch Regeltransforma-
toren schützen zu können. Selbstverständlich ist ein Differentialrelais
mit Haltespule auch brauchbar, um bei einem· Differentialschutz für
einen Generator das genaue Abgleichen der Wandler vermeiden zu

K
•--I

a b
Abb. 173a-c. Sperrelais für Differentia!Echutz (SSW). a Schaltung, b Relais, c Ansprechbereich.

können, da bei einem außerhalb des Generators liegenden Kurzschluß die


durch Ungenauigkeiten der Wandler hervorgerufenen Fehlerströme jetzt
keine Falschauslösungen hervorrufen können.
Eine andere oft mit Vorteil anzuwendende Lösung läßt sich mit dem
Sperrelais der Abb. l73b durchführen. Man hat zwei Spulensysteme, die
von den Strömen / 1 und / 2 , welche gleichphasig angenommen sind, durch-
flossen werden. Ist der Anker in der Mitte des Luftspaltes, dann wirken
(Windungszahl = l gesetzt) beispielsweise auf den linken Luftspalt
11+12 und auf den rechttm / 1- /2 Amperewindungen. Sieht man von
der Sättigung ab, dann ist die nach links wirkende Kraft proportional
Differentialschutz 187
(I1 +J2) 2 und die nach rechts (I1- I2) 2• Resultierend wirkt auf den
Anker (I1 +I2) 2 -(I1 - I2) 2 =4I1I 2• Der Anker kippt nach links, falls

:~
t
VVV
m~-~D~~~~~D~~~DD~~
~f\/ IJVVVVV VVVV V vV\
~UJ--i.dt
Abb. 1U. Oszillogramm des Einschaltstromstoßes in den 8 Phasen eines Transformators.

die Kraft größer ist als die Haltekraft einer Feder. Die Ansprechkurve
I 2 =/(I1) müßte also eine Hyperbel sein. Praktisch (falls der Anker in
der Ruhelage etwas rechts der Mitte liegt) ergeben sich die Ansprech-
kurven der Abb. 173 c. Be- H s r
trachten wir den mit dem
Differentialrelais R verse-
henen Transformator der
l 1 1-~---r;:::::t;:=tr-----,
5 ~+~-.....,1;;'-[ZJ

Abb. 173a und denken wir


uns die Spulen I und I I des
Sperrelais der Abb.l73b
von den Wandlerströmen I 1
und I 2 durchflossen, so kön-
nen I 1 und I 2 etwas ver-
schieden sein, das Sperrelais
wird, solange die Ströme
gleichphasig und genügend
3
groß sind, ansprechen. Es 1 ~:::;:~
vermag zwar in diesem Falle
durch das Differentialrelais
ein Strom zu fließen, so daß
es anspricht, die Schalter
werden jedoch nicht ausge-
löst, da die Auslöseleitung ., IZI
über den jetzt offenen
Kontakt des Sperrelais
(Abb 173b) geführt ist. Abb. 175. Differentialschutzeines Transformators miteinem
Ist jedoch im Transfor- elnschaltsicheren.Prozent-l>ifferentialrelals.
1 Drehstrom-Transformator; 3 Hauptstromwandler;
mator bei A ein Fehler, 5 Zwischen-Stromwandler; 4 Differentialrelals;
5 Leistungsschalter.
so fließen die gestrichelten
Ströme. Das Differentialrelais R spricht an, das Sperrelais (welches
jetzt von entgegengesetzten Strömen durchflossen wird) bleibt in Ruhe,
so daß diesmal die Schalter ausgelöst werden.
188 · Die Schaltung von Kraftwerken und Umspannwerken

Ein Fehlansprechen infolge des unter Umständen sehr hohen Ein-


schaltstromstoßes (rush) eines Transformators wird bei dem sog. ein-
schaltsicheren, stabilisierten Differentialrelais vermieden. Bei einer Lö-
sung geht man davon aus, daß, wie Oszillogramm (Abb. 174) zeigt,
die auf einer Seite der Null-Linie liegenden Halbwellen durchweg viel
kleiner sind als die Halbwellen auf der anderen Seite. Einen solchen
Strom kann man hinsichtlich seiner Wirkung auf das Drehmoment einea
von ihm durchflossenen Relais einem Strom gleichsetzen, der mit halber
Betriebsfrequenz pulsiert.
Abb. 175 zeigt ein einschaltsicheres Prozent-Düferentialrelais, das
mit einfachen Zusätzen in der Weise ergänzt wurde, daß sein bewegliches
System infolge Resonanz unter Drehmomentimpulsen •von halber Be-
triebsfrequen"z vibriert. Diese Vibrationen halten bei normalen Ein-
schaltvorgängen so lange an wie die Stromstöße und verhindern die Aus-
lösekontakte der Relitis daran, lange genug geschlossen zu bleiben, um
die Auslösung zu bewirken. Sollte aber im Betrieb oder während des
Einschaltens ein Kurzschluß vorkommen, so schließen die Relaiskontakte
unter der vorherrschenden Wirkung der Betriebsfrequenz sofort und
lösen den Schalter mit der durch den eingebauten Zeitschutz gegebenen
kleinen Verzögerung von 0,1-0,15 sec aus.
Eine weitgehende Unempfindlichkeit gegen Fehlansprechen infolge des
Einschaltstromstoßes erhält man auch durch Verwendung eines über
Gleichrichter gespeisten DrehspulreJsrls, das den arithmetischen Mittel-
wert des Stromes erlaßt.

Vll. Die Schaltung von Kraftwerken


und Umspannwerken1
Zur Verteilung der in den Kraftwerken erzeugten elektrischen Energie
dienen die Schaltanlagen, deren grundsätzliche Schaltung im folgenden
behandelt werden soll. Im einfachstenFalle arbeitenmehrere Generatoren
auf ein Sammelschienensystem, von dem eine Reihe von Leitungen zu
Umspannwerken oder zu größeren Verbrauchern führen. In der Abb. 176
erfolgt die Verteilung mit der Generatorspannung. Jedem Generator muß
ein Leistungsschalter vorgeschaltet sein, ferner muß jeder Abzweig einen
solchen besitzen. Vor den Generatorschaltern sind Trenner notwendig,
um bei abgeschaltetem Generator den Leistungsschalter spannungslos
untersuchen zu können.' Ohne Trenner würde der eine Kontakt des

1 Siehe auch WALTJEN: Schaltanlagen für Drehstromkraftwerke. Berlin:

Springer 1929 und H. BLASCHKE: Schaltung und Bemessung von Sammelschienen


elektrischer Anlagen. Leipzig: Akad. Verlagsges. Gee3t u. Portig K.-G. 19!9.
Die Schaltung von Kraftwerken und Umspannwerken 189
Leistungsschalters von der Sammelschiene Spannung erhalten. In den
Abzweigen wird meist beidseitig des Leistungsschalters je ein Trenner
vorgesehen. Wenn es sich um Ausläuferleitungen handelt, die also nicht
von der anderen Seite her gespeist werden können, kann wie in der
Abb. 176 links oben dargestellt, der der Leitung zugekehrte Trenner
wegfallen. Oft wird jedoch auch hier, soweit es sich um Freileitungen
handelt, ein Trenner vorgesehen, da die abge-
schaltete Leitung durch atmosphärische Be-
einflussungen elektt1sch aufgeladen werden
kann und man daher die Möglichkeit haben
sollte, bei Untersuchung des Leistungsschalters
diesen durch einen davorliegenden Trenner
von der Leitung abtrennen zu können.
Wenn die Verteilungsspannung eine höhere
als die Generatorspannung ist, wird man jedem
Generator einen Transformator zuordnen Abb.l 76 · Generatoren arbeiten
auf Einfachsammelschiene.
(Abb. 177). Generator und Transformator
bilden eine Einheit und es ist nicht notwendig, zwischen Generator und
Transformator einen Leistungsschalter zu legen, sondern es genügt, wenn
der Leistungsschalter auf der Obe~spannungsseite des Transformators
vorgesehen wird. Diese Anordnung wird als Blockschaltung bezeichnet;
sie hat den großen Vorteil, daß bei einem
Sammelschienen-Kurzschluß die Kurzschluß-
ströme durch die Streuinduktivitäten der
den Generatoren vorgeschalteten Transfor-
matoren gedämpft werden.
Gelegentlich ist es notwendig, daß in
einem Kraftwerk die Energie mit zwei ver-
schiedenen Spannungen verteilt werden muß.
Beispielsweise arbeiten die Generatoren in
einem nahe einer Stadt liegenden Werk mit
einer Spannung von 6000 V. Mit dieser Span-
nung werden die Transformatorenstationen in Abb. 177. Generatoren arbeiten
·
d er St ad t gespeist, während die L eitungen,
· über Transformatoren auf
Einfachsammelschiene.
welche zu einem benachbarten Überland-
werk gehen, eine höhere Spannung, z.B. 60kV, besitzen (s. Abb.l78).
Wenn sehrviele Generatoren unmittelbar auf ein Sammelschienensystem
wirken, können bei großen Leistungen unangenehme Kurzschlußströme
auftreten. Man unterteilt deswegen gelegentlich die Sammelschienen in
zwei Sammelschienenabschnitte und fährt bei voller Belastung mit ge-
trennten Hälften. Wenn jetzt ein Kurzschluß an einer Sammelschiene
auftritt, ist der Kurzschlußstrom in diesem Falle nur etwa 1 / 2 so groß.
In der Abb. 178 ist ein Reservegenerator vorgesehen, der, wenn benötigt,
190 Die Schaltung von Kraftwerken und Umspannwerken

sowohl auf den rechten, als auch auf den linken Abschnitt geschaltet
werden kanu. Sind bei geringer Belastung insgesamt z. B. nur zwei
Generatoren eingeschaltet, dann kann es notwendig sein, die Sammel-
schienen zu kuppeln.
In Fällen, in denen die Verteilung mit zwei verschiedenen Span-
nungen erfolgt, wobei jedoch die Spannungen höher als die Generatoren-
spannung sind, empfiehlt sich die Verwendung von Dreiwicklungs·
transformatoren (s. Abb. 179). Während bei der Schaltung nach Abb. 177
zwischen den Generatoren und Transformatoren keine Leistungsschalter
notwendig waren, ·sind sie jetzt erforderlich. Es besteht so die Möglich-

mkv-...,.--H--I
.1okV n

5kV

Abb. 178. Zwei Sammelschienen zur Verteilung Abb. 1711. Generatoren arbeiten über
der elektrischen Energie mit 2 Spannungen. Dreiwicklungstransformatoren
auf 2 Sammelschienen.

keit, daß bei defektem oder abgeschaltetem Generator der zugehörige


Transformator trotzdem in Betrieb bleibt und beispielsweise Energie YOn
dem Sammelschienensystem I nach dem Sammelschienensystem II bzw.
umgekehrt überträgt.
Bei den bis jetzt behandelten Systemen war der Einfachheit halber
angenommen, daß nur ein Sammelschienensystem vorhanden war. Man
wird jedoch stets, wenn es sich um wichtige Anlagen handelt, Doppel-
sammelschienensysteme anw~nden. Die Vorteile dieser Doppelsammel-
schienensysteme seien an einem einfachen Beispiel (Abb.180) erläutert.
In der Abb.180 ist angenommen, daß das obere Sammelschienensystem
in Betrieb ist, während das untere als Reserve dient. Entsprechend dem
doppelten Sammelschienensystem ist jetzt die doppelte Anzahl von
Trennern notwendig, von denen jedoch nur jeweils die eine Hälfte
eingeschaltet ist, in diesem Falle die rechte. Sollen an dem Sammel-
Die Schaltung von Kraftwerken und Umspannwerken 191

schienensystem I Arbeiten vorgenommen werden (z. B. Reinigen der Iso-


latoren), dann kann das Sammelschienensystem II in Betrieb genommen
werden, indem jetzt. sämtliche linken Trenne1 eingelegt und dann die
rechten abgeschaltet werden.
Das Doppelsammelschienensystem bietet ferner die Möglichkeit, mit
getrennten Netzen zu fahren. Abb. 181 zeigt, daß die linken Genera-

Abb. 180. Doppelsammel- Abb. 181. Doppeleammelschimensystem; jede


EChienensystem. Sammelschiene arbeitet auf je einen Abzweig.

toren auf das obere Sammelschienensystem I und die rechten auf das
untere Sammelschienensystem II arbeiten, weiter ist der linke Abzweig
mit dem oberen Sammelschienensystem und der rechte mit dem unteren
verbunden. Durch die Trennung der Systeme werden einmal die Kurz-
schlußströme verkleinert und außerdem kann
man beide Systeme, um verschiedene Span-
nungsabfälle in den abgehenden Leitungen
gegebenenfalls auszugleichen, mit verschiede-
ner Spannung betreiben. Ob man diese Mög-
lichkeit ausnutzt, ist eine Frage, die von
Fall zu Fall zu entscheiden ist.
Günstig ist bei Doppelsammelschienen-
systemen die Verwendung eines Kuppelschal-
ters (s. Abb. 182). Mit diesem kann man den
Übergang von einem Sammelschienensystem Abb.1B2. Doppelsammelschlenen-
auf das andere etwas einfacher gestalten. system mit Kuppelschalter.

Man wird jetzt so vorgehen, daß man den Kuppelschalter und in jedem
Abzweig den offenen Trenner einlegt und hierauf den geschlossenen
herausnimmt. (Man kann die Trenner auch wie früher geschildert
einlegen.) Anschließend wird der Kuppelschalter wieder geöffnet. Die
bei der Anordnung nach Abb. 182 erforderliche Reihenfolge der Schalt-
handlungen, bei deren Nichtbefolgen gelegentlich Trenner unter Last
gezogen werden, braucht hierbei nicht eingehalten zu werden.
192 Die Schaltung von Kraftwerken und Umspannwerken

Der Kuppelschalter bietet im Falle des Fahrens mit zwei getrennten


Systemen die Möglichkeit, beide Systeme, sofern Frequenzverschieden-
heiten vorhanden sind, wieder zu synchronisieren.
Der Kuppelschalter kann außerdem als HUfsschalter dienen, wenn in
einem Abzweig ein Leistungsschalter beschädigt sein sollte. In der
Abb. 183 ist angenommen, dies sei mit dem
rechten LeistungsschalterS der Fall. Der Lei-
stungsschalter S wird dann überbrückt, der
Abzweig an das freie Sammelschienensystem
gelegt und der Kuppelschalter eingelegt. Der
-l---'-i
-......-4-..... Abzweig wird jetzt über den Kuppelschalter
gespeist und bei einem Kurzschluß auf der
Strecke wird der Kuppelschalter auslösen. In
diesem Falle müssen alle Generatoren auf eine
Sammelschiene arbeiten.
Abb. t8S. Doppeleammelechlenen- Abb. 184 zeigt ein Doppelsammelschienen-
system mit Kuppelschalter bei system, bei dem noch eine dritte Hilfsschiene
schadhaftem Leistungsschalter.
vorgesehen ist. Hierdurch soll erreicht werden,
daß in jedem beliebigen Abzweig jeder Leistungsschalter außer Betrieb
genommen und nachgesehen werden kann, ohne daß eine Unterbrechung
der Leist~ngsabgabe stattfindet. Hi:erzu ist ein Umgehungsschalter

Abb. 184. Doppelsammelschienensystem mit zusätzlicher Hilfeschiene h.

notwendig, der die Verbindung zwischen· den Hauptsammelschienen und.


der Hilfsschiene herstellt. Soll etwa ein Leistungsschalter nachgesehen
werden und ist das Sammelschienensystem I in Betrieb, dann müssen
die entsprechenden Trenner und dann der Umgehungsschalter ein-
geschaltet werden. Jetzt kann der zu untersuchende Leistungsschalter,
sowie die zugehörigen Trenner abgeschaltet werden, ohne daß eine
Leistungsunterbrechung eintritt.
Abb. 185 zeigt ein Doppelsammelschienensystem, wie es bei größeren
Kraftwerken mit großen Kurzschlußströmen zur Anwendung kommen
kann. Die Sammelschienen sind in mehrere Gruppen unterteilt (in diesem
Die Schaltung von Kraftwerken und Umspannwerken 193
Falle in drei), und die einzelnen Gruppen können widerstandslos bzw.
über Drosselspulen miteinander verbunden werden.
Man wird im allgemeinen versuchen bei Schaltanlagen ohne Drossel-
spulen auszukommen und die notwendige Induktivität zur Begrenzung
des Kurzschlußstromes in die Streuung der Transformatoren hinein-
zulegen. Bei größeren Leistungen und mittleren Spannungen z. B. 30 kV
genügen diese Mittel nicht immer und man muß zur Begrenzung der
Kurzschlußströme Kurzschlußdrosselspulen vorsehen. Diese Drossel-
spulen begrenzen vorwiegend die Stoßströme, während ihr Einfluß auf

Abb. 185. Unterteiltes Doppelsammelschienensystem mit Drosselspulen


zur Kurzschlußstrombegrenzung.

die Dauerkurzschlußströme nicht so groß ist. Normalerweise, wenn die


drei Sammelschienenabschnitte durch die zugehörigen Generatoren ge-
speist werden, sind die drei Abschnitte durch die Schalter 8 1 über die
Drosselspulen miteinander verbunden. Die Drosselspulen können ge-
nügend Induktivität erhalten, da durch sie meist nur ein unbedeutender
Ausgleichsstrom fließt, der nur einen kleinen Spannungsabfall bedingt.
Tritt jedoch in einem der Sammelschienenabschnitte ein Kurzschluß auf,.
dann begrenzen diese Drosselspulen wirksam die zufließenden Kurz-
schlußströme und die nicht vom Kurzschluß betroffenen Sammelschienen-
abschnitte erfahren nur eine mäßige Spannungsabsenkung, so daß die
zugehörigen Generatoren nicht außer Synchronismus geraten.
Sollten aus betrieblichen Gründen in das linke Sammelschienensystem
von den rechten Sammelschienen aus beachtliche Ströme fließen, so
würde durch die Drosselspulen der Spannungsabfall zu groß werden. Man
wird deshalb einen Überbrückungsschalter 8 2 einlegen, der die Sammel-
schienensysteme widerstandslos verbindet. Dieser Schalter wird so ein-
gestellt, daß er im Störungsfall augenblicklich schaltet. Tritt in einem
Abzweig des linken Sammelschienensystems ein Kurzschluß auf, so wird
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Aufl. 13
194 Die Schaltun_g von Kraftwerken und Umspannwerken

der Schalter 8 2 sehr rasch auslösen und beide Sammelschienensysteme


sind jetzt nur über die Drosseln miteinander verbunden. ·Im gesunden
System wird damit die Spannung einigermaßen gehalten und die in das
kranke System hineinfließenden Kurzschlußströme werden stark durch
die Drosselspule begrenzt. Außerdem wird dann der Schalter im kranken
Abzweig nach einiger Zeit den Kurzschluß abschalten. Der Über-
brückungsschalter 8 2 muß sehr leistungsfähig ausgebildet sein, denn er
schaltet sehr schnell ab und hat demgemäß einen hohen Kurzschlußstrom,
der noch nicht auf die Größe des Dauerkurzschlußstromes abgeklungen
ist, abzuschalten. Handelt es sich um einen Sammelschienenkurzschluß
im linken System, dann wird nicht nur der Überbrückungsschalter 8 2
auslösen, sondern auch der zur
Drosselspule gehörende Schal-
ter 8 1 und das linke kranke System
abtrennen.
Man kann die in einem Ab-
zweig auftretenden Kurzschluß-
ströme sehr stark verkleinern,.
wenn auch hier Drosselspulen ein-
gebaut werden. Diese können ver-
Abb. 186. Umspannwerk, Lageplan.
hältnismäßig große Induktivität
haben, ohne daß bei Nennstrom d.er Spannungsabfall zu groß wird, da
durch sie ja nur die im Verhältnis zur Kraftwerksleistung kleine Leistung
des Abzweiges fließt. Die in den Abzweigleitungen gelegenen Drossel-
spulen erzeugen bei Nennstrom eine induktive Spannung in der Größen-
ordnung von 3 bis 8% der Sammelschienenspannung. Der durch sie
bedingte Spannungsabfall ist jedoch wesentlich kleiner, da der induktive
Spannungsabfall geometrisch von der Sammelschienenspannung abge-
zogen werden muß.
Es sei erwähnt, daß man in wichtigen Anlagen oft sogar Dreifach-
sammelschienen hat, die eine freizügige Betriebsführung gestatten.
In ähnlicher Weise wie bei Kraftwerken erfolgt die Ausbildung der
Schaltanlagen bei Umspannwerken. Abb. 186 zeigt schematisch das
Umspannwerk U, welches von den Kraftwerken K 1 und K 2 mit UO kV
über je eine Doppelleitung gespeist wird. An das Umspannwerk weiterhin
angeschlossen ist eine HO kV-Ringleitung mit einem Kraftwerk K 3 • In
der Umspannstation soll die Spannung beispielsweise auf 20 kV erniedrigt
und mit dieser Spannung die Umgebung mit Strom versorgt werden.
Abb. 187 zeigt die Schaltung. Das UO kV-System ist von dem 20 kV-
System getrennt angeordnet; beide werden miteinander durch zwei Trans-
formatoren verbunden. Im Schaltbild ist auf der HO kV-Seite eine Erd-
schlußlöschung (s.·S. 384) durch die ErdschlußspulenD vorgesehen. Hierzu
sind die Sternpunkte der Transformatoren llO-kV-seitig mit der Erd-
Die Eigenbedarfsanlagen von Kraftwerken 195
schlußspule verbunden. Die Erdschlußspule hat Anzapfungen, die ge-
statten, bei Veränderungen des Netzes durch Wahl der richtigen An-
zapfung jeweils den günstigsten Kompensationsgrad zur Erdschluß·
]öschung einzustellen.
leitg.I
....--'-'--..

Abb. 187. Übersichtsplan mit Doppelsammelschiene und Umgehungsschiene.

VIII. Die Eigenbedarfsanlagen


von Kraftwerken
Moderne Dampfkraftwerke haben infolge der zahlreichen zum
Betriebe des Kraftwerkes notwendigen Hilfsanlagen einen erheblichen
Eigenbedarf an Energie (etwa 4-7,5% der Kraftwerksleistung). Zu
diesen Energieverbrauchern im Kraftwerk gehören die Antriebe, welche
für dieBekohlungund die Entaschung notwendig sind, die Antriebe für
die Kessel, für die Lüfter, für die Kesselspeisepumpen, sowie für die
verschiedenen Pumpen, welche in der Kondensationsanlage erforderlich
sind. Am idealsten ist die ausschließliche Verwendung von elektrischen
Antrieben für alle diese Hilfsbetriebe, und der Gedanke ist naheliegend,
diese Hilfsbetriebe mit der von den Generatoren erzeugten Energie zu
speisen. Es muß jedoch bei Störungen,· z. B. Kurzschlüssen, damit
gerechnet werden, daß die Spannung im Kraftwerk wegbleiben kann.
Damit verlieren die HUfsbetriebe ihre Antriebskraft und es fragt sich,
ob hierdurch nicht Schwierigkeiten auftreten. Leider ist dies für eine
große Reihe von Antrieben der Fall; so müssen z. B. die Antriebe für die
Kohlenmühlen, für die Mühlenbekohlung und für die Gebläse auch beim
Wegbleiben der Spannung betriebsfähig bleiben. Gleiches gilt für die
13*
196 Die Eigenbedarfsanlagen von Kraftwerken

Kondensationspumpen und die Kesselspeisewasserpumpen, deren An-


trieb auf jeden Fall sichergestellt sein muß. Für letztere wird deshalb
von den Überwachungsbehörden gefordert, daß, falls nur elektrisch
angetriebene Pumpen vorhanden sind, diese von zwei voneinander unab-
hängigen Stromquellen gespeist werden müssen. Oft wirq eine besondere
Leitung zu einem benachbarten Kraftwerk gezogen, die in einem solchen
Falle auf die Sammelschienen der Hilfsbetriebe geschaltet werden kann
und diese speist.
Eine andere wichtige Möglichkeit, die Hilfsbetriebe gesichert mit
elektrischer Energie zu versorgen, bietet die Schaltung nach Abb.I88, bei
der Hauptsammelschiene und
zum~Versorg.~ungsnetz Eigenbedarfssammelschiene
(beidemeistalsDoppelsammel·
schiene ausgebildet) längs ge-
teilt sind. Normalerweise sind
K I, A und B geschlossen und
K 2 geöffnet. G I und G 2
speisen die Abgänge zum Ver-
sorgungsnetz und die Eigen-
bedarfssammelschiene. Tritt
Gen.T Gen.z z. B. im rechten Teil der Haupt-
sammelschiene ein Kurzschluß
auf, so löst K I z. B. durch
K2 Unterspannungsrelais sofort
133 aus, bevor die Generatorschal-
Eigenbedarfs-Sammelschiene ter fallen, und es wird die
Abb. 188. Kraftwerk mit besonderer Sammelschiene
für Hllfsbetrlebe.
linke Eigenbedarfshälfte wei-
terversorgt. Durch automati-
sches Abschalten des Schalters B und Einschalten von K 2 erhält dann
auch die andere Hälfte wieder Spannung. Diese Schaltung bietet auch
besonders dann VOJ·teile, wenn z. B. durch Ausfall anderer Kraftwerke,
die auf dasselbe Versorgungsnetz arbeiten, das betrachtete Kraftwerk
in folge Überlastung zum Erliegen kommen würde (totaler Netzzusammen-
bruch). Durch den Kuppelschalter K I wird dann der Generator G I
vom Netz getrennt und hält so den Eigenbedarf aufrecht, so daß das
Kraftwerk nach Auftrennen des Netzes sofort wieder zuschaUbereit ist.
Eine weitere Lösung besteht darin, daß wichtige Antriebe außer
elektrischen Antrieb noch einen Antrieb durch eine kleine Dampfturbine
erhalten, die im Störungsfalle einspringen kann, da im Augenblick der
elektrischen Störung Dampf noch vorhanden ist. Bei modernen Höchst#
druckkraftwerken werden diese Hilfsturhinan jedoch sehr teuer, so da;ß
si.e nur für ganz wenige Antriebe verwendet werden können. Da dann
bei elektrischen Störungen jedoch. die vielen kleinen Antriebe z. B. für
Die Eigenbedarfsanlagen von Kraftwerken 197
Kohlenzuteiler, für die Feuerung usw. trotzdem ausfallen, und da die
modernen Kessel ein sehr geringes Dampfspeichervolumen besitzen,
kommt das Kraftwerk doch zum Erliegen, so daß diese Lösung heute
seltener angewendet wird. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Not-
versorgung der Hilfsantriebe mittels Gleichstrom, da im Störungsfalle
ihr Strombedarf durch die Gleichstrombetätigungsbatterien gedeckt
werden muß. An die Batterie sind normalerweise die Auslöserelais und
Betätigungsspulen für die Leistungsschalter, die Drehzahlstellmotoren,
die Schalterstellungszeiger und bei Störung auch die Notbeleuchtung
angeschlossen. Falls nun auch noch im Störungsfalle sehr viele Antriebs-
motoren auf die Batterie geschaltet werden sollen, so muß dieselbe
wesentlich vergrößert werden, was aus wirtschaftlichen und praktischen
Gründen ausscheidet. Man schließt daher nur ganz wenige Antriebe an
die Batterie an, um bei Totalausfall der Drehstromversorgung Schäden
an besonders empfindlichen und wertvollen Arilageteilen zu verhindern;
so erhalten zuerst Gleichstrom-Notantriebe die Lagerkühlpumpen der
Hauptturbinen. (Selbst beim Zumstehenkommen der Hauptturbinen
müssen deren Lager gekühlt werden, da von dem heißen Laufzeug der
Turbine noch Wärme in die Lager strömt.) Ferner gehören hierzu die
Dichtölpumpen bei wasserstoffgekühlten Generatoren und kleine Not-
stromumformervon Gleichstrom auf Drehstrom, die bei Netzstörungen
die Geräte für wärmetechnischen Messungen und Regelung versorgen.
Bei kleineren Kraftwerken kann auch eineNotstromversorgung mittels
Dieselgeneratoren in Erwähnung gezogen werden. Bei anderen, großen
Hochdruckkraftwerken scheidet jedoch diese Lösung wegen der erforder-
lichen Größe des Dieselgenerators aus wirtschaftlichen Gründen aus.
Schließlich kann die Versorgung des elektrischen Eigenbedarfes
elektrisch völlig getrennt vom Hauptnetz durch die Verwendung einer
oder mehrerer Hausturbinen, gekuppelt mit je einem Hausgenerator
vorgenommen werden. _Diese Lösung geht von der Erfahrungstatsache
aus, daß die meisten elektrischen Störungen durch das Fremdnetz
hereingetragen werden. Die erwähnte Schaltung wurde früher sehr oft
angewendet. Heute kommt sie bei Neubauten von großen Kraftwerken
seltener vor, da die Hausgeneratoren stark überdimensioniert werden
müssen, weil die Einzelleistungen der Antriebsmotoren, die aus Gründen
der Betriebssicherheit möglichst als Kurzschlußläufer für direkte Ein-
schaltung gewählt. werden, ständig steigen (Kesselspeisepumpenmotoren
von 1500.. ·2000 kW sind heute die Regel, ja selbst Kurzschlußläufer-
motoren von 4000 kW für direkte Einschaltung werden angewendet).
Die Hausgeneratoren müssen also in der Lage sein, nicht nur den Normal-
strom für diese Motoren, sondern auch ihre Einschaltströme (ca. 5-fachen
Nem1strom) zu liefern, so daß sie unwirtschaftlich groß werden. Das-
selbe gilt für Hausgeneratoren, die mechanisch mit der Hauptturbine
198 Die Eigenbedarfsanlagen von Kraftwerken

gekuppelt werden. Letztere Lösung hat weiterhin den Nachteil, daß die
Maschinensätze sehr lang bauen.
Zum Anfahren eines Kraftwerkes muß eine Fremdspannungsquelle
geeigneter Größe zur Verfügung stehen. Diese ist in der Regel infolge der
10 kY- Havetsammelschiene Verbundwirtschaft der einzel-
I nen Energieversorgungsunter-

ii
nehmen und Industriebetriebe
vorhanden. Bei kleineren
Kraftwerken besteht auch die
Verwendungsmöglichkeiteines
Dieselgenerators.
In Abb.189 ist eine Eigen-
bedarfsanJage vereinfacht dar-
gestellt. Es ist dabei nicht ein-
gezeichnet, wie im Störungs-
fall die Umschaltung auf eine
fremde Stromquelle (Leitung
von anderem Kraftwerk bzw.
gröllere Verbravcher-Speisepvmpen, Längstrennung der Haupt-
11iihlen, flehläse
schaltanlage) erfolgt; auch
ist nur eine Einfachsammel-
schiene vorgesehen, obwohl bei
l J80/220V wichtigen Anlagen Doppel-
sammelschienen gewählt wer-

1111
den. Im normalenBetriebwer-
den die Bilisbetriebe von der
Verbraveher Verbraueller 10 k V-Sammelschiene (es ist
kleiner Leistung kleiner Leistvng angenommen, daß eine Reihe
von Generatoren unmittelbar
t-----11 auf diese Sammelschiene ar-
fileiehstrombalterie beiten) über 2 Haustransfor-
Abb. 189. Schaltung der Eigenbedarfsanlage matoren und die Eigenbedarfs-
eines Kraftwerkes.
sammelschiene gespeist. Die
Eigenbedarfsspannung wird von der Größe des Kraftwerkes abhängig
sein; sie beträgt bei größeren Kraftwerken meist 6000 V. Da Hochspan-
nungsmotoren nur für Leistungen von etwa 100 kW ab gebaut werden,
in einem Kraftwerksbetrieb aber auch kleinere Motoren vorkommen und
man aus vielen anderen Gründen auch Niederspannung benötigt, sind
noch 2 weitere Transformatoren vorhanden, welche eine Spannung von
380/220 V liefern.
Aus der Abbildung geht auch hervor, wie die benötigte Gleichspan-
nung für Betätigungszwecke usw, erzeugt wird. Es ist eine Akkumu-
latorenbatterie vorhanden, die heute meist im Pufferbetrieb (höhere
Die Eigenbedarfsanlagen von Kraftwerken 199
Lebensdauer der Batterie) mittels Trockengleichrichter aufgeladen wird.
Der Gleichrichter liefert den Ladungserhaltungsstrom der Batterie und
außerdem den normal benötigten Gleichstrom. Die Höhe dieses Puffer-
stromes kann mittels Wahlschalter eingestellt werden. Würde mehr
Gleichstrom benötigt oder hatte bei einem Wegbleiben der Drehstrom-
spannung die Batterie Notlicht und die oben erwähnten Antriebe zu
versorgen, so schaltet nach Wiederkehr der Spannung der Gleichrichter
automatisch solange auf Starkladung um, bis die Batterie wieder auf-
geladen ist. Hierauf setzt dann selbsttätig der Pufferbetrieb wieder ein.
Bei größeren Kraftwerken stellt man meist mehrere Batterien auf,
damit auch bei Reparaturen an einer Batterie stets gesicherter Gleich-
strom vorhanden ist.
Im modernen Kraftwerksbau setzt sich vor allem bei größeren Lei-
stungen immer mehr die sogenannte Blockbauweise durch, d. h. jedem
Turbosatz ist fest sein Kessel zugeordnet unter Verzicht auf die Mög-
lichkeit von Querverbindungen zu anderen Kesseln bzw. Turbinen.
Eine solche Kessel-Turbineneinheit wird als Block bezeichnet und es
wird dabei auf eine Reservehaltung innerhalb eines Blockes verzichtet.
Hierdurch wird erheblich an Anlagekosten gespart. Bei diesen Block-
kraftwerken wird die Versorgung des elektrischen Eigenbedarfs auch
blockmäßig aufgeteilt. Abb.190 zeigt eine Schaltung z. B. für ein Kraft-
werk mit 3 Blöcken. Die Eigenbedarfssammelschienen jedes Blockes,
meist nur mit Einfach-Sammelschiene, oft aus Platzersparnisgründen in
stahlblechgekapselter Ausführung, werden normalerweise über die
Schalter A direkt von den zugehörigen Blockgeneratoren gespeist. Tritt
in der 100 kV-Schaltanlage ein Kurzschluß auf oder wird das betrachtete
Kraftwerk infolge Ausfalls anderer auf das 110 kV-N-etz arbeitenden
Kraftwerke überlastet, so lösen die 110 kV-Maschinenschalter der
einzelnen Blöcke aus und jeder Generator versorgt den Eigenbedarf
seines Blockes. Wird ein ganzer Block aus dem Stillstand angefahren, so
wird sein Eigenbedarf von der 6 kV-Anfahr- und Allgemeinschiene über
den Schalter B versorgt. Nach Hochfahren des Blockes wird dann B
.aus- und A eingeschaltet. Tritt im Generator selbst oder im zugehörigen
Maschinenumspanner ein Schaden auf, so lösen die zugehörigen 110 kV-
Maschinenschalter und der Schalter A aus, B schaltet sich automatisch
ein, so daß die Eigenbedarfsschiene sofort wieder Spannung erhält und
der Kessel langsam abgefahren werden kann. Sind nur elektrische
Speisepumpen vorhanden, so wird oft die Reservespeisepumpe an die
·6 kV-Anfahr- und Allgemeinschiene angeschlossen. Durch diese Schal-
tung wird also ein sehr hohes Maß an Sicherheit erreicht. An die
·6 kV-Anfahr- und Allgemeinschiene werden ferner die Antriebe ange-
schlossen, die nicht blockgebunden sind, also z. B. Transportanlagen für
Förderung der Kohle vom Kohlenlagerplatz zu den Kesselhausbunkern
200 Die Eigenbedarfsanlagen von Kraftwerken

usw. deren kurzzeitige Stromunterbrechung den Betrieb des Kraftwerkes


nicht stört.
Die Umschaltung des blockgebundenen Eigenbedarfes von der Ein-
speisung A auf Bund umgekehrt, kann mit und ohne Unterbrechung
erfolgen (letzterer nur für betriebsmäßigen Wechsel beim Anfahren und
110 kV- Abgtinge zum versorgungsnetz

Am·vA
1 A AIr1
1 I

&"genbedorf ollgemein
Abb. 190. Prinzipschema eines Block-Kraftwerkes.

Abstellen, nicht jedoch in Störungsfällen). Beim Umschalten mit Unter-


brechung, das sich immer durchführen läßt, darf die Unterbrechungszeit
nicht zu lang sein, damit die Eigenbedarfsmotoren nicht zu sehr in ihrer
Drehzahl abfallen und zu hohe Wiederhochlaufströme aufnehmen (sonst
zu großer Spannungsabfall in den Speisetransformatoren), sie darf aber
auch nicht zu kurz gewählt werden, da die Eigenbedarfs-Asynchron-
motoren nach der Abschaltung noch eine Restspannung besitzen, die
normalerweise erst nach längerer Zeit (z. B. 1,5~ abgeklungen ist.
Wird nun die Speisespannung zufällig in Opposition zu der Motoren-
Kabel und isolierte Leitungen 201
restspannung zugeschaltet, so ergeben sich zwar kurzzeitige, aber sehr
hohe Ausgleichsströme, welche die Motorenwicklung gefährden. Will
man erreichen, daß man die Motorenrestspannung nicht in Opposition
zuschaltet, so muß man wegen der Schnelligkeit des gesamten Ablaufes
zu einem elektronischen Phasenvergleich.sgerät in Verbindung mit
Schaltern mit sehr kleinen Eigenzeiten greifen (z. B. dem elektronischen
Phasenvergleichsgerät von BBC in Verbindung mit Druckluftschnell-
schaltern) und erreicht dann Unterbrechungszeiten von 0,15 Sek. auch
bei Umschaltungen in Störungsfallen (Kurzzeitumschaltung) oder man
muß die sogenannte Langzeitumschaltung wählen, d. h. die Zuschaltung
erfolgt erst nach Abklingen der Motorrestspannung. Eine andere Mög-
lichkeit besteht darin, beim betriebsmäßigen An- und Abfahren des
Blockes ohne Unterbrechung umzuschalten und nur in Störungsfällen
die Umschaltung mit Unterbrechung anzuwenden. Bei der Umschaltung
ohne Unterbrechung ergeben sich während der Umschaltung eine Erhö-
hung der Kurzschlußleistung auf der Eigenbedarfsschiene usw. u. U.
große Ausgleichsströme, bedingt durch ungleichmäßige Belastung der
Transformatoren in dem während der Umschaltung entstehenden Kreis-
netz. Bei Asynchronismus zwischen der Stromquelle für die Anfahr-
schiene und der Generatorspannung scheidet die Umschaltung ohne
Unterbrechung natürlich aus.
Bei der Auslegung der Eigenbedarfsanlage ist darauf zu achten, daß
sich möglichst kleine Kurzschlußleistungen ergeben (bei 6 kV keinesfalls
höher als ca. 200 MVA), da sonst die Anlagen zu teuer werden und die
abgehenden Kabel zu den Hochspannungsmotoren mit Rücksicht auf
die Kurzschlußströme zu stark überdimensioniert werden müssen.
Die im vorstehenden gebrachten Überlegungen über die Ausbildung
der HUfsbetriebe in Dampfkraftwerken lassen sich natürlich sinngemäß
auch auf Wasserkraftwerke übertragen. Hier sind allerdings die für die
Hilfsbetriebe benötigten Leistungen wesentlich kleiner (größenordnungs-
mäßig 0,5-l% der Kraftwerksleistung), da die beim Dampfkraftwerk,
besonders im Kesselhaus, benötigten vielen Antriebe in Wegfall kommen.
Für die Erzeugung des Eigenbedarfes einesWasserkraftwerkeskennt man
ebenfalls Hausturbinen und besondere mit den Hauptturbinen gekup-
pelte Hausgeneratoren, sowie die Sicherstellung des Strombezuges für
die Hilfsbetriebe durch Kuppelleitungen mit fremden Netzen.

IX. Kabel und isolierte Leitungen


Die Fortleitung elektrischer Energie kann in blanken Leitungen
erfolgen, die in gewissen Abständen isoliert aufgehängt oder unter-
stützt sind, wie es bei Freileitungen und Stromschienen der Fall ist. Es
können aber auch Leitungen verwendet werden, die eine Umhüllung aus
202 Kabel und isolierte Leitungen

Isoliermaterial haben. Es handelt sich dann um Kabel oder isolierte


Leitungen. Die beiden Begriffe Kabel und isolierte Leitungen können
in der Praxis nicht streng getrennt werden. Bei gleichartigem Aufbau
spricht man in dem einen Fall von einem Kabel, in dem anderen Fall
von einer isolierten Leitung.
Kabel sind in der Regel für den Transport größerer Energiemengen
bestimmt, wenn man einmaJ von den Steuer- und Fernmeldekabeln
absieht. Sie haben meist einen nahtlosen Metallmantel und können
unmittelbar in den Erdboden verlegt werden.
Leitungen finden vorwiegend Anwendung bei Hausinstallationen, als
bewegliche Anschlüsse von Apparaten und Maschinen und als Steuer-,
Melde- und Meßleitungen. Sie sind für Erdverlegung nicht zugelassen.
Die folgenden Abschnitte sind so eingeteilt, daß zunächst die wich-
tigsten Typen von Energiekabeln, Steuer-, Melde- und Femsprechkabeln,
dann die Garnituren (Endverschlüsse und Muffen) und schließlich die
iso1ierten Leitungen besprochen werden.

A. Kabel
a) Papierbleikabel für Nieder- und MittelspannllDg
Mehr als 95% der Starkstromkabel haben eine Isolierung aus imprä-
gniertem Papier, d. h. ihre Leiter sind mit Papierbändern umwickelt, die
mit einer bei niedrigen Temperaturen zähflüssigen Masse auf Mineralöl-
basis getränkt werden. Man spricht daher auch von Massekabeln. Diese
Massekabel sind in den Vorschriften VDE 0255 von I bis 60 kV Nenn-
spannung genormt. Ihre Leiter bestehen aus Kupfer oder Aluminium,
welches den entsprechenden Vorschriften für Kupfer oder Aluminium
VDE 020I/I934 bzw. VDE 0202fi943 genügen muß. Sie können aus
einem einzigen Draht (Massivleiter) oder auch aus mehreren miteinander
verseilten Drähten bestehen und kreisförmigen oder, insbesondere bei
Drei- und Vierleiterkabeln von I bis IO kV Nennspannung, sektor-
förmigen Querschnitt haben.
Für die Leiter der anderen Kabeltypen und der isolierten Leitungen
gilt grundsätzlich das gleiche. Nur bei den Höchstspannungskabeln
finden wir SpeziaJkonstruktionen, auf die noch besonders hingewiesen
wird.
Die Papierisolierung wird in Form von Bändern, die wendeiförmig
aufgesponnen werden, auf den Leiter aufgebracht. Vor dem Imprä-
gnieren muß das Papier durch Anwendung von Hitze und Vakuum sorg-
fältig getrocknet werden. Der Imprägnierprozeß wird bei erhöhter
Temperatur (IIO bis I20° C) vollzogen, weil dabei die Kabeltränkmasse
dünnflüssig ist und in die Hohlräume und Poren der Isolierung eindringen
kann. Bei normaler Temperatur ist das Tränkmittel dickflüssig. Es ist
Papierbleikabel für Nieder- und Mittelspannung 203

erwünscht, daß die Tränkmasse auch bei der Betriebstemper atur des
Kabels noch so zähflüssig ist, daß sie nicht nach tiefer gelegenen Stellen
des Kabels abwandert. Für besondere Anforderungen in dieser Hinsicht
müssen massearme Kabel verwendet werden, z. B. in großen Gefälle-
strecken oder als Schachtkabel im Bergwerk und auch bei Steuerkabeln.
Eine massearme Ausführung ist allerdings nur bei Betriebsspannu ngen
bis etwa 10 kV möglich. Die Tränkmasse besteht aus einem Mineralöl-
Harzgemisch oder neuerdings auch vielfach aus eingedickten Ölen ohne
besondere Zusätze.
Um den Zutritt von Feuchtigkeit zu der Kabelisolierung zu ver-
meiden, muß das Kabel mit einem dichten Mantel umgeben werden;
die Kabelenden müssen durch Kabelendversch lüsse abgedichtet werden.

__
Als Mantelwerksto ff dient heute noch hauptsächlich Blei, das neben
einem kleinen Kupferzusatz für besondere Zwecke noch mit geringen
Mengen Fremdmetallen , wie z. B. Antimon oder Zinn legiert wird. Diese

··---- - .. . ___,,,.,.,.,
Abb. 191. StahJwellmantelkabeJ.

Zusätze machen das Blei härter und weniger anfällig gegen interkristalline
Korrosion wie sie z. B. bei andauernden Erschütterunge n auftreten.
Inzwischen sind auch die Verfahren zum Dropressen der Kabel mit
weichem Aluminium so weit verbessert worden, daß es möglich ist, den
Bleimantel durch einen nahtlosen Aluminiumman tel zu ersetzen. Die
Schwierigkeiten dabei beruhen vor allem darauf, daß Alumimum eine
höhere Erweichungste mperatur als Blei hat. Aluminiumman telkabel
sind natürlich nicht so leicht biegbar wie Bleimantelkabe L Sie zeichnen
sich durch geringeres Gewicht aus.
Der Bleimantel kann auch durch ein Stahlrohr ersetzt werden. Ein
Stahlband von 0,3-0,4 mm Dicke wird über der Kabelisolierung zu
einem Rohr geformt, dessen Innendurchmes ser größer ist als der Außen-
durchmesser der Kabelseele. Die sich überlappenden Kanten des Stahl-
bandes werden elektrisch zusammengeschweißt und anschließend
schraubenförmi ge Rillen in das entstandene Rohr gedrückt, wodurch
das sonst steife Stahlrohr biegsam wird. Wir erhalten dann ein sog.
Stahlwellmante lkabel. (Abb. 191). Die Rillentäler werden so tief ein-
gedrückt, daß sie der Isolierung anliegen.
Über Kabel mit nichtmetallisch em Mantel wird weiter unten noch
betichtet.
Die Aluminium- und Stahlweilmänte l müssen gut gegen Korrosion
geschützt werden. Das gilt auch für die Bleimäntel, es sei denn, daß die
204 Kabel und isolierte Leitungen

Kabel in trockenen Betonrohren, Betonkanälen oder in Innenräumen


verlegt werden.
Die Mäntel sind im übrigen nicht nur durch unmittelbare chemische
Einwirkungen gefährdet, sondern auch durch elektrolytische Wirkungen
von ein- und austretenden Erdströmen, gegen die sie also auch elektrisch
isoliert werden müssen.
Der normale Aufbau der Schutzhülle sieht beim Bleikabel so aus, daß
der Bleimantel zunächst mit in Bitumen getränkten Papierlagen um-
bändert wird und darüber noch eine bitumengetränkte Juteumhüllung
erhält. Die Schichten werden alle mit zähen Bitumenmassen auf dem
Mantel und untereinander verklebt. Muß das Kabel darüber hinaus
noch gegen mechanische Beanspruchungen geschützt werden, so folgen
noch zwei Lagen Stahlband als Bewehrung. I!'ür die Verwendung in
Innenräumen ist damit das bewehrte Kabel fertig.
Soll das Kabel dagegen im Erdboden verlegt werden, wird an-
schließend zum Schutz des Stahlbandes noch eine Lage imprägnierte
Jute aufgebracht.
Kabel, die größeren Zugkräften ausgesetzt sind (z. B. Schacht- oder
Flußkabel) erhalten eine Bewehrung aus Rund-, Flach- oder Profil-
drähten, die außerdem auch noch einen erhöhten Schutz gegen äußere
Beschädigungen bietet. Gummibleikabel und Kunststoffbleikabel (s. d.)
werden vierfachdurch ein Geflecht aus verzinktem Stahldraht geschützt,
das seinerseits mit einem zusätzlichen Schutzanstrich versehen werden
kann.
Eine Übersicht über Schutzhüllen und Bewehrung findet man in
VDE 0255/1951, § 9. Dort sind auch die Maßnahmen für einen zusätz-
lichen Korrosionsschutz angegeben. Es sei hier nur noch erwähnt, daß
der glatte Bleimantel auch vorteilhaft durch Aufbringen von Kunststoff-
bändern oder noch besser durch einen aufgespritzten Kunststoffmantel
gegen Korrosion gesichert werden kann.
Kabel mit Aluminiummäntel erhalten besonders sorgfältig ausgeführte
Korrosionsschutzschichten aus Lagen von Bitumen-Kompound, Faser-
stoffbändern und Gummi- oder Kunststoffbändern, die abwechselnd
aufgebracht und mit dem glatten Mantel verklebt werden. An ihre Stelle
kann ebenfalls ein gespritzter Kunststoffmantel treten.
Beim Stahlweilmantel wird die Metalloberfläche zunächst z. B. durch
Bondern (Phosphatieren) aufgerauht und damit die Haftfähigkeit für
weitere Überzüge verbessert -ganz abgesehen davon, daß die Phos-
phatoberfläche selbst die Rostanfälligkeit herabmindert. Dann wird eine
Korrosionsschutzschicht aufgebracht, die aus einer Spezialmasse (Poly-
ment) besteht, in der Kunststoff-Folien eingebettet sind. Abschließend
kann auch hier ein Kunststoffmantel aufgespritzt werden (s. Abb. 191).
Papierbleikabel für Nieder- und Mittelspannung 205

Der Gesamtaufbau verschiedener Papierbleikabel für Drehstrom


wird durch einige Querschnittsbilder erläutert. Abb. 192 zeigt die Quer-
schnitte von zwei sog. Gürtelkabeln für 6 kV Nennspannung, eins mit
Rundleitern und eins mit Sektorleitern. Der Name Gürtelkabel kommt
daher, daß die drei isolierten und miteinander verseilten Leiter noch eine

b
Abb. 192. Gürtelkabel 3 X iO mm' für 6 kV.
a mit Rundleitern, b mit Sektorleitern.

weitere gemeinsame Papierumwicklung (Gürtelisolierung) besitzen, über


die erst der Bleimantel gepreßt ist. Um eine bessere Raumausnutzung zu
erhalten und um an Beilauf, Blei, Stahl usw. zu sparen, werden die
Gürtelkabel vorteilhaft als Sektorkabel ausgebildet, die bei gleichem
Leiterquerschnitt einen kleineren Außendurchmesser haben. Bei Sektor-
kabeln ist jedoch die Piektrisehe Be-
anspruchung der Papierisolierung
höher, so daß man sie nur bis etwa
IOkVNennspannung ausführt, wäh-
rend sonst Gürtelkabel bis zu einer
verketteten Spannung von 20 k V
zugelassen werden (VDE 0255). Die
genormten Querschnitte für Gürtel-
kabel umfassen den Bereich von
1,5 mm2 bis 400 mm2 (Kupfer oder
Aluminium).
Auch als Niederspannungskab el Abb. 193. Sektorkabel mit rundem Nulleiter.
für die Elektrizitatsversorgung inner-
halb von Städten mit einer Betriebsspannung von 380/220 Volt
werden meistens Papierbleikabel der Nennspannung I kV verwendet.
Die drei Phasenleiter werden in der Regel als Sektorleiter, der Mittel-
punkt oder Nulleiter als Rundleiter mit geringerem Querschnitt ausge-
führt (Abb. 193). Der Vorschlag, bei Aluminiummantelka beln den-
unter Umständen verstärkten- Mantel als vierten Leiter zu benutzen,
ist als problematisch anzusehen. Die dahin gehenden Bestrebungen
206 Kabel und isolierte Leitungen

befinden sich zur Zeit noch im Stadium der Entwicklung. Es ist nämlich
fraglich, ob eine gute Durchverbindu ng des Mantels in den Muffen ge-
währleistet werden kann. Das gilt besonders für Hausanschlüsse , wo der
vierte Leiter fast immer stromführend ist.
W ellmantelkabel wurden bisher nur bis lO k V Betriebsspannu ng
hergestellt.
Die verschiedenen Bauarten der Papierbleikabe l werden mit Kurz-
zeichen benannt, die sich auf die Buchstaben N K bei Kupferleitern,
N AK bei Aluminiumleite rn aufbauen. So bedeutet z. B. N Kein Kabel
mit Kupferleitern und blankem Bleimantel, N KBA ein Bleimantel-
Bleikabel mit Bandeisenbewe hrung und äußere Juteumhüllung1 •

b c
Abb. 194. Kraftlinien verlauf.
a Gürtelkabel, b Kabel mit metallisierten Adern, c Dreimantelkabel.

Für höhere Netzspannunge n als 20 kV werden Gürtelkabel nicht


hergestellt, da die elektrischen Feldlinien das den Leiter umgebende
Papier nicht nur senkrecht, sondern auch schräg durchsetzen (Abb.l94a).
Man kann an jeder Stelle die elektrische Feldstärke in zwei Kom-
ponenten zerlegen, von der die eine senkrecht, die andere tangential zur
Papierschicht verläuft. Da die elektrische Festigkeit tangential zu der
Papierschicht sehr viel niedriger ist, als senkrecht zu ihr, ist. das Kabel
längs der Papierschicht stärker gefährdet. Außerdem werden beim
Gürtelkabel auch das Ausfüllmaterial und der Zwickel zwischen den
Adern elektrisch beansprucht. Da es sich dabei um Stoffe mit niedrigen
elektrischen Festigkeiten handelt, besteht hier besonders die Gefahr des
Durchschlags.
Ausgehend von der Erkenntnis, daß die Papierisolierun g nur senk-
recht zur Schichtung beansprucht werden sollte, machte Höchstädter
1 Eine vollständige Zusammenstellun g der Kenn- und Kurzzeichen findetsich

in VDE 0255/1951, § 5.
Papierbleikab el für Nieder- und Mittelspannu ng 207

bereits 1913 den Vorschlag, jeden einzelnen isolierten Leiter mit einer
geerdeten Metallfolie zu umgehen und die drei Einzelleiter dann mit
einem Bleimantel gemeinsam zu umpressen. Bei dem Höchstädter -Kabel
hat man nur radiale Beanspruchu ng der Isolation in Richtung der
größten elektrischen Festigkeit, außerdem werden Beilauf und Zwickel
elektrisch überhaupt nicht beansprucht (Abb.194b). Das bedeutete für
die Kabelfabrik ation einen grundlegend en Fortschritt und erlaubte den
Übergang zu höheren Betriebsspan nungen.
Da bei diesem Kabel der Beilauf noch mit Kabelmasse getränkt sein
muß und das Kabel infolge des gemeinsamen Bleimantels schwer biegsam
ist, entwickelte man in der Folge das Dreibleiman telkabel (Abb. 195).
Hier hat jeder Leiter für sich
einen BleimanteL Damit er- .----U!J/er
Isolierung
folgt ebenfalls die elektrische me/oll. Popier
Beanspruchu ng der Papieriso- Bleimonlei
lierung stets radial und der
Beilauf wird elektrisch ent-
lastet (Abb. 194c). Zwischen Julcumsptimung
Aderisolierungen und Blei- Buno'eisenormietung
mautel bringt man vielfach Juleumspinnung
auch hier noch eine Metallfolie Abb. 1115. DreimantelkabeL
an (Höchstädte r-Folie), um
einen gleichmäßigen Abschluß des elektrischen Feldes zu erhalten, wenn
der Bleimantel einmal nicht vollkommen anliegen sollte. Die drei einzel-
nen Kabel werden jedes für sich mit asphaltierte n Papierbände rn als
Korrosionsschutz umgeben und dann miteinander unter Ausfüllung
der Zwickel zu einer dreieckförmigen oder runden Form verseilt. Es
folgen Schutzhüllen und Bewehrunge n wie bei den Gürtelkabeln . Drei-
mantelkabel sind bis zu Spannungen von 60 k V in ihrem Aufbau fest
gelegt (VDE 0255).
Die wichtigsten Betriebsdate n eines Kabels sind Nennspannu ng und
Strombelast barkeit entsprechen d den Wanddicken der Isolierung und
den Leiterquersc hnitten.
Die in ungestörtem Betrieb dauernd zulässige Spannung darf
den Wert für die Nennspannu ng um höchstens 15% überschreite n.
(VDE 0255/1951, § 4).
Die Wanddicke der Papierisolierung richtet sich nach der höchst-
zulässigen elektrischen Feldstärke (Gradient). Man rechnet im all-
gemeinen mit der Feldstärke an der Leiteroberfläche, weil sie da am
größten ist. Besonders einfach ist die Berechnung der Feldstärke bei
Einleiter-, Höchstädter - und Dreimantelk abeln, da sie dort nach einer
einfachen logarithmisc hen Funktion zwischen Leiter und Bleimantel
abfällt. (Kondensato r mit konzentrisch en Elektroden.) Bei den nach
208 Kabel und isolierte Leitungen

den VDE-Vorschriften aufgebauten Kabeln beträgt die Betriebsfeld-


stärke am Leiter von 2 bis 5 kV/mm. Diese Zahl wurde deshalb gewählt,
weil die Betriebsfeldstärke a.us Gründen der Betriebssicherheit kleiner
sein muß, als die Feldstärke, bei der auch nach sehr langer Spannungs-
einwirkung kein Durchschlag der Kabelisolierung mehr erfolgt. Die
Grenzfeldstärke liegt bei Massekabeln bei etwa 16 kVfmm und zwar im
stromlosen Zustand. Bei normalen Betriebstemperaturen ist der Wert
kaum niedriger; er wird auch durch wiederholte Aufheizung des Kabels
auf Nennstrom und anschließendes Abkühlen nur wenig herabgesetzt,
70 so daß die Kabel mit einem
11'0nm Sicherheitsfaktor von min-
6T/

"'\
so
destens 3-5 betrieben wer-
den.
\~ Die Grenzfeldstärke von
'
--- --
'lU
~ .1
......
~
16 kVjmm ergibt sich aus
1 -- -- -- l__ --
der sog. Zeitdurchschlags-
\
7U
- 1
kurve des Massekabels, die
man erhält, wenn man
die Durchschlagsfeldstärke
über der Zeit der Span-
u 10 m .JU ~ei/u cu 70 80 11..!1'1 nungseinwirkung aufträgt
Abb. 1116. Zeitdurchschlagskurve eines normalen Hochspan- (Abb. 196 untere Kurve).
nungskabels (1) im Vergleich zum Öl- (2) und Druckkabel (3). Bei kurzdauernder Bean-
Die ausgezogenen Kurven gelten bei Raumtemperatur ohne
Strombelastung; die gestrichelte Kurve gUt für Öl- und Druck- spruchung ist die Isolations-
kabel mit normaler Stwmbelastung (nach W. Vogel, Zur Physik
der Hochspannungskabel, F & G-Rundschau, (11150) festigkeit höher. DieDurch-
H. 29, S. 78).
schlagskurve geht beispiels-
weise von etwa 50 bis 60 kVfmm aus, um dann nach einer Zeit zwischen
40 und 100 h in den stationären Wert 16 kVjmm einzumünden. Das
Gebiet unterhalb der Durchschlags-Kurve kennzeichnet den stabilen
Bereich. Wird dieser Bereich überschritten, so schlägt das Kabel infolge
von Ionisierungs- und Glimmvorgängen im Dielektrikum durch. Diese
Ionisierungs- und Glimmerscheinungen werden sehr gefördert, wenn sich
außer den unvermeidbaren kleinen Mengen Restgasen in der Isolierung
dilrch starke thermische Beanspruchung im Kabel weitere Hohlräume
bilden, die mit Gasen lmter geringem Druck angefüllt sind.
Die Hohlraumbildung kann folgendermaßen erfolgen: Wenn sich
das Kabel vom Leiter her erwärmt, dehnt sich die Isoliermasse stärker
aus als das Papier; sie wird daher nach außen unter den Bleimantel
gedrückt, der dabei etwas nachgibt. Wenn das Kabel sich anschließend
abkühlt, die Kabelmasse sich also zusammenzieht, vermag die nach außen
abgewanderte Tränkmasse nur schlecht wieder in das Innere des Kabels
zurückzugelangen. Es besteht dann die Gefahr, daß sich gerade in der
Leiternähe, wo die Feldstärke am größten ist, Hohlräume bilden, die
Papierbleikabel für Nieder- und Mittelspannung 209
unter dem Einfluß des elektrischen Feldes zum Glimmen kommen.
Dadurch werden Zerstörungsvorgänge, u. a. eine Zersetzung der Tränk-
masse eingeleitet. Einzig um diese Hohlraumbildung möglichst zu ver-
meiden, läßt man bei Massekabeln nur relativ geringe Temperaturen zu,
die garantieren, daß die Zeitdurchschlagskurve auch für das Kabel unter
Last gültig bleibt.
Es seihier aber nocheinmal betont, daß nicht die Übertemperatur-
wenn sie in normalen Grenzen bleibt- dem Kabel schädlich ist, sondern
die thermisch-mechanischen Auswirkungen der Lastwechsel, die im prak-
tischen Kabelbetrieb unvermeidbar sind; bei der Wahl des Kabelquer-
schnittes muß dieses berücksichtigt werden.
Ir: ---------- Is
Damit sind wir bei der Frage der Strombelast- (Nr:) (!Ys) 1

barkeit angelangt. Diese ist für die verschiede-


nen Kabeltypen und Kabelquerschnitte in der
Vorschrift VDE 0255/1951, § 12, in Tabellen
niedergelegt. Die angegebenen Übertempera-
turen beruhen auf einer Umgebungstemperatur
von 20° 0, so daß die Belastung der Kabel so
begrenzt werden muß, daß an keiner Stelle der
Kabelanlage die folgenden Leitertemperaturen {/
überschritten werden:
65° C bei Kabeln für 1 bis 6 kV Abb. 197. Zur Definition
55° C " " " 10 " 20 kV des Verlustwinkels.
45° C " " 30 " 60 kV.
Man findet in der Vorschrift aber auch Angaben über den Ein-
fluß verschiedener Umgebungstemperaturen, die Legungsarten der
Kabel (z. B. Kabelanhäufungen) und die Wärmeleitfähigkeit des Erd-
bodens.
Erwähnt sei noch, daß die Belastbarkeit eines Dreibleimantelkabels
höher ist als die eines entsprechenden Gürtelkabels. Noch höher belast-
bar sind drei einzelverlegte EinleiterkabeL
Die Bildung von Hohlräumen innerhalb der Kabelisolierung kann
man nachweisen, wenn man den Verlustfaktor des Kabels mit steigender
Spannung mißt. Der Verlustfaktor ist überhaupt eine wichtige Meßgröße
für die Güte des Kabeldielektrikums. Wären die Kapazitäten, die die
einzelnen Adern eines Kabels mit dem Metallmantel bilden, verlustlos,
so würde der Strom (beim leerlaufenden Kabel) genau um 90° der Span-
nung vorauseilen. Infolge der im Dielektrikum auftretenden Verluste-
bedingt durch einen endlichen Isolationswiderstand sowie durch ver-
schiedenartige Polarisationserscheinungen -ist die Phasenverschiebung
etwas kleiner als 90° und zwar um den sog. Verlustwinkel t5. In Abb. 197
ist Ic der Ladestrom, lv der Wirk(verlust)strom, I. der resultierende
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 14
210 Kabel und isolierte Leitungen

Summenstrom, Ne, Nv und N 8 sind die entsprechenden Leistungen.


Man sieht, daß gilt:
• Jil Nv
Sill u = cos cp = Ns • (109)

Für kleine Ö ist aber hinreichend genau:


• Jil Jil Nv I"
smu ~tanu =-=-I (llO)
Ne e

tan ö ist der Verlustfaktor, der in einer Brückenschaltung direkt gemessen


werden kann. Je größer der Verlustfaktor, desto größer ist die Verlust-
leistung und umso schlechter ist das Dielektrikum.
Abb. 198 zeigt Verlustfaktorkurven eines Hochspannungskabels in
Abhängigkeit von der Spannung bei verschiedenen Betriebszuständen.
0,010 Kurve 1 ist an einem neuen oder
nur mäßig beanspruchten Kabel
U,fl(J{I .!- beil8°Caufgenommen; Kurve2
/ gibt die Verlustfaktoren des
/ gleichen Kabels nach Erwär-
tll,flllG V Iimng auf 35° C wieder. Nach
~
7

r-
z Wiederabkühlen auf 18° Cerhält
man praktisch wieder Kurve l.
Wird das Kabel dagegen inzwi-
schen thermisch und gegebenen-
0 1Q zu !10 '10 so GIJ 70 80 falls auch elektrisch überbean-
"kV/Bietinonlel -
Abb. 198. Verlustfaktor eines neuzeitlieben Hochspan· sprucht, so bekommt man eine
nungs-Masse-Kabels in Abhängigkeit von der Spannung Kurve des Typus 3. Von einer
bri verschiedenen Temperaturen bzw. Betriebszuständen.
1. Verlustfaktor des neuen oder nur mäßig beanspruchten bestimmten Spannung ab (hier
Kabels bei 18° C. 2. Verlustfaktor des neuen Kabels bei
35° c. s. Verlustfaktor des Kabels nach thermischer etwa 20 k V) nimmt der Verlust-
(und ggf. elektrischer) "Überbeanspruchung, faktor plötzlich stark zu. Das
gemessen bei 18° C.
läßt den Schluß zu, daß im
Kabel Hohlräume entstanden sind, die glimmen, wodurch erhöhte Ver-
luste im Dielektrikum auftreten. Man spricht in einem solchen Falle auch
.
von einem Ionisierungsknick der Verlustfaktorkurve bei 20 kV.
Aus GI. (llO) folgt für die dielektrische Verlustleistung:
Nv =Ne· tanö (ll1)
Die Ladeleistung Ne je Ader ist dabei
[VA/km] (112)
mit:
U0 =Phasenspannung bzw. Spannung gegen Erde(= UJV3 in [kV]),
Ob == Betriebskapazität in [p;Ffkm],
ro = 2nf =Kreisfrequenz in [sec-1],
Papierbleikabel für Nieder- und Mittelspannung 211

so daß die dielektrischen Verluste sich zu


Nv = U~- w Ob· tau <5 [Wjkm] (ll3)

ergeben. Sie wachsen also proportional mit dem Quadrat der Span-
nung an.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß man bei Kabeln darauf achten
muß, daß, durch die Erwärmung bedingt, sich keine Hohlräume bilden,
um Glimmen und damit eine mehr oder weniger rasch fortschreitende
Zerstörung zu vermeiden. Es ist jedoch auch ein unmittelbarer "Wärme-
durchschlag" möglich. Zum Verständnis dafür sei hier noch die Verlust-
faktorkurve eines Kabels in Abhängigkeit von der Temperatur (bei
konstanter Meßspannung) betrachtet 0,070
(Abb. 199). Man sieht, daß der Ver-
lustfaktor mit steigender Temperatur 0,008
zunächst abnimmt- was auch schon
aus Abb.l98 hervorging- zwischen 35° 0,{}(JC I
und 40° C ein Minimum durchläuft und "' ....... V
.....
dann wieder ansteigt. Nach einer länge- ; O,{}(JIJ -
:-..

renÜberlastun gdes Kabels zeigt auch 0,006


diese Kurve Verschlechterun gen, d. h.
Verlustfaktorer höhungen, vor allem in 0 70 i'O JO '10 SO C/l C717
0

C. Das ist /(g/Jellemperolur -


ihrem rechten Ast über 40°
Abb. 199. Verlustfaktor eines mäßig bean-
ein sehr empfindlicher Nachweis für spruchten Hochspannungskabels in Ab-
hängigkeit von der Temperatur (bei
"Alterungsvorg änge" im Kabel. Bei konstanter Meßspannuug).
normaler Betriebstemper atur befindet
man sich im ansteigenden Teil der Kurve. Wenn aus irgendeinem
Grund die Kabeltemperat ur örtlich sehr stark ansteigt oder das Kabel
strommäßig überlastet wird, können die dielektrischen Verluste nach
GI. (ll3) stellenweise so anwachsen, daß noch eine zusätzliche Wärme-
entwicklung stattfindet, die ihrerseits wieder ein weiteres Ansteigen des
Verlustfaktors bewirkt. Es ergibt sich dann eine wechselseitige Steige-
rung bis zum Wärmedurchsch lag. Der Wärmedurchsch lag kann bei einem
Hochspannungs kabel aber auch durch länger andauernde Einwirkung
von Überspannung erfolgen, weil die Spannung quadratisch in die
Formel für die dielektrischen Verluste eingeht. In vielen Fällen wird
keine scharfe Abgrenzung zwischen dem reinen Wärmedurchsch lag und
dem Durchschlag auf Grund von Ionisierungsers cheinungen möglich
sein, da die Bedingungen für die Entstehung beider Durchschlagsar ten
einander ähnlich sind, bzw. sich überschneiden.
Gegen Stoßspannunge n, wie sie als Schaltüberspan nungen oder
häufiger infolge atmosphärische r Überspannunge n bei Kabeln im Zuge
von Freileitungsnet zen auftreten, ist die: Kabelisolierung ausreichend
widerstandsfähig. Die Stoßspannungsf estigkeit des Kabeldielektrik ums
14*
212 Kabel und isolierte Leitungen

beträgt durchweg 80-100 kVfmm. Hinzu kommt, daß in das Kabel


einlaufende Spannungsstöße rasch gedämpft werden und ihre steile
Stirn verlieren. Besonders gefahrdete Kabel wird man aber stets durch
Überspannungsahleiter schützen. 1

b) Hoch- und Höchstspannungskabel


Wenn man Kabel für höhere Spannungen bauen will, so kommt es,
wie gezeigt wurde, in erster Linie darauf an, im Kabeldielektrikum eine
Hohlraumbildung möglichst
zu vermeiden. Durch eine
Verstärkung der Isolierung
ließe sich zwar die betriebs-
mäßige Feldstärke auf ein
zulässiges Maß begrenzen,
doch setzt eine dicke Isolie-
rung die Strombelastbarkeit
Abb. 200. Einleiter·Ölkabel für 220 kV (F & G).
wegen ihres hohen Wärme-
widerstandes zwangsläufig
herab, wodurch eine solche Kabelkonstruktion unwirtschaftlich würde.
Ganz abgesehen davon, sind der Isolierwanddicke auch technische
Grenzen bei der Kabelherstellung und -Verlegung gesetzt.
Für Spannungen über 60 kV wurden
daher Spezialkonstruktionen entwickelt,
von denen die Ölkabel und die Druckgas-
kabel am wichtigsten sind. Beim Ein-
leiter-Ölkabel (Abb. 200) wird dünn-
flüssiges Öl aus einem im Inneren des
zylinderförmigen Leiters liegenden Öl-
kanal (Hohlleiter) in das Papierdielektri-
kum gepreßt. Dadurch werden vorhan-

~
~~~~~~~ tuflmembron-
lrörper
dene Hohlräume ausgefüllt und die Bil-
dung neuer Hohlräume verhütet. Er-
wärmt sich ein solches Kabel und dehnt
sich damit das Öl aus, so vermag es in
Ausdehnungsgefaße, die auch den Be-
triebsdruck des Ölkabels aufrechterhal-
Abb. 201. Ausgleichgefäß für Ölkabel. ten, auszuweichen. Diese Ausdehnungs-
gefäße können nach Abb. 201 ausgebildet
sein. Beim Eindringen von Öl geben die im Inneren befindlichen dosen-
förmigen Metallkörper membranartig "nach, wobei der Öldruck steigt.
Kühlt das Kabel sich ab, so kann das Öl, da es dünnflüssig ist, wieder in
1 Siehe auch H. GRÜNEWALD: Überspannungsschutz von Kabeln im Zuge von
Mittelspannungs-Freileitungen, Elektrizitätswirtsch. 51 (1952) H. 22. S. 604.
Hoch- und Höchstspannungskabel 213
das Kabel zurückströmen und dasselbe satt ausfüllen. Es muß nur dafür
gesorgt werden, daß alle Strömungswiderstände so klein gehalten werden,
daß auch bei kurzzeitigen Druckschwankungen ein rascher Ölausgleich
erfolgt. Einleiterölkabel dieser Art werden für eine Betriebsspannung
bis 380 k V Drehstrom angefertigt.
Während man die Ölkabel zunächst nur mit verhältnismäßig nied-
rigem Öldruck betrieb, arbeitet man heute, besonders bei den höchsten
Spannungen, mit Drücken bis über 10 atü. Für Spannungen bis 100 kV
wendet man auch Dreileiter- oder Zwickelölkabel (s. Abb. 202) an, die
einen gemeinsamen Bleimantel besitzen, und bei denen das Öl durch
Längskanäle in den Leiterzwickeln strömen kann.
Eine andere Lösung der gestellten Aufgabe bildet das Druckgas- oder
kurz DruckkabeL Es handelt sich dabei um ein Dreibleimantelkabel

- Spif'(J/en
Bleimon/tl
-lfelu/1/Me
..Pupier-
vmwidrlufiJ
Ltiler
Ö!kol1tll

Abb. 202. Dreileiter·Ölkabel. Abb. 203. Druckkabel (F & G).

mit normaler Masseimprägnierung, das in ein dichtes Stahlrohr einge-


zogen wird, das gleichzeitig als äußerer Schutz für das Kabel dient, und
in welchem sich Stickstoff unter einem Druck von 10-15 atü befindet
(Abb. 203). Durch diesen Druck werden die Kabel so fest zusammen-
gepreßt, daß trotz schwankender Temperaturen keine Hohlräume auf-
treten.
Bei diesen beiden Kabeltypen ist die Gefahr einer Ionisierung .im
Dielektrikum weitgehend verringert. Die Folge davon ist eine beträcht-
liche Steigerung der Dauerdurchschlagsfestigkeit, wie aus den Kurven in
Abb.196 im Vergleich zum Massekabel hervorgeht. Die Grenzfeldstärke
liegt im unbelasteten Zustande sowohl beim Ölkabel als auch beim Druck-
kabel bei etwa 40 kVJmm. Bei Betriebstemperatur geht die Dauerdurch-
schlagsfestigkeit auf etwa 35 k VJmm zurück. Das bedeutet, daß bei
gleicher Sicherheit die maximale elektrische Feldstärke im praktischen
Betrieb auf 8 bis 12 kVJmm erhöht werden kann. Dadurch ergeben sich
verhältnismäßig dünne Isolierwanddicken, die eine höhere Strombelast-
barkeit des Leiters zulassen. Außerdem werden aber auch Leiter-
temperaturen bis zu etwa 80° C von diesen Kabeln ohne Schaden ver-
tragen, so daß sich noch eine weitere Steigerung der zulässigen Strom-
stärke ergibt, weil man Betriebstemperaturen von 70° C zulassen kann.
'214 Kabel und isolierte Leitungen

Daher läßt sich bei gleichem Querschnitt mit diesen Kabeln ungefähr
.50% mehr Strom übertragen als mit einem normalen MassekabeL Auf
diese Weise werden diese Spezialkabel, die in ihrem Aufbau zunächst
etwas kompliziert erscheinen, bei höheren Spannungen durchaus wirt-
schaftlich. Man darf aber nicht übersehen, daß die höheren Stromstärken
·auch höhere Stromwärmeverluste (Leiterverluste) bedingen Das ist bei
einer Kabelplanung unbedingt mit zu berücksichtigen.
Auch bei Übertragungsspannungen unter IIO kV verwendet man heute
bei großen Übertragungslängen vielfach mit Vorteil Ölkabel. Bei
kürzeren Kabelstrecken, wie Kabeleinführungen und dergleichen, ist
aber dem Massekabel der Vorzug zu geben, da man hierbei auch größere
Leiterquerschnitte in Kauf nehmen kann. Das Massekabel bietet nämlich
den Vorteil höherer Stoßspannungsfestigkeit, da es dicker isoliert ist,
und die Öl- und Druckkabelisolierung auch keine höhere Stoßspannungs-
festigkeit als 100 kVjmm aufweist.
Beim Überschreiten der zulässigen Grenzfeldstärken hat man es
beim Öl- und Druckkabel wahrscheinlich mit Wärmedurchschlägen zu
tun, und zwar auf Grund der hohen Spannungen und beim belasteten
Kabel noch zusätzlich wegen der hohen Temperaturen, die auch die nied-
rigere Zeitdurchschlagskurve erklären.
Außer der Nennspannung und der Strombelastbarkeit sind für den
Planer von Kabelstrecken noch einige Übertragungsgrößen und Kenn-
werte des Kabels und seiner Isolierung von Interesse. Dazu gehört
·zunächst einmal die Dielektrizitätskonstante des imprägnierten Papier-
dielektrikums. Sie liegt im allgemeinen zwischen 3,6 und 4,2. In einem
Kabelwerk ergaben z. B. etwa 1000 Messungen an Einleiterkabeln
(Massekabeln) einen arithmetischen Mittelwert von e, = 3,8 (zugleich
auch häufigster Wert), 9ei einem Kleinstwert von 3,43 und einem Höchst-
wert von 4,35. Auch für die Ölkabelisolierung ist e, etwa 3,8. Entspre-
chend schwanken auch die Kapazitäten der Kabel und die sich davon
ableitenden Meßgrößen.
Die unten wiedergegebenen Kapazitäten treffen für die mittlere
Dielektrizitätskonstante zu. Da heute zur Fehlerortsbestimmung in
Kabeln vielfach Verfahren angewendet werden, die mit Hochfrequenz-
-signalen arbeiten, ist auch noch die im wesentlichen von der Dielek-
trizitätskonstanten abhängige Ausbreitungsgeschwindigkeit von elektro-
magnetischen Wellen in Kabeln interessant: In erster Näherung gilt für
die Wellengeschwindigkeit (Signalgeschwindigkeit) v:
c
V=--. (ll4)
Ver
Lichtgeschwindigkeit c = 2,998 · lOS [mjsec].
Hoch und Höchstspannungskabel 215
Mit e1 = 3,8 ergibt sich v = 1,538 · 108 [mjsec]. Die Wellengeschwin-
digkeit schwankt zwischen 1,618 · 108 [mjsec] und 1,436 · 108 [m/sec],

Abb. 204. Induktivität und Kapazität von Drehstromgürtelkabel.

Abb. 205. Induktivität und Kapazität von Dreimantelkabeln mit metal!lsierten Adern.

wenn man den oben angegebenen Bereich von e1 zugrunde legt. Wenn
eine höhere Genauigkeit verlangt wird, muß gegebenenfalls auch noch
die Permeabilität der Kabelbewehrung mitberücksichtigt werden. Sollen
216 Kabel und isolierte Leitungen

daher Fehlerortungen mit Hochfrequenzverfahren genügend genau


durchgeführt werden, dann ist es zweckmäßig, die Wellengeschwindig-
keiten im gesunden Kabelnetz durchzumessen und sie streckenweise in
den Kabel-Netzplan einzutragen.
Die Betriebskapazitäten von Drehstromgürtel- und Dreimautel-
kabeln sind in Abb. 204 und Abb. 205 wiedergegeben. Bei Öl- und Druck-
kabeln kann man mit 0,2 bis 0,3 p, Fjkm rechnen.
Da die Kapazitäten von Kabeln bedeutend größer sind als die von
Freileitungen, muß man bei längeren Kabelstrecken mit ansehnlichen
Ladeströmen rechnen, die in den Transformatoren und Maschinen und
auch im Kabelleiter selbst zusätzliche Verluste erzeugen, wenn keine aus-
reichende Kompensation durch induktive Belastung erfolgt. Die Lade-
ströme bei 50 Hz Betriebsfrequenz für die verschiedenen Kabelquer-
schnitte sind in den nachstehenden Tabellen 2 und 3 enthalten. Sie
errechnen sich aus h = U 0 • w ·Ob· w-a [Ajkm] unter Vernachlässigung
des Spannungsabfalls im Kabel.
Dabei bedeutet U 0 die Sternspannung (Spannung gegen Erde) in
Volt, w die Kreisfrequenz, Ob die Betriebskapazität in p, Fjkm. Die
Zahlen gelten für Dreileiterkabel; sie können mit hinreichender Genauig-
keit auch für Dreieinhalbleiter- oder Vierleiterkabel der Nennspannung
1 k V angenommen werden.

Tabelle 2. Ladeströme von Dreileiter-Gürtelkabeln.

Leiterquer- Ladestrom in A/km bei den Nennspannungen


schnitt
mm'
Leiteraufbau I
~~~---,---~~~,-~~------.~~~----.--~~-
lkV 3kV ßkV lOkV 15kV

1,5 0,036
2,5 0,042
4 0,047
6 1 Ieiter
Rund- 0,052 0,13 0,19

I
10 0,060 0,14 0,22 0,33
16 0,067 0,16 0,25 0,38 0,44
25 0,074 0,19 0,28 0,44 0,52
35 0,082 0,20 0,32 0,47 0,57
16 0,085 0,20
25 0,096 0,23 0,35 0,47 0,53
35 0,107 0,26 0,37 0,53 0,58
50 0,120 0,29 0,42 0,60 0,64
70 Sektor- 0,134 0,33 0,47 0,69 0,70
95 Ieiter 0,147 0,36 0,52 0,76 0,74
120 0,158 0,39 0,58 0,83 0,80
150 0,170 0,42 0,62 0,91 0,85
185 0,181 0,45 0,66 0,98 0,91
240 0,196 0,49 0,74 1,07 1,00
300 0,208 0,52 0,79 1,16
Hoch- und Höchstspannungskabel 217
Tabelle 3. Ladeströme von Dreileiter H- oder Dreimantelkabeln.
Leiterquer- Ladestrom in A/km bei den Nennspannungen
schnitt
mm' 15kV 20kV
I 30kV
I 45kV
I 60kV

16 0,57
25 0,68 0,80
35 0,76 0,91 1,09
50 0,90 1,02 1,25 1,55
70 1,00 1,16 1,41 1,71
95 1,14 1,31 1,58 1,88 2,07
120 1,25 1,41 1,69 2,04 2,18
150 1,36 1,56 1,85 2,20 2,28
185 1,47 1,67 1,96 2,37 2,50
240 1,63 1,85 2,18 2,53 2,72
300 1,77 2,03 2,39 2,77 2,94
Die Induktivität eines Kabels ist kleiner als die einer Freileitung.
Sie verändert sich mit Querschnitt und Nennspannung verhältnismäßig
wenig. Man rechnet auch hier am besten mit der sogenannten Betriebs-
induktivität Lb pro Phase. Die Abbildungen 204 und 205 enthalten die
induktiven Widerstände XL= w Lb für f =50 Hz. Diese fallen bei
höheren Leiterquerschnitten durchaus in die Größenordnung der ohm-
sehen Widerstände bzw. übersteigen sie noch.
Bei Kabelanlagen aus drei einzelnen nebeneinander verlegten Ein-
leiterkabeln ist die Betriebsinduktivität natürlich höher. Die induktiven
Widerstände solcher Kabel liegen in der Regel in der Größenordnung
von 0,15 bis 0,17 Qjkm und sind unsymmetrisch. Eine Symmetrierung
kann entweder dadurch erfolgen, daß die Kabel im Dreieck angeordnet
werden, oder daß auf der Kabelstrecke die einzelnen Adern hin und
wieder in zyklischer Vertauschung gekreuzt werden, wie man das auch
bei Freileitungen macht.
Der Erdschlußstrom für den einphasigen Erdschluß eines Kabels
ergibt sich zu IE = 3 · U 0 • w 0 0 • w-s [Ajkm], wobei 0 0 die Kapazität
eines Leiters gegen den Bleimantel (Erde) bedeutet (in,u Fjkm). Für 0 0
gilt als brauchbare Näherung bei Gürtelkabeln:
c
für Querschnitte bis 95 mm 2 0 = 0,53 . cb
c
für größere Querschnitte 0 = 0,6 . cb.
Die Beziehung zwischen Erdschlußstrom und Ladestrom lauten dem-
nach bei Gürtelkabeln
IE = 1,6. h (ll5)
bzw. IE = 1,8 · h.
Bei Höchstädter- und Dreimantelkabeln ist 0 0 =Ob, so daß dort gilt:
IE = 3 h . (ll6)
Die Erdschlußströme können daher aus den angegebenen Werten
für die Ladeströme leicht berechnet werden.
218 Kabel und isolierte Leitungen

c) Gummi- und Kunststoffkabel


Niederspannungskab el können auch statt mit Papier, mit Gummi-
oder Kunststoff isoliert werden, wobei der Bleimantel beibehalten wird.
Vorschriften über Gummi- und Kunststoffbleikabel für eine Nennspan-
nung von 1 k V sind in VDE 0265 enthalten. Die Grundtypen mit blankem
Bleimantel sind NGK bzw. NYK. Als Leistungskabel haben sie keine
große Bedeutung mehr. Sie haben vor allem in den bleimantellosen
Bauarten, die heute entsprechend VDE 0271/1951 für Spannungen bis
1 kV auch für die Verlegung im Erdboden zugelassen sind, starke Wett-
bewerber erhalten. Solche bleimantellose Kabel sind entweder mit
Gummiisolierung und Gummimantel (NGG) oder mit Kunststoffiso-
lierung und Kunststoffmantel (NYY) ausgerüstet. Das Problem bei den


Gummikabelnliegt darin, daß für den Mantel nur Kautschuk mit geringer
Wasseraufnahme verarbeitet werden darf, der ozonfest und außer-
dem fest ist gegen den
Befall durch tierische und
~~ pflanzliche Lebewesen. Das
-- Schwergewicht liegt ein-
Abb. 206. NYY-Kabel, 4 X 185 mm•, 1 kV. deutig auf der Seite der
KunststoffkabeL Diesesind
folgendermaßen aufgebaut: die kunststoffisolierten Adern werden mit-
einander verseilt, darüber folgt zur Ausfüllung der Zwickel ein Aus-
füllmautel und als Abschluß ein Außenmantel aus einer wasserfesten und
abriebfesten Kunststoffmischung (Abb. 206).
Wenn von Kunststoffisolierung oder Kunststoffmantel die Rede ist,
so handelt es sich fast ausschließlich um Polyvinylchloridmas sen (PVC).
Ausgehend vom PVC-Pulver wird dies unter Zusatz von Weichmachern,
Füll- und Farbstoffen zunächst auf heißen Walzen oder in beheizten
Mischwerken gelatiniert und die thermoplastische Masse dann im Spritz-
verfahren auf das Kabel gebracht. Die IsoHermischung auf dem Leiter
wird hauptsächlich auf die elektrische Festigkeit abgestimmt, die Mantel-
mischung auf die mechanische. Besonderer Wert wird auf eine geringe
Wasserdampf-Durch lässigkeit gelegt.
Die Strombelastbarkeit der Kunststoffkabel ist in VDE 0271 ange-
geben. Die Kunststoffkabel haben gegenüber den Bleikabeln eine ganze
Reihe Vorzüge. Sie haben ein geringeres Gewicht, eine glatte und saubere
Oberfläche und daher ein gefä.Iliges Aussehen und lassen sich leicht
verlegen; es sind kleinere Biegeradien als bei Papierbleikabeln möglich.
In Innenräumen braucht man keine Endverschlüsse, in Gefällestrecken
tritt keine Tränkmassewanderu ng auf wie bei den Papierbleikabeln. Die
Kunststoffkabel sind schwer· entflammbar, widerstandsfähig gegen
chemische Angriffe und alterungsbeständig. Bei einer Beschädigung des
Außenmantels ist das Kabel noch betriebsfähig, da die Aderisolierung
Allgemeine Gesichtspunkte für die Auswahl und den Betrieb von Kabeln 219

hinreichend feuchtigkeitsbeständig ist. Bei kleinen und mittleren Quer-


schnitten sind die Kunststoffkabel billiger als die Papierbleikabel
einschl. Endverschlüsse, sofern es sich um kurze Längen handelt.
Als Nachteile sind anzugeben: die Witterungsbeständigkeit der
Kunststoffmäntel über einen längeren Zeitraum ist noch wenig bekannt.
Die PVC-Isolierung ist nur in einem verhältnismäßig engen Temperatur-
bereich brauchbar, der wohl als Ganzes innerhalb der Temperaturskala
verschoben werden kann - durch entsprechenden Mischungsansatz - ,
dessen Grenzen aber nicht nach beiden Richtungen zugleich erweitert
werden können. Schließlich können bei dicken Kabeln in den Mänteln
Spannungsrisse auftreten, die daher rühren, daß der Thermoplast
physikalisch als eingefrorene Schmelze anzusehen ist.
Wenn man auch in vielen Fällen mit dem nicht mehr weiter ge-
schützten Außenmantel auskommt, so lassen sich auf die Kunststoff-
kabel bei Bedarf auch noch Bewehrungen und Schutzhüllen aufbringen,
die genau so aufgebaut sind wie bei den Papierbleikabeln. Man erhält
dann z. B. Kabel vom Typ NYYBA.
Wie bereits erwähnt, gelten die VDE-Vorschriften 0271/1955 nur für
Kabel bis 1 kV Spannung. Es ist aber möglich, PVC-isolierte Kabel
bis zu 20 kV Betriebsspannung herzustellen; solche Kabel haben sich
bereits in der Praxis bewährt. Über 10 kV wird man nicht hinausgehen,
da sonst die dielektrischen Verluste nach Gl. (113) zu hoch würden, weil
PVC-Massen einen Verlustfaktor in der Größenordnung von 0,05 haben
im Gegensatz zum imprägnierten Papier mit tau r5 """ 0,005. Kunststoff-
kabel werden mit Maximalfeldstärken von 2,5 bis 3,5 kVjmm betrieben.
Die Dielektrizitätskonstante der IsoHermischungen aus PVC liegt zwi-
schen 3,5 und 5.
Aus Sicherheitsgründen werden die metallmantellosen Kabel für
höhere Spannungen zweckmäßig mit einer geerdeten metallischen Ab-
schirmung versehen; gegebenenfalls genügt auch die geerdete Bandeisen-
oder Drahtbewehrung.
Will man auch für Spannungen über 20 kV noch mit Kunststoff
isolieren, so kann man Polyäthylen verwenden, das sich durch einen sehr
niedrigen Verlustfaktor auszeichnet. Bei diesem Isolierstoff liegt das
Hauptproblem darin, daß das Material homogen und frei von Luft-
bläschen auf den Leiter aufgebracht wird. Dickere Isolierungen müssen
in mehreren Schichten gespritzt werden.

d) Allgemeine Gesichtspunkte für die Auswahl und den Betrieb


von Kabeln
Für die Bemessung und Auswahl der Energieübertragungskabel sind
mehrere Gesichtspunkte maßgebend. Die wichtigsten sind Nennspan-
nung, Nennstrom bl!w. die zu übertragende Leistung und der zulässige
220 Kabel und isolierte Leitungen

Spannungsabfall, über die hier weiter nichts mehr gesagt zu werden


braucht. Dazu kommt aber noch die Kurzschlußfestigkeit der Kabel.
Die Höhe des Kurzschlußstromes wird durch die höchstzulässige Tempe-
ratur begrenzt, die die imprägnierte Papierisolierung bzw. die Gummi-
oder Kunststoffisolierung kurzzeitig - einige Sekunden, unter Um-
ständen mehrere Stromstöße hintereinander - ohne Schaden aushalten
kann. Bei den für die Isolierung zugelassenen Höchsttemperaturen ist
die Haltbarkeit der Lötstellen in Muffen und Endverschlüssen im all-
gemeinen noch nicht gefährdet, J.bch muß bei Überschreitungen mit einer
!
I • • l· Einslt>lkt>il !/Pr Sdlollt>r OP? l?t>l171s(lil 5€4<)
,
~l lx
bi?Y. J-phosigem /(vrzsdlUJ.
7;,; 8t>i J·p/Tasigem /(ur?.rd~U ~P Z11il
u
t:::::s ~

Ji==s: -J.f
t p-....; :,1

~ ZJ
2 .........

F--: ~ ""' d' •


.........
{j -

r!:l .....
j'.
"'
....... '~

--
II
- '- - - ~
~
IJ=
(2J
~ ~r-.: -
t-.
r- ~ t::f=l::E
~
,.;;;:
l I
r
I

Abb. 207. Umrechnungsfaktor k zur Ermittlung des effektiven Kurzschlußstromes


(Kurvenschar aus BBC·Handbuch, 2. Auf!., S. 373).

Beschädigung der Lötverbindungen gerechnet werden. Es spielen dann


auch bereits die mechanischen Kräfte des Kurzschlußstromes eine Rolle,
die sich gerade in und an den Kabelgarnituren auswirken.
Die im Kurzschluß zulässige Grenztemperatur des Leiters sollte nicht
höher als 150 bis 160° C liegen. Zur Bemessung von Kabeln hinsichtlich
ihrer thermischen Kurzschlußfestigkeit muß der zeitliche Verlauf des Ab-
klingens des Stoßkurzschlußwecbselstroms (subtransienter Strom) auf den
Dauerkurzschlußstrom bekannt sein. In Abb. 207 ist dieser Verlauf für ver-
1 s. a. IIAME;ISTER: Die Berechnung des Kurzschlußstromes in Hochspannungs-
netzen. BBC-Handb. für Schaltanlagen 2. Aufl. 1951, S. 114. Allgemeines zum
Kurzschlußproblem siehe Biermanns, Hochspannung und Hochleistung. München
1949.
Allgemeine Gesichtspunkte für die Auswahl und den Betrieb von Kabeln 221
schierlene Verhältnisse von I';cfiK 11 aufgetragen, wobei k das Verhältnis des
Kurzschlußstroms Iefl für einen beliebigen Zeitpunkt zu dem Dauerkurz-
schlußstrom bei Nennerregung IK 11 bedeutet. (Siehe auch Abschnitt XX.)
Der effektive Kurzschlußstrom ist schließlich maßgebend für die
Erwärmung der Kabelleiter im Kurzschlußfall. Die thermische Kurz-
schlußfestigkeitvon Kupfer- und Aluminiumkabeln bis 30 kV geht aus
200
....... Cu-Kabel (foooc max)
KA ......... .......
.......... .......... .........
100 ...........
............ ........ .......
:......
....... .......
......... ..........
.......... .........
.fO ............ .......
~""'-
......... ...... r-...
.......
t
~0
r..... r.....
......... ...... .......... ...... ......
Jt7 1'--.. ....... 1........_ r--- 1""- ......
~M
............. ............. r-.... r--- ~ 1""- I' ..... .... 500
mm
....-:; r.....
~
....... ' ....... r-...
1-
#trJ

r-- r-- fw
r~ ~

............. ............. ....... ...... r-- ....


~ 1t7 2Pfl

r..... ' .......


.......
l'o..
r-.. ........
' N 195
'
l
.......
IJ
s: '
...... N 1""- 1$

~ 9 ....... ....... r-..... 141!":


.......... ....... ...... .......
J
I'... r- N ..... ;r;
............. ~'I'-
.......
....... !'-I
' 1""-
!i7
......
...... ' r-...
;II"

I I'-
1
,....
' 20
.......
I 1ö
I

l{j
((! 1/.f ! 2 J93
Kurz.so?hßdavl'r -
Abb. 208. Thermische Kurzschlußfestigkeit von Kupferkabeln bis 30 kV (aus BBC-Handb., S. 374).

den Abbildungen 208 und 209 hervor, die die Auswahl des geeigneten
Kabelquerschnittes je nach effektiver Kurzschlußstromstärke und Kurz-
schlußdauer ermöglichen. Bei 1 kV-Kabeln kann der einem um 10% ver-
minderten Kurzschlußstromstärke entsprechende Leiterquerschnitt ge-
nommen werden, bei Kabeln über 30 kV Nennspannung ist dagegen
der zu einer um 25% erhöhten effektiven Kurzschlußstromstärke zu-
gehörige Leiterquerschnitt zu wählen.
Es ist notwendig, sich über die dauernd beim Betrieb eines Kabels
auftretenden Verlustleistunge_n klar zu werden. Im folgenden sind die
222 Kabel und isolierte Leitungen

Berechnungsgru ndlagen für die Verlustleistungen beim Drehstrombetri eb


angegeben und zugleich der prozentuale Anteil der einzelnen Verlust-
arten, bezogen auf die Leiterverluste.
Die Leiterverluste selbst sind durch den ohmscheu Widerstand der
Kupfer- bzw. Aluminiumleite r bedingt. Sie berechnen sich zu
N L = 3 · 12 • R [Wjkm] .
Jll(}
Al- Kabel (16'0 oc max)
l<.A
100
......... " ....."._

I-.. r-.... .........


.........
....... ......
50 !'-.. !'-.....
.......
;o ......... ,....,
["'oo.,
["'oo., .........
......... ....... ~"'--.. I-..
JO .............. t-- f'-.. t--
't-... !'-..... I"'
!'-..... f'-..
......... ....... t-- t--t--
!'-..... ........... t-- I-.. .......
......... 1'.
,....,
......... ......... 1'. mm2
500
"" .......
-~ -~~ .......
I' !"' r--
I-..
.........
!'.....
.........
"' I !'..... f(J()

r-.... 1".. ["'oo.,


.......
"
I-..
' "' .JOil

"'
1' 2#1
,....,
"
:r
I I'
7l15
I

-..........
.........
.........
.........
.......
t--
N
....I
"
......... ...... ..... .........
r.... I ....... !'-.....
%:;~:::
........
........
.........
.......
....... .......
m~~
i"oo. $~
1
t-- r-.... I ....... ........ ~
i"oo. J5"
.......
I 25
0,5
..J
0;1f 16'
I
I
I 1/l
fll Oß fl.J 0,5 1 2 Jp.f lll $sek
Kurzsr:hlvßdauer -
Abb. 209. Thermische Kurzschlußfestigkeit von Aluminiumkabeln bis 30 kV (aus BBC-Handb., S. 375).

Dabei ist zu beachten, daß für den Widerstand R der der Betriebs-
temperatur des Kabels entsprechende Wert eingesetzt werden muß.
(Über den spezifischen Widerstand des Leitermaterials sowie die Tem-
peraturkoeffizi enten siehe VDE 0201 und VDE 0202).
Die Ladeleistung eines Dreileiterkabels beträgt (vgl. auch Gl. (112))
Ne= 3 U~ ·wOb= U 2 ·wOb [VA/km], (117)
U0 bzw. U in [kV]
ob in CuFjkm].
Fernwirk- und Fernmeldekabel 223
Sie sei hier nur der Vollständigkeit halber mit aufgeführt, da die Lade-
leistung an sich rein kapazitiv ist, also eine Blindleistung darstellt. Wie
oben beim Ladestrom schon angedeutet, fällt sie aberins Gewicht, wenn ein
ausgedehntes Kabelnetz viele Wirkstromverbraucher versorgt, der Lade-
strom sich größtenteils geometrisch zu dem Wirkstrom addiert, wodurch
zusätzliche Spannungsabfälle und Wirkverluste in den Stromerzeugungs-,
Übertragungs- und Verteilungsanlagen auftreten. Als Beispiel sei nur an-
geführt, daß bei einem 30 kV-Drehstromkabel mit einem Leiterquer-
schnitt von l50mm2 die Ladesleistung etwa 150 k VA; km beträgt.
Über die dielektrischen Verluste ist bereits oben berichtet und auch
die Formel zu ihrer Berechnung angegeben worden. Bei modernen Hoch-
spannungskabeln liegen die dielektrischen Verluste in der Größenordnung
von nur I% der Leiterverluste. So betragen siez. B. bei einem 30 kV-
Kabel, 3 · 70 mm2 Cu, nur rund 290 Wfkm gegenüber Leiterverlusten-
bei Nennlast-von 30100 Wfkm. Da die dielektrischen Verluste aber
mit dem Quadrat der Betriebsspannung ansteigen, sind sie bei Höchst-
spannungskabeln, deren Verlustfaktoren praktisch nur wenig kleiner
sind, wohl zu berücksichtigen.
Weiterhin treten in Kabeln noch Bleimantelverluste auf. Sie sind
eine Folge der in den Bleimänteln induzierten Wirbelströme oder der
durch die Anordnung der Kabel (z. B. drei Einleiterkabel) bedingten
transformatorischen Ströme in Bleimantellängsrichtung. Bei Gürt-el-
kabeln ist ihr Anteil an den Gesamtverlusten sehr gering, bei gleich-
mäßiger Belastung der 3 Phasen machen sie höchstens 0,2 bis 0,4% der
Leiterverluste aus. Bei Dreimantelkabeln steigt dieser Wert auf l-2%.
Bei drei Einleiterkabeln können die Bleimantelverluste dagegen je
nach Verlegungsart bis auf 5 oder sogar IO% der Leiterverluste ansteigen.
Man muß darauf achten, daß die Schleifen möglichst klein werden, die
Kabeladern also nicht zu weit voneinander entfernt liegen. In jedem
Fall müssen aber sämtliche parallelliegenden Bleimäntel in bestimmten
Abständen miteinander verbunden und geerdet werden, da sonst ge-
fährliche Berührungsspannungen auftreten können.
Schließlich sind noch die Bewehrungsverluste zu erwähnen. Sie
entstehen in dem Bewehrungseisen des Kabels als Hysteresis- und Wirbel-
stromverluste (Magnetisierungsverluste). Sie können nicht genau errech.
net werden. Bei Dreileiterkabeln sind sie nicht von Bedeutung. Einleiter-
kabel dagegen erfordern beim Wechselstrombetrieb eine Bewehrung aus
nichtmagnetischem Material, da sonst beachtliche Magnetisierungs-
verluste zu erwarten wären.

e) Fernwirk~ und Fernmeldekabel


Ebenso wichtig wie die Energiekabel sind für den Kraftwerksbetrieb
die Steuer- und Meldekabel, besonders weil man in immer stärkerem
224 Kabel und isolierte Leitungen

Maße Fernmeß- und Fernwirkanlagen einrichtet. Die Aufbauelemente


für diese Kabelgruppe sind grundsätzlich die gleichen wie für die Energie-
kabel. Es handelt sich jedoch fast ausschließlich um die Fortleitung von
Klein- oder Niederspannungen bei kleinen Stromstärken, unter Um-
ständen auch mit hohen Frequenzen.
Während man früher vieladrige Steuer- und Signalkabel mit kleinen
Aderquerschnitten als Papierbleikabel (masseimprägniert) oder auch
häufig als Gummibleikabel ausführte, setzen sich hier neuerdings kunst-
stoffisolierte Kabel immer mehr durch, entweder als Kunststoffbleikabel
oder auch bleimantellos. Auch vor dem Aufkommen der NYY-Kabel
wurden bereits gute Erfahrungen mit Schaltanlagenhilfskabeln mit
Kunststoffisolierung und Kunststoffmantel gemacht.
Fernsprechkabel werden mit trockenem Papier isoliert, dessen elek-
trische Festigkeit für die im allgemeinen geringe Spannungsbean-
spruchung genügt und das außerdem wegen seiner niedrigen Dielektri-
zitätskonstante die erforderliche kleine Kapazität gewährleistet. Um
die Kapazität noch mehr herabzusetzen, legt man zwischen Leiter und
IsoHerhülle noch eine Abstandskordel aus trockenem Papier, so daß
um die Adern ein Luftraum entsteht. Eine andere Lösung besteht in
der Verwendung poröser Kunststoffmassen als Isoliermittel. Da die
trockene Papierisolierung sehr feuchtigkeitsempfindlich ist, muß großer
Wert auf einen unbedingt dichten Metallmantel gelegt werden (Blei-,
Aluminium- oder Wellmantel). Armierung und Schutzhüllen können
wie bei den Energiekabeln ausgeführt werden.
Ein besonderes Problem bei den Steuer-, Melde- und Fernsprech-
kabeln besteht darin, äußere Störeinflüsse fernzuhalten. Das gilt in
erster Linie für die induktive Beeinflussung durch Starkstromleitungen.
Die ,,Schiedsstelle für Beeinflussungsfragen der deutschen Bundesbahn,
der deutschen Bundespost und der VDEW" hat eine technische Empfeh-
lung herausgegebenl, in der eine Anleitung zur Berechnung der in
Fernmeldeleitungen durch Kurzschlüsse oder Doppelerdschlüsse an
Drehstrom-Hochspannungsleitungen induzierten Spannungen gegeben
wird, und auf die hier verwiesen werden kann.
Der Kabelmantel und die Bewehrung üben eine gewisse Schutz-
wirkung gegen die Induktionserscheinungen in den Kabeladern aus.
Sie ist durch den sogenannten Kabelmantel-Schutzfaktor festgelegt, der
in VDE 0816, § 18, definiert ist. Das Maßverfahren für den Schutzfaktor
ist in VDE 0472/1954, § 23, angegeben. Nachdem die Beeinflussung
für einen Spezialfall errechnet worden ist, kann aus der VDE-Vorschrift
die Größenordnung des Schutzfaktors entnommen werden, die dann bei
der Kabelbestellung vorzuschreiben ist. Die Kabelhersteller müssen
1 Technische Empfehlung Nr. 1 vom 12. 7. 1951 zu beziehen z. B. durch
VDEW Fra.nkfurtJMain.
Kabelendverschlüsse und Kabelmuffen 225
unter Umständen eine Spezialarmierung vorsehen, um den verlangten
Wert einhalten zu können.
Um die Gefahr herabzumindern, daß bei Doppelerdschlüssen die Erd-
ströme in einem weiten Bereich ausstreuen und dabei auch in die Nähe
von Fernmeldekabeln geraten, ist es in Sonderfällen empfehlenswert,
parallel zu den Hochspannungsleitungen (Freileitungen oder Kabel-
strecken) ein hinreichend dimensioniertes blankes Erdseil in den Boden
zu verlegen.

B. Kabelendverschlüsse und Kabelmuffen


Wenn Papierkabel in Schaltanlagen und Netzstationen oder an Ma-
schinen und Geräten usw. angeschlossen werden sollen, so muß man
einen geeigneten Kabelabschluß vorsehen, damit weder Feuchtigkeit in
das Kabelinnere gelangt, noch Kabel-
tränkmasse austreten kann: die Kabel-
enden müssen sogenannte Kabelend-
tetier - ---fliotn
verschlüsse erhalten. Die Konstruktion
der Kabelendverschlüsse ist verschie-
den, je nachdem sie für Einleiter-,
Gürtel- oder Dreimantel-Kabel vorge-
sehen sind oder ob für Innenraum oder
Freiluftmontage. Schließlich richtet sie
sich auch noch nach der Nennspannung
des Kabels.
Für die mechanische Bemessung der P"knn~r---~rn
xhh~WaM----~~1~~
Endverschlüsse, d. h. für die Wahl Oecke/·-----1':~;---~
einer leichteren oder schwereren Aus- AufletlunpgehÖII.fe- -
führungsform, sind die im Kurzschluß- ~~mo~·---------~?1--1
fall auftretenden Kräfte maßgebend.
In Innenraumanlagen werden heute
für Gürtelkabel bis 10 kV bei mäßi-
gen Kurzschlußstromstärken (bis höch-
stens 15 kA) meistens Kleinendver-
Abb. 210. Kleinendverschluß,
schlüsse gebraucht. Abb. 210 zeigt ein 1-10 kV (RDK).
Beispiel eines druckfesten Kleinend-
verschlusses. Zunächst werden am Kabelende die Bewehrung und ein
Teil des Bleimantels und der Gürtelisolierung entfernt. An den Blei-
mantel wird das Blechgehäuse angelötet und die gespreizten papier-
isolierten Adern nach der Bewicklung mit Ölleinen durch die Ausfüh-
rungen des Deckels geführt, der schließlich ebenfalls mit dem Gehäuse
verlötet wird. Die Abclichtung der Adern erfolgt durch Überzugsschläuche
aus Kunsstoff oder Gummi, die an den Deckelstutzen sowie an den
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 15
226 Kabel und isolierte Leitungen

Spezialkabelschuhen durch Schlauchschellen festgelegt werden. Das


Gehäuse wird mit Kabelisoliermasse gefüllt. Für Einleiterkabel bzw.
aufgeteilte Dreibleimantelkabel gibt es heute bereits Kleinendverschlüsse
bis zu 30 kV Nennspannung.
Wenn höhere Anforderungen an die Kurzschlußfestigkeit gestellt
werden, oder die Montage in FI:eiluftanlagen erfolgen soll, kommt für
Gürtelkabel (bis20kV) in der Regel der sog. Flachendverschluß (Abb.2ll)
zur Anwendung. Ein gußeisernes Gehäuse trägt 3 Porzellandurchfüh-
rungen. Die Kabeladern enden in Lötröhrchen, die dicht in die Durch-
führungen eingesetzt werden. In Höhe der Gehäuseausführungen er-
halten die Adern eine
Abstützwicklung, die be-
sonders beim Auftreten
von Kurzschlußkräften
in Funktion tritt. Man
ist bestrebt, den Masse-
Inhalt des Gehäuses
möglichst klein zu hal-
ten. Dadurch erreicht
man nicht nur kleinere
Abmessungen und ein
geringeres Gewicht, son-
dern hat auch nur ge-
ringe Volumenschwan-
kungen infolge der
Wärmeausdehnung der
Abb. 211. Ma>Eearmer Flachendverschluß, 10 kV,
Freiluftausführung (RDK). Masse. Zum Auffangen
dieser Volumenschwan-
kungen ist ein Ausdehnungsraum mit Luftpolster vorgesehen. Auch
aus Sicherheitsgründen ist ein kleiner Masse-Inhalt erwünscht.
Bei höheren Spannungen (über 20 kV) muß, abgesehen von dem
sicheren Abschluß gegen Feuchtigkeit, darauf geachtet werden, daß inner-
halb des Kabelendverschlusses keine zu hohe elektrische Randfeldstärke
auftritt, die zu einem Überschlag und zur Zerstörung des Endverschlusses
führen würde. Abb. 212 zeigt einen solchen Endverschluß und zwar für
die eine Ader eines Dreibleimantelkabels. Der untere Gehäuseteil, der
einen Isolator trägt, steht mit dem Bleimantel in Verbindung. Die Iso-
lierung wird beim Austritt aus dem Bleimantel zunächst durch Auf-
wickeln einer Keule verstärkt und dann wieder verjüngt. Die Keule
wird bis zu der Verdickung von unten her außen mit einer geerdeten
Metallfolie umwickelt. Dadurch erreicht man eine trichterförmige Fort-
setzung des Bleimantels mit einer entsprechenden Reduzierung der elek-
trischen Randfeldstärke auf einen ungefährlichen Wert. Zur weiteren
Kabelendverschlüsse und Kabelmuffen 227
Verminderung der elektrischen Beanspruchung sieht man als Abschluß
der Metallfolie einen Strahlungsring vor.
Der Abschluß eines Dreimantelkabels mit drei Einleiterendver-
schlüssen ist in Abb. 213 wiedergegeben. Bis zu Spannungen von etwa
30 kV können aber auch für Dreimantelkabel Flachendverschlüsse ver-
wendet werden, und zwar die gleichen wie für Gürtelkabel, nur daß als
Einführung eine Dreifach-Lötbüchse vorgesehen ist. Wo starke Kurz-
schlußströme auftreten können, sind sie in ihren mechanisch-elektrischen
~igenschaften den aufgeteilten Endver-
.chlüssen überlegen.

Abb. 212. Einleiterend verschluß höherer Abb. 213. Endverschlüsse für


Spannung (RDK). Dreimantelkabel (RDK).

Bei sehr geringen Anforderungen an mechanische Stabilität und


Masse-Dichtigkeit können in trockenen Räumen an Einleiter- und Drei-
mantelkabeln auch einfache Wickelendverschlüsse angebracht werden.
Höchstspannungskabel erfordern Spezial-Konstruktionen von End-
verschlüssen. Die Wickelkeulen erhalten sehr oft zur Feldsteuerung
Kondensatoreinlagen aus Metallfolien. Neuerdings sind auch in Deutsch-
land Transformator-Einführungsendverschlüsse gebaut worden, bei
denen das Höchstspannungskabel unmittelbar in das Trafogehäuse ein-
geführt wird. Daher gibt es keine freiliegenden hochspannungsführenden
Teile, was aus Raumgründen und wegen der Verschmutzungsgefahr sehr
vorteilhaft ist. Außerdem hat man auf der Oberspannungsseite die eigent-
15*
228 Kabel und isolierte Leitungen

liehen Transformator-Durchführungen gespart. In Abb. 214 sind zwei


solcher Transformatorendverschlüsse eines 150 MVA-Transformators von
außen zu sehen (die dritte Phase endet, im Bild nicht sichtbar, auf der
rückwärtigen Stirnseite des Transformators). Der Transformatorkessel ist
mit nach unten trichterförmig verjüngten Kammern ausgerüstet, ln
welche die Kabel senkrecht vom Boden her eingeführt sind. Am unteren

Abb. 214. Einführung eines 220 kV-Ölkabels in einen Abb. 215. Schnittbild eines Transformator-
Transformator (F & G). Einführungs-Endverschlusses (F & G).

Ende tragen diese Kammern jeweils die Fußarmatur des Endverschlusses.


Dieser ist so ausgebildet, daß er den Ölraum des Kabels von dem des
Transformators trennt (s. Abb. 215). Der Endverschlußkopf wird mittels
einer Steckvorrichtung mit der Oberspannungsseite des Transformators
verbunden. Sowohl der Endverschlußkopf als auch die Wickelkeule sind
mit feldsteuernden Elektroden versehen. Federungskörper sorgen dafür,
daß die Transformator-Schwingungen weder auf den Kabelleiter noch
auf den Kabelmantel übertragen werden.
Kunststoffkabel bis I kV benötigen in Innenräumen keine Endver-
schlüsse, bei höheren Spannungen ist es jedoch zweckmäßig, den Zwickel
der Aderaufteilung besonders zu schützen, da durch Staubteilchen dort
Kabelendverschlüsse und Käbelmuffen 229
eine Spitzenwirkung mit hohen Feldstärken auftreten kann, unter deren
Einfluß das IsoHermaterial auf die Dauer Schaden leidet. Die Schäden
kündigen sich durch Ausbleichen der Farben und leichte Brandspuren
an. Als Material für einen Kunststoffkabel-Endverschluß eignet sich
Gießharz (auf Polyester- oder Epoxydharzbasis), das bei Umgebungs-
Temperatur polymerisiert. Es wird in einer Form vergossen, di~ nach
dem Erstarren wieder abgenommen werden kann. Für den Freiluft-
abschluß von Kunststoffkabeln kann man normale Endverschluß-Aus-
führungen mit Porzellanisolatoren nehmen. Als Füllmasse empfiehlt
sich auch hier ein kalt zu verarbeitendes Gießharz oder zum mindesten
eine IsoHermasse mit niedriger Schmelztemperatur, damit die Kunststoff-
Isolierung nicht beschädigt wird.
Eine kurze Übersicht soll noch einmal die Auswahl der verschiedenen
Endverschlußarten je nach Kabeltyp, Betriebsspannung und Verlegungs-
art zeigen. Es sind darin auch die hier bisher nicht erwähnten genormten
Endverschlüsse für Spannungen bis 10 kV ange-
geben, die im übrigen nur geringen Ansprüchen
gerecht werden (Tab. 4).
Die Kabel werden im allgemeinen in der Erde
in Kabelgräben verlegt, und zwar Niederspan-
nungskabel in einer Tiefe von 70 bis 80 cm, Hoch-
spannungskabel in einer Tiefe von 1m bis 1,20 m.
Mehrere Kabel in einem Graben werden mit Ab-
Abb. 216. Kabelgraben.
stand nebeneinander verlegt und mit einer Sand-
schicht von etwa 10 cm Höhe bedeckt. Hierüber werden, nachdem
der Sand festgestampft ist, zum Schutze des Kabels gegen äußere Be-
schädigungen, z. B. Wiederaufgraben, hartgebrannte Ziegelsteine (s.
Abb. 206) oder Betonplatten gelegt. Nicht so günstig sind die auch
gebräuchlichen halbkreisförmigen Abdeckhauben, da bei ihnen zwischen
dem Kabel und der Haube leicht Lufträume bleiben, die die Wärme-
abfuhr behindern und damit die Belastbarkeit der Kabel herabsetzen.
Für die Verbindungsstellen von Kabeln untereinander- die sog.
Kabelmuffen-sind die gleichen Gesichtspunkte maßgebend wie für die
Endverschlüsse. Muffen für Kabel bis 10 k V Nennspannung sind genormt.
Einzelheit en möge man den Blättern DIN 47 600 und DIN 4 7650 ent-
nehmen. Gürtelkabel bis 20 kV erhalten ähnliche Muffen wie die genorm-
ten. Der Aufbau einer Verbindungsmuffe für ein Dreibleimantelkabel
höherer Spannung ist in Abb. 217 wiedergegeben. Abb. 217 a zeigt zu-
nächst dieMuffe für die Einzelader. Man erkennt, daß die Kabelleiter durch
eine Löthülse metallisch miteinander verbunden sind und daß die Kabel-
isolierung sich von beiden Seiten nach der Verbindungsstelle zu allmählich
konusförmig verjüngt. Über die Konen und die Löthülse ist eine ver-
stärkte I solierung aufgewickelt, die zum Schluß noch eine Metallfolien-
230 Kabel und isolierte Leitungen

Tabelle 4.

Nenn- zugehöriger Endverschluß zulässige


Höhenunter-
K abeIart spannung
für für I schiede im
kV Innenräume Freiluft Kabel

Meß-, Steuer- u. flache Blech-End-


Meldekabel (Viel- < 0,5 verschlüsse Type V bis 3m
leiterka.bel) nach DIN 47697
M:eß-, Steuer- u. Druckfeste
Meldekabel (Viel- 1 Kleinendver- bis 60m
leiterkabel) schlüsse
Gürtelkabel 1 Zylinder-Blech-
1 bis 4-adrig Endverschlüsse bis 3m
TypeZ
nach DIN 47694
Gußeiserne bis 5m
Freiluft-Mast-
Endverschlüsse
bis60m
Druckfeste
I
Gürtelkabel 1 bis 15
1 bis 4-adrig Kleinendverschlüsse
(mit Schlauch-
abdichtung)

Ein- und Mehr- Gußeiserne


1eiterka.bel mit 1 Freiluft-Mast- unbe-
K unststoff- Endverschlüsse schränkt
I solierupg vergossenmit
Gießharz
Einleiterkabe] mit Einleiterend-
K unststoff- 1 bis 10 verschlüssemit
I solierung Porzellan- unbe-
isolatoren, ver- schränkt
gossenmit
Gießharz
Mehrleiterkabelmit Gießharz-Endver- Flachendver-
K unststoff- 3bis 10 schluß (gehäuselos) schlüsse ver- unbe-
I solierung gossen mit schränkt
Gießharz

I I
DreHeiter-Gürtel- 6bis30 Massearme Massearme
- bei, Höchstädter-
ka. Flach-Endver- Flach-Endver-
1mbei, Dreiblei- schlüsse mit schlüsse mit unbe-
mantelkabel Ausdehnungs- Ausdehnungs- schränkt
raum, Innenraum- raum, Freiluft-
Porzellan- Porzellan-
Durchführungen Durchführungen
Kabelendverschlüsse und Kabelmuffen 231
Tabelle 4. (Fortset zung)

Nenn- I zugehöriger Endverschluß zulässige


Höhen unter-
Kabelart
I spannung
kV
für
Innenräume
für
Freiluft
I schiede im
Kabel

Dreibleiman tel- 6bis20 Wickel-Endver- bis 3m


kabel, Einleiterkabel schlüsse
(trockene Innen-
räume)
Dreibleimantel- 6 bis60 Einleiterend- Einleiterend- unbe-
kabel, Einleiterkabel verschlüssemit verschlüssemit schränkt
Ausdehnungsraum, Ausdehnungs-
Innenraum- raum, Freiluft-
Porzellandurch- Porzellandurch-
führungen führungen

Höchstspannungs- 1110bis380 1 Spezial-Konstruktionen von


kabel Einlei terendverschlüssen

bewicklung erhält. Das ganze ist fest mit einem Mantel aus Blei um-
geben, der dicht verlötet wird. Die auf diese Weise hergestellten einzelnen
Muffen für die 3 Adern befinden sich in einem gemeinsamen Gehäuse aus
Gußeisen (Schutzmuffe }, das mit Vergußmasse gefüllt wird (Abb. 217 b ).

Abb. 217 a u. b. Kabelmuffe höherer Spannung (RDK).


a Einleiterblelmuffe, b Gußeiserne Schutzmuffe mit eingebauten Einlelterblelmuffen.

In den Muffen sind die Kabeladern aufgespreizt, so daß dort geringere


Kurzschlußkräfte auftreten. Die genormten Muffen besitzen Stege, die
die Adern voneinander distanzieren. Diese Muffen sind mit einer harten
Vergußmasse gefüllt; dadurch werden die Adern gegeneinander und
gegen die Muffenwände abgestützt. Muffen von Dreibleimantelkabeln
sind in hohem Maße kurzschlußfest, weil jede Einzelader fest in einer
Muffe liegt und diese Muffen innerhalb der Schutzmuffe in harte Masse
eingebettet sind.
Für Höchstspannungskabel sind je nach Kabelart Sondermuffen er-
forderlich. So benötigt z. B. ein Ölkabel u. a. Speisemuffen zum Anschluß
der Ölausgleichsgefäße und in Gefällestrecken besondere Sperrmuffen.
232 Kabel und isolierte Leitungen

Bei Erdverlegung können für Kunststoffkabel die gleichen Muffen


wie für Papierbleikabel verwendet werden. Zweckmäßig arbeitet man
hier ebenso wie bei den Endverschlüssen mit Kaltgießharzmassen oder
mit Vergußmassen niederer Schmelztemperaturen. Liegen die Kunst-
stoffkabel in trockenen betonierten Kanälen oder auf Kabelregistern in
Innenräumen, so kann man auf die gußeiserne Schutzmuffe verzichten
und eine Wickelmuffe aus Kunststoffbändern oder eine gehäuselose
Gießharzmuffe vorsehen.

C. Isolierte Leitungen
Die isolierten Starkstromleitungen sind bezüglich ihres Aufbaues in
VDE 0250 erfaßt. Die Vorschriften für ihre Isolierhüllen und Mäntel
aus Gummi oder Kunststoff sind in VDE 0208 und 0209 niedergelegt.
Maßgebend für ihre Anwendung sind die Errichtungsvorschriften; ihre
Strombelastbarkeit ist bei·
spielsweise in VDE 0100 auf-
geführt.
Abb. 218. Kunststoffaderleitungen NY A. Man unterscheidet isolierte
Leitungen für feste Verlegung
und isolierte Leitungen zum Anschluß ortsveränderlicher Stromver-
braucher. Die am häufigsten gebrauchte Leitung für feste Verlegung ist
heute die Kunststoffaderleitung NYA. Sie besitzt einen Leiter aus
Kupfer (seltener aus Aluminium) und eine Isotierhülle aus Polyvinyl-
chlorid (PVC) (Abb.218). Ihre Nennspannung beträgt 1000 Volt. Im all-
gemeinen werden die NYA-Leitungen in Isolierrohren auf oder unter Putz

Abb. 2111. GYA-Leitung.

oder auch in Stahlpanzerrohren verlegt. Sie sind aber auch zur Verlegung
im Freien und in feuchten Räumen auf Isolierkörpern geeignet. Ferner
dürfen sie für feste Verlegung in und an Werkzeugmaschinen sowie als
Meß-, Melde- und Betätigungs-Leitungen in &haltanlagen verwendet
werden. Für den letzten Zweck empfehlen sich allerdings bei höheren
Anforderungen Kunststoffaderleitungen mit verstärkter Isolierung
(NSYA) oder auch Leitungen, die auf dem Leiter zunächst eine Gummi-
isolierung und darüber einen Kunststoffmantel haben (Aufbau GYA)
(Abb. 219). Solche Leitungen sind nur wenig dicker als die einfachen
NSYA-Leitungen, bieten a-ber vor allem im Schaltanlagenbau den
Vorteil, daß sie biegsamer und geschmeidiger sind - besonders in der
Kälte - und sich daher sehr sauber und rasch verlegen lassen ohne daß
Isolierte Leitungen 233
sie elektrisch geringwertiger sind. Die Isolierstoff-Kombination Gummi/
Kunststoff kann man auch vorteilhaft zum Aufbau sog. Dachständer-
leitungen heranziehen. Sie unterscheiden sich von den GYA-Leitungen
nur durch eine dickere Gummiisolierung und im allgemeinen höhere
Leiterquerschnitte. Sie werden als Verbindungsleitung durch das Dach-
ständerrohr zwischen Freileitungsanschluß und Sicherungstafel ge-
braucht. Sie müssen kälte- und wärmebeständig, alterungsfest und
schwer entflammbar (kurzschlußfest) sein. Alle diese Forderungen
werden durch die angegebene Zweischichtenisolierung erfüllt. Als Dach-
ständer-Einführungsleitung wird sonst auch die NSYA-Leitung ver-
wendet. Eine zusätzliche Isolierung und Abstandshalterung erhält man
noch in jedem Fall durch übergeschobene Keramikperlen. In den USA
benutzt man als witterungsbeständige, alterungsfeste und flammwidrige
Isolierung in steigendem Maße den Kunstkautschuk Neopren (über
Daohständer-Einführungen vgl. Fußnote 1 u. 2 ).
Die Kunststoffaderleitungen haben heute praktisch die Gummiader-
leitungen N GA sowie auch die wetterfesten Gummiaderleitungen N GAW
verdrängt. Man muß allerdings berücksichtigen, daß die PVC-Isolierung
in der Kälte empfindlich gegen Schlag und Stoß ist.
Wenn einC(Verlegung in Isolierrohren nicht in Frage kommt (u. a. auch
bei nachträglicher Installation}, so wendet man für feste Verlegung zwei-
bis füpfadrige Leitungen an. Bei der Konstruktion solcher Leitungen
machen sich zwei Richtungen bemerkbar: Einmal wird eine geerdete
Hülle in Form eines Metallmantels gefordert, zum anderen werden
Bedenken gegen diesen Metallmantel erhoben, weil man nicht sicher
gehen kann, daß die Mäntel innerhalb einer Installation überall durch-
verbunden sind. Auch die Mitführung von blanken Beidrähten gibt
keine Gewähr dafür, daß nicht gefährliche Spannungen verschleppt
werden, wenn die Ausführung nicht sachgemäß erfolgt. Man hat daher
die metallische Hülle ganz weggelassen.
Zu der ersten Gruppe gehören die Rohrdrähte und Bleimantellei-
tungen. Beide enthalten heute fast ausschließlich kunststoffisolierte
Adern. Die Rohrdrähte (NYRAM, NYRAMZ, NYRAMA, Nennspan-
nung 380 Volt) besitzen eine gemeinsame Aderumhüllung und Zwickel-
ausfüllung aus Regenerat-Bitumenmischung und darüber einen eng-
anliegenden gefalzten Metallmantel aus Zink oder Aluminium (Stahlband
ist weniger gebräuchlich). Ihre Verlegung darf auf, in oder unter Putz
erfolgen.

1P:&TER, W.: Handbuchfür den Ortsnetzbau, Fra.nkfur~, 1954.


2 ScHNEIDER, K.: Zusätzlicher Schutz vonisolierten Leitungen bei Verwendung
in Ha.usa.nschlüssen und bei Freileitungsnetzen, Elektrizitätswirtschaft 53 (1954),
s. 850.
234 Kabel und isolierte Leitungen

Wenn der Metallmantel außerdem noch mit einer besonderen Schutz-


umhüllung versehen wird, so entsteht der sogenannte umhüllte Rohr-
draht (NYRU, NYRUZ, NYRUA, Nennspannung 500 V), der auch in
feuchten Räumen auf oder unter Putz verlegt werden darf (daher auch
die Bezeichnung "Feuchtraumleitung"). Die Schutzhülle muß chemisch
widerstandsfähig und wasserabweisend sein. Es ist entweder ein Baum-
wollgeflecht, das noch in Bitumenmasse getränkt ist oder neuerdings
häufig ein PVC-Mantel, der den Vorzug einer glatten und sauberen
Oberfläche hat und auch in hellen Farben hergestellt werden kann. Als
Beispiel zeigt Abb. 220 einen umhüllten Rohrdraht Type NYRUZY mit
kunststoffisolierten Adern, Zinkmantel und PVC-Außenmantel.
Für besonders hohe Anfor-
derungen, z. B. bei Verlegung
unter Tage oder in der chemi-
Abb. 220. Umhüllter Rohrdraht NYRUZY. schen Industrie, verwendet man
Bleimantelleitungen (bis 500 V,
Typenbezeichnung NYBU).
Diese sind ähnlich den umhüll-
Abb. 221. Mantelleitung NYM. ten Rohrdrähten aufgebaut, nur
daß sie anstelle des gefalzten
Metallmantels einen nahtlosen Bleimantel haben. Die Schutzhülle über
dem Bleimantel besteht aus Bitumenmasse und darin eingebetteten ge-
tränkten Papierlagen. Darüber folgt noch eine Beflechtung. Die äußere
Schutzhülle und das Geflecht sind auch hier vorteilhaft durch einen PVC-
Mantel, der über den Bleimantel gespritzt wird, zu ersetzen. Die Blei-
mantelleitung führt dann die Bezeichnung NYBUY. Als zusätzlichen
mechanischen Schutz können die Bleimantelleitungen auch noch eine
Bewehrung aus zwei Lagen Bandeisen erhalten. Trotz des kabelähn-
lichen Aufbaus ist aber eine unmittelbare Verlegung im Erdboden nicht
zugelassen. Heute können in vielen Fällen Rohrdrähte mit einer Kunst-
stoffumhüllung eingesetzt werden, wo man früher auf die Bleimantel-
leitungen angewiesen war, so daß deren Bedeutung nachgelassen hat.
Wenn man auf die metallische Hülle ganz verzichtet, erhält man die
sog. Mantelleitungen. Am verbreitetsten ist die NYM-Leitung (Nenn-
spannung 500 V). Sie darf auf Putz, im Putz und unter Putz verlegt
werden und eignet sich durchaus auch als gleichwertiger Ersatz für die
Bleimantelleitung. Sie besitzt kunststoffisolierte Adern und darüber
einen Ausfüllmantel; der Außenmantel besteht wieder aus Kunststoff
(Abb. 221).
Leitungen, die dauernd besonders hohen Temperaturen ausgesetzt
sind, erhalten eine Isolierung aus anorganischen Materialien. Dazu
eignet sich einmal Asbest, aus dem eine Beflechtung hergestellt werden
kann. Die Leiter können aber auch in eine hitzebeständige Isoliermasse,
Allgemeines 235
z. B. aus Magnesiumoxyd, eingebettet werden, die von einem nahtlosen
Mantel aus Kupfer oder Aluminium umgeben wird. Die letzteren Leitun-
gen werden in VDE 0284 behandelt.
Als Leitungen für den Anschluß ortsveränderlicher Stromverbrau-
cher (bewegliche Leitungen) eignen sich besonders Gummischlauch-
leitungen. Für mittlere Beanspruchungen, z. B. an Handbohrmaschinen,
Handlampen usw. verwendet man NMH-Leitungen. Die einzelnen Adern
sind gummiisoliert und haben feindrähtige verzinnte Kupferleiter. Ein
gemeinsamer Gummimantel faßt die Adern zusammen und bildet den
äußeren Abschluß. Für schwere Geräte und bei hohen mechanischen
Anforderungen kommen schwere Gummischlauchleitungen (NSH) zur
Anwendung (Abb. 222). Sie unterscheiden sich dadurch von den NMH-
Leitungen, daß sie über dem inneren gemeinsamen Gummimantel noch eine
Bewicklung aus Gewebeband und
darüber einen zweiten Gummi-
mantel besitzen. Schlauchleitun-
gen eignen sich auch für vorüber-
gehende Anschlüsse an Nieder- Abb 222. Schwere Gummischlauchleitung NSH.
spannungsfreileitungen.
Die Strombelastbarkeit der isolierten Leitungen sowie die zugehörigen
Stromsicherungen sind, wie bereits erwähnt, in VDE 0100 angegeben.
Neue Untersuchungen 1 haben gezeigt, daß die kunststoffisolierten Lei-
tungen, wenn sie mit dem Nennstrom nach VDE 0100/1954, § 20,
Tafel I, belastet werden, gegenüber den gummiisolierten Leitungen eine
um rund 10° C höhere Temperatur annehmen. Während die Belastungs-
tafel für eine Grenztemperatur der gummiisolierten Leitungen von 60° C
gilt, können die kunststoffisolierten Leitungen bis zu 70° C warm werden.
Diese Temperatur wird aber von dem Kunststoff dauernd ohne Schaden
ertragen. Grundsätzlich können Leitungen mit Kunststoff-Isolierung
nach VDE 0250 die gleichen Belastungen ertragen wie Leitungen mit
Gummi-Isolierung.
Die Besprechung von Spezial-Leitungen mit Isolierungen aus Poly-
äthylen, Teflon oder Silikon-Gummi würde den Rahmen dieses Buches
übersteigen. Es muß hier auf die Angaben und Kataloge der Hersteller-
firmen verwiesen werden.

X. Freileitungen
A. Allgemeines
Die Kabel haben in technischer Beziehung eine Reihe von Vorteilen.
Da sie im allgemeinen im Erdboden verlegt werden, stören sie die Um-
1 GRÜNFELD, W. u. K. MERTLICH: Über die Belastbarkeit isolierter Stark-
stromleitungen. ETZ.- Bd. 8 (1956) H. 1, S. 13.
236 Frei1eitungen

gebung nicht, sind außerdem gegen Wind und Wetter und gegen elek·
trisehe atmosphärische Einflüsse geschützt. Trotz dieser Vorteile werden
jedoch, abgesehen von besonderen Fällen, z. B. Verlegung von Hoch·
spannungskabeln in Städten, meist keine Kabel, sondern Freileitungen
zur Energieübertragung verwandt. Der Grund liegt in dem wesentlich
niedrigeren Preis der Freileitung. Im folgenden sollen die Größen unter-
sucht werden, welche für die Konstruktion einer Freileitung maßgebend
sind.
Maßgebend für die Auslegung einer Freileitung ist ihr Temperatur-
verhalten. Im Sommer dehnt sich die Leitung aus, ihr Durchhang wird
größer und die im Seil vorhandene Zugspannung nimmt ab, im Winter
dagegen verkürzt sich die Leitung, der Durchhang wird kleiner, die
Zugspannung größer. Man hat das Bestreben, eine Leitung so billig wie
möglich zu bauen und wird demgemäß die Maste so niedrig wie irgend
möglich ausführen. Es besteht jedoch hier die in den VDE-Vorschriften
(VDE 0210, Vorschriften für den Bau von Starkstrom-Freileitungen)
niedergelegte Forderung, daß der geringste Abstand der Freileitung
vom Erdboden nicht weniger als 6 m betragen darf. Bei Wegüber-
kreuzung ist dieser Abstand auf 7 m zu vergrößern. Die Masthöhe muß
also so gewählt werden, daß, wenn die Leitung am stärksten durch-
hängt, die obigen Abstände nicht unterschritten werden. Die genannten
Zahlen gelten für Freileitungen mit verketteten Spannungen bis 110 kV.
Bei größeren Spannungen muß der Abstand um den Betrag Uk~; 110 ,
in m gemessen, vergrößert werden.
Um die Maste klein zu halten, wird man die Leitungen (heute meist
Aluminium- bzw. Stahlaluminiumseile) mit möglichst großer Zugspan-
nung verlegen, da hiermit der Durchhang klein wird. Hierbei dürfen
jedoch die in den Leitungen bei tiefen Temperaturen auftretenden Zug·
spannungen die zulässigen Materialbeanspruchungen nicht überschreiten.
Die zulässigen Materialbeanspruchungen sind ebenfalls vom VDE vor-
geschrieben und werden später in einer Tabelle mitgeteilt. In den VDE-
Vorschriften wird verlangt, daß für normale Verhältnisse das Temperatur-
verhalten in einem Bereich von -20° bis +40° untersucht werden muß.
Ferner ist das Verhalten der Freileitung bei Zusatzlast zu prüfen, die im
Winter bei Raubreif auftreten kann. Erfahrungsgemäß treten diese Zu·
satzlasten weniger bei -20° auf als bei Temperaturen, die in der Nähe
von 0° liegen. Es wird deswegen verlangt, daß die Prüfung des Ver-
haltens der Freileitung bei Zusatzlast bei einer Temperatur von -5°
durchgeführt wird. Es ist von vornherein nicht sicher, ob die größten
Beanspruchungen bei -20° ohne Zusatzlast oder bei-5° und Zusatzlast
auftreten. Der ungünstigste Fall ist für die Leitungsberechnung zu-
grunde zu legen.
Allgemeines 237
Zur Bestimmung des Temperaturverhaltens einer Freileitung werde
zunächst die geometrische Form einer Freileitung berechnet. In Abb. 223
ist eine Freileitung schematisch aufgezeichnet. Die Spannweite sei mit a,
die halbe Spannweite mit a' und der Durchhang mit f bezeichnet. Denkt
man sich die Freileitung an der tiefsten Stelle durchschnitten, jedoch
hier eine Kraft P, die gleich der Seilspannung ist, angebracht, so wird das
System weiterhin sich im Gleichgewicht befinden (s. Abb. 224). Denkt man
sich das bewegliche Seil plötzlich erstarrt, also als festen Körper, so
wird sich an dem Gleich-
gewichtszustand ebenfalls
nichts ändern, wir können
jedoch jetzt die Gesetze
der Mechanik auf das er- r--- -a!. f - -
starrt gedachte Seilstück ~' f-- ·~ • - •. ~ -·. ~- ~"';;_
:~ - -r~ ;.-:; - - - • :

anwenden. Das (halbe) ~-----------a ------------~


Seilgewicht nehmen wir Abb. 223. Freileitung.
als eine in der Mitte des
Seiles angreifende Kraft Ga' an. G bedeutet dabei das Seilgewicht pro m
Horizonta1abstand. Streng genommen ist das Seilgewicht pro m Hori-
zontalabstand bei vorhandenem Durchhang nicht gena.u konstant,
jedoch sind die Freileitungskurven in der Praxis derart flach, daß der
Fehler bedeutungslos ist, wenn man Konstanz des Gewichts annimmt.
Betrachten wir den Aufhängepunkt A als Drehpunkt, dann müssen
sich hier sämtliche Drehmomente zu Null ergänzen. Es muß also sein
G '2
P f -- (G a')!!:_
I

2-- _ 2a_
und
(118 a)

Führt man statt a' die ganze Spannweite a ein, Abb. 224. Freileitung in der
Mitte geschnitten.
dann geht unsere Gleichung über in die Form:
1 G
f=s Pa2. (118 b)

Sehr oft ist es bequemer, mit den spezifischen Beanspruchungen zu


rechnen. Ist G das Gewicht einer Leitung von Im Länge und q mm 2
Querschnitt, dann ist das. spezifische Gewicht, d. h. das Gewicht des
Seiles bezogen auf I mm 2 Querschnitt
g =Gfq.
Entsprechend gilt für die spezifische Seilspannung:
p= Pjq.
238 Freileitungen

Führt man diese Werte in die Gleichung (ll8b) ein, dann ergibt sich
I g
f=g--pa2. (ll9)

In Abb. 225 ist nochmals die eine Bogenhälfte der Freileitung auf-
gezeichnet. Wir betrachten einen Punkt dieser Leitung im Abstand x
mit der Ordinate y. Denken wir uns diesen Punkt A' in irgendeiner
Weise festgehalten, so wird sich am Verlauf der Kurve nichts ändern.
Wir können jetzt dieselben Gleichgewichtsüberlegungen wie bei der
Abb. 224 anstellen und erhalten das allgemeine Ergebnis
I g
y=2-px2 (120)

Diese Gleichung, die für Spannweiten bis zu 500 m


ohne merklichen Fehler verwendet werden kann,
Abb. 225. Freileitungs· d ß .
kleinen Spannweiten eine Freileitung
stückmiteingezeichnetem besagt, a bei
Koordinatensystem. in Form einer Parabel durchhängt. Bei größeren
Spannweiten ist es notwendig, mit der Gleichung der Kettenlinie zu
rechnen, bei Spannweiten über 2000 m muß der Durchhang nach der
Gleichung der elastischen Linie gerechnet werden.
In Gleichung (119) bedeutet p= ~ die spezifische Zugspannung im
Scheitel der Parabel bei x =-= 0. An der Stelle x ist p nur der spezifische
Horizontalzug. Die wirkliche spezifische Seilspannung ist Pw · c!ß,
wobei ß der Neigungswinkel bei x ist. Da

_I
cosß
=1/l
V
+(dy)2 =VI+ (Jl.x)2
dx p

ist, folgt

Pw=P VI+(! ~y = VP 2 + (gx) 2


Für das Ende der Spannweite für x = a' = ; gilt Pw= y;+g
2 : 2 •

Bei kleinen Spannweiten kann näherungsweise Pw = p gesetzt werden.


Sehr oft hat man es mit Freileitungen zu tun, bei denen die Auf-
hängepunkte verschiedene Höhenlagen wie in Abb. 226 besitzen. Legt
man parallel zur Verbindungslinie A-B eine Tangente an die Frei-
leitung und denkt sich in der Berührungsstelle von Seil und Tangente
die Freileitung geschnitten, so muß man an der Schnittstelle, um Gleich-
gewicht zu erhalten, die Kraft p' anbringen (streng genommen müßte P'
eingesetzt werden, wir können jedoch auch mit den spezifischen Bean-
spruchungen p' rechnen). Ist g' das Gewicht pro m Horizontalabstand
Allgemeines 239

und pro mm 2 und bezeichnet man als Durchhang I den vertikalen Ab-
stand zwischen Freileitung und Verbindungsgeraden A-B, dann er-
gibt sich als Gleichgewichtsbedingung:
a'
p' (I cos a) = (g' a') 2 .

In dieser ]'ormel bedeutet I cos <X den Hebelarm um den Aufhängepunkt A .


Führt man statt g' das spezifische Leitungsgewicht g pro m Länge,
g = g' cos a und statt p'
den spezifischen Hori-
zontalzug p = p' cos <X
ein, dann geht unsere
Beziehung über in

Allgemein ausgedrückt
ergibt sich der Verlauf
der Freileitung, wenn wir Abb. 226. Freileitw1g in Schräglage.
die Horizontalabstände mit x und mit y die Ordinate entsprechend
Abb. 227 verstehen, die Beziehung y = 2 gx'!.._ .
p cos (X
Auf Grund obiger Beziehung läßt sich also stets, auch bei verschiede-
ner Aufhängehöhe der Leitung, der Verlauf der Freileitung berechnen
bzw. aufzeichnen.
Zur Bestimmung des Temperaturverhaltens der Freileitung ist es
weiter notwendig, die Bogenlänge der Parabel zu berechnen. Ein Bogen-
element dl besitzt bekanntlich die Größe
dl=fl + (dy fdx) 2 dx.
!!

Da y = ~} x 2 ist, ergibt sich :r:


r----.a~f ---
dy g
dx=px .
Dies in die obige Gleichung eingesetzt, ergibt Abb. 227. Freileitung in Schräglage
dl= yl + (gjp) 2 x dx.
2
mit Koordinatensystem.

Für die praktisch vorkommenden Freileitungen ist das zweite Glied


unter dem Wurzelzeichen sehr klein. Wir können deswegen mit großer
Näherung für das Bogenelement schreiben
240 Freileitungen

Um die Gesamtbogenlänge L der Parabel zu erhalten, müssen wir von


-a' bis +a' integrieren. Die Integration durchgeführt, ergibt:
, g2 a'a
L=2a +P 2 3 ,
oder wenn man a' = aj2 setzt
g2 a2]
[
L=al+p224. (121)

Gelegentlich wird auch diese Gleichung unter Beachtung der GI. (119)
geschrieben
L=a+--·
s r (122)
3 a
Jetzt können wir das Temperaturverhalten der Freileitung bestim-
men. In Abb. 228 sind zwei Parabeln eingezeichnet, welche zwei ver-
Y schierlenen Zuständen ein und derselben
Freileitung entsprechen mögen. Dem l. Zu-
stand liege eine Temperatur t 1 , eine spezi-
fische Beanspruchung p 1 und ein Leitungs-
gewicht g1 , dem Zustand 2 eine Tempera-
tur t2 , eine Zugspannung p 2 und ein Lei-
y tungsgewicht g2 zugrunde. Normalerweise
ist g1 = g2 , da ja das Leitungsgewicht sich
bei Temperaturschwankungen praktisch
nicht ändert. Wir wollen jedoch durch die
verschiedene Bezeichnung zum Ausdruck
~=- bringen, daß im einen Falle auf der Leitung
Abb. 228. Zwei verschiedene Zuständf.
einer Freileitung. Zusatz1asten d urch Raubrei f , Eisbi1dung
usw. vorhanden sein können.
Für jede der beiden Parabeln kann man die GI. (121) anwenden und
erhält:

und
L2=a [ I+ ( P2 24 .
g 2)2a2]
Wir bilden die Differenz der beiden Bögen und erhalten
aa
LI - L2 = 24 Pl -
[(g1)2 (gP22)2] •
Nehmen wir an, daß im Zustand l, der auf den Zustand 2 folge, eine
höhere Temperatur vorhanden ist als im Zustand 2, so wird, da die
Temperatur um t1-t2 zugenommen hat, durch die Erwärmung eine
Längenausdehnung vom Betrage
Lllw = L2 (tl - t2) IX
Allgemeines 241
auftreten. Dabei bedeutet L 2 die Bogenlänge im Zustand 2 und a den
Wärmeausdehnungskoeffizienten. Da bei zunehmender Temperatur der
Durchhang etwas größer wird, wird die Zugspannung etwas kleiner
werden, und zwar um den Betrag p2 - Pt· Die hierdurch bedingte elasti-
sche Verkürzung beträgt
Al - L2 (p2-Pt)
LJ elast- E '

wobei E der Elastizitätsmodul in kgfmm2 ist. Insgesamt wird sich also


durch den Einfluß der Temperaturänderung und durch den Einfluß der
elastischen Zusammenziehung das Seil um den Betrag
Lfl = L 2 (t1 - t2) cx- L 2 (p -;;p
2 1)

ausdehnen. Diese Ausdehnung muß gleich Lt-L2 sein. Es ergibt sich


also folgende Beziehung:

Da die Bogenlänge L 2 nur ganz unwesentlich größer als die Spannweite a


ist (also L 2 = ,.._, a), kann man die Gleichung noch vereinfachen:

;: [(~:Y -(~:n= (tl- t2) a+ Pl~P2


Nach kurzer Umrechnung erhält man:

t1 = t2+2~2cx [(~:Y-(~Jj _P~-:p2 (123)

Dies ist die sog. Zustandsgleichung der Freileitung; sie zeigt den Zu-
sammenhang von Temperatur, Gewicht und Zugspannung einer Leitung.
Nimmt man beispielsweise an, die größte Beanspruchung, die gleich
der zulässigen Spannung sein darf, sei bei -20° vorhanden (wann dies
zutrifft, wird später noch gezeigt), dann werden wir in obige Gleichung
t2 = -20° und p 2 = Pzulässiu = Pz setzen. Da keine Eislast vorhanden
ist, setzen wir g2 = g. Auf Grund der Gleichung kann jetzt, sofern wir Yt
ebenfalls gleich g setzen, zu einer beliebigen Temperatur t1 die zugehörige
Zugspannung p 1 ermittelt werden. Diese Lösung führt jedoch zu einer
Gleichung dritten Grades, die umständlich zu lösen ist. Besser geht man
in der Weise vor, daß man verschiedene Werte von p1 annimmt und die
zugehörigen Temperaturen t1 berechnet. Man kann auf diese Weise die
Kurve p 1 = f(t 1) aufstellen.
Da nun für jede Temperatur die zugehörige Spannung Pt bekannt
ist, kann nach Gl. (119) auch der zugehörige Durchhang ermittelt werden.
Hiermit kann man die Kurve f = F(t 1 ) ermitteln.
Die erhaltenen Kurven heißen Montagekurven, da man mit ihnen
feststellen kann, mit welcher Zugspannring und welchem Durchhang
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 16
242 Freileitungen

bei einer gegebenen Außentemperatur bei der Montage das Seil verlegt
werden muß.
Bis jetzt war angenommen, die größte Beanspruchung des Seiles
sei bei -20° vorhanden. Es muß jetzt noch kontrolliert werden, ob
gegebenenfalls bei -5° und Eislast eine größere Zugbelastung vor-
handen ist. Man wird in die Gleichung für den Zustand 2 wieder die
Werte -20° annehmen, für den Zustand l jedoch t 1 =-5° einsetzen
und für das Gewicht g1 = g +L1g einführen, wobei L1g die durch Raub-
reif bedingte spezifische Zusatzlast ist. Rechnet man jetzt p 1 aus, so
erhält man einen Wert entweder kleiner oder größer als Pz· Ist er kleiner,
dann war unsere Annahme richtig, ist er dagegen größer, dann müßte
unsere Rechnung nochmals durchgeführt werden, wobei man jetzt, da
die größten Beanspruchungen bei -5° und Eislast vorhanden sind,
t2 = -5° und g2 = g + L1g und p 2 = Pz einsetzt. g1 wird gleich g ge-
setzt. Die für diesen
Fall ermittelten Mon-
tagekurven
P1 = f{tl)
und

sind in Abb. 229 nie-


dergelegt.
0 10 20 JO Es ist wenig schön,
t- daß man zunächst
Abb. 229. Montagekurven einer Freileitung.
nicht weiß, ob die
größte Beanspruchung bei -5° und Eislast oder bei -20° liegt. Es gibt
jedoch ein einfaches Kriterium: die sog. kritische Spannweite ak,. Die
Spannweite akr ist die Spannweite, bei der die Beanspruchung bei -5°
und Eislast gleich der bei -20° ist. Zur Bestimmung von akr setzen
wir in GI. (123) ein:
tl = -20° t2= -50
P1 =Pz P2= Pz (= P1)
Y1=Y g2= g+ L1g.
Es ergibt sich:
-20 = -5 + 24tx
air [(!!__)2--(g + L1g)2]
Pz Pz
(l24a)

V
oder nach Umrechnung:
a _ p 360tx (l24b)
kr- z(g+L1g)2-g2 •
Es muß jetzt nur noch ermittelt werden, ob bei Spannweiten kleiner
oder größer als akr die größten Beanspruchungen bei -5o und Eislast
oder bei -20° vorhanden sind.
Allgemeines 243

Wir gehen von GI. (123) aus, in der wir uns diesmal tt, t2 und p 2 kon-
stant denken. Verändern wir a um da, dann verändert sich Pt um dpp
Den Zusammenhang zwischen dp1 und da erhalten wir, falls wir· GI. (123)

r- (~:J]++ 2:: . (~:)


differenzieren. Es ergibt sich:

0= ~~~a [ (:~ 2. (- ~~) dpl- ~~1 •


Setzen wir Yt = g und g2 = g LJg, ferner p1 = p 2 = pz, was bei a = a1cr
der Fall ist, dann ergibt sich unter Beachtung der GI. (124 a) für den
ersten Summanden obiger Gleichung der Wert (-30 ak,da). Obige Glei-
chung läßt sich dann in folgende umwandeln:
30da =-d
akr
(_!_+ab gf).
Pt ECJ. 12CJ.p~
Aus dieser Beziehung folgt, daß, falls wir die Spannweite gegenüber der
kritischen vergrößern, Pt• das ist die zu -20° gehörende Zugspannung,
abnimmt. Da p 2 = Pz• welches zu -5° und Eislast gehört, konstant sein
sollte, folgt also, daß bei a > akr• p 2 > Pt ist. Entsprechend ist bei
a < a1cr, Pt > P2·
Allgemein ausgedrückt heißt dies folgendes:
Ist die Spannweite a > ak,, dann liegen die ungünstigsten Material-
beanspruchungen bei -5° und Eislast vor. Ist a < ak,, dann ist der
ungünstigste Fall bei -20° ohne Eislast.
Die durch Rauhreif gebildete Zusatzlast LJ G kann für normale Ver-
hältnisse nach einer in den VDE-Vorschriften festgelegten empirischen
Formel
LJ G = 0,18 fdkgfm (125)
berechnet werden (d = Seildurchmesser in mm).
Um das auf den mm2 bezogene spezifische Zusatzgewicht LJg zu er-
halten, muß durch den Querschnitt q geteilt werden
LJg = 0,18 Vif.
q
Bei einem Runddraht kann der Drahtdurchmesser d aus dem Quer-
schnitt q berechnet werden

d= v~q 1,129fq· (126)

Meistens hat man es bei Freileitungen jedoch nicht mit massiven Drähten,
sondern mit Seilen zu tun. Bei diesen ist der Durchmesser etwas größer
als dem reinen Querschnitt entspricht und muß daher Tabellen ent-
nommen werden. Sofern solche nicht zur Hand sind, kann man nähe-
rungsweise setzen:
d=1,3yq. (127)
16*
244 Freileitungen

Die nach der VDE-Formel ermittelte Zusatzlast L1 G gilt für normale


Verhältnisse, wie sie z. B. in Deutschland auf dem Flachlande vorliegen.
Sind Freileitungen durch gebirgige Gegenden zu führen, so ist mit
wesentlich höheren Werten für die Zusatzlast zu rechnen. In ungünstigen
Fällen hat man Zusatzlasten von 10 bis 14 kg für den Meter Seil fest-
gestellt. Man muß also stets bei der Projektierung einer neuen Frei-
leitung untersuchen, ob vielleicht mit erhöhten Zusatzlasten zu rech-
nen ist.
Hat man eine Freileitungsberechnung unter Zugrundelegung der VDE-
mäßigen Zusatzlast durchgeführt, so ist es für die Beurteilung wesent-
lich, bei welchem Vielfachen der VDE-mäßigen Zusatzlast die Leitung
mit ihrer Dauerzugfestigkeit beansprucht wird. Unter der Dauerzug-
festigkeit versteht man dabei die Festigkeit, welche das Drahtmaterial
ein Jahr auszuhalten vermag. Die Dauerzugfestigkeit ist kleiner als die
mit Zerreißmaschinen ermittelte Bruchfestigkeit. Ausgangspunkt für
diese Berechnung ist die allgemeine Zustandsgleichung der Freileitung:

tl = t2 + 2~~cx [(:~Y- (~:YJ-Pt;;•.


Versteht man unter dem Zustand 2 denjenigen, der bei -5° und der
VDE-mäßigen Eislast Lfg vorhanden ist und hierbei die zulässige Zug-
beanspruchung Pz ergibt, so soll unter dem Zustand 1 der verstanden
sein, bei dem die Zusatzlast x-mal größer als Lfg ist und bei -5° das
Leitungsseil mit der Dauerfestigkeit pa, beansprucht. Setzt man in der
Gleichring t1 = t2 =-50, so erhält man

-5 = -5 + 2~~cx [(g+p:LigY-(g~~gn _Pd:;r


oder nach einiger Umformung

X
1 [ 1/24 ·
= Llg pa, Vas E (Pa -pz) + (g+LJg2
----p;-) -g]• (128)

Für die verschiedenen Leitungsmaterialien sei im folgenden nach-


gerechnet, die wievielfache Zusatzlast bei den verschiedenen Spann-
weiten möglich ist, also wie groß x ist. Als Ausgangspunkt sei ein Kupfer-
seil von 95 mm 2 angenommen und die anderen Materialien, deren Eigen-
schaften später behandel~ ·werden, seien so gewählt, daß ein dem Leit-
wert des Kupferseiles entsprechender Querschnitt herauskommt. Diese
Querschnitte· und die bei der Rechnung zugrunde gelegten zulässigen
Beanspruchungen sind folgende:
Kupferseil . . . . . 95 mm 2 Pz = 19 kgfmm 2
Aluminiumseil . . . 150 mm2 Pz = 8 kgfmm2
Stahl-Aluminiumseil. 150 mm 2 Pz = 11 kgfmm2
Aldreyseil . . . ,' . 185 mm 2 Pa = 12 kgfmm2
Allgemeines 245
Die Berechnung nach GI. (128) ergibt die Kurven der Abb. 230 1• Man
erkennt, daß bei größeren Spannweiten Aluminium etwa die zweifache
VDE-mäßige Zusatzlast aushalten kann, ohne daß die Dauerfestigkeit
überschritten wird. Besser als Aluminium sind Kupfer und Stahl-Alu-
minium (Stahlseile mit Aluminiummantel), am günstigsten Aldrey (Alu-
miniumlegierung). Typisch ist, daß bei Verringerung der Spannweite
die Seile größere Zusatzlasten vertragen. Aus diesen Kurven kann man
entnehmen, daß man Aluminiumleitungen nur verwenden wird, wenn
keine größeren Zusatzlasten zu erwarten sind oder wenn die Spannweiten
an und für sich klein 76
sind, etwa wie im Orts-
netzbau. Hat man es 711
\
mit hochbeanspruchten
Freileitungen großer
\ \
Spannweite zu tun, so
kommt Stahl-Alumini-
l\ 1\
um, gegebenenfalls Al- 1\\ \ e.

\ 1\. ~
drey zur Verwendung. ~

In Deutschland ver- >cP$"


-~-~

!":~~
<V .......
wendet man heute für
Hochspannungsleitun- ~
...... ~P/4'5X77-
gen vorwiegend Stahl- ['.... 1--
,Z.J,f,
Vpfep .95x79 T
Aluminium, während
Aldrey noch nicht in
3
IZJRe,1olumtrum "jxa
dem Maße zur Anwen- 0 700 750 300 350 JOD 350m 1//JO
dung kommt, wie man Spannweite-
Abb. 230. Bruchzusatzlast in vielfachen der VDE-Zusatzlast in
es auf Grund der Kurven Abhängigkeit der Spannweite bei verschiedenen Materialien.
erwarten sollte. Es ist
jedoch zu beachten, daß hochbeanspruchtes Aldreyseil infolge seines
leichten Gewichtes leicht zu Seilschwingungen neigt (s. S. 249), weshalb
man Aldrey meist mechanisch nicht so hoch belasten kann, wie es nach
den VDE-Vorschriften zulässig ist.
Ermittelt man den Durchhang bei -5° und Eislast und bei +40°,
so zeigt sich, daß Aluminium die größten Durchhänge besitzt, daß bei
ihm also die Maste am höchsten werden. Die Durchhänge bei Stahl-
Aluminium und bei Aldrey sind am kleinsten und fast gleich groß.
In der Tabelle 5 sind die wesentlichsten Daten für die verschiedenen
Leitungsmaterialien zusammengestellt.
Neben der Prüffestigkeit und der Dauerfestigkeit ist in der Tabelle 5
noch die zulässige Zugspannung in kg pro mm 2 außer für Kupfer, Bronze
und Aluminium auch für Aldrey und Stahl-Aluminium angegeben.
Aus BEHRENS, MEYER, NEFZGER: Aluminiumfreileitungen. Aluminium-
Verlags-GmbH., Düsseldorf 1954.
246 Freileitungen

Man hatte früher auch schon in Deutschland Aluminium-Freileitungen


gebaut, jedoch nicht immer mit gutem Erfolg. Dies lag oft daran, daß
das verwandte Aluminium nicht den notwendigen Reinheitsgrad besaß.
Aluminium bildet mit den meisten Metallen, die es als Verunreinigung
enthält, kleine elektrolytische Elemente. Hierdurch treten Korrosions-
erscheinungen auf, durch die das Material allmählich zerfressen wird.
Um solche Fehler zu vermeiden, wird heute vom Aluminium verlangt,
daß es mindestens einen Reinheitsgrad von 99,5% besitzt.
Aldrey ist eine Aluminiumlegierung (0,3 bis 0,5% Mg, 0,4 bis 0,7% Si,
0,3% Fe, Rest Al). Die Zusätze zur Erhöhung der Festigkeit wurden
so· gewählt, daß keine Korrosionserscheinungen auftreten und daß die
elektrische Leitfähigkeit nicht nennenswert verschlechtert wird. Aus der
Tabelle 5 folgt, daß die Dauerfestigkeit von 12 kg/mm2 bei Aluminium
auf 24 kgfmm2 bei Aldrey gestiegen ist, während die Leitfähigkeit nur von
34,8 auf 30 gefallen ist. Das spezi-
fische Gewicht von Aldrey ist gleich
dem des Aluminiums, also gleich
2,7 · I0-11 kgfcm11•
Abb. 231a zeigt ein normales Alu-
miniumseil. Das Stahl-Aluminiumseil
a b
Abb. 231 a u. b. Freileitungsseile.
besteht aus einem Kern von Stahldräh-
anormales Aluminiumsell, ten und einem Mantel aus Aluminium-
b Stahl-Aluminiumsell.
drähten (s. Abb. 231b). In normaler,
vom VDE vorgeschriebener Ausführung ist das Querschnittsverhältnis
zwischen Stahlseil und Aluminiummantel 1: 6. In Fällen, in denen eine
erhöhte Festigkeit verlangt wird, ist der Stahlanteil zu vergrößern. Beim
Stahl-Aluminiumseil wird bei Rechnungen durchweg angenommen, daß
nur der Aluminiummantel Strom führt (Leitfähigkeit 34,8). Der in
Tabellen angegebene Nennquerschnitt bezieht sich beim Stahl-Alu-
miniumseil deswegen stets auf den Querschnitt des Aluminiummantels.
Der Gesamtquerschnitt ist hingegen gleich dem Nennquerschnitt plus
dem Querschnitt des Stahlseiles. Der Gesamtquerschnitt ist bei den
Temperatur- und Festigkeitsberechnungen zugrunde zu legen.
Für Höchstspannungsleitungen kommen für Betriebsspannungen von
220 kV Stahlaluminiumseile und "Bündelleiter" zur Anwendung. B ei
Spannungen von 380 k V sieht man im allgemeinen Bündelleiter vor. Diese
bestehen aus 2, 3 oder 4 massiven T eilleitern geringeren Durchmessers
je Phase ; z. B. für 380 kV 2 L eiter j e 32 mm Durchmesser oder 4 Leiter
je 21 mm Durchmesser mit einem Teilleiterabstand von 400 mm. Um
den Abstand der Einzelleiter bei Wind, Eisbelastung und bei Kurzschluß
beanspruchungen zu gewährleisten, werden in bestimmten Abständen
metallische Abstandshalter zwischen d en Teilleitern angeordnet. Einen
Mast mit Vierfach-Bündelleitern für 380 kV und Zweifach-Bündelleitern
Tabelle 5. Mechanische und elektrische Festwerte fltr Freileitungsseile. 1).
Stahl - Aluminium
Kupfer Bronze II Aluntinium Aldrey
Al/St 5,7 .. ·6 Al/St 4,3 Al/St 3
I
Eigengewicht kgfcms • . . . . . . . • 9,8 • JO-S 8,65 .JO-B 2,7. 10-3 2,7. JO-B 3,45. JO-B I 3,65. JO-B 3,98. JO-B
Wärmeausdehnungszahl für 1 ° C ... 1,7. J0-5 1,66. J0-5 2,3. J0-5 2,3 · 1o-s 1,95. J0-5 1,76. JO-& 1,66. J0-5
Elastizitätsmodul kg/mm2 ...... 13000 13000 5600 6000 7500 7900 8700
Dauerzugfestigkeit kgfmm2 • • • • • • 30 50 12 24 2 2 2

St. 120 St. 120 St. 120


Prüffestigkeit (Draht) kgfmm2 • • • • • 40 60 17-18 30 Al18 3 Al18 3 Al18 3
Zulässige Höchstzugspannung kgfmm2 19 30 8 12 11 11,5 12
Zugelassener Mindestquerschnitt mm2 • • 10 JO 25 25 16 4 16 4 16 4
Streckgrenze kgfmm2 ........ 30-38 56 13-17 27-31 - - -
22 17-19 5 ~
Elastizitätsgrenze kgfmm2 ...... 32 8-11 5 - -
I I - ~
Spezifischer Widerstand ~
D·mm2 ~-
bei 20°0--- ......... 0,01786 0,0278 0,0287 0,0333 0,0287 (Al-Mantel)
m
Elektrische Leitfähigkeit
m
bei20°C ~ ......... 56 36 34,8 30 34,8 (Al-Mantel)
·mm
Widerstandstemperaturzahl für 1o C . 0,0038 0,004 0,004 0,0036 0,004 (Al-Mantel)

1 Aus BEHRENS, :MEYER, NEFZGER: Aluminiumfreileitungen. Aluminium· Verlags-GmbH., Düsseldorf 1954.


1 Für Stahl-Aluminium- und Stahl-Aldrey-Seile gilt als Dauerzugf€stigkeit des Eeil€8 das 0,9-fache der Surr.me der Dauerzugfesti{_keiten der einZelnen Werk·
stoffe unter Beachtung des Querschnittsverhältnisses von Stahl zu Aluminium bzw. Aldrey.
• Bei Drahtdurehmesser ;;;:; 2,5 mm 17 kgfmm•.
' Siehe 'VDE 0210 § 6.
• Bleibende Dehnung 0,02 % der :Meßlänge.
~
-.)
248 Freileitungen

für 220 kV zeigt Abb. 232. Das 220 kV-System kann durch Aus-
wechselung der Isolatoren und Ergänzung von 2 Leitern ebenfalls auf ein
Vierfach-Bündel umgestellt werden. Die Bündelleiter verhalten sich hin-
sichtlich Koronaverluste günstiger als Hohlleiter großen Durchmessers;
gleichzeitig ergibt sich der Vorteil, daß die "natürliche" Leistung
(s. S. 510) einer Hochspannungs-
leitung mit Zweifach-J3ündelleitern
etwa 25%, bei Vierfach-Bündel-
leitern etwa 50% größer ist als bei
der Einleiteranordnung.
Bei Anwendung der Stahl-Alu-
miniumseile ist zu beachten, daß in
der Stahlseele Zusatzverluste auf-
treten können. Es werde zunächst
ein Stahl-Aluminiumseil mit nur
einer Lage Aluminiumdrähte, die
das Stahlseil spiralig umgeben, be-
trachtet. Da die Oberfläche der
einzelnen Aluminiumdrähte oxy-
diert ist und somit die Einzel-
drähte gegeneinander isoliert sind,
wird der das Seil durchfließende
Strom, wie bei einer Spule, die
Stahlseele umfließen. Das Stahlseil
wird hierdurch magnetisiert und
es können beachtliche Zusatzver-
luste entstehen, sofern man nicht
ein Stahlseil verwendet, welches
schlecht magnetisierbar ist und vor
allem kleine Eisenverluste aufweist.
Günstig ist auch, eine möglichst
Abb. 232. Freileitungsmast mit Vierfachbündel· große Schlaglänge des Aluminium-
leitern für 380 kV und Zweifachbündelleitern
für 220 kV. seiles zu wählen, da so die magne-
tisierenden AW kleiner werden.
Hat man mehrere Lagen Aluminiumdrähte um das Stahlseil gewickelt,
so bekommen diese im allgemeinen entgegengesetzte Drallrichtung. Da-
durch heben sich die Amperewindungen zum Teil auf. Eine vollstän-
dige Kompensierung erfolgt nicht, da die äußeren Lagen mehr Drähte
aufweisen als die inneren Lagen und die Schlaglänge nicht allzu verschie-
den ist. Es kommt noch hinzu, daß die Stromverteilung auf die einzelnen
Lagen nicht mehr gleichmäßig ist, sondern daß z. B. bei einem Zwei-
Jagenseil die innere Lage eine höhere Stromdichte besitzt als die äußere.
Dies kann man sich grob so erklären, daß die Stromverteilung auf die
Die Seilschwingungen 249

beiden Lagen derart erfolgen will, daß die Amperewindungen sich mög-
lichst kompensieren, im Innern also möglichst nur ein kleiner Fluß auf-
tritt. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die innere Lage, obwohl sie
kleineren Querschnitt hat, praktisch denselben Strom führt wie die
äußere. Das bedeutet aber zusätzliche Verluste auch im AluminiumseiL
So ergab ein Versuch, daß bei einem normal gewickelten dreilagigen
Stahl-Aluminiumseil von 340 mm 2 die Zusatzverluste 8% betrugen.
Wenn man jedoch von vornherein die Schlaglängen der einzelnen Schich-
ten verschieden groß wählt (bei einem Zweischichtenseil müßte die äußere
Lage eine wesentlich größere Schlaglänge haben), kann man es erreichen,
daß die erzeugten Amperewindungen praktisch Null sind und damit Zu-
satzverluste kaum auftreten werden.
In Notzeiten wurden teilweise Cu-Leitungen durch Stahlleitungen
ersetzt. Hier kann man für eindrähtige verzinkte Stahlleitungen eine
Zugbeanspruchung von 11 kgfmm 2 und bei Seilen eine solche von
16 kg/mm 2 zulastlen. Dies gilt für eine Zerreißfestigkeit von 36 bis
50 kg/mm 2• Das Eigengewicht von Stahl ist 7,85 bis 7,87 · I0-3 kgfcm3 •

B. Die Seilschwingungen
Wenn eine Freileitung seitlich durch Wind angeblasen wird, erfährt
sie nicht nur eine seitliche Ablenkung, sondern kann auch in vielen
Fällen zu vertikalen Schwingungen angeregt werden. Auf die Entstehung
dieser Schwingungen sei etwas näher eingegangen. Abb. 233 zeigt einen
Draht im Querschnitt, der von links
angeblasen wird. Hinter dem Draht bil-
det sich ein Windschatten, in welchem
sich Luftwirbel ausbilden können. Diese
Wirbel bleiben, nachdem sie eine ge-
Abb. 233. Schematische Darstellung der
wisse Größe erreicht haben, nicht stehen, Wirbelablösung beieinem Freileitungsseil.
sondern lösen sich ab, jedoch nicht
gleichzeitig, sondern der eine früher, der andere später. Hierdurch bil\'iet
sich ein Zustand heraus, bei dem Wirbelablösungen bald oben, bald unten
stattfinden werden und der in Abb. 233 schematisch dargestellt ist. Durch
diese dauernde Wirbelablösung wirkt auf den Draht eine vertikale Kraft
wechselnder Richtung, welche die Frequenz der Wirbelablösung besitzt.
Infolge dieser periodischen Kraft kann das Seil wie eine eingespannte
Saite in Schwingungen versetzt werden (s. Abb. 234), und zwar in
Schwingungen verschiedenster Wellenlänge, wobei allerdings die Befesti-
gungspunkte des Seiles Schwingungsknoten bilden. Da ein Seil mit ver-
schiedenen Wellenlängen und demgemäß auch mit verschiedenen Fre-
quenzen schwingen kann (die Schwingungszahl ist um so höher je kleiner
die Wellenlänge), findet sich besonders bei großen Spannweiten wohl
250 Freileitungen

meistens eine Wellenlänge, deren Schwingung ungefähr in Resonanz mit


der erregenden Kraft ist. Von besonderem Interesse ist die Frequenz v
der Wirbelablösung, welche gleich ist der Frequenz der periodischen
Kraft. Es gilt die empirische Beziehung:
V
v= k(f(Hz) . (129)

In dieser Formel ist die Geschwindigkeit v in cmfsec und der Draht-


durchmesser in cm einzusetzen. k bedeutet eine Konstante; für Seile
gilt k = 0,195 1 • Man hat
------ -------- ------- durch Beobachtung festge-
. : stellt, daß bei starkem Wind
: ; (v > 5 m fsec) meist keine
~~""'!"~-~~~~~~....,.".-~:~ Schwingungen mehr auftre-
~ .... : ~
l;. ~,: ~~.'" .:: ':;-'<.::_.,. :..-.. .... ~ -~
.. , ... .J ~~.. ten. Die normalerweise be-
Abb. 234. Seilschwingungen kleiner Wellenlänge. obachteten Schwingungen
haben eine Frequenz von etwa 20 bis 100 Hz, die Wellenlänge beträgt
etwa 1 bis 10 m, die beobachteten Amplituden erreichen Werte von etwa
10 mm einseitig.
Man hat beobachtet, daß eine Leitung besonders stark schwingt,

_ t:::J_ _
wenn sie eine hohe Zugspannung, geringes Gewicht und einen großen
Drahtdurchmesser aufweist. Besitzt die Leitung eine hohe Zugspannung,
dann liegen die Eigenfrequenzen für die einzelnen Wellenlängen höher
als sonst. Da jedoch die Frequenz der Erregung unabhängig von der
Zugspannung ist, wird jetzt
Resonanz eintreten mit einer
' . Schwingung größerer Wellen-
länge, bei der die Seilbean-
1} ,.. : spruchungen erfahrungsgemäß
Abb. 235. Seilschwingungen größerer Wellenlänge. stärker sind. Dies kann man
sich an Hand der Abb. 234
und 235 erklären: Nimmt man an, die durch die Wirbelablösungen hervor-
gerufenen Kräfte wirken im betrachteten Moment nach oben, dann werden
die Schwingungen bei einem Teil der Halbwellen begünstigt, bei dem
anderen gehemmt. Für grobe Überlegungen kannman sich vorstellen, daß
als resultierende schwingungserregende Kraft auf das Seil die Kraft einer
Halbwelle übrig bleibt. Nimmt die Zahl der Halbwellen zwischen zwei
Aufhängepunkten zu, damit aber die Wellenlänge einer Schwingung ab,
dann verbleibt als resultierende schwingungserregende Kraft ebenfalls
die Kraft einer Halbwelle übrig, die jedoch wegen der jetzt geringeren
Wellenlänge kleiner ist.
1 Siehe "Technische Mitteilungen der Studiengesellschaft für Höchstspan-

nungsanlagen e. V." Heft 20.


Die Seilschwingungen 251
Ist das Gewicht des Seiles klein, dami liegen ähnlich wie bei hoher
Zugspannung die Frequenzen höher als bei Leitongen aus Material mit
großem Gewicht und es treten Schwingungen mit großen Wellenlängen
auf, die ungünstig sind.
Wird der Seildurchmesser vergrößert, so nimmt nach GI. (129) die
Frequenz der erregenden Kräfte ab. Das ist aber auch gleichbedeutend,
daß jetzt Resonanz mit den Seilschwingungen größerer Wellenlängen
stattfindet, die, wie oben geschildert, gefährlicher sind.
Aus obigen Überlegungen folgt, daß von den bis jetzt behandelten
Materialien ein Freileitungsseil aus Aldrey am stärksten schwingen kann,
da es geringes Gewicht hat und hohe Zugspannungen erlaubt. Besteht
mit Rücksicht auf örtliche Verhältnisse die Gefahr von Seilschwingungen,

Abb. 236. Freileitungsseil mit drehbarer Klemme und Dämpfungsbellagen


(HOFMANN).

so nutzt man deswegen oft die nach den VDE-Vorschriften zulässigen


Zugspannungen nicht aus, sondern bleibt unter den zugelassenen Werten.
Zugelassen ist beispielsweise für Aluminium 8, für Aldrey 13 und für
Stahl-Aluminium ll kgfmm 2 • Oft wird man bei Aluminium nicht über 7,
bei Aldrey nicht über ll und bei Stahl-Aluminium nicht über 10 kgfmm 2
gehen (im Ortsnetzbau und bei Aluminiumfreileitungen wendet man
sogar nur 4 bis 6 kgfmm 2 an).
Um die Seilschwingungen möglichst ungefährlich zu machen, gibt
es eine Reihe von Mitteln. So hat es sich als zweckmäßig erwiesen, an
den Masten die Befestigungsklemmen (s. Abb. 236), die Dämpfungs-
beilagen denke man sich weg. beweglich auszubilden und dabei den
Drehpunkt möglichst dicht an das Seil zu legen. Dadurch will man er-
reichen, daß die Aufhängepunkte nicht als Reflexionspunkte wirken,
vielmehr soll die Klemme den Seilschwingungen folgen können. Dies
ist möglich, wenn die benachharten Felder nicht synchron schwingen,
was auch meist der Fall ist. Die Verwendung von schwingungsdurch-
lässigen Klemmen genügt im allgemeinen. Nur in besonders schwierigen
Fällen (z. B. zu stark gespannte Leitungen) sind zusätzliche Mittel not-
wendig. Da Seilbrüche meist an der Einspannstelle der Kienune auf-
treten, hat man versucht, diesen Übelstand durch Umwickeln mit nach
252 Freileitungen

beiden Seiten sich konisch verjüngenden Aluminiumstäben - sog. armor


rods -oder mit Dämpfungsbeilagen aus Stahlblech zu beheben(Abb.236).
Durch diese Aluminiumstäbe bzw. Stahlbeilagen wird das Seil an der

Abb . 237. Schwinghebeldämpfer (HOFllANN).

Klemme entlastet, außerdem wirken die Stäbe bzw. Beilagen auf die
Seilschwingungen etwas dämpfend.
Durch die bis jetzt geschilderten Mittel können wohl die Auswir-
kungen der Schwingungen auf das Seil gemildert werden, die Schwin-
gungen werden jedoch, wenn
auch verkleinert, meist noch
vorhanden sein. Eine Kon-
struktion um die Ausbildung
der Schwingungen fast ganz
zu unterbinden, ist der sog.
Schwinghebeldämpfer, der in
Abb. 237 dargestellt ist. Man hat
hier einen drehbaren Hebel
A bb. 238 a. Stoßge wichtsdämpfer (HOFMANN).
mit unsymmetrisch gelagertem
Drehpunkt. Wenn da.s Seil ins
Schwingen gerät, kommt der Schwinghebel ebenfalls ins Schwingen
und schlägt gegen die Anschläge und stört hiermit indirekt die Seil-

Abb. 238b. Stoßgewichtsdä mpfer in Leitllllg eingebaut.

schwingung, so daß diese sich nicht hochschaukeln kann. Unter Um-


ständen müssen mehrere Schwinghebeldämpfer nebeneinander eingebaut
werden. Nach ähnlichen Prinzipien arbeitet der Stoßgewichtsdämpfer
der Abb. 238a u. b, der aus einem Gewicht a besteht, welches sieb
Isolatoren für Freileitungen 253
über eine Feder auf einen mit dem Seil verbundenen Bolzentellerb lose
abstützt. Bei Seilschwingungen hebt sich das Gewicht periodisch von
seiner Unterlage ab, koinmt ins Schwingen und mit dem Seil ins Klap-
pern. Hierdurch wird Dämpfungsarbeit geleistet, die
Seilschwingungen können sich nicht nennenswert aus-
bilden.
Eine weitere interessante Lösung ist das schwin-
gungsdämpfende Seil nach GRÖBL. Dies ist ein
Leitungsseil aus einem Aluminiummantel, der mit
etwas Luft (etwa 1 bis 1,5 mm) ein Stahlseil umgibt Abb. 239. Schwin-
gungsdämpfendes
(s. Abb. 239) . Aluminiummantel und Stahlseil sind Stahl-Aluminiumseil
(GRÖI)T,).
verschieden stark gespannt. Man hat zwei schwingungs-
fähige Gebilde, den Aluminiummantel und das Stahlseil, die sich gegen-
seitig derart stören, daß Seilschwingungen nicht merkbar auftreten
können.
C. Isolatoren für Freileitungen
Di~ Freileitungsseile müssen an den Leitungsmasten über Isolatoren
befestigt werden. In Niederspannungsnetzen kommen hierzu einfache
Stützenisolatoren in Frage (s. Abb. 240a). Bei höheren Spannungen bis
etwa l5kV werden die sog. Delta-Stützenisolatoren (Abb. 240b) verwandt.
Bei größeren Spannungen wird man
jedoch meistens schon Hängeisolatoren
wählen, die aus mehreren hintereinander
geschalteten Gliedern (Einzelisolatoren)
bestehen. Die Verwendung der Hänge-
isolatoren bringt manchen Vorteil mit
sich, etwa daß bei Beschädigung eines Abb . 240a. Abb. 240 b .
Gliedes die verbleibenden Isolatoren noch Stützenisoiator . Hochspannungs-
genügend zu isolieren vermögen, so daß Stützenisolator
keine Störung auftritt. Bei Gelegenheit kann dann der defekte Isolator
ausgewechselt werden. Ferner lassen sich bei Hängeisolatoren die Seil-
befe&tigungen beweglich durchbilden (s. Abb. 236), so daß bei mög-
licherweise auftretenden Schwingungen die Seilbeanspruchungen an der
Einspannstelle klein werden. Sollte ein Seil reißen, so gelangt bei Ver·
wendung von Stützenisolatoren der gesamte Seilzug auf den Isolator
und damit auf den Mast, während bei Hängeisolatoren die Hängekette
seitlich ausschwingen kann und damit eine Verminderung der auf den
Isolator und den Mast kommenden Zugspannungen eintritt.
Die Hängeisolatoren bestehen aus einer Reihe hintereinander ge-
schalteter Einzelisolatoren, die als Kappen- oder Vollkernisolatoren
ausgebildet sein können. Beim Kappenisolator ist der Porzellan-Körper
teilweise von einer feuerverzinkten Kappe umgeben (Abb. 241), welche
254 ·Freileitungen

einen geeignet ausgebildeten Hohlraum besitzt, in welchen der Klöppel


des übergeordneten Isolators eingehängt werden kann. ·Der Klöppel
innerhalb des Porzellan-Körpers überträgt beispielsweise seine Kraft
auf den Porzellan-Körper, bei der Konstruktion nach Abb. 241 über

/soloiPt. kurum. !so/ier.JIPff


11/JOIN IID585
Abb. 241. K app"-nisolator. Abb. 242. Vollkernisolator.

einen Ausguß mit einer Speziai-Bleilegierung oder Spezialzement, worin


Kugeln aus weichem Flußeisen eingelagert sind.
Die andere der heute gebräuchlichen Ausführungen von Hängeiso-
latoren benutzt als Einzelglied den Vollkernisolator (s. Abb. 242). Wäh-
rend bei dem Kappenisolator zwi-
schen Kappe und Klöppel unter
Umständen ein Durchschlag statt-
finden kann, ist der Vollkern-
isolator wegen der großen Isola-
tionslänge zwischen den Kappen
als absolut durchschlagsicher zu
bezeichnen. Bei dieser Ausfüh-
rung wird das Porzellan im Gegen-
satz zum Kappenisolator, der
vorwiegend auf Druck bei der
Kraftübertragung belastet ist,
auf Zug beansprucht. Es ist daher
Abb. 243. Langstabisolator durch
Hornkreuze geschützt. größte Sorgfalt bei der Her-
stellung der Porzellankörper an-
zuwenden, um die geforderte Festigkeit gleichmäßig zu erzielen. Wäh-
rend man beim Kappenisolator bei llO kV etwa sieben Glieder benötigt,
braucht man beim Vollkernisolator nur etwa vier. Die Länge der Ge-
samtkette bleibt in beiden Fällen etwa gleich. Die Kappen der Vollkern-
isolatoren werden ebenfalls aufgekittet. Eine weitere Entwicklung des
Vollkernisolators ist der Langstabisolator (für llOkV genügt l Stab)
(Abb. 243), der k~inerlei Metallteile zwischen L eiter und Erdpotential
Isolatoren für Freileitungen 255

besitzt. Infolgedessen ist die Ausbildung von Kaskaden-Lichtbögen an


derartigen Isolatoren unmöglich; durch Anbringen geeigneter Schutz-
Armaturen kann der Isolator von der schädlichen thermischen Wirkung
von Überschlag-Lichtbogen zuverlässig geschützt werden (s. Abb. 243).
Bei sämtlichen Isolatoren ist zwischen dem elektrischen und dem
mechanischen Verhalten zu unterscheiden. Um einen Isolator für eine
bestimmte Betriebsspannung auszuwählen, muß die Überschlagspannung
des Isolators bzw. der Isolatorenkette bekannt sein. In den VDE-Vor-
schriften ist festgelegt, daß durch eine Typenprüfung nachzuweisen ist,
daß die Überschlagwechselspannung der be-
triebsmäßig zusammengebauten Isolatoren oder
Isolatorenketten in beregnetem Zustand min-
destens 10% über den in VDE 01ll/8 ·53, § 14,
Tafel I und 2 verlangten Werte der Prüfwechsel-
spannung für die Isolationsgruppe 0 liegt.
Damit bei Pinem stattfindenden betrieblichen
Überschlag nicht durch den Lichtbogen die Iso-
latoren und die Leitung zerstört werden, ordnet
man gelegentlich am obersten und untersten Iso-
lator je einen Schutzring (s. Abb. 244) bzw.
Schutzbügel an. Der entstehende Lichtbogen Abb. 244. Isolatorenkette (vor-
springt auf die Schutzringe über und entlastet kür~~;::;!~~~!~f:!;.lcht­
die Isolatoren und die Leitung.
Es gibt von jeder Isolatorenart für eine bestimmte Mindestüber-
schlagspannung verschiedene Typen, die unterschiedliche mechanische
Festigkeit aufweisen.
Man unterscheidet folgende Lastarten:
a) Stückprüflast ist die statische Last, mit der sämtliche Kettenisolatoren und
Zubehörteile für Kettenisolatoren geprüft werden.
b) Elektromechanische Lastist die statische Last, die bei der Zugbelastung von
Kappenisolatoren bei bestimmter Laststeigerung beim Anliegen von Wechsel-
spannung entweder zum elektrischen Durchschlag oder zum mechanischen Bruch
des Isolators führt.
c) Bruchlast ist die statische Last, die bei bestimmter Laststeigerung zur völ-
ligen Zerstörung des Isolators oder seiner Armaturteile führt.
d) Mittlere Bruchlast ist der arithmetische Mittelwert aus einer Großzahl von
Bruchlastwerten.
e) Mittelwert der Bruchlastist der arithmetische Mittelwert aus den einzelnen
Bruchlastwerten einer Stichprobenprüfung.
f) Jahresdauerlast ist die bei Kettenisolatoren durch eine Typenprüfung er-
mittelte statische Last, die der Isolator 1 Jahr lang, ohne zu reißen oder durchzu-
schlagen, aushalten muß.
Bezüglich der mechanischen Zuordnung von Stützen, Kappen und
Vollkern-Isolatoren für Freileitungen zu den Beanspruchungen durch
die Leitungen siehe VDE-Vorschriften 0210 s, § 12.
256 Freileitungen

Abb. 245 zeigt schematisch die Anordnung der Isolatoren als ge-
wöhnliche Tragisolatoren bzw. als Abspannisolatoren. Früher hatte man
für Abspannisolatoren besondere Isolatorentypen, was jedoch heute
nicht mehr notwendig ist. Ist es wirtschaftlich tragbar, so sollte man
bei Tragmasten die gleiche Isolatortype wählen wie für die Abspann-
maste, obgleich die Beanspruchung des Isolators bei einem Seilriß durch
das Ausschwenken des Hängeisolators auf etwa die Hälfte gemindert
wird. Ist dies wirtschaftlich nicht tragbar, so vl'i.rd meist die nächst
kleinere Ausführung gewählt.
An wichtigen Stellen der Leitung z. B. an verkehrsreichen Weg-
kreuzungen wird man zur Erhöhung der Sicherheit die Isolatoren in
Abspannlage als Doppelketten ausbilden.
Man hat festgestellt, daß gelegentlich durch Freileitungen Runcl-
funkstörungen verursacht werden. Eine Nachprüfung ergab, daß die
Ursache stets Glimmerschei-
-llöngeisoloforen Absponnisolflloren
nungen an den Isolatoren
"' 1/fß.o-_

sind, die den Isolatoren selber


keinen Schaden zuzufügen
brauchen, die jedoch leider
für den Rundfunk störend
Abb. 245. Freileitung mit Hänge- und Abspannisolatoren. wirken. Solche Störungen
treten auf sowohl bei Stützen-
isolatoren, als bei Kappenisolatoren. Bei Stützenisolatoren ist der Iso-
lator mit Hanf als Zwischenlage auf eine eiserne Stütze aufgebracht.
Zwischen dem im Porzellan befindlichen Gewinde (s. Abb. 240) und
der im Innern des Isolators befindlichen eisernen Stütze sind an
manchen Stellen sehr kleine Lufträume vorhanden. Wird hier die Durch-
bruchfeldstärke der Luft überschritten, so tritt zwischen Porzellan und
eiserner Stütze ein periodisches Glimmen auf, durch welches Störwellen
erzeugt werden. Ferner vermag ein Glimmen zwischen dem Binde-
draht, der das Seil am Isolator befestigt und der meist kleinen Radius
hat, und dem Isolator aufzutreten. Die Rundfunkstörungen können
beseitigt werden, wenn das Innere des Isolators, soweit es der Stütze
unmittelbar benachbart ist, metallisiert wird und man dafür sorgt, daß
diese Metallisierung mit der eisernen Stütze in Verbindung kommt.
Dadurch werden die Luftzwischenräume überbrückt und ein Glimmen ist
nicht mehr möglich. Um ein Glimmen zwischen den Bindedrähten und
dem Isolator zu vermeiden, muß die Rille am Isolator, in welche Leitungs-
seil und Bindedraht hineingelegt werden, ebenfalls metallisiert werden.
Die Ursache der durch Kappenisolatoren hervorgerufenen Rundfunk-
störungen sind ebenfalls Glimmentladungen, die im Isolatorionern auf-
treten. Man muß damit rechnen, daß im Isolatorionern der Metallausguß,
welcher den Klöppel festhält, an einigen Stellen der Isolatorwandung
Maste und Leitungsanordnungen 257
nicht ganz aufliegt, so daß hier kleine Luftschichten sind, die ins Glim-
men kommen können. Eine Metallisierung des Porzellans im Innetn
bringt hier Abhilfe. Prinzipiell können auch in vorhandenen kleinen Luft-
schichten, die zwischen Kappe und Porzellan vorhanden sind, Glimm-
erscheinungen auftreten. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß wegen des
größeren Durchmessers hier die Feldstärke so klein ist, daß ein störendes
Glimmen nicht entstehen kann. Bei Vollkern- und Langstabisolatoren
sind die elektrischen Feldstärken an möglicherweise vorhandenen Luft-
schichten zwischen den Kappen und dem Porzellankörper so klein, daß
Radiostörungen nicht auftreten.

D. Maste und Leitungsanordnungen


Eine Freileitung muß für Drehstromübertragung drei Leiter führen.
Bei größeren Leistungen, aber auch aus Gründen der Sicherheit, werden
die Leitungen oft als Doppelleitungen ausgebildet, d. h. jede Phase ist
zweimal vorhanden. Die Anordnung wird stets so
getroffen, daß auf jeder Mastseite je drei Leiter
angeordnet sind.
Bei der Festlegung der Anordnung der Frei-
leitungsseile muß beachtet werden, daß der Abstand
der Leiter voneinander und gegen Erde groß genug
ist. (Nach VDE müssen die Leitungen bei größtem
Durchhang mit ihrem tiefsten Punkt mindestens 6 m, &
Abb.246. Anordnung
bei Wegüberkreuzungen 7 m vom Erdboden entfernt der Leitungen am Mast.
sein. Bei Spannungen über 110 kV sind die an-
Ukv-110.
gegebenen Werte un1 den Betrag 150 m m zu vergrößern; s. S. 236.)
Während bei Niederspannungsleitungen ein für allemal festgesetzt ist,
daß der Mindestabstand der Leiter untereinander 35 cni betragen muß,
richtet sich bei Hochspannungsleitungen der Abstand nach der Spannung
und nach dem Durchhang.
In den VDE-Vorschriften 0210 § 9, wird verlangt, daß der Mindest-
abstand a der einzelnen Leitungen voneinander (s. Abb. 246) aus fol-
gender Gleichung zu ermitteln ist:

a = k Vf +
--
lk
Un
+ 150 •
Hierin bedeuten:
k ein vom Ausschwingwinkel der Leitung abhängiger Faktor, der folgender
Tabelle zu entnehmen ist:
+
f den Durchgang der Leitungen bei 40° C in m.
tk die Länge der Isolatorenkette einschließlich der senkrecht zur Leitungsrichtung
beweglichen Kettenverlängerungen in m, bei Stützenisolatoren und bei Abspann-
kettenist lk = 0 zu setzen.
U n die Nennspannung in kV.
Buchhcld/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Aufl. 17
258 Freileitungen

Tabelle 6. ÄttBBChwingwinkeZ '11/IUZFalctor k.


Nr.l 2 3 5 6

1 Kupfer, Bronze, \ Nenn- 10 16*) 125 35*) 50 70 I >95


Stahl quer- 95*)
schnitt
mm2
-
2 Aluminium und Nenn- 1
25 35 50
seine Legierungen quer-
schnitt
I120*)
70 95
150*)
> 150 - -
mm9
3 Stahlaluminium Nenn- 16f2,5 25/4 170/40 310/100
nachDIN 48204 quer~· 35/6 50/8*) 95/15 185/32 340/110
schnitt 70/12*) 120/21 210/36
mm2 150{25*) 210/50
125/29*) 240/40
300/50
4 Ausschwingwinkei Grad über 65° über 55° über40° 40°und
der Leitungen bei bis 65° bis55° darunter
Wind
5 Leitungen überein- Faktor k
ander beliebig 0,95 0,85 0,75 0,70
angeordnet
6 Leitungen in
gleicher Höhe Faktor k 0,70 0,65 0,62 0,60
nebeneinander
1
angeordnet I I
*) Bei Nennspann11Dgen bis 30 kV und Höben der Leitungen bis 15m über Gelände können für
die in Spalte 3, 4 und 5 mit Stern gekennzeichneten Querschnitte die Werte für den Faktor k entspre·
cbend der jeweils folgenden Spalte 4, 5 und 6 zugrunde gelegt werden.
Bei Anordnung der Leitungen im gleichseitigen Dreieck mit zwei oben oder
unten in gleicher Höhe liegenden Leitungen können darüber hinaus folgende
Werte für den Faktor k eingesetzt werden:

Spalte 3 5 1 6

Faktor k 0,75 0,651 0,62

Der Mindestabstand der an den Isolatoren befestigten Leiter von


geerdeten Teilen ist gleichfalls vorgeschrieben und beträgt
I. beiruhenderLeitungfürNennspannungenunterllOkV. 0,1 + ~~
für Nennspannungen von llO kV und darüber

2. bei Ablenkung der Leitung durch Wind . .


Maste und Leitungsanordnungen 259
Zwei Phasen wird man möglichst nicht untereinander anordnen, da-
mit nicht im Winter bei Eislast, falls die unterste Phase ihre Eislast ver-
liert und emporschnellt, die oberste Phase berührt (s. Abb. 247). Gm
solche ungewollten Berührungen zu vermeiden, ist ein Horizontalab-
stand übereinander angeordneter Leitungen erwünscht.
Oft ist es zweckmäßig, die gegenseitige Annäherung von Leitungen
nachzurechnen, denn die in den VDE-Vorschriften angegebenen Mindest-
werte für die Ruhelage können unter Umständen zu knapp sein. Man
muß bei der Nachrechnung
von dem Windverhalten der
Freileitungen ausgehen. Die
Windkraft ist nach den Vor-
schriften VDE 0210 § 15 zu
ermitteln.
Abb. 247. Hochschnelleneines Seiles bei
Ist pro m Länge eine abfallender Eislast.
Windkraft W kgjm vorhan-
den und das Gewicht pro m Länge G kgjm, so ist die resultierende Kraft
gleich R (s. Abb. 248). Die Leitung stellt sich unter der Kraft R schief
ein, und zwar in Richtung der Kraft R, wobei der Ablenkwinkel
tan cxL = WJG ist. Diese Beziehung gilt unter der Voraussetzung, daß
der Aufhängepunkt der Leitung fest ist. Meist ist die Leitung jedoch
an Hängeisolatoren befestigt, welche ihrerseits ebenfalls ausschwingen
können (Abb. 249). Das Ge-
wicht des Hängeisolators sei
GJ und die auf ihn wirkende
Kraft WJ· Am untersten
Ende des Isolators greift in
vertikaler Richtung das Seil-
gewicht einer Spannweite an,
Abb. 248. Kräfte an einer Abb. 2411. Die Kräfte am Seil
also die Größe Ga; in hori- Isolatorenkette bei Wind. bei Wind.
zontaler Richtung wirkt die
Windkraft pro Spannweite, also die Größe Wa. Denkt man sich die
Kräfte WJ und GJ an das untere Ende des Isolators reduziert (hier sind
sie wegen des doppelten Hebelarmes nur halb einzusetzen), so greift an
diesem Punkt jetzt in horizontaler Richtung die Kraft Wa + ~J und
in vertikaler Richtung Ga+ ~J an. Die Resultierende fällt in Richtung
des sich schräg einstellenden Isolators, wobei sein Ablenkungswinkel
Wa+ WJ
2 (130)
tan CXJ = - - - - -
Ga+ GJ
2
ist.
17*
260 Freileitungen

In Abb. 250 ist ein Schnitt durch eine Freileitung in der Mitte der
Spannweite gelegt. Der Isolator wird um den Winkel rAJ aus der Hori-
zontalen ausgelenkt. Die Auslenkung der Leitung, bezogen auf den Auf-
hängepunkt am Isolator, ist rAL· Zieht man vom Aufhängepunkt A des
Isolators eine Verbindungslinie zum tiefsten Punkt S der Freileitung
(s. Abb. 250), so bildet diese mit der Vertikalen einen resultierenden
Winkel rA, der graphisch oder auch rechnerisch ermittelt werden kann.
4 Man berechnet den Windabtrieb für die höchste
Temperatur(+ 40°), bei der der größte Durchhang
vorhanden ist und stellt sich vor, daß bei Wind
dieser größte Durchhang seitlich um den Winkel riL
herumgeklappt wird (s. Abb. 249). Streng genom-
men, ist das Verfahren nicht richtig, denn es be-
rücksichtigt nicht, daß R (s. Abb. 248) größer alsG
ist. Grundsätzlich kann man mit der Zustands-
gleichung auch den tatsächlichen Durchhang unter
Abb. 250. Abgewehte
Freileitung (in Mitte der Berücksichtigung. der zusätzlichen Windkraft be-
Spann weite geschnitten). rechnen, jedoch hat es sich eingebürgert, . diese
genaue Rechnung nicht durchzuführen, da die weiteren oft ungenauen
Angaben diese höhere Genauigkeit nicht rechtfertigen.
Es sei jetzt angenommen, daß die nebeneinander angeordneten Lei-
tungen der Abb. 251 I durch Wind seitlich abgeweht werden (Abb. 251 II).
Hört der Wind plötzlich auf, dann schwingen die Leitungen zurück
und kommen allmählich zur Ruhe. Bei diesem Ausschwingen können

uu n
Abb. 251 I-III. I Freileitung ohne Wind, II abgewehte Freileitung,
III Ausschwingen der Freileitung.

die Seile, die ursprünglich in Phase waren, infolge Unregelmäßigkeiten


außer Phase geraten und schließlich auch gegeneinander schwingen. Zu
diesem Zeitpunkt sind dann allerdings die Ausschläge schon sehr stark
abgeklungen. Man nimmt an, daß, wenn Leitungen gegeneinander
schwingen (s. Abb. 251 III), für jede Leitung der Ablenkwinkel nur noch
rA/8 ist. In diesem Fall darf die größtmögliche Annäherung der Leitung
nicht kleiner als U/150 in m sein. Man kann auf diese Weise kontrollieren,
ob die vom VDE vorgeschriebenen Abstände unter Umständen noch
vergrößert werden müssen.
Maste und Leitungsanordnungen 261
Man muß ferner nachprüfen, ob das Erdseil (sinngemäßes gilt für Luft-
kabel, Fernsprechleitungen usw. ), welches bei Freileitungen auf der Mast-
spitze verlegt wird und aus Stahldrähten von mindestens 40 bis 70 kg/mm 2
Festigkeit besteht, genügenden Abstand von den Phasenleitern besitzt.
Dabei muß berücksichtigt werden, daß das Erdseil unter Umständen ein
anderes Temperaturverhalten hat als die Leitungsseile. Der Quer·
schnitt des Erdseiles wird so bemessen, daß weder bei -20°, noch bei
-5° und Eislast unzulässige Beanspruchungt:ln im Seil auftreten. Die
wesentlichen Querschnitte, die zum Einbau gelangen, sind Seile von
35, 50 und 70 mm2 •

t=t: ::1
Bei in Ordnung befindlicher Freileitung haben bei Windstille die
Maste nur die Freileitungsgewichte aufzunehmen. Resultierende Hori-
zontalzüge grf'ifen an den Masten, sofern man von Winkelmasten usw.
absieht, nicht an. Infolge von Unsymmetrien, z. B. wenn im Winter die
Ei•IMten in den ein-

r:t:~:~::;, ~L
zeinen Spannweiten ' '

nach einer Richtung r


sich etwas zu ver- Abb. 252. Freileitung mit Trag- und Abspannmasten.

schieben. Um solche ungewollten Verschiebungen klein zu halten, ist es


notwendig, in bestimmten Abständen Abspannmaste vorzusehen, welche
Festpunkte der Freileitung darstellen. Ahb. 252 zeigt eine Freileitung
mit Tragmasten Tundeinem Abspannmast A . Während bei den Trag-
masten die Isolatoren senkrecht angeordnet sind, werden sie bei den
Abspannmasten unmittelbar in den ~itungszug eingebaut. Bei Frei-
leitungen, deren Maste nicht auf Verdrehen berechnet sind, muß min-
destens alle 3 km, bei Freileitungen, deren Maste auf Verdrehen be-
rechnet sind, mindestens alle 5 km ein Abspannmast gesetzt werden
(s. VDE-Vorschriften 0210, § 18). In Gegenden mit großen Eislasten
muß diese Entfernung jedoch noch verkürzt werden. Wenn an einem
Abspannmast ein Seil reißt, so wirkt auf diesen ein einseitiger Zug,
der den Mast auf Verdrehung und auch auf Biegung beansprucht. Es
wird von einem Abspannmast verlangt, daß er beim Reißen eines Seiles
und beim Vorhandensein der größtmöglichen Seilspannungen die hierbei
auftretende zusätzliche Beanspruchung aushält. Bei einem Tragmast
mit Hängeisolatoren können im allgemeinen die Beanspruchungen kleiner
eingesetzt werden. Reißt hier ein Seil, dann wirkt auf den Tragmast
ebenfalls der einseitige Leitungszug. Da jedoch die Isolatorenkette seit-
lich ausschwingen kann, wird der Seilzug auf den Mast vermindert,
so daß man bei Tragmasten nur mit etwa der Hälfte des größtmög-
lichen Seilzuges zu rechnen braucht, den der Mast und natürlich
262 Freileitungen

auch die Isolatorenkette aushalten müssen. In Gegenden, in denen


mit sehr großer Eislast zu rechnen ist, empfiehlt es sich, die Ab·
spannmaste noch kräftiger als oben angegeben zu dimensionieren und
die Tragmaste so auszubilden, daß diese beim Seilriß den vollen Seilzug
2
auszuhalten vermögen. Im übrigen müssen Abspannmaste für 3 des
gesamten einseitigen Zuges und Endmaste für den vollen einseitigen Zug
bemessen sein.
Die Abb. 253 und 254 zeigen eine Reihe von Mastbildern, die im
folgenden besprochen sein mögen. In der Abb. 253 a sind zwei Leitungs·
seile unmittelbar übereinander angeordnet, eine oft in Ortsnetzen bei
kleinen Spannweiten vorkommende Anordnung, die jedoch nach S. 259
vermieden werden. soll, wenn größere Spannweiten vorliegen und mit
Eislasten gerechnet werden muß. Abb. 253 b und c zeigen zwei einander
ähnliche Anordnungen, von denen jedoch die Anordnung b vorzuziehen
ist, da die Maste etwas schwächer sein können. Denkt man sich in der

Abb. 253a-d. Mastbilder bei


Einfach-Drehstromleitungen.
I
Abb. 254a-f. Mastbilder bei Drehstrom-Doppel!eitungen.

Abb. 253 c das oberste Seil gerissen, so wird das verbleibende Seilende
den Mast auf Verdrehung und auf Biegung beanspruchen, und zwar ist
jetzt wegen des großen Hebelarmes größte Verdrehungs- U:nd größte Bie-
gungsbeanspruchung vorhanden. Bei der Anordnung nach Abb. 253 b
ist beim Seilriß an der gleichen Stelle wohl die gleiche Biegungsbean-
spruchung vorhanden, die Verdrehungsbeanspruchung ist jedoch, da der
Seilabstand vom Mast kleiner ist, geringer. In den Abb. 253 und 254
ist durch kleine Kreuze angedeutet, welche Lage etwa vorhandene Erd-
seile haben können. Dabei sind teils ein, teils zwei Erdseile angenommen.
Bei der Anordnung nach Abb. 253 d sind sämtliche Leiter in einer
Ebene angeordnet. Da jedoch aus Symmetriegründen vier Leiter unter-
gebracht werden müssen, kann man den 4. Leiter als Ersatzleiter ge-
brauchen, wenn eine Leitung schadhaft wird, oder auch als ErdungsseiL
Die Anordnung d hat den Vorteil der geringen Masthöhe, daß beim
Hochschnellen der Seile keine Berührungsgefahr besteht und daß die
Montage leicht durchgeführt werden kann.
Die Abb. 254 a und b zeigen zwei Anordnungen für Doppelleitungen.
Von den beiden Anordnungen ist bezüglich Festigkeit (von den Erd-
Maste und Leitungsanordnungen 263
seilen sei abgesehen) die unter a am günstigsten, und zwar auf Grund
von Überlegungen, wie sie bei der Anordnung Abb. 253 b und c ange-
stellt wurden. Abb. 254c zeigt eine Ausführung, bei der die Leitungen
in drei Etagen angeordnet sind. Die Masthöhe wird größer, jedoch ist
das System bezüglich der Breite günstiger als die Ausführungen unter
a und b.
Die Abb. 254d unde zeigen zwei Systeme, von denen das erstere eine
Tannenbaumform, das zweite eine umgekehrte Tannenbaumform be-
sitzt. Von den beiden Formen ist das der Abb. 254d in bezugauf Bean•
spruchung der Maste günstiger. Besser noch als das System d ist oft
die Anordnung c, da sie nicht so breit
baut und somit geringere Verdrehungsbean-

~ ~~ I
Holtestöbe
I I

Abb. 255. Betonfundament Abb. 256. Schwenktraverse (BBC).


für Abspannmast.

spruchungen erfährt. Die Abb. 254 f zeigt eine Anordnung, bei der sämt-
liche Leiter in einer Horizontalen liegen. Dieses System ergibt kleine
Maste und bei Seilriß auch kleinste Biegungsbeanspruchung. Die Ver-
drehungsbeanspruchung wird jedoch hier sehr groß.
Die Maste können als Holz-, Rohr-, Beton- oder Gittermaste aus-
gebildet sein. Holzmaste kommen für verhältnismäßig kleine Spann-
weiten und für nicht zu große Seilquerschnitte in Frage, da die Holzmaste
nur für mäßige Mastlängen und Spitzenzüge entsprechend den zur Ver-
fügung stehenden Holzstänimen verwendbar sind. Von Nachteil ist, daß
sie nicht wetterfest und daher nur begrenzt haltbar sind. Von etwa
20 kV ab wird man zu anderen Mastarten, wie Rohr-, Beton- oder Gitter-
masten übergehen. Betonmaste, die an und für sich wetterfest sind und
keinerlei Anstrich wie die Gittermaste benötigen, haben den Nachteil,
daß sie sehr schwer sind und daher der Transport dieser schweren Maste
zur Montagestelle unangenehm und teuer ist.
Um genügend Standfestigkeit zu haben, müssen die Maste fundiert
werden. z. B. durch Betonfundamente (Abb. 255). Bei Holzmasten ge-
nügt tiefes Eingraben. Man muß bei Stahl- und Stahl-Betonmasten
stets für eine gute Masterdung sorgen. Diese kann mit Erdplatten
(Abb. 255), als Banderdung oder Rohrerdung durchgeführt werden (s.
auch S. 401).
264 Freileitungen

Zur Verwendung in Gegenden mit sehr großen Eislasten, in denen


gelegentlich mit dem Reißen eines oder mehrerer Seile zu rechnen ist,
ist die sog. Schwenktraverse besonders geeignet. Bei dieser Traversen-
konstruktion ist der Ausleger drehbar gelagert und wird, wie aus dem
Grundriß der Abb. 256 zu ersehen ist, durch zwei knapp bemessene
Haltestäbe in der Mittelstellung gehalten. Sollte ein Seil reißen und
damit eine einseitige'Beanspruchung des Mastes auftreten, so knicken
die Haltestäbe vor Überbeanspruchung der Maste und die Traverse
schwingt aus, s6 daß eine Entlastung des Mastes eintritt. Das Ein-
schwenken der Traverse erfolgt gedämpft, da Verformungsarbeit in
den Haltestäben geleistet werden muß.

E. Bemessung der günstigsten Spannweite


Bei sämtlichen Rechnungen war bis jetzt angenommen, daß die
Spannweite einer Freileitung gegeben ist. Es sei jedoch noch kurz an-
gegeben, in welcher Weise die günstigste Spannweite ermittelt werden
kann. Da man eine Leitung
~ technisch sowohl für kleine,
~ als auch für große Spannwei-
~ ten bauen kann, sind für die
günstigsten Spannweiten rein
wirtschaftliche Gesichtspunkte
maßgebend. Trägt man in Ab-
hängigkeit der Spannweite die
Mast- und Isolatorenkosten für
100 km auf, so wird die Ge-
samtkostenkurve bei einer be-
SfK1nnweile stimmten SpannweiteeinMini-
Abb. 257. Kosten einer Freßeltung ln Abhinglgkelt mum haben (Abb. 257). Bei sehr
von der Spannweite. kleiner Spannweite braucht
man sehr viel Maste, was teuer ist, während bei sehr großen Spannweiten
die Maste sehr hoch werden, wodurch eine Verteuerung des einzelnen
Mastes eintritt; zwischen diesen beiden Fällen muß ein Kostenminimum
liegen. Die Isolatorenkosten nehmen mit wachsender Spannweite ab, denn
je größer die Spannweite wird, um so weniger Isolatoren werden für 100 km
Leitung benötigt. Die Gesamtkosten einer Freileitung, die sich aus den
Kosten fiir die Maste und die Isolatoren zusammensetzen (von den Seil-
kosten sei abgesehen, da sie unabhängig von der Spannweite sind),
ergeben eine Kurve, die ein Minimum besitzt, und zwar wird das Mini-
mum um so weiter nach rechts rücken, je höher der Anteil der Isolatoren-
kosten an den Gesamtkosten ist. Das heißt, da bei hohen Spannungen
die Isolatoren teuerer werden, die günstigste Spannweite mit höherer
Spannung größer werden wird.
Erwärmung von Freileitungsseilen 265
F. Erwärmung von Freileitungsseilen
Da Erdkabel gegen Erwärmung sehr empfindlich sind, läßt man bei
Massekabel höherer Spannung nur eine Übertemperatur von 25 o C zu.
Freileitungsseile weisen keinerlei wärmeempfindliche Isolation auf und
man sollte daher annehmen, daß man den Seilen eine wesentlich höhere
Erwärmung zumuten könnte. Versuche an Aluminium- und Kupfer-
seilen haben jedoch gezeigt, daß es zweckmäßig ist, mit der Übertempera-
tur nicht über 40° C zu gehen. Bei einer zugelassenen Übertemperatur
von 40° C kann man damit rechnen, daß im Sommer die Seile etwa eine
Temperatur von 80° C erreichen. Diese Temperatur ist noch zulässig,
während oberhalb dieses Wertes bereits eine Entfestigung der aus bart-
gezogenen Drähten aufgebauten Seile eintritt.
Im allgemeinen wird bei den meisten Freileitungen die Übertempera-
tur von 40° C nicht erreicht, da die aus Gründen des Spannungsabfalles,
bzw. der Wirtschaftlichkeit sich ergebene Stromdichte (etwa 1 Afmm2
bei Al), so klein ist, daß die sich einstellende Übertemperatur meist unter-
halb 20° C liegt. Gelegentlich kommen jedoch auch Fälle vor, z.B. kurze
Verbindungsleitungen, bei welchen man die Leitungen nicht nach dem
Spannungsabfall oder der Wirtschaftlichkeit, sondern nach der zulässigen
Übertemperatur bemißt. Hier bildet dann die angegebene Übertem-
peratur von 40° C die obere Begrenzung der Belastungsfähigkeit der
Freileitung. ·

Tabelle 7. Dauerstrombelastbarkeit für 40° G tlbertemperatur.


Seilquerschnitt Dauerstrom in A
Stahl- Stahl·

I
Nennwert Rein- Aluminium Aluminium
Kupfer Aldrey
mm• aluminium
I 1:6 1:4

16
25
115
151
I 92
121
88
115
90
125
35 174 149 142 145 225
50 232,5 186 177 170 300
70 282 226 215 235 355
95 357 283 269 290 440
120 411 329 313 345 505
150 477 382 363 400 560
185 544 435 414 455 650
240 635 507 484 530 770
300 747 598 568 615 I
Die Kenntnis der Temperatur der Leitung ist bei Kurzschlüssen wich-
tig. Da die hierbei auftretende erhöhte Temperatur, verglichen mit der
des Dauerbetriebes nur kurzzeitig vorhanden ist, darf sie höher sein,
ohne daß Entfestigung eintritt. In beistehender Tabelle sind für die
266 Freileitungen

Entfestigung Null und für andere Entfestigungen die zulässigen Tem·


peraturen eingetragen.
Unter vollständiger Entfestigung versteht man die Überführung des
hartgezogenen Werkstoffes in den weichgeglühten Zustand. Die voll-
ständige Entfestigung beträgt z. B. bei Kupfer 40 %, bei Aluminium 50%,
bei Aldrey 65% und bei Stahl-Aluminium 1:4 etwa 20% der ursprüng-
lichen Festigkeit. Also hat z. B. Cu bei vollständiger Entfestigung noch
60% der ursprünglichen Festigkeit.
Läßt man eine bestimmte Entfestigung zu, so ist aus der Tabelle 8
die zulässige Leitertemperatur bekannt und man kann ausrechnen,
welche Wärmemenge in dem Leiter entwickelt werden muß, um diese
Temperatur zu erreichen. Dabei wird wegen der kurzen Kurzschlußzeit
kein Wärmeverlust berücksichtigt. Für diese sog. spezifische Kurzschluß-
arbeit, welche man auf die Raumeinheit cm3 (z. B. 1 m Länge und 1 mm2
Querschnitt) bezieht, gilt
As = 4,18 (t2 - t1) gc in Ws3 •
cm
Hierbei ist:

0 : 39 =
4,18 ... Umrechnungsfaktor von Wärmeeinheit auf elektrische
' Einheit in Wsecfcal (1 cal = 4,18 Ws).
t1 ••• Anfangstemperatur des Seiles in o C.
t2 ••• Kurzschluß-Endtemperatur des Seiles in o C.
g ... spezifisches Gewicht in gfcm3 •
c ... spezifische Wärme in calfg o C.
Berechnet man diese spezifische Kurzschlußarbeit unter Zugrunde-
legung der Materialkonstanten, so ergibt sich

Tabelle 8. Kurzschluß-Endtemperaturen t2 für eine Entfestigung von

vollständige
0% 5% 20% Entfestigung

Kupfer . 170° 210° 240° 290°


Reinaluminium. 130° 170° 210° 250°
Aldrey. 155° 185° 230° (500° ?)
Stahl-Aluminium 1 : 6. 130° 185° 230° 250°
Stahl-Aluminium 1 :4. 130° 190° 250° 250°
Stahl-Aluminium 1 :3. 130° 200° 250°

Ist der Verlauf des Kurzschlußstromes in Abhängigkeit der Zeit ge-


geben, so kann man ausrechnen, welche Wärmemenge pro cm3 erzeugt
wird. Durch den Vergleich mit der Tabelle ersieht man, ob der Kurz-
schlußstrom das Material unzulässig entfestigt oder nicht. Unter Um-
ständen muß ein größerer Leiterquerschnitt gewählt werden. Zur Orien-
Sicherungen 267

Tabelle 9. Spezifische Kurzschlußarbeit A 8 in W 8 für eine Entfestigung von


cm 3
vollständige
0% 5% 20% Entfestigung

Kupfer 535 680 785 925


Reinaluminium . 280 390 495 600
Aldrey. 350 430 545 (1300 ?)
Stahl-Aluminium 1 : 6 315 470 600 655
Stahl-Aluminium 1 :4. 310 490 660 660
Stahl-Aluminium 1 :3. 325 590 680

tierung seien einige Zahlen mitgeteilt, die für einen konstanten Kurz-
schlußstrom von 3 sec Dauer gelten, während die Umgebungstempera-
tur 20° beträgt. Läßt man überhaupt keine Entfestigung zu, so ergibt
sich für Kupfer eine Kurzschlußstromdichte von 86, bei Aluminium von
51 und bei Stahl-Aluminium 1:4 von 53 Ajmm 2 •

XI. Sicherungen
Sicherungen werden angewandt, um Leitungen, Apparate, kleinere
Transformatoren usw. gegen Überlastung und Kurzschluß zu schützen.
Sie kommen stets dort in Frage, wo sich der Einbau von Überstrom-
schaltern nicht lohnt.
Eine Sicherung ist ein in den Stromkreis geschalteter Schmelzdraht,
der sich durch den Strom erwärmt und bei einem bestimmten Stromwert
durchschmilzt. Sicherungen in dieser Form werden auch heute noch als
Streifensicherungen in Laboratorien und für Sonderzwecke verwandt.
Ihr Nachteil ist der verhältnismäßig große Lichtbogen, der beim An-
sprechen der Sicherung entsteht. Man ist deshalb zu geschlossenen Siehe·
rungen übergegangen. Hier ist der Sicherungsdraht in einer Patrone
aus keramischem Material untergebracht. Dabei hat es sich als äußerst
günstig erwiesen, den Sicherungsdraht in einem Füllmittel, z. B. fein-
gemahlenen trockenen Quarzsand, einzubetten (s. Abb. 258). Tritt bei
Überlastung des Stromkreises ein Durchschmelzen bzw. bei größeren
Strömen ein Verdampfen des Sicherungsdrahtes ein, dann wird der ent-
stehende Lichtbogen durch den Quarzsand derart gekühlt, daß er er-
lischt. Der Stromverlauf sieht dabei (Kurzschluß in einem Gleichstrom-
kreis) entsprechend Abb. 259a aus. Bei starken Kurzschlußströmen wird
eine passend ausgewählte Sicherung derart rasch abschalten, daß der
Kurzschlußstrom überhaupt nicht seine volle Höhe erreicht, die Anlage
also vor den Auswirkungen der Kurzschlußströme geschützt wird. In
dieser Eigenschaft ist die Sicherung jedem Schalter überlegen. Als Ab-
schaltstrom einer Sicherung wird der Strom angegeben, der auftreten
268 Sicherungen

würde, wenn statt der Sicherung eine metallische Verbindung vor-


handen wäre.
Um erkennen zu können, ob eine Sicherung durchgeschmolzen ist,
verwendet man meistens ein kleines Merkblättchen (s. Abb. 258), welches
durch einen dünnen Widerstandsdraht festgehalten wird. Schmilzt der
Schmelzleiter einer Sicherung durch, so wird anschließend der Wider-
standsdraht ebenfalls durchschmelzen und das Merkblättchen, welches
unter der Spannung einer kleinen Feder steht, wird nach oben bewegt
und zeigt an, daß die Sicherung ausgelöst hat. Es gibt heute Sicherungen
für Spannungen (3 bis 30 kV) mit Auslöseschlagstift, bei denen eine
kräftige Feder (mit
l>ferkplällc/Jen
einer Schlagkraft von
etwa 12 kg) über ein
Zwischengestänge
Hilfskontakte betä-
tigt, die eine Meldung
oder Fernauslösung
eines zugehörigen Lei-
stungsschalters be-
werkstelligen (Abb.
262) ; bei Leistungs-
trennschaltern dage-
gen wirktder Auslöse-
t schlagstift über ein
Abb. 258. Sicherungspatrone Abb. 269a u. b. Abschalt-
(V.&H.). vorginge bei einer Sicherung. Zwischengestänge auf
die Freiauslösung,
womit der Leistungstrennschalter beim Durchbrennen einer Sicherungs-
patrone zum Ausschalten gebracht wird. Um die Auslösekraft zu ver-
größern, ist in letzterem Falle meist zusätzlich ein HUfs-Federkraft-
speicher vorhanden, der beim Einschalten des Leistungstrennschalters
mit gespannt wird. Es sei erwähnt, daß beim Abschalten durch eine
Sicherung auch "'berspannungen entstehen können. Abb. 259 b zeigt
den Verlauf der Spannung bei einer Abschaltung. Die Überspannung
kommt dadurch zustande, daß nach dem Durchschmelzen des Sicherungs-
drahtes der Strom sehr rasch abnimmt, und damit, bei der stets vor-
handenen Induktivität, der Wert L ~sehr groß wird. Meist ist die ent-
stehende Überspannung nicht gefährlich, außerdem kann sie bei ent-
sprechender Ausbildung der Sicherung in mäßigen Grenzen gehalten
werden.
Als Material für Schmelzsicherungen kommt heute vorwiegend Silber
zur Verwendung. Silber hat jedoch einen sehr hohen Schmelzpunkt
(etwa 950°). Um die in normalem Betrieb in der Sicherung vorhandenen
Sicherungen 269

Temperaturen möglichst herunterzusetzen, wird der Schmelzdraht oft


aus zwei Hälften hergestellt, die miteinander verlötet sind (s. Abb. 258).
Da die LötsteUe schon bei etwa 230° schmilzt, und man im normalen
Betrieb unter dieser Schmelztemper atur bleiben muß, sind im lnnern an
der heißesten Stelle der Sicherung die Temperaturen in erträglichen
Grenzen.
Eine jede Sicherung besitzt eine Schmelzcharakteristik, die angibt,
in welcher Zeit die Sicherung bei einem gegebenen Strom durchschmilzt.
Je nach der Charakteristik kann man hier unterscheiden zwischen flinken
und trägen Sicherungen. Die Abb. 260 zeigt, daß die flinke und die träge
Sicherung wohl einen etwa gleichen Grenzstrom (bei dem die Sicherung
nach unendlich langer Zeit fod!erNennslrom
durchschmilzt) besitzen, to
daß jedoch im Bereich 8 \
\ I
der Überströme die träge 6 flin} \ I
f.-./r,Zqe Sicherullfl
Sicherungwesentlichlang- 11 Sicl!ei'UIIf/1\..
samer abschaltet. Man 2 ""-... :::-+-. grölJier l'riifslrom G'renz-

wird also träge Sicherun- I kleins/er Prüfsiröm


sfrom
JOOmin
tosek 1mm 10 60
gen verwenden, wenn O,otsek 4 1
Abb. 260. Abschaltkennlinien von Sicherungen.
kurzzeitige Überlastungen
noch kein Auslösen hervorrufen sollen. Zur Beurteilung, ob eine Siche-
rung z. B. bei einem anlaufenden Motor durchschmilzt, ist die auf S. 275
gebrachte Rechnung anzustellen.
Die Charakteristik einer Schmelzsicherung kann innerhalb gewisser
Grenzen noch verändert werden. Ist der Strom einer Sicherung so groß,
daß man zum Schmelzstreifen (statt Drähten) übergehen muß, so kann
man benachbart der Lötstelle ein kleines Loch anbringen. Hierdurch
wird der Grenzstrom der Sicherung kaum beeinflußt, da die an der ver-
engten Stelle zusätzlich erzeugte Wärmemenge Zeit findet, abzufließen
und die Temperatur der Lötstelle somit kaum beeinflußt. Tritt jedoch
plötzlich ein großer Überstrom auf, so steigt die Temperatur an der ver-
engten Stelle so schnell an, daß die erzeugte Mehrwärme keine Zeit hat
abzufließen, und der Streifen an der gelochten Stelle durchschmilzt. Je
größer also der Lochdurchmesser ist, um so flinker wird die Sicherung
bei auftretenden Überströmen arbeiten. Bei großen Stromstärken werden
mehrere parallelgeschaltete Patronen auf einen Sicherungsunterteil auf-
geschraubt.
Bei trägen Sicherungen wird die Trägheit durch besondere Gestaltung
des Querschnittes des Schmelzleiters und der Lötstelle erreicht.
Sicherungspatronen entsprechend Abb. 258 werden für Schraub-
sicherungen verwandt, d. h. die Patrone kommt in ein Sicherungselement
und wird durch einen Schraubstöpsel festgeklemmt. Solche Schraub-
sicherungen kann man bis etwa 200 A bauen. Bei größeren Strom-
270 Sicherungen

stärken wird man die Patronen nicht mehr festschrauben, sondern in


Unterteile einsetzen (s. Abb. 261). Man kann derartige Sicherungen so
ausbilden, daß mansiemit einem
besonderen aufsetzbaren isolier-
ten Griff packen, einsetzen
und herausnehmen kann. Solche
Sicherungen können in Nieder-
spannungsanlagen als Trennmes-
ser gebraucht werden. Diese
Hochleistungssicherungen wer-
den für Niederspannung von
60 bis 600 A mit Messerkontak-
ten, unter Umständen sogar bis
Abb. 261. Niederspannungs-Hochleistungs-Sicherung 2000 A mit Schraubkontakten
mit aufgesetztem Betätigungsgriff (V. & H.).
gebaut. Sie dienen oft zum
Schutz von Leitungen, z. B. in den städtischen Kabelnetzen, wo sie meist
in den Kabelverteilungskästen untergebracht sind.
Im allgemeinen ist bei
einer Sicherung nicht der
Grenzstrom angegeben,
den die Sicherurig gerade
noch aushalten kann, son-
dern der Nennstrom der
Sicherung, der tiefer liegt.
Für die Prüfung der Siche-
rungen hat man nach VDE
die Begriffe kleinster und
größter Prüfstrom einge-
führt. Diese Prüfströme
haben, verglichen mit
dem Nennstrom, folgende
Abb. 2112. Hochspannungssicherung mit Meldevorrichtung_ Größe (s. Tabelle 10).
Tabelle 101 •
1 2 3 4

Art und Nennstrom In kleinster größter Prüfdauer


Prüfstrom Prüfstrom h

geschlossene Schmelzeinsätze I
6 bis 10 A 1,5 In 1,9 In 1
15 bis 25 A 1,4 In 1,75 In 1
35 bis 60A I,3 In I,6 In I
80 A und darüber I,3 In I,6. In 2
offene Schmelzeinsätze I 1,6 In I,8 In I I
1 Na eh VDE 0660JI944.
Sicherungen 271

Dabei versteht man unter kleinstem Prüfstrom den Strom, den eine
Sicherung mindestens I Stunde aushalten können muß, während bei dem
größten Prüfstrom die Sicherung nach I Stunde durchschmelzen muß.

!Jrodfeder Auskleidung Außenrohr Innenrohr mtll?ippen Lösdlpu!llf!r


I 1 ~M~~~~~~~~~~
IJ~e( ~~~~~~~~~~

·· -·····
35 -
~~~ .
~.r·•·•· ·· ·

I
J(onloK!Jrlofl!K! Aus/ösetfrolil llouplsdlme!zleiler /li/ßdlme!deiler

Abb. 263. Aufbau einer Hochspannungs· Hochleistungs-Sicherung .

Bei den Sicherungen von 60 bis 200 A bezieht sich der kleinste Prüf-
strom nicht auf I, sondern auf 2 Stunden Prüfdauer, weil hier die Zeit-
konstante der Sicherung bezüglich der Erwärmung wesentlich größer
geworden ist. Der Grenzstrom der
Sicherung ist etwa das Mittel aus
kleinstem und größtem Prüfstrom.
Abschmelzsicherungen werden
auch in Hochspannungsanlagen ge·
braucht, z. B. zur Absicherung von
kleinen Transformatoren, von Span·
nungswandlern usw. Solche Siche-
rungen haben wegen der höheren
Spannung eine wesentlich größere
Länge (Abb. 263). Eine Hochspan-
nungssicherung besteht aus einem
Porzellanrohr, welches an beiden
Enden Metallkappen trägt. In dem
Porzellanrohr befindet sich zwischen
den Metallkappen der Schmelzdraht.
Dieser ist nicht gerade gespannt,
sondern, um für den Lichtbogen eine
größere Bahn zu erhalten, spiralig
eingelegt und von einem Füllmittel
umgeben (z. B. Quarzsand).
Abb. 263 zeigt den Aufbau einer
Hochspannungs-Leistungs-Siehe- Abb. 264. Dreipolige Trennsicherung.

rung. Als Löschmittel dient ein körniges Material ohne Treibwirkung.


Das Gehäuse für Schmelzleiter und Löschmittel, das. Sicherungsrohr, be-
steht aus einem Sonderporzellan und ist innen mit eim~r Wärmeschutz-
272 Schalter

schiebt ausgekleidet, die das Porzellan vor unzulässigen plötzlichen Er-


wärmungen schützt. Die Schmelzleiter sind in dem Löschpulver als freie,
sich selbst tragende Locken oder auf mit Rippen versehenen Trägern
angeordnet. Dadurch wird erreicht, daß die Drähte allseitig von Lösch-
pulver umgeben sind. Durch einen Nebenschmelzleiter wird die Anzeige-
vorrichtung ausgelöst. Sie besteht aus einem kleinen Federenergie-
speicher, der beim Ansprechen der Sicherung einen Stift auf der Stirn-
seite der Sicherung herausdrückt. Durch eine besondere Ausbildung
der Schmelzleiter als Stufenschmelzleiter kann' beim Abschaltvorgang
das Auftreten gefährlicher Überspannungen .vermieden werden. Hoch-
spannungssicherungen werden auch gelegentlich als Trennsicherungen
verwandt (Abb. 264). In solchen Fällen kann man auf besondere Trenn-
messer (z. B. in kleineren Transformatorenstationen) verzichten.
Hochspannungssicherungen lassen sich heute etwa für folgende
Spannungen und Nennströme bauen:
Tabelle 11

Nen:str. II 3 6
Reihenspannung in kV
10
Netzkurzschlußleistung in MVA
20 30

6 300 600 600 800 1200


10bis60 200 400 400 400 600**
100 50/200* 100/400* 200/400* 300
200 200 400 350
• bei vergrößerter Baulänge
•• nur bis 40 A

XII. Schalter
A. Luftschalter
In elektc'ischen Anlagen werden in größtem Umfang Schalter aller
Art benötigt. In den Regeln für Schaltgeräte bis 1000 Volt Wechsel-
spannung und bis 3000 Volt Gleichspannung (VDE 0660/12.52) sind die
Schalter eingeteilt in:
a) Leerschalter zum annähernd stromlosen Schalten von Stromlireisen.
b) Lastschalter mit Nennein- und Nennausschaltvermögen bis etwa den
2-fachen Nennstrom.
c) Motorschalter mit einem Nennein- und Nennausschaltvermögen entspre-
chend dem Motor-Anlaufstrom.
d) Leistungsschalter, deren Nennein- und Nennausschaltvermögen bestimmten
Kurzschlußbeanspruchungen genügen.
Leer- und· Lastschalter werden meistens in der Form als Hebel-
schalter ausgeführt. Diese bestehen aus festen Kontaktstücken, die
isoliert auf einer Grundplatte befestigt sind, und einem Trennmesser.
Luftschalter 273
Die vielfach verwendeten Hebelschalter sind dreipolig für Drehstrom
ohne Momentschaltung und zweipolig für Gleichstrom mit Moment-
schaltung ausgerüstet. Bei Spannungen bis 500 Volt und Stromstärken
bis 400 A kann man dann mit derartigen Schaltern etwa den Nennstrom,
für den sie gebaut sind, abschalten. Höhere Stromstärken lassen sich mit
solchen Messerschaltern schlecht schalten, da die Kontaktmesser und
-federn zu sehr augeschmort werden. Zur Abschaltung
höherer Ströme verwendet man daher oft ein doppeltes
Kontaktsystem, von dem das eine nur zur Übertragung
des Stromes und das andere zur Abschaltung dient.
Abb. 265 zeigt schematisch einen solchen Schalter, bei
dem die Stromübertragung durch einen Lamellenkon-
takt, der aus einzelnen Kupferblechen hergestellt ist
(viele Kontakte), erfolgt, während ein parallel geschalte·
ter Abreißkontakt, der etwas später öffnet, die Ab- Abb. 265. Schalter
mit Lamellenkontakt
schaltung übernimmt. Dieser Abreißkontakt ist hörner· und Funkenhörnern.
artig ausgebildet. Dies hat seinen Grund im folgenden:
Steht der Lichtbogen zwischen den beiden hörnerartigen Kontakten, so
versucht er, die Stromschleife, die er bildet, zu vergrößern, um einen
möglichst großen magnetischen Fluß zu umfassen. Damit wandert er
an den Hörnern nach oben; hierin wird er durch den thermischen Auf.
trieb, den der Lichtbogen erfährt, noch
unterstützt. Der Lichtbogen erhält schließ-
lich eine derartige Länge, daß er abreißt.
Dieses Schaltprinzip wird auch für mittlere
Spannungen bei den Masthörnerschaltern,
die zum Abschalten von Stichleitungen oder
Masttransformatoren dienen, benutzt. Man
kann mit derartigen Hörnerschaltern im
Notfall bei 20 kV 300 A schalten, wobei
allerdings der Lichtbogen beträchtliche
~11·"-~...,...,.... runkenschulz-
Längen erreicht. ~~~izj!ii;;:rj_ kosten
Neuerdings verwendet man bei Motor-
Abb. 266. Schalter mit
schutz- und Leistungsschaltern sowie bei Llchtbogenblasung.
Schützen vielfach Klotzkontakte. Das sind
geeignet geformte Kontaktstücke aus Kupfer, die die Stromleitung und
die Abschaltung übernehmen. Die sich beim Abschalten möglicherweise
bildenden Schmelzperlen sind nicht gefährlich, denn die Kontakte
werden nicht wie bei den Trennmessern ineinandergeschoben, sondern
aufeinandergepreßt; außerdem werden solche Klotzkontakte meist als
Abwälzkontakte ausgebildet.
Bei schwierigen Schaltverhältnissen, z.B. bei Gleichstrom, wendet man
stets Lichtbogenblasüng an. Abb. 266 zeigt den Aufbau eines solchen
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Aufl . 18
274 Schalter

Schalters: Der Strom wird zunächst um einen Eisenkern geführt, dann


erst zum Schalter, der im Magnetfeld, das der Strom im Eisenkern er-
zeugt, liegt. Entsteht beim Öffnen der Kontakte ein Lichtbogen, so wird
dieser bei geeigneter Richtung der magnetischen Kraftlinien durch die
auf ihn ausgeübte Kraft in die Länge gezogen, so daß er abreißt.
Die Abschaltung von Gleichstrom ist, bezogen auf gleichen Strom
und gleiche Spannung, viel schwerer als die von Wechselstrom, da bei
letzterem durch den Nulldurchgang des Stromes Schalt-Erleichterungen
eintreten. Gleichstromschalter, auch solche für höhere Spannungen,
z. B. 3000 V, müssen als Luftschalter ausgebildet werden, da, wie Gleich-
stromschaltversuche mit Ölschaltern zeigten, das Öl durch den Gleich-
strom eine starke Zersetzung und Verrußung erfährt. Gleichstromschalter

Abb. 267. Schalthörner mit Abb. 268a. Schalter mit Überstrom-


Lichtbogenblasung. und Bimetallauslösung.

werden, von ganz leichten Fällen abgesehen, stets mit Lichtbogenblasung


ausgeführt. Sehr schwierig ist das Schaltproblem bei höheren Gleich-
spannungen, z. B. 3000 V im Bahnbetrieb (Italien) und in Gleichrichter-
anlagen. Hier eignet sich sehr gut ein Kontaktsystem, bei dem die in
einem Magnetfeld befindlichen Kontakthörner etwa kreisförmig gebogen
sind, wobei das Magnetfeld schon in geringem Abstand von den Hörnern
stark abnimmt. Hierdurch wird beim Abschalten, wie die Abb. 267 zeigt,
der Lichtbogen längs der Kontakthörner in die Länge,gezogen, so daß
man auf kleinen Raum große Lichtbogenlängen erhält, also große
Leistungen schalten kann.
Abb. 268 a zeigt schematisch einen Schalter, der neben gewöhnlicher
Abschaltung durch Hand eine selbsttätige Überstrom-, als auch ther-
mische Auslösung (gegen Überlastung) besitzt. Der Strom fließt über
eine Blasspule a zu den Kontakten b und von hier über einen Überstrom-
magneten c und einen Bimetallstreifen g. Der drehbar gelagerte, etwas
federnde Kontakthebel, kann durch einen Betätigungsgriff d über das
Kniehebelsysteme eingeschaltet werden. Tritt ein Überstrom auf, so wird
durch den Magnetanker der ~niehebel über seinen toten Punkt gedrückt
und die Feder f schaltet ab. Liegt eine Überlastung vor, so erwärmt sich
Luftschalter 275
der Bimetallstreifen und biegt sich, da er aus zwei Metallen von verschie-
denen Ausdehnungskoeffizienten besteht, nach oben durch, wodurch der
Kniehebel durchgedrückt und der Schalter ausgelöst wird. Weiter besitzt
der Schalter Freiauslösung,
d. h. wenn auch durch Hand
der Schaltergriff in der Ein-
schaltstellung gehalten wird,
kann trotzdem bei einem
auftretenden Überstrom der
Schalter abschalten.
Abb. 268 b zeigt einen
Selbstschalter, der neben
gewöhnlieber Ausschaltung
durch Hand eine selbsttätige
elektromagnetische Kurz-
schluß-Schnellauslösung und
thermisch-verzögerte Über-
stromauslösung besitzt. Die
Kurzschlußauslöser sind in
gewissen Grenzen,. z. B. zwi-
Abb. 268 b. Selbstschalter mit elektromagnetischer
schen dem 3- bis 15 fachen Kurzschluß-Schnellauslösung und thermisch
verzögerter Überstromauslösung (BBC).
Auslösernennstrom einstell-
bar, während die thermischen Auslöser einen Einstellberei<:b zwischen
dem 1- bis 2fachen Auslösernennstrom besitzen und jeweils nach Bedarf
auszuwählen sind. I
Das in der Abb. 268a angegebene
Schaltprinzip kommt oft bei Motor-
schutzschaltern zur Anwendung. Soll
z. B. ein Kurzschlußankermotor ge-
schützt werden, so hat sich der
Schutz sowohl auf Überlastung des
Motors, als auch auf Überströme zu
erstrecken. In Abb. 269 ist die re-
duzierte Stromkurve ]6 des Motors
für den Anlauf in Abhängigkeit der t
Abb. 269. Kennlinien einer Sicherung
Zeit gegeben. Um diese zu erhalten, und eines Blmetallstreifens.
geht man von dem tatsäeblieben
Stromverlauf I = f(t) aus. Betrachtet man die Zeit t, dann ist der zu
dieser Zeit gehörende Effektivstrom

18*
276 Schalter

d. h. Ie erzeugt in der Zeit t dieselbe Wärme wie der tatsächliche Strom.


le, welchen man für jede Zeit t berechnen kann, ist in der Abb. 269
zum Vergleich .mit der Sicherungskennlinie eingetragen.
Versuchte man den Motor durch eine Sicherung gegen Überlastung zu
schützen, so würde, wie die Abb. 269 zeigt, die Sicherung beim Anlauf
des Motors durchbrennen. Wählte man andererseits eine größere Sicherung,
so daß sie den Anlauf des Motors verträgt, .dann ist kein Überlastungs-
schutz mehr vorhanden. Die Charakteristik des Bimetallstreifens läßt sich
dagegen so ausbilden, daß ein Überlastungsschutz gegeben ist, aber auch
die kurzzeitigen Anlaufspitzen ausgehalten werden. Zum Schutz gegen
Überstrom dient die Überstromspule c (s. Abb. 268a). Derartige Schutz-
schalter finqet man auch
heute vielfach in Haus-
installationen zum Schutze
der Leitungen.
In industriellen Anlagen
könnte man prinzipiell bei
kleinen Motoren mit kleinen
Motorschutzschaltern aus-
kommen. Da jedoch ·hier
oft große Kurzschlußströme
vorhanden sind, muß, falls
Abb. 270. Dreipoliger Innenraum-Trenner am Motor ein Kurzschluß
(Bauru:t l-30kV).
auftritt, der Motorschutz-
schalter diesen abschalten können, was große Konstruktionen· bedingt.
Man verwendet trotzdem oft kleine Motorschutzschalter, die dann nur
einen Überlastungsschutz, jedoch keinen Überstromschutz erhalten. Als
Kurzschlußschutz verwendet man vorgeschaltete Sicherungen, die bei
Überlastung nicht ansprechen, die jedoch einen Kurzschluß sehr schnell
abschalten. Der Motorschutzschalter darf dann nicht an,sprechen.
Zu den Schaltern, die ohne Last betätigt werden, gehören die Trenner,
die in unseren Hochspannungsanlagen gebraucht werden. Sie bestehen
normalerweise aus 2 Stützern je Pol, die Kbntaktstücke tragen, und
einem schwenkbar gelagerten Trennmesser (Abb. 270). Die Kontakt-
stücke sollen mit dem Messer möglichst eine geradlinige Strombahn
bilden, um ein selbsttätiges Öffnen des Trennmessers durch den Kurz-
schlußstrom zu verhindern. Die Höhe der Stützer richtet sich nach der
Betriebsspannung, die mehr oder weniger kräftige Ausbildung derselben
nach der benötigten Umbruchkraft. Da die Trenner im Leitungszug
eingebaut werden und bei Kurzschlüssen zwischen diesen große
Kräfte auftreten können, müssen. die Stützer eine solche Umbruchkraft
haben, daß sie die Beanspruchung aushalten. Die Trenner können als
einpolige Schalter ausgeführt sein. Beim Bedienen muß dann jedes
Luftschalter 277
einzelne Messer mit einer Schaltstange herausgezogen werden. Günstiger,
allerdings auch teurer, sind die in Abb. 270 dargestellten dreipoligen
Trenner, die miteinander über eine Welle gekuppelt sind und gemeinsam
betätigt werden. Bei Fern-
betätigung ist ein Antrieb
durch einenDruckluftzylin-
der, dessen Ventile von
Hand oder elektrisch ge-
steuert werden, zweck-
mäßig.
Wenn dieTrennerauch
normalerweise ohne Last
betätigt werden, so lassen
sich doch unter Umständen
mit ihnen kleine Lasten Abb. 271. Schubtrenner.
schalten. So kann man z. B.
miteinem Trenner bei 6 bis lOkV einen Laststrom von etwa 2 A und bei
15 bis 30kV einen Laststrom von etwa I A schalten.
Handelt es sich um die Abschaltung von Magnetisierungsströmen, die
bekanntlich vorwiegend induktiv sind, so sind die abschaltbaren Ströme
kleiner. Es diene zur Orientierung, daß man bis 30 kV Magnetisierungs-
ströme von Transformatoren mit Leistungen von 150 bis 300 kVA ab-
schalten kann, wenn man
schnell schaltet.
Eine etwas andere Aus-
führung der Trenner ist der
Schubtrenner (s. Abb. 271).
Hier wird das Trennmesser
nicht seitlich herausgeklappt,
sondern nach unten verscho-
ben. Diese Ausführung kommt
Abb. 272. Drehtrenner.
bei engen Platzverhältnissen
in Frage, da man an Raumtiefe spart, denn es ist kein Messer vor-
handen, welches seitlich herausklappt und dadurch die Abstände nach
geerdeten Teilen verkleinert. Das Abschaltvermögen eines solchen
Schalters ist geringer und beträgt etwa 30% von dem eines normalen.
Für hohe Spannungen in Innenraumanlagen verwendet man Trenner,
bei denen das Messer an einem mittleren drehbaren Isolator befestigt ist
(s. Abb. 272). Man hat hier eine Doppelunterbrechung, so daß jede'
Unterbrechungsstelle nur etwa den halben Luftabstand zu haben braucht.
Gelegentlich soll die durch die Trenner spannungslos gemachte Leitung
geerdet werden. Hier dienen dann besondere am Trenner angebrachte
Erdungsschalter (s. Abb. 272).
278 Schalter

Den mittleren Isolator. des eben beschriebenen Trenners kann man


sparen, wenn man zwei Isolatoren drehbar anordnet (s. Abb. 273a). Die
beiden Kontaktarme schwenken, wie die Abbildung zeigt, nach der
gleichen Seite a'!J.S. Man erreicht
hierdurch, daß vereiste Kon-
takte in Freiluftanlagen vom
Leitung L 'Iu.
ei. '~~.! Schalter mit verhältnismäßig
Abb. 273 a. Drehtrenner (schematisch) mit zwei kl · Kr''ft r b h
drehbaren Isolatoren. mnen a en au1ge roc en
werden können. Die Verbin-
dungen zwischen den drehbaren Kontaktarmen und den Leitungen
erfolgt über (nicht eingezeichnete) Druckkontakte. Abb.273b zeigt ein
Bild eines solchen Trenners.

Abb. 273 b. 110 kV Drehtrenner mit Erdungsschalter (BBC).

B. Hochleistungsschalter
a) Allgemeines
Hierunter seien Hochspannungsschalter verstanden, welche imstande
sein müssen, Kurzschlüsse, die die größte Belastung für den SchQ.lter
darstellen, abzuschalten. Hier genügen die betrachteten Luftschalter
nicht mehr; man muß Schalter, die als Schalt-

e::::IT Kurzsclllulfsre!Je
mittel Öl, Wasser oder Druckluft haben, ver-
wenden.
Die schwierigsten Schalterbeanspruchungen
Abb: 274. Generator arbeitet
auf KurzschluBstelle. treten nicht bei ohmscher, sondern bei induktiver
Last auf, da hier beim Stromdurchgangdurch Null
die Spannung ihren Maximalwert besitzt, was die Abschaltup.g erschwe~:t.
(Das Abschalten von Hochspannungskondensatoren wird im folgenden
besonders berücksichtigt.) Diese induktive Belastung ist auch tatsächlich
bei Kurzschlüssen in den Freileitungsnetzen hoher Spannung infolge der
Induktivitäten von Generatoren, Transfor~atoren un,d Leitungen nähe-
Hochleistungsschalter 279

rungsweise vorhanden. Im folgenden seien diese ungünstigen Verhältnisse


genauer untersucht. Ein Wechselstromgenerator speise über einen Schalter
eine Leitung, in der ein Kurzschluß vorhanden sei (Abb. 274). In der
Abb. 275a ist die bei Kurzschluß vorhandene Maschinen-EMK aufge-
zeichnet. Der Kurzschlußstrom ist um 90° gegen diese Spannung phasen-
verschoben. Öffnet der Schalter, so ist die Spannung zwischen den
Kontakten des Schalters zunächst klein, und zwar gleich der Lichtbogen-
spannung (s. Abb. 275a); sie wächst jedoch mit kleiner werdendem Strom
und größer werdender Kontaktentfernung an. Nach jedem Nulldurchgang
des Stromes muß der Lichtbogen neu zünden, wobei die Zündspannung
mit wachsender Kontaktentfernung wächst. Wird schließlich die Zünd-

Abb. 275 a u. b. a Idealisierte Darstellung 1


eines Abschaltvorganges, b tatsächlicher
Verlauf der wiederkehrenden Spannung.

spannunggrößer als die Maschinen-EMK, so zündet der Lichtbogen nicht


mehr und am Schalter ist jetzt die EMK vorhanden. In der Abb. 275a
ist angenommen, daß diese Spannung nach dem Nulldurchgang des
Stromes sofort vorhanden sei. Dies ist physikalisch jedoch nicht möglich,
denn infolge der vorhandenen Induktivitäten und Kapazitäten kann die
Spannung an den Kontakten, welche beim Nulldurchgang des Stromes
Null ist, nicht plötzlich ihren vollen Wert erreichen, sondern nur nach
einer Einschaltschwingung (s. Abb. 275 b). Die Frequenz dieser Schwin-
gung kann sehr hoch sein, z. B. 50000 Hz. Die wiederkehrende Spannung
braucht also zu ihrem Anstieg zwar eine kleine, aber immerhin eine
endliche Zeit, durch die, wie wir sehen werden, überhaupt erst die
Löschung des Lichtbogens ermöglicht wird.
Es seien jetzt die für das Abschalten eines Schalters maßgeben-
den Erscheinungen näher untersucht. Durch den im Schaltmedium
vorhandenen Lichtbogen und infolge der hohen Temperatur ist ein
großer Teil der Moleküle der Schaltstrecke dissozüert, d. h. die Mole-
küle haben sich in positive und negative Ionen und Elektronen aufge-
spalten. Beim Durchgang des Stromes durch Null vereinigen sich diese
280 Schalter

verschieden geladenen Teilchen sehr rasch, da das Medium sich schnell


abkühlt. Das Verschwinden dieser geladenen Teilchen kann etwa durch
die Kurv:e 1 der Abb. 276 dargestellt werden. Bisher ist aber nicht
berücksichtigt, daß die Spannung an der Schaltstrecke gemäß Abb. 275b
wiederkehrt.
Durch die wiederkehrende Spannung werden die positiven Teilchen in
der einen und die negativen in der anderen Richtung beschleunigt und
zwar wird ihre Geschwindigkeit um sb mehr anwachsen, je mehr die Span-
nung ansteigt (Kurve 2 der Abb. 276). Hier-
bei werden beim Aufprallen auf neutrale Mole-
2 küle letztere dissoziiert und ist die Spannung
8escliwindigkeil v groß genug, kommt es zur Stoßionisation, die
'dLadvngstriiger in einen Lichtbogen übergehen kann. Man hat
also zwei Vorgänge: Erstens wollen infolge der
abnehmenden Temperatur die elektrisch ge-
Abb. 276. Geschwindigkeit und Zahl ladeneu Teilchen sich neutralisieren und zwei-
der vorhandenen Ladungsträger·
tens werd en m · fo1ge d er w1e · d er ·e
k hren den
Spannung neue elektrische Teilchen erzeugt. Je nachdem, ob der erste
oder zweite Einfluß überwiegt, wird der Lichtbogen erlöschen bzw. wieder
zünden. Diese Betrachtungen zeigen den maßgebenden Einfluß, den der
Anstieg der wiederkehrenden Spannung besitzt. Um den Löschvorgang
zu begünstigen, stehen zwei Mittel zur Verfügung. Man kann einmal
sehr große Unterbrechungsstrecken verwenden, weil dann die Feldstärken
zwischen den Kontakten, also die auf die geladenen Teilchen ausgeübten
beschleunigenden Kräfte, klein werden. Dieses Verfahren hat man stellen-
1.4 weise im Ölschalterbau angewandt, wo man
~; große Unterbrechungswege vorsah, z. B. wie
~.1 bei der Mehrfachkontaktunterbrechung. Die
Abb. 277. Dreipaliger Kurzschluß. andere Möglichkeit besteht in einer inten-
siven Kühlung des Lichtbogens, um beim
Nulldurchgang eine rasche Wiedervereinigung der verschiedenartig ge-
ladenen Teilchen zu neutralen Molekülen zu erreichen. Nach diesem
letzten Prinzip arbeiten die modernen Schalter, und zwar die Druckluft-,
die Wasser- und die ölarmen Schalter.
Sieht man zunächst von der übergelagerten Schwingung der wieder-
kehrenden Spannung ab, so kann man die Abschaltleistung eines Schaltpols
formal festlegen zu: Kurzschlußstrom unmittelbar bei Kontakttrennung
mal wiederkehrende Spannung, beide effektiv gemessen.
Unter Zugrundelegung dieser Festsetzung seien im folgenden die Ab-
schaltleistungen für Drehstrom bei drei- und zweiphasigem Kurzschluß
berechnet. Abb. 277 zeigt schematisch den Generator und den bei A vor-
handenen Kurzschluß der drei Phasen, Abb. 278a den Spannungs- und
Stromstern bei Kurzschluß. Der Strom beim dreipoligen ·Kurzschluß
Hochleistungsschalter 281
sei lu1 und die wiederkehrende Spannung U).. bzw. U. Der Zeitstrahl
liege gerade vertikal, so daß in der Phase 1 der Strom Null ist und die Pha-
senspannung ihren maximalen Wert hat. Wenn jetzt der Strom in der
Phase 1 erlischt, so sind die in den Phasen 2 und 3 fließenden Ströme
einander entgegengesetzt und haben die Größe lzii -v; ,wobei die Pha-
sen 2 und 3 an der verketteten Spannung U liegen. Das Potential der
drei Leitungen bei A liegt jetzt in der Mitte von U, also im Punkte P
(Abb. 278b), so daß für die wiederkehrende Spannung des in der Phase 1
liegenden Schalterpoles die Spannung P-1 einzusetzen ist, deren Größe
- v-
: U).. = U Y23 ist. Die Phase 1 hat also eine Abschaltleistung U lzn : .
114. Periode später finde 1
'ß!!s/r(J/i/

,~,
die Abschaltung des noch
in den Phasen 2 und 3 1
fließenden Kurzschluß- 0..
y3
stromes I 1u2 statt (s.
,_____{/______J
Abb. 278c). Für die beiden
ff
Schaltpole 2 und 3 zusam- 1rny
men ergibt sich ebenfalls JL
p 2 z
eine Abschaltleistung von
Ulzn v; . Die Gesamtab- 3 z,YI.
mz
schaltleistung des Schal- Abb. 278 a-c. Diagramm für die Abschaltung
eines Kurzschlusses.
ters ist also a Strom- und Spannungsdiagramm Im Augenblick des
Stromnulldurchgangs in der Phase 1, b Spannungsdiagramm,
c Strom- und Spannungsdiagramm nach dem Abschalten
Nm= Ulwf3. (131) des Schaltpoles 1.

Dabei hat also der zuerst abzuschaltende Pol die Hälfte der Abschalt-
leistung zu übernehmen.
Die asymmetrische dreipolige Abschaltleistung nach den amerika-
nischen Regeln berücksichtigt auch das Gleichstromglied. Beträgt dieses
80% des Scheitelwertes des Stoßkurzschlußwechselstromes, so ist dies
geometrisch zum Stoßkurzschlußwechselstrom zu addieren und die
asymmetrische Abschaltleistung wird bei einer wiederkehrenden Span-
V
nung gleich der Nennspannung das Y1+(0,8 2) 2 = 1,5 fache der symme-
trischen Abschaltleistung.
Ist ein zweipoliger Kurzschluß vorhanden, so haben, falls der zwei-
polige Kurzschlußstrom lzz ist, die beiden kranken Schalterpole je halbe
verkettete Spannung, als Leistung je I II 2
u abzuschalten. Die Ge-
samtabschaltleistung beträgt somit
Nn= U lu (132)
282 Sohalt er

Ist die Abschaltleistung eines Schalters für zwei-, als auch für drei-
poligen Kurzschluß gleich, so heißt das, daß beim zweiphasigen Kurz-
schluß der abzuschaltende Strom y3-mal so groß ist als beim dreiphasigen.
Dafür ist jedoch die wiederkehrende Spannung Jl/3-mal kleiner. Da ein
Schalter im allgemeinen durch einen größeren Strom mehr beansprucht
wird, ist die zweipolige Abschaltung trotz der etwas kleineren wieder-
kehrenden Spannung die ungünstigere. Es ist
I
I I deshalb keineswegs gesagt, daß eine dreipolige
I I
, I I Abschaltleistung auch zweipolig geleistet wer-
' I I
',I I
den kann. Mit kleiner werdender Spannung
Wennoussc/111/f..i'lj
Ieistung I nimmt allgemein das Abschaltvermögen ab
I I
Nennspannung {J,z-1 1 (z. B. nach Abb. 279). Die Abschaltleistung
u moderner Schalter liegt, dreipolig gemessen, je
Abb. 279. Ausschaltleistung und nach Größe etwa zwischen 100 bis zu einigen
Ausschaltstrom eines Schalters in
Abhängigkeitder Spannung. tausend MVA (1 MVA = 1000 kVA).
Abb. 280 zeigt den Kurzschlußstrom und die in der Maschine vor-
handene EMK in Abhängigkeit von der Zeit. Beide nehmen ab.
Also ist auch die Schaltleistung kleiner, wenn nicht sofort abgeschaltet
wird. Für die wiederkehrende Spannung ist die jeweils bei der Abschal-
tung vorhandene Maschinen-EMK maßgebend, da die Maschinenleerlauf-
spannung infolge der Trägheit des Feldes erst langsam wiederkehrt.
Um die Schaltleistung eines einzubauenden Leistungsschalters fest-
zulegen, soll man, selbst wenn eine Zeiteinstellung von mehreren Sekun-
den vorgesehen ist, diese nicht berück-
sichtigen, sondern zur Sicherheit die
Abschaltleistung für den kleinsten vor-
kom~enden Schaltverzug (0,1 bis 0,25
sec) (Kommandozeit +
Aus Eigenzeit des
Schalters) berechnen. Als wiederkehrende
t Spannung nimmt man sicherheitshalber
Abb. 280. Abklingende EMK die Nennspannung. Wird der Schalter
und Kurzschlußstrom.
auf einen Kurzschluß geschaltet, so ent-
steht ein sehr hoher Stromstoß, den der Schalter thermisch und dyna-
misch aushalten muß.
Gelegentlich müssen Schalter auch Kapazitäten schalten, so beim
Abschalten von langen leerlaufenden Leitungen bzw. beim Abschalten
von Kondensatorenbatterienfür die Blindstromerzeugung. Abb. 281 zeigt
die Schaltanordnung einpolig und das Spannungs- und Stromdiagramm.
Die Spannung der Maschine sei 1; Strom 3 eilt um 90° vor. Auch
hier wird beim Öffnen des Schalters die Unterbrechung beim Null-
durchgang des Stromes erfolgen. Hierbei hat die Spannung ihren Höchst-
wert und der Kondensator ist voll geladen und behält nach dem Ab-
Ölschalter 283
schalten seine Ladung und seine jetzt konstante Spannung 2 (in der
Abb. 281 gestrichelt). Die Spannung 1 verläuft nach wie vor sinus-
förmig und die Differenz zwischen 1 und 2 ist die Spannung, welche
zwischen den Kontakten herrscht. Nach einer Halbperiode erreicht diese
Spannung den doppelten Maximalwert der Spannung 1. Ein Schalter zum
Schalten von Kapazitäten sollte innerhalb der ersten Halbperiode diesen
doppelten Maximalwert der Spannung vertragen, ohne neu zu zünden.
In der Abb. 281 ist der Abschalt-
vorgang bei einem nicht rückzün-
dungsfreien Schalter dargestellt.
~c:u
Man erkennt, daß die Potential-
differenz, welche vor der Rückzün-
dung zwischen Leitung und Netz
bestanden hat, sich in Form einer
Schwingung zwischen der Leitungs-
kapazität und der Induktivität des
speisenden Netzes auszugleichen
sucht. Der Schwingstrom kann im
Schalter bei einem seiner Nulldurch-
gänge wieder unterbrochen werden;
das sind aber diejenigen Zeit-
momente, in welchen sich das Lei- Abb. 281. Abschalten einer leerlaufenden
Leitung mit einem nicht rückzündungs-
tungspotential in einer Extremlage freiem Schalter.
befindet. Auf diese Art kann die
Leitung mit einer Spannung vom Netz abgetrennt werden, welche die
Netzspannung weit übertrifft, und bei mehrmaliger Wiederholung des
Rückzündungsspieles kann sich ungünstigstenfalls das Leitungspotential
auf diese Art auf sehr hohe Werte aufschaukeln.
Im folgenden sollen jetzt die verschiedenen Schalterarten näher be-
trachtet werden.
b) Ölschalter
Der früher ausschließlich in den Schaltanlagen Zl).r Verwendung ge-
kommene Leistungsschalter war der Ölschalter; Abb. 282 zeigt eine
einpolige Ausführung mit Zweifachunterbrechung im Schnitt. Handelt
es sich u~ einen dreiphasigen Ölschalter, dann befinden sich im gleichen
Ölkessel drei solcher Unterbrechungsstellen nebeneinander, wobei zwischen
denselben IsoHerwände eingeschaltet sind. Das Öffnen des Schalters ge-
schieht durch eine nach unten bewegliche Isolierstange, welche das oder
die Messer aus den Kontakten zieht. Nach einem gewissen Kontaktweg
tritt die Abschaltung ein.
Der Abschaltvorgang im Leistungsschalter ist in Abb. 283 für die
einpolige Anordnung in Richtung des Messers gesehen im einzelnen auf-
284 Schalter

gezeichnet. Hat das Kontaktmesser sich etwas abgehoben, so entsteht


ein Lichtbogen, der infolge seiner hohen Temperatur das 01 in Ölgase
zersetzt, so daß sich uin den Lichtbogen eine Gasblase bildet. Hierdurch
wird das Öl verdrängt und der Ölspiegel muß steigen (s. Abb. 283a). Mit
wachsendem Kontaktabstand wird die Gasblase größer und das ver-
drängte Öl weiterhin nach oben bewegt. Schließlich ist durch eine kleine
Entlüftungsöffnung sämtliche Luft aus dem Öl-
scbalterkessel berausgepreßt, das durch die Gas-
blase verdrängte Öl hat den Deckel erreicht
(s. Abb. 283c). Da nur unmerklich Öl aus dem

--------
-------
--------
------- -------
a b c
Abb. 282. Ölschalter. Abb. 283 a-c. Abschaltvorgang beim Ölschalter.

Schalter heraus kann, steht für das insgesamt entwickeltf'l Gas kein
größeres Volumen als das ursprüngliche Luftvolumen des Schalters zur
Verfügung,- d. h. aber, daß bei weiterer Gasentwicklung der Druck im
Schalte:r so lange ansteigt, bis bei genügend großem Kontaktweg eine
Löschung des Lichtbogens eingetreten ist. Hieraus folgt, daß bei ge-
gebenem Schaltweg und bei gegebener Schaltgeschwindigkeit der im
Schalter erzeugte Druck um so kleiner ist, ein
· je größeres Luftvolum~n man im Schalter vor
dem Schalten hat. Man h at also die Möglich-
keit, den Schalterdruck in gewissen Grenzen
verändern :r.u können. Die auftretenden Schal-
Abb. 284. terdrücke liegen in der Größenordnung von
Yehrfachunterbrechung.
etwa 7 at.
Die geschilderten Vorgänge erfolgen sehr rasch und das nach oben
beschleunigte Öl wird mit großer Geschwindigkeit auf den Deckel auf-
prallen, so daß bei einem schweren Kurzschluß ein Schalter, sofern er
nicht gut befestigt ist, sich nach oben bewegt.
Bei sehr hohen Spannungen muß man jede Phase in einem besonderen
Kessel unterbringen und, um genügend großen Kontaktweg zu erhalten,
mehrfache Unterbrechungen vorsehen (s. Abb. 284). Da das 01 beim
Ölschalter zur Isolierung dient, sind bei großen Spannungen riesige Öl-
mengen notwendig, z. B. bei einem Schalter für 220 kV etwa 20 t 01
Ölscha.lter 285
pro Phase, was unerwünscht ist, da bei Schalterexplosionen diese
großen Olmengen in Brand geraten und ferner die Schalter sehr groß
werden.
Ein Schalter muß nicht nur Ströme unterbrechen, sondern er muß
auch, falls er auf einen Kurzschlußgeschaltet wird, die hierbei auftreten-
den Beanspruchungen ertragen können. Beim Schalten
auf den Kurzschluß treten im ersten Augenblick große m~o~:::_::~i~ieln
Stoßströme auf, die· in der Stromschleife des Schalters L'.. •• ..:J
ein starkes magnetisches Feld erzeugen. Dieses Feld hat ~
das Bestreben, die Stromschleife (s. Abb. 285) zu ver- e!eklrot(ynomische
!(ro/f
größern. Damit treten im Schalter Kräfte auf, die ein Abb. 285.
Schließen des Schalters verhindern bzw. das Schaltmesser Elektrodyna·
mische Kraft·
von den Kontakten abheben wollen. Bei Verwendung ge- wirknng auf das
Schaltmesser.
wöhnlicher Klotzkontakte besteht somit die Gefahr einer
Kontaktabhebung. Hierdurch können leicht Kontaktverschweißungen
auftreten, durch die der Schalter arbeitsunfähig würde.
Um dies zu vermeiden, hat man verschiedene andere Kontaktformen
entwickelt. Eine viel augewandte Ausführung ist der in Abb. 286 dar-
gestellte Lamellenkontakt. Eine Reihe von hinterein-
ander angeordneten Kontaktlamellen werden durch
Spiralfedern iJ.Uf das Kontaktmesser gepreßt. Der Vor-
zug diese,: Ausführung besteht darin, daß durch die links
und rechts im Ko-n takt befindlichen Lamellen parallele,
sich anziehende Ströme fließen, welche die Lamellen
fest auf das Messer pressen. Dieses Prinzip wird auch
angewandt, falls keine. Kontaktmesser, sondern Kontakt- Abb. 2kontakt.
86- Lamellen-

stifte zur Anwendung kommen. Hier wird man die


Kontaktlamellen radial um den Kontaktstift anordnen. Diese sog.
Tulpenkontakte werden z. B. bei dem Ölschalter mit Löschkammer
gebraucht. Bei diesem Ölschalter tragen die
beiden zu einer Phase gehörenden, in den Öl-
schalterkessel hineingehende:q. Isolatoren an
ihre:Q. Enden sog. Löschkammern (s. Abb. 287),
in welche die Kontaktstifte bei geschlossenem
Schalter hineinragen. Wird ein solcher Schalt-
sti~t beim Abschalten aus dem feststehenden
Kontakt herausgezogen, so entstehen in der
Abb. 287. Ölschalter
Kammer infolge der sich d:urch den Lichtbogen mit Löschkammer.
bildendE)n Ölgase hohe Drücke (Größenordnung
60 bis 80 atü). Sobald der Schaltstift die Kammer verläßt, können
die Qlgase, dabei auch Öl mitreißend, aus der Kammer expandieren,
wobei sie den Lichtbogen abkühlen, so daß er erlischt.
286 Schalter

c) Wasserschalter
Die bei den Ölschaltern, besonders bei höheren Spannungen benötigten
großen Olmengen und die bei Ölschalterexplosionen möglichen Olbrände
gaben Veranlassung, nach Schaltprinzipien zu suchen,
bei denen überhaupt kein 01 Verwendung finden sollte.
Ein solcher ölloser Schalter ist der Wasserschalter.
.Abb. 288a zeigt im Prinzip einen
Wasserschalter. Jeder Pol besitzt
eine eigene Schaltkammer, die teil-
weise mit Wasser einschl. Gefrier-
zusatz gefüllt ist. Im Gegensatz zum
Ölschalter bewegt sich der Schalt-
stift nach oben.
Die Wirkungsweise bei der Ab-
&chaltung eines Kurzschlußstromes
ist folgende:
Bei der Trennung des beweg-
a b lichen Schaltstiftes von dem fest-
Abb. 288a u. b. Elastische Schaltkammer für
Expansionsschalter 10 kV (SSW).
stehenden Tulpenkontaktstück a
entsteht ein Lichtbogen, der in der
Rohrkammer b das Wasser zersetzt.
Die Rohrkammer wird durch einen
elastischen Ring c federnd auf die
Dichtungsfläche gedrückt. Erreicht
der von den Lichtbogengasen er-
zeugte Druck einen bestimmten
Wert, so hebt sich die Rohrkammer
an und die überschüssigen Schalt-
gase können entweichen. Wenn der
Kurzschlußstrom sich dem Werte
Null nähert, erfolgt dann dur-ch
intensive Nachverdampfung der
überhitzten Grenzschicht zwischen
der Flüssigkeit und der den Licht~
bogen umgebenden Gaszone eine
intensive Kühlung des Lichtbogen-
kerns. Die Kühlung erstreckt sich
auf das gesamte Volumen des Bogens,
so daß bei der Wiederkehr der Span-
Abb. 289 . Expansionsschalter 30 kV, nung an den Kontakten ·keine neue
Ausscbaltleistung 600 MV A. Zündung erfolgt.
Die in der Abb. 288 dargestellte Löschkammer wird als elastische
Löschkammer bezeichnet. Sie findet Anwendung bis etwa 10 kV.
Wasserschalter 287
Wird ein Wasserschalter auf einen Kurzschluß geschaltet, dann wird
zwischen beweglichem und feststehendem Kontakt infolge der schlechten
Isolierfähigkeit des Was-
sers bereits ein Überschlag
stattfinden, ehe die Kon-
takte sich metallisch be-
rühren. Infolge des im
ersten Moment vorhande-
nen Stromstoßes können
"
dabei bereits beim Ein-
schalten sehr starke Ver-
dampfungen des Wassers
erfolgen, die unerwünscht
sind. Deshalb muß ein
solcher Wasserschalter
sehr rasch, z. B. durch
Federkraft, eingelegt wer-
Abb. 290. Wasserschalter mit Spritzkammer (SSW) .
den.
Abb. 289 zeigt einen Expansions-
schalter für eine Reihenspannung von
30 kV mit einer Abschaltleistung von
600 MVA.
Bei Spannungen höher als etwa
10 kV ist von SSW die sog. Spritz-
kammer entwickelt worden, die in der
Abb. 290 dargestellt ist. Unterhalb des
Tulpenkontaktes befindet sich ein Kol-
ben, der durch eine Feder nach oben
gepreßt wird. Bewegt sich der Kontakt-
stift nach oben, so kann der Kolben
folgen, wodurch Wasser in die Lösch-
kammer gespritzt wird, welches, sobald
der Kontaktstift den festen Kontakt
verläßt, durch den entstehenden Licht-
bogen verdampft wird. Ist ein ge- ,..,
nügend großer Dampfdruck vorhan- I
I
I
I

den, dann wird die Löschkammer, da ,_,.,


I I

sie nur federnd auf ihre Unterlage ge-


preßt ist, angehoben und der Dampf Abb. 291. Wasserschalter mit
Trennschalter (SSW).
kann seitlich entweichen. Dabei strömt
der entwickelte Dampf längs des Lichtbogens, der dadurch gekühlt und
gelöscht wird. Nach erfolgter Abschaltung kondensiert der Dampf und
sammelt sich im unteren Teil der Spritzkammer.
288 Schalter

Wird jetzt der Schalter eingelegt, so ist keine Wasserstrecke zwischen


dem Schaltstift und dem festen Kontakt vorhanden, so daß kein Über-
schlag in Wasser und keine hiermit verbundene Verdampfung desselben
erfolgen kaJ!n.
Abb. 291 zeigt den konstruktiven Aufbau eines derartigen Wasser-
schalters. Der im Kopf des Schalters angebrachte Mechanismus ist so
ausgebildet, daß, wenn der Kontaktbolzen aus der Schaltkammer
herausgezogen ist, am Schluß der Schaltbewegung noch ein vorge-
schaltetes Trennmesser geöffnet wird. Hiermit wird erreicht, daß der
bewegliche Kontaktbolzen nur einen solchen Schalthub auszuführen
braucht, daß die Abschaltung bewirkt wird, daß jedoch die aus Sicher-
heitsgründen notwendige Luftisolierung durch das vorgeschaltete Trenn-
messer hergestellt wird.
Wasserschalter sind zur Zeit nur bis etwa 60 kV wirtschaftlich aus-
führbar, da die Isolationsfähigkeit des Wassers nicht eine derart hohe
ist, wie die von ÖL Bei höheren Spannungen werden deshalb unter
Zugrundelegung ähnlicher Schaltprinzipien die Schalter mit Öl gefüllt,
wobei man mit sehr kleinen Olmengen auskommt.

d) Ölarme Schalter
Man kann für sämtliche Spannungen sog. ölarme Schalter bauen. Im
Gegensatz zum normalen Ölschalter dient das Öl, und zwar in kleinen
Mengen, bei den ölarmen Schaltern zur Löschung
des Lichtbogens, aber nicht für die Isolierung
gegen Erde. Abb. 292 a zeigt die Löschkammer
eines ölarmen Druckausgleichschalters, wie sie
z. B. von der Firma Voigt & Haeffner ausge-
führt wird. Diese Kammer, die in einem mit Öl
gefüllten Isolator eingebaut ist, enthält einen
Differentialkolben a, der durch Federkraft nach
unten gepreßt wird. Wenn der Kontaktstift b
aus dem feststehenden Tulpenkontakt heraus-
gezogen wird, entsteht ein Lichtbogen, der Öl-
gase bildet, welche zunächst beidseitig den Kolben
unter gleichen Druck setzen. Da jedoch in der
Abb. 2112a. Löschkammereines unteren Kammer der Kolben eine größere Fläche
Druckausgleichschalters
(V.&H.) .
hat, wird die nach oben wirkende Kraft am
Kolben überwiegen und ihn nach oben bewegen.
Dabei muß das in der oberen Kammerhälfte befindliche Öl entweichen,
d. h. es wird längs des Lichtbogens in den unteren Raum der Kammer
gepreßt. Da hierbei vorwiegend frisches Öl, also kein Öldampf, in den
Lichtbogen gespritzt wird, ist die Kühlung eine sehr kräftige und der
Druckluftschalter 289

Abschaltvorgang ist meist nach einer bzw. zwei Halbperioden bereits


beendet. Bei dieser Schalterart genügt schon ein verhältnismäßig
kleiner Schalthub, um die Abschaltung herbeizuführen, dadurch wird
die Lichtbogenspannung und somit die Schaltarbeit, welche zu bewäl-
tigen ist, klein. Abb. 292b zeigt die konstruktive Durchbildung eines
:!} ölarmen Schalters, der außerdem
~ einen angebauten Stromwandler be·
sitzt.
Soll obiger Schalter nach dem
Abschalten sehr rasch wieder ein-
geschaltet werden und dann wieder
ausschalten, eine Forderung, die bei
der sog. Kurzschluß-Fortschaltung,
s. S. 382, erhoben wird, so findet
ebenso wie für besonders hohe Aus-
schaltleistungen die Ringspaltlösch-
kammer nach Abb. 293 Verwendung;

Abb. 292b. Schnitt durch einen Druckausgleich- Abb.,293. Ringspaltlöschkammer


Schalter (V. & H.). ' (V. &H.).

ihre bessere Eignung für diese Fälle beruht darauf, daß der Differential·
kolben a vom Löschraum getrennt angeordnet ist und die Bespülung des
Lichtbogens mit frischem Öl durch einen im optimalen Abstand vom
festen Schaltstück b angeordneten Ringspalt erfolgt.
e) Druckluftschalter
Während die bis jetzt behandelten Schalter als Löschmittel Flüssig·
keiten benutzten, verwendet der Druckluftschalter zum Löschen des
Lichtbogens Druckluft. Abb. 294 zeigt schematisch den Schalter sowie
den Löschvorgang: Ein Zylinder trägt eine Metallkappe, welche den
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 19
290 Schalter

einen Pol des Schalters darstellt; der andere Pol ist der Kontaktbolzen,
der beim Schalten zurückgezogen wird. Der sich hierbei bildende Licht-
bogen wird durch die Druckluft
nach außen geblasen, stark gekühlt
und erlischt nach der ersten bzw.
zweiten Halbwelle beim Nulldurch-
gang des Stromes. Abb. 295 zeigt
die konstruktive Durchführung dieses
Schaltprinzips für einen Schalter
mittlerer Spannung.
Auf eine gußeiserne kastenför-
mige Grundplatte 2 sind vorn die
Polsäulen 4 und oben der Druck-
luftbebälter 1 aufgebaut. Die Grund-
platte enthält außerdem alle Bau-
elemente für die Schaltstiftbewe-
gung, die Löschluftsteuerung und
Abb. 294. Druckgasschaltcr. die Dämpfung.

Abb. 295. Druckga wand·


seilalter {AEG).

1 Druckluftkessel; 2 Grundplatte; 3 Antrieb; 4 PolEäule; 5 GeEchwindigkeitsrej'!ler; 6 Schalthebel;


7 Löschluftventil; 8 Löschluftrohr; 9 Schaltwelle; 10 Kniehebelsystem; 11 Hilfsschalter; 12 Trag·
rohr; 13 Führungsstück; 14 Schalldämpfer; 15 Auspuffablenker; 16 Schaltstift; 17 Anschlüsse;
18 Ringkontakt; 19. Tragisolator.
Druckluftschalter 291
Der Antrieb der Schaltstifte erfolgt durch einen, bei größeren Typen
durch zwei doppelwirkende Druckluftantriebe 3 über eine Welle und drei
daran befestigte Iso1ierstoffhebel6. Das
Löschluftventil 7 mit großem Durchlaß
und nichtrostendem Sitz befindet sich im
oberen Teil der Grundplatte. Seine Be-
tätigung erfolgt von der Schaltwelle 9
aus über ein Kniehebelsystem 10. Unten
an der Grundplatte in Verlängerung der
Maschinenachse ist ein hydraulisch wir-
kender Geschwindigkeitsregler 5 ange-
baut, der die beweglichen Teile des Schal-
ters vor Erreichen der Endstellungen
prellfrei abfängt. Ein neben dem Regler
angeordneter Hilfschalter 11 für die
Steuer- und Meldestromkreise wird über
ein Gestänge ebenfalls von der Schalt-
welle angetrieben.
In der Polsäule sind alle aktiven
Schaltelemente vereinigt. Sie besteht Abb. 296. Ansicht eines Druckgaswand·
aus drei Hauptteilen: dem Tragrohr 12 schalters mit unmittelbar angebautem
Luftbehälter (AEG) .
mit Führungsstück und Schaltkammer,
dem Schalldämpfer 14 mit Auspuffablenker 15 und Düsenkörper sowie
dem Schaltstift 16. Am Ablenker und Führungsstück sind die An-
schlüsse 17 angegossen.

Abb. 297a. Dreipoliger Mehrfach-Frelstrablschalter 220 kV (AEG).


19*
292 Schalter

Als Kontaktsystem dienen die bewährten Ringkontakte, bei denen


sich, je nach Schaltertype, sechs, acht oder zwölf in einem versilberten
Gehäuse untergebrachte Z-förmige Kontaktsegmente durch Federn
gegeneinander und gegen
das Gehäuse abstützen.
Der Schaltstift trägt am
oberen Ende einen Stahl-
kegel mit Wolframspitze.
Die Kontaktflächen sind
stark versilbert.
Stabile, nach unten
offene Tragisolatoren 19
von U-förmigem Quer-
schnitt stellen die feste
Verbindung zwischen Pol-
Abb. 297b. Doppellöschkopf eines Mehrfach- säulen und Grundplatte
Freistrahlschalters (AEG) .
her. Innerhalb dieser Iso-
latoren liegen die Löschluftrohre und die Schalthebel6. Abb. 296 zeigt die
Ansicht eines solchen Druckgasschalters mit angebautem Luftbehälter.

Abb. 298. Dreipolige Druckluftschnellschaltergruppen Bauart DCVF 110 k 3500.


Reihe 110, 600 A, 3500 MVA in einem großen 220/110 kV-Frelluftumspannwerk.

Für höhere Spannungen kann der Druckluftschalter als Freistrahl-


scbalter bzw. als Mehrfach-Freistrahlschalter, für hohe Kurzschluß-
Druckluftschalter 293
Ieistungen mit mehreren Schaltstrecken ausgeführt werden (AEG).
Abb. 297 a zeigt einen solchen dreipoligen Schalter für 220 kV. Dieser
Schalter hat je Phase mehrere hintereinander geschaltete Unterbrechungs-
stellen in der Form von Freistrahl-Löschköpfen.
· Das Bild 297b zeigt einen Schnitt durch einen Doppelschaltkopf
mit zwei Freistrahl-Löschköpfen. Der Schaltstift drückt in einge-
schaltetem Zustand gegen den Gegenkonta.kt. Beim Ausschalten

Abb. 299. Dreipolige Druckluftschnellschaltergruppe Bauart DC VF 380m 8000, Nenn-


spannung 380kV, Nennstrom 1000 A, Nennausschaltleistung 8000 MVA in einer
schwedischen 380 kV-Freiluftanlage.

bildet sich der Unterbrechungs-Lichtbogen in freier Luft aus, sein Fuß-


punkt wird mit dem Schaltstift unter starker Druckluftbeblasung in
das Innere der Düse gezogen. Der hohe Druck in der Düse und die
starke Kühlwirkung der Löschluft verhindern ein Wiederzünden des
Lichtbogens nach seinem natürlichen Stromnulldurchgang. Die Schalt-
stifte werden durch Druckluft in ihre Aus- und Einstellung bewegt und
in ihrer Endlage mechanisch festgehalten. Die Löschköpfe werden sofort
nach jedem Schaltvorgang entlüftet und bleiben drucklos.
Der Schalter besteht aus drei gleichartigen pneumatisch gekuppelten
Einphasen-Einheiten. Die als Druckluftbehälter ausgebildeten Schalter-
294 Schalter

Untergestelle enthalten die pneumatischen und elektrischen Steuerein-


richtungen. Auf dem Untergestell sind die als Hohlisolatoren ausgebil-
deten Stützerporzellane aufgebaut. Durch die Stützer strömt die Be-
tätigungs- und Löschluft zu den Unterbrechungsstellen. Durch·eine Zick-
zack-Anordnung der Doppelschaltköpfe wird die Längsabmessung des
Mehrfach-Freistrahlschalters verhältnismäßig klein gehalten.
Eine interessante Bauart von Hochspannungsleistungsschaltern zeigen
die Abb. 298 u. 299. Die Strombahn des aktiven Teils liegt horizontal
statt senkrecht, die bisher vorgebauten Trennkontakte können entbehrt
werden. Von den Druckluftbehältern wird die Luft durch die Isolatoren
symmetrisch je 2 Schaltkammern zugeführt; sie entweicht beim Abschalt-
vorgang durch die Auspuffschlitze der beiden Schaltkammergehäuse, in
denen die Kontaktschließfeder sowie die Kontaktführung untergebracht
sind. Bei diesem einfachen Schaltprinzip fehlt jedes mechanische Ver-
bindungsgestäuge von Erde nach spannungsführenden Teilen. Das Ein-
schalten geschieht durch momentanes Ablassen der Druckluft mittels
Servoventil; der bewegliche Kontakt schließt sich unter Wirkung der
Federkraft und von Druckluft angetriebenen Einschaltkolben, um kurze
Einschaltzeiten zu erreichen.
Die Potentialsteuerung übernehmen Kondensatoren, die parallel zu
den Unterbrechungsstellen geschaltet und unterhalb den Löschkammern
angeordnet sind. Zur Erhöhung der Schaltleistung und zur Beherrschung
schwieriger Schaltvorgänge, wie sie in Löschspulennetzen und Netzen
mit Kompensationsdrosseln vorliegen können, oder beim Abschalten
langer leerlaufender Leitungen, werden den Schaltstellen während des
Schaltvorganges über druckluftgesteuerte Hilfskontakte zusätzlich span-
nungsabhängige Widerstände parallel geschaltet. Diese Widerstände
sind über den Schaltkammern aufgebaut.
Der grundsätzliche Aufbau der Löschkammer eines solchen Hoch-
spannungsdruckluftschnellschalters zeigt Abb. 300. In Fig. a dieser Ab·
bildung ist der Schalter geschlossen, die Hilfskontakte sind offen und die
Widerstände daher abgetrennt. Erhält der Schalter einen Ausscha.ltbefehl,
so strömt Druckluft in die Löschkammern, die Hilfskontakte schließen
sehr rasch, so daß die Widerstände mit den sich öffnenden Hauptkontakten
parallelgeschaltet sind (Fig. b der Abb. 300). Die Widerstände bleiben
während der ganzen Dauer des Löschvorganges parallelgeschaltet. Nach
endgültiger Löschung des Ausschaltlichtbogens bleiben gemäß Fig. c der
Abb. 300 die Hilfskontakte noch geschlossen, so daß ein kleiner Rest-
strom durch die Widerstände f]Jeßt. Der Antriebsmechanismus der Hilfs-
kontakte ist nun derart ausgebildet, daß dieselben kurze Zeit später öff.
nen, wodurch der über die Widerstände fließende Reststrom unterbrochen
wird (Fig. d der Abb. 300).
Hartgasschalter 295

Die Ausschaltzeit, gerechnet von Impulsgabe bis Kontaktöffnung,


beträgt bei diesen Hochspannungsschaltern etwa 0,04 Sekunden. Die
Lichtbogenzeit ist sehr kurz; sie beträgt etwa 0,01 bis 0,02 Sekunden, so
daß die gesamte Ausschaltzeit nur 0,05 bis 0,06 Sekunden beträgt. Durch
Anordnung mehrer Löschkammern kann mit diesen Schaltern der Span-
nungsbereich bis 380 kV beherrscht werden und die Nennausschalt-
leistungenerreichen heute Werte bis zu 16000 MVA bei 380 kV.

Abb. 300. Die beiden Löschkammern einer Säule mit den zugehörigen Widerständen
und Hilfsunterbrechungsstellen.
a Geschlossene Schalterstellung; Hilfekontakte offen, b Öffnen der Hauptkontakte; Hilfskontakte
geschlossen (Löschstellung), c Hauptkontakte offen; Hilfskontakte noch geschlossen, d Offene
Sch&lte,rstellung; Haupt- u. Hilfekontakte offen ..

f) Hartgasschalter
In kleinen Anlagen, in denen sich die Aufstellung einer besonderen
Drucklufterzeugungsanlage für die Druckluftschalter wirtschaftlich nicht
lohnt, kann, unabhängig vom W asserschalter, bei Spannungen bis zu
20 k V und Abschaltleistungen bis etwa 200 MV Ader sog. Hartgasschalter
benutzt werden. Abb. 301 zeigt die Löschkammer beim Abschaltvor-
gang. Statt eines Kontaktstiftes kommt diesmal ein Schaltrohr zur An-
wendung, welches beim Abschalten einen Lichtbogen mit dem metalli-
schen Abbrennring entstehen läßt. Der Lichtbogen kommt teils mit dem
Löschstift und mit dem Löschrohr in Berührung. Beide sind aus Isolier-
material hergestellt, dessen Oberfläche durch die Einwirkung des Licht-
296 Schalter

bogens stark gast. Das Löschrohr ist mit geeignet dimensionierten Aus-
blasöffnungen versehen. Bei größeren Abschaltströmen wird der Licht-
bogen bereits im ersten Strom-Nulldurch-
gang bei Erreichen der Ausblasöffnungen
gelöscht, während er bei kleineren Ab-
schaltströmen etwas länger auseinander
gezogen und nach einer weiteren Halb-
periode ausgeblasen wird. lnfolge der sehr
intensiven Gasentwicklung ist die Licht-
bogendauer sehr kurz und damit die Ab-
Abb. 301. Hnrtgas- nutzung des Löschmaterials sehr gering.
scnalter mit selbst-
tätiger Löschgas- Ein Auswechseln der dem Abbrand unter-
erzeugung (AEG). worfenen Löschrohre und Löschstifte ist
1 Oberer K~n tr k t ;2Ab-
b~n nrlng: 3 LÜSC]H tift.; daher nur nach sehr hoher Schalthäufig-
4 Lö, cl r 1· r: 5 Kon-
taktroJ r; 6 Oterer Lei - keit bei größeren Abschaltleistungen er-
tungsansch luß.
forderlich.

C. Leistungstrennschalter
Mit normal gebauten Trennschaltern lassen sich nur Ströme schalten
(z. B. Magnetisierungsströme), die wesentlich geringer sind als der Nenn-
strom der Trennschalter. Es ist jedoch für manche Zwecke erstrebenswert,
mit einem Trennschalter auch
Lastströme, unter Umständen
auch Überlastungsströme, ab-
schalten zu können. Diesist mög-
lich, wenn man den einen Pol
des Trennschalters (s. Abb. 302)
als kleine Löschkammer aus-
bildet und diese mit Wasser
oder 01 füllt. Mit solchen Lei-
stungstrennschaltern kann man
die Nennlast des Schalters und
auch Überlastungsströme ab-
schalten. Selbstverständlich ist
es nicht möglich, Kurzschluß-
ströme hiermit bewältigen zu
wollen. Soll z. B. ein kleiner
Hochspannungsanschluß ge-
Abb- 302. Expansionstrennschalter (SSW). SChützt werden, SO Wird man
zunächst einen Leistungstrenn-
schalter vorsehen, der auch Überströme abzuschalten vermag, während
man Kurzschlüsse durch vorgeschaltete Abschmelzsicherungen zur Ab-
schaltung bringt.
Das Ein- und Ausscha]ten der Leistungsscha1ter 297

Es sei erwähnt, daß es heute auch Leistungstrennsehalter gibt


(Abb. 301), bei denen die Löschkammer keine Flüssigkeit enthält, sondern
die Kammer nur aus einem Löschstift besteht. Wird in diesem Falle das
Kontaktrohr aus dem Kontakt der oberen Kammer gezogen, so verdampft
der entstehende Lichtbogen an der Oberfläche der Kammer etwas Isolier-
masse. Dadurch wird dem Lichtbogen Wiirme entzogen und die ent-
stehende Gasmenge genügt dann, um den Lichtbogen, sobald das Kontakt-
rohr die Kammer verläßt, auszublasen. Dieses Schaltprinzip läßt sich
auch bei Leistungsschaltern nicht allzu hoher Spannung und Leistung
anwenden.

D. Das Ein· und Ausschalten der Leistungsschalter


Bei den meisten Leistungsschaltern (abgesehen von den Druckluft-
schaltern) erfolgt das Ausschalten des Schalters durch Federkraft, wobei
die Feder bereits beim Einschalten des Schalters gespannt wird. Meist
wird beim Ausschalten durch Hand oder durch einen Ausschaltmagneten
eine Verklinkung gelöst, welche den Federspeicher freigibt. Das Ein-
schalten kann bei kleineren Schaltern von Hand erfolgen. Um von der
Geschwindigkeit der Handeinschaltung unabhängig zu sein, kommt bei
Schaltern, welche eine kleine Einschaltgeschwindigkeit nicht gestatten
(z. B. Wasserschalter) eine zwischengeschaltete Feder zur Anwendung,
die bei der Einschaltbewegung zunächst gespannt wird und unabhängig
von der Geschwindigkeit der Einschaltbewegung den Schalter plötzlich
einlegt. Bei größeren Schaltern erfolgt das Einlegen nicht mehr von
Hand, sondern durch einen Elektromotor, einen Elektromagneten oder
auch durch Druckluft. Besonders in der letzten Zeit haben sich in grö-
ßeren Anlagen die Antriebe durch Druckluft sehr eingebürgert, und zwar
nicht nur bei den Leistungsschaltern aller Ausführungsarten, sondern
auch bei fernbetätigten Trennschaltern. Man könnte der Auffassung
sein, daß, wenn man schon Druckluft für das Einschalten benötigt, man
auch für das eigentliche Ausschalten, für das Löschen des Lichtbogens
Druckluft verwenden, also Druckluftschalter nehmen sollte. Hier ist
jedoch zu beachten, daß die Druckluftmengen, welche für das Einlegen
des Schalters gebraucht werden, kleiner sind als die Druckluftmengen,
die beim Abschalten zum Löschen des Lichtbogens gebraucht werden,
so daß die Drucklufterzeugungsanlage viel kleiner sein kann und dal das
Ausschalten bei druckluftbetätigten wasser- bzw. ölarmen Schaltern auch
dann eindeutig erfolgt, wenn keine Druckluft vorhanden ist, da hierfür
der Federspeicher vorgesehen ist.
298 Meßwa.ndler

XIII. }leßwandler
A. Stromwandler 1
In unseren Kraftwerken und Schaltanlagen können Meßinstrumente
und Relais nicht unmittelbar in die Hochspannungsleitungen eingebaut
werden, da sie sich schlecht für große Stromstärken und hohe Spannun-
gen bauen lassen und zudem eine Wartung gefährlich wäre. Man führt
deshalb die Messungen unter Zwischenschaltung von Strom- und Span-
nungswandlern durch. Die Wandler sind kleine Meßtransformatoren,
welche Strom und Spannung auf einen niedrigeren, für die Instrumente
und Apparate brauchbaren Meßwert (5 A, gelegentlich auch 1 A bzw.
100 V oder ~~O V) herabsetzen. Da durch den Wandler die Messung auf

Abb. 303. Topfstromwandler. Abb. 304 a u. b. Diagramm


eines Stromwandlers
(vereinfacht).

eine Niederspannungsmessung zurückgeführt ist und die Sekundärwick-


lung einseitig geerdet wird, ist die Verwendung normaler Meßinstrumente
und Relais möglich und die Wartung ungefährlich.
Abb. 303 zeigt einen Stromwandler, und zwar als Topfwandler aus-
geführt. Man verlangt von einem Stromwandler, daß die Sekundär-
stromstärke proportional der Primärstromstärke ist und sich nur durch
das Übersetzungsverhältnis unterscheidet. Ferner soll die Phasenlage
des Sekundärstromes I~ mit der primären übereinstimmen, um keine
Fehler bei Leistungsmessungen zu erhalten.
In Abb. 304 a ist vereinfacht das Stromwandlerdiagramm aufge-
zeichnet für den Fall, daß der Wandler dabei nach Abb. 304b auf der
Sekundärseite durch Meßinstrumente bzw. Relais, deren Scheinwider-
stand Z bekannt ist, belastet sei. Um durch den Scheinwiderstand Z der
Belastung den Sekundärstrom / 2 zu treiben, muß der Wandler eine EMK
1 Siehe auch M. W ALTER : Strom- und Spannungswandler. München:
R. Oidenbourg 1944.
Stromwandler 299

E 2 = I 2 Z besitzen (von dem ohmseben und induktiven Abfall im Wandler


selbst sei der Einfachheit halber abgesehen). Diese EMK wird dureh
einen um 90° voreilenden Fluß (/J hervorgerufen, wobei dieser durch einen
in der Phase etwas voreilenden Magnetisierungsstrom I 0 erzeugt wird
(Voreilung wegen der Verlustkomponente des Magnetisierungsstromes).
Der Strom I 2 eilt, wenn die Impedanz induktiven Charakter hat,
der EMK E 2 nach. Der Sekundärstrom I 2 , auf die Primärseite bezogen,
sei I;, wobei I~ = üi2 ist. Der primäre Strom I 1 ist gleich der geometri-
schen Summe aus demMagnetisierungsstrom I 0 und dem Sekundärstrom
I;. Der Strom I 1 ist also sowohl der Größe als auch der Phase nach von I~
etwas verschieden. Der Unterschied in der Größe von Sekundärstrom 1;
und Primärstrom I 1 wird durch den Stromfehler I des Wandlers erfaßt.
Der Stromfehler ist in %:

I%= ülz;:Il ·100 (133)


oder

Die Phasenverschiebung, die der Wandler zwischen beiden Strömen be-


wirkt, wird durch den Begriff des Fehlwinkels berücksichtigt. Unter dem
Fehlwinkel d versteht man die Winkelabweiehung, in Bogenminuten ge-
messen, die der Sekundärstrom gegen den primären Strom erfährt (Fehler
positiv, falls I~ gegen I 1 voreilt).
Der Stromfehler, wie auch der Fehlwinkel, kommen durch den Magne-
tisierungsstrom in die Messung. Man muß daher diesen so klein wie mög-
lich halten, indem man mit niedrigen Kraftliniendichten bis zum Gebiet
der maximalen Permeabilität arbeitet, größenordnungsmäßig mit etwa
1000 bis 2000 Gauß, und unter Umständen Spezialeisen mit hoher Per-
meabilität verwendet (Induktion dann bis ,....., 5000). In der Ausführung
als Topfwandler, wie er in der Abb. 303 aufgezeichnet ist, lassen sich,
wenn verlangt, sehr gcnaue Wandler herstellen. Man wird im Eisenkern
die Kraftliniendichte, d. h. also bei gegebenem Kern den Fluß niedrig
wählen. Da durch die Impedanz des Sekundärkreises und durch den
Sekundärstrom die EMK E 2 gegeben ist, läßt sich auf Grund der Formel

die sekundäre Windungszahl w2 berechnen. Die primäre Windungszahl


ergibt sich dann infolge des Übersetzungsverhältnisses 1/ü-mal so groß.
Diese Windungszahl muß man auf der Primärseite unterbekommen, was
bei einem Topfwandler im allgemeinen möglich ist.
300 Meßwandler

Da bei einem gegebenen Wandler mit wachsender Sekundärimpedanz


bei konstantem Strom die Sekundärspannung wächst, muß der Fluß (/1,
also auch der Magnetisierungsstrom I 0 , zunehmen. Der Meßwandler-
fehler wird damit aber größer. Wenn also der bei einem Wandler als zu-
lässig angegebene Fehler nicht überschritten werden soll, darf im Sekun-
därkreis keine zu hohe Impedanz liegen. Man gibt deswegen bei einem
Stromwandler stets die Nennbürde an. Unter der Nennbürde versteht
man den in Ohm angegebenen Scheinwiderstand der sekundärseitig an-
geschlossenen Apparate einschließlich der Zuleitungen, bei dem die Feh-
lergrenze der jeweiligen Klasse nicht überschritten wird. Der Leistungs-
faktor der Belastung ist hierbei cos q; = 0,8. Normale Nennbürden sind
bei 5 A z. B. 0,2, 0,6 und 1,2 Q entsprechend 5, 15 und 30 VA.
Man teilt die Stromwandler in verschiedene Klassen ein. Zur Klasse 1
gehören beispielsweise Stromwandler, bei denen bei Nennstrom (cos q;
= 0,8) der Stromfehler bei einer Bürde, die von 1 / 4 bis 1 / 1 der Nenn-
bürde schwanken darf, nicht größer als 1 % ist. Die Tabelle 12 enthält
für die verschiedenen Wandlerklassen die Strom- und Winkelfehler, die
bei verschiedenen Stromwerten maximal zulässig sind.

Tabelle 12. Fehlergrenzen bei Stromwandlern.


Stromfehler in % bei Fehlwinkel in min bei
Klasse
0,1 In 0,2 In
I
0,5In I 1,0 In I 1,2 In j 0,1 In I 0,2 In I 1,0 In I 1,2 In

0,1 ± 0,25 ±0,2 - ± 0,1 ±0,1 ± 10 ± 8 ± 5 ± 5


0,2 ±0,5 ± 0,35 - ± 0,2 ±0,2 ± 20 ± 15 ± 10 ± 10
0,5 ± 1,0 ± 0,75 - ± 0,5 ± 0,5 ± 60 ± 40 ± 30 ± 30
1 ±2,0 ± 1,5 - ± 1,0 ± 1,0 ± 120 ± 80 ± 60 ± 60
3 - - ± 3,0 - - - - - -
10 - - ±10,0 - - - - - -

Die Stromwandler der einzelnen Klassen (entsprechendes gilt für


Spannungswandler) finden wie folgt Anwendung:
Kl. 0,1: als Normal bei Eichschaltungen mittels genauester Meß-
brücken im Laboratorium und Prüffeld.
Kl. 0,2: für genaueste Laboratoriums- und Prüffeldmessungen be-
sonders bei großer Phasenverschiebung sowie zum Anschluß von Präzi-
sionszählern im Betrieb.
Kl. 0,5: für gewöhnliche Laboratoriums- und Prüffeldmessungen so-
wie zum Anschluß von Zählern und Wattmetern im Betrieb.
Kl. 1: zur Messung von Strom, Spannung und Leistung im Betrieb.
Kl. 3: zum Anschluß von Überwachungsmeßgeräten minderer Ge-
nauigkeit und von Relais im Betrieb.
Kl. 10: als Stabstromwandler mit kleinem Nennstrom zum Anschluß
von wenig genauen Relais.
Stromwandler 301
Zur Beurteilung für die von einem Wandler zu liefernde Leistung sei
in Tabelle 13 der Eigenverbrauch von 5 A-Anschlußgeräten mitgeteilt.

Tabelle 131,
VA cos 'I'

Weicheisen-Stromzeiger , . . . 1,2-3,8 0,94-0,99


Elektrodynamischer Stromzeiger 3,5-10 1
Drehfeld-Stromzeiger • 2,5-10 0,65-0,87
Stromschreiber . . . . • . . . 4-15 0,9-0,6
Hitzdraht-Stromzeiger 1,5-3,3 1
Elektrodynamischer cos tp-Zeiger . 3,8-10 0,92-0,95
Elektrodynamischer Leistungszeiger 1,5-4 0,57-0,98
Leistungsschreiber, Drehfeld-Leistungszeiger 1,5-9 0,95-0,5
Normale Zählerspulen 0,5-1,1 0,50
Überstromrelais . . 1,2-10
Überstromzeitrelais. . 6-15
Selektivschutzrelais . . 6-30
40 m Doppelleitung 4 mm2 bei 5 A . 10 1

Da die Stromwandler von den im Netz auftretenden Kurzschluß-


strömen durchflossen werden, müssen sie die dabei auftretenden ther-
mischen und dynamischen Beanspruchungen aushalten. Zur Beurteilung
des Verhaltens der Wandler bei großen Stromstärken hat man den Be-
griff des thermischen Grenzstromes ("Itherm" meist in kA) geschaffen.
Der thermische Grenzstrom ist der Primärstrom, den die Primärwicklung
ohne Schaden 1 sec lang aushalten kann. Dabei darf die Wicklung mit
einer Stromdichte von 180Afmm2 bei Cu bzw. von 118 A/mm 2 bei Al
belastet werden. Die Wandler sind meist für etwa Itherm= 100 X Nenn-
strom bemessen. Wird ein Wandler nicht 1 sec, sondern t sec von einem
Kurzschlußstrom I k durchflossen, dann darf dieser Strom keine größere
Wärme entwickeln als der thermische Grenzstrom innerhalb 1 sec. Die
Größe des über t sec fließenden zulässigen Stromes Ik ergibt sich damit zu
I k_- ltherm (134)
yt
-- '

denn I~ · t = I;herm · 1.
Der Wandler muß weiter die beim Stoßkurzschlußstrom auftretenden
elektromagnetischen Kräfte beherrschen. Man versteht unter dem dyna-
mischen Grenzstrom ("Ia 11,t in kA) die maximale Stromamplitude, die
der Wandler mechanisch erträgt. Dieser braucht auf· dem Leistungs-
schild nicht angegeben zu werden, falls er mindestens den Wert
Ia 11n = 1,8 {2 Itherm = 2,5 Itherm
besitzt.
1 Nach Koch & Sterzel.
302 Meßwandler

Wenn ein Wandler nur zum Speisen von Meßinstrumenten benötigt


wird, spielt es keine Rolle, wenn bei großen Strömen, z. B. Kurzschlüssen,
der Wandler auf der Sekundärseite zu wenig anzeigt. Ein zu geringer
Sekundärstrom ist sogar gut, da die Meßinstrumente dann gegen Über-
lastung geschützt sind. Anders liegen jedoch die Fälle bei Wandlern,
welche Relais speisen, die erst bei Kurzschlüssen ansprechen und unter
Umständen hier genau arbeiten müssen, z. B. die Wandler eines Impe-
danzschutzes. Hier ist es wesentlich, daß bei größeren Strömen keine
zu großen Fehler auftreten. Um sich in
dieser Hinsicht ein Urteil über einen
Wandler bilden zu können, benutzt man
den Begriff der "Überstromziffer", wobei
diese das Vielfache des Nennprimärstromes
ist, bei dem bei Nennbürde ohne Rück-
sicht auf den Leistungsfaktor der Strom-
fehler max. 10% beträgt.
Da man an Wandler für Meßinstru·
mente (kleine Überstromziffer) und an
Wandler für Relais (große Überstromziffer)
verschiedene Anforderungen stellt, ferner
die Bürde, die ein Relais darstellt, meist
größer ist als die, welche ein Meßinstrument
bildet und man bei Relaiswandlern nicht
immer so große Genauigkeiten braucht wie
bei Meßwandlern, sollte man, sofern man
es wirtschaftlich durchführen kann, Meß·
instrumente und Relais durch je einen be-
Abb. 305. Stabstromwandler.
sonderen Wandler speisen lassen. Man hat
dann den Vorteil, daß, falls bei einem Kurzschluß ein Meßinstrument
durchbrennen sollte, die Relais, da sie von anderen Wandlern gespeist
werden, betriebsbereit bleiben. Meist gibt man den beiden Wandler·
kernen eine gemeinsame Primärwicklung. ·
Untersucht man den in der Abb. 303 dargestellten Topfwandler, der
an und für sich meßtechnisch gut ist, auf sein Verhalten im Betrieb, so
findet man, daß er keine große Kurzschlußfestigkeit aufweist. Besonders
gefährdet ist der Durchführungsisolator, da im Kurzschlußfall auf die
zwei entgegengesetzt stromdurchflossenen Leiter, die ankommende und
die abgehende Leitung, große Kräfte wirken, die den Isolator zu sprengen
versuchen. Topfwandler können deswegen nur zur Anwendung kommen,
wenn keine großen Kurzschlußströme zu erwarten sind.
Eine absolut kurzschlußsichere und außerdem billige Ausführung
eines Stromwandlers ist der Stabstromwandler, der als Durchführungs·
Stromwandler in. der Abb. 305 dargestellt ist. Der Primärleiter durch·
Stromwandler 303

setzt den Stromwandlerkern geradlinig, bildet also keine Stromschleife


und ist bezüglich der Übersetzung als eine Windung in Rechnung zu
setzen. Wir hatten gesehen, daß bei verlangter Sekundärleistung und bei
einem gewählten Kraftlinienfluß die primäre Windungszahl sich zwangs-
läufig ergibt. Sie ist, wenn man den Sekundärstrom als konstant an-
nimmt, bei kleinem Primärstrom groß und nimmt mit wachsendem Pri-
märstrom ab. Das Anwendungsgebiet der Einstabwandler liegt also bei
großen Strömen. Man kann sie selbstverständlich auch für kleinere
Ströme ausbilden, muß allerdings
dann einen größeren Kraftlinienfluß
und größere Kraftliniendichte zu-
lassen, womit aber die Genauigkeit
des Wandlers leidet. Beispielsweise
läßt sich bei einem Stabwandler
gegebener Größe bei 50 A Primär-
stromstärke der Wandler für die
Klasse 3 mit einer Belastbarkeit von
7,5 VA bauen. Ist die Stromstärke
jedoch 500 A, dann läßt sich der
Wandler, bezogen auf die Klasse- 3,
mit 250 VA belasten bzw., falls man
höhere Genauigkeit fordert und die
Klasse 0,5 wählt, mit 90 VA.
Wenn man auch für kleinere
Ströme Stromwandler in kurzschluß-
fester Form mit kleinen Meßfehlern
bauen will, mußmaneine Ausführung
wählen, bei der man primärseitig
mehrere Windungen unterbringt und
Abb. 306. Querlochstromwandler
diese, ebenso wie die Zuführungen (Koch & Sterze!) .
gut abstützt. Eine gute Lösung
ist von der Firma Koch & Sterzel mit dem Querlochwandler angegeben
worden, der für Primärströme von 5 Abis etwa 800 A und für Spannungen
bis etwa 30 kV gebaut wird. Bei diesem Wandler (s. Abb. 306), der
sowohl als Stütz-, als auch als Durchführungsstromwandler gebaut
werden kann, befindet sich die Primärwicklung in einem Isolator und
ist auf einen hohlen Spulenkörper, der ein Teil des Porzellankörpers
ist, gewickelt. Dadurch ist die Primärwicklung nach allen Seiten durch
Porzellan isoliert. Durch den bohlen Spulenkörper des Wandlers ist ein
mit der Sekundärwicklung versebener Eisenkern gesteckt; der magneti-
sche Rückschluß wird durch außen um den Isolator herumgehende Joche
hergestellt. Das Innere des Porzellankörpers wird mit grapbitiertem, also
leitendem Quarzsand ausgefüllt, so daß im Innern des Wandlers kein
304 Meßwandler

Glimmen eintreten kann. Durch die Ausfüllung des Wandlers mit Quarz-
sand erreicht man außerdem eine gute Abstützung der Wicklung und der
Einführungen. Die Isolierung des Wandlers übernimmt der Porzellan-
körper. Es sei in diesem Zusammenhang auch erwähnt, daß man in
geschlossenen Schaltanlagen, d. h. bei niederer und mittlerer Spannung,
bestrebt ist, bei Stromwandlern möglichst kein 01 oder Masse zur Iso-
lation zu verwenden, da bei Stromwandlerschäde n 01 und Masse leicht
in Brand geraten können. Ist man jedoch auf ein Isotiermedium ange-
wiesen, dann kann man Gießharzwandler
verwenden (s. S. 305).
Für hohe Spannungen bildet man den
Stromwandler als Stützerstromwandle r
aus (s. Abb. 307), eine Anordnung, bei
der ähnlich wie beim Topfwandler die
Wicklung in ein Olbad, das gut isoliert,
gesetzt wird. Das 01 befindet sich jedoch
dann nicht in einem Gefäß aus Metall,
sondern in einem großen Isolator, dessen
oberes Ende die beiden Leitungseinfüh-
rungen zum Wandler trägt.
Stromwandler sind, sofern sie primär-
seitig einige Windungen besitzen, durch
auftreffende W anderwellen gefährdet, da
sie eine Induktivität darstellen und somit
eine Spannungserhöhung durch Reflexion
der Welle hervorrufen. Um die Reflexion
der W anderwelle zu mildern, damit aber
Abb. 307. Freiluftstützerotrom-. auch die Spannungserhöhung in kleinen
wandirr 150 kY, aufgeschnitten
(8. & H.). Grenzen zu halten, schaltet man parallel
zur Primärwicklung einen spannungsab-
hängigen Widerstand, der bei normaler Spannung sehr groß, bei Über-
spannung jedoch klein ist.
Beim Arbeiten mit Stromwandlern ist darauf zu achten, daß diese
nie sekundärseitig geöffnet werden, da sonst die sekundären Gegen-
amperewindungen in Wegfall kämen und somit der gesamte zu messende
primäre Strom magnetisierend wirken würde. Durch die hierdurch
hervorgerufene hohe Induktion im Eisenkern können lebensgefährliche
Spannungen an den sekundären Klemmen auftreten, der Eisenkern
selbst kann sich unzulässig hoch erwärmen, möglicherweise sogar ver-
brennen. Auf jeden Fall bleibt eine, die Meßgenauigkeit des Wandlers
herabsetzende Restmagnetisierung im Kern zurück, die man nur durch
eine besondere Behandlung wieder beseitigen kann.
Spannungswandler 305

B. Spannungswandler
Die Spannungswandler dienen dazu, die hohen Spannungen unserer
elektrischen Anlagen für Meß- oder Relaiszwecke auf niedere Werte, z. B.
100 V herabzusetzen. Bei der Bemessung der Spannungswandler treten
im allgemeinen nicht derartige Schwierigkeiten auf_ wie beiden Strom-
wandlern, da im Kurzschlußfalle keine erhöhten Beanspruchungen auf
den Spannungswandler wirken. Auch ist zu beachten, daß im Netz der
Strom großen Schwankungen unterworfen ist, die Spannung jedoch an-
nähernd konstante Größe behält, somit der Stromwandler über den gan-
zen Meßbereich möglichst genau arbeiten soll, der Spannungswandler
jedoch (abgesehen von Wandlern für den Distanzschutz) meist nur in
einem kleinen Bereich.
Bei der Transformation der Spannung tritt ebenso wie bei der Trans-
formation des Stromes durch den Meßwandler eine Verfälschung des Meß-
wertes der Größe und Phasenlage nach auf. Man ist bestrebt, diese
Fehler so klein wie irgend möglich zu halten. Die nicht richtige Wieder-
gabe der Spannung hat beim Spannungswandler seinen Grund in den
Spannungsabfällen der Primär- und Sekundärwicklung. Um den Span-
nungsfehler klein zu halten, wird man die Wicklungen der Wandler
mit reichlichem Querschnitt ausführen und die Streuung der Wicklung
möglichst klein halten. Dadurch wird auch der Fehlwinkel zwischen
primärer und sekundärer Spannung klein. Jeder Spannungswandler
besitzt eine Nennleistung in VA, die dauernd abgegeben werden kann,
ohne daß die Fehlergrenzen der jeweiligen Klassen überschritten werden.
Normal sind Nennleistungen von 15, 30 und 60 VA bei cos rp = 0,8.
In der Tabelle 14 sind
Tabelle 14. Fehlergrenzen bei Spannungs-
die Klassen mit den zuge- wandlern.
hörigen zulässigen Fehlern Spannungs· Fehlwinkel
angegeben. Ist U1 und U2 Klasse Spannung fehl er in mln
die Primär- bzw. Sekundär-
spannung, so ist der Fehler 0,1
I
0,8-1,2 Un
in%

±0,1 ± 5
-
0,2 0,8-1,2 Un ±0,2 ± 10
des Spannungswandlers 0,5 0,8-1,2 Un ±0,5 ±20
_ 100 . Usü-U1 1 0,8-1,2 Un ± 1,0 ±40
f oYo- ul · 3 1,0 u ±3,0 -
Über die Anwendung der einzelnen Klassen siehe S. 300.
Spann~gswandler können sowohl als Trocken-, als auch als Öl- bzw.
Massewandler ausgebildet sein. Man ist bestrebt, wenn irgend möglich
Trockenspannungswandler zu verwenden; Abb. 308a u. b zeigen einen
Trockenspannungswandler, wobei die Wicklungen in einem anshärtbaren
Kunststoff vollständig eingebettet sind.
Neuerdings verwendet man auch Gießharzwandler, bei denen die
Hochspannungswicklung, Isotierkörper und die angegossenen Hoch-
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, S. Aufl. 20
306 Schalter

spannungsdurchführungen einen einheitlichen festen Block bilden, der


keine Luftblasen enthält. (Abb. 309).
Die Ölwandler werden heute fast durchweg als ölarme Wandler aus-
geführt (Abb. 310).

Abb. 308a. Trockenspannungswandler Abb. 308b. Trockenspannungs-


(S &H) . wandler (S & H).

Abb. 309. Zweipolig isolierter Gieß- Abb. 310. Ölarmer Spann~s­


harzwandler 20 000/100 V (Wirges, wandler (S & H).
Wirges/Westerwald).

Abb. 311 zeigt Einphasen-Spannungswandler. Der Kern dieser Wand-


ler liegt an Erde. Die gesamte Hochspannung wird in der Primär-
wicklung vom höchsten Potential bis zum Potential Null abgebaut.
Spannungswandler 307

Wird für Meß- oder Relaiszwecke nur eine verkettete Spannung be-
nötigt, dann genügt ein zweipoliger isolierter Einphasenwandler, der
zwischen zwei Phasen ange-
schlossen wird. Werden die
drei verketteten Spannungen
benötigt, z. B. für Leistungs-
messungen, dann kann man
mit zwei Spannungswandlern
auskommen, wenn diese in
V-Schaltung angeordnet sind
(s. Abb. 312). Die Abb.313
zeigt einen Doppelspannungs-
wandler, der in einem gemein-
samen Gehäuse zwei in V
zusammengeschaltete Einpha-
senwandler enthält. Man kann
auch einen Dreischenkelwand-
ler mit drei Wicklungen ver-
wenden, jedoch darf dann
primärseitig der Nullpunkt
nicht geerdet sein. Die Sekun-
därwicklung ist dagegen stets
geerdet. Benötigt man bei
Erdschlußmessungen die Span- Abb. 311. Frelluf~spannungswandler 220 kV (S & H).
nung gegen Erde, dann können
drei im Stern geschaltete Ein-
phasenwandler gewählt wer-
den, deren Sternpunkt geerdet
wird. Will man statt 3 Ein-
phasenwandler einen Drei-

UIJllJ

Abb. 312. Spannungswandler Abb. 313. Doppelspannungswandler, bestehend aus


in V-Schaltung. zwei Einphasenwandler in V-Schaltung.

phasenwandler verwenden, dann darf man in diesem Falle keinen Drei-


schenkelwandler verwenden, sondern nur einen Fünfschenkelwandler:
20*
308 Soha.ltanla.gen

Hat etwa die PhaseSeinen Erdschluß (s. Abb. 314a), also gegen Erde
die Spannung Null, dann muß der durch die Phase S des Wandlers
bindurchtretende Fluß ebenfalls Null sein. Die Spannung der beiden
anderen Phasen ist auf den verketteten
Wert angestiegen. Die Summe ihrer Flüsse
s
T 4-
ist daher nicht Null, sondern entspricht
w
ln
II V

! ::; E!=* ; :; .IS


,/

~.:~------
/'~ß
*a:
111•
t: ; ---- 5
l_j e ' '-,
'

A ......................\
U ' V W
Abb. 314 a. Fünfschenkelwandler. Abb. 314 b. Diagramm des Fünfschenkelwandlers
bei Erdschluß.

der Summenspannung SA (Abb.314 b). Es muß also für den Fluß die
Möglichkeit bestehen, sich durch einen 4.- und 5. Schenkel schließen zu
können. Ist dies nicht möglich, wie etwa bei einem
Dreischenkelwandler, dann bilden sich große
Streuflüsse aus und erzwingen riesige Magneti-
sierungsströme, durch die ein Verbrennen des
Wandlers erfolgen kann. Bringt man auf dem
4. und 5. Schenkel eines Fünfschenkelwandlers
zwei in Reihe geschaltete Wicklungen geeigneter
Windungszahl auf, so kann man hiermit die Span-
Abb. 315. 3 einpolig isolierte
Elnphaeenwandler mit sekun- nung des Nullpunktes gegen Erde messen. Bei
därer Meßwicklung und offener
Dreieckwlcklung. Verwendung von 3 einpoligen Wandlern kann
man hierfür eine offene Dreieckwicklung benutzen
(Abb. 315); in der Regel wird sekundär noch eine Maßwicklung vor-
gesehen. Erdungsspannungswandler führen ferner etwaige statische
Ladungen eines Netzes ab.

XIV. Schaltanlagen
A. Allgemeines
Die Verteilung der in den Kraftwerken erzeugten elektrischen Energie
erfolgt durch die Schaltanlagen. Diese können in Gebäuden unterge-
bracht werden oder als Freiluftanlagen ausgebildet sein. Die Unterbrin·
gung der Schaltanlagen in Gebäuden wird bis etwa 45 k V meist die
zweckmäßigste sein. Oberhalb dieser Spannung werden die Leitungs-
abstände, damit auch das Gebäude, sehr groß. Die Folge ist ein An·
wachsen des Anteils der Gebäudekosten an den Gesamtkosten. In diesem
Falle ist dann die Freiluftanlage, bei der die Anlage im Freien aufgestellt
wird, und damit also die Gebäude gespart werden, die wirtschaftlichere.
Schaltanlagen in Gebäuden 309
Die Apparate werden zwar in der Freiluftausführung etwas teure.r (Sicher~
heit gegen Witterungsunbilden), jedoch wird dies durch den Wegfall der
Gebäude ausgeglichen.
Unter Umständen ist es notwendig, auch bei höheren Spannungen
die Anlage in einem Gebäude unterzubringen, und zwar dann, wenn rillt
derart staubhaltiger Luft zu rechnen ist, daß eine unzulässige Verschmut·
zung der Isolatoren eintritt und somit Überschläge zu befürchten sind.

B. Schaltanlagen in Gebänden
Soll in einem Kraftwerk erzeugte Energie in einem Schalthaus ver·
teilt werden, so wird oft das Schalthaus getrennt vondem Maschinenhaus
aufgestellt. Man erreicht damit, daß man in der Führung der ein- bzw.
abgehenden Leitungen insbesondere bei Freileitungen unabhänger ist,
da man die verschiedenen Fronten des Schalthauses benutzen kann.
Ferner werden die Lichtverhältnisse im Schalthaus günstiger und man
kann von allen Seiten an das Gebäude gelangen, was meist für das
Einbringen bzw. Ausbauen der Apparate und Transformatoren not·
wendig ist.
Wird die im Kraftwerk erzeugte Energie in Transformatoren hoch-
gespannt, so können die Transformatoren grundsätzlich im Maschinen-
haus oder im Schaltbaus eingebaut sein. Da man heute, wenn möglich,
Generator und Transformator zu einer Einheit zusammenfaßt und die
Leistungsschalter und Sammelschienen erst hinter den Transformatoren
anordnet, bekommt man in diesem Falle eine gute Leitungsfübrung, falls
die Transformatoren am Maschinenhaus angeordnet sind.
Prinzipiell besteht kein Unterschied zwischen einem Schalthaus, wel-
ches die im Kraftwerk erzeugte Energie verteilt und einem Schalthaus,
welches losgelöst von der Energieerzeugung an einer beliebigen Stelle des
Netzes die Energieverteilung vornimmt. In diesem Falle wird dann meist
noch eine Umspannung in eine andere Spannung mit vorgenommen
(s. Abb. 187).
Eine Schaltanlage ist die materielle Verwirklichung eines Schaltbildes,
wie es auf S. 188 behandelt wurde. Der Kernpunkt einer Schaltanlage
ist das Sammelschienensystem, welches heute bei wichtigeren Anlagen
meist als Doppelsammelschienensystem ausgebildet ist. Zu diesem Sam-
melschienensystem führen die einzelnen Zuleitungen bzw. Abgänge mit
ihren Leistungs· und Trennschaltern und Spannungs- und Stromwand-
Iern. Man betrachtet alles das, was zu einer Zuleitung, bzw. Ableitung
zur Sammelschiene gehört, als eine Schaltzelle. Liegt eine solche Schalt-
zelle in ihren Abmessungen fest, so sind auch unter Berücksichtigung der
Gänge und gewünschten Nebenräume die Maße des Schalthauses be-
stimmt Für die Größe einer Schaltzelle ist die Höhe der Spannung
310 Schal'tanlag'en

wesentlic.h. Je nach Größe der Spannung sind die Abstände, welche


einzuhalten sind, das sind die Abstände der spannungführenden Teile
gegeneinander oder gegen Erde, zu wählen. Bei. den Abständen ist zu
untet'Scheiden, ob es sich um Innenraum- oder Freiluftanlagen handelt.
Die Mindestabstände, welche eingehalten werden müssen, sind folgende:
Tabelle 15.
Unabhängig von der Spannung spielt
die Nennstromstärke und vor allem der
Mindest-Abstilndein Luft mögliche Kurzschlußstrom eine Rolle.
Reihen- zwischen Spannung
Spannung
führenden Anlageteilen
und gegen Erde
Je größer die Nennstromstärke ist, um
so größere Querschnitte sind mit Rück-
kV Innen
a
sicht auf die Erwärmung zu wählen.
Ferner ist nachzuprüfen, ob die durch die
Bei nicht starr geerdetem Sternpunkt
(normale Isolation) Kurzschlußströme kurzzeitig hervorge-
rufenen Erwärmungen (s. · S. 550) aus-
1 40
3 60 gehalten werden. Wichtig ist auch der
150
6 80 Stoßkurzschlußstrom, da von ihm die
10 115 zwischen den Sammelschienen wirkenden
20
Kräfte abhängen, welche deren Isolatoren
180 225
30 260 330 beanspruchen. Stützer und. Durchfüh-
45 360 450 rungsisolatoren sind bis Reihe 30 - für
60 470 580 die Umbruchkräfte 375, 750 und 1250 kg
in Deutschland genormt. Bei großen
110 800 1000 Umbruchkräften ist aus wirtschaftlichen
150 1300 Gründen meist ein größerer Abstand
220 1850
zwischen den Phasen R S T vorteilhafter
Bei starr geerdetem Sternpunkt (E) als der, welcher den Mindestabstand
(verringerte Isolation)
nach Tabelle 15 und den Isolator-Ab-
llOE 720 850 messungen gegeben ist. Diese Maßnahme
150E 1150 ist besonders dann notwendig, wenn bei
220E 1600 gegebener Zellenteilung die Entfernung
der Stützer, insbesondere der Sammel-
300E 2100
380E
schienenstützer nicht verringert werden
3000
kann. Die Abmessungen einer Zelle
können ferner von der Schaltleistung des einzubauenden Leistungs-
schalters beeinflußt werden.
Die zwischen zwei Leitern beim Kurzschluß wirkenden Kräfte be-
stehen aus einem konstanten Anteil, dem sich Kräfte von der doppelten
Netzfrequenz überlagern. Kurzzeitig, beim Fließen des Gleichstrom-
gliedes, können auch Kräfte der einfachen Netzfrequenz auftreten. Man
muß darauf achten, daß die Wechselkräfte nicht mit den möglichen
Biegeschwingungen der Sammelschienen in Resonanz kommen.
In Abb. 316 ist der Schnitt durch eine Innenraumschaltanlage der
Reihe 10 dargestellt, wobei zwei verschiedene Bauweisen, ein 2000 A-
Schaltanlagen in Gebä.uden 311
Abzweig mit Doppelsammelschienen und ein 1000 A-Abzweig mit
Doppelsammelschienen und Umgehungssammelschiene im Kabelgeschoß
zusammengefaßt sind. Links im Bild führt vom Kabel a die Leitung
über einen Trennschalterb und einen Durchführungsstromwandler c zum
Leistungsschalter d, in der Bauform eines Druckluftschalters. Vom
Leistungsschalter geht der Stromverlauf über je einen 3-poligen Trenn-

2000A-Abzweig bis 1000 A-Abzwe(g


!lmgehungssomme!schiene
im !(abe(geschoß
mechanische Schaller-Anlriebsleile 1in Sleuerschronk
Abb. 316. lnnenraum·Schaltanlage Reihe 10 mit Druckluftscbnellschaltem
400 MV A Doppelsammelschiene mit Lichtbogenschutz.

schalter e1 und e2 zu den Sammelschienen I und II. Im Kabelgeschoß ist


parallel zur Leitung ein Spannungswandler f angeschlossen. Der Druck-
luftbehälter und die Steuerorgane g des Leistungsschalters sind vom
Hochspannungsteil durch eine Zwischenwand getrennt und somit im
Betrieb zugänglich.
Die einzelnen Zellen, in welchen die drei Phasen einer Zu- und Ab-
leitung führen, sind gegeneinander sowohl im Kabel- als auch im Schal-
tergeschoß durch Hartgipswände getrennt. Ferner sind die Trennschalter
gegen die Sammelschienen und auch diese gegeneinander durch eine
312 Schaltanlagen

Hartgipswand h abgeschirmt. Während die seitlichen Trennwände ein-


mal die Aufgabe haben, beim Arbeiten in der abgeschalteten Nachbar-
zelle einen Schutz zu bilden, ist es deren weitere Aufgabe, bei einem evtl.
entstehenden Lichtbogen (z. B. infolge falscher Trennschalterbetätigung)
zu verhindern, daß dieser zur Nachbarzelle übergreift. Die Trennung der
Trennschalter gegen die Sammelschienensysteme durch die Liehtbogen-
schutzdecke h soll vermeiden, daß der Lichtbogen in das Sammelschie-
nensystem gelangt und hier entlangwandert und gegebenenfalls große
Zerstörungen anrichten kann. Dies ist möglich, weil ein entstehender
Lichtbogen das Bestreben hat, von der Erzeugungsstelle abzuwandern,
wie man aus der zweipolig gezeichneten Anordnung (Abb. 317) erkennt.
Tritt zwischen den beiden Leitern ein Lichtbogen auf, EO hat die durch
ihn gebildete Stromschleife das Bestreben, ihren Kraftlinienfluß zu ver-
größern, so daß der Lichtbogen wandern muß. Dieses Wandern kann
in horizontaler Richtung, naCJh oben und bei genügender Stromstärke
. · . · • · . ·. · • · . auch nach unten erfolgen. Bei der Anordnung
nach Abb. 316 wird der Lichtbogen jedoch inner-
halb der Zelle festgehalten, so daß weitere Zer-
störungen in der Schaltanlage nicht angerichtet
werden. Man kann auch Schaltanlagen bauen,
Abb. 817, sog. offene Schaltanlagen, bei denen die seit-
Llchtbogenwanderung.
lichen Trennwände und die Lichtbogenschutz-
wände weggelassen sind. Diese Anlagen sind etwas billiger. Im allge-
meinen werden jedoch in Deutschland bei mittleren Spannungen Anlagen
mit seitlichen Wänden und Lichtbogenschutz bevorzugt. Bei Anlagen
für große Spannungen kommen jedoch auch hier offene Schaltanlagen
in Frage.
In der rechten Hälfte der Abb. 316 ist eine Anlage mit einem 1000 A-
Abzweig dargestellt, welche zusätzlich eine Umgehungssammel-
schiene im Kabelgeschoß aufweist. Dadurch ist es möglich, bei Ober-
hoJung des Leistungsschalters den Abzweig auf die Umgehungsschiene
zu schalten, die über einen Umgehungsschalter, der gleichzeitig Kurz-
schlußschaltersein kann, mit den Sammelschienen verbunden wird.
Trennschalter können durch Hebel- oder Gestängeantrieb betätigt
werden. In größeren Verteilungsanlagen wird in der Regel der Druck-
luftantrieb nicht nur für die Leistungsschalter, sondern auch für die
Trennschalter vorgesehen:
Allgemein kommen für Sammelschienen, abgesehen von kleinen
Stromstärken, bei denen Rundleiter genügen, Flachschienen aus Kupfer
oder Aluminium zur Anwendung, wobei bei größeren Strömen zur besse-
ren Kühlung mehrere Schienen in kleinem Abstand nebeneinander an-
geordnet sind. Da bei großen Strömen sich große Querschnitte ergeben
und hierbei in den Flachschienen eine merkliche Stromverdrängung,
Schaltanlagen in Gebäuden 313

also eine stärkere Erwärmung auftritt, geht man heute gelegentlich zu


rohrförmigen Querschnitten über, die auch mechanisch gut sind. Günstig
in bezug auf Stromverdrängung sind auch Sammelschienen, die aus ein
oder zwei U-Profilen hergestellt sind.
In wichtigen Schaltanlagen hat man gelegentlich auch 3-fach Sammel-
schienen. In Abb. 318 befinden sich 2 Sammelschienen im Schalt-

!" ..~ .... ! t I I ' ' I I I


o 1 2 J ' .5m
Abb. 31~. Innenraum-Schaltanlage Reihe 10 mit Druckluftschnellschaltern; Dreifachsammelschienen
mit Lichtbogenschutz.

geschoi~; die dritte Sammelschiene ist im Kabelgeschoß untergebracht.


Ein Kabelabzweig ist über eine Kurzschlußdrosselspule angeschlossen,
wodurch die Kurzschlußbeanspruchung für die hinter der Drosselliegen-
den Leitungen und Schaltgeräte herabgesetzt wird.
Viele unserer älteren Schaltanlagen besitzen noch Ölschalter. Man
könnte daran denken, eine solche Anlage genau so auszubilden, wie die
bis jetzt behandelten. Dies ist jedoch nicht zulässig, denn man muß
damit rechnen, daß unter unglücklichen Umständen ein Leistungsschalter
314 Schaltanlagen

explodieren kann. Während bei einem Ölschalter dann größere Olmengen


ausfließen, die sich entzünden und hierdurch eine Verqualmung der
Anlage herbeiführen,
wird dies bei einem
Wasser- oder Druck-
luftschalternicht auf-
treten. Um Verqual-
mungen und Brände
durch auftretende Öl-
schal terexplosionen
zu vermeiden, läßt
man den Ölschalter-
kessel in eine beson-
dere Kammer hinein-
ragen(Abb.319). Die
zurVerwendung kom-
menden Ölschalter
Abb. 319. Ältere Ausführung eines Schalthauses mit Ölschaltern besitzen einen kräfti-
für 15 kV. gen Deckel. Der Öl-
kessel ist mittels mechanischer Bruchsicherung am Schalterdeckel
befestigt. Bei zu großem lnnendruck, der bei schweren Abschaltungen

Abb. 320. 110 kV-Schaltanlage Trafoabzweig (AEG).

auftreten kann, kann der Kessel absacken, ohne aufzureißen, so daß


der innere Überdruck sich ausgleichen kann
Schaltanlagen in Gebäuden 315
Abb. 320 zeigt ein Schalthaus für höhere Spannung (llO kV) . Der
Anschluß erfolgt durch eine Freileitung. Zu beachten ist die Unter-
bringung des ölenthaltenden Meßwandlers, dessen Kessel in eine kleine
Kammer ragt. Es wird so bei einem
Schaden brennendes Öl von der Schalt-
10kV Warfe 8/eisansc/Jiuß
anlage ferngehalten.
In Umspannstationen erfolgt die Ver-
teilung oft mit zwei Spannungen, z. B.
mit 30 und 10 k V. Man wird in diesen
Fällen meist die Schaltanlage für die
beiden Spannungen getrennt anordnen. JOkV D
Trafo
Eine mögliche Ausführung ist in Abb. 321 D
skizziert. Hier befindet sich zwischen
den beiden Schaltanlagen die Warte, von Abb. 321. Schematische Darstellung einer
Schaltanlage für 10 und 30 kV.
der aus die Anlage gesteuert und der
Schaltzustand überwacht werden kann. In manchen industriellen Anlagen
sb:id im gleichen Raume die Schaltanlagen für zwei verschiedene Span-
nungen untergebracht, z. B. für 0,5 und 6 kV.

,. --- - - --,
i
--- -- ---~- -

'
'
''
''
'
'
----..1.' --.1.-------..1'
'
J
Abb. 322. Hochspannungsschrankanlage für Freiluftaufstellung
als Netztransformatorenstation ausgebildet, Reihe 10.
z Erwelterungsrichtung, 2 Trafo 10/0,38 kV,
1 Hochspannungs-Schaltanlage, 3 Niederspannungs-Schaltanlage des Trafos.

Für niedere Spannungen und auch bei mittleren Spannungen bis etwa
6 kV werden in der Industrie und in Kesselhäusern oft gekapselte Schalt-
anlagen verwendet, die aus einzelnen fabrikfertig aufgebauten Einzel-
feldern oder Einzelkasten für Sammelschienen oder Geräte zusammen-
316 Schaltanlagen

Abb. 323. Stahlblechgekapselte Schaltanlage, bestehend aus fabrikfertig hergestellten Einzelfedern.

Abb. 324. Gekapselte Zuleitungen zu 3 EinphaEen·Transformatoren (GF.).


Schaltanlagen in Gebäuden 317
gebaut werden, welche die Sammelschienen, Schalter, Meßwandler usw.
enthalten. Diese gekapselten Anlagen haben den Vorteil, daß sie nach
außen abgeschlossen sind, also keine Berührungsgefahr besteht. Sie sind
ferner in den Abmessungen klein und die Schaltung kann, da man die
Kästen baukastenmäßig zusammenzustellen vermag, leicht geändert
werden, auch kann man leicht Erweiterungen vornehmen.
In letzter Zeit geht
man dazu über, auch
kleine Netztrafostatio-
nen zurVersorgungvon
Häuserblocks, Werk-
siedlungen usw. in
Schrankform im Freien
aufzustellen. Der
Schrank wird fabrik-
fertig geliefert und ist
in kürzester Zeit be- Abb. 325. Gekapseltes Sammelschienenstück (GE).

triebsbereit. Er enthält die Anschlüsse für das Hochspannungsringkabel


und meistens einen Abgang für einen Transformator sowie die Verteilungs-
anlage auf der Niederspannungsseite mit Hochleistungsgriffsicherung.
Ein Ausführungsbeispiel zeigt Abb. 322.

Abb. 326. Gekapselte Freiluftanlage (GE).

In USA ist man bestrebt, Mittelspannungs-Schaltanlagen in stahl-


blechgekapselter Ausführung, bestehend aus einzelnen Feldern, fabrik-
fertig herzustellen, so daß die Aufstellung auf der Baustelle mit einem
minimalen Zeitaufwand verknüpft ist. Sowohl die Felder als auch deren
Einzelteile sind weitgehend genormt, wodurch günstige Voraussetzungen
für eine rasche Auswechselbarkeit gegeben sind. Diese Normung ver-
318 Schaltanlagen

langt eine Beschränkung auf wenige Standardtypen und wurde in USA


eingeführt, um eine rationelle Fertigung in großer Stückzahl zu ermög-
lichen.
Eine gekapselte Schaltanlage dieser Bauart zeigt Abb. 323.
Nicht nur die Schaltanlagen, sondern auch die Verbindungsleitungen,
z. B. zwischen Generator und Transformator oder den Sammelschienen,
werden in USA gekapselt.
Abb. 324 zeigt den unterspannungsseitigen Anschluß einer aus drei
Einphasen-Transformatoren bestehenden Gruppe. Die Kapselung der
Leitungen, bestehend aus je 2 U-Schienen, geht im einzelnen aus der
Abb. 325 hervor.
Für die Stromversorgung eines Betriebes wird oft eine Freiluftschalt-
anlage in Verbindung mit Transformatoren errichtet. Die Unterspan-
nungsverteilung ist, wl.e aus Abb.326 ersichtlich, in Schrankform zwischen
den eeiden Transformatoren aufgestellt.

C. Freiluftschaltanlagen
Bei höheren Spannungen und zwar von etwa 60 k V ab, wird man meist
die Schaltanlagen als Freiluftanlagen bauen. Diese haben einmal den

euerschnitt
.---
Freileitvng

/-;-- V
I
w 'E-
li
6

?
8 H
7\
i .i-
J" '~tTLJ
" ""'1
I
1-
~I ,-, - I
1
.I ·"'"'"''"''" ~ ; -
· " ~>'n"K~• . -- - -. '
B- 10
i1
lQl
~ (
;:-;;:
~ w :r i;~- ~ ...

~ '" ·~ ---@{ --
V 1 2 .. 5 : . >7 '8
;-::: I ,k:.. ~---4 -
: ~ :: .1-

j
~-
9
~ ~

'---'l!l

=
~
-"" ~

' <=111,.,.
-
1[ I 6r<Jndriß
Abb. 327. Freiluft-Schaltanlage mit Druckluftschnell schaltern. Halbhohe (klassische) Bauweise.
Freiluftschaltanlagen 319

Vorteil, daß sie, da das Schalthaus wegfällt, billiger werden, daß sie
rascher gebaut werden können und daß es keine Schwierigkeiten macht,
die Anlage zu vergrößern, falls man genügend Bodenfläche zur Verfügung
hat. Die Entwicklung der Freiluftanlagen ist in Deutschland bestrebt,
möglichst an Eisen und Isolatoren zu sparen und übersichtliche Anlagen
zu erhalten. Im folgenden seien drei typische Freiluftanlagen behandelt:
Abb. 327 zeigt eine Freiluftanlage in halbhoher sog. klassischer Bau-
weise für 60 bis 220 kV. Parallel zur ankommenden Freileitung ist ein
f(_uerschnift
freileilung

ic=,.
!'="
1, I 1
I
~:"'·- --
''
- /•1 ..... ...... ....
~ ==~- -
I
~

I i J 4 I 5 : -- 7 8
?;;~' -J---
~

....... !
9--c:D
T
~
<-=.
'1!l
I
-@
I-
~

- = =
'J I
,/ -.li " ..J ~ ~

k=._
->=
r-- :.! , ~ bm""
18:1=1::1
n l
6rundnß
Abb. 328. Freiluft·Schaltanlage mit Druckluftschnellschaltern. Reihen- QuerbauweiEe (RWE).

Überspannungsahleiter 8 und ein Koppelkondensator 7 geschaltet. Letz-


terer dient zur Abnahme der Hochfrequenz für die Hochfrequenztelefonie.
Die Freileitung führt dann über eine Sperre 6 zum Trennschalter 5.
Die Sperre 6 (Spule) soll die Hochfrequenz von der Schaltanlage absper-
ren. Vom Trennschalter 5 aus laufen die Leitungen über einen Strom-
wandler 4 über einen Spannungswandler 3 zum Leistungsschalter 2
(Druckluftschalter). Vom Leistungsschalter geht der Stromverlauf über
die Trennschalter 1 zum Sammelschienensystem I oder II. Die Sammel-
schienensysteme I und II bestehen aus Leitungen, die an den beiden
Enden der Schaltanlage an je einem Portal an Isolatoren abgespannt sind.
320 Schaltanlagen

Abb. 328 zeigt eine Freiluftschaltanlage in Reihen- Querbauweise


(RWE), die sich von der klassischen Bauweise im wesentlichen dadurch
unterscheidet, daß die Sammelschienen auf je einem Stützer der Sammel-
schienen-Trennschalter aufgelegt sind. Aus diesem Grunde sind die ein-
zelnen Pole der Sammelschienen-Trennschalter hintereinander im Zuge
der abgehenden Leitungen angeordnet, also quer zur Sammelschiene.

euersclln!'ll

"'
L
-
1J
~
- ~. .... ,
o.

,r==~-
~

/... o@
!= ~
-~
1- ~

I=
1 1 { i-=
~
...__"
~--,.
:==,.·- ~- ..
,.....
~
k-·'--4-
J :;,c::,.
n
~

- .....
"
T

--
1--
12 1- ~

lc=.. ..0.
~
!-< ~
r=m""
- ~
~
r<::

- - ~ <=>
;;........:; """
'2.
_.., 1-
= ~
"'--" biil ·=
. .0.
t="'.
f-

rr I
6rundriß

Abb. 329. FreiluU·Schaltanlage mit Druckluftschnellschaltern. Reihen·Längsbauwelse .

In Abb. 329 ist eine weitere Bauweise, die Reihen-Längsbauweise,


gezeigt, die neuerdings bevorzugt in Hochspannungsfreiluftanlagen an-
gewendet wird. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß die 3 Pole der Sam-
melschienen-Trennschalter hintereinander, also in Längsrichtung der
Sammelschienen, angeordnet sind. Es ergibt sich hier der Vorteil, daß
die Verbindungen zwischen den Sammelschienen-Trennschaltern zum
Leistungsschalter in gleicher Höhe unterhalb den Sammelschienen ge-
führt werden können. Man spart dadurch an Abspanngerüsten, wie sie
bei den vorbeschriebenen Bauweisen erforderlich sind; ferner werden die
Sammelschienen nicht überkreuzt. Auch läßt sich eine derart gebaute
Schaltwarte 321
Anlage in einfacher Weise auf eine beliebige Anzahl von Sammelschienen-
systemen erweitern.
Für den Transport der Schaltgeräte sind geeignete Wege vorzusehen,
wie dies in vorstehenden Bildern angedeutet ist. Der Transportweg wird
vielfach als begehbarer Kanal ausgebildet für die Verlegung der Steuer-
und Meßkabel. Zur Aufnahme des Steuerblocks für die Betätigung der
Leistungs- und Trennschalter dient ein Steuerschrank, der jedem Ab-
zweig, wie dargestellt, zugeordnet ist.

D. Schaltwarte
Während bei kleinen Schaltanlagen die Betätigung der Leistungs-
schalter und der Trennschalter vom Bedienungsgang aus erfolgt, genügt
dies für größere Schaltanlagen allein nicht mehr. Hier muß eine Fern-
betätigung der Schalter von
einer zentralen Kommando- r- ··; r-- .,
stelle, der sog. Schaltwarte, I'' :'' ' '
aus vorgesehen werden. Zu '' '''
' '
' r·--·,
diesem Zweck führt man L ... :
von den Schaltern der An-
lage Betätigungsleitungen in
die Scbaltwarte, desgleichen
noch Meßleitungen zur Über-
wachung sämtlicher Strom-
kreise. Damit kann man von
der Schaltwarte aus jede
Schalthandlung vornehmen
und überwachen, außerdem
kann das Personal an Hand
der Anzeige der Meßinstru-
mente Entscheidungen tref-
Abb. 330. Schaltwarte.
fen, ob Schaltbandlungen
ausgeführt werden müssen (z. B. Inbetriebsetzen einer Maschineneinheit
bei ansteigender Last). Um in der Schaltwarte eine gute Übersicht zu
bekommen, ordnet man jeder ankommenden und abgehenden Leitung,
sowie jedem Maschinensatz ein besonderes Feld zu. Abb. 330 zeigt sche-
matisch, wie diese Zuordnung sein kann. Die Betätigungsschalter für die
Fernbetätigung können dabei auf den Scbaltwänden, falls hier kein Platz
vorbanden ist oder die Übersichtlichkeit leidet, auf Schaltpulten ange-
ordnet werden, die vor den Schalttafeln aufgestellt sind. Auf diesen
Schaltwänden bzw. Schaltpulten befindet sich dann auch meist ein Schalt-
bild der Anlage.
Buchhold /Happoldt, Elektrieche Kraftwerke, 3. Auf!. 21
322 Schaltanlagen

E. Das Bedienungsschaltbild
Es ist unbedingt notwendig, daß der Schaltwärter einer Schaltanlage
sich jederzeit über den Schaltzustand der Anlage bzw. des Netzes ein
Bild machen kann. Hierzu dient das Bedienungsschaltbild. Es ist dies
ein Schaltbild, welches in vereinfachter Form auf den Instrumenten-
tafeln oder auf einem Pult der Schaltwarte angebracht ist. Das Bedie-
nungsschaltbild kann aufgemalt oder die Leitungen können durch
farbige Leisten gekennzeichnet sein. An dem Schaltbild muß der Wärter
jederzeit erkennen können, ob ein Schalter ein- bzw. ausgeschaltet ist.
Dies kann z. B. durch Zeigermelder, auch Schauzeichen genannt, erfolgen.
Ein solcher Zeigermelder besteht z. B. aus einem dünnen, schmalen
Rechteck (schwarzer Strich}, welches drehbar angeordnet ist. Befindet
sich der schwarze Strich in Richtung des Leitungszuges, so heißt dies,
daß der zugeordnete Schalter geschlossen ist
(Abb. 331 a). Steht der Zeigermelder dagegen
senkrecht zur Leitungsrichtung(s. Abb.331 b},
so ist der entsprechende Schalter geöffnet.
Zur Betätigung des Zeigermelders dient
ein kleiner Elektromagnet mit einer Ein- und
einer Aus-Spule. Das Schauzeichen ist also
Ein Aus J/J:f.1eo:f.~ sowohl in der Ein-, als auch in der Aus-
a b c Stellung stromdurchflossen. Liegt jedoch im
Abb. 331a-c. Schalterstellungs- Meldekreis ein Schaden vor, so daß der
anzeiger im Blindschaltp!an.
Zeigermelder stromlos ist, dann wird durch
die Federkraft der Zeiger in eine schräge L!lge (Abb. 33lc}, welche
Störung bedeutet, gebracht. Um die Lage des Zeigermelders in Über-
einstimmung mit der Lage des zu meldenden Schalters (Trenner- oder
Leistungsschalter) zu bringen, müssen vom Zeigermelder zum Leistungs-
schalter Meldeleitungen verlegt sein. Am Schalter selbst sind Hilfskon-
takte vorzusehen, durch welche je nach dem Schaltzustand die Ein-
oder Aus-Spule des Zeigermelders stromdurchflossen ist. Zur besseren
Unterscheidung werden für Trenner und Leistungsschalter meistens ver-
schieden große Zeigermelder angewendet.
Statt Stellungszeiger kann man im Leitungszug auch zwei verschie-
denartige Lampen anordnen. Leuchtet z. B. die rote auf, dann heißt dies
"Schalter ein" leuchtet dagegen die grüne, so bedeutet dies "Schalter
aus"
Obwohl man mit den b1s jetzt beschriebenen Meldeeinrichtungen den
Schaltzustand der Anlage genau nachbilden kann, ist es jedoch leicht
möglich, daß, falls ein Leistungsschalter infolge Überlastung ausfällt,
dies vom Schaltwärter überhaupt nicht bemerkt wird, da im Blindschalt-
bild meist eine Reihe von Schaltern ausgeschaltet ist. Maukat deswegen
Das Bedienungsschaltbild 323
noch zusätzliche Einrichtungen vorzusehen, etwa eine Hupe, die ertönt;
falls der Schaltzustand der Anlage sich ändert und die vom Wärter ab-
geschaltet werden kann, nachdem er von der Schaltänderung Kenntnis
genommen hat. Aber auch in diesem Falle ist es bei umfangreichen
Schaltungen nicht einfach, herauszufinden, welcher Leistungschalter ge-
fallen ist.
Einfach wird das Auffinden eines gefallenen Schalters, falls man
im Blindschaltbild Melde- oder Quittungsschalter benutzt. Es sind
dies kleine, im Blindschaltbild angebrachte Knebelschalter, die, falls
"Schalter ein" in Richtung des Leitungszuges, falls "Schalter aus"
jedoch senkrecht hierzu stehen. In Verbindung mit einem solchen Melde-
schalter ist noch eine Lampe erforderlich,
die z. B. im Meldeschalter selbst ange-
bracht sein kann. Diese Lampe brennt
z. B. ruhig, wenn die· Stellung des Melde-
schalters der tatsächlichen Stellung des
Leistungsschalters entspricht. Fällt jedoch
der Leistungsschalter aus, so wird, da der
Meldeschalter noch in der Einschaltstellung
sich befindet, die zugeordnete Meldelampe
blinken und dem Schaltwärter zeigen, daß
der Leistungsschalter ausgefallen ist. Wenn
er jetzt den Meldeschalter in die Aus-
stellung bn'ngt, Wl'rd dl'e Meldelampe Abb. 332. Blindschaltplan für Schalt-
warten mit Schalterstellungsanzeiger.
wieder ruhig brennen, da jetzt die Stellung
des Meldeschalters mit der des Leistungsschalters wieder übereinstimmt.
Der Vorteil dieses Systems besteht darin, daß normalerweise sämtliche
Kennlampen ruhig brennen. Blinkt jedoch eine Lampe auf, so weiß der
Wärter sofort, daß hier der Schaltzustand geändert wurde. Er "quittiert"
die Kenntnisnahme, indem er die Stellung des Schalters mit dem jetzt
vorhandenen Schaltzustand in Übereinstimmung bringt. Man kann
einen solchen Melde- bzw. Quittierschalter auch mit einem Steuer-
schalter vereinigen.
Abb. 332 zeigt einen einfachen Blindschaltplan für ein Doppel-
schienensystem, auf welches zwei Generatoren G 1 und G 2 arbeiten.
Zwischen jedem Generator und den Sammelschienen sind ein Leistungs-
schalter und zwei Trenner vorgesehen. Im Blindschaltplan ist die
Stellung der Trenner durch die Zeigermelder T 1 und T 2 dargestellt,
während die Stellung des Leistungsschalters durch den Knebel des
Steuerquittierschalters S zu ersehen ist. Stimmt die Stellung des Steuer-
quittierschalters mit der tatsächlichen Stellung des Leistungsschalters
überein, so ist der Knebel von innen ruhig beleuchtet, während er bei
Nichtübereinstimmung Blinklicht erhält. Soll beispielsweise der Leistungs-
21*
324 Schaltanlagen

schalter des Generators 2, der zunächst eingeschaltet ist, ausgeschaltet


werden, so wird der Knebel des Steuerquittierschalters S in die gezeich-
nete Querstellung gebracht. .Jetzt erscheint ein Blinklicht, weil die
Stellung des Steuerquittierschalters nicht mit der des Leistungsschalters
übereinstimmt. Man kann den SchalterS so ausbilden, daß man den
Knebel etwas in Achsrichtung bewegen und dann etwas über die Quer-
stellung hinaus gegen eine Federkraft drehen kann. Hierbei wird ein
Steuerschalter betätigt, der den Leistungsschalter ausschaltet. Sowie
man den Knebel losläßt, geht er wieder in die Querlage zurück und da
der Leistungsschalter ausgeschaltet ist, hat der Knebel jetzt ruhiges Licht.
=~===;:::=• Um Fehlschaltungen
11 zu vermeiden, insbeson-
dere z. B. das Schalten
der Tre1mer unter Last,
werden bei deren An-
trieben entweder W am-
oder Verriegelungsein-
richtungen angebracht,
so daß diese Trenner
· weder am Aufstellungs-
! + - ort noch fern betätigt
L. __________ _] werdenkönnen. Abb. 333
Abb. 833. Grundschaltung der elektropneumatischen Verriegelung
zeigtdie Schaltungs- und
zwischen Trennschalter und Leistungsschalter in einer Schaltanlage
mit Doppelsammelschienen.
Wirkungsweise einesein-
1 Trennschalter mit Druckluftantrieb, 2 Leistungsschalter,
fachen Verriegelungsbei-
3 Steuersatz (Steuerdoppelventil mit Entriegelungsmagnet),
4 Steuerblock.
spieles. Die Sammel-
schienentrenner mit Druckluftantrieben 1 werden mittels der pneu-
matischen Steuersätze 3 betätigt. Die pneumatischen Steuersätze sind
zusätzlich mit 3 Sperrmagneten ausgerüstet, d. h., die Betätigung der
Steuersätze ist nur möglich, wenn der zum Abzweig gehörende Leistungs-
schalter .z ausgeschaltet ist. Weiterhin ist die Verriegelung so durch-
gebildet, daß immer nur der Trenner zur Sammelschiene I oder zur
Sammelschiene 11, aber nie beide eingeschaltet werden können. Um
dies zu erreichen, sind die elektrischen Leitungen der Sperrmagnete über
Hilfskontakte des Leistungsschalters und der Trenner geschaltet. Wie
aus der Schaltung zu entnehmen ist, erfolgt die Freigabe der Trenner-
betätigung nur bei erregtem Sperrmagnet. Störungen, wie z. B. Aus-
bleiben der Hilfsspannung oder Drahtbruch, können also eine fehler-
hafte Freigabe der Verriegelungseinrichtung nicht herbeiführen.
In Abb. 334 ist die Schaltung einer Trenner-Verriegelung für eine
Schaltanlage mit Doppelsammelschienen und einen für alle Abzweige
gemeinsamen Kuppelschalter angegeben, wobei folgende normal übliche
Verriegelungsbedingungen erfüllt werden:
Das Leuchtschaltbild und der elektrische Schaltfehlerschutz 325
a) Bei offenem Kuppelschalter kann von den Sammelschienentrennern immer
nur einer geschaltet werden; seine Betätigung ist nur bei offenem Leistungsschalter
möglich. Der unterbrechungslose Sammelschienenwechsel durch die Trenner ist
nur bei geschlossenem Kuppelschalter möglich.
b) Die Sammelschienentrenner des Kuppelschalterabzweiges können nur bei
offenem Kuppelschalter geschaltet werden.
c) Der Leitungstreuner ist nur bei offenem Leistungsschalter dieses Abzweiges
schaltbar.
Transformator

Abb. 334. Elektropneumatische Verrlegelungsschaltung zwischen Trennschalter, Leistungsschalter


und Kuppelschalter in einer Schaltanlage mit Dopprlsamme!Echienen.

F. Das Leuchtschaltbild und der elektrische


Schaltfehlerschutz
Bei großen Schaltanlagen kommt der Leuchtschaltplan in Frage,
weil eine Bedienungstafel in der üblichen Ausführung mit normalen Meß-
geräten und Bedienungsbild eine zu große Baulänge erfordert und da-
durch unübersichtlich wird.
Beim Leuchtschaltplan wird der einpolige Schaltplan der Hochspan-
nungsanlage auf einer Glasplatte, hinter der den Linienzügen folgend
Lampen (40 V) angeordnet sind, leuchtend dargestellt. Die Beleuchtung
erfolgt in Abhängigkeit der Schalt- und Spannungszustände. An Stelle
der normalerweise verwendeten Zeigerinstrumente werden sog. Schatten-
pfeilmeßgeräte in den Leitungszug eingefügt, wobei bis zu 4 Meßwerke
in einem Gehäuse von etwa 100 mm Breite und 200 mm Höhe unter-
gebracht werden können. Die Länge eines Leuchtschaltplanes ist daher
nur etwa 1/ 3 der einer entsprechenden Bedienungstafel, was eine bessere
Übersicht über den Schaltzustand der ganzen Anlage gewährt.
Bei umfangreichen Fernsteuerungen oder verwickelten Verriegelungs-
möglichkeiten ist der elektrische Schaltfehlerschutz das Gegebene, wobei
326 Schaltanlagen

ein Prüfsatz jede beabsichtigte Schalthandlung vorher auf Zulässigkeit


hin untersucht. Der elektrische Schaltfehlerschutz wird häufig in Ver-
bindung mit einem Leuchtschaltplan angewandt, da dieser gestattet,
nicht nur den Schalt-, sondern auch den Spannungszustand der Anlage
darzustellen. Jede Änderung des Schaltzustandes wird durch Blinken
aller betroffenen Anlageteile deutlich sichtbar.
Der elektrische Schaltfehlerschutz verhindert jede unzulässige Schalt-
handlung und schützt dadurch die Anlage vor Schäden, die z. B. durch
das Ausschalten eines Trennschalters unter Last entstehen könnten. Vor

Abb. 335. Warte eines Pumpspeicherwerks mit Leuchtschaltplan und Bedienungspult.

der Ausführung einer Schalthandlung wird der Steuerschalter auf Prüf-


stellung gedreht. Die automatische Prüfeinrichtung stellt fest, ob die
Schaltung zulässig ist oder ob sie nicht zulässig ist und gibt demzufolge
auf Leuchtmeldern die Meldung "frei" oder "verriegelt". Würde trotz
der Meldung "verriegelt" der Schaltwärter den Steuerbefehl weitergeben,
so verhindert der Schaltfehlersohutz, daß der Steuerbefehl ausgeführt
wird und meldet durch Hupensignal den Fehler.
Zur Steuerung der Anlage wird vor dem Leuchtschaltplan ein Be-
dienungspult, welches alle Steuer-, Synchronisier- und sonstigen HUfs-
schalter enthält, aufgestellt. Außerdem können in diesem Pult die An-
triebe für die Nebenschlußregler eingebaut werden.
Die Hilfsschütze und Hilfsfernschalter für den elektrischen Schalt-
fehlerschutz werden zweckmäßigerweise in ein Gerüst montiert, das in
einem Raum unterhalb der Warte aufgestellt wird. Die Hilfsschütze und
Hilfsfernschalter erhalten meistens noch zusätzliche Kontakte. um damit
Fernmelde-und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsversorgungsbetrieb 327

z. B. die Sekundärspannung für Meßgeräte umschalten zu können. Man


spart dadurch hauptsächlich bei großen Freiluftanlagen eine erhebliche
Anzahl von Kabeladern.
Ein Leuchtschaltplan ist nicht nur bei modernen Schaltanlagen an-
gebracht, sondern kann alJ.ch vorteilhaft für Lastverteiler Anwendung
finden, wobei in dem Leuchtschaltplan das gesamte Netz leuchtend nach-
gebildet ist. Weitere Anwendungsgebiete ergeben sich bei Industriean-
lagen, Getreidespeichern, Mühlen, Schleusen, Aufbereitungsanlagen, Gleis-
anlagen, wie überhaupt bei allen Anlagen mit den verschiedensten Förder-
und Leitungswegen, die dadurch leicht überblickt werden können.
Abb. 335 zeigt die Warte eines Pumpspeicherwerkes mit Leucht-
schaltplan und Bedienungspult.

XV. Fernmelde- und Fernwirktechnik für den


Elektrizitätsversorgungsbetrieb
Der Elektrizitätsversorgungsbetrieb ist heute nur noch durchführbar,
wenn sich die einzelnen Betriebsstellen jederzeit über alle Vorkommnisse
und zu ergreifenden Maßnahmen verständigen können und insbesondere
die für die Betriebsführung vorgesehenen Stellen einerseits über alles
Wichtige schnellstens unterrichtet werden und andererseits die Möglich-
keit besitzen, indirekt (d. h. durch Anweisung an Zwischenstellen) oder
direkt (durch Fernsteuerung von Maschinen, Fernbetätigen von Schaltern
usw.) in den Betrieb einzugreifen.
Die Mittel einerseits zur Unterrichtung und Verständigung und
andererseits zum Einwirken auf den Betrieb werden alsFernmelde-und
}'ernwirkanlagen bezeichnet. Sie bedienen sich im allgemeinen der Mittel
und Kanäle der normalen Fernmeldetechnik, die aber im Hinblick auf die
besonderen Bedürfnisse des Elektrizitätsversorgungsbetriebes nach Über-
tragungssicherheit und Sicherheit gegen die Verfälschung von Nach-
richten und Befehlen eine Sonderausgestaltung erfahren haben.
Die Betriebsbedingungen für die Nachrichtenmittel weichen im
Elektrizitätsversorgungsbetrieb von den Gepflogenheiten z. B. des öffent-
lichen Fernsprechbetriebes weitgehend ab. Bei Hochspannungsstörungen
haben alle Gespräche und Nachrichtenübermittlungen, die zur Störungs-
behebung und zur Durchführung von Schaltmaßnahmen dienen, den
unbedingten Vorrang gegenüber anderen Übermittlungsbedürfnissen.
Wartezeiten in der Nachrichtenübermittlung würden sich in langen
Stromlieferungsunterbrechungen und mit großem wirtschaftlichen Nach-
teil nicht nur für die Elektrizitätslieferer, sondern vor allem für die
von der unterbrochenen Elektrizitätslieferung abhängigen Betriebe aus-
wirken.
328 Fernmelde- und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsversorgungsbetrieb

So sind mit zunehmender Intensivierung der Elektrizitätsversorgung


und besonders durch den Zusammenschluß von Versorgungsunternehmen
zu großen Verbundnetzen sehr ausgedehnte betriebseigene Fernmelde-
und Fernwirkanlagenetze erstellt worden, die sozusagen das Nerven-
system der großen Verbundnetze darstellen. Selbstverständlich stützt
sich der Betrieb auch noch auf das öffentliche Fernsprechnetz, an das
in der Regel alle in Frage kommenden Betriebsstellen angeschlossen
sind.

A. Übertragungskanäle
a) Niederfrequenzkanäle über Drahtleitungen
Zur Übertragung der Nachrichten werden grundsätzlich alle Möglich-
keiten und Wege verwendet, die auch in normalen Fernmeldeanlagen
benutzt werden. Die gewöhnliche Telefon{reileitung tritt trotz ihrer
Billigkeit wegen der ungenügenden Betriebssicherheit mehr und mehr
zurück. In Nieder- und Mittelspannungsnetzen werden noch Fernmelde-
Freileitungen, die auf den Hochspannungsmasten unterhalb der. Hoch-
spannungsleiter verlegt sind, benutzt. Dabei müssen besondere Vor-
kehrungen gegen die Beeinflussung der Fernsprechleitung durch Span-
nung und Strom der Hochspannungsleitung getroffen werden. Durch
die Hochspannung wird die Fernmeldeleitung elektrostatisch
beeinflußt. Die Ladeströme werden durch Erdungsdrosseln abgeführt.
Im Normalbetrieb, d. h. bei symmetrischer Strombelastung der 3 Phasen
und symmetrischer Lage der Fernmeldeleitung zu den 3 Hochspannungs-
leitern (regelmäßige Verdrillung) heben sich die durch induktive Beein-
flussung in der Fernmeldeleitung entstehenden Längsspannungen auf.
Tritt dagegen ein Doppelerdschluß so auf, daß die Hochspannungsleitung
bevorzugt wie ein einziger Leiter mit sehr große~ Strom wirkt (während
sich der Stromkreis über andere weiter abliegende Wege schließt), so
können erhebliche Längsspannungen und bei nicht symmetrischer Lage
der Fernsprechleiter zum stromführenden Hochspannungsleiter auch
Querspannungen auftreten. Die Fernmeldeleitung muß also durch Über-
trager abgeriegelt werden, deren Isolation der größten auftretenden
Spannung gewachsen ist. Um die Spannung zu begrenzen, werden außer-
dem Überspannungsahleiter eingebaut, die in Verbindung mit Schmelz-
sicherungen die Übertrager vor Überlastung schützen. Die in dem ge-
schilderten Fall auftretenden Querspannungen werden durch häufiges
Auskreuzen (Symmetrieren) der Fernsprechadern auf ein erträgliches
Maß herabgesetzt.
In neuerer Zeit werden solche, insbesondere vorhandene Telefonfreileitungen
auf Hochspannungsgestängen auch mit Trägerstromkanälen zusätzlich belegt. Da.
der unmittelbar durch die Hochspannungsleitung verursachte Störpegel (Ober-
wellen von 50 Hz) vorwiegend im Niederfrequenzbereich liegt. haben die Trägar-
stromkanäle eine fühlbare Verbesserung mit sich gebrarht. Diese Möglichkeit
Übertragungskanäle 329

besteht vor allem dann, wenn die Telefonadern nicht aus Eisen, das bei hoher
Frequenz erhebliche Dämpfungen besitzt,sondern aus Kupfer oder Bronze bestehen.
Für Fernmeldekabel im Einflußbereich von Hochspannungsleitungen
entfallen die elektrostatische Beeinflussung (wegen des leitenden und
geerdeten Mantels) und die Querspannungen (wegen der durch den Kabel-
aufbau erreichten Symmetrie), dagegen können auch hier im Doppel-
erdschlußfan erhebliche Längsspannungen auftreten, deren Höhe beim
Aufbau der Anlage berücksichtigt und gegen die Maßnahmen zum Schutz
des Kabels und der angeschlossenen Verbraucher getroffen werden
müssen.
Kabel werden heute im Elektrizitätsversorgungsbetrieb sowohl als
Erdkabel (hohe Anlagekostcn) wie als Luftkabel auf dem Hochspannungs-
gestänge und zum Teil als Blitzseilkabel verwendet. Die Kabel haben
mit der größeren Leitungskapazität auch größere Dämpfung, die durch
Einschaltung von Induktivitäten (Pupinspulen) herabgesetzt werden
kann. Dabei wird jedoch der für die Übertragung ausnutzbare Frequenz-
bereich eingeengt und zwar um so mehr, je größer die Spulenfeldlängen
und die eingeschalteten Induktivitäten sind. In neuerenAnlagen pupini-
siert man daher weniger stark oder verzichtet ganz darauf, um die Kabel
durch zusätzliche Trägerstromkanäle mehrfach ausnutzen zu können.
Die höchste Ausnutzbarkeit erreichen Breitbandkabel, die im allge-
meinen als Koaxialkabel verlegt werden. Als Hinleitung dient eine Ader,
als Rückleitung der konzentrisch zu ihr liegende Kabelmantel.

b) Trägerstromkanäle
Verändert man die Höhe einer Hochfrequenzspannung Up von der
Kreisfrequenz Wp, d. h. Up = A · sinwp · t (Abb. 336a) nach einem
niederfrequenten Gesetz (Abb. 336b) sin WN t z. B. durch einen ver-
änderlichen Widerstand, durch ein Mikrophon ode-r einen sonstigen
Modulator, so kann die sich daraus ergebende Spannung geschrieben
werden als
Ures = A [l - m sin WN t] · sin Wp t . (Abb.336c)
Hieraus ergibt sich
Ures= A sinwp t -
m
2 cos (wp-WN) t + 2m cos (Wp + WN) t,
d.h. neben der ursprünglichen Hochfrequenz A · sinwp t (Trägerfrequenz)
treten noch zwei weitere Frequenzen auf, die um die Frequenz WN nied-
riger und höher als die Frequenz der Trägerschwingung liegen. Beim= 1
(Modulgrad 100%) ist die Amplitude jeder dieser beiden "Seitenfre-
quenzen" halb so groß wie die Amplitude der ursprünglichen Träger-
schwingung. Wird unter WN nicht eine einzige Frequenz sondern ein
ganzes Frequenzband (z. B. Sprechband von 0,3-2,4 kHz) verstanden,
330 Fernmelde-und Fernwirktechnik fiir den Elektrizitätsversorgungsbetrieb

so spricht man von dem oberen und unteren Seitenband und bei Mit-
übertragung dieser beiden Seitenbändern von Zwei-Seitenbandanlagen.
Man kann auf diese Weise Nachrichten, die durch Frequenzen im
Niederfrequenzband dargestellt werden, bequem in eine andere zur
Übertragung gut geeignete Frequenzlage umsetzen. Auf der Gegenseite
werden die Nachrichten durch einen analogen Vorgang in das Nieder-
frequenz band zurückversetzt.
i,
Will man mehrere Nachrich-
a ~~Av~AVA;v\AvA#vAJfvAvAvAvAvAJ\A? A
tenverbindungen erstellen, so
kann man die Umsetzung aus
dem Niederfrequenzband in
L"<K ~ verschiedene Lagen des Hoch-
b 7 ""'=/ frequenzbandes verlegen und
so über eine einzige Draht-

,~l'
leitung mehrere Fernmelde-
kanäle ohne gegenseitige Stö-
rung nebeneinander übertra-
gen. Auf der Empfangsseite

d rrffn-~l~]K~lh·nnrnnl~!A werden die einzelnen Über-


tragungsbänder durch Filter
wieder voneh1ander getrennt
und danach unabhängig von-
e / "'=/ einander wieder in die Nieder-
Abb. 336 a-e. Modulation der Hochfrequenz. frequenzlage zurückversetzt.
a Trägerfrequenz, b Niederfrequenz, c Modulation der Durch mehrstufige Modulation
Hochfrequenz, d Gleichrichtung der modulierten Hoch- S
frequenz, e Heraussiebung der Niederfrequenz. gelingt es außerdem ein eiten-
band und ganz oder teilweise
auch die Trägerfrequenz zu unterdrücken und trotzdem auf der Gegen-
seite durch Zusatz oder Verstärkung der Trägerfrequenz das Nieder-
frequenzband wieder herzustellen. Bei diesen "Ein-Seitenbandanlagen"
wird auch in der hochfrequenten Übertragungslage praktisch nur die
gleiche Bandbreite in Anspruch genommen wie im Niederfrequenzband.
Die Zwei- Seitenbandtechnik ist einfacher und billiger und wird daher
in Netzen mit geringen Verkehrsbedürfnissen und weniger dichter
Frequenzbelegung angewandt. Die Ein-Seitenbandanlagen sind ver-
wickelter und bringen neben der Ersparnis an Frequenzband (was der
Anzahl der max. einsetzbaren Kanäle 7ugute kommt) eine fühlbare
Verbesserung der Übertragungsverhältnisse durch Fortfall des an der
eigentlichen Nachrichtenübertragung nicht beteiligten Trägers und
Konzentrierung der Nachrichten auf ein Seitenband (geringere Beein-
flussung durch Störspannungen).
Sehr große Bedeutung für die Elektrizitätsversorgung hat die Träger-
frequenzübertragung auf den Hochspannungsleitungen selbst erlangt.
Trägerstromk anäle 331
In einer nunmehr 35-jährigen Entwicklung hat sie sich zu einem der
sichersten und verbreitetste n Nachrichten mittel der Elektrizitäts versor-
gungsuntern ehmen über große Entfernunge n entwickelt. Das benutzte
Frequenzba nd reicht von ca. 40-375 kHz. Sender und der Empfänger
auf der Gegenseite werden über Kopplungsko ndensatoren, die für die
volle Betriebsspan nung der Hochspannu ngsleitung isoliert sind, an die
Hochspannu ngsleitung selbst angeschlossen und über sie miteinander
verbunden. Die. Kopplung erfolgt unter Zuhilfenahm e von Anpassungs-
einrichtunge n, die einerseits den Wellenwider stand des Zuführungsk abels

7
z. TFH-G'ci'Öf

1 Ooppc!phoscn-Kopplung L Zwischcn-ßysfcm-Kopplung
-i 1-Kopplungs-Kono'cnsofol' ,..,..,...,..._HF-J'perl'c CJ Lcifungsiibcf'fl'ogcl'
(Ankopplungsgcl'iif)
Abb. 337. Kopplungsarten.

dem der Hochspannu ngsleitung anpassen und andererseits den Blind-


widerstand der Köpplungsk ondensatore n kompensieren. Die Bandbreite
dieser Anordnunge n hängt ab von der Größe der Kopplungsk apazität
je Phase und der absoluten Lage der Frequenz im Frequenz band. Bei
niederen Frequenzen werden größere Kopplungsk apazitäten benötigt,
um die gleiche Bandbreite bei gleicher Dämpfung durchlassen zu können.
Folgende Kopplungsa rten werden angewandt: (Abb. 337)
a) Die Hochfrequenzgeräte liegen einerseits an Erde und andererseits an einem
Drehstromleit er (einer "Phase"): Einphasenkopplung.
b) Die früher angewandte Doppelphasenkopplung (Schaltung zweier zu ver-
schiedenen Drehstromsys temen gehörenden Leiter gegen Erde) wird heute nur in
Ausnahmefällen angewandt.
c) Die Hochfrequenzgeräte sind zwischen 2 Leitern der gleichen Drehstrom-
leitung angekoppelt, so daß der eine Leiter die Hin- und der andere die Rück-
leitung darstellt: Zwischenphasenkopplung.
d) Die Hochfrequenz geräte liegen zwischen je einem Leiter zweier auf den
gleichen Masten verlegten Drehstromsys teme: Zwischensystemkopplung.
Bei der Einphasen- und Doppelphase nkopplung (a u. b) erfolgt die
Rückleitung nur scheinbar über die Erde, deren Hochfrequen zwiderstand
332 Fernmelde- und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsversorgungsbetrieb

relativ groß ist. In Wirklichkeit gehen die Hochfrequenzströme in einiger


Entfernung der Erdgeräte über die Erd-Kapazität der nicht ge-
koppelten Leiter auf diese nicht gekoppelten Leiter über, die dann die
Rückleitung übernehmen. Die damit verbundene Dämpfung und weitere
Verluste durch sich auf den nicht gekoppelten und nicht gesperrten
Leitern ausbildenden stehenden Wellen verschlechtern den Wirkungsgrad
dieser Kopplungsarten. Die symmetrischen Kopplungen (c u. d) ver-
meiden diese Verluste, verteuern aber die Anlage durch den doppelten
Aufwand an Kondensatoren, Sperren und u. U. Ankopplungsübertra.gern.
Die Zwischensystemkopplung (d) erlaubt die Aufrechterhaltung der
Nachrichtenübertragung selbst dann, wenn eine der beiden angekoppelten
Drehstromleitungen abgeschaltet, unterbrochen und auf der Strecke
geerdet ist. Sie wird daher in allen Fällen bevorzugt, in denen es auf
eine besonders sichere Übertragung ankommt, z. B. bei Mehrzweck-
Übertragungen und Mitübertragung der Schnelldistanzschutz-Auslöse-
befehle für beide Drehstromleitungen (vgl. Abschn. XVI).
Um die Übertragung von Schalthandlungen in den Werken unab-
hängig zu machen und insbesondere auch dann aufrecht erhalten zu
können, wenn die Leitungen im Werk fest geerdet werden, werden in
alle Abgänge von den für die Hochfrequenzübertragung benutzten An-
lageteile in andere Teile der Hochspannunganlage Hochfrequenzsperren
eingebaut. (Abgänge in Schaltanlagen, Zwischenleitungen usw.). Die
Sperren werden als abgestimmte Sperren für zwei bestimmte Frequenz-
bänder mit einer Induktivität von ca. 0,18 mHy und als Breitbandsperre
(Induktivität ca. 1,8 mHy) gebaut. Sie müssen allen durch den Betriebs-
strom verursachten Belastungen (Dauerstrom, kurzzeitige thermische
Überlastung und Stoßkurzschlußstrom) gewachsen sein. Sie werden
außerdem mit Überspannungsleitern ausgerüstet, die die Ahatimmittel
vor den bei Wauderwellen auftretenden Überspannungen schützen.

c) Drahlose Übertragung
Die Technik der Ultrakurzwellen hat für die Elektrizitätsversorgung
ebenfalls neue Wege eröffnet. Rundstrahlende Sender erlauben es, in
großen Bezirken die zur Störbehebung eingesetzten Trupps und Fahr-
zeuge jederzeit zu erreichen. Dadurch können die durch die Leitungs-
störungen bedingten Lieferpausen erheblich herabgesetzt werden. Die
Mitbenutzung solcher UKW-Anlagen für die Übermittlung von Meß-
werten, Schaltermeldungen und Schaltbefehlen ist inzwischen bereits
verwirklicht worden.
Für sonstige große Nachrichtenbündel wird auch die Richtstrahl-
technik im cm- und dcm-Bereich eingesetzt und erscheint bezüglich
Betriebssicherheit und Anlagekosten konkurrenzfähig.
Fernsprechen 333

Welche Kanalart für eine jeweils vorliegende Aufgabe die geeignete


ist, richtet sich nach den Kosten, den vorliegenden Ansprüchen an Be-
triebssicherheit, Erweiterungsfähigkeit und evtl. nach der Verfügbarkeit
von Übertragungsbändern (Trägerfrequenz und UKW).
In Netzen starker Zusammenballung von E.rzeugern und Abnehmern
großer Energie können teuere Fernmeldenetze großer Übertragungs-
kapazität wirtschaftlich sein, auch wenn ihre Anlagekosten relativ hoch
sind (Erdkabel), während in anderen Bezirken großer Entfernung mit
ländlichen Abnehmern nur eine einfache Trägerfrequenzanlage auf
Hochspannungsleitung oder eine Fernmeldeleitung am Hochspannungs-
gestänge angebracht erscheint.
Bei allen Nachrichtenverbindungen nimmt die zur Übertragung ein-
gesetzte Senderenergie auf dem Wege bis zum Empfänger ab. Sie kann
unter Umständen durch Zwischenverstärkung wieder angehoben werden.
Die Reichweite ist begrenzt durch den am Empfangsort im Übertragungs-
band vorhandenen Störpegel, der durch atmosphärische Verhältnisse,
durch störende Maschinen, durch von der Hochspannungsleitung selbst
herrührende Hochspannungsstörfelder verursacht wird. Im allgemeinen
liegt dieser Störpegel bei Hochspannungsleitungen höher als bei Leitungen
geringer Spannung. Mit modernen Mitteln sind aber heute bereits
Trägerstromübertragungen auf 380 kV-Leitungen von mehreren hundert
Kilometer Länge betriebssicher erstellt worden.

B. Fernsprechen
Die am vielseitigsten verwendbare Nachrichtenverbindung, die dem
entsprechend im weitesten Umfang eingesetzt wird, ist die Fernsprech-
anlage. Wenn mit Gleichstrom ausnutzbare Drahtleitungen, wie z. B.
innerhalb des Postnetzes, vorliegen, werden Zentralbatterie- (Hand-
betätigungssystem) oder auch normale Wähler-Anlagen mit Gleichstrom-
wahl und Wechselstromruf eingesetzt. Müssen die Leitungen abgeriegelt
werden, so genügt bei Handbetrieb die OB (Ortsbatterieanlage) mit
Wechselstromruf und Wechselstromschlußzeichen und gegebenenfalls
bei Wählanlagen die Induktiv- oder Wechselstrom-Wahl. Für Träger-
frequenz auf Hochspannungsleitungen haben sich verschiedene Verkehrs-
arten entwickelt. Dazu gehören zunächst die Einzelverbindungen,
bestehend aus lediglich zwei Endgeräten, die durch Hochfrequenz mit-
einander verbunden sind, aber auf der Niederfrequenz mit anderen
Fernsprechanlagen zusammengeschaltet werden können. Dabei ist
jedem Gerät eine feste Sendefrequenz zugeordnet, der auf der anderen
Seite die Empfangsfrequenz entspricht. InAnlagen mit mehr als 2 Hoch-
frequenzgeräten in einem Hochfrequenzbezirk kann mit Hilfe von
Frequenzwechsel der beliebige Untereinanderverkehr zwischen je zwei
334 Fernmelde-und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsversorgungsbetrieb

Stationen ermöglicht werden. Eine Sonderstellung nimmt der Linien-


verkehr ein, bei dem 2 Endgeräte dauernd senden, während die im Zuge
einer Linie liegenden anderen Stationen mit modulierbaren Zwischen-
verstärkern ausgerüstet sind. Die zunehmende Intensivierung des Netz.
betriebes bringt die Beschränkung der Sprechbezirke auf zwei Endgeräte
mit sich, die dann oft nicht nur zur Übertragung des Fernsprech- und
des Ruf-Kanals sondern auch zu Übertragung von anderen Diensten,
Fernmessung, Fernsteuerung usw. mit herangezogen werden. Derartige
Verbindungen werden als normale Weitverbindungen in große Netz-
gruppensysteme mit selbsttätigen Wähleinrichtungen eingesetzt. Trotz
dieser Eingliederung in den normalen Betrieb werden i~mer Vorkeh-
rungen getroffen, um das Fernsprechnetz erforderlichenfalls für den
Schalt- und Störbehebungs-Dienst verfügbar zu machen.

C. Fernschreiben
Als allgemeines Nachrichtenmittel, die jede Art Nachrichten, jedoch
mit schriftlichem Beleg zu übertragen gestattet, ist "der Fernschreiber
zu nennen. Die Übertragung erfolgt über einen normalen Hin- und
RücktelegrafiekanaL Die zu übertragenden Zeichen (Buchstaben, Ziffer
usw.) werden nach einem Code in Impulsen dargestellt, nach denen z. B.
eine oberhalb des Sprachbandes liegende Tonfrequenz getastet, d. h.
ein- und abgeschaltet wird. Die Impulse werden auf der Gegenseite
empfangen und in den Fernschreibmaschinen wieder in druckbare Buch-
staben und Ziffern umgesetzt. Wichtige Stationen werden teils über
das öffentliche teils über das betriebseigene Fernschreibnetz verbunden.

D. Fernmessen
Werden mehrere Versorgungsnetze zusammen geschaltet, so entstehen
Probleme über den Maschinen- und Leitungseinsatz. Um die Austausch-
leistungen nach vereinbarten Plänen einstellen zu können, muß man
über die an den Übergabestellen fließenden Leistungen am Ort der
Maschine oder am Ort des Lastverteilers laufend unterrichtet sein.
Hierfür sind Fernmeßanlagen entwickelt worden.

a) Gleichstrom-Intensitätsverfahren
Durch in der Zwischenzeit neu entwickelte Meßwertumformer Abb. 338
wird eine beliebige in ein Drehmoment umsetzbare Meßgröße durch das
Gegendrehmoment eines sich selbsttätig einregelnden Gleichstromes
kompensiert, der über eine Fernleitung in einem normalen Drehspul-
instrument mit entsprechender Eichung angezeigt wird. Diese Meß-
wertumformer sind besonders geeignet, wenn es nötig ist, aus mehreren
Werten eine Summe oder Differenz zu bilden. Da es sich um eingeprägte
Gleichströme handelt, können die Ausgänge derartiger Meßwertum-
Impuls-Frequenzverfahren 335

former, gleiche Wertigkeit des abgegebenen Gleichstroms vorausgesetzt,


zusammengeschaltet werden. Der Gesamtstrom stellt dann die Summen-
größe dar. Sind die Wertigkeiten
verschieden, so kann man die
Meßwertumformerströme durch
Widerstände verschiedener Größe
leiten, die ihrerseits hintereinan-
der geschaltet sind. Die Summe
der Spannungsabfälle an den
Widerständen stellt dann die
Summengröße dar, die dann durch
entsprechendeEinrichtungenü ber
eigentliche Fernmeßanlagen wei- -6++10-

ter übertragen werden.


Im allgemeinen werden über
große Entfernungen nur Über-
tragungen angewandt, dieintensi-
Abb. 338. Wirkungsweise des Meßwert-Umformers.
tätsunabhängig sind. Zwei Ver- 1 Richtkraftloses Leistungsmeßwerk; 2 Richtkraft-
fahren haben sich herausgebildet loses Drehspulmeßwerk; 3 Tauchspule; 4 Erregung
fiir Tauchspule mit Netzfrequenz; 5 Verstärker-
und zwar: schaltung; 6 Anodenspannung (vomNetzo.nschluß-
teil); 7 Glättungskondensator; 8 Fernleitungen;
b) Impuls-Frequenzverfahren 9 Drehs pul-Anzeige- oder Registrierimtrument;
10 ZusatzgleichspannuJJg für J.eitungsumkehr (vom
c) Frequenzvariations-Verfahren. Netzanschlußteil).

b) Impuls-Frequenzverfahren
Die Meßgröße könnte beispielsweise in einem Motorzähler, dessen Dreh-
zahl sich proportional mit der Leistung ändert, in einer fortlaufenden
Impulsfolge abgebildet werden, deren Frequenz. um so höher wird, je
höher die Leistung ist. Fließt die Energie in zwei Richtungen, so wird
die Impulsgebereinrichtung mit einem Vortrieb versehen, so daß die
Impulsfrequenz niemals negativ wird. Neuerdings werden Impulsgeber
nach dem Kompensationsverfahren dafür eingesetzt, entsprechend
Abb. 339 a. Das Leistungsmeßwerk (1) ist über die Regelfahne (2) mit
dem Drehspulmeßwerk (6) mechanisch gekuppelt. Eine Verstärker-
röhre (3) ist als Hochfrequenzgenerator geschaltet. Durch die Bewegung
der Regelfahne wird der Kopplungsgrad der Rückkoppelungsschalter (4)
verändert. Der hierdurch gesteuerte Ausgangsstrom der Verstärkerröhre
fließt über einen Hochfrequenztransformator (5) zu einem polarisierten
Steuerrelais (7), das in Selbstunterbrecherschaltung arbeitet und dem
ein Begrenzungs-Kondensator parallelgeschaltet ist. Dieses Relais
steuert mit seinem Kontakt gleichzeitig ein Kompensationsrelais (8)
und ein Senderelais (9).
Vom Kompensationsrelais wird das Drehspulmeßwerk (6) über eine
Kondensator-Lade- und -Entladeschaltung mit einer Hilfsspannung in
336 Fernmelde-und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsvers orgungsbetrieb

Abhängigkeit von der Impulsfrequenz beaufschlagt; es übt ein Dreh-


moment aus, das dem des Leistungsmeßw erks entgegengesetz t ist. Im
Gleichgewichtszustand beider Meßwerke sendet das Senderelais über eine

=
o<;
'ß.
"'
.,~"
E
"' E
~
;.,
..,"
"
0"

~:;
,...E"'"
~

"C"
"""
~~
:---------J~ ~
I ~------ "C

"
.,""
1 '
I I

U+ ~~ -
~

"~

"'
[e ~~~
.,"
0

~
""
s"'0 "
~
~
"'~
0 0 ..ö
;;

.,"'.,"'
.,";
<

Gleich- oder Wechselstromquelle eine der Meßgröße proportionale Anzahl


von Impulsen je Zeiteinheit aus. Die die Meßgröße darstellenden Impulse
werden auf der Empfangsseite durch Kondensator-U mladung oder
analoge Einrichtungen wieder in Gleichstrom oder Gleichspannung ver-
Frequenzva.riations-Verfahren 337

wandelt, die die Meßgröße abbilden und zur Speisung der Empfangsgeräte
dienen.
Dieses Fernmeßsystem hat den Vorteil, daß lediglich die Impulszahl
je Sekunde richtig übertragen werden muß, daß es aber nicht von
Schwankungen der Übertragungsenergie auf der Leitung oder kleineren
Verzerrungen des Impulsverhältnisses abhängt. Die üblichen Impuls-
frequenzen liegen zwischen 2 und 25 Impulsen/Sekunde. Die Über-
tragungszeitkonstante· richtet sich nach der kleinsten verwendeten
Impulsfrequenz. Die Impulsfrequenz ist nach oben durch die Forderung
begrenzt, daß die Übertragung über die normalen WT-Kanäle (WT =
Wechselstrom-Telegrafietechnik) möglich sein soll und daß die gegebenen-
falls verwendeten Relais dem Betrieb dauernd standhalten müssen. Bei
Übertragungen über abgeriegelte Leitungen oder Hochfrequenzanlagen
werden Tonfrequenzen im Rhythmus der Impulse ein- und ausgeschaltet.
Die Übertragung mehrere Meßwerte über einen Hochfrequenzkanal ist
möglich, indem man jedem Meßwert eine von den anderen Meßwerten
abweichende Tonfrequenz zuordnet, die einerseits im Rhythmus der
Impulse getastet wird. Dabei werden Frequenzen verwendet, die sich
1
aus dem Schema 60 n 1 Hz ergeben. Bei Mehrfachübertragungen
über Kanäle, deren gradliniger Aussteuerungsbereich begrenzt ist, muß
mit zunehmender Anzahl von Übertragungen, der Aussteuerungsbereich
je Kanal herabgesetzt werden, damit der gradlinige Bereich und damit
Klirrfrequenzen und gegenseitige Störungen der Übertragungen ver-
mieden werden. Auf diese Abnahme der Aussteuerspannung muß wegen
der in jedem einzelnen Fall zu überbrückenden Dämpfung Rücksicht
genommen werden.

e) Frequenzvariations-Verfahren
Die Meßgröße wird in eine Tonfrequenz umgewandelt, deren Höhe
sich mit dem Meßwert ändert. Die Meßgröße wird z. B. als Winkel-
ausschlag in einem Zeigerinstrument dargestellt, an das ein Variometer
gekoppelt ist. Jeder Winkelstellung entspricht somit eine bestimmte
Induktivität des Variometers, das seinerseits im frequenzbestimmenden
Kreis eines Tonfrequenzoszillators liegt (Abb. 340a). Die abgegebene
Tonfrequenz steht dann in einem eindeutigen Zusammenhang mit der
ursprünglichen Meßgröße. Bei Strom- und Spannungsmessungen kann
anstelle eines Geberinstrumentes mit Variometer eine gleichstrom-
magnetisierte Meßdrossel MD als frequenzbestimmendes Element ver-
wendet werden. (Abb. 340a, untere Hälfte.)
Auf der Empfangsseite wird durch eine Diskriminatorschaltung ein
Gleichstrom eingestellt, der seinerseits abhängig von der empfangenen
Frequenz ist (Abb. 340b). Damit ist die Größe des auf der Empfangs-
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 22
338 Fernmelde-und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsversorgungsbetrieb

seite eingestellten Gleichstromes ein eindeutiges Maß für die auf der
Senderseite erfaßten primären Meßgröße.
Die in Anspruch genommene Bandbreite liegt bei ± 71/ 2 % der mitt-
leren Frequenz des Kanals, also beispielsweise von 2210--2580 Hz. Die
Zeitkonstante der Übertragung
ist außerordentlich klein. Siebe-
trägt für den Empfänger 30 ms
und für den Sender 50 ms, wenn
anstelle des Anzeigeinstruments

0 r--~,IW'r-.....____......._---i
mit gekuppeltem Variometer eine
durch Gleichstromvorerregung

ln
L______ J,
/ I
veränderliche Induktivität als
Fernmeßgeber verwendet wird.
Durch die geringe Zeitkon-

:Jilclc
stante ist es möglich, eine Mehr-
fachübertragung in der Weise
durchzuführen, daß eine große
Anzahl von Meßwerten zeitlich
Abb. 340a. Frequenzvarlatlons-Fernmeßverfahren.
Fernmeß-Sender. gestaffelt zyklisch nacheinander
übertragen werden. Elektronische
Einrichtungen (abnutzungsfreie Kaltkathodenglimmschaltröhren) ge-
statten unter Vermeidung von Relais die Übertragung von 8 Werten
bei einem Abtastrhythmus von 1 Sekunde bzw. von 18 Werten bei
einem Abtastrhythmus
von 2 Sekunden. Nach
jeweils 2 Sekunden ist
also der volle Umlauf
über 18 Werte abge-
schlossen, so daß jeder
einzelneWert nach 2 Se-
kunden wieder nachge-
tiefere Frequenz
stellt wird.

Ihtt<J Da immer nur ein


Meßwert gleichzeitig
~~es übertragen wird, bleibt
~c dabei die Sendeenergie
es des Kanals für jeden
Abb. 340 b. Frequenzvarlatlons-Fernmeßverfahren. einzelnen Wert in voller
Fernmeß-Empfänger.
Höhe erhalten. Die Über-
tragungssicherheit und Reichweite nimmt also nicht mit der Anzahl der
im Zyklus übertragenen Werte ab. Die Übertragung mehrerer Zyklen
in verschiedenen Frequenzbändern über dieselbe Trägerfrequenz ist
möglich.
Fernsteuern 339
E. Fernregeln (vgl. Abschn. XIX)
Die unter D geschilderten Fernmeßverfahren liefern am Empfangsort
Gleichströme, die die übertragenen Meßwerte darstellen. Diese über-
tragenen Meßwerte können als Grundlage für Maschinenregelung von
Hand oder auch selbsttätig dienen.

F. Fernsteuern
Die Schaltanlagen und Kraftwerke sind in den meisten Fällen mit
besonderen Schaltwarten verbunden, von denen aus die Schalter in den
Schaltanlagen gesteuert werden. Bei den für Höchstspannung gebauten
Schaltanlagen sind wegen der notwendigen großen Abstände die Anlagen
räumlich so ausgedehnt, daß es nicht mehr zweckmäßig ist, die weit
entfernt liegenden Schalter von der Schaltwarte aus nach einem Direkt-
verfahren zu betätigen. Dann ist es erforderlich, auf indirekt arbeitende
Verfahren unter Verwendung von Zwischenrelais - also auf Fern-
steuerverfahren- überzugehen.
Oft besteht auch der Wunsch, mehrere zu einem Versorgungsnetz
gehörende Schaltstationen von einer zentralen Schaltwarte aus fern-
zubedienen und fernzuüberwachen. In diesen Fällen können die zwischen
Kommandostelle und den einzelnen Unterstationen auftretenden Ent-
fernungen bis zu 20 km betragen.
Für größere Überlandnetze und Verbundnetze besteht auch oft
die Aufgabe, von einer Lastverteilerstelle aus an wichtigen entfernten
Knotenpunkten der Netze oder in den speisenden Kraftwerken Schalt-
handlungen vorzunehmen. In diesem Falle liegen die Entfernungen in
der Größenordnung von 100 km und darüber.
Die Fernsteuereinrichtungen müssen allen diesen unterschiedlichen
Aufgabenstellungen gerecht werden. Es ist verständlich, daß es not-
wendig war, dafür verschiedene Verfahren zu entwickeln. Je nach
Aufgabenstellung ist in jedem Einzelfalle zu entscheiden, welches Ver-
fahren eingesetzt werden soll und welche Lösung zu einem technisch-
wirtschaftlichen Optimum führt. Man darf dabei nicht nur die Ent-
fernung zwischen Kommandostation und den Unterwerken betrachten,
man muß auch die Zahl der in den Unterstationen zu steuernden Schalter
und die von dort abzusetzenden Meldungen berücksichtigen. In den
letzten Jahren ist dabei das Bestreben zu erkennen, für die Verbindung
zwischen Kommandostation und Unterstation Nachrichtenkanäle, also
Fernmelde-Erdkabel, Ultrakurzwellen-Verbindungen und Trägerfre-
quenzverbindungen über Hochspannungsleitungen oder über Spezial-
kabel (z. B. Luftkabel) zu benutzen.
22*
340 Fernmelde-und Fernwirktechnik filr den Elektrizitätsversorgungsbetrieb
Die wichtigsten Fernsteuerverfahren sind: Die Zweidra.htschaltung,
die Eindrahtschaltung und die verschiedenen Ausführungen des
Wähler-Fernsteuerverfahrens.

a) Zweidrahtschaltung
Für die Betätigung eines Schalters, die Rückmeldung seiner Stellung
und für die Auslösung eines akustischen Signals bei einer Stellungs-
änderung werden bei direkter Steuerung sieben Adern benötigt. Der
Querschnitt der Adern darf nicht zu gering gewählt werden, damit der
Spannungsabfall am Kabelwiderstand nicht unzulässig groß wird.
1

+-r;---------==:1:::~---+!:~==~===-rr-

Abb. 3U. Grundsätzliches Schaltbild der Zweldrahtschaltung.


Bch fernzusteuernder Schalter, HK Hllfskontakte, BE, BA Schaltspulen für Ein und Aus, RE, RA Steuer-
relais für Ein und Aus, GE,G A Gleichrichterfür Ein und Aus, DE,DA Steuerdruckknöpfe für Ein und Aus,
M E,M A Melderelais für Ein und Aus, LB,LA Meldelampen für Ein und Aus. Die Leitungen 1, 2 und 3
sind für die ganze Anlage gemeinsam.

Übersteigt die Entfernung zwischen der Schaltwarte und den zu steu-


ernden Schaltern mehrere hundert Meter, so ist es vom wirtschaftlichen
Standpunkt aus zweckmäßiger, die sog. Zweidrahtschaltung zu ver-
wenden. Ein grundsätzliches Schaltbild für das Zweidra.ht-Fernsteuer-
verfahren ist in Abb. 341 dargestellt. In dieser Schaltung sind 5 Ver-
bindungsleitungen gezeichnet worden. Von diesen 5 Leitungen sind
aber nur ~e Leitungen L 1 a und L 1 b einmal für jeden Schalter erforder-
lich; die Leitungen 1, 2, astellengemeinsame Leitungen gleichzeitig für
mehrere Schalter dar. Demnach ist die Zahl der Leitungen, die für
die Fernsteuerung von n-Schaltern bereitgestellt werden müssen:
x = 2n + 3 Leitungen .
Es sind auch Zweidrahtschaltungen entwickelt worden, bei denen die
gemeinsamen Leitungen 1-3 nicht notwendig sind.
Die in Abb. 341 dargestellte Schaltung arbeitet wie folgt: Soll der
Schalter Sck eingeschaltet werden, so wird der Steuerdruckknopf DE
betätigt. Dadurch wird das Steuerrelais RE über die Leitung L 1 a und
den Gleichrichter GE an Spannung gelegt und schließt den örtlichen
Eindrahtschaltung 341
Stromkreis für die Ein-Spule, die den Schalter Sch einschaltet. Der
Hilfskontakt HK wird umgelegt, so daß jetzt der Stromkreis von Minus
über die Leitung L 1 b und das Relais ME nach Plus geschlossen wird.
Das Melderelais ME schaltet die Meldelampe LE ein, die solange leuchtet,
als der Schalter eingeschaltet ist. Wenn der Schalter SchimUnterwerk
von Hand ausgeschaltet wird, so wird dadurch der Hilfskontakt HK
wieder in die gezeichnete Lage zurückgestellt, worauf über das Melde-
relais MA die Lampe LA zum Leuchten gebracht wird.
Soll noch bei einer Schalterstellungsänderung durch eine gemein-
same Signalhupe ein zusätzliches akustisches Signal gegeben werden, so
sind die Melderelais ME und MA mit einem Wischkontakt auszurüsten,
durch den ein Hupenstromkreis geschlossen wird. Der Kreis kann
durch einen Abstellknopf unterbrochen werden, damit die Hupe ab-
gestellt werden kann, sobald das Bedienungspersonal von der Stellungs-
änderung Kenntnis genommen hat.
Die Relais Rund M können entweder Starkstromrelais oder Telefon-
relais sein. Das hängt davon ab, welcher Leitungsquerschnitt und
welche Spannung verwendet worden ist und wie groß die Entfernung
zwischen Schaltwarte und Unterwerk ist. Man ist bestrebt, die üblichen
Telefonkabelleitungen zu verwenden, da sie nicht nur billiger als Steuer-
leitungen für Spannungen bis 400 V sind, sondern auch infolge ihres
symmetrischen Aufbaus weniger durch induzierte Querspannungen
beeinflußt werden. Wenn Telefonkabelleitungen eingesetzt sind, muß
die Steuerspannung unter 100 V betragen. Praktisch kommen Batterie-
spannungen von 60 V oder 24 V in Frage.

b) Eindrahtschaltung
Das Eindrahtverfahren kann bei nicht allzu großen Entfernungen
zur Anwendung kommen; es hat den Vorzug, daß für jeden zu steuernden·
Schalter und für jede Meldung nur eine Ader benötigt wird. In Abb. 342
ist das Grundschaltbild für die Eindrahtschaltung dargestellt. Als
gemeinsame Ädern für das ganze Unterwerk sind zwei Leitungen er-
forderlich. Damit braucht man für die Steuerung oder Stellungsmel-
dung von n-Schaltern:
x = n +2 Leitungen.
Die Schaltung weicht von der Zweidrahtschaltung nur darin ab, daß
die Melderelais und die Steuerrelais nicht je in einem besonderen Strom-
kreis liegen, sondern daß der Steuerstromkreis und der Meldestromkreis
zusammengefaßt sind und Steuerung und Rückmeldung nacheinander
abgewickelt werden.
Soll in der dargestellten Schaltung der Schalter Sch eingeschaltet
werden, so ist der Druckknopf DE zu drücken. Dadurch wird von
342 Fernmelde- und Fernwirktechnik für den Elektrizitijtsversorgungsbetrieb

Minus über die Leitung L 1 und über das Steuerrelais RE der Stromkreis
nach Plus geschlossen. Die Schaltspule SE bewegt den Schalter auf Ein.
Mit dem Einschalten von Sch wird auch der Hilfskontakt HK um-
geschaltet, so daß nach Loslassen von DE der Stromkreis von Minus
über HK, das Steuerrelais RA, die Leitung L 1 und das Melderelais ME
nach Plus geschlossen wird. Da aber das Melderelais ME mit einer
hochohmigen Wicklung hoher Windungszahl versehen ist, das Steuer-
relais aber eine niederohmige Wicklung geringer Windungszahl besitzt,
wird die Batteriespannung zum weitaus größten Teil an ME liegen.
ME zieht an und die Meldelampe LE wird eingeschaltet. Das Steuer-
relais RA erhält nur eine so geringe Spannung, daß es nicht anziehen
kann. Die Eindrahtschaltung arbeitet nur zuverlässig bei kleinem
+ - 1

-::x:::_!+-=;;;:~~
SA HK
DE~l
~

DAt -
lE ""'!
-.or "';!, fiiE
~ t-
.n ""\t"""J\(4
Abb. 342 Grundsätzliches Schaltbild
der Elndrahtschaltung .
~

LA
Leitungswiderstand. Das Eindrahtverfahren kann also nur bei relativ
kurzen Entfernungen zwischen Kommandostelle und Unterwerk ein-
gesetzt werden.
Zu berücksichtigen ist ferner, daß die Gefahr von Fehlschaltungen
oder Fehlmeldungen besteht, wenn durch einen Isolationsfehler gleich-
zeitig bei der Fernleitung und bei ~inem Pol der beiden Hilfsleitungen
ein Erdschluß auftritt. Bei Beachtung aller betrieblichen Eigenschaften
beider Schaltungen kommt man zu der Überzeugung, daß die Zweidraht-
schaltung gegenüber der Eindrahtschaltung unbedingt den Vorzug
verdient.
Bei der Zweidraht- und Eindrahtschaltung besteht eine galvanische
Verbindung zwischen der Schaltwarte und der Unterstation. Solche
Verbindungen sind in hohem Grade störanfällig, wenn die Steuerleitungen
in der Nähe von Hochspannungsleitungen verlegt worden sind und auf
der Hochspannungsleitung eine Störung, z. B. ein Doppelerdschluß,
auftritt. Die dann auf den Steuerleitungen induzierten Längsspannungen
gegen Erde können solche Werte erreichen, daß das Bedienungspersonal
und die Isolation der Geräte gefährdet sind. Man wird deshalb in allen
Fällen, in denen mit Hochspannungsbeeinflussung gerechnet werden
muß, von der Verwendung dieser beiden Schaltungen Abstand nehmen.
Wählerfernsteuerung 343
c) Wählerfernsteuerung
Wenn die Aufgabe besteht, eine Anzahl von Steuerbefehlen oder
von Signalmeldungen über größere Entfernungen zu übertragen, so
setzt man zweckmäßig eine Wählerfernsteuerung ein. Der grundsätzliche
Vorteil der Wählerfernsteuerverfahren besteht darin, daß sie für alle
Steuer- und Meldevorgänge nur eine zweidrahtige Drahtverbindung
(Freileitung oder Fernmeldekabel) benötigen. Als Steuerverbindungen
kann auch eine Hin- und Rück-UKW-Verbindung oder ein Gegensprech-
Trägerfrequenzkanal über Hochspannungsleitung oder über Spezial-
kabel benutzt werden. Gegenüber den adersparenden Verfahren, wie
Zweidraht- und Eindrahtschaltung, haben die Wählerverfahren den
einzigen Nachteil, daß infolge der Zwischenschaltung von Wähler-
einrichtungen zwischen dem Steuerkommando und der Befehlsaus-
führung bzw. zwischen Schalterstellungsänderung und deren Meldung
in der Schaltwarte immer eine Zeit von meist einigen Sekunden ver-
streicht. Dafür ist die Sicherheit gegen Störungen außerordentlich groß;
sofern das Wählerverfahren die erforderlichen Sicherstellungsvor-
kehrungen enthält, wird bei ihm entweder die richtige Steuerung aus-
geführt oder es wird keine Änderung des bestehenden Schaltzustandes
vorgenommen. Wegen der großen Sicherheit, die mit einer Wähler-
fernsteuerung zu er.zielen ist, greift man oft zu diesem Verfahren selbst
dann, wenn die Entfernung zwischen der Kommandostation und der
Unterstation so gering ist, daß Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eigent-
lich zu Gunsten der Zweidrahtschaltung ausfallen.
Der Befehl und die Meldung werden durch Impulsgruppen über-
mittelt. Eine Wählerfernsteuer-Schaltung ist in ihrem grundsätzlichen
Aufbau in Abb. 343 dargestellt. Darin bedeutet A die Sende- und B
die Empfangsstelle. Sowohl in A als auch in B befindet sich ein
Wähler, der auf einer gemeinsamen Welle je vier Hebel a besitzt,
welche teilweise als Kontakthebel benutzt werden. Diese Hebel können
sowohl auf der Geberseite A und der Empfängerseite B durch einen ge-
meinsamen Stromimpuls durch je ein elektromagnetisches Schrittschalt-
werk schrittweise gedreht werden. Die gezeichnete Anlage sei für die
Übermittlung von 18 Steuerbefehlen ausgerüstet und der Leistungs-
schalter Nr. 5 möge eingeschaltet werden. Hierzu wird der Kontakt b6
eingeschaltet. Gleichzeitig mit dieser Einschaltung wird der Relaisunter-
brecher d in Betrieb gesetzt, durch den die Wähler in der Sendestelle und
in der Empfangsstelle Stromimpulse bekommen und sich schrittweise
drehen, bis die Nullstellung wieder erreicht ist. Gleichzeitig mit den
Wählern erhält auch das sog. Pausenempfangsrelais g Impulse. Es be-
sitzt eine solche Abfalldämpfung, daß es bei der raschen Impulsfolge
seinen Kontakt g' dauernd angezogen, also unterbrochen hält. Gelangt
nun der Wähler in der Sendestelle A auf die Stellung 5 (zweiter Hebel a
344 Fernmelde-und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsversorgungsbetrieb

gestrichelt gezeichnet), so kann jetzt Strom von Plus über 5 zu dem sog.
Pausensenderelais e fließen. Dieses beeinflußt den Relaisunterbrecher d
derart, daß eine kurze Sendepause eintritt. In dieser kann das Pansen-
empfangsrelais g abfallen, wodurch der Kontakt g' schließt. Auf der Emp-
fangsseite B fließt jetzt Strom von Plus über den gestrichelt eingezeich-
neten zweiten Hebel a 2 über den Kontakt 5 zum Relais h5 über g' nach
Minus. Das Relais h 5 zieht seinen Anker an, hält sich selbst und betätigt
seine Kontakte h~ und h~'· Nach Ablauf der kleinen Pause laufen die
Wähler wieder weiter.
0 1801 A

r- ~--
QP ~~0~·------~~--~
''
''
'
'I
I
I
'
''
I ''
I
I
''
1
I
"-
I '
''
L._ [l]

Abb. 343. Fernsteuerung nach dem Wähler-Verfahren.

Man richtet es so ei:n, daß beim Sender der Kontakt 5 mit dem Kon-
takt 13 einer weiteren Kontaktreihe verbunden ist. Dabei ist dieser
zweite Kontakt so gewählt, daß er spiegelbildlich zum Kontakt 5 liegt.
Dies ist bei 18 Stellungen beim Kontakt 13 der Fall, da 13 = 18- 5 ist.
Gelangen die Wähler jetzt an die Stelle 13, so wird Strom von Plus
(Hebel a von A) über den Kontakt 13 über b5 zum Pausensenderelais e
gelangen und es wird wieder eine Schaltpause eingelegt, durch welche
das Pausenempfangsrelais g seinen Kontakt g' abfallen läßt und ihn da-
durch schließt. Obwohl beim Empfänger B der Schalthebel a 3 eine Ver-
bindung zwischen Plus und Kontakt 13 herstellt, vermag der Strom nicht
weiterzufließen, da der Kontakt h~ unterbrochen ist. Ist jedoch zwi-
schen Geber und Empfänger infolge eines Fehlers oder Beeinflussung von
außen eine Differenz der Stellungen eingetreten, z. B., daß der Empfän-
"\Vählerfernsteuerung 345

ger statt auf Kontakt 13 erst auf Kontakt 12 steht, so wird von Plus aus
über Kontakt 12, über den geschlossenen Kontakt h~, über das Relais i
Strom über g' nach Minus fließen. Das Fehlerrelais i spricht an, hält sich
selbst und wird seinen Kontakt i unterbrechen und wie noch zu ersehen,
verhindern, daß der Schaltbefehl durchgegeben wird. Ist jedoch der
Kontakt 13 synchron erreicht, so kann das Fehlerrelais i nicht anspre-
chen. Nach der kleinen Schaltpause werden dann die Impulse so lange
weitergegeben, bis sämtliche Hebel sich wieder in der Ruhestellung be-
finden. In diesem Falle wird beim Empfänger B Strom von Plus über
den Hebel a4 über das Relais F 5 , über den Kontakt i' und über den jetzt
geschlossenen Kontakt g' nach Minus fließen können. Das Relais F 5
spricht an und schließt seinen Kontakt f~, wodurch das Relais r 5 anzieht
und das Einschalten des gewünschten Leistungsschalters 5 vornimmt.
Bei der geschilderten Steuerung wird also 2mal geprüft (auf Stel-
lung 13 und nach Erreichen der "Null"-Stellung), ob Gleichlauf zwi'schen
Geber und Empfänger vorhanden ist. Erst dann wird das Schaltkom-
mando gegeben.
Wenn eine Differenz der Stellungen beim Geber und Empfänger vor-
handen ist, derart, daß der Geber seine "Null"-Stellung erreicht hat, der
Empfänger jedoch nicht, so wird kein Schaltkommando gegeben werden
können.
Hätte das Fehlerrelais i angesprochen, also i' geöffnet, so könnte das
Einschalten nicht stattfinden. Sollte i nicht angesprochen haben, am
Schlusse jedoch der Synchronismus verlorengegangen sein, etwa daß der
Geber auf Null, der Empfänger jedoch nur bis 18 gekommen sei, so kann
der Schalter nicht eingeschaltet werden. Diese scharfe Überwachung ist
notwendig, damit nicht durch Felder- oder Fremdbeeinflussungen Fehl-
impulse zustande kommen und t::in falscher Schalter betätigt wird.
Es gibt noch einige andere Wählerfernsteuerverfahren. Allen ist
gemeinsam, daß sie durch entsprechende Sicherstellungs-Vorrichtungen
eine Fehlschaltung praktisch verhindern. Wegen der großen Zuverlässig-
keit, mit der die Fernsteuerung über Wähleranordnungen sich durch-
führen läßt, wird sie in Fernbedienungsanlagen-meist in Verbindung
mit Fernmeß- und Fernsynchronisieraufgaben - mehr und mehr ver-
wendet.
Wenn für die Übertragung der Fernsteuerimpulse und der Fernmeß-
werte nur ein Leitungskanal oder eine Hochfrequenzverbindung zur
Verfügung steht, so kann man den betreffenden Kanal mehrfach aus-
nutzen, wie das im Abschnitt A beschrieben worden ist. Falls aber zwei
Leitungen vorhanden sind, und die Fernmeßwerte nicht dauernd,
sondern nur "auf Abfrage" zur Verfügung zu stehen brauchen, so bedient
man sich auch der Fernsteuereinrichtung, um die jeweils gewünschte
Meßstelle anzuwählen und den Meßwert über die Meßleitung zu über-
346 Fernmelde-und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsversorgungsbetrieb

tragen. Man kann also ein und dieselbe 1\leßleitung nacheinander für
die Übermittlung beliebig vieler Meßwerte benützen.
Soll z. B. die Aufgabe gelöst werden, eine Fernsynchronisierung vor-
zunehmen, so kann mit der Fernsteuereinrichtung am Empfangsort eine
automatische Synchronisierei~richtung auf die Maschine geschaltet wer-
den, welche synchronisiert werden soll. Die Synchronisierung erfolgt
dann automatisch und nach erfolgter Synchronisierung mittels Fern-
steuerung die Rückmeldung.
Soll in die Ferne eine stetige Regelung übertragen werden, so kann
durch eine Fernsteuerungseinrichtung ein Aderpaar auf das zu regelnde
Aggregat geschaltet werden. Die Regelung kann dann von der Sende-
stelle über das durchgeschaltete Aderpaar erfolgen.

G. Tonfrequenz-Rundsteuerung
In Niederspannungsnetzen liegt oft die Aufgabe vor, an einer größeren
Zahl beliebig im Netz verteilter Verbraucher von einer zentralen Stelle
aus Schalthandlungen vorzunehmen. Wenn es sich darum handelt, die
Straßenlampen einer Stadt zu schalten, die Umschalter in Doppeltarif-
zählern zu betätigen, gewisse Verbrauchergruppen während der Bela-
stungsspitze vom Netz abzutrennen oder Alarmsignale auszulösen, so ist
es praktisch nicht möglich, zu jedem Verbraucher besondere Steuer-
leitungen zu verlegen. 1\lan setzt dann das als Tonfrequenz-Rundsteu-
erung bezeichnete Fernsteuerverfahren ein, bei dem das Versorgungsnetz
selbst als Fernsteuernetz verwendet wird.
An einer zentralen Stelle des Netzes werden der Netzspannung Ton-
frequenzimpulse überlagert, die sich über den ganzen von dieser Stelle
aus erfaßten Netzteil ausbreiten. Sofern die Frequenz und die Spannung
der Impulse richtig gewählt wurden, ist es möglich, an jedem Punkt des
Netzes Empfangsrelais zu betätigen, mit denen die gewünschten Schal-
tungen ausgeführt werden können.
Wegen der in jedem Netz vorhandenen Oberwellen, insbesondere
wenn Quecksilberdampf-Gleichrichter betrieben werden, sind nur wenige
Tonfrequenzen für die Rundsteuerung geeignet. Sie liegen praktisch in
den Frequenzbereichen der Vielfachen der 3. Harmonischen, die im all-
gemeinen von Oberwellen frei sind. Somit werden heute nur die Fre-
quenzen 475Hz, 725Hz, 1050Hz, 1350Hz und1800Hz verwendet. Die
Entscheidung, ob einer höheren oder einer tieferen Frequenz der Vorzug
zu geben ist, richtet sich nach der Art und nach dem Umfang des zu
steuernden Netzes. Während man bei mittleren städtischen Kabel-
netzen auf Grund der Erfahrungen mehr dazu neigt, eine Frequenz über
1000Hz einzusetzen, kommt bei weitverzweigten Überlandnetzen nur
eine tiefere Frequenz in Frage. Es ist auch schon eine Steuerfrequenz
Tonfrequenz-Rundsteuerung 347
unter 200 Hz vorgeschlagen worden. Die tieferen Frequenzen können in
Netzen mit vielen Phasenschieberkondensatoren eingesetzt werden, ohne
daß alle großen Kondensatoren grundsätzlich durch Sperrkreise für die
Steuerfrequenz abgeriegelt werden müssen.
Für hohe Steuerfrequenzen können große Phasenschieberbatterien
so kleine Impedanzen darstellen, daß die für das betreffende Netz erfor-
derliche Tonfrequenzleistung unzulässig groß sein müßte. Abgesehen
davon bilden Kondensatoren mit der Streuinduktivität der Transfor-
matoren oder mit der Induktivität der Leitungen Reihenresonanz.
kreise. Die Resonanzbedingung kann für tiefe Frequenzen ebenso erfüllt
sein wie für hohe; die gleichmäßige Versorgung aller Teile des Netzes mit
Steuerspannung ist dann nicht mehr gewährleistet. Bei der Berechnung
der Sendeanlage müssen diese Gesichtspunkte berücksichtigt werden; es
ist also nicht zulässig, sich mit einem Rundsteuerverfahren auf eine
bestimmte Steuerfrequenz festzulegen. Die günstige Steuerfrequenz muß
nach den Gegebenheiten des Netzaufbaues und der Netzbelastungen im
Einzelfalle bestimmt werden.
Die einzuspeisende Tonfrequenzleistung richtet sich in erster Linie
nach der 50-Hz-NetzbeJ.a.stung. Die für das Ansprechen der Empfangs-
geräte notwendige Tonfrequenzspannung wird als Spannungsabfall des
Tonfrequenzstromes an den Netzverbrauchern erzeugt, deren Impedanz
gegenüber der Eingangsimpedanz der Empfangsgeräte klein ist. Bei
Steuerverfahren, deren Empfänger-Ansprechspannung bei 1,5 Volt liegt,
genügt meist eine Tonfrequenzleistung von 0,50fo0 der höchsten Netz-
belastung. Bei Überlandnetzen mit relativ langen Freileitungen und bei
Netzen mit mehreren Spannungsstufen muß eine etwas höhere Leistung
eingespeist werden. Dp. außerdem die in den nächsten 10 Jahren zu
erwartende Belastungssteigerung des Netzes bei der Bemessung der
Tf-Sendeanlage berücksichtigt werden muß, liegt die Ausbauleistung der
Sendeanlagen je nach dem augewandten Verfahren zwischen 10fo0 und
30fo0 der heutigen 50 Hz-Netzbelastung.
Die Überlagerung der Tonfrequenz kann in kleinen Netzen mit nur
einigen Verteiltransformatoren zwischen Sternpunkt der Transformatoren
und dem Nulleiter vorgenommen werden. In den meisten Fällen wird
die Tonfrequenz in das Mittelspannungsnetz eingespeist. Auf diese
Weise ist es möglich, auch größere Netze von einer Sendestelle aus zu
steuern. Die Tonfrequenz wird dem Netz entweder durch Serienankopp-
lung oder durch Parallelankopplung zugeführt. Die Parallelankopplung
verwendet man vor allem bei höheren Frequenzen, bei denen die Im-
pedanz der das Netz speisenden Hochspanriungsseite groß ist gegen-
über der Impedanz des zu steuernden Netzteiles. Die Tonfrequenz wird
dabei dem Mittelspannungsnetz über Ankopplungskondensatoren zuge-
führt, deren Blindstrom durch vorgeschaltete Drosselspulen kompensiert
348 Fernmelde-und Fernwirktechnik für den Elektrizitätsversorgungsbetrieb

wird. Durch entsprechende Bemessung der Drosselspulen erreicht man


einen relativ geringen Verlust an Tonfrequenzleistung in der Ankopp-
lung. Die Tf-Generatoren werden grundsätzlich als Drehstrom-Erzeuger
gebaut, so daß die drei Phasen des Netzes gleichmäßig mit Tonfrequenz-
spannung versorgt werden. Abb. 344 zeigt die grundsätzliche Schal-
tung einer Parallelankopplungs-Einrichtung.
Die Empfangsgeräte sieben mittels Resonanzanordnung die Ton-
frequenzspannung, die je nach dem verwendeten Verfahren zwischen
1,5 V und 4,5 V liegt, aus und führen sie Auswerteeinrichtungen zu, mit

ID
HochspQnnong NittelspQnnongsnetz
110kV 20kV

Ankopplongs-
Ki.vmpensat:70ns- Kondensoruren Rondsteoer-Emnfönfler
Drosseln r :t'

rn Trenn-

r rr
transformQtor

Hondsfel/er-Empfönger
Sletlersc/Jüfz

Abb. 344. Grundsätzllches Schaltbild für eine


Rundsteuer·Sendeanlage.
Antriebs- Tonfreqoenz-
Hotor CenerQtor

denen es möglich ist, eine Reihe verschiedener Schaltbefehle zu unter-


scheiden. Praktisch haben sich dafür von Synchronmotoren angetriebene
Wähleranordnungen durchgesetzt. Man unterscheidet die nach der
Impuls-Intervall-Methode und die nach der Impuls-Zeit-Methode arbei-
tenden Rundsteuerverfahren.

H. Auslösekupplung zwischen dem Schnelldistanzrelais


an den Enden eines Schutzabschnittes
AufS. 382 wird die Technik der Kurzschlußfortschaltung (Schnell-
wiedereinschaltung) behandelt. Die nahezu synchrone Abschaltung an
beiden Leitungsenden ist erforderlich, um einerseits die Leitung so schnell
wie möglich spannungslos zu machen (Begrenzung der durch den Licht-
bogen verursachten Störungen) und andererseits die gesamte Zeit der
Energieunterbrechung mit Rücksicht auf die Netzstabilität und die
Wiedereinschaltmöglichkeit möglichst gering zu halten.
Die zu diesem Zweck an sich mögliche Übergreifschaltung bewirkt in
Grenzfällen auch die fälschliehe Abschaltung gesunder Leitungsabschnitte,
Störungen im Netz durch Kurzschlüsse 349
die unter Umständen gerade den Synchronismus zwischen Kraftwerk und
zu versorgendem Netz aufrecht erhalten sollen. Diesen Nachteil ver-
meidet die Auslösekupplung zwischen den Schnelldistanzrelais eines
Schutzabschnittes. Bei Fehlern in der Nähe eines Leitungsendes (( 15%
der Leitungslänge) löst das an diesem Ende eingebaute Relais in Schnell-
zeit aus, während das Relais am anderen Leitungsende die 2. Zone fest-
stellt. Wird von einem schnellauslösenden Relais an das an sich in der
2. Stufe auslösende Relais ein Auslösebefehl übertragen, so kann der
Schalter an dem langsameren Ende verspätet um die Übertragungszeit
des Befehls mitausgelöst werden.
In der Regel werden diese Auslösekupplungen über Trägerfrequenz-
aulagen auf der Hochspannungsleitung mitübertragen. Hier muß ein
Kompromiß zwischen der erreichbaren Übertragungszeit und der erzielten
Übertragungssicherheit getroffen werden. Je geringer diese Übertragungs-
zeit sein soll, desto größer muß das für den den Befehl übertragenden
Kanal zur Verfügung stehende :Frequenzband sein und desto größer ist
auch die Möglichkeit, daß die Empfänger durch die Einflüsse des Licht-
bogens in der Aufnahme des Befehls beeinträchtigt werden. I..ang-
jährige Entwicklung und Bewährung haben heute zu Übertragungs-
zeiten (gerechnet von der Einschaltung des Befehls auf der Sendeseite
bis zur Stromabgabe auf der Ausspule des Leistungsschalters) von 20 ms
geführt.
Die gesamte Lieferunterbrechung braucht also nur um 20 ms gegen-
über der reinen für die Entionisierung benötigten Zeit verlängert zu
werden.

XVI. Netzstörungen
A. Störungen im Netz durch Kurzschlüsse
Zu den unangenehmsten Netzstörungen gehören die Kurzschlüsse.
Kurzschlüsse werden meist durch Phasenüberschläge, etwa bei schlechter
Isolation, oder beim Auftreten von Überspannungen, eingeleitet. Je
nachdem, ob der Kurzschluß sich zwischen zwei oder zwischen drei
Phasen ausbildet, spricht man von einem zweipoligen oder dreipoligen
Kurzschluß. In Netzen, deren Sternpunkt geerdet ist, führt ein Über-
schlag nach Erde ebenfalls zu einem Kurzschluß (einpoliger Kurzschluß).
In den mit isoliertem Sternpunkt arbeitenden Hochspannungsnetzen
(bzw. Sternpunkt ist über eine Erdschlußdrossel geerdet) führt ein
Überschlag nach Erde zu einem Erdschluß (s. S. 384). Der Doppel-
erdschluß, wie ihn die Abb. 345a zwischen den Phasen S und T zeigt,
hat jedoch ähnliche Wirkung wie ein zweipoliger Kurzschluß. In
Netzen mit isoliertem Sternpunkt sind die meisten Kurzschlüsse zwei-
350 Netzstörungen

polig. Diese können jedoch in einen dreipoligen übergehen, wenn z. B.


der Kurzschlußlichtbogen mit der gesunden Phase in Berührung kommt.
Zweipolige Kurzschlüsse an Kabeln gehen wegen der kleinen Leiter-
abstände praktisch immer'in dreipolige Kurzschlüsse über.
Bei einem dreipoligen Kurzschluß ist an der Kurzschlußstelle die
Spannung zwischen den einzelnen Phasen Null und steigt infolge der
Leitungswiderstände und Induktivitäten nach der Speisestelle zu an. In
der Abb. 350 b ist ein dreipoliger Leitungskurzschluß dargestellt und es
wird gezeigt, wie die Spannungsdreiecke an den Stellen a, b, c beschaffen

a e.-------------R
R
± -b =-
sind. An der Kurzschlußstelle c
f ist das Spannungsdreieck zu
einem Punkt entartet. Bei
-- - einem Kurzschluß unmittelbar

T
_-
S
:~4,-i=~=--=-~.! s~=~~
::to:n ::s :::~
b fi a h
! J%
R Stelle das Spannungsdreieck
s ebenfalls zu einem Punkt zu-
c 1 sammen. Die EMK des Gene-
rators arbeitet dann allein auf
die Reaktanzen der Maschine.
Abb. 345c zeigt die Verhält-
nisse bei einem zweipoligen
Kurzschluß zwischen den Pha-
R
s sen S und T. An der Speise-
T stelle a ist das Spa.nnungs-
Abb. s•5a-c. a Doppelerdschluß, b drelpcl!ger dreieck unverzerrt (streng ge-
Kurzschluß, c zwelpcllger Kurzschluß.
nommen wird infolge der
Generatorinduktivität auch hier bereits eine Verzerrung vorliegen). Die
Spannung zwischen S und T nimmt nach der Kurzschlußstelle bis auf
den Wert Null ab. Die Phasenspannung der gesunden Phase R bleibt
dagegen erhalten, so daß die Spannungsdreiecke bei b und c die in der
Abb. 345c aufgezeichnete Gestalt besitzen. ·
Ein Kurzschluß muß wegen seiner schädlichen Auswirkungen auf elek-
trische Maschinen, Apparate und Anlagen rasehestens abgeschaltet wer-
den. Besteht z. B. ein dreipoliger Kurzschluß längere Zeit, so gelangen
sämtliche Drehstrommotoren an der Kurzschlußstelle und in der Nach-
barschaft zum Stillstand. Bei einem zweipoligen Kurzschluß besteht die
Möglichkeit, daß Motoren, wenn sie schwach belastet sind, als zweiphasig
gespeiste Motoren weiterlaufen. Stark belastete Motoren werden dagegen
auch in diesem Fall zum Stillstand kommen. Wird aber der Kurzschluß,
der in einer Abzweigleitung liege, rasch abgeschaltet, dann können die
Auswirkungen auf die nicht in diesem Abzweig liegenden Motoren und
übrigen Verbraucher unwesentlich sein.
Kurzschlußschutz in Netzen 351
Bei einem Kurzschluß können sehr hohe Ströme auftreten, welche die
Leitungen und Kabel erwärmen, und zwar um so mehr, je längere Zeit
bis zum Abschalten des Kurzschlusses vergeht. Auch aus diesem Grunde
ist ein rasches Abschalten erwünscht, besonders da bei Freileitungskurz-
schlüssen die Möglichkeit besteht, daß der mit dem Kurzschluß ver-
bundene Lichtbogen Leitungen durchschmilzt und diese dann herunter-
fallen. Infolge der bei einem Kurzschluß fließenden großen Ströme treten
in den Maschinen, Transformatoren, Apparaten usw. hohe mechanische
Kräfte auf, die ausgehalten werden müssen, was eine besondere Bemes-
sung der elektrischen Maschinen und Apparate mit Rücksicht auf den
Kurzschlußfall erforderlich macht. Tritt ein Kurzschluß auf, so ist im
ersten Augenblick des Kurzschlusses der Strom am größten (der Stoß-
kurzschlußstrom eines Generators kann bei 12% Streuspannung das
l5fache vom Maximalwert des Nennstromes sein) und klingt nach einer
gewissen Zeit (etwa 5 sec) auf den kleineren Dauerkurzschlußstrom ab
(s. Kap. XX). Der Dauerkurzschlußstrom kann, wenn der Kurzschluß
sich unmittelbar an einem Turbogenerator befindet, eine Größe haben,
die beim einpoligen Kurzschluß gleich dem Fünffachen, beim zweipoligen
Kurzschluß gleich dem Dreifachen und beim dreipoligen gleich dem Zwei-
fachen des Nennstromes ist. Beachtet man, daß die elektrodynamisch
erzeugten Kräfte mit dem Quadrate des Stromes anwachsen, so heißt das,
daß die im Kurzschlußfall im ersten Augenblick auftretenden elektro-
dynamiseben Kräfte etwa l5 2 =225mal so groß sein können wie die
maximale Kraft bei Nennstrom. Diese Kräfte haben schon oft schwere
Schäden an Maschinen, Transformatoren, Stromwandlern usw. hervor-
gerufen.

B. Kurzschlußschutz in Netzen
In den Verteilungsnetzen der elektrischen Kraftversorgung treten
gelegentlich Kurzschlüsse auf, die rasehestens abgeschaltet werden müssen.
Dabei soll möglichst nur die kranke Strecke abgeschaltet werden, nicht
jedoch gesunde Netzteile. Man bezeichnet einen Netzschutz, der nur die
kranke Strecke zur Abschaltung bringt, als selektiven Netzschutz. Es
gibt verschiedene Schutzsysteme mit mehr oder weniger guter Selek-
tivität, die im folgenden behandelt werden sollen.

a) Schutz der Niederspannungsnetze


In Niederspannungsnetzen kommen zum Schutz der Leitungen bei
Kurzschluß vorwiegend Schmelzsicherungen zur Anwendung. Die Siche-
rungen brauchen in diesem Zusammenbang nicht unbedingt die Leitungen,
wie etwa bei der Absicherung der Gummikabel, vor Überlastung zu
schützen, sondern haben vor allem die Aufgabe, im Kurzschlußfalle mög~
352 Netzstörungen

liehst nur die kranke Strecke abzuschalten. Abb. 346 zeigt den Einbau
der Sicherungen in zwei strahlenförmigen Verteilungsnetzen, welche von
je einer Transformatorenstation aus gespeist werden. Man erhält bei der-
artigen Strahlennetzen einen selektiven Netzschutz, wenn die hinterein-
ander geschalteten Sicherungen in ihrer Nennstromstärke bzw. ihrer
Charakteristik so abgestimmt sind, daß, falls beiKein Kurzschluß erfolgt,
nur die Sicherung bei a anspricht. In größeren Verteilungsnetzen wird
man oft an Stellen, an denen zu verschiedenen Niederspannungsnetzen
eines Kraftwerkes gehörende Leitungen sich treffen, diese des besseren
Lastausgleiches wegen miteinander verbinden, oder die Möglichkeit einer
Verbindung vorsehen (s. Abb. 346). Solche Verbindungsleitungen wird
man ebenfalls durch Sicherungen an den beiden Enden schützen bzw.

Abb. 946. Nlederspannungsstrahlennetz. Abb. 34 7. Maschennetz.

wenn man in der Mitte der Verbindungsstrecke eine Trennstelle vorsehen


will, hier eine herausnahmbare Sicherung (Griffsicherung) anbringen.
Bei vermaschten Niederspannungsnetzen, die für Großstädte mit
großen Flächendichten des Elektrizitätsbedarfs in Frage kommen, hat
sich eine Schutzanordnung nach Abb. 347 als brauchbar erwiesen. Die
einzelnen Knotenpunkte des Netzes oder bei kleinerer Belastungsdichte
nur ein Teil derselben werden durch Transformatoren gespeist, welche
oberspannungsseitig an Hochspannungskabeln liegen. Die Verbindung
der Niederspannungsseite der Transformatoren mit dem Netz erfolgt über
Rückwattschalter (Luftschalter), die in der Abb. 347 durch kleine Kreise
dargestellt sind. Die in den Knotenpunkten zusammenstoßenden Lei-
tungen können durch Sicherungen abgesichert werden. Diese Sicherungen
(nur bei a und b eingezeichnet) werden, um bei großen Strömen keine zu
steile Charakteristik zu haben, als träge Sicherungen meist gleicher Nenn-
stromstärke ausgebildet. Diese Sicherungen arbeitentrotzgleicher Nenn-
stromstärke selektiv, da bei einem Kurzschluß von den vier Knoten-
punktssicherungen die zum kranken Leitungsteil gehörende Sicherung
Schutz der Hochspannungsnetze 353
vom größten Strom durchflossen ist, also auch am schnellsten abschalten
wird. Gelegentlich verwendet man in Maschennetzen überhaupt keine
Sicherungen, sondern läßt, falls ein Kabeldefekt auftritt, die Kurzschluß-
stelle ausbrennen, wobei, falls der Kurzschlußstrom nicht gar zu groß ist,
nach dem Ausbrennen der Kurzschluß verschwindet und das Netz weiter-
hin im Betrieb gehalten werden kann.
Erfolgt in der Hochspannungszuleitung ein Kurzschluß, so schaltet
der Leistungsschalter auf der Hochspannungsseite ab. Die Kurzschluß-
stelle wird aber über die Transformatoren von der Niederspannungsseite
aus weiter gespeist. Jetzt sprechen jedoch die Rückwattschalter an, da
die Stromrichtung sich in ihnen umgekehrt hat und trennen das Nieder-
spannungsnetz von der Hochspannungsleitung. Bei der geschilderten
Anordnung spart man in den zahlreichen Transformatorenstationen die
großen und teuren Leistungsschalter auf der Oberspannungsseite.

b) Schutz der Hochspannungsnetze 1


1. Allgemeines
In Hochspannungsnetzen werden zum Schutz der LeitungenLeistungs-
schalter verwendet, welche, von Primärauslösern abgesehen, durch Relais
ausgelöst werden. Diese Relais weisen ein Anregeglied und ein Zeitglied
auf. Im Kurzschlußfall erfolgt meist ein Ansteigen des Stromes und stets
ein Absinken der Spannung, d. h. die Netzimpedanz Z = U;JI wird kleiner.
Man läßt daher das Anregeglied auf den Kurzschlußstrom oder in Net-
zen, wo der Kurzschlußstrom möglicherweise kleiner als der Nennstrom
werden kann (s. Kap. XX), auf die "Unterimpedanz" des Netzes an-
sprechen 2 • Das Anregeglied löst das Zeitglied aus, dieses wiederum gibt
nach Ablauf einer gewissen Zeit den Auslösebefehl an den Leistungs-
schalter. Im Kurzschlußfall sprechen alle vom Kurzschluß betroffenen
Relais an, zur Auslösung soll jedoch nur der der Kurzschlußstelle nächst-
liegende Leistungsschalter kommen. Die übrigen Schalter werden nicht
ansprechen, da die Relais nach der Abschaltung des Kurzschlusses in
ihre Ausgangsstellung zurückkehren.
Die Leitungen eines Hochspannungsnetzes können in verschiedener
Art ausgebildet sein. Abb. 348 a zeigt eine einseitig gespeiste Leitung mit
parallel geschalteten Abnehmern. Diese Abnehmer können über Leistungs-
schalter oder, falls es sich um kleine Transformatorenstationen handelt,
über Sicherungen angeschlossen sein. Diese Anordnung mit parallel
1 Siehe auch M. ScHLJ!liCHl!lR: Die moderne Selektivschutztechnik und die
Methoden zur Fehlerortung in Hochspannungsanlagen. Berlin: Springer 1936.
2 Ein Überstromrelais spricht zwar im Kurzschlußfalle auf den Stoßstrom an,
könnte aber bei längeren Ausschaltzeiten und einem Dauerkurzschlußstrom, der
kleiner als der Normalstrom der Leitung ist, wieder abfallen ohne den Kurzschluß
zur Abschaltung gebracht zu haben.
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 23
354 Netzstörungen

geschalteten Stromverbrauchern kommt nur bei weniger wichtigen Lei-


tungen in Frage, da im FalleeinesKurzschlusses auf der Leitung dieganze
Leitung durch den Schalter a abgeschaltet werden muß, biermit aber alle
Verbraueher spannungslos werden. Besser ist die Anordnung nach
Abb.348b, bei welcher die Verbraueber über besondere Schalter an die
Sammelschienen A, Bund C, die im Zuge der Leitung angeordnet sind,
angeschlossen sind. Es wird jetzt für jede Leitungsstrecke ein Leistungs-
schalter benötigt. Erfolgt der Kurzschluß bei K, so muß der Schalter a
auslösen, dabei bleiben die
vorgelagerten Strecken
unter Spannung. Aber
auch diese Lösung kann
nicht befriedigen, da die
hinter der Kurzschluß-
stelle liegenden gesunden
Sammelschienen B und C
spannungslos werden. Ab-
hilfe bringt eine Anord-
C' nung nach Abb. 348c, die
Abb. 348a-d. Verschiedene Möglichkeiten der Schaltung
von Hochspannungsleitungen. doppelt gespeiste Leitung
oder der hiermit iden-
tische, von einer Stelle aus gespeiste Ring, da jede Schaltstelle von beiden
Seiten aus mit elektrischer Energie versorgt wird. Bei doppelseitiger
Speisung der Strecke muß jeder Leitungsabschnitt zwei Schalter haben,
damit bei einem Kurzschluß bei K nur die kranke Strecke abgeschaltet
wird. Die Sammelschienen A und B behalten nun weiterhin Spannung
und die Strombelieferung der Abnehmer erfährt keine Unterbrechung.
Bei einer Doppelleitung (s. Abb. 348d)
muß stets, unabhängig ob dieselbe
einseitig oder zweiseitig gespeist wird,
Abb. 349. Einseitig gespeiste Leitung.
jeder Leitungsabschnitt zwei Schalter
besitzen.
In der Abb. 349 ist die einseitig gespeiste Strecke entsprechend
Abb. 348b nochmals wiedergegeben. In der Abbildung sind die zu den
Leistungsschaltern gehörenden Relais durch kleine Kreise dargestellt.
Tritt am Ende der Leitung ein Kurzschluß auf, so ist es, sofern nur eine
Überstromauslösung an den Schaltern vorhanden wäre, dem Zufall über-
lassen, welcher Leistungsschalter auslöst. Man kann für diesen Kurz-
schlußfall jedoch Selektivität erreichen, wenn durch den Überstrom
sämtliche den Schaltern zugeordnete Auslöserelais zunächst nur angeregt
werden, diese jedoch erst nach bestimmten einstellbaren Laufzeiten den
zugehörigen Leistungsschalter zur Auslösung bringen. Staffelt man die
Relais zeitlich derart, daß die Laufzeit der Relais vom Ende der Leitung
Schutz der Hochspannungsnetze 355
in Richtung zur Speisestelle hin ansteigt, entsprechend Abb. 349, dann
wird bei einem KurzschlußKam Ende der Leitung tatsächlich nur der
kranke Abschnitt abgeschaltet, da das zugehörige Relais die kürzeste
Laufzeit besitzt. Sollte das Relais oder der Schalter versagen, dann löst
das im Leitungszuge vorgeschaltete Relais allerdings erst nach etwas
längerer Zeit aus, bildet also eine Art Reserve.
Die Relais, mit denen man obige Staffelung durchführt, sind unab-
hängige Überstromzeitrelais, da sie unabhängig von der Größe des Kurz-
schlußstromes stets nach gleicher Zeit die
Auslösung bewirken. Das Zeitglied kann a tl
etwa wie auf S. 158 angegeben, aus einem
kleinen, im Relais eingebauten asynchron
anlaufenden Synchronmotor bestehen, der Ansprech- I
durch den magnetischen Fluß des Relais slrom
erregt wird. Bei einem unabhängigen t b
Überstromzeitrelais kann die Auslösezeit
sowie die Größe des Ansprechstromes ver-
schieden eingestellt werden. Abb. 350a I, l2 I
zeigt die Charakteristik zweier Relais, Ansprechsfröme
welche gleiche Ansprechstromstärke, jedoch Abb. 350a u. b. Charakteristik eines
unabhängigen Überstromzeitrelais.
verschiedene Zeiteinstellung, haben. 1n
Abb. 350b sind die Kennlinien zweier Relais dargestellt, welche ver-
schiedene Zeiteinstellung und auch verschiedene Ansprechstromstärken
besitzen.
Außer diesen unabhängigen Stromzeitrelais, die unbeeinflußt von der
Größe des Kurzschlußstromes nach einer einstellbaren Zeit die Ab-

Ansprech- I I
sfrom
Abb. 351. Charakteristik eines Abb. 352. Charakteristik eines begrenzt
stromabhängigen Zeitrelais. stromabhiingil;en Zeitrelais.

schaltung bewerkstelligen, gibt es noch Relais, bei denen die Auslöse-


zeit von der Größe des Stromes abhängig ist. Abb. 351 zeigt die Charak-
teristik eines derartigen, sog. abhängigen Stromzeitrelais. Die Auslösung
erfolgt, wie man der Charakteristik entnehmen kann, für große Ströme
sehr rasch, für kleine Ströme weniger schnell. Eine ähnliche Kennlinie
weisen die begrenzt stromabhängigen Zeitrelais auf (Abb. 352}, nur mit
dem Unterschied, daß große Ströme mit einer festen, einstellbaren Zeit
23*
356 Netzstörungen

zur Abschaltung gelangen. Große Bedeutung haben heute weder das


stromabhängige noch das stromunabhängige Relais.
Bei den bis jetzt behandelten Relais war immer eine Anregung des
Relais durch Überstrom vorgesehen. Unter Umständen genügt dies nicht.
In Netzen, die nachts praktisch leerlaufen, wird man zur Nachtzeit nur
einige wenige Generatoren, die meist nur schwach erregt sind, in Betrieb
halten. Der in einem Netz auftretende Dauerkurzschlußstrom ist jedoch
z von der Zahl und dem Erregungszustan!l der
Generatoren abhängig. Während am Tage die
Kurzschlußströme beachtlich sind, kann es
b vorkommen, daß nachts der Kurzschlußstrom
kleiner als der Nennstrom der Leitung ist. In
solchen Fällen würden Überstromzeitrelais nicht
recht am Platze sein. Hier helfen dann Anrege-
tin .I
glieder in den Relais, welche auf die "Impe-
danz" der Leitung ansprechen. Die Verhält-
nisse werden am besten aus der zweipolig auf-
Abb. 353. Impedanz einer Leitung gezeichneten Abb. 353a klar. Normalerweise
in Abhängigkeit des Nennstromes. ist der durch die Leitung fließende Strom

durch die Größe I= UfZ gegeben, wobei Z= Ufl die Gesamtimpedanz


ist. Z setzt sich zusammen aus der konstanten Leitungsimpedanz und
der veränderlichen Verbraucherimpedanz. Wenn man die Spannung U
als näherungsweise konstant ansieht, ergibt sich für die Impedanz Z
in Abhängigkeit vom Betriebsstrom eine Hyperbel (Abb. 353b). ·Tritt im
Netz ein Kurzschluß auf, so wird die Ver-
braucherimpedanz kurz geschlossen, die
Gesamtimpedanz des Stromkreises wird also
plötzlich, und zwar bei jedem Belastungs-
zustand des Netzes, vermindert. Man kann
diese Erscheinung, wie bereits erwähnt, zur
Abb. 354. Impedanzrelais Anregung eines Relais benutzen. In Abb. 354
als Anregeglied. ist· ein derartiges Relais dargestellt; es
besitzt einen Waagebalken zum Messen der Impedanz. Im normalen
Betriebe wird die Zugkraft der Spannungsspule überwiegen und den
Waagebalken im Linkssinne an einen Anschlag pressen, so daß der Aus-
lösekontakt K offen ist. Tritt ein Kurzschluß auf, so sinkt die Leitungs-
impedanz, d.h. das Verhältnis Ufl wird kleiner. Es wird nun die Kraft
der Stromspule überwiegen; damit wird unmittelbar oder über den
KontaktKein unabhängiges Zeitrelais oder ein Distanzrelais freigegeben.
Selbstverständlich ist eine solche Impedanzanregung komplizierter als
eine normale Überstromanregung, da dem Relais noch die Spannung
zugeführt werden muß, was bei Hochspannungsleitungen Spannungs-
wandler bedingt.
Schutz der Hochspannungsnetze 357

2. Schutz durch normale Zeitrelais


Abb. 355 zeigt ein gewöhnliches Strahlennetz, welches durch unab-
hängige Überstromzeitrelais geschützt ist. Die Staffelung der Zeitrelais
ist so durchgeführt, daß die Laufzeit der Relais vom Ende der Leitung
gegen den Anfang zu ansteigt. Die Zeitstaffelung beträgt in unserem
Beispiel 0,7 bis 0,8 sec. Um kleine Ii'
Auslösezeiten am Kraftwerk zu er- tr t,}"
halten, ist es günstig, die zwischen
zwei Relais liegenden Staffelzeiten so
klein wie möglich zu wählen. Hier
sind jedoch Grenzen• gegeben. Wenn
ein Relais beispielsweise 1 sec nach Abb. 355. Schutz eines Strahlennetzes
mit unabhängigem Überstromzeitrelais.
dem Auftreten des Überstromes an-
spricht, so heißt dies, daß dem Leistungsschalter nach 1 sec der Auslöse-
befehl gegeben wird. Der Leistungsschalter selbst wird um die Eigenzeit
des Schalters, die je nach Bauart und Baujahr 0,05 bis 0,4 sec betragen
kann, später ausschalten. Nehmen wir beispielsweise die Eigenzeit des
Schalters mit 0,4 sec an, so wird der Kurzschlußstrom nach 1,4 sec
(streng genommen zuzüglich noch der Zeit bis zum Löschen des Licht-
bogens im Schalter) unterbrochen. Hätte das übergeordnete Relais eine
Laufzeit von 1,3 sec erhalten, so würde es nach dieser Zeit durch Impuls-
gabe den Schaltermechanismus des
zugehörigen Leistungsschalters frei-
geben, da nach 1,3 sec der Kurz-
Abb. 356. Schutz eines Netzes
schluß noch nicht abgeschaltet ist. mit zwei Spannungen.
Die Mindestlaufzeit des übergeord-
neten Relais müßte demnach 1,4 sec betragen, die Staffelzeit würde
dann gleich der Eigenzeit des Schalters, also 0,4 sec sein. Man muß
jedoch noch Reserven vorsehen und beachten, daß die Zeitrelais ebenfalls
Fehler besitzen. Aus diesen Gründen ergeben sich notwendige Staffel-
zeiten, die unter günstigen Bedingungen (kleine Eigenzeit der Schalter
und genaue Relais) 0,5 sec und weniger betragen, in älteren Netzen
jedoch oft höher liegen, so daß dort oft Staffelzeiten von 1 sec zu
finden sind.
Abb. 356 zeigt zwei Netze verschiedener Spannung, die über einen
Transformator gekuppelt sind. Auch in derartigen Fällen ist ein Staffel-
schutz möglich. Der Transformator muß in das Schutzsystem einbezogen
werden, damit die Sammelschiene geschützt wird. Bei einem Fehler im
Transformator selbst würde die Abschaltung durch den Netzschutz zu
lange dauern, es ist daher, wie schon auf S. 180 beschrieben, ein beson-
derer schnell abschaltender Transformatorschutz (Buchholz-Schutz,
Differentialschutz) noch vorzusehen.
358 Netzstörungen

Man könnte daran denken, statt der unabhängigen Stromzeitrelais,


begrenzt abhängige Stromzeitrelais (Abb. 357) zu verwenden, da man
dann kurzzeitige Überlastungen zulassen kann, ohne daß die Relais
t infolge der größeren Auslösezeiten
die Schalter zur Auslösung bringen.
Wie jedoch auf S. 356 erwähnt,
hängen die Kurzschlußströme vom
Belastungszustand des Netzes ab.
IToglrurzschluB Abb. 357 zeigt, wie beispielsweise die
Kurzschlußströme nachts und am
Tage liegen k9nnen. Man kommt
damit nachts zu größeren Auslöse-
Ansprech-
slrom r zeiten. Da man jedoch möglichst
Abb. 357. Charakteristiken filr begrenzt kleine Auslösezeiten anstrebt, werden
stromabhängige Zeitrelais.
solche Relais für den Netzschutz
seltener verwendet. Recht brauchbar sind solche Relais, um am Ende
einer Leitung einen Abnehmer zu schützen. Diese AnoPdnung hat den
Vorteil, daß kurzzeitige Überlastungen den
t Helais IJ. Abnehmer
Schalter nicht zur Auslösung bringen. Man kann
von bestimmten Überströmen an eine Moment-
auslösung vorsehen, so daß eine Relaischarak-
teristik entsprechend Abb. 358 entsteht .. Man
muß nur, um Fehlauslösungen zu vermeiden,
I darauf achten, daß die Maximalzeitrelais, welche
Abb. 358. Charakteristik eines dem Verbraucher im Netz vorgeschaltet sind,
begrenzt stromabhängigen und d'
eines unabhingir,en Zeltrela!s. Ie Aus1ösekennlime · des begrenzt a bhängxgen
·
Zeitrelais nicht überschneiden.
Bei manchen Netzen mag die Versuchung nahe liegen, rein stromabhängige
Zeitrelais mit einer Kennlinie, wie Abb. 359a sie zeigt, zu verwenden, z. B. dann,
t a wenn ein Netzgebilde nach Abb. 359b
vorliegt, bei dem die Ströme, welche in
der Lei tungfließen, von Stationzu Station
kleiner werden. Es sei angenommen, daß
die Strömwandler am Ende der Leitung
eine Übersetzung 500:5, in der Mitte
1000:5 und am Anfang 1500:5 besitzen.
Tritt am Ende der Leitung ein Kurz-
A':f:;;';h- 1t- {t- I schluß auf und ist der durch den Kurz-
b ~.ftltll.f schluß bedingte das Relais 1 durchflie-
~ ßende Strom 110 so ergibt dieser eine
.J 2 t Auslösezeit tr Der durch das Relais 2
Abb. 359a u. b. SchutzeinerLeitung durch fließende Strom ist jedoch wegen der
stromabhängige Zeltrelals. anderen Stromwandlerübersetzung nur
. 11/2 und der durch das Relais 3 fließende
Strom 11{3. Die zugehörigen Zeiten sind (Abb. 359a) t 2 und t 3• Die Auslösezeiten
bei den drei Relais sind also trotz gleicher Kennlinien genügend gegeneinander
Schutz der Hochspannungsn etze 359
gestaffelt. Die Staffelung wird jedoch ungenügend, wenn ein sehr großer Kurz-
schlußstrom fließt, da dann die Zeitentl' t 2 , t3 wegen der flachen Kennlinien
sich kaum mehr voneinander unterscheiden, also Falschauslösunge n auftreten
können.
Während bei strahlenförmigen Netzen ein Schutz mit unabhängigen
Stromzeitrelais durchführbar ist, erfordert der Schutz bei der doppelseitig
K,
'1-" t• .;"

• 'I •
K,
,g•
a
,g' I~~-·* t'l3° ~·I g' J·lf'
8 EI 8 EISfElS

~
~~·
K,
t" 3• :f.?
'1-h t• .1"
K,
g•
b
2'

3'
'I' fH
~
Abb. 360a u. b. Schutz einer Ringleitung bzw. einer zweieeitig gespeisten Leitung.

gespeisten Strecke und dem identischen Ringnetz unabhängige Strom-


zeitrelais mit zusätzlichen Richtungsgliedern. Abb. 360 a zeigt eine
doppelseitig gespeiste Leitung und ein Ringnetz. Die kleinen Kreise be-
deuten die vorhandenen Relais und der in ihnen angegebene Pfeil gibt an,
daß es sich um ein Relais mit
einem Richtungsglied handelt,
welches den zugehörigen Lei-
stungsschalter nur bei einem
Überstrom in Richtungdes Pfeiles
auslöst. Man erreicht bei diesem
Netzaufbau einen selektiven
Kurzschlußschutz durch zwei
gegenläufige Zeitstaffelsysteme ·iii-=Jl+-=1~-----~:::::t----'
und Beachtung der Energierich- '!(
tung. Im Beispiel ist angenom- Abb. 361. Leitungsahzweig mit tlberstromzeitrelals
men, daß die Zeiten der einzelnen und Richtungsglied.
Relais mit 1 sec gestaffelt sind. Ist bei K 1 ein Kurzschluß, so werden
nur die beiden benachbarten Relais die Strecke zur Abschaltung
'bringen. In gleicher Weise wird, wenn bei K 2 ein Kurzschluß auftritt,
die Abschaltung durch die beiden benachbarten Relais erfolgen. Die
übrige Strecke bleibt im Betrieb. Eine solche Anordnung hat also
den Vorteil, daß bei einem Streckenkurzschluß nur der kranke Leitungs-
abschnitt zur Abschaltung kommt, das übrige Netz jedoch in Betrieb
bleibt und alle Verbraucher weiterhin beliefert werden können. Abb. 361
360 Netzstörungen

zeigt, wie in einer Station ein derartiger richtungsabhängiger Schutz aus-


gebildet sein kann. Es ist angenommen, daß der Oberstromschutz in
zwei Phasen eingebaut ist (oft werden auch die drei Phasen geschützt).
Tritt bei K ein Kurzschluß auf, so schließt das Überstromreiais R1
seinen Kontakt. Der Stromkreis wird jedoch erst geschlossen, wenn
auch der in Reihe geschaltete Kontakt des zusätzlichen Richtungs-
gliedes Z geschlossen ist. Das Richtungsglied kann als wattmetrisches
Relais ausgebildet sein. Infolge des der Spannung stark nacheilenden
Kurzschlußstromes sind dessen Dre~omente klein, besonders beim
Zusammenbruch der Spannung. Zur Erhöhung der Ansprachgenauigkeit
des wattmetrischen Relais läßt man den Strom in den Spannungsspulen
11 •. 1• 3 • der angelegten Spannung gleichfalls nach-
eilen.
z•
In der Schaltung (Abb. 360a) können
z• einige Richtungsglieder gespart werden, ohne
daß, wie man leicht nachprüfen kann, die
Selektivität des Schutzes leidet. Abb.360b
Abb. 862. Ringleitung.
und Abb. 362 zeigt die neue Schaltung. Es
genügt also, wenn an einem Abzweig das Relais mit der kleineren An-
sprechzeit ein Richtungsglied erhält das bei Energierichtung zur Sammel-
schiene hin sperrt.
Es sei angenommen (s. Abb. 362), daß ein KurzschluJl dicht an den
Sammelschienen bei K 1 erfolge. Der unmittelbar der Kurzschlußstelle
zufließende Strom wird groß, der über den Ring der Kurzschlußstelle
zufljeßende Strom dagegen klein sein. Ist dieser Strom derart klein,
daß er das rechts der Kurzschlußstelle liegende Relais mit der Auslöse-
zeit 1 sec nicht anregt, so wird das linke Relais mit 4 sec Einstellzeit
zuerst ansprechen und sein zugehöriger Schalter wird abschalten, wobei
die Abschaltung nach etwa 4,3 sec beendet ist (0,3 sec = Eigenzeit des
Schalters). Erst jetzt wird das rechte Relais mit der Einstell7.eit 1 sec
angeregt (da nun ein größerer Kurzschlußstrom über den Ring fließen
wird) und wird nach 1 sec die Auslösung des Schalters, der nach 1,3 sec
die Abschaltung beendet hat, bewirken. Insgesamt wird also für die Ab-
+
schaltung des Kurzschlusses 4,3 1,3=5,6 sec benötigt statt 4,3 sec,
wenn das rechte Relais sofort angesprungen wäre. Es vermögen also
unter ungünstigen Verhältnissen längere Abschaltzeiten aufzutreten, als
man zunächst auf Grund der Staffelung erwarten kann.
Die gegenläufige Zeitstaffelung kann auch angewandt werden, wenn
von den einzelnen Sammelschienen der Ringleitung noch Abzweige ab-
gehen, nur müssen die Auslösezeiten im Ring den Zeiten im Abzweig
angepaßt werden. Die Abschaltzeiten im Abzweig müssen kleiner sein
als die im Ring. In der Abb. 363 ist ein Abzweig eingezeichnet. Die dort
vorhandenen Relais sollen Auslösezeiten von 1 und 2 sec besitzen.
Schutz der Hochspannungsnetze 361
Erfolgt ein Kurzschluß an der Stelle K 2 , so würde, wenn die Zeit-
staffelung im Ring gegenüber Abb. 362 nicht geändert wird, auch das
Relais A anspringen und eine Fehlauslösung bewirken. Man muß des-
wegen die Zeit des Relais A größer wählen,
g' 1'
und zwar 3 sec statt 2. Das Relais A
kann jetzt ohne Richtungsglied ausgeführt 11 3'
werden.
A J'
Nach ähnlichen Grundsätzen können
auch Doppelleitungen nach Abb. 364 ge-
schützt werden. Bei einem Kurzschluß an s' ,, lf'
der Stelle K 1 wird nur die kranke Strecke Abb. soa. Ringleitung mit zusätzlichem
Sammelschlenenabzwelg.
abgeschaltet. Es ist allerdings zu beachten,
daß jetzt durch die gesunde Strecke der doppelte Betriebsstrom fließt
und die dort befindlichen Relais hierbei nicht ansprechen dürfen.
Eine einseitig gespeiste Doppelleitung mit verschiedenen Zwischen-
stationen k&nn in ähnlicher Weise wie ein von einer Stelle aus ge·
speisterRing geschützt werden. Falls man eine
Staffelzeit von 0, 7 bis 0,8 sec zugrunde legt, ~ 2' a•'
ergibt sich zunächst eine Zeitstaffelung gemäß
Abb. 365a. Diese Zeitstaffelung arbeitet solange 1,2' 4
einwandfrei, als in dem kranken Leitungsteil Abb. 36 ,, Doppell~tung.
·(Kurzschlußstelle K1) von beiden Seiten ein
solcher Kurzschlußstrom zufließt, daß die beiden Relais der kranken
Leitung angeregt werden. Liegt jedoch der Kurzschluß an der Stelle K 2,
so wird praktisch der ganze Kurzschlußstrom durch das Relais A fließen,
während durch das Relais B nur ein kleiner Strom fließt, da diesem
ein größerer Leitungswider-
stand vorgeschaltet ist.
a
Relais A wird anspringen,
Relais B dagegen nicht.
Nach 1,2 + 0,4 = 1,6 sec
(Eigenzeit des Schalters zu
0,4 sec angenommen) wird :.·1 :~.·
0,5 t!
aas.:J,'I
der zu A gehörige Leistunge-
schalter die Abschaltung Abb. 365 a u. b. Doppelleitung mit dazwischen
geschalteten Sammelschienen.
vollendethaben.Jetztfließt
ein größerer Kurzschlußstrom durch das Relais Bund nach einer Zeit
von 0,5+0,4=0,9 sec wird der Schalter des Relais B den Kurzschluß
abschalten. Die Gesamtzeit vom Beginn bis zum Abschalten ~es Kurz-
schlusses dauert also 1,6 + 0,9 = 2,5 sec. In der Zwischenzeit werden
jedoch die Relais C und D, die beide eine Einstellung von 2 sec haben,
ausgelöst haben und ihre Strecke abschalten, was jedoch unerwünscht
ist. Man muß deshalb die Zeiten etwa nach Abb. 365 b staffeln. Die
362 Netzstörungen

Sammelschienenschalter mit den Richtungsrelais erhalten eine möglichst


kleine Auslösezeit (0,5 sec), die für alle diese Schalter gleich groß
sein kann.

3. Schutz durch Distanzrelais


Der Schutz mit gegenläufiger starrer Staffelung ist nicht möglich bei
ringförmigen Netzgebilden, die mehrseitig gespeist werden. Auch in
Maschennetzen versagt dieser Schutz. Man muß daher zu einer Anord~
nung greifen, bei der die Auslösezeiten nicht starr eingestellt sind, sondern
sich nach der Lage der Fehler-
A B C stelle richten.
a
Zur Erörterung dieses Schutz-

~I
prinzips sei zunächst der einfache
b Fall einer einseitig gespeisten
t Strecke (Abb. 366a) betrachtet,
Abb. seoa u. b. Spannung und Impedanz einer
Leitung bei KurzschluB. die nur am E:ride eine Belastung
habe. Tritt auf der Leitung ein
Kurzschluß auf, dann wird der fließende Kurzschlußstrom eine konstante
Größe haben (vorausgesetzt, daß bei A und B keine Ströme entnommen
werden), die Spannung wird jedoch von der Kurzschlußstelle bis zum
Kraftwerk ansteigen(Abb. 366b). Die ImpedanzZ= U ).Jefl, welche man
an den einzelnen Stellen des Netzes messen kann, ist am Kurzschlußort
Null (satter Kurzschluß vorausgesetzt) und wird in Richtung nach dem

Un~l:
z~ I.J--:-:=::]z
Abb. 867. Spannung und Impedanz beieiner Abb. 368. Schutz eines
zweiEeitig gespeisten Leitung. vermaEchten Netzes.

Kraftwerk größer. Baut man Relais, deren Auslösezeiten proportional


den durch ein Meßwerk ermittelten Impedanzen und damit auch der
Entfernungen (= Distanzen) vom Kurzschlußort sind, so wird das
Relais, das der Fehlerstelle benachbart ist, am raschesten ansprechen, da
es kleinst.C Impedanz mißt, also auch kleinste Laufzeit aufweisen muß.
Diese Schutzart kann fast immer, auch bei beliebig vermaschten Netzen
zur Anwendung kommen, denn auch dort nimmt die Impedanz vom
Kraftwerk nach dem Kurzschlußort hin ab. Die Anregung eines der-
Schutz der Hochspannungsnetze 363
artigen Relais kann durch ein Überstromrelaie oder durch ein Relais nach
Abb. 354, welches beim Unterschreiten eines Impedanzwertes anspricht,
erfolgen.
Liegt eine zweiseitig gespeiste Strecke entsprechend Abb. 367 vor,
dann werden bei einem Fehler an der Kurzschlußstelle K 1 die Relais R1
und,R2 gleiche Impedanzen messen. Es soll jedoch nur Relais R1 an-
sprechen, also müssen, um Fehlauslösungen zu vermeiden, die beiden
Relais Richtungsglieder erhalten, welche die Auslösung freigeben, wenn
der Stromfluß von der Sammelschiene weg erfolgt.
Hat man ein beliebig vermaschtes Netz (s. Abb. 368) und erfolgt
bei K 1 ein Kurzschluß, so ist an dieser Stelle die Impedanz am kleinsten
und steigtmit wachsender Entfernungvom Kurzschlußort an. Am Knoten-
punkt A brauchen streng genommen keine Relais mit Richtungsgliedern
vorhanden zu sein, denn der in die kranke Strecke hineinfließende Strom
ist gleich der Summe der beiden zufließenden, also wird das in der
kranken Strecke vorhandene Relais die kleinste Impedanz, also auch die
kleinste Laufzeit haben. Da die Möglichkeit besteht, daß der über die
eine Leitung zufließende Kurzschlußstrom im Verhältnis zum anderen
klein ist oder die eine Leitung überhaupt abgeschaltet sein kann, muß
man auch hier, um Fehlauslösungen zu vermeiden, Richtungsglieder vor-
sehen.
Es ist nicht unbedingt notwendig, daß man bei der Festlegung der
Laufzeiten von den Impedanzen der Leitung ausgeht; genauso kann man
die Reaktanzen der Leitung benutzen. Bei der Verwendung von Reak-
tanzrelais hat man den Vorteil, daß die Kurzschlußlichtbögen, die in
Netzen höherer Spannung nach verhältnismäßig kurzer Zeit großeLängen
und beachtliche ohmsehe Widerstände erreichen (bis etwa 250 .Q), von
einem derartigen Relais nicht erfaßt werden, im Gegensatz zu einem
Impedanzrelais, welches dadurch eine zu große Kurzschlußentfernung
mißt und demzufolge nach einer zu langen Zeit auslöst. Das Reaktanz-
relais hat jedoch den Nachteil, daß es bei Netzpendelungen eher zu
Fehlauslösungen führt als ein Impedanzrelais, so daß die heutigen Sehneli-
distanzrelais die reine Reaktanzmessung nicht verwenden. Der Einfluß
des Lichtbogenwiderstandes wird durch besondere Schaltungen zum
größten Teil kompensiert. Außerdem arbeiten die heutigen Sehneli-
distanzrelais sehr rasch, so daß sich lange Lichtbögen weniger ausbilden
können und die Messung dadurch weniger gefälscht wird.
a) Einrelais-Impedanzschutz mit DoppelerdscbluBertassong. Bei dem
Distanzrelais müßte man eigentlich für jede Phase ein Maßrelais be-
nutzen. Da diese Relais jedoch teuer sind, strebt man danach, mög·
liehst mit einem Relais auszukommen, besonders wenn es sich um Netze
mittlerer Spannung handelt, in denen wegen der kürzeren Stations-
364 Netzstörungen

abstände sehr viele Relais gebraucht werden, also Wert auf größte
Billigkeit der einzelnen Schutzanordnungen gelegt werden muß.
Abb. 369 zeigt eine Ausführungsform, die SSW bei seinen Impedanz-
relais zur Anwendung bringt, bei der nur ein Impedanzrelais und ein
Richtungsglied zum Schutze der drei Leitungen benötigt werden. Weiter-
hin sind drei Stromwandler und ein Spannungswandlersatz (nicht. ein-
gezeichnet), durch den die Spannungen zwischen den einzelnen Phasen
und für den Fall der Erfassung des Doppelerdschlusses die Spannung
zwischen Phase und Erde gemessen werden können, vorhanden. In den
Phasen R und T der Stromwandler liegen zwei Droschaltrelais a 1 und a 2•
Spricht das Relais a 1 an, dann wird der-Schalter b1 nach rechts und der
Schalter b]. nach links, spricht das Relais a 2 an, dann wird der Schalter b2
R s 1 nach rechts gelegt. In der Nulleitung der
drei Stromwandler ist ein weiteres Relais a3
vorgesehen, welches den Schalter b3 be-
tätigt. Das Relais a3 tritt nur bei Er-
fassung eines Doppelerdschlusses in Tätig-
keit. Bei Kurzschlüssen zwischen den
Phasen RS und RT und beim Drei-
phasenkurzschluß RST spricht stets das
Relais a1 an und schaltet den Kontakt b1
nach rechts. In diesen Fällen fließt der
Wandlerstrom der Phase R durch das
Richtungsglied und durch das Impedanz-
relais. Nur bei einem Kurzschluß zwischen
den Phasen S und T bleibt der Um-
Abb. 3611. Einrelais-Impedanzschutz
(SSW). schalter b1 in der gezeichneten Lage und
der durch die Phase T fließende Strom
wird jetzt durch das Richtungsglied und durch das Impedanzrelais
hindurchgeführt. Bei zweipoligen Kurzschlüssen ist es für ei:qe ein-
wandfreie Impedanzmessung, wie auch für das richtige Arbeiten des
Richtungsgliedes wesentlich, daß stets die Spannung der beiden kurz-
geschlossenen Phasen zur Messung benutzt wird. Eine Kontrolle zeige,
daß das Schaltbild stimmt. Besteht ein Kurzschluß etwa zwischen den
Phasen R und S, so wird der Schalter b1 nach rechts bewegt, also der
Strom der Phase R gemessen. Ferner wird der Schalter b~ nach links
bewegt. Man sieht, daß an die Spannungsspulen des Richtungsgliedes
und der Impedanzrelais die Spannung URS gelegt wird. Das Impedanz-
relais mißt einen Impedanzwert Z = U Rsf I 8 , das ist aber beim zweipoligen
Kurzschluß die zweifache Impedanz einer Phase: Z=2ZR· ·Ist ein drei-
phasiger Kurzschluß vorhanden, dann wird, weil der Schalter b1 um-·
gelegt wird, der Strom der Phase R gemessen. Weiter wird der Schalter bi
und der Schalter b2 betätigt. Man mißt in diesemFalle die Spannung U RT
Schutz der Hochspannungsnetze 365
und erhält als Impedanz dieGrößeZ= U RTIIR. Da die Leitungsimpedanz
jedoch in diesem Falle gleich
UAR
ZR=-----y;;-(U AR= Phasenspannung von R) (135)
und
(136)

ist, ergibt sich, daß die gemessene Impedanz y3-mal größer als die Lei-
tungsimpedanz ist.
URT -UAR ,;-
Z= IR =y3 IR =r3ZR. (137)
Im vorhergehenden Falle, beim zweiphasigen Kurzschluß, war die ge-
messene Impedanz 2 ZR gewesen. Da beide Werte sich nicht stark von-
einander unterscheiden, ist diese Abweichung, die nur kleine Unterschiede
M
:pfo-413
·. ~
/11

t~
I?

I
I
~~
I
I
I

I? T
--~~~~~~~s

s
Abb. 370a u. b. Doppelerdschluß.

in der Laufzeit der Relais ergibt, zulässig. Tabelle 16 zeigt, wie bei den
einzelnen Kurzschlußarten die Anregung erfolgt und welche Impedanz
gemessen wird.
Tritt in einem Netz ein Doppelerdschluß auf, so ist dies gleichbedeu-
tend mit einem Zweiphasenkurzschluß. Abb. 370a zeigt die zunächst
einseitig gespeiste Strecke, welche bei A und B zwischen den Phasen R
und S einen Doppelerdschluß haben soll. In der Station M befinden
sich drei Stromwandler in Asymmetrieschaltung, in deren Nulleitung die
Stromspule eines Relais liegt. Im Falle des angenommenen Doppelerd-
schlusses ist in M nur die Phase R stromdurchflossen (vom normalen
Belastungsstrom sei hierbei abgesehen), das Relais mißt den Erdstrom I 0 ,
der in diesem Falle gleich dem Phasenstrom IR ist. Der Strom I 0 kann
also zur Anzeige für einen vorhandenen Doppelerdschluß benutzt werden.
Der Strom IR fließt bis zur Erdschlußstelle A in der Phase R und von da
in der Erde zurück, bis er bei B von der Phase S wieder aufgenommen
wird. Dieser teils in der Leitung, teils in der Erde fließende Strom ver-
ursacht einen Spannungsabfall, zu dessen Berechnung die zwar nicht ganz
exakte, aber einfache Annahme zweckmäßig ist, daß zwischen M und A
in der Leitung die normale Phasenimpedanz ZR und in der Erde eine
Io-iir+Ik weitere Impedanz ZE vorhanden ist.
In ~? f ;; lf R Die Spannung in der Station M
a 1; " ! ;k !:l~ (Abb. 370b) zwischen der Phase R

.s
' und Erde hat also die Größe

.
.,. : mI
11211/r;

112 ftrKt
;; R
T
R
u RO = IR(ZR+ ZE)~
Setzt man annähernd ZE=ZR (mei-
(138)

stens ist ZE etwas kleiner), so ergibt


c ~~m .... s
T sich, daß das Impedanzrelais die Größe
I
I i 3!E ;I
URo _ 2 z
112'/ft
7' R
d s lR- R (139)
1
Abb. 371 a-d. Verschiedene Lagemißt, also genau den gleichen Wert
des Doppelerdschlusses. wie beim normalen zweipoligen Kurz-
schluß. Würde man die verkettete Spannung U RB wählen, die in der
Station M vorhanden ist, so würde sich, da diese, wie die Abb. 370b
zeigt, viel größer ist, eine zu große Laufzeit des Relais ergeben. Man
muß also im Falle eines Doppelerdschlusses dem Impedanzrelais die
Spannung U RO zuführen.
Ist ein Doppelerdschluß vorhanden und wird die Leitung zweiseitig
gespeist, dann fließt, wie die Abb. 371 a zeigt, durch die Erde der
.Strom 10 , der jetzt jedoch gleich
10 =IR+IR
Schutz der Hochspannungsnetze 367
ist. Dte Spannung gegen Erde wird daher
U Ro= IR ZR+ I 0 ZE. (140)
Unser Impedanzrelais mißt also
URo Io
IR =ZR+ IR ZE. (141)

Dieser Wert ist jetzt nicht mehr wie bei der einseitig gespeisten Strecke
gleich ZR+ZE, sondern unterliegt je nach der Größe von I 0 Schwan-
kungen. Diese bedingen eine Veränderung der Auslösezeit, die jedoch
meist noch tragbar ist.
Aus diesen Betrachtungen folgt, daß für den Fall des Doppelerd-
schlusses die Spannung der Phase gegen Erde gemessen werden muß.
Die hierfür notwendigen Umschaltungen werden durch das Relais a 3 der
Abb. 369, welches nur anspricht, wenn ein Doppelerdschluß vorhanden
ist, vorgenommen. Das Relais a 3 betätigt den Schalter b3 • Tritt z. B.
(s. Abb. 371 b) ein Doppelerdschluß zwischen den Phasen RundS auf,
so werden die Schalter b1 , b~ und b3 der Abb. 369 betätigt. An die Span-
nungsspule des Impedanzrelais kommt, wie das Schaltbild zeigt, die
Spannung U RO zu liegen und auf die Stromspule wirkt IR· Das Relais,
das auf den Schalter K 1 wirkt (s. Abb. 371 b), spricht an und trennt den
Doppelerdschluß auf. Die beiden Netzhälften können für sich weiter im
Betrieb gehalten werden, denn die Kurzschlußströme, die durch den
Doppelerdschluß bedingt waren, sind beseitigt. Jede Netzhälfte weist
jedoch einen einfachen Erdschluß auf, der bei vorhandenen Erdschluß-
Löschvorrichtungen meist gelöscht wird oder zumindest gestattet, daß
man eine gewisse Zeit mit bestehendem Erdschluß fahren kann. Das
Relais, das dem Schalter K 2 links von den Sammelschienen zugeordnet ist
spricht nicht an, weil das Richtungsglied sperrt. Es ist wesentlich, daß
nicht die Schalter K 1 und K 2 zusammen ansprechen, da sonst die
Sammelschiene M und die daran hängenden Verbraucher keine Span-
nung mehr hätten. Hat der Doppelerdschluß die in der Abb. 371 c ge-
zeichnete Lage, so wird das Richtungsglied des Impedanzrelais, welches
zum Schalter K 2 gehört, richtig stromdurchflossen und der Schalter K 2 ,
nicht jedoch der Schalter K 1 löst aus. Ist ein Doppelerdschluß zwischen
den Phasen T und R vorhanden (Abb. 37ld), dann arbeitet ebenfalls
nur der Schalter K 1 , weil zunächst nur der Strom der Phase R gemessen
wird und nur das Richtungsglied, welches zum Schalter K 1 gehört, im
richtigen Sinne stromdurchflossen ist. In der Tabelle 16, S. 366 ist
angegeben, wie beim Doppelerdschluß die einzelnen Anregungen und die
gemessenen Impedanzen sind.
Der Einrelaisschutz erreicht kürzeste Abschaltzeiten von etwa 0,1
bis 0,06 sec. Erheblich kleinere Zeiten lassen sich nicht erzielen, da die
Ansehaltung des Meßgliedes an die richtige Phase eine gewisse Zeit
368 Netzstörungen

benötigt. Bei Relais für sehr kurze Abschaltzeiten, z. B. dem sog. EiD-
periodenrelais (BBC), welches für solche Höchstspannungsnetze vor-
gesehen ist, bei denen mit Rücksicht auf die Stabilitätsverhältnisse Kurz-
schlüsse sehr rasch abgeschaltet werden müssen, wird auf jede Um-
schaltung im Relais verzichtet und für jede Phase ein Meßglied vor-
gesehen (Abb. 372). Mit einem
solchen Relais lassen sich Aus-
lösezeiten von 0,01 bis 0,03 sec
erzielen.
ß) Kennlinien. DieDistanz-
relais können mit verschiede-
nen Charakteristiken ausge-
rüstet werden. Man verwendete
früher meist stetige Kenn-
linien, bei denen die Laufzeit
der Relais direkt proportional
der Entfernung ist. Es sei eine
einseitig gespeiste Strecke mit
dem eingezeichneten Distanz-
relais versehen (Abb. 373). Die
Auslösezeit des Relais I wird
bei einem Kurzschluß am An-
fang des Streckenabschnitts
Null sein und proportional mit
der Strecke zunehmen. Man
hat also durch die schräge
Kurve I-1 ein Maß für die
Auslösezeit t1 bei einem Kurz-
schluß an jeder Stelle der
Strecke. Entsprechend kann
man die Auslösezeiten für die
Relais I I und I II ermitteln und
bekommt die Kurven II-II
Abb. 372 . Elnperioden·Distanzrelais LG 3
nach dem Drehfeldprinzip (BBC).
und I11-11I. Man erkennt,
daß unabhängig davon, ob
der Kurzschluß an der Stelle K 1 , K 2 oder K 3 ist, die Auslösezeiten
nicht sehr verschieden sind. Man erhält also gegenüber dem Staffel-
schutz mit starr eingestellten Zeiten kurze Abschalt7,eiten unabhängig
von der Zahl der hintereinander geschalteten Leitungen. Im ersten
Falle spricht das Relais I, im zweiten Falle das Relais II und im
dritten das Relais III an. Sollte bei einem Kurzschluß in K 1 das
Relais I versagen, dann wird nach einer etwas längeren Zeit das
Relais II die Abschaltung übernehmen. Der Impedanzschutz bietet
Schutz der Hochspannungsnetze 369
also ebenso wie der normale Staffelschutz eine Art Reserve. beim Ver-
sagen eines Relais.
Bei einer zweiseitig gespeisten Strecke (Abb. 374) verlaufen die
Staffelkurven entsprechend. In der Abbildung sind die Staffelkurven für
die Relais, welche bei einem Strom- tr,
durchfluß nach rechts ansprechen,
oberhalb der Abszisse und die Kur- t
ven für die Relais, die nach links
ansprechen, unterhalb derselben
aufgetragen. Es ist angenommen, 1
daß die Relais auch bei der Impe•
danz Null eine kleine Zeit zum
Impedanz
Ansprechen benötigen (Abb. 376). ELeifungslünge
Ferner ist vorgesehen, daß jedes Abb. 1173. Auslösezeiten auf einer Leitung in
Relais eine größte Laufzeit hat, Abhängigkeit der Impedanz.
die auch bei beliebig großer Impedanz nicht überschritten wird.
Weniger gut arbeitet ein Distanzschutz, falls entsprechend Abb. 375
die Streckenlängen sehr verschieden sind. Während auf der kurzen Strecke


t
I~ sl
][' Jl
B
I' I
sl B

/
~--·-------
~---------
".,/
/" /1{ I
/' /

t
Abb. 37 4. Auslösezeiten des Distanzschutzes bei doppelseitig gespeister Strecke.

die Abschaltzeiten sehr klein sind, werden dieselben bei längeren Strecken,
falls der Kurzschluß am Ende der Strecke erfolgt, verhältnismäßig lang.
In krassen Fällen können die Zeiten t1 1
und t 2 der Relais] und II (Abb.375)
sich nur wenig voneinander unter-
scheiden, so daß hierdurch unter
Umständen Fehlabschaltungen er-
folgen können. I][ n
Aus diesem Grunde rüstet man Abb. 375. Auslösezelten in Abhängigkeit der
die Relais mit stetiger Charakteristik Impedanz bei unterschiedlichen Streckenlingen.
mit einem "Eilkqntakt" aus, wodurch erreicht wird, daß, wenn der Fehler
innerhalb einer gewissen Strecke liegt, eine Auslösung mit einer kurzen,
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 24
370 Netzstörungen

über die betreffende Strecke konstanten Zeit erfolgt. Erst wenn der
Fehler außerhalb dieses Bereiches liegt, kommt die stetige Kennlinie
in Frage.
Es sei, um die Wirkungsweise des Eilimpedanzrelais klar zu er·
kennen, der Schutz einer einseitig gespeisten Strecke entsprechend
Abb. 376 betrachtet. Den einzelnen Impedanzrelais wird man eine
Charakteristik geben, daß auf etwa SOO/o jedes Streckenabschnitts
(Streckenlänge entspricht der Impedanz in Ohm) die Eilzeit t0 vorhan-
den ist. Erst dann beginnt mit einem kleinen Zeitsprung t, die anstei-
gende Charakteristik des Relais. Tritt z. B. ein Kurzschluß an der
Stelle K 1 auf, dann erfolgt die Auslösung mit der Grundzeit t0• Erst
wenn der Kurzschluß ziemlich am Ende der Strecke bei K 2 ist, wird
nach einer größeren Zeit t2 ausgelöst. Ist der Kurzschluß bei K3 , also
ganz am Anfang der
I
Strecke, dann erfolgt
die Auslösezeit eben-
falls mit der Eilzeit t 0 •
Das vorgeschaltete Re-
lais III kommt nicht
zum Auslösen, da des-
sen Zeit um den Be-
Abb. 876. Auslösezeiten einer durch Impedanzrelais mit Eilkontakt trag t~ größer ist als
geschützten Leitung.
die Zeit des Relais II.
Um auf jeden Fall ein Auslösen des Relais III zu vermeiden, mußt~
eine bestimmte Größe haben. Man erkennt, daß man diesen Wert
durch entsprechende Wahl des Zeitsprungs t, (Parallelverschieben der
Auslösekennlinie !) beim vorgeschalteten Relais I I I verändern kann.
Sollte bei einem der angenommenen Kurzschlußfälle das Relais oder
der Schalter versagen, dann wird, allerdings mit einer größeren Zeit,
das dem vorhergehenden Streckenabschnitt zugeordnete Relais I li
ansprechen und wenn auch diese versagen sollte, mit einer noch etwas
größeren Zeit das Relais IV. Man hat also bei dem Impedanzschutz eine
Reserve, da stets jedes Relais von dem davorgeschalteten geschützt wird.
Sollte bei einem Kurzschluß an der Stelle K 4 das Relais IV versagen, so
muß das vor den Sammelschienen im Kraftwerk angeordnete Relais die
Abschaltung übernehmen. Bei der Festlegung der Kennlinien der ein-
zelnen hintereinander geschalteten Relais muß man, um Fehlauslösungen
zu vermeiden, darauf achten, daß keine Überschneidungen vorkommen
und daß benachbarte Relais genügenden Zeitabstand gegeneinander auf-
weisen.
Eine andere Möglichkeit, die sehr oft angewendet wird, da sie die
kürzesten Auslösezeiten ergibt, ist die Ausführung der Relais mit einer
Stufencharakteristik (s. Abb. 377). Die erste Stufe umfaßt im allge-
Schutz der Hochspannungsnetze 371
meinen 80bis85% der zu schützenden Teilstrecke und ist im vorliegenden
Beispiel auf eine Auslösezeit von 0,1 sec eingestellt. Die weiteren Zeit-
stufen werden hinsichtlich Meßdistanz und Auslösezeit den Netzverhält-
nissen angepaßt. Die letzte, hier die fünfte Zeitstufe wirkt als Endzeit-
begrenzung.
Beim Distanzschutz ist zu beachten, daß die Distanzrelais nicht die
tatsächliche Impedanz oder Reaktanz der Leitung messen, sondern einen
Wert, der durch die Strom- und Spannungswandler gegeben ist. Ist z. B.

A B c 0

r----- --..
1""----- ___ _..r-------""
I

..------ ---
1 ___J r ·----------..: r ---
Primiirreokfunz Ohm/Pilose
Abb. 377. Distanzrelais mit Stufencharakterist!k.

die Leitungsimpedanz Z= UJJI und wird durch die Meßwandler eine


Spannung U). =UAfüu und ein Strom l'=lfü1 (ü= Übersetzungsver-
hältnis der w andler) dem Relais zugeführt, so ergibt sich die vom Relais
gemessene Impedanz zu
I U}_ UA Ü[
Z = 1 ' = 1 · üu' (142)

Es besteht also, da UJJI =Z ist, zwischen der gemessenen und der tat-
sächlichen Impedanz die Beziehung
Z' = Z ~~.
uu
(143)

y) Der Konduktanzschutz (SSW). Der Konduktanzschutz zieht zur


Messung die Konduktanz, d. h. das Verhältnis der Wirkkomponente I cos q;
des Stromes zur Spannung U, also 1 c;s rp = ~ cos q; heran. Das Prinzip
der angewendeten Schaltung ist einphasig Auslöseseite
in Abb. 378 dargestellt. Das Relais besitzt
zwei Transformatoren mit je drei Wick-
Sperrseile
e-----..
lungen (Transformator "Sperrseite" und
Transformator "Auslöseseite"). Die eine
Wicklung des Transformators "Sperr-
Abb. 378. Konduktanzmessung.
seite" wird vom Strom e durchflossen,
der proportional der Leitungsspannung U ist. Wenn k 1 das Spannungs-
wandlerübersetzungsverhältnis ist und r einen einstellbaren Vorwider-
stand im Relais bedeutet, so gilt e = k1 • !!_.
r
Die zweiten Wicklungen der
24*
372 Netzstörungen

Transformatoren werden von einem Strom i durchflossen, welcher dem


Strom I in der zu schützenden Leitung entspricht. Ist k2 das Strom-
wandlerübersetzungsverhältnis, so gilt i = k2 • I. Die in den dritten
Wicklungen der beiden Transformatoren erzeugten Ströme werden gleich
gerichtet und in einer Brücke verglichen. Das in der Diagonale der Brücke
liegende Drehspulrelais Dr ist stromlos, wenn die beiden Ströme auf der
Sekundärseite gleich sind. Überwiegt z. B. der Strom, den der von dem
Transformator "Auslöseseite" gespeiste Gleichrichter liefert, so schlägt
das Drehspulrelais nach der einen Seite aus und erteilt den Auslösebefehl,
überwiegt der Strom des anderen Gleichrichters, so schlägt das Relais
nach der anderen Seite aus, auf welcher keine Auslösung erfolgt. Gleich-
!? gewicht herrscht, wenn
i=jji""' ejj (144a)
oder i2 = i2- 2 e i cos tp +e
2 (144b)
1 i
2 = 6 costp (145a)
1 k 1 1· r
2 = JC;u cos 1P (145b)
kl 1
;-:-2ka = Z costp (146aJ

Abb. 3711. Konduktanzkrels. r- - - z- · -kl- (146b)


costp 2ka·
Es wird also dann immer der Gleichgewichtszustand erreicht, wenn eine
bestimmte Konduktanz ! cos tp überschritten wird.
Die Abb. 379 zeigt das Ortsdiagramm des Konduktanzrelais. Denkt
man sich die Station im Mittelpunkt eines Koordinatensystems, von dem
die eine Achse den Wirkwiderstand, die andere den Blindwiderstand dar-
stellt, so kann man sich die Leitung als Widerstandsgebilde gleichsam
"geographisch gesehen" von der Station nach verschiedenen Richtungen
ausgehend denken, je nachdem, welches 'Verhältnis von Blind- und
Wirkwiderstand die Leitung enthält. Bestünde die Leitung nur aus ohm-
schem Widerstand, so würde sie in Richtung der R-Achse verlaufen und
Strom und Spannung wären in Phase. Da aber jede Leitung, besonders
Freileitungen, aus Blind- und Wirkwiderstand besteht, hat sie gegenüber
der R-Achse eine bestimmte Neigung, die den Kurzschlußwinkel tp mit
der R-Achse einschließt. Legt man in die R-Achse den Stromvektor i,
so ist der geometrische Ort für die Spitze aller Spannungsvektoren, bei
denen die Differenz i ·A e = i ist, ein Kreis, dessen Mittelpunkt in
Richtung der R-Achse um den Betrag i verschoben ist und dessen
Peripherie durch den Koordinatenmittelpunkt geht. Die Impedanzlinie
der Leitung tritt in der Station bzw. im Koordinatenmittelpunkt erst
Schutz der Hochspannungsnetz<J 373

in den Kreis ein und verläßt ihn beim Kippunkt. Es erfolgt daher eine
Auslösung nur in einer Richtung, von der Station aus gesehen. Diese
Meßanordnung umfaßt also Entfernungsmessung und Richtungsmessung
zugleich.
Der Strom e in der Meßschaltung ist umgekehrt proportional dem
Einstellwiderstand r. Dieser wiederum steigt mit dem Ausdruck __!__
C08 qJ
linear an. Es gilt nun
Z2 2 1
R = R + R = x sin 2 rp = R
Z .x 2
r = cos rp = cp ·
cos 2 (14 7)
Die beiden letzten Quotienten zeigen, wie der Einstellwiderstand bzw.
der Strom e von x bzw. R abhängig ist. sin 2 cp ändert sich z. B. zwischen
30 und 60° nur etwa um ± 7 %, d. h. bei konstanter Fehlerortsentfernung
hat der Wirkwiderstand nur geringen Einfluß auf dieFehlerortsmessung.
Ist dagegen der Winkel spitzer als 60°, dann nimmt der Wert sin 2 cp
sehr rasch ab. Aus diesem Grunde eignet Auslöseseite J'perrseite
sich das Konduktanzrelais vor allem für ~ u
~lr,·
Mittelspannungsnetze. Bei Höchstspan- lt:z-I=i r=-"

+or$
----,.,;-
nungsnetzen sind die Querschnitte, die rf1 Fi1
Induktivität und damit auch die Win- L<f-'
kelcp größer, bis zu 85 °, weshalb das reine Abb. sso. Konduktanzmessung mit
Konduktanzrelais hierfür ausscheidet. verstärkter Ricbtungsangabe.

In der praktischen Ausführung des Konduktanzrelais wird die erste


Wicklung des Transformators "Auslöseseite" (nach Abb. 380) von
einem Teil des von den Netzspannungswandlern gelieferten Stromes
durchflossen. Hierdurch erhält das Konduktanzmeßwerk eine erhöhte
Richtungsempfindlichkeit, was vor allem bei größeren Fehlerentfernungen
von Vorteil ist, bei denen bei dem Relais nach Abb. 379 der Strome
verkleinert werden muß, um den Gleichgewichtszustand zu erreichen,
wodurch die Richtungsempfindlichkeit geringer wird.
0) Das Schnelldistanzrelais. Das Schnelldistanzrelais SD 4 (AEG) ist
ein Impedanzrelais, welches eine sehr weitgehende Abwandlung der Aus-
lösekennlinie erlaubt (Abb. 381). Es besitzt ein besonderes Richtungs-
relais und ein getrenntes Impedanzmeßrelais, Das Richtungsrelais gibt
die Auslösung nur frei, wenn die Kurzschlußenergie von der Sammel-
schiene wegfließt. Die grundsätzliche Schaltung des Impedanzmeß-
kreises ist in Abb. 382 dargestellt. Das eigentliche Meßrelais ist ein
Gleichstromtauchspulrelais mit zwei Wicklungen. Der Spannungsspule
dieses Relais wird über je einen vor- und parallelgeschalteten Widerstand
nach Gleichrichtung die Fehlerspannung zugeführt. Die durch den
Strom der Spannungsspule auf das Kippglied ausgeübte Kraft ist so
gerichtet, daß sie den Tauchspulkontakt offen zu halten trachtet. Der
374 Netzstörungen
Stromspule wird nicht der Fehlerstrom direkt, sondern nur der Spannungs-
abfall des Fehlerstromes an einem Shunt, und zwar wieder nach Gleich-
richtung, zugeführt. Die Kraft der Stromspule versucht den Kontakt zu
schließen. Bei einem ganz bestimmten Verhältnis von Spannung zu
Strom, also einer ganz bestimmten Impedanz der Fehlerschleife, der sog.
Steuerimpedanz des Relais,· kommt das Tauchspulsystem zum Kippen
und schließt seinen Kontakt. Dieser Kleinstwert der Impedanz kann
nun durch Veränderung der Vor- und Nebenwiderstände im Spannungs-
kreis weitgehend vergrößert werden. So
t wird die Staffelstufe der Kep.nlinie dadurch
erzeugt, daß nach einer wählbaren Zeit
t mittels des Zeitvektors der Spannungs-
spule ein einstellbarer W~derstand vorge-
schaltet und damit die Kippi~pedanz er-
t höht wird. Der Stetigteil der Kenn1inie

Felllo
SptiRRU.

Abb. 381. Einstellmöglichkeiten der Abb. 382. Grundsitzliehe Schaltung des Meßkreises

01
Kennlinie eines Schnelldlstanzrelais. des Schnelldistanzrelais SD' (AEG).
SD' (AEG).
• Einstellung der Kippimpedanz der Trockengleichrichter
Schnellstufe (2 Z ) R, R1 , R, Festwiderstände
t1 Einstellung der Ji!ppimpedanz der R8 , Rz Einstellwiderstände
Staffelstufe (2 Z,) T Zeltlaufwerk
Einstellung der Staffelzelt (11 )
Einstel,lung der Anfangszelt des Z Me.ßglled
Stetigteils (t,) • Rt , Zeltproportionaler Widerstand
0 Einstellung der Grenzzelt (tg)
"J Einstellung der Steilheit des
Stetigteils (a)

wird durch ebenfalls vom Zeitwerk vorgenommenen kontinuierliche Zu-


schaltung von Widerstand in dem Spannungskreis erzeugt. Durch einen
veränderlichen Parallelwiderstand zur Spannungsspule kann die Steilheit
variiert werden.
r:) Das Drehfeld-Impedanzrelais. Das Drehfeld-Impedanzrelais mit
gleichzeitiger Richtungserfassung (BBC) (Abb. 383) benötigt kein zu-
sätzliches Richtungsrelais, da bei ihm die Impedanz- und Richtungs-
bestimmung durch ein einziges Drehfeldrelais ausgeführt wird. Der Ein-
fachheit halber sei das Prinzip zweipolig erläutert.
Schutz der· Hochspannungsnetze 375
Es sind zwei Stationen A und B vorhanden und der Impedanzschutz
sei für die Station A eingezeichnet. Es bedeutet 1 einen Stromwandler
und 2 einen Spannungswandler. Der Stromwandler arbeitet auf eine
Impedanz Z0 und die Sekundärseite des Spannungswandlers ist mit der
ImpedanzZ0 in Reihe geschaltet und beide sind mit der Spule 3 eines
Drehfeldrelais verbunden.· Die der Spule 3 zugeführte Spannung E d ist bei
passender Polung der Wandler E d = I Z0 - E. Entspricht die Wandler-
spannung der Spannung bei A und wird Z0 gleich der Leitungsimpedanz
der Strecke Aa gemacht, die z. B. 85% der Leitungslänge sein möge, so
gilt bei einem Kurzschluß in a
E = IZ 0 oder Erl = 0 = IZ 0 - E, (148)
d. h. daß an der Spule 3 die Spannung E 11 gerade Null ist. Liegt der
Kurzschluß jedoch vor a bei a', so wird der Strom in der Impedanz Z0
A B

Abb. 383a u. b. Schnellimpedanzschutz mit Drehfeldrelais für gleichzeitige Impedanz-


und Richtungsbestimmung (BBC).

größer und die Spannung E meist kleiner werden, so daß die Differenz-
spannung Ea positiv wird. Liegt der Kurzschluß dagegen rechts von a
bei a", so wird der Strom, der durch Z0 fließt, kleiner, also die Differenz-
spannung E 11 negativ. Ist dagegen der Kurzschluß außerhalb der zu
schützenden Leitung und zwar links von A bei a"', so wird, da I negativ
ist, nach Gl. (148) E 11 auch negativ.
Die Spannung E 11 ist also nur positiv, falls der Fehler innerhalb
von Aa liegt. Ein besonderes Richtungsrelais ist also für diese Ermitt-
lung nicht notwendig.
Führt man nun die Differenzspannung E 11 der Spule 3 eines Ferraris-
systems zu und hat man eine weitere senkrecht daran liegende Spule,
welche an einer Vergleichsspannung liegt, die eine Phasenverschiebung
gegen E 11 hat, so entsteht ein Drehmoment, welches positiv ist, falls der
Kurzschluß innerhalb von Aa liegt und das zur Kontaktgabe benutzt
werden kann.
Verkleinert man die Spannung auf der Sekundärseite des Wandlers 2,
dann wird bei einem kleineren I Z0 die Differenzspannung U a Null; d. h.,
es muß ein kleinerer Strom fließen, was einer größeren Streckenlänge,
376 Netzstörungen

also einer größeren Impedanz entspricht. Man kann also leicht den
Streckenbereich für das Ansprechen einstellen.
Infolge der Möglichkeit, den Ansprechbereich (Ansprechimpedanz)
leicht verändern zu können, kann man dem Relais unter Benutzung eines
Zeitwerkes mit Kontakt, eine stufenförmige Kennlinie nach Abb. 383 b
geben. Liegt ein Kurzschluß zwischen Aa, so wird ein Überstrom bzw.
eine Unterimpedanzanregung ansprechen (in Abb. 383a nicht ein-
gezeichnet) und das Drehfeldrelais 3 einschalten, welches positiv aus-
schlägt und Kontakt gibt und den Leistungsschalter auslöst. Die kürzeste
Zeit, welche vom Anregebeginn bis zum Abschalten des Kurzschlusses
vergeht, beträgt bei Benutzung guter Leistungsschalter etwa 0,1 sec. Ist
der Kurzschluß jetzt rechts von a bei a", so ist Ed negativ und das
Drehfeldrelais dreht sich entgegengesetzt gegen einen Anschlag, gibt also
keinen Kontakt. Man hat nun ein Zeitwerk, welches bei Beginn des
Kurzschlusses zu laufen anfängt und schaltet dieses z. B. nach 0,4 sec
die Sekundärseite des Spannungswandlers 2 auf eine kleinere Spannung
um, die einem größeren Schutzbereich, z. B. für die Strecke Ab ent-
spricht, so ist jetzt das Moment im Drehfeldrelais wieder positiv und es
kann Kontakt gegeben werden. Ein Kurzschluß, der auf der Strecke ab
liegt, wird also nach 0,4 sec abgeschaltet. Gibt man dem Zeitwerk noch
einen weiteren Kontakt, der nach einem weiteren Zeitintervall den Span-
nungswandler nochmals umschaltet, so kann noch eine dritte Zeitstufe
(evtl. auch eine vierte und fünfte) vorgesehen werden.
In einem Drehstromnetz wird man für jede Phase je ein Anregeglied
haben. Durch diese wird beim Ansprechen das nur einmal vorhandene
Drehfeldrelais in dem kranken Stromkreis eingeschaltet. Die Wicklung 4
für die Vergleichsspannung des Drehfeldrelais wird derart zwischen zwei
Phasen gelegt, daß ein möglichst großer Phasenwinkel mit der Differenz-
spannung Ed vorhanden ist.

4. Zusammenfassung der Systeme mit ZeitstaHelung


Die bis jetzt behandelten Schutzsysteme arbeiteten alle mit einer Zeit-
staffelung. Diese konnte fest eingestellt sein (Staffelschutz mit strom-
unabhängigen Zeitrelais) oder sie richtete sich nach der Entfernung des
Kurzschlußortes vom Relais (Distanzschutz). Der Schutz mit strom-
unabhängigen Zeitrelais hat den Vorteil der großen Einfachheit und
Billigkeit; sein Nachteil sind die langen Abschaltzeiten bei vielen hinter-
einander geschalteten Leitungen und die Nichtverwendbarkeit in ver·
maschten Netzen und mehrfach gespeisten Ringen. Wenn für derartige
Netzgebilde ein Kurzschlußschutz benötigt wird oder wenn bei einfachen
Netzgebilden Wert auf kürzere Abschaltzeiten gelegt wird, dann muß ein
Distanzschutz zur Anwendung kommen. Der Distanzschutz ist kompli-
zierter als der stromunabhängige Zeitstaffelschutz. Beide Staffelschutz-.
Schutz der Hochspannungsnetze 377
arten haben den Vorteil, daß beim Versagen eines Relais oder eines
Schalters das übergeordnete Relais die Abschaltung, allerdings mit einer
etwas längeren Zeit, übernimmt. Bei beiden Schutzsystemen muß darauf
geachtet werden, daß, wenn in einem Netz die Staffelung der Zeiten bzw.
der Charakteristiken durchgeführt wird, der Schutz in einem übergeord-
neten Netz (ein Netz höherer Spannung) hiermit in Einklang steht, d. h.
wenn ein Fehler in einem Mittelspannungsnetz auftritt, so darf auf keinen
Fall im übergeordneten Hochspannungsnetz ein Relais vorhanden sein,
welches eine kürzere Abschaltzeit als ein Relais des Mittelspannungs-
netzes besitzt und hierdurch eine Fehlabschaltung herbeiführt. Durch
den Zeitstaffelschutz werden die Fehler in den Stationen und in den

Abb. 38,, Auslösezelten des Impedanzschutzes bei einem Netz mit zwei Spannungen.

Sammelschienen mit erfaßt. Transformatoren, die zwischen zwei Netzen


vorhanden sind, werden als Leitungsstrecken aufgefaßt und müssen eben-
falls mit dem Netz' angepaßten Relais versehen werden. Abb. 356 zeigt
die Staffelung beim unabhängigen Zeitschutz und Abb. 384 die Staffelung
beim Distanzschutz. Da die dem Transformator zugeordneten Relais
jedoch bei Fehlern in den Transformatoren oft zu lange Abschaltzeiten
haben, wird unabhängig von diesen Relais noch ein besonderer Transfor-
matorenschutz (Differentialschutz und Buchholzschutz) angewandt.
Der Distanzschutz .kann nicht angewandt werden, falls die Leitungs-
widerstände zu klein werden, ein Fall, der bei Kabelnetzen manchmal vor-
liegt. Hier ist der Querschnitt meist groß und die Länge klein.

5. Der Stromvergleichsschutz
Wenn es sich darum handelt, eine kranke Leitungsstrecke schnell
abzuschalten oder wenn der Distanzschutz wegen zu geringer Länge und
zu großem Querschnitt der Leitung
nicht in Frage kommt, kann ein Ver-
gleichsschutz angewandt werden.
Ähnliche Verhältnisse können ge- Abb. 385. Stromvergleichsschutz.
legentlich auch bei Hochspannungs-
leitungen vorliegen, falls die unter Zwischenschaltung von Strom- und
Spannungswandler in den Distanzrelais gemessenen Impedanzen zu klein
werden [s. Gl. (141)]. Abb. 385 zeigt einpolig eine mögliche Schaltung.
Bei gesunder Leitung muß der in die Leitung hineinfließende Strom
gleich dem herausfließenden sein. Im normalen Zustand werden also die
Relais 1 und 2 nicht stromdurchflossen sein. Tritt jedoch in der Leitung
378 Netzstörungen-

ein Kurzschluß auf, so werden von beiden Seiten in die Leitung Ströme
hineinfließen (gestrichelte Pfeile), die beiden Differentialrelais werden
vom Strom durchflossen und werden damit den Schalter auslösen. Dieser
Schutz kann bei beliebig geschalteten Netzen zur Anwendung kommen,
die Auslösezeiten können sehr klein gehalten werden. Unangenehm sind
die benötigten Hilfsleitungen, welche besonders bei großen Entfernungen
den Schutz verteuern, so daß, falls keine zwingenden Gründe vorliegen,
der Vergleichsschutz dort nicht zur Anwendung kommt. Bei Kabel-
leitungen, die meistens kleinere Längen haben und bei denen der Distanz-
schutz oft nicht angewandt werden kann, läßt sich der Schutz mit Vorteil
verwenden. Man muß beachten, daß, falls durch den an sich gesunden
Abschnitt größere Kurzschlußströme fließen, die Wandlerströme etwas
verschieden sein können, so daß hierdurch die Relais irrtümlicherweise
zur Auslösung kommen können [es handelt sich hier um die gleiche Er-
scheinung wie beim Differentialschutz der Generatoren und Transfor-

I~ tl
a
a
~I
Abb. 886. Stromver{deichsschutz
mit WiderstAnden.
I~( ~
Eil
Abb. 387. Achterschutz.

matoren (S. 164)]. Durch besondere Stabilisierung der Relais (ähnlich


der Anordnungen auf S. 164) lassen sich Fehlauslösungen vermeiden.
Abb. 386 zeigt eine andere. Möglichkeit des Differentl.alschutzes, bei dem
die Stromwandler gegeneinander geschaltet sind und nur zwei Leitungen
gebraucht werden. Die Verbindungsleitungen a sind normalerweise strom-
los und nur bei einem Fehler in der Leitung werden sie wie auch die
Relais 1 und 2 vom Strom durchflossen.
Ist eine Doppelleitung zu schützen, dann läßt sich dies mit einfachen
Mitteln durch den "Achterschutz", der ebenfalls ein Vergleichsschutz ist,
erreichen. Sind beide Leitungen (s. Abb. 387) gleichmäßig stromdurch-
flossen1 dann fließen die Stromwandlerströme gemäß den in dieser Ab-
bildung ausgezogenen Pfeilen und die Relais 1 und 2 sind stromlos.
Tritt jedoch ein Fehler auf (Fehlerströme gestrichelt gezeichnet), so
werden, falls der Fehler in der oberen Leitung liegt, die Relais von oben
nach unten gehend stromdurchflossen sein. Abgeschaltet werden soll
jedoch nur die obere Leitung, also muß das Relais außer einer Über-
stromanregung noch ein Richtungsglied haben, welches, wenn der Relais-
strom von oben nach unten fließt, den Schalter der oberen Leitung zum
Auslösen bringt. Nach Abschaltung der kranken Leitung muß jetzt die
gesunde Leitung den Strom der kranken Leitung mit übernehmen. Es
darf also jetzt das Relais des Achterschutzes, das bei dem Einleitungs-
betrieb stets stromdurchflossen ist, nicht ansprechen. Dies kann beispiels-
Schutz der Hochspannungsnetze 379
weise durch eine Umschaltung am Relais erreicht werden, welche von
dem herausgefallenen Leistungsschalter getätigt wird.
Ein Nachteil der Vergleichsschutzarten ist, daß beim Versagen von
Relais oder Schalter die übrigen Relais nicht Reservestellung geben. Man
kann dies aber erreichen, wenn man beispielsweise den Achterschutz,
der sehr rasch arbeitet, und den Zeitschutz
vereinigt.
E1ne Verallgemeinerung des Achter-
schutzes zum Schutz parallel geschalte-
ter Leitungen ist der Polygonschutz
(s. Abb. 388). Ist in der obersten Leitung
ein Fehler, so sind die Relais 1 und 2 strom- Abb. 388. Polygonschutz.
durchflossen, liegt der Fehler jedoch auf
der zweiten Leitung, so führen die Relais 2 und 3 Strom. Aus den strom-
führenden Relais kann man also schließen, welche Leitung schadhaft
ist und kann diese durch geeignete RelaiE=schaltung abschalten lassen.

6. Der Richtungsvergleichsschutz
Beim Stromvergleichsschutz geht man von der Tatsache aus, daß ein
Streckenabschnitt einer Übertragungsleitung nur dann gesund ist, wenn
der in den Streckenabschnitt hineinfließende Strom gleich dem heraus-
fließenden ist. Ist jedoch eine Strecke krank, dann weichen die Ströme
am Anfang und am Ende der kranken Leitung voneinander ab. Durch

.,.
Vergleich der Ströme am Anfang und am Ende der Leitung konnte die
fehlerhafte Strecke ermittelt wer- a ~
den. Hierzu waren besondere,
I· , 11 A nj
w--+---...._-:.r~-:r----4

•HI.-· ,,I
längs der Leitung verlaufende
A ~,.
Hilfsleitungen notwendig, die b -t---T-----.--~
4
von Wechselströmen, welche von
Stromwandlern erzeugt wurden, .,f ·l I
•f-tol·-...-.-----+t--r----+
A B
durchflossen waren. Entsprechend c
der Größe der Meßströme mußten
die Verbindungsleitungen bemes-
'
Abb. 3811 a-c. Stromverlauf bei krankem
Streckenabschnitt.

sen sein. Man kann jedoch auch einen Vergleichsschutz ausbilden, bei
dem nicht die Größe der Ströme am Anfang und Ende eines Abschnitts
miteinander verglichen werden, sondern die Richtungen der Ströme. Die
Abb. 389a und b zeigen die Verhältnisse bei einseitiger und zweiseitiger
Speisung der Leitung. Ist bei einem auf einer Leitung liegenden Kurz-
schluß ein Streckenabschnitt gesund, dann ist die Richtung des Kurz-
schlußstromes am Anfang und am Ende der Leitung gleich, nicht jedoch
im Streckenabschnitt, in dem der Kurzschluß sich befindet. Es zeigt sich,
daß man jetzt mit Hilfsleitungen auskommt, die weniger Anspruch an
380 Netzstörungen

reichliche Bemessung stellen. Man braucht außerdem für alle drei Phasen
des Systems nur zwei durchgehende Leitungen. Ferner kommt die beim
Differentialschutz oft notwendige Stabilisierting, um Fehlauslösungen bei
großen Kurzschlußströmen zu vermeiden, in Wegfall. Man kann weiter-
hin den Schutz so ausbilden, daß, falls auf irgendeinem Streckenabschnitt
ein Schalter oder ein Relais versagen sollte, ähnlich wie beim Zeitstaffel-
schutz, das dem Abschnitt vorgelagerte Relais einspringt und, allerdings
dann nach einer etwas längeren Zeit, die Abschaltung bewirkt.
Abb. 390 zeigt, wie ein Richtungsvergleichsschutz beschaffen sein
kann. In den beiden Stationen A und B sind je ein Schalter S und je
ein Stromwandler 1 vorhanden. Jeder arbeitet über je eine Spule 2 eines
Überstromrelais auf die Spule 3 eines Richtungsrelais. Zwischen den
A 8
1 s s 1

Abb. 390. Rlchtungsvergleichsschutz.

beiden Stationen A und B sind zwei HUfsleitungen l 1 und l2 , welche


normalerweise von Gleichstrom durchflossen sind. Es sei angenommen.
ein Kurzschluß befinde sich rechts von B, so daß die Strecke AB von
einem Kurzschlußstrom durchflossen wird, obwohl sie gesund ist. Be-
trachten wir zunächst die StMion B, so spricht das Überstromrelais 2
an und schließt seinen Kontakt 2'. Da der Kurzschlußstrom in Richtung
auf die Sammelschiene gerichtet ist, legt das Relais 3 seinen Umschalt-
kontakt 3' nach oben, so daß von Plus über 2' und 3' der Strom nach
der Spule 5 fließen kann, welche den Strom in den Leitungen Z1 und 12
unterbricht. Betrachten wir jetzt die Station A, so schließt das Über-
strömrelais 2 seinen Kontakt 2' und das Richtungsrelais 3 legt, da der
Kurzschluß von der Sammelschiene weggeht, seinen Kontakt 3' nach
unten. Da jedoch die Leitungen l1 und l2 stromlos wurden, ist das Relais 6
abgefallen und hat seinen Kontakt 6' geöffnet, so daß von Plus über
2' und 3' ein Strom nicht fließen kann. Sollte jedoch innerhalb AB
bei K ein Kurzschluß vorhanden sein, so werden in beiden Stationen die
Richtungsrelais 3 ihren Kontakt 3' nach unten legen, so daß die Relais 5
nicht ansprechen können, also der über l 1 und l2 fließende Gleichstrom
Schutz der Hochspannungsnetze 381
erhalten bleibt. Es vermag jetzt sowohl in der Station A, als auch in B,
Strom von Plus über 2', 3', 6' nach dem Auslöser 7 zu fließen, der
seinen Leistungsschalter S auslöst.
Der Richtungsvergleichsschutz kann bei Leitungen höherer Span-
nung, die meist große Länge haben und bei denen deswegen Schwach-
stromleitungen für den Vergleichsschutz nicht zur Verfügung stehen,
eine evtl. vorhandene Hochfrequenzübertragung mitbenutzen. Abb. 391
zeigt schematisch die Anordnung. In der Station A und B ist je ein
Hochfrequenzsender S und Empfänger E vorhanden. Wird von A aus
nach B gesprochen, so gelangt die Hochfrequenz über das Koppelfilter K,
über den Koppelkon- A B
densator 0 auf die
Starkstromleitung
und am Ende über
den Kondensator 0
über das Koppelfil-
ter K zu dem Emp-
fänger E. Wird ge-
sprochen, so wird im
Sender die Trägerfre- A
quenz /x moduliert Abb. 891. Richtungsvergleichsschutz filr Hochfrequenzllbertragung.
und im Empfänger E
demoduliert, also wieder in die Sprechströme umgewandelt. Um ein
Gegensprechen zu ermöglichen, hat der Sender S in der Station B meist
eine andere Trägerfrequenz f2• Man kann es so einrichten, daß die
beiden Frequenzen /1 und / 2 , auch wenn nicht gesprochen wird, auf
die Leitung gegeben werden, wobei sie nur nicht moduliert sind. Der
Richtungsvergleichsschutz nutzt diese beiden vorhandenen Hochfrequenz-
kanäle wie folgt aus: Nehmen wir an, es sei ein Kurzschluß bei k vor-
handen, so wird durch das Überstromrelais der Kontakt 1 geschlossen und
vom Richtungsrelais der Kontakt 2 (die Relais sind nicht eingezeichnet),
falls der Kurzschlußstrom von der Sammelschiene weggeht. Beide
Relais unterbrechen außerdem, falls sie in der geschilderten Weise ·an-
gesprungen sind, die zur Station B gesandte Hochfrequenz fi, so daß dort
der Empfänger E stromlos wird und in B das Relais 4 seinen Anker
fallen läßt und dabei den Kontakt 3 schließt. In der Station B waren
ebenfalls das Überstromrelais und das Richtungsrelais angesprungen und
hatten ihre beiden Kontakte 1 und 2 geschlossen und außerdem die Hoch-
frequenz f2 unterbrochen, welche zur Station A gesandt wird. In der
Station A fällt das Relais 4 ab und schließt seinen Kontakt 3. Sowohl in
A, als in B vermag jetzt Strom von Plus über die Auslösespule 5 des
Schalters 6 über den Kontakt 1, 2, 3 nach Minus zu fließen, so daß die
beiden Leistungsschalter 6 ausgeschaltet werden.
382 Netzstörungen

Sollte dagegen ein Kurzschluß rechts von B gelegen sein, so wird in B


das Richtungsrelais seinen Kontakt 2 nicht schließen, auch wird die zur
Station A gesandte Hochfrequenz /2 nicht unterbrochen, so daß in
Station A das Relais 4 angezogen, also der Kontakt 3 offen bleibt. Weder
in der Station A noch in der Station B kann jetzt Strom durch die Aus-
lösespule 5 fließen. Der Vergleichsschutz kann auch· arbeiten, falls über
die Leitung mit Hochfrequenz gesprochen wird. Es wird dann nur kurz-
zeitig die Hochfrequenzverbindung unterbrochen, aber, nachdem die
Schalter gefallen sind, wieder eingeschaltet.
Bei dem Richtungsvergleichsschutz spielt es genau wie beim Strom-
vergleichsschutz keine Rolle, ob die Strecke kurz oder lang ist. Man kann
mit ihm kurze Abschaltzeiten erreichen. Sein Nachteil (gleiches gilt für
den Stromvergleichsschutz) ist der, daß die Sammelschienen der Stationen
nicht mitgeschützt sind. Hat man noch einen übergelagerten Zeitstaffel·
schutz, so kann dieser den Sammelschienenschutz mit übernehmen.

7. Die Kurzsehlu.Bfortsehaltung
Untersucht man die Störungen eines Hochspannungsnetzes, so fallen
rd. 700/o auf Erdschlüsse und etwa 30% auf Kurzschlüsse. Die Erdschlüsse
führen in der Regel bei vorhandenen Erdschlußspulen nicht.zu Betriebs-
störungen; das Abschalten der Kurzschlüsse verursacht jedoch solche.
Untersucht man die Kurzschlüsse genauer, so findet man, daß nach dem
Abschalten der Kurzschluß meist nicht mehr vorhanden ist und nur
etwa 25% der auftretenden Kurzschlüsse bleibender (metallischer) Art
ist. Man kann also Netzstörungen noch weiter verkleinern, falls man
beim Auftreten eines Kurzschlusses diesen schnell abschaltet und den
Schalter dann rasch wieder einschaltet. In den meisten Fällen ist der
Kurzschluß verschwunden und der Betrieb merkt von der kurzen Unter-
brechung nichts. Sollte jedoch nach dem Wiedereinschalten der Kurz-
schluß noch vorhanden sein, so wird man den normalen Netzschutz ein-
schalten, der dann die endgültige Abschaltung bewirkt.
Wie erwähnt, soll nach dem Abschalten des Kurzschlusses möglichst
rasch wieder eingeschaltet werden. Allerdings muß soviel Zeit vergehen,
daß der Lichtbogen entionisieren kann. Hierfür wird bei 10 kV eine
Zeit von 0,1 sec gebraucht, während bei größeren Spannungen dieser
Wert auf 0,2 bis 0,25 sec ansteigt. Diese Zeit muß man also ver-
streichen lassen, bis das Wiedereinschalten erfolgt. Am einfachsten
läßt die Kurzschlußfortschaltung sich in einem einseitig gespeisten Netz
durchführen (Abb. 392a). Von den verschiedenen im Netz vorhandenen
Schaltern, welche in Abb. 392a nicht eingezeichnet sind, wird man den
Schalter S mit Kurzschlußfortschaltung versehen. Tritt ein Kurzschluß
ein, z. B. bei Tc, so wird durch den Schalter S dieser abgeschaltet und
nach etwa 0,25 sec das Netz wieder eingeschaltet. Beim Weiterbestehen
Schutz der Hochspannungsnetze 383
des Kurzschlusses werden dann die Schalter des Netzes durch ihren
Netzschutz beeinflußt.
Abb. 392 b zeigt ein Netz, welches von einer Doppelleitung gespeist
wird. Infolge ihrer Bedeutung soll diese eine Kurzschlußfortschaltung
erhalten und zwar muß diese bei jedem Schalter der Doppelleitung vor-
handen sein. Tritt bei k ein Kurzschluß auf, so müssen beide Schalter S 1
und S 2 möglichst gleichzeitig auslösen und nach kurzer Zeit wieder ein-
schalten. Am einfachsten läßt sich dies durchführen, falls man einen
Stromvergleichs- oder
Richtungsvergleichs-
schutz hat, bei dem
allerdings besondere
Hilfsleitungen benötigt b
werden. Hat man eine
zweiseitig gespeiste Lei-
tung mit Zwischensta-
tion (Abb. 392c), und
c
e
A
will man eine Kurz-
Schlußfortschaltung "' lfr ~~~ '118
vorsehen, die keinerlei , i
Hilfsleitungen oder +t Sr r•••·---•-
d I • !
Hochfrequenzverbin- _n--s~-------ito o--·:;:;
dungen benötigt, dann
kann auch ein rasch -~---D ~------------W%
------1------J
s.
s, l
arbeitender Impedanz- l
+ s, r-----1-,
'
---s_-
schutz entsprechend e 1 r--------··--.J • r- 11 -
\-.J SJ .r J Ss
ausgebildet werden. . .i I
Abb. 392d zeigt die ~~-rj I r ____B_! _____ " : s,
s". ---L-----~ s6 :
normale stufenförmige ;, iJ
Kennlinie eines Impe-
Abb. 3112 a-e. Kurzschlußfortschaltung.
danzschutzes für den a Strahlenförmiges Netz, b Doppelleitung, c Zweifach gespeiste
Leitungsabstand AB, Leitung, d Dazugehöriger Staffelplan für Impedanzschutz,
e Geindrter Staffelplan für Kurzschlußfortschaltung.
der bei k einen Kurz-
schluß haben soll. Normalerweise wird etwa 85% der Strecke mit der
Grundzeit t0 durch den Impedanzschutz geschützt; erst wenn der Fehler
dicht bei der Station B liegt, wird der Schalter S3 eine größere Auslösezeit
als der Schalter S4 haben, so daß in diesem Bereich eine Kurzschluß-
fortschaltung, welche gleiche Zeiten für beide Schalter erfordert, nicht
richtig arbeiten kann. Man muß deshalb für die Kurzschlußfortschaltung
den Schutzbereich der Grundzeit t0 größer wählen, z. B. zu 115% der
Leitungslänge und bekommt dann die Zeitstaffelung nach Abb. 392e.
Ist zwischen A und B ein Fehler vorbanden, so wird bei der Kurzscbluß-
fortschaltung dieser stets erlaßt. Ist der Kurzschluß in der Mitte der
384 Netzstörungen

Strecke, d. h. je 15% von den beiden Enden entfernt, so sprechen nur


die beiden Schalter 8 3 und 84 an. Befindet sich jedoch der Kurzschluß
z. B. in einem Abstand von 7% von B, so wi,rd wegen der um 15%
übergreifenden Kennlinien, auch der Schalter des Nachbarfeldes 81 an·
sprechen. Da jedoch anschließend die Leitung wieder eingeschaltet wird,
.hat dieses Abschalten für den Betrieb keine nachteiligen Folgen.
Bei Anwendung der Kurzschlußfortschaltung werden die meisten auf·
tretenden Kurzschlüsse vom Betrieb, falls die Unterbrechungszeit klein
ist, überhaupt nicht bemerkt. Auch die Stabilität der Übertragung wird
in der Regel nicht beeinflußt. Bei Kabelnetzen hat-es jedoch wenig Wert,
die Kurzschlußfortschaltung zu verwenden, da wegen der kleinen Leiter·
abstände die meisten Kurzschlüsse bleibender Art sind.

C. Erdschluß in Leitungen
a) Der Erdschluß und seine Kompensierung
Wird eine Freileitung durch die in Stern geschaltete Sekundärwick·
lung eines Transformators oder durch einen Genera.1;or gespeist, so besitzt,

Abb. 893. SpannUDgS· Abb. '811,. SpannUDgSdia· .J\.bb. 8116. DrehstromleitUDg


diagramm. grammbeim ErdschluB. mit ErdschluB.

sofern die Leitung gut verdrillt ist, der Sternpunkt das Potential Null
gegen Erde. Bei Dreieckschaltung besitzt. der gedachte Nullpunkt des
Systems das Potential Null. Die drei Phasen der Leitung weisen gegen
Erde die Phasenspannung auf lind es gilt für' .di:e Potentiale der Spannungs·
sternder Abb. 393, wobei der Sternpunkt M da;s Potential Null hat.
Erfolgt in der Phase 3 ein Oberschlag nach ·Erde (s. Abb. 395) bzw.
komtnt die Leitung 3 mit der Erde in Berührung, so wird die Phase 3 das
Potential Null erhalten und da. die verketteten Spannungen zwischen
den einzelnen Phasen unverändert bestehen bleiben, gilt der Spannungs·
stern der Abb. 394. Der Sternpunkt besitzt jetzt gegen Erde die Phasen·
spannung - U}..s• während die Leitungen 1 und 2 gegen Erde die ver·
kettete Spannung annehmen. Erfolgt der Erdschluß durch einen Ober-
schlag, dann wird sich ein Erdschlußlichtbogen ausbilden, der periodisch
löscht und zündet, wodurch stoßartige Überspa.nnungen auf die Leitung
kommen. Durch diese Oberspannungen und da die Potentiale der
Leiter 1 und 2 auf die verkettete Spannung gegen Erde gehoben sind, ist
Erdschluß in Leitungen 385
es leicht möglich, daß auch an den anderen Phasen Überschläge auf-
treten. Erfolgt der erste Erdschluß bei I (s. Abb. 396) und tritt noch
ein zweiter Erdschluß bei II durch Überschlag hinzu, dann sind die
Phasen 1 und 3 über die Erde kurzgeschlossen. Ein derartiger Doppel-
erdschluß ist gleichbedeutend einem zweiphasigen Kurzschluß und
seinen Folgen. Es besteht ferner die Gefahr, daß bei einem normalen
Erdschluß der Erdschlußlichtbogen, der beachtliche Längen erreichen
kann, die benachbarten Phasen berührt und hierdurch zu einem Kurz-
schluß führt.
Da die angedeuteten Störungen durch Erdschlüsse hervorgerufen
werden, soll im folgenden untersucht werden, ob es nicht Mittel und
Wege gibt, einen sich bildenden Erdschluß derart zu löschen, daß schäd-
liche Auswirkungen vermieden werden.

Abb. 396. Doppelerdschluß. Abb. 397. Erdschlußbehaftete Drehstromleitung


mit gedachten Hilf•generatoren I und II.

Es sei zunächst der Strom an der Erdschlußstelle untersucht. Dabei


sei von der Abb. 397 ausgegangen und angenommen, der Erdschluß be-
finde sich in der Phase 3. Da im Erdschluß die normalen Belastungs-
ströme und auch die Ströme, welche über die gegenseitigen Leitungs-
kapazitäten fließen, unverändert sind, wird der durch die Erdschlußstelle
fließende Strom ein Strom sein, der si~h diesen normalen Belastungs-
strömen überlagert. Um diese Überlagerung in einfacher Weise zu er-
kennen, denken wir uns den Erdschluß in der Abb. 397 dadurch nach-
gebildet, daß zwischen Phase 3 und Erde eine leitende Verbindung ge-
zogen wird. Es wird sich nichts ändern, wenn wir uns in diese leitende
Verbindung zwei Generatoren I und li eingefügt denken, welche je die
Phasenspannung UA.s der Abb. 393 haben, die jedoch in beiden Gene-
ratoren entgegengesetzt gerichtet sind, so daß sie sich aufheben. Der
durch diese Generatoren fließende Strom wird der wirkliche Erdschluß-
strom sein. Denken wir uns jetzt die EMK des Generators II gleich Null
gesetzt, dann wird durch den Generator I, da dieser genau die Span-
nung UA.s der Phase 3 hat, kein Strom fließen. Unser Drehstromsystem
entspricht dann dem normalen Zustand, wenn kein Erdschluß vorhanden
ist. Den Erdschlußstrom erhalten wir also, wenn wir den Generator II
mit der EMK UA.s (entgegengesetzt eingeführt) annehmen. Da bei
Leitungen die Gesetze der Superposition gelten, wird sich an dem durch
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 25
386 Netzstörungen

den Generator II zusätzlich erzeugten Strom nichts ändern, wenn wir


sämtliche übrigen im System vorhandenen elektromotorischen Kräfte
gleich Null 8etzen. Wir erhalten dann das Ersatzbild der Abb. 398, wobei
i-----r--:-----t man sich die im Sternpunkt eingezeich-
nete Induktivität L zunächst wegden-
ken möge. In dem Ersatzbild arbeitet
"-!:--~;-.....-----1
der Generator 11 mit der EMK U;.3 in
.__....:;...---::~-'\'"'1rl'--:----J der eingezeichneten Richtung auf die
drei Erdkapazitäten K, die über die
widerstandslos gedachte Transforma-
Abb. 898. Erdschlußbehaftete Dreh·
atromleltuDg mlt llllfsgenerator II torwicklung alle parallel geschaltet sind.
IIDd elnge.r.eicbneter Verteflung
des Erdschlußstromes. Der Generator II wird einen Strom I 0
erzeugen, der sich gemäß den ausge-
zogenen Pfeilen der Abb. 398 verteilt. Faßt man die drei Kapazitäten K
zusammen und läßt bei der Spannung UA.s den Index 3 weg, dann
entsteht das weiter vereinfachte Ersatzbild der Abb. 399, wobei wir
uns ebenfalls zunächst die Induktivität L als nicht vorhanden denken.
Der vom Generator gelieferte kapazitive Strom I 0
.ffk
q,J.lll n:Aj~ eilt (s. Abb. 40.0) der Spannung UA.• welche vertikal
~ 3~ ~ . aufgetragen ist, um 90° vor und hat die Größe
Abb. 3119. Vereinfachtes la= U A. 3 W K. (149)
Enatzbfid einer erdschluß- U
behafteten LeituDg.
• diesen Strom, der u·· ber die E r d-
nser ZieI soll sem,
· schlußstelle fließt, auf Null zu bringen. Dies kann
nach der Erfindung von Prof. PETERBEN durch eine Induktivität L er-
folgen, die im Sternpunkt des Transformators angebracht ist (s. Abb. 398).
Betrachtet man nur die Induktivität (s. Ersatzbild Abb. 399), dann
muß der gedachte Generator in dieselbe einen Strom
liefern von der Größe
UA.
h = wL-, (150)
welcher der Spannung um 90° nacheilt (s. Abb. 400).
Ist I 0gleich h, also
1
3wK= wL oder (151)
Abb. ~. Strom·
Sp&IUiungsdlagramm
bel Erdsehluß.
dann fließt durch den Generator II, <~.
"'i
h. in Wirklich-
keit durch die Erdschlußstelle, überhaupt kein Strom
und der Lichtbogen muß erlöschen bzw., wenn es sich um einen satten
Erdschluß handelt (ein Leiter liegt auf dem Mastgestänge), wird eine
Verschmorung nicht eintreten, da der Strom Null ist. Es kann also ohne
Schaden längere Zeit im. Erdschluß gefahren werden. Es sei erwähnt,
daß der Kreis (s. Abb. 399), bestehend aus Induktivität L und Kapazi-
tät 3 K, sich in Resonanz mit der Netzfrequenz befindet, da I 0 = h ist.
Erdschluß in Leitungen 387

In Wirklichkeit wird durch unseren gedachten Generator 11 bzw.


durch die Erdschlußstelle immer noch ein kleiner Strom fließen, denn
die Induktivität besitzt Widerstand, ferner sind im Netz Ableitungs·
widerstände vorhanden, so daß die Ströme I o und h keine reinen
Blindströme und nicht genau um 90° phasenverschoben sind, sondern
die in der Abb. 401 gezeichnete Lage besitzen und ein kleiner Rest-
strom Ir übrig bleiben wird. Dieser Reststrom ist jedoch klein und liegt
praktisch etwa in der Größenordnung von 100/o des unkompensierten
Erdschlußstromes. Obwohl er vorhanden ist, wird eine Löschung des
Erdschlußlichtbogens rasch eintreten, da beim ohmseben Charakter des
Reststromes Strom und Spannung zu gleicher Zeit durch Null verlaufen.
Bei sattem Erdschluß wird wegen der Kleinheit des Reststromes eine un-
zulässige Verschmorung trotz längeren Fahrens im r
Erdschluß nicht eintreten. Desgleichen werden die
beim nichtkompensierten Erdschluß auftretenden
Überspannungen, da der Lichtbogen nicht wieder
zündet, und Unsymmetrien im Spannungssystem ver-
mieden. Es ist noch zu beachten, daß bei nennens-
werten Oberwellen in der Spannungskurve des Netzes
Abb • .01. Strom-Span-
über die Erdschlußstelle ein beachtlicher Strom höhe· nungsdiagramm bei Erd-
rer Frequenzfließen kann, so daß unter Umständeneine schluß unter Berilckslch-
tlgung des Reststromes.
Kompensation der Grundwelle allein nicht genügt.
Die Leistung der Drosselspule ist gegeben durch die Phasenspannung
mal dem hindurchfließenden Strom, der gleich dem Erdschlußstrom Io
ist. Die Leistung ergibt sich also, da U = f3 U A ist, zu:

(152)

Eine Erdschlußspule ähnelt in ihrem äußeren Aufbau einem Transfor-


mator. In ihrem inneren Aufbau stellt sie eine Eisendrossel mit mehre·
renLuftspalten dar.
Bis jetzt war angenommen, daß die Drosselspule auf die Netzkapazi-
tät abgestimmt war. Eine vollkommene Abstimmung ist jedoch nicht
immer möglich, denn die Kapazität des Netzes unterliegt Schwankungen,
da die Durchhänge der Leitungen je nach Temperatur verschieden sind,
ferner werden im Netz Leitungen ab-, bzw. hinzugeschaltet, so daß hier
Veränderungen der Kapazitäten stattfinden. Es fragt sich, in welchem
Maße Abweichungen von der theoretischen Abstimmung zulässig sind,
ohne daß die Löschfähigkeit der Spule gestört wird. Hier hat die Er-
fahrung gezeigt, daß im allgemeinen Abweichungen vom Sollwert von
±10% erlaubt sind, ohne daß dabei die Löschfähigkeit merkbar gestört
Wird. Sollten im Netz gelegentlich Schaltveränderungen zu erwarten
sein, die größere Abweichungen bedingen, dann muß die Erdschlußspule
25*
388 Netzstörungen

Anzapfungen erhalten, durch die ihre Induktivität verändert werden


kann und durch welche sie mit der jeweiligen Netzkapazität in Über-
einstimmung gebracht wird.
In einer Umspannstation werden im allgemeinen mehrere Trans-
formatoren vorhanden sein. Man führt dann die Nullpunkte zu einer
Sammelschiene, an die eine gemeinsame Drosselspule angeschlossen
~'""-------r----1 ist, welche verschiedene Anzapfungen be-
sitzt, die über Trennschalter eingeschal-
"--r~-r-----.e tet werden können (s. Abb. 187).
Es sei jetzt noch etwas näher der im
3 Leitungssystem bei Erdschluß fließende

Strom untersucht. In der Abb. 398 sind die


Abb. •02. Resultierendes Strombild durch die Kapazitäten bedingten Ströme
beim Erdschluß. ausgezogen und die durch die Induktivität
bedingten gestrichelt eingezeichnet. Man erkennt, daß in der Phase 3 ein
Strom h- ~ I o = t
1 = ~0 fließen wird, derselbe Strom also wie in den
anderen Phasen. In den drei Phasen fließen also (s. Abb. 402) beim kom-
pensierten Erdschluß gleich große, gleichgerichtete Ströme. Hat man

=iJf=
einen Transformator, der in Stern-Stern geschaltet ist, dann werden
diese gleichgerichteten Ströme, da sie von der Primärseite nicht kompen-
siert werden können (s. Abb. 403), gleic7ige Amperewindungen er-

3~ _
-f -
_
_
::~~~~?u~:J~~::!~s~~~~~
Da dieses unzulass1ge
StrömeundErwärmungen
Vi. -It I in benachbarten Eisen-
-:;:- "'='" teilen hervorbringt, darf
Abb. •os. Stern-Stern-Trans· Abb. •o•. Stern-Drelecli T f
formator bei Erdschluß Transformator bei Erd· ein solcher rans Ormator
(kompensiert). schluß (kompensiert). nur mit einer Erdschluß·
leistungvon etwa 20% der Nennleistung belastet werden. Ist der Trans-
formator jedoch Dreieck-Stern geschaltet (s. Abb. 404), so vermögen in
der Dreieckwicklung entgegengesetzt gerichtete Ströp1e zu fließen, welche
die gleichsinnigen Erdschlußströme kompensieren. Ein solcher Trans-
formator kann mit einer beliebig großen Erdschlußspule versehen werden,
nur muß in bezug auf Erwärmung der Transformator den zusätzlichen
Erdschlußstrom vertragen können. Auch ein Stern-Stern-Transformator
kann voll nullpunktsbelastbar gemacht werden, wenn er eine in Dreieck
geschaltete Tertiärwicklung erhält (s. S. 132).
Es ist zu beachten, daß auf der nicht vom Erdschluß betroffenen
primären Seite des Transformators keinerlei durch den Erdschluß ver-
ursachte Ströme zum Fließen kommen. Die Generatoren im Kraftwerk
erfahren also überhaupt nicht, daß ein Erdschluß vorhanden ist.
Erdschluß in Leitungen 389
Ohne Erdschlußkompensierung würden im Transformator die aus-
gezogenen Ströme der Abb. 398 fließen. Diese unsymmetrischen Ströme
würden auf die Primärseite des Transformators überführt, die Generatoren
unsymmetrisch belasten und es würde infolge der Induktivitäten eine
Verzerrung des Spannungsdreiecks zustande kommen.
Liegt ein größeres Netz vor, dann könnte man grundsätzlich das ganze
Netz durch eine einzige Erdschlußspule kompensieren. Dies hätte jedoch
eine beachtliche zusätzliche Erwärmung der zugehörigen Transforma-
toren durch die Erdschlußströme zur Folge. Es ist deshalb günstiger, die
Erdschlußspulen im Netz zu verteilen, und zwar möglichst so, daß, wenn
irgendwelche Netzteile aufgetrennt werden, die jetzt bestehenden ein-
zelnen Bezirke für sich kompensiert sind.
Es wurde bereits erwähnt, daß in Netzen gelegentlich Schaltverän-
derungen vorkommen und daß dann, um eine gute Erdschlußkompen-
sierung zu haben, die Anzapfungen der Erdschlußspulen verändert
werden müssen. Es fragt sich, in welcher Weise eine Kontrolle über die
Kompensierung möglich ist. Hier führt folgende Überlegung zum Ziel.
Im normalen Betriebe soll der Sternpunkt des Drehstromsystems gegen-
über der Erde das Potential Null haben. In Wirklichkeit wird jedoch
infolge der nie ganz wegzubringenden Unsymmetrien der Leitung der
Sternpunkt ein gewisses Potential gegen Erde haben. Ist am Sternpunkt
eine Drosselspule vorhanden, dann ist (wie man nachweisen kann), bei
genauer Abstimmung der Drosselspule mit der Leitungskapazität das
Nullpunktspotential am größten. Man braucht also nur die Spannung an
der Erdschlußspule bei verschiedenen Einstellungen zu messen und die
Einstellung zu wählen, welche größte Spannung ergibt. Ganz genau ist
dieses Verfahren nicht, da man hier im ungesättigten Teil der Drossel
arbeitet, während im normalen Erdschlußfalle die Drossel schon eine
kleine Sättigung hat. Man muß also noch eine Korrektur vornehmen.
Es gibt jedoch heute besondere Meßeinrichtungen, sog. Kompensometerl,
mit denen man sehr genau den Kompensierungsgrad messen kann und die
im Prinzip so arbeiten, daß bei der Messung dem Nullpunkt eine beson-
dere Spannung zugeführt und festgestellt wird, ob der dem System zu-
fließende Strom voreilend oder. nacheilend ist. Richtige Kompensierung
ist vorhanden, wenn überhaupt kein Blindstrom fließt, denn in einem
richtig abgestimmten Resonanzkreis fließt bekanntlich nur ein Wirk-
strom. Man kann ferner die Erdschlußspule mit einem regelbaren Luft-
spalt ausführen, so daß eine stetigeRegelungmöglich ist und man die An-
zapfungen spart. Obige Regelung kann man, durch Relais überwacht,
auch automatisch vornehmen lassen.

1 Siehe E. HuETER u. W. ScHÄFER: Die Messung der Erdschlußkompensation.

ETZ Bd. 52 (1931) S. 1023.


390 Netzstörungen

Abgesehen von Freileitungsnetzen werden heute auch Hochspannungs-


kabelnetze kompensiert, nur sind hier die Kompensierungsmitte] infolge
der größeren Kabelkapazität wesentlich umfangreicher als bei Frei-
leitungen. In den 30 kV-Kabelnetzen von großen Städten können Erd-
schlußströme von einigen 1000 A fließen. In einem unkompensierten
Kabelnetz wird ein Erdschluß wegen der kleinen Leiterabstände sofort
einen Kabelkurzschluß verursachen. Ist das Kabelnetz jedoch kompen-
siert, dann wird zwar der fließende Reststrom wegen der kleinen Ab-
stände zwischen Ader und Bleimantel nicht zum Erlöschen kommen,
aber das Kabel kann eine gewisse Zeit in Betrieb gehalten werden, in
der man Umschaltungen des Netzes vornehmen kann, ehe man die
Strecke zur Abschaltung bringt.

b) Erdschlußanzeige
Wenn in einem Netz ein Erdschluß auftritt, so ist es erwünscht, daß
dieser dem Betriebspersonal angezeigt wird. Für die Erdschluß-
anzeige gibt es eine Reihe von Lösungen. Eine Ausführung zeigt die
Abb. 405a für den Fall, daß ein Sternpunkt,
etwa an einem Tra~sformator, zugänglich ist.
Schaltet man zwischen Sternpunkt und Erde
einen Spannungswandler und läßt dies~n auf
ein Relais arbeiten, so wird das Relais
normalerweise keine Spannung haben. Tritt
jedoch ein Erdschluß auf, dann wird das
Potential des Sternpunktes auf die Phasen-
spannung gehoben. Das Relais spricht hierauf
an und kann eine Hupe, eine Fallklappe oder
eine sons.tige Anzeige betätigen. Ist kein
Abb. 4'05a u. b. Schaltung
zur Erdscblußanzelge. Sternpunkt zugänglich, dann kann ein hoch-
spannungsseitig geerdeter Spannungswandler
(Fünfschenkelwandler) verwandt werden (s. Abb. 405b), dessen im
Dreieck geschaltete Sekundärwicklung die Erdschlußspannung mißt
(s. S. 308) und ein Relais betätigen kann.
Diese Anordnungen zeigen nur den Erdschluß an, nicht jedoch die
betroffene Phase. Ist dies wesentlich zu wissen, dann kann eine Anord-
nung nach Abb. 406 gewählt werden. Auf der Sekundärseite des Wand-
lers sind in jeder Phase ein Spannungsanzeiger und eine Lampe ange-
ordnet, ferner ist ein Relais vorgesehen. Die Spannungszeiger gestatten
im normalen Betrieb eine genaue Überwachung der Spannungen gegen
Erde und lassen auch Unsymmetrien erkennen. Die Lampen leuchten
~m normalen Betrieb alle gleichmäßig. Erfolgt ein Erdschluß, so erlöscht
die zur erdschlußbehafteten Phase gehörende Lampe, das Relais· spricht
Erdschlußanzeige 391
an und betätigt z. B. eine Hupe. Man kann dann sofort an der gelösch.
ten Lampe erkennen, welche Phase Erdschluß hat. Sind in einem Netz
eine Reihe von Stationen, die alle Erdschlußanzeigevorrichtungen be-
sitzen, so werden diese, sofern es sich um ein galvanisch zusammen-
hängendes Netz handelt, alle ansprechen.
Man möchte oft jedoch nicht nur wissen, daß
ein Erdschluß vorhanden ist, sondern auch in
welchem Leitungsahzweig derselbe sich be-
findet, denn in ungelöschten Netzen will man
den kranken Abschnitt sofort abschalten,
während man in gelöschten Netzen, falls der
Erdschluß nicht löscht, zunächst versuchen
wird, das Netz so umzuschalten, daß möglichst
keine Verbraucher ausfallen, wenn dann an-
Abb. 406. Schaltung zur Erd-
schließend die erdschlußbehaftete Strecke schlußanzeige der einzelrum
abgeschaltet wird. Phasen.

Zur Feststellung der für eine erdschlußbehaftete Strecke maßgeben~


den Eigenschaften, seien die bei einem Erdschluß fließenden Ströme noch-
mals etwas genauer betrachtet. Abb. 407 a zeigt eine von einem Trans-

d _*_tt.,..~..,l-J-=-;=-~...,~,......=:-=.*_,b-,....~I.,.-J-'/(--
o-o

-=:=- --- ~ _ . p . -===-


e-----~~.
"""-1 ~~~~~~~mllmll=---­
Abb. 407 a-e. Stromverlauf beim ungeU!scbten Erdschluß.

formator gespeiste Strecke, die in der Phase 3 Erdschluß habe. Auf


S. 385 wurde gezeigt, daß man die durch den Erdschluß hervorgerufenen
zusätzlichen Ströme finden kann, indem man sich vorstellt, daß zwischen
Leiter 3 und der Erdschlußstelle ein Generator mit der .Phasenspannung
U)..s eingeschaltet ist, wobei als positive Richtung die Pfeilrichtung gilt.
Da es sich bei unseren Betrachtungen um eine Oberlagerung über den
392 Netzstörungen

normalen Betriebszustand handelt, können wir weiter annehmen, daß in


den Wicklungen des Transformators keinerlei Spannung erzeugt wird,
so daß die drei Phasen 1, 2 und 3 gleiches Potential haben. Nimmt man
an, daß die Kapazitäten zwischen den drei Leitungen und der Erde
gleichmäßig verteilt sind, so haben die in den drei Phasen fließenden
Ströme die in der Abb. 407 a dargestellte Größe und Richtung. Betrach·
tet man die Phasen 1 und 2, so nimmt wegen der gleichmäßig verteilten
Kapazität der Strom vom Ende der Leitung an bis zum Anfang zu und
hat hier die Größe 116 bzw. 126• Betrachtet man die Phase 3, so nehmen
die Ströme ebenfalls vom Ende der Leitung bis zur Erdschlußstelle zu.
Links der Erdschlußstelle hat jedoch der über die Leitungskapazität und
dann durch die Leitung 3 fließende Strom (in der Abb. 407 a schraffiert)
andere Richtung. Man muß ferner beachten, daß die beiden Ströme Iu
und 121 aus den Phasen 1 und 2 heraus über die Phase 3 zur Erdschluß-
stelle fließen. Wir wollen uns vorstellen, daß mit der Stromwandler-
summenschaltung der Abb. 407 b an verschiedenen Stellen der Leitung
gemessen werde. Das Amperemeter zeigt die Summe der drei Leitungs-
ströme. Diese Summe der drei Ströme ist in Abb. 407c aufgetragen. Der
Summenstrom I 8 ist gleich dem Erdschlußstrom, der an der Maßstelle
unterhalb der Leitung in der Erde fließt, allerdings in anderer Richtung.
Die normalen Belastungsströme der Leitung gehen in die Messung nicht
ein, da sie sich bei Summenschaltung der Wandler zu Null ergänzen. Für
viele Betrachtungen können wir uns das Leitungsgebilde der Abb. 407a
wesentlich vereinfachen, indem wir uns vorstellen, daß die drei Leitungen
parallel so verschoben werden, daß sie zusammenfallen, also eine einzige
Leitung (s. Abb. 407d) bilden. (Dies ist zulässig, weil die drei Leitungen
bei unserer Betrachtung gleiches Potential haben.) Nimmt man zwischen
der Ersatzleitung und der Erde dreifache Erdkapazität an, so ergibt der
Leitungsstrom und auch der Erdstrom die Größe der Abb. 407c. (Den
Transformator am Ende der Leitung, dessen drei Wicklungen bei der
Parallelverschiebung ebenfalls zusammenfallen, haben wir in dem Ersatz-
bild weggelassen, da bei unseren Betrachtungen in dem Transformätor
ja keinerlei Spannung erzeugt werden sollte.) Normalerweise sind auf
jeder Leitung Ableitungsverluste vorhanden, welche wir uns als Parallel-
widerstände R 0 zu den Kapazitäten vorstellen können (s. Abb. 407d).
Durch unsere an der Erdschlußstelle wirkende Spannung des Ersatz-
generators wird auch ein zusätzlicher Strom erzeugt, der sich über diese
Widerstände schließt und der in der Abb. 407e als Strom I w 0 aufgetragen
ist. Dieser Strom ist ein Wirkstrom und hat gleiche Phasenlage mit der
Erdschlußspannung. Seine Verteilung entspricht der des Blindstromes
der Abb. 407c, nur ist er wesentlich kleiner.
Es sei jetzt der Sternpunkt unseres Transformators in der Abb. 408a
mit der Erde über eine Erdschlußspule verbunden. In unserem Ersatz-
Erdschlußanzeige 393
bild (Abb. 408a) wird diese Erdschlußspule L unn:rittelbar am Leitungs-
anfang mit der Erde verbunden. Parallel zur Induktivität L haben wir
noch einen Widerstand RL vorgesehen, der als Ersatzwiderstand für die
Verluste in der Erdschlußspule gelten mag. Sehen wir zunächst von
sämtlichen Widerständen in der Abb. 408a ab und nehmen wir an, daß
die Kapazitäten des Netzes genau durch die Induktivität L kompensiert
seien, dann wird der in der
Leitung fließende Blindstrom I e
die in der Abb. 408b gezeichnete
Größe und Richtung besitzen,
d. h. er nimmt vom Ende der
Leitung bis zum Anfang gerad-
b IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII~IIIIIJIIII!!!ii!!li!lii'''
linig zu. Durch die Erdschluß- C - --=:c:zmmddllmmoftii:trf.ta:'!!Clloo==--
stelle selbst fließt kein Strom. """JJJ
Es ist wesentlich, daßder Strom-
Iwt
d 1!11111! ll!!ll!!llm !!!!Mi!! !!II
verlauf I 6 diesmal von der Lage
Abb. 408a-d. Stromverlauf (Summenmessung)
der Erdschlußstelle überhaupt beim gelöschten Erdschluß.
nicht beeinflußt wird, so daß
wir jetzt schon den Schluß ziehen können, daß der Erdschlußblindstrom in
'einem kompensierten Netz sicher nicht dazu geeignet ist, die Lage des
Erdschlusses anzuzeigen.
Wir betrachten jetzt die Wirkströme I wo• welche durch die den Ka-
pazitäten parallel geschalteten Widerstände fließen. Ihre Größe und
Richtung ist aus der Abb. 408c zu erkennen. Wir wollen weiterhin den
Wirkstrom untersuchen,
der durch ·den Ersatz-
widerstand R L• welcher die
Verluste der Erdschluß-
spule berücksichtigt, her-
vorgerufen wird. Seine
Größe und Richtung zeigt
Abb. 409. Stromverlauf (Summenmessung) des ungelöschten
die Abb. 408d. Man er- Erdschlusses bei .zwei parallel geschalteten Strecken.
kennt, daß in einem kom-
pensierten Netz sich nur die Wirkströme, nicht dagegen die Blindströme
mit der Lage des Erdschlußortes ändern.
In welcher Weise können nun unsere gewonnenen Erkenntnisse für
die Auffindung einer kranken Strecke benutzt werden 1 Dabei sei zu-
nächst der Fall betrachtet (Abb. 409), daß von der Sammelschiene S
mehrere Leitungen, in unserem Falle die Leitungen I und II ausgehen.
Ist in der Leitung II des nichtkompensierten Netzes ein Erdschluß vor-
handen, so werden infolge der gleichmäßig verteilten Kapazitäten gegen
Erde die Erdschlußströme (Blindströme) die in der Abb. 409 gezeichnete
Größe und Richtung be~:~itzen. Dabei fließt der von der Leitung I kom-
394 Netzstörungen

mende Blindstrom 1t über die Leitung 11 in die Erdschlußstelle hinein.


Ein Kennzeichen der erdschlußbehafteten Leitung ist also die Richtung
des Erdschlußstromes, welche im Fall des Erdschlusses von der Sammel-
schiene weg in die Leitung hineingerichtet sein muß. Dies gilt auch, wenn
nicht zwei Leitungen, sondern beliebig viele Leitungen an ein Sammel-
schienensystem angeschlossen sind. Das Verfahren versagt, wenn nur
eine einzige Leitung vorh11.nden ist, da dann, wie die Abb. 407 c zeigt, am
Anfang der Strecke der Erdschlußstrom Null ist. In diesem Falle genügt
aber eine einfache Erdschlußanzeige entsprechend Abb. 405 und 406.
Betrachtet man das nichtkompensierte Netz der Abb. 410a und
nimmt an, bei A sei ein Erdschluß. Es werden dann die über die Kapa-
zitäten der Erdschlußstelle zufließenden Ströme etwa die in der Abb. 410a
gezeichneten Richtungen besitzen. Man erkennt, daß nur in der erd-
schlußbehafteten Leitung die Ströme von den beiden Enden nach der

a
Abb. 410 a u. b. Stromverlauf (SU1111118111118SSung) Im ver:maschten Netz
beim ErdschluB.

Strecke zu fließen. Baut man also gerichtete Erdschlußrelais, die z. B.


zwei FallklapPßn betätigen, eine rote Fallklappe, wenn der Erdschluß-
stromvon der Sammelschiene weg und eine grüne Klappe, falls der Erd-
schlußstrom auf die Sammelschiene zu fließt, dann kann man sich in
folgender Weise ein Bild über die Lage des Erdschlusses machen. Von
sämtlichen Stationen wird telefonisch mitgeteilt, ob die roten oder die
grünen Klappen der Erdschlußrelais gefallen sind {in der Abb. 410 a sind
die roten Klappen schwarz gezeichnet). Trägt man diese Meldungen in
einen Schaltplan ein, so erkennt man, daß nur auf der Strecke a-d der
Abb. 410 a der Erdschluß liegen kann, da nur hier beide Erdschlußrelais
ihre roten Klappen betätigt haben. Die in Frage kommenden Erdschluß~
relais sind wattmetrische Relais, deren Stromspulen von drei Wandlern
in Summenschaltung betätigt werden {Abb.407b), während die Span-
nnngsspule von dem Spannungswandler der Abb. 405a oder der Abb. 405 b
gespeist wird. Das Meßwerk dieser wattmetrischen Relais muß so aus•
gebildet werden, daß das Relais den Blindstrom mißt.
Bei nichtkompensierten Netzen wird gelegentlich der Wunsch ge•
äußert, daß bei einem Erdschluß eine sofortige selektive Abschaltung
stattfinden soll. Dies ist möglich, falls man an einer Stelle des Netzes,
Erdschlußanzeige 395
z. B. an der Stelle a (s. Abb. 410b) besondere Bedingungen schafft, in-
dem man z. B. zwischen einen dort vorhandenen Sternpunkt und Erde
einen Widerstand R 0 legt. Dieser Widerstand ist normalerweise stromlos,
da ja unsere Ersatzleitung gegenüber Erde das Potential Null hat. Nur
im Falle des Erdschlusses kann man sich an der Erdschlußstelle die
Phasenspannung wirksam denken und es fließen jetzt über den Wider-
stand R 0 die Wirkströme, die in der Abb. 410 b eingezeichnet sind. Die
Blindströme interessieren diesmal nicht und die Wirkströme, welche
durch die Ableitungsverluste der Leitung zustande kommen, sbllen durch
geeignete Wahl des Widerstandes R 0 klein gegen die durch den Wider-
stand R 0 erzeugten Ströme sein. Bildet man die Erdschlußrelais wieder
als gerichtete wattmetrische Relais aus, die diesmaljedoch auf den Wirk-
strom ansprechen müssen und verbindet man sie mit gestaffelten Zeit-
relais, welche auf die Leistungsschalter arbeiten, dann kann tatsächlich
ein selektiver Erdschlußschutz geschaffen werden. Führt man die Zeit-
staffelung vom Punkt a ausgehend gegenläufig durch, so erfolgt stets eine
selektive Abschaltung der kranken· Strecke, davon unabhängig, wo die
Erdschlußstelle liegt. Ist die Erdschlußstelle bei A, so spricht zunächst
das Relais bei d mit 1 sec Laufzeit an und der zugehörige Schalter
schaltet ab. Sämtliche übrigen Relais, abgesehen von dem Relais mit
4 sec Laufzeit bei a werden jetzt stromlos. Bei a wird dann die kranke
Strecke nach 4 sec endgültig abgeschaltet.
Bei einem durch Erdschlußspulen gelöschten Netz besteht weniger
das Bedürfnis nach einer sofortigen Abschaltung, als nach Kenntnis der
erdschlußbehafteten Leitung und der Lage des Erdschlusses. Mit den
Blindströmen kann man diesmal nichts anfangen, denn wie durch die
Abb. 408b ge1.eigt, sind die im Netz auftretenden Blindströme unab-
hängig von der Lage des Erdschlußortes. Man muß deshalb bei einem
kompensierten Netz die Wirkströme zur Anzeige benutzen.
Betrachten wir zunächst die Wirkströme, die durch die Ableitungs-
verluste des Netzes zustande kommen, so gilt für deren Verteilung das
gleiche wie bei den Blindströmen eines nichtkompensierten Netzes. Hat
man also ein kompensiP.rtes Netz von der gleichen GestaltwieinAbb. 410a,
so werden die Wirkströme den eingezeichneten Verlauf besitzen und es
gilt das gleiche Gesetz, daß die Leitung erdschlußbehaftet ist, bei der die
Wirkströme von beiden Sammelschienen der Leitung zufließen. Nimmt
man an, im ~etz sei bei a eine Erdschlußdrossel angeschlossen, so besitzt
diese Ohmsehe Verluste und ihr Ersatzwiderstand kann beispielsweise
durch den Widerstand R 0 der Abb. 410 b dargestellt werden. Die durch
diesenWiderstand R 0 hervorgerufenen Wirkströme sind aus der Abb. 410 b
zu erkennen. Auch sie fließen derart, daß in der erdschlußbehafteten
Leitung die Wirkströme von beiden Seiten zufließen. Es genügt also,
wenn in einem gelöschten Netz wattmetrische Relais, die allerdings dies·
396 Netzstörungen

mal auf den Wirkstrom ansprechen, eingebaut sind und man bei einem
Erdschluß feststellt, wo die roten und wo die grünen Fallklappen gefallen
sind. In der Leitung, in der beide roten Fallklappen gefallen sind, ist
Erdschluß vorhanden. Es sei erwähnt, daß die Ausbildung der watt-
metrischen Erdschlußrelais und das Zusammenarbeiten mit den Summeu-
stromwandlern hohe Forderungen an Genauigkeit stellt, da die zu
messenden Fehlerströme klein sind und leicht durch Wandlerfehler
falsche Resultate vorgetäuscht werden. Es kann deshalb gelegentlich
zweckmäßig sein, die Wirkströme zu erhöhen, indem z. B. in Reihe mit
einer Erdschlußdrossel ein kleiner Widerstand geschaltet wird.

D. Die Sternpunktserdung in Hochspannungsnetzen


Die in den USA schon seit langem übliche starre Erdung des Stern-
pun1des von Hochspannungsnetzen wird auch seit neuestem im deut-
schen 220-kV-Netz angewendet und ist für das in Planung befindliche
380 kV-Netz vorgesehen. Der Erdschlußkompensation durch Lösch-
spulen wird in sehr ausgedehnten Höchstspannungsnetzen durch die
Höhe des noch im Erdschlußlichtbogen verbleibenden Restwirkstromes
eine Grenze gesetzt. Die Mittel zur Kompensation dieses Restwirkstro-
mes sind sehr aufwendig. Außerdem ist der Reststrom abhängig von je
nach Witterungsverhältnissen verschiedenen Korona- und Ableitungs-
verlusten der Leitungen, so daß die Kompensationseinrichtung für den
Reststrom in einem bestimmten Netz keineswegs immer in der Einstel-
lung unverändert bleiben könnte.
Der große Erdschlußstrom in gelöschten Netzen hatte an den gesunden
Phasen info]ge der Spannungserhöhung in den Nullimpedanzen der
Betriebsmittel, die er durchfließt, ein derart hohes Spannungsniveau zur
Folge, daß insbesondere Wandler und Abieiter hierdurch gefährdet
werden. Die hohe Verlagerungsspannung des gelöschten Höchstspan-
nungsnetzes würde ferner starke Beeinflussung zu anderen Netzen
geringerer Betriebsspannung hervorrufen.
Diese Erscheinungen, die bei gelöschten Höchstspannungsnetzen ein
wesentlicher Nachteil der Übertragung sind, lassen sich in erträglichen
Grenzen halten, wenn man auf starre Sternpunktserdung übergeht.
Jeder Erdschluß im starr geerdeten Netz ist allerdings ein Kurzschluß
und erfordert die sofortige Abschaltung der gestörten Strecke. Hierfür
muß der Selektivschutz eingreifen und kann, wenn er für die Erfassung
eines solchen Störungsfalles eingerichtet ist, den Erdkurzschlußstrom in
sehr kurzen Zeiten von der Größenordnung 1/10 s unterbrechen.
Eine Sternpunktserdung wird als starr oder auch wirksam bezeichnet,
wenn durch sie sichergestellt wird, daß die Spannung an den beiden
nicht durch Erdschluß gestörten Phasen nicht höher als etwa das 0,8-
Überspannungen u. Überspannungsschutz in elektrischen Leitungsnetzen 397

fache der verketteten Spannung erreicht. Dies ist sichergestellt, wenn das
Verhältnis der Nullimpedanz zur Mit- bzw. Gegenimpedanz nicht größer
als 3 und das Verhältnis des Wirkwiderstandes zur Mitreaktanz nicht
größer als 1 ist.
Damit der Erdkurzschluß im starr geerdeten Netz den Netzbetrieb
nicht stört, wird die sogenannte Kurzschlußfortschaltung (s. S. 382) ange-
wendet, mit der die gestörte Strecke einige Zehntel Sekunden lang vom
Netz getrennt wird. In dieser Zeit kann der Erdschlußlichtbogen, falls
er durch einen Überschlag entstanden ist, mangels Energie von selbst
löschen; nach der Wiederzuschaltung ist die Strecke dann störungsfrei
und kann in Betrieb bleiben. Wenn jedoch die Störung weiter besteht,
wird eine nochmalige Abschaltung vorgennommen, die dann endgültig ist.
Die starre Sternpunkterdung erfordert in der Auslegung der Erdungs-
anlagen von Stationen und Leitungsmasten besondere Maßnahmen, um
die Schritt- und Berührungsspannung im Störungsfalle zu begrenzen.
In Stationen wird der Erdungswiderstand durch ein möglichst ausgedehn-
tes Erdleitermaschennetz aufWerte unterhalb l Ohm begrenzt. Bei den
Masten sind Strahlen- und Ringerder erforderlich, durch die ebenfalls ein
ausreichend geringer Erdungswiderst~nd erzielt, durch die aber ins-
besondere ein sanfter Abbau des Spannungstrichters unterhalb des
Mastes erreicht werden kann.

E. Vberspannungen und Überspannungsschutz


in elektrischen Leitungsnetzen
In elektrischen Leitungsnetzen können Überspannungen, deren Ur-
sache verschiedenster Art sind, auftreten. Sowohl beim Ein-, als
auch beim Ausschalten einer Leitung können Überspannungen ent-
stehen. Betrachtet m~n z. B. den einfachsten Fall, daß man eine Frei-
leitung einschaltet, so wird der Funke etwa im Maximalwert der Span-
nung über8pringen, die Spannung als Wanderwelle mit Lichtgeschwindig-
keit über die Leitung eilen und am offenen Ende derselben theoretisch
auf den doppelten Wert reflektiert werden (s. S. 517). Es lassen sich
noch weitere Fälle zeigen, bei denen durch Schaltwanderwellen Über-
spannungen entstehen, z. B. wenn eine Wanderwelle zuerst ein Kabel
durchläuft, das dann in eine Freileitung einmündet oder wenn eine
Wanderwelle auf eine Induktivität trifft (Stromwandler oder Reihen-
wicklung eines Regeltransformators). Auch Abschaltspannungen können
gelegentlich lästig werden. Wird z. B. ein sekundär unbelasteter Trans-
formator primärseitig abgeschaltet und nimmt der Fluß dabei rasch ab,
wird also-~~ groß, so kann eine Überspannung induziert werden.
Ebenso treten im Erdsclilußfalle durch den intermittierend brennenden
398 Netzstörungen

Lichtbogen infolge Rückzündungen hohe Überspannungen auf, die jedoch


vermieden werden, falls das Netz durch Erdschlußspulen kompensiert ist.
In der Mehrzahl der Fälle läßt es sich durch geeignete Isolierung des
Netzes, der Schaltanlagen und der Transformatoren erreichen, daß
infolge von Schaltüberspannungen keine Netzstörungen auftreten.
Es sei erwähnt, daß, wenn Wanderwellen auf Transformatoren auf-
treffen, erhöhte elektrische Beanspruchungen zwischen einzelnen Win-
dungen auftreten, so daß man diese meist stärker isoliert. Die hierbei
auftretenden Erscheinungen lassen sich am besten überblicken, wenn
wir von einer Drosselspule ausgehen, welche eine einlagige Zylinder-
wicklung besitzt und einen Eisenkern umgibt. Das eine Ende der Wick-
lung sei an Erde gelegt und das andere werde plötzlich mit einer Strom-
quelle konstanter Spannung verbunden. Für unsere Überlegungen
müssen wir berücksichtigen, daß
die Induktivität der Drossel
gleichmäßig verteilt ist up.d daß
zwischen den einzelnen Windun-
gen und zwischen den Windun-
gen und der Erde Kapazitäten
0 vorhanden sind. Das Ersatzbild
a unserer Drossel kann etwa durch
Abb. 4,lla u. b. Ersatzbild eines Transformators Abb. 411 a dargestellt werden.
zur Erkl~ der Transformatorschwlngungen.
Legen wir die Drosselspule plötz-
lich an eine konstante Spannung, dann würde bei normaler Be-
trachtungsweise die Spannung sich gleichmäßig nach der Geraden 0-1
der Abb. 411 b auf die einzelnen Windungen verteilen. In Wirklich-
keit wird jedoch, da die den Kapazitäten plötzlich zufließenden
Ladungen nicht in unendlich kurzer Zeit durch die Induktivität hin-
durchfließen können, der Vorgang so verlaufen, ·als ob sämtliche Teil-
induktivitäten unendlichen Widerstand hätten und für die Spannungs-
verteilung nur die einzelnen Kapazitäten maßgebend sind. Es wird
also im ersten Moment eine Spannung!!verteilung sich ergeben, die durch
die Wicklungskapazitäten bEldingt ist und welche einen ähnlichen Ver-
lauf besitzt wie die einer Isolatorenkette und etwa nach Abb; 411 b
verläuft. Man erkennt, daß hierbei die Eingangswindungen gegenein-
ander höhere Spannungen aufweisen, als die Windungen am Ende. Nach
einer gewissen kleinen, jedoch endlichen Zeit muß der Spannungsverlauf
entsprechend dem stationären Zustand nach der Geraden 0-1 verlaufen.
Der Übergang von der ursprünglichen Spannungsverteilung (ausgezogen)
zur stationären Spannungsverteilung (gestrichelt) erfolgt vermittelst all-
mählich abklingender Schwingungen verschiedenster Frequenz und
Wellenlänge. Hierbei können zu gewissen Zeiten sehr hohe Bean-
spruchungen zwischen einzelnen Wicklungsteilen auftreten, welche zum
Überspa.nnungen u. Überspannungsschutz in elektrischen Leitungsnetzen 399
Oberschlag führen können. Praktisch ähnliche, jedoch noch kompli-
ziertere Verhältnisse liegen beim tatsächlichen Transformator (auch
wenn er nicht geerdet ist), auf den irgendeine Wanderwelle auftrifft, vor.
Hierbei kommt der Transformator ins Schwingen, wobei unkontrollier-
bare Wicklungsbeanspruchungen aufzutreten vermögen.
Es ist möglich, durch besondere Ausbildung der Wicklungskapazi-
täten eine durch diese bedingte Spannungsverteilung zu erreichen, die
praktisch nach der Geraden 0-1 der Abb. 4llb verläuft. Wenn aber
im ersten Augenblick beim Auftreffen der Spannungen die Spannungs-
verteilung mit der stationären übereinstimmt, könnenkeine Schwingungen
in der Wicklung und damit keine erhöhten Beanspruchungen zustande
kommen. Bei diesen sog. schwingungsfreien Transformatoren unterteilt
man die Hochspannungswicklung in eine Reihe von Zylinderspulen, die
alle hintereinander geschaltet sind. Betrach-
tet man jede Zylinderspule für sich in erster
Annäherung als einen Belag annähernd kon-
stanter Spannung, dann stellen die einzelnen
Zylinderspulen, falls die Hochspannungswick-
lung plötzlich an Spannung gelegt wird, eine Abb. 412. Beeinflussung einer Hoch-
Art Kondensatordurchführung dar, bei der spannungsleitung durcheine
geladene Wolke.
man es erreichen kann, daß zwischen den
einzelnen Zylinderspulen etwa gleiche Potentialdifferenz besteht, was
ja angestrebt wird.
Es sei erwähnt, daß auch ein nicht schwingungsfreier Transformator
gleiche Spannungssicherheit haben kann, falls er richtig isoliert ist.
Bei der Isolierung eines Transformators ist ferner zu beachten, daß der
Nullpunkt, der normalerweise das Potential Null besitzt, auf ein erhöhtes
Potential gelangen kann, wenn z. B. auf dendrei Leitungen des Drehstrom-
systemseine gleichphasige Wanderwelle in den Transformator eindringt.
Wesentlich gefährlicher als Überspannungen, welche durch Schalt-
handlungen entstehen, sind die durch atmosphärische Einwirkungen in
den Leitungen hervorgerufenen Oberspannungen. Nähert sich einer
Leitung eine z. B. positiv aufgeladene Wolke (Abb. 412), so werden in
der Leitung entgegengesetzte Ladungen influenziert. Dabei treten jedoch
noch keine Oberspannungen auf, da die Wolke sich der Leitung allmählich
nähert und die gleichnamige Elektrizitätsmenge auf der Leitung, welche
abgestoßen wird, durch geerdete Spannungswandler oder Erdschluß-
spulen abfließen kann. Verschwindet plötzlich die Ladung der Wolke,
beispielsweise indem durch einen Blitzschlag nach einer anderen entgegen-
gesetzt geladenen Wolke oder nach Erde ein Ladungsausgleich statt-
findet, so werden die Ladungen in der Leitung plötzlich frei, da sie nicht
mehr durch Ladungen auf der Wolke gebunden sind. Es treten damit
hohe Überspannungen auf, die proportional der Ladung sind. Die
400 Netzstörungen

Ladung, also auch die Überspannungen, werden nach beiden Seiten der
Leitung abfließen, und zwar in Form von Wauderwellen mit Licht-
geschwindigkeit. Diese Überspannungen können in Mittelspannungs-
netzen, seltener dagegen in Hochspannungsnetzen (wegen der besseren
Isolierung) zu Überschlägen führen. Man kann diese influenzierten
Spannungen durch Erdseile auf den Masten mildern.
Am gefährlichsten ist der oft vorkommende Fall, daß der Blitz un-
mittelbar in die Leitung einschlägt. Hierdurch erhält die Leitung plötz-
lich eine sehr hohe Spannung und es können Überschläge nach Erde,
d. h. nach den Masten oder dem Erdseil auftreten. Ist das Erdseil
genügend hoch über den Leitungen angeordnet, so werden, wie man in
den letzten Jahren experimentell festgestellt hat, die BÜtze, welche in
die Leitung schlagen wollen, meist durch das Erdseil aufgefangen. Ein
Blitzschlag in das Erdseil wird
keinerlei Störung verursachen,
sofern der Blitzstrom möglichst
a widerstandsfrei in die Erde ab-
fließen kann. Dies ist jedoch nicht
immer der FaJI. Man hat durch
Versuche festgestellt, daß, wenn
ein Blitzschlag auf einen Mast
trifft bzw. auf das Erdseil in
Abb. 413& u. b. Blitzstromverteilung unmittelbarer Nähe des Mastes,
in Hochspannungsleitung•. rd. 600/o des Blitzstromes durch
den Mast fließen und nur der Rest über das Erdseil nach den übrigen durch
das Erdseil parallel geschalteten Masten. Dies hat seinen Grund darin,
daß durch den Wellenwiderstand des Erdseiles der Strom am Abfließen
über das Erdseil gehindert wird. Abb. 413a zeigt die Blitzstromverteilung
beim Einschlag des Blitzes in den Mast und Abb.413b die Verteilung
beim Einschlag des Blitzes in das Erdseil in der Mitte der Spannweite.
Man hat für den Fall der Abb. 413 a Mastströme von 40 000 A, ja
sogar von 60000 A (Spitzenwert) festgestellt. Nimmt man z. B. an,
daß der Übergangswiderstand des Mastes gegen Erde 20 Q beträgt, so
bedingt dies, daß der Mast bei einem Strom von 60 OOO.A sich auf ein
Potential von 60000 · 20 = 1200000 V hebt. Infolge dieser hohen
Spannung können jetzt rückwärtige Überschläge vom Mast bzw. dem
Erdseil nach den Leitungen auftreten. Um solche rückwärtigen Über-
schläge zu vermeiden, muß also der Übergangswiderstand des Mastes
gegen Erde so klein wie irgend möglich gehalten werden, so daß stets
Blitzstrom mal Erdübergangswiderstand kleiner ist als die Stoßspannung

1 Siehe H. GRÜNEWALD: Gewittergefährdung und Gewitterschutz von Frei

leitungsanla.gen. Elektrizitätswirtsch. Bd. 34 (1935) S. 454.


Überspannungen u. Überspannungsschutz in elektrischen Leitungsnetzen 401

der Isolatoren. Unter Verwendung normaler Isolatorentypen müßte z. B.


bei einer 110 kV-Leitung der Erdübergangswiderstand kleiner als 15 Q
und bei einer 50 kV-Leitung kleiner als 8 Q sein. Diese geforderten Erd-
übergangswiderstände werden bei den meisten Leitungen heute über-
schritten. Da man jedoch experimentell nachgewiesen hat, daß ein
großer Teil der aufgetretenen Überschläge durch solche rückwärtige
Überschläge kommen, dürfte es sich dringend empfehlen, Mehrkosten
nicht zu scheuen, um die Masterdung zu verbessern. Man wird in schwie-
rigen Fällen mehrere Rohre, die nicht zu dicht am Mastfuß angebracht
sind, in die Erde eintreiben, wobei, wenn das Grundwasser sehr tief steht,
diese Rohre 30 bis 40 m unter Erde eingetrieben werden müssen. Bei
guten Erdverhältnissen (fetter Boden) genügen auch Banderden, das
sind Eisenbänder, die vom Mast aus in etwa 70 cm Tiefe strahlenförmig
verlegt sind. Gelegentlich kommt auch ein Bodenseil zur Verwendung,
d. h. die Mastfüße werden miteinander durch ein im Erdboden verlegtes
Seil verbunden. Es hat sich jedoch hier gezeigt, daß ein solches Boden-
seil, welches ebenfalls einen Wellenwiderstand besitzt, nur dann Ver-
besserung bringt, wenn die Mastfüße und ihre Erde ohne das Bodenseil
keinen höheren Widerstand als rund 100 Q haben.
Da ein in genügender Höhe über einer Leitung angebrachtes Erdseil
bei guter Masterdung nur dann gute Schutzwirkung gegen Blitzschlag
in die Leitung besitzt, falls die Leitung nicht zu breit ist, wird man be-
sonders bei Doppelleitungen, die in einer Ebene verlegt sind, bei denen
die Leitung also sehr breit baut, in gewitterreichen Gegenden zwei oder
unter Umständen sogar drei Erdseile verlegen.
Bei Mittelspannungsleitungen verwendet man oft Holzmaste ohne
ErdseiL Da die Holzmaste sehr gut gegen Erde isolieren (Holz verträgt
Stoßspannungen von 300 bis 400kVjm), treten auf derartigen Leitungen,
abgesehen von gelegentlichen Mastzersplitterungen (falls ein Blitz un-
mittelbar in einen Mast einschlägt), weniger Störungen durch atmo-
sphärische Überspannung auf. Die auftretenden Überspannungen wan-
dern vielmehr auf der Leitung entlang und suchen sich sonstige schwache
Stellen aus. Bei Wegkreuzungen werden die Holzmaste aus Festigkeits-
gründen oft durch Eisenmaste ersetzt und hier schlagen dann meist, da
die Stützer der Isolatoren Erdpotential haben, die Isolatoren über. Auch
finden die weitergeleiteten Überspannungen oft schwache Stellen in den
Transformatorenstationen. Man kann jedoch auch bei Holzmasten ein
Erdseil verwenden, welches an jedem Mast durch eine Erdleitung gut
mit der Erde verbunden sein muß und die in das Erdseil gelangende Blitz-
schläge unmittelbar zur Erde ableiten kann. Um trotzdem einen Teil
der Holzisolation gut auszunutzen, darf dann nicht die vom Erdseil
abgehende Erdleitung unmittelbar am Mast heruntergeführt werden,
da sie sonst sämtliche Ausleger erden würde. Man wird vielmehr die
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 26
402 Netzstörungen

Erdleitung nach Abb. 414 1 zunächst frei führen und dann erst am Mast
entlang, so daß alle Ausleger noch durch Holz isoliert sind. Durch
obige Konstruktion werden sicher viele Blitzschläge, welche ohne Erdseil
in die Leitung treffen würden, abgefangen und Überschläge an den Eisen-
masten und in den Stationen vermieden. Trotz aller Maßnahmen wird
man mit gelegentlichen Überschlägen zu rechnen haben. Dabei ist es
besser, wenn diese im Netz als in einer Umspannstation auftreten. Des-
wegen sollte man den Isolationsgrad der Station stets höher wählen als
den der Leitung, was jedoch bis heute
wegen der zu hohen Kosten kaum durch-
führbar ist.
Es ist zu beachten, daß bei kurz-
zeitigen Überspannungen nicht die Über-
schlagsspannung allein maßgebend ist,
sondern daß der Entladeverzug der Iso-
latoren eine Rolle spielt. Trifft eine
Stoßspannung genügender Höhe auf einen
Isolator, so benötigt er eine kleine, aber
meßbare Zeit zum Überschlag. Hat man
zwei Isolatorentypen mit gleicher Über-

i~
l
I ' ,.·-. .').:"' ~ .'.

Abb. 414. Holzmast mit Erdsell.


Abb. 415. Stoßwelle.
1 Leiterselle ; 2 Erdseil: 3 Erdungsleitung;
4 TrennsteHe in der Erdungsleltung,

schlagspannung bei 50 Perioden, dann wird bei auftretender Stoßspan-


nung der Isolator zuerst durchschlagen, der den kleineren Entladeverzug
hat und wird dadurch unter Umständen infolge der eintretenden Span-
nungsahsenkung den zweiten entlasten.
Um eine Stoßspannung (z. B. bei der Prüfung von Überspannungs-
ableitern) zu charakterisieren, muß nicht nur ihr maximaler Spannungs-
wert, sondern ihr Verlauf annähernd gekennzeichnet sein. Abb. 415
zeigt den Spannungsverlauf der Stoßwelle in Abhängigkeit der Zeit.
Zieht man eine Gerade durch 0,1 U ma~e und durch 0,9 U moo:• dann bildet
die Projektion dieser Geraden auf der Zeitachse, falls man sie bis zur
1 Aus H. GRÜNEWALD: Gewittergefährdung und Gewitterschutz von Frei-

leitungsanlagen. Elektrizitätswirtsch. Bd. 34 (1935) S. 454.


Überspannungen u. Überspannungsschutz in e!ektrischen Leitungsnetzen 403
Abszisse und bis zum Maximalwert verlängert, die Stirndauer T 8 • Die
Zeit, während der die Spannungskurve größer als 0,5 Umax ist, bezeichnet
man als Halbwertdauer 1• Größenordnungsmäßig liegen die Werte der
Stirndauer etwa bei 0,5 bis 5 p, sec (1 p, sec= 10-6 sec) und die Halbwert-
dauer etwa bei 5 bis 500 p, sec.
Da mit gelegentlichen Leitungsüberschlägen zu rechnen ist, drängt
sich die Frage auf, ob man nicht Überspannungsschu tzapparate in die
Leitung einbauen soll. Diese sind im Prinzip so ausgebildet, daß sie aus
einer Funkenstrecke bestehen, die schon bei einer mäßigen Überspannung,
die unter der Überschlagspannung der Leitung liegt, anspricht. Deshalb
darf eine solche Funkenstrecke nur einen sehr kleinen Entladeverzug
haben. Um die in Verbindung mit Überspannungen
vorhandenen Ladungen möglichst rasch abzuleiten,
um also die Überspannung abzusenken, soll eine
solche Funkenstrecke nur durch einen mäßigen
Widerstand mit der Erde verbunden sein. Dies be-
dingt jedoch, nachdem die Überspannung abge-
klungen ist, daß bei einem konstanten Widerstand
infolge der Betriebsspannung ein derartig großer
Strom fließt, daß der Lichtbogen nicht auslöschen
wird. Diese Schwierigkeiten konnten jedoch bei den
in den letzten Jahren auf den Markt gebrachten
Überspannungsahlei tern gelöst werden [SAW-Ab-
leiter (AEG), Resorbit-Ableiter (BBC), Kathodenfan-
ableiter (SSW)]. Abb. 416 zeigt, als Ausführungs-
beispiel, einen Überspannungsahlei ter der Firma BBC.
Er besteht aus einer Löschfunkenstrecke und einen
in Reihe geschalteten Widerstand, der aus einzelnen Abb. 416. R esorbit-
ableiter (BBC).
Elementen zusammengesetzt ist. Dieser aus kerami-
schen Massen hergestellte Widerstand ist veränderlich und besitzt eine
solche Charakteristik, daß mit größer werdender Spannung der Wider-
stand stark abnimmt. Die Stromspannungscha rakteristik eines solchen
Widerstandes einschließlich vorgeschalteter Löschfunkenstrecke, die not-
wendig ist, um bei abgeleiteter Überspannung den Abieiter von der
Leitung abzutrennen, zeigt Abb. 417. Abb. 418 zeigt, wie beispielsweise
ein Überspannungsahlei ter an einer Transformatorenstat ion eingebaut
sein kann.
Überspannungsahlei ter kommen heute vorwiegend zum Schutze von
Umspann- und Verteilungsanlagen in Frage. Ferner wird man mit ihnen
die im Zuge der Leitung liegenden Wicklungen von Regeltransformatore n
schützen, die besonders gefährdet sind. Ferner verbindet man Über-

Aus ETZ Bd. 58 (1937) S. 615. Entwurf 2 zu VDE 0675.


26*
404 Netzstörungen

Spannungsahleiter oft mit den Nullpunkten von Transformatoren, die


beim Auflaufen von Überspannungen ebenfalls erhöhte Spannung gegen
Erde annehmen können.
Ein anderer, billigerer, aber nicht so leistungsfähiger Überspannungs-
schutz, ist der sog. Löschrohrableiter. Dieser besteht aus einem Isolier-
rohr, welches oben eine Stift- und unten eine Hohlelektrode besitzt,
welche geerdet ist. Tritt eine Überspannung auf, so wird die Außen-
funkenstrecke und auch die zwischen Stift- und Jlohlelektrode befind-
12
kV
10
/
V
,.....2
1
vv
12
KV
10
/
V --
~
~~
.......
~

~V
~ 2
I J..,..o- ~
y y
a b
2

1 2. 3 11 kA 1 2 3 9 5 6 7 e 9 10/rA
z- i-...
Abb. 417. Oharakterlstlk eines Resorbitableiters.

liehe Innenfunkenstrecke überschlagen. Ein Widerstand zwischen Ab-


leiter und Erde wie bei dem zuletzt behandelten Abieiter ist nicht vor-
handen. Hat man ein zwei- oder dreipoliges Ansprechen der Ableiter,
so fließt also durch diesen der Kurzschlußstrom
der Leitung, der abgeschaltet werden muß.
Infolge des an der Innenfunkenstrecke ent-
stehenden Lichtbogens wird vom Isotierrohr
etwas vergast und durch den entstehenden
Überdruck wird der Lichtbogen nach unten
geblasen, so daß er nach einigen Halbperioden
erlöscht. Ein so\cher sog. Löschrohrableiter
ist in seiner Anwendung durch die von ihm zu
schaltende Kurzschlußleistung begrenzt und
zwar darf diese nicht zu groß, andererseits aber
auch nicht zu klein sein, da sonst nicht ge-
Abb. 418. Einbau eines tlber·
spannungsableiters.
nügend Gas erzeugt wird, um den Lichtbogen
zu löschen. Bei einphasigem Ansprechen im
unkompensierten Netz (Erdschluß) ist zwar der zu unterbrechende
Strom meist unter dem unteren Grenzstrom des Ableiters. Jedoch
arbeitet er spannungsmäßig günstig, da die Spannung am Abieiter
nach dem Erlöschen beim Nulldurchgang des Stromes (Abschalten einer
Kapazität s. S. 283) nicht plötzlich, sondern allmählich ansteigt. Der
Abieiter unterbricht also richtig den Strom. Gleiches gilt auch, wie man
zeigen kann, für kompensierte Netze. Da in Deutschland die Netze vor-
"Oberspa.nnungen u. Überspannungsschutz in elektrischen Leitungsnetzen 405
wiegend kompensiert sind, werden einpolige Überschläge schon durch
die Erdschlußspule gelöscht. Für die Erfassung und Löschung von zwei-
oder mehrpoligen Überschlägen sind dagegen die Löschrohrableiter
günstig. Sie finden hauptsächlich Anwendung zum Schutze von Aus-
läuferstationen, die meist von vornherein keine zu großen Kurzschluß-
leistungen haben. In solchen Stationen hatte man bei Gewitter sehr oft
ein Durchschmelzen der Hochspannungssicherungen vor dem Netz-
umspanner in Ortsnetzen, verursacht durch Überschläge an den Um-
spannerdurchführungen. Hier bringt der Einbau von Löschrohrableitern
eine Erleichterung. Ferner werden Löschrohrableiter oft an besonders
bei Gewittern gefährdeten Masten angebracht, z. B. an Eisenmasten,
die im Zuge von Holzmasten angeordnet sind.
Beim Einbau von Löschrohrableitern ist zu beachten, daß die bei der
Löschung austretenden Gase ungehindert abziehen können und nicht
auf spannungsführende Teile treffen. Außerdem ist für bewohnte
Gegenden zu berücksichtigen, daß beim Ansprechen eines Löschrohr-
ableiters sehr starke, knallartige Geräusche auftreten. Weiterhin ist in
der Regel der Ansprechverzug der normalen Funkenstrecke der Lösch-
rohrableiter wesentlich größer als derjenige eines Ventilabieiters mit
spannungsabhängigem Widerstand, so daß, wenn das Löschrohr zündet,
höhere Stoßüberspannungen auf das Schutzobjekt durchgelassen werden.
Man wird daher zum Schutz hochwertiger Objekte den allerdings auch
erheblich teueren Ventilabieiter mit spannungsabhängigem Widerstand
vorziehen.
Zur Erzielung eines möglichst störungsfreien Betriebs ist es not-
wendig, daß in einer Anlage die verschiedenen Isolationen aufeinander
abgestimmt sind (s. Abschnitt G).
Es sei erwähnt, daß man gelegentlich auch Blitzschläge und damit
Beschädigungen an Erdkabeln feststellt, obwohl man annehmen sollte,
daß durch die Erde die Kabel gegen atmosphärische Störungen geschützt
sind. Solche Blitzschläge in Kabeln wurden jedoch nur dann festgestellt,
wenn die Kabel in schlechtleitendem Erdboden verlegt waren. Der Blitz
schlägt hier in das Kabel hinein und vermag längs der Armierung und
des Bleimantels nach solchen Stellen abzufließen, wo die Erde eine gute
Leitfähigkeit besitzt 1.
In unseren Hochspannungsanlagen gibt es spannungslose Teile,
Schaltgerüste, Transformatorenkessel usw., welche von Personen berührt
werden können. Wenn nun ein solcher Teil durch einen Fehler in der
Anlage Spannung erhält, würde Gefahr bestehen, daß bei Berührung ein
Unglücksfall entstehen könnte. Deshalb müssen alle diese Teile möglichst
widerstandsfrei geerdet sein. Nimmt man an, eine Phase komme mit
1 Siehe G. LEHMANN: VDE-Fa.chberichte Bd. 9, (1937) S. 46.
406 Netzstörungen

einem solchen Teil durch einen Fehler in Berührung, so wird ei.n Erd-
schlußstrom fließen. Der Widerstand der Erdung soll nach den Vor-
schriften jedoch so klein gehalten sein, daß Erdungswiderstand mal Erd-
schlußstrom (in gelöschten Netzen der Reststrom) kleiner ist als 125 V.
Diese Spannung scheint hoch. Als selten gefährlich für Menschen
betrachtet man Spannungen nur bis zu 65 V. Man muß jedoch bedenken,
daß normalerweise die berechnete Spannung von 125 V nicht ganz auf
den Berührenden entfällt, da dieser im allgemeinen ja auch nur über
Widerstände mit der eigentlichen Erde in Verbindung steht. In Spezial-
fällen (gut leitender Boden usw.) muß man selbstverständlich unter dem
Wert von 125 V bleiben.

F. Oberwellen in Hochspannungsnetzen
Es ist anzustreben, daß in den Netzen möglichst sinusförmige Span-
nungen und Ströme vorhf!,nden sind, da Oberwellen Verluste mit sich
bringen und den Wirkungsgrad von Leitungen, Motoren usw. ver-
schlechtem. Auch bereiten Oberwellen in der Spannungskurve der
Erdschlußkompensierung Schwierigkeiten und rufen Störungen in der
Hochspannungsleitung benachbarter Fernsprechleitungen hervor. Es
wird daher heute bei modernen Generatoren vorgeschrieben, daß die Ab-
weichung der tatsächlichen Spannungskurve von einer mittleren sinus-
förmigen nicht mehr als 5% des Grundwellenscheitelwertes betragen
darf. Von den Oberwellen sind, da stets die negative Halbwelle der
Spannungskurve spiegelbildlich gleich der positiven ist, sämtliche un-
geradzahligen möglich. Praktisch aus"irken können sich im symmetrisch
belasteten Drehstromsystem, sofern die Nullpunkte nicht unmittelbar
geerdet sind, jedoch nur die 5., 7., 11., 13. usw., d. h. nur die Oberwellen,
welche nicht durch drei teilbar sind. Dies kann man leicht einsehen.

l
Betrachtet man z. B. die dritte Oberwelle, so würden die Ströme in den
drei Phasen folgende Größen haben:
i 1 = hn sin 3 wt
i 2 = hn sin 3 (wt- 120) = hn sin 3 w t (153)
i 3 = I ur sin 3 (wt- 240) = lrrr sin 3 wt.
Die drei Ströme in den drei Phasen sind also gleich. Da bei einem Dreh-
stromsystem, falls eine Rückleitung fehlt, die Summe der drei Ströme
Null sein muß, können Ströme der dreifachen Frequenz oder (wie sich
genau so zeigen läßt) einem Vielfachen davon nicht fließen. (Bei On-
symmetrie. im Drehstromsystem sind auch bei fehlender Rückleitung
durch 3 teilbare höhere Harmonische möglich, s. S.129.) Auch in den ver-
ketteten Spannungen können beim Dreiphasensystem keine durch 3 teil-
baren Oberwellen vorhanden sein, denn sollten solche in der Phasen-
spannung vorkommen (was möglich ist), so heben sich diese (wegen der
Oberwellen in Hochspannungsnetzen 407
gleichen Phasenlage) in der verketteten Spannung heraus. Von den
Oberwellen interessiert deshalb besonders die 5., 7., 11., 13. usw. Har-
monische.
Zwei Generatoren, die parallel geschaltet sind, kann man durch das
Ersatzbild der Abb. 419 darstellen. Man nimmt für die Grundwelle einen
besonderen Generator an, ebenso für jede Oberwelle, jedoch ist in unserer
Abb. 419 nur der Oberwellengenerator für die 5. Harmonische ein-
getragen. Sind die beiden parallel geschalteten Generatoren gleich ge-
baut, so daß also die in ihnen auftretenden
Oberwellen gleichphasig sind, so werden
innerhalb der Generatoren keine Aus- •II
gleichströme fließen. · Die in das Netz
fließenden Ströme der 5. Harmonischen
sind im allgemeinen klein, da die Reak-
Abb. 419. Ersatzbild zweier Genera-
tanzen in den Generatoren und im Netz toren mit 5. Harmonischen.
im Vergleich zum 50periodigen Strom die
fünffache Größe besitzen. Sind die beiden Generatoren nicht gleich,
·so sind die höheren· Harmonischen im allgemeinen nicht gleichphasig
und es vermögen dann innerhalb der Generatoren Ausgleichströme zu
fließen, die jedoch keine Rolle spielen, da sie durch die Streureaktanzen
der Generatoren, die mit dem fünffachen Wert in Rechnung zu setzen
sind, klein gehalten werden. Durch moderne Generatoren kommen heute
kaum höhere Harmonische in die Netze.
In der Hauptsache sind es heute die Transformatoren, die die Ober-
wellen erzeugen. Die Drehstromtransformatoren nehmen, falls ihnen
eine sinusförmige verkettete Spannung
aufgedrückt wird, aus dem Netz einen
Magnetisierungsstrom auf, der eine 5.,
7. usw. Harmonische besitzt (Abb.420).
Diese Harmonischen im Strom sind um
so stärker, je höher der Transformator Abb. 420. Magnetisierungsstrom
eines Transformators.
gesättigt ist. Die höheren Harmoni-
schen müssen durch die Primärinduktivität des Transformators, die
Induktivität der Leitung und auch durch die Streuinduktivität der
Generatoren fließen und bewirken in diesen Spannungsabfälle. Dadurch
wird die Klemmenspannung der Generatoren und auch die Spannung im
Netz, selbst wenn die EMK der Generatoren sinusförmig bleibt, durch
die fließenden Oberwellen verzerrt. Die ursprüngliche Annahme, daß
am Transformator eine sinusförmige Spannung liegt, stimmt jetzt nicht
mehr ganz 1•
Für manche Überlegungen, bei denen man feststellen will, welchen
Einfluß im Netz die vom Transformator erzeugten höheren Harmoni·
Siehe E. HuETER: ETZ 1933, S. 747.
408 Netzstörungen

sehen ausüben, ist es zweckmäßig, sich ein Modell vorzustellen. Dabei


gehen wir zunächst von der Überlegung aus, daß, wenn dem Trans-
formator (Streuung sei zunächst gleich Null gesetzt) eine sinusförmige
Spannung aufgedrückt wird, im Magnetisierungsstrom eine 5. Harmo-
nische I v (bei unseren Betrachtungen sei nur die 5. untersucht) vor-
handen ist. Führt man dagegen dem Transformator einen sinus-
förmigen Magnetisierungsstrom zu, dann erhält die Spannung eine
5. Harrnahische Ey. Wir benutzen das Ersatzbild, welches man nach
S. 141 für den Transformator verwenden kann und welches in Abb. 42la
allerdings unter Weglassung der Verlustwiderstände aufgezeichnet ist.
Die beiden lnduktivitäten L 1 und L 2 ent-
sprechen der primären und sekundären Streu-
induktivität, während die Parallelinduktivi-
tät Lv den Magnetisierungsstrom aufnimmt.
Dieses Bild gilt streng nur für den unge-
sättigten Transformator mit sinusförmigem
Magnetisierungsstrom. Um bei Sättigung die
5. Harmonische im Magnetisierungsstrom zu
bekommen, denken wir uns (s. Abb. 42lb) in
Reihe mit der Induktivität Lp einen kleinen
Generator für die 5. Harmonische gelegt.
Dieser Generator hat eine EMK und eine nur
Abb. '21a-c. Erzeugung der für die 5. Harmonische wirksame Eigenreak-
5. Harmonieeben im llllgnetl-
slerungsstrom eines Transfor- tanz. Die EMK entspreche..der 5 Spannungs-
mators durch einen gedachten
IDlfsgenerator. harmonischen Ev. bei smusförmiger Magneti-
sierung. Die Eigenreaktanz sei so groß, daß,
falls der Generator die 5. Stromharmonische I v des Magnetisierungs-
stromes erzeugt, die EMK Ev in der Eigenreaktanz verbraucht wird, seine
Klemmenspannung also Null ist (gedachter Kurzschlußversuch). Stellt
man sich weiter vor, daß die Induktivität Lp die 5. Stromharmonische
widerstandslos durchläßt, so genügt unser Modell für die meisten Unter-
suchungen. Da die Grundharmonische bei unseren Betrachtungen nicht
interessiert, können wir die Induktivität Lv, da sie ja für die 5. Harmo-
nische keinen Widerstand darstellen soll, weglassen, ebenfalls den Gene-
rator G, den wir nur durch seine Streuinduktivität ersetzen. Es ergibt
sich dann das Bild Abb. 42lc.
Die Brauchbarkeit des Ersatzbildes zeige der Fall, daß ein Generator
über einen Transformator eine Hochspannungsleitung mit Kapazität
speist, die zunächst unbelastet sei. R sei also zunächst Null, auch seien
zur Vereinfachung die Widerstände und Reaktanzen der Leitungen un-
berücksichtigt (s. Abb. 422a). Bilden wir unser Ersatzbild für den Trans-
formator, so ergibt sich Abb. 422b. Wir erhalten ein Gebilde·, bestehend
aus mehreren Induktivitäten und einer Kapazität, und es muß darauf
Oberwellen in Hochspannungsnetzen 409

geachtet werden, daß die Eigenschwingungszahl dieses Gebildes nicht


in Resonanz kommt mit der 5. Harmonischen (gleiches gilt auch für die
7., 11. usw. Harmonische), da sonst erhöhte Spannungen auftreten
können. Ist die Hochspannungsleitung am Ende belastet (Belastung
durch einen gestrichelten Widerstand dargestellt), so werden die
Schwingungen im Resonanzfalle stark gedämpft. Immerhin vermögen
auch in solchen Fällen unangenehme Verzerrungen der Spannung bei
dem Abnehmer R aufzutreten. Da der Schaltzustand der Netze Verände-
rungen unterworfen ist, kann man feststellen, falls man die Netzspannung
durch einen Oszillographen oder besser durch ein Oberwellenmeßgerät
beobachtet, daß je nach Schaltzustand man eine mehr oder weniger
verzerrte Spannungskurve hat. Das hängt damit zusammen, daß man
mehr oder weniger in Resonanz mit der betrachteten Oberwelle kommt
und man bei Schaltänderungen
auch die Zahl der Transformatoren
verändert.
Es sind heute Möglichkeiten
bekannt, wie man die höheren Har-
b
monischen im Magnetisierungs-
strom der Transformatoren stark
Abb. 422 a u. b. Ersatzbild einer Leitung
unterdrücken kann. Auf S.l30 für die 5. Harmonische.
war festgestellt worden, daß der
Dreischenkeltransformator in Stern-Sternschaltung in seinem Magneti-
sierungsstrom eine positive 5. Harmonische besitzt, während bei einem
Transformator gleicher Schaltung mit magnetischem Rückschluß die
5. Harmonische gerade entgegengesetzte Phasenlage besitzt (gleiches gilt
auch für die 7. und alle nicht durch 3 teilbaren Harmonischen). Stellt
man sich vor, daß der magnetische Rückschluß immer mehr und mehr
verkleinert wird bis er ganz verschwunden ist, so wird die ursprünglich
vorhandene negative 5. Harmonische schließlich positiv, muß also durch
Null hindurchgegangen sein. Man kann es nach Vorschlägen von BucH
und HuETEit durch passende Ausbildung der magnetischen Rückschlüsse
(wobei diese nur klein zu sein brauchen) erreichen, daß die 5. und auch
die 7. Harmonische praktisch fehlt, der Magnetisierungsstrom also sinus-
förmig ist 1 • Diese Bauform eignet sich für Stern-Stern- bzw. Stern-
Zickzacktransformatoren, wobei letztere nur für kleinere Leistungen in
Frage kommen.
Eine andere Lösungsmöglichkeit zeigt die schematisch gezeichnete
Abb. 423a, bei welcher der Transformator drei Schenkel besitzt und
die Joche im Dreieck angeordnet sind. Die Joche tragen eine im
Dreieck geschaltete Kurzschlußwicklung. Durch diese wird verhindert.

i BucH, R. u. E. HUETER: ETZ Bd. 56 (1935) S. 933.


410 Netzstörungen

daß im Joch durch 3 teilbare höhere Harmonische des Flusses auftreten


können, oder anders ausgedrückt, in der Wicklung können die durch 3 teii·
baren höheren Harmonischen fließen, die ein sinusförmiger Fluß für die
Magnetisierung benötigt. Um durch das Joch I einen sinusförmigen Fluß
hindurchzutreiben, ist eine 1. Harmonische, eine negative 3. (diese wird
durch die Kurzschlußwicklung geliefert), eine positive 5., negative 7. usw.
notwendig. Abb. 424a. zeigt die 1. und 5. Harmonische. Ein entsprechen-
der Strom, bei dem die 1. Harmonische um 120° phasenverschoben ist,
fließt im Joch 11 (Abb. 424b). Um diese Ströme zum Fließen zu bringen,
müßte man an den Dreieckpunkten 1',
2' und 3' der Abb. 423 a entsprechende AeH
I.

Magnetisierungsströme zuführen. So a-oc-tW~+-'~~v~+~~


müßte dem Punkte 1' ein Strom von der ~ t
Größe I 1 = I 1 "' I 11 zugeführt werden.
Bildet man diese Differenz (s. Abb.424c), ;/-'-x?
so zeigt oich, daß d"' de' Dreieckwicklung b ~

[JUlJ b

a
Abb. 423a u. b. Schematische Darstellung Abb. 424a-c. Magnetlslerungs-AW mit
eines Transformators mit slnusfönnlgem 5. Harmonischen.
Magnetislerungsstrom.

zugeführte Magnetisierungsstrom I 1 diesmal eine 5. Harmonische hat,


die negativ ist.
Wir wollen bei unseren weiteren Betrachtungen vorübergehend an-
nehmen, daß der magnetische Widerstand in den drei Schenkeln 1, 2
und 3 Null sei. Statt der Dreieckwicklung im Punkte 1' den Strom I 1
zuzuführen, kann man gleiche Magnetisierung im Joch erhalten, falls
man einen I 1 proportionalen Strom durch die Wicklung lleitet. Er muß
nur eine solche Größe haben, daß die erzeugten Amperewindungen doppelt
so groß sind wie die für die obere Jochgruppe benötigten, da ja auch eine
untere Jochgruppe vorhanden ist. Der durch den Schenkeil fließende
Fluß hat gleiche Phasenlage wie die 1. Harmonische "des Stromes I 1 , da
f/J1 = f/J1 A f/Ju. Da jedoch der Schenkeil auch magnetischen Wider-
stand besitzt, benötigt der Fluß für das Durchfließen des Schenkels 1
ebenfalls Amperewindungen, und zwar entsprechend der Magnetisierung
eines Dreischenkeltransformators solche mit einer 1., einer positiven 5.,
Oberwellen in Hochspannungsnetzen 411
einer negativen 7. Har~onischen usw. im Magnetisierungsstrom. Um
nun den Fluß sowohl durch die Schenkel als auch die Joche zu treiben,
ist die Summe der Amperewindungen notwendig und man erkennt, weil
für die Joche und Schenkel Amperewindungen fünffacher Frequenz,
jedoch entgegengesetzten Vorzeichens gebraucht werden, daß bei passen-
der Bemessung diese sich aufheben können, das Netz von den 5. Har-
monischen entlastet wird. Ähnliche Überlegungen kann man für sämt-
liche nicht durch 3 teilbaren höheren Harmonischen anstellen. Bei
praktischer Ausführung wird man die Schenkel des Transformators nicht
in verschiedenen Ebenen, sondern in einer Ebene· anordnen und das
Jochdreieck dadurch herstellen, daß man das Joch schlitzt (s. Abb. 423b),
ferner wird die Schaltung aus baulichen Rücksichten meist etwas ver·
ändert werden 1.
Man kann, sofern man höhere Harmonische in den Netzen vermeiden
will, dies auch ohne Spezialtransformatoren erreichen. Hat man etwa
einen primär im Dreieck geschalteten Transformator, so benötigt jede
Dreieckseite zur Magnetisierung eine positive 5. Harmonische. Es wurde
jedoch in Abb. 424c gezeigt, daß der einer Dreieckswicklung zufließende
Magnetisierungsstrom eine negative 5. Harmonische hat. Schaltet man
also einen im Stern geschalteten Dreischenkeltransformator und einen
im Dreieck geschalteten Transformator primärseitig an ein Netz, so be·
nötigt der eine einepositive und der andere eine negative 5. Harmonische;
durch das Netz braucht also, falls diese Harmonischen sieb genau kom·
pensieren, überhaupt keine 5. Harmonische zu fließen.
Man hat in den letzten Jahren gelegentlich Störungen durch höhere
Harmonische, die durch Gleichrichter erzeugt werden, beobachtet.
Führt man einem Gleichrichter eine sinusförmige Spannung zu und wird
auf der Gleichrichterseite ein gut geglätteter Gleichstrom entnommen, so
ist der auf der Wechselstromseite zufließende Strom nicht rein sinus-
förmig, sondern besitzt höhere Harmonische. Bezeichnet man die Phasen-
zahl des Gleichrichters mit p und versteht man unter k eine ganze Zahl,
die die Größe 1, 2, 3 usw. haben kann, dann sind, wie man zeigen kann,
auf der Wechselstromseite Harmonisc)le der Ordnungszahl kp ± 1 mög·
!ich, d. h., daß ein 6 Phasengleichrichter höhere Stromharmonische von
der Ordnung 5, 7, 11, 13, 17, 19 usw. erzeugt, ein 12 Phasengleichrichter
dagegen höhere Harmonische von der Ordnung 11, 13, 23, 25 usw. Man
kann ferner, falls man die Induktivität des Gleichrichtertransformators
zu Null setzt, für die Größe der Oberwellen das Gesetz ableiten, daß die
v-te Oberwelle I. die Größe hat
I - 11 (154)
'V- V'

1 Siehe W. KRÄMER: VDE-Fachberichte Bd. 9 (1937) S. 52.


412 Netzstörungen

wobei 11 die 1. Harmonische des Stromes ist. Man erkennt also, daß
unabhängig von der Schaltung des Gleichrichters, beim Vorhandensein
höherer Harmonischer diese bei gleicher Ordnungszahl immer dieselbe
Größe haben und daß mit steigender Ordnungszahl deren Größe ab-
nimmt. Die nach obigem Gesetz berechneten Oberwellen sind etwas
größer als sie die Messung ergibt, da, wie bereits erwähnt, die Trans-
formatorinduktivität vernachlässigt worden ist.
Will man die Oberwellen klein halten bzw. Oberwellen niederer Ord-
nungszahl, da diese meist die unangenehmsten sind, ganz vermeiden, so
muß man einen Gleichrichter höherer Phasenzahl wählen. Diese Maß-
nahme ist jedoch mit erhöhten Kosten verbunden, da bei größerer
Phasenzahl die Typenleistung des Gleichrichters und des Transformators
und vor allem auch dessen Kompliziertheit bezüglich der Schaltver-
bindungen zunimmt. Hat man mehrere Gleichrichter, so kann man be-
stimmte Oberwellen im Netz vermeiden, indem man verschiedene Schalt-
gruppen für die Transformatoren wählt. Ein sechsphasiger Gleichrichter
erzeugt bekanntlich eine 5. und 7., eine 11. und 13. usw. Harmonische.
Man kann die 5. und 7. Harmonische für das Netz zum Verschwinden
bringen, wenn man etwa den einen Transformator primärseitig im Drei-
eck, den anderen primärseitig im Stern schaltet. Die Verhältnisse liegen
dann ähnlich wie bei der Vermeidung der Oberwellen im Magnetisierungs-
strom der Transformatoren.
Man darf jedoch nicht den Schluß ziehen, daß jeder vorhandene
Gleichrichter in einem Netz stören muß. Aufmerksamkeit erfordern
nur solche Fälle, wo Großgleichrichter, z. B. für Großelektrolyseanlagen,
an ein Netz angeschlossen werden. In einem solchen Falle sind Kontrollen
durchzuführen, ob nicht im Netz Störungen durch Resonanz der Ober-
wellen auftreten können. ·
Fließen durch Generatoren beachtliche Oberwellen hindurch, so er-
fordert die Dämpferwicklung eine besondere Bemessung. Durchfließt
z. B. eine 5. und 7. Oberwelle einen Generator, so erzeugt die 5. ein invers
rotierendes und die 7. ein gleichsinnig rotierendes Statordrehfeld. Beide
schneiden, wenn auch in entgegengesetzter Richtung, die Stäbe der
Dämpferwicklung mit der sechsfachen Frequenz, so daß hier Ströine
sechsfacher Frequenz entstehen, welche die erzeugenden Felder aus-
löschen wollen. Diese Ströme müssen von der Dämpferwicklung, die ja im
Idealfalle stromlos ist, in bezug auf Erwärmung ertragen werden können.
In Netzen, die einen schlechten cos rp haben, führt man oft, um die
Leitungen von den Blindströmen zu entlasten, die geforderte Blind-
leistung an Ort und Stelle durch Kondensatoren zu. Durch die Konden-
satoren wird die Eigenschwingungszahl des Netzes verändert und man
muß darauf achten, daß keine Resonanz mit irgendeiner im Netz vor-
Koordination der Isolationen 413

haudenen Oberwelle eintritt (Eigenschwingungszahl normaler Netze


größenordnungsmäßig 150 bis 600Hz).
Es sei noch erwähnt, daß höhere Harmonische durch Glimmen der
Leitung und durch zweipoligen Kurzschluß im Netz hervorgerufen
werden können.

G. Koordination der Isolationen


Man versteht darunter die Gesamtheit aller Maßnahmen, die ergriffen
werden, um in elektrischen Anlagen Durchschläge von Überspannungen
zu verhindern, Überschläge möglichst weitgehend ebenfalls zu verhin-
dern und, soweit das mit wirtschaftlichen Mitteln nicht erreicht werden
kann, unvermeidliche Überschläge auf Stellen zu beschränken, an denen
sie keinen Schaden anrichten können und den Betrieb nicht stören. Für
die Ableitung der hohen Überspannungen, die sich irgendwo entladen
müssen, werden am vorteilhaftesten Überspannungsahleiter eingesetzt.
So ist die Koordination der Isolationen auch an die Verwendung von
Abieitern gebunden.
Bei der Wahl der Isolationsfestigkeit muß ein Kompromiß getroffen
werden, der darin besteht, die Anzahl der Betriebsstörungen auf einem
gewissen Mindestmaß zu halten, andererseits jedoch die Anlagen nicht
zu kostspielig werden zu lassen. Durch das Prinzip der Isolationskoordi-
nation erhält dieser Kompromiß eine gesicherte Grundlage.
Das Problem der Isolationskoordination ist an sich schon alt, wie das
Beispiel der Parallelfunkenstrecken bei Durchführungen von Transfor-
matoren zeigt. Jedoch ist für die richtige Bemessung der Isolationen die
Erforschung der Überspannungsvorgänge maßgebend, und erst in den
letzten Jahrzehnten ist es gelungen, über die Entstehung der verschie-
denen Arten von Überspannungen, ihre Ausbreitung in Netzen und
Anlagen, ihre Einwirkung auf elektrische Betriebsmittel und über das
Verhalten der IsoHerstoffe bei Überspannungsbeanspruchungen eine
umfassende und tiefere Kenntnis zu erhalten. Nur so konnte man auch
an die Aufgabe der zweckmäßigen Isolationsbemessung, die neben der
Anwendung der Abieiter als das zweite Kennzeichen der Isolations-
koordination bezeichnet werden kann, herangehen. Man fand, daß sich
mit der Isolationskoordination bedeutende Verbesserungen im Bau und
Betrieb elektrischer Anlagen gegenüber den bisherigen Methoden der
Isolationsbemessung erzielen ließen. Inzwischen ist die Isolationskoordi-
nation auch zu einem besonderen Gebiet der elektrotechnischen Vor-
schriften sowohl in Deutschland (vg. VDE 0111) als auch in anderen
Ländern und bei der Internationalen Elektrotechnischen Kommission
(IEC) geworden.
414 Netzstörungen

Abgesehen von den betriebsfrequenten Spannungserhöhungen, die bei


Lastabwurf und bei Erdschlüssen in elektrischen Anlagen entstehen,
unterscheidet man zwei Hauptgruppen von Überspannungen, und zwar
die sogenannten inneren Übersp!tnnungen, die durch Schalthandlungen
entstehen, z. B. bei Kurzschlußabschaltungen, beim Abschalten leer-
laufender Leitungen und Transformatoren, beim Einschwingen und inter-
mittierender Unterbrechung von Erdschlüssen, ferner die sogenannten
äußeren Überspannungen, die durch die Einwirkung von Blitzeinschlägen
entstehen, sei es direkt in die Leiter oder indirekt über die Leiterisola-
toren vom Leitungsmast her, wo nach einem Erdseil- oder Masteinschlag
am Erdungswiderstand, der vom Blitzstrom durchflossen wird, ein hoher
Spannungsabfall entstand. Während die inneren Überspannungen in
einem bestimmten Verhältnis zu den Betriebsspannungen der Anlage
stehen, können die äußeren Überspannungen unbegrenzte Höhen er-
reichen, es sei denn, daß sie durch Überschläge der Freileitungsisolatoren
auf ein gewisses Maß herabgesetzt werden. Eine wesentliche Reduzierung
der äußeren Überspannungen erfolgt jedoch nicht, wenn die Freileitung
auf Holzmasten verlegt ist, da das Holz hierbei praktisch einen Isolator
darstellt. Der Erdseilschutz von Leitungen und vor allem an Schaltan-
lagen ist ein wirksames Mittel, um direkte Blitzeinschläge in Leiter
zu hindern und die Blitzüberspannungen wenigstens auf das Maß zu
begrenzen, das die Überschlagsspannung der Leitungsisolatoren vor-
schreibt. Der Charakter der inneren Überspannungen erweist sich im
allgemeinen als eine mittel- oder hochfrequente, gedämpfte Schwingung,
während die äußeren Überspannungen als sogenannte Stoßwelle meist
mit steilem Anstieg in der Größenordnung von I p,s Dauer und einem
flachen Rücken mit einer Halbwertdauer von 50···100 p,s auftritt,
unter Umständen aber auch durch das Hinzutreten von weiteren Über-
schlägen an Leitungsisolatoren als sogenannte abgeschnittene Stoßwelle
erscheint.
Aus wirtschaftlichen Gründen ist es unmöglich, die Stationen so hoch
zu isolieren, daß die von der Leitung einziehenden und durch deren
Isolation allerdings begrenzten Überspannungen zu keinen Über- oder
Durchschlägen in der Station führen. Ebenso wenig ist es möglich, die
heutige übliche Isolation der Stationen beizubehalten und die Frei-
leitungen so schwach zu isolieren, daß die in die Station einlaufenden
Überspannungswellen dort keine Überschläge verursachen. Dadurch
bekäme man auf den Leitungen eine Häufung der Störungen, und zwar
nicht nur durch die Überspannungen selbst, sondern auch infolge der je
nach Witterungsbedingungen eintretenden Isolationsminderung, die
bereits zu Überschlägen bei der betriebsfrequenten Spannungsbeanspru-
chung führen kann. Man muß also auf eine wirksame Isolationsabstu-
fung zwischen Leitung und Station verzichten, ist dann aber gezwungen,
Koordination der Isolationen 415
beim Übergang von der Leitung auf die Station eine wirksame Über-
spannungsableitung vorzunehmen, am besten durch die Ableiter.
Die Betriebseigenschaften der Abieiter bestimmen somit das untere
Niveau der in einer elektrischen Anlage unvermeidlichen Überspannungs-
beanspruchung, und zwar durch ihre Ansprechspannung sowohl für Stoß-
wellen als auch für die in der Anlage selbst entstehenden inneren Über-
spannungen, ferner durch ihre Restspannung am spannungsabhängigen
Widerstand, wenn er von einem Ableitstrom durchflossen ist. Da der
Abieiter nach seinem Ansprechen und nach Führen des Abieiterstromes
den von der betriebsfrequenten Spannung durch ihn hindurchfließenden
betriebsfrequenten Strom wieder sicher löschen soll, ergibt sich ein
bestimmtes Konstruktionsmaß für die erzielbare Überspannungsbegren-
zung, das mit der Nennspammng der Abieiter in Beziehung steht. Die
Ansprechspannung der Abieiter für betriebs- und höher frequente Span-
nungen liegt nach dem heutigen Stand der Technik bei etwa dem
2···2,5-fachen der betriebsfrequenten Spannung (beide als Effektivwerte
betrachtet), der Scheitelwert der Ansprechspannung für Stoßwellen und
der Restspannung bei Ableitströmen in der Größenordnung von 10 kA bei
etwa dem 3,5-fachen des Effektivwertes der betriebsfrequenten Spannung.
Das Niveau, auf das der Abieiter die Überspannungen begrenzt, be-
zeichnet man als den Schutzpegel der Anlagen, und, auf diesem auf-
bauend, hat man die Isolation der Betriebsmittel und Stationen zu be-
messen. Man unterscheidet zwei Verfahren der Isolationskoordination,
die sich zwar nicht im Prinzip, jedoch in der Praxis unterscheiden. Das
eine Verfahren legt für alle Isolationen nur einen einzigen Pegel fest, der
ein gewisses Maß, und zwar 20···25% über dem Schutzpegel liegt. Bei
richtiger Funktion und bei richtigem Einbau der Abieiter wird dann ein
Überschlag oder Durchschlag der Isolation kaum mehr eintreten. Aller-
dings kann der Abieiter bei steilen Spannungsanstiegen, die weniger
als 0,5···l,us dauern, bei seinem Ansprechen verzögert werden, und es
können daher in diesen Sonderfällen noch Isolationsschäden vorkommen,
und zwar auch im Innern der Betriebsmittel; jedoch ist die Anzahl der so
möglichen Störungen derart gering, daß man sie aus wirtschaftlichen
Gründen in Kauf zu nehmen bereit ist. Eine derartige Praxis setzt das
sorgfältige Studium der Ausbreitung von Überspannungen in elektrischen
Anlagen voraus. In Ländern, wie z. B. den USA, wo man nach diesem
Verfahren nur einen einzigen Isolationspegel anwendet, pflegt man
daher bei der Netzplanung sorgfältige Untersuchungen an Modellen,
sogenannten Netzanalysatoren, durchzuführen, um das Verhalten einer
Anlage gegen Überspannungen im voraus kennen zu lernen und die
Stellen, an denen man Abieiter einbauen muß, festzulegen.
Das zweite Verfahren stuft die verschiedenen Isolationen einer Anlage
nach dem Grade ihrer Bedeutung und dem Gesichtspunkt, ob Über-
416 Netzstörungen

schläge zu nachhaltigen Schäden führen oder nicht, in zwei Niveaus ein,


die beide höher liegen a.ls der Schutzpegel und unter sich gegeneinander
abgestuft sind. Diese Praxis ist in der Schweiz und in Deutschland
üblich. Man unterscheioot das Niveau der sogenannten äußeren Isolation,
für das ein unterer Isolationspegel gilt und in das alle Isolationen in Luft
zwischen unter Spannung stehenden Leitern und Erde eingeordnet
werden. Dieser Pegel soll mindestens 20% über dem Schutzpegel liegen,
damit ein ausreichender Schutz auch bei steil überschießenden Stoß-
wellen durch die Abieiter noch annähernd gewährleistet ist. Da man
jedoch bei diesen Isolationen mit zum Teil ungefährlichen Überschlägen
-man denke an die Funktion der Erdschlußlöschung - zu rechnen hat,
kann man bei der Planung des Ableitereinbaues meist auf eine sorgfältige
Überspannungsanalyse verzichten und sie verhältnismäßig formal durch-
führen. Man kommt a:uch meist mit weniger Abieitern aus, als bei dem
ersten Verfahren. Das nächste Niveau, dem die sogenannten inneren
Isolationen von Betriebsmitteln zugeordnet sind, gilt für die festen und
flüssigen Isolationen der Transformatoren, Kabel und Isolatoren, sowie
für die Unterbrechungsstellen derTrennerund gegebenenfalls auch der
Leistungsschalter. Für dieses Niveau ist der obere Isolationspegel fest-
gelegt, der mindestens 15% über dem unteren Isolationspegelliegen soll.
So können Überspannungen, wenn sie aus irgendwelchen Gründen, sei es
durch die Funktion der Abieiter oder durch die Art des Einbaues von
Ableitern, nicht ausreichend abgesenkt werden, zwar einen Überschlag
an einer äußeren Isolationsstrecke hervorrufen, werden aber kaum in die
Lage kommen, einen Schaden an Isolationen hervorzurufen, deren Aus-
fall eine erhebliche Betriebsstörung nach sich ziehen würde.
Aus der Praxis der zwei gegeneinander abgestuften Isolationspegel
folgt da.s sogenannte "in sich koordinierte"Betriebsmittel, dessen äußere
Isolationen, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme einer Funkenstrecke, für
den unteren Isolationspegel bemessen sind und dessen innere Isolationen
dem oberen Isolationspegel entsprechen. Hier soll eine ÜberSpannung
ganz gleich welcher Art und Höhe auf jeden Fall an der äußeren Isolation
durch Überschlag abgeleitet werden und die innere Isolation nicht
beschädigen. Dies ist ja das schon lange bekannte, aber etwas rauhe
Verfahren des Überspannungsschutzes, das man nun mit dem Prinzip
der Isolationskoordination zu verfeinern vermag; in Verbindung mit
dem Abieiter kommt ihm heute noch die Aufgabe einer zusätzlichen
Schutzfunktion zu. Den freien Lichtbogen in einer Anlage zu vermeiden
ist doch wohl ein lohnendes Ziel; ihn zuzulassen, kann nur als Notbehelf
betrachtet werden.
In Abb. 425 ist gezeigt, wie man für eine bestimmte Abstufung von
Schutzpegel und Isolationspegel gegeneinander die Sicherheit der zu
schützenden Isolation etwa ermitteln kann. Eine Funkenstrecke mit
Koordinaten der Isolationen 417
einer Überschlagwahrscheinlichkeit Pt (vgl. Abb. 425a) sei mit einem
Abieiter mit der Ansprechwahrscheinlichkeit p 2 zusammengeschaltet;
diese Anordnung werde mit Überspannungen bestimmter Höhe und Form
beansprucht. Dabei bildet der Abieiter den Schutzpegel und die Funken-
strecke den zu schützenden IsolationspegeL Die Wahrscheinlichkeit
dafür, daß der Abieiter nicht anspricht, beträgt 1 - p 2 • Das Produkt
(1- p 2) • Pt ist die Wahrscheinlichkeit dafür, das ein Überschlag an der
Funkenstrecke aufzutreten vermag. Dieses Produkt wird als Versager-
wahrscheinlichk-eit der Anordnung bezeichnet. In Abb. 425b ist das
Produkt (1-p2) • p1 als Kurve dargestellt, und zwar für zwei verschiedene
Abstänqe zwischen Schutzpegel und IsolationspegeL Man erkennt, daß
100
(t·Pzlt V /
V
% IY I/
J
2 1
1
I I %

J
I
II b ~
2

1 I
1/
' 1\1\

I ,(
i/ r 2 \
V V Lli 070
V \ \
070 80 90 100 110 % 120 80 90 % 100
v- v-
Kurve 1- Überschlagswahrscheinlichkeit Kurve t=Die 50%·Ansprechspai1Dung des Ab-
der Funkenstrecke. leiters ist 15% unter der 50%-Überschlag-
Kurve 2 = Ansprech·Wahrschelnlichke!t spannung der Funkenstrecke eingestellt.
des Able!ters. Kurve 2 = Die 110%-Ansprechspannung des Ab-
leiters ist 20% unter der 50%· Überschlag-
spannung der Funkenstrecke eingestellt.
Abb. 425 a u. b. Versagerwahrscheinlichkeit bei gegeneinander abgestuften lsolatlonspegeln.

mit zunehmendem Abstand beider Pegel die Versagerwahrscheinlich-


keit rasch abnimmt. Die experimentelle Bestimmung der Versagerwahr-
scheinlichkeit bes~ätigt in Kurvenverlauf und Größenordnung des Kur-
venmaximums die Richtigkeit dieser Darlegungen.
Bei der Einführung des Koordinationsprinzips für die Isolations-
bemessung mußte man natürlich auf die vorher herrschende Isolations-
praxis Rücksicht nehmen, und man wollte nicht von heute auf morgen an
sich bewährte Konstruktionen ändern. Durch die Möglichkeiten, die der
Abieiter bietet, gelang es jedoch, sofort gewisse Gefährdungspunkte in
elektrischen Anlagen unschädlich zu machen, und man konnte hiermit
dem erstrebten Prinzip der Koordination ungefähr entsprechen. Daß
sich zwei Verfahren der Isolationskoordination eingebürgert haben, ist
auch in erster Linie im historischen Werdegang der Isolationsbemessung
begründet. In Deutschland und in der Schweiz war die sogenannte
Schutzfunkenstrecke parallel zu Isolatoren schon lange in Gebrauch,
dagegen hat man mit der Einführung der Abieiter gezögert und konnte
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Aufl. 27
418 Richtlinien für die Bemessung elektrischer Leitungen und Netze

dies auch tun, da die Erdschlußlöschung ein wirksames Mittel darstellt,


den Schaden durch einen Überschlag an Luftstrecken gering zu halten.
Wenn die Netze mit starrer Sternpunktserdung betrieben werden, wie
z. B. schon lange in USA, bedeutet der Überschlag eines Leiters gegen
Erde über die äußere Isolation einen Kurzschluß und ist daher nicht ganz
harmlos. Deshalb hat man in USA schon frühzeitig Abieiter in größerem
Maße eingebaut, und es bedurfte nur eines vernünftigen Schemas der
Abstufung des Schutzpegels der Abieiter gegen den Pegel nun aller
Isolationen, um dem Prinzip der Isolationskoordination Rechnung zu
tragen. Die Erfahrungen im Abieiterbau und in der Praxis mit der
Isolationskoordination werden die zukünftige Entwicklung maßgebend
beeinflussen und wohl auch zu einem einheitlichen, international aner-
kannten Verfahren führen.

XVII. Richtlinien für die Bemessung


elektrischer Leitungen und Netze
Bei der Berechnung von elektrischen Leitungen und Netzen sind eine
Reihe von Vorschriften zu beachten. So darf die Erwärmung eines
Leiters keine unzulässigenWerte erreichen, ferner muß oft der Spannungs-
abfall in vorgeschriebenen Grenzen bleiben oder es wird verlangt, daß
die Leitung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessen ist.
Während es meist wenig Schwierigkeiten bereitet, eine Leitung beige-
gebenen Belastungen nach obigen Gesichtspunkten zu berechnen, ist
die Festlegung der Belastung oft schwierig, da diese infolge Zunahme
des Verbrauchs im Laufe der Jahre zunimmt. Es ist hier eine Sache des
richtigen Gefühls, eine solche Belastung anzunehmen, damit dadurch der
Entwicklung der kommenden Jahre Rechnung getragen wird.
Als Leitungsmaterial kommt Kupfer, Aluminium und Aldrey in Frage.
Bei den meist aus Einzeldrähten hergestellten Leitern kann man mit
folgenden bei 20° C geltenden Leitfähigkeiten rechnen: x =56 bei Cu,
x = 34,8 bei Al, x = 30 bei Aldrey. Der Koeffizient der Widerstands-
zunahme pro ° C beträgt"' = 0,0038 bei Cu, "' = 0,004 bei Al, a = 0,0036
bei Aldrey.

A. Die Erwärmungsgrenze
Der Fall, daß die Erwärmung für die Bemessung eines Leiterquer-
schnittes ausschlaggebend ist, kommt oft bei dem Entwerfen von Kabel·
netzen vor. Da die zulässigen Übertemperaturen für Kabel sehr niedrig
liegen, muß man oft zu größeren Leiterquerschnitten übergehen, obwohl
mit Rücksicht auf den zulässigen Spannungsabfall ein kleinerer Quer-
schnitt genügen würde.
Der Spannungsabfall 419
Bei der Bemessung von Freileitungen tritt der Fall, daß die zulässige
Temperatur, welche hier nach S. 265 40° C beträgt, den Leiterquerschnitt
bestimmt, seltener auf, da die sich mit Rücksicht auf den Spannungs-
abfall bzw. die Wirtschaftlichkeit ergebenden Stromwehten (z. B.
-1 A/mm2 bei Al) so tief liegen, daß eine gefährliche Erwärmung nicht
in Frage kommt. Eine Ausnahme können kurze Verbindungsleitungen,
bei denen weder der Spannungsabfall, noch die wirtschaftliche Strom-
dichte eine Rolle spielen, bilden. Hier würde dann für die Bemessung
der Leitung die zulässige Erwärmung maßgebend sein. Die zulässige
Übertemperatur kann auch erreicht werden, falls die eine Hälfte einer

A/m mZ vr5 IJ
5
v ...... 5
:~2
v .\
1\.
""' -
_l,..ß 5
,........,. ......_,_
1\.
----
,........,.
......_,_
r-... ...._

-
J
2 ...... 1-- IRttr.
:...- f-- ['.. '-.. -..... 60

--
2
.............. f/0

..J. .......... 20
1 1 '0-

0
0 102030/{()50 0 f/0 80 120 160 ß/0 21{() 280 J20 31/0 '100
Stahl in% rles Ruerstilnilles Set71f11erschnill mm 2
Abb. 426. Kurventafel zur Ermittlung der "Ubertemperatur von Freileitungsseilen
[nach J. Inst. Met. (1929) Nr. 2].

Doppelleitung ausfällt und somit die andere Hälfte den doppelten Betriebs-
strom übernehmen muß. Aus Abb. 426 kann die Übertemperatur für
verschiedene Materialien und Querschnitte in Abhängigkeit von der Be-
lastung entnommen werden.

B. Der Spannungsabfall
Die Bemessung mancher Leitungen und Netze, besonders bei Nieder-
spannung, hat unter ZugruJ;J.delegung des zulässigen Spannungsabfalls
zu erfolgen. Es wird gefordert, daß beim Abnehmer mit Rücksicht auf
Lampen und Motoren eine von der Belastung des Netzes möglichst unab-
hängige konstante Spannung vorhanden ist. Besonders Glühlampen

1 Ordinate der rechten Abbildung gilt für Aldrey. Als Ordinate für Kupfer
gilt die mittlere Sk.aJa. Die Ordinate für Stahl-Aluminium ergibt sich durch die
Schnitte einer Senkrechten im linken Kurvenbild mit den Geraden konstanter
Stromdichte.
27*
420 Richtlinien für die Bemessung elektrischer Leitungen und Netze

sind sehr empfindlich gegen Spannungsschwankungen. Steigt z. B. die


Spannung um 5%, so wächst zwar die Lichtausbeute, jedoch nimmt die
Lebensdauer der Lampe auf etwa 55% derjenigen bei Normalspannung
ab. Hat dagegen umgekehrt eine Lampe eine um 5% zu niedrige Span-
nung, so steigt zwar die Lebensdauer, aber der Lichtstrom sinkt auf etwa
83% des normalen Wertes.
Auf Grund dieser Angaben sollte man annehmen, daß Spannungs-
schwankungen von ± 5% beim Verbraucher entschieden zu hoch sind.
Die Verhältnisse liegen jedoch etwas günstiger als es zunächst den An-
schein hat. Wenn in einem Netz ein Verbraucher eine größte Über-
spannung von 5% oder eine entsprechende Unterspannung hat, so zeigen
Messungen, daß im allgemeinen dieser Zustand nur vorübergehend vor-
handen ist, so daß die beim Verbraucher vorhandene mittlere Spannung
wesentlich weniger von der des Netzes
abweicht. Demgemäß sind die in Frage
kommenden Werte für die Lebensdauer
der Lampen und die Werte für den
mittleren Lichtstrom nicht allzu ver-
schieden von denen bei Nennspannung.
Da man bestrebt ist, die Verteilungs-
netze so wirtschaftlich wie möglich zu
bauen und ein zu kleiner zulässiger
Abb. '27. Mittelspannungsnetz Spannungsabfall das Netz verteuert,
mit Transformatoren.
wird man als größte Spannungsschwan·
kung beim Verbraucher einen Wert von ± 5% zulassen, vorausgesetzt
allerdings, daß diese extremen Werte nur kurzzeitig vorhanden sind.
Bezüglich der im Netz angeschlossenen Drehstrommotoren ist zu
sagen, daß ihr maximales Drehmoment etwa dem Quadrate der Spannung
proportional ist. Hat man beim Verbraucher eine Unterspannung von
5%, so sinkt das größtmögliche Drehmoment auf (0,95)2 .- 90'>/o. Bei
konstantem Moment nimmt (wegen der Abnahme des Flusses) der Strom
um 5% d. h. die Erwärmung um 10% zu. Diese Verhältnisse können unter
normalen Umständen ebenfalls zugelassen werden, so daß wir als Regel
aufstellen können, daß ein normales Verteilungsnetz so ausgelegt werden
soll, daß die kurzzeitig auftretenden größten Spannungsabweichungen
± 5% der Nennspannung betragen dürfen.
Neben den zulässigen Spannungsschwankungen beim Verbraucher
interessiert noch, welcher Spannungsabfall in einem (z. B. städtischen)
Niederspannungsnetz zugelassen werden kann. Abb. 427 zeigt den Auf·
bau des Netzes. Von einem Regeltransformator T werde ein Mittel-
spannungskabelnetz (z. B. 10 kV), welches über Verteilungstransfor-
matoren die einzelnen Niederspannungsnetze mit Strom versorgt, ge-
speist. Die Spannungen auf den Niederspannungsseiten der einzelnen
Der Spannungsabfall 421
Transformatoren werden, gleiches Übersetzungsverhältnis der Trans-
formatoren vorausgesetzt, verschieden sein. Diese Unterschiede können
dadurch zustande kommen, daß die betreffenden Transformatoren zu
dem betrachteten Zeitpunkt durch schwache oder starke Belastung einen
kleineren oder größeren Spannungsabfall aufweisen; auch wird es eine
Rolle spielen, ob ein Transformator am Anfang oder am Ende der Hoch-
spannungsleitung liegt. Betrachten wir die Transformatoren 1 und 3.
Transformator 1 sei schwach, Transformator 3 stark belastet. Die
Spannung am Regeltransformator T sei so eingestellt, daß auf der Nieder-
spannungsseite des Transformators 1 die Spannung um 5% höher als die
Nennspannung sei. Der Transformator 3 besitzt, da er stärker belastet
ist, einen größeren Spannungsabfall als der Transformator 1, z.B. einen
um 3% größeren. Nehmen wir ferner an, daß auf der Hochspannungs-
leitung vom Transformator 1 bis zum Transformator 3 ein Spannungs-
abfall von 1% vorhanden ist, so herrscht auf der Niederspannungsseite
des Transformators 3 eine um 4% niedere Spannung als beim Trans-
formator 1, er hat also eine Spannung von 101% der Nennspannung.
Nun besitzt jeder normale Verteilungstransformator zwei zusätzliche An-
zapfungen, durch welche die Spannung auf der Niedervoltseite um ±4%
verändert werden kann. Ist die Spannung auf der Niedervoltseite des
Transformators geringer als 101% der Nennspannung, dann kann die
erhöhte Anzapfung eingeschaltet werden, da man dann im Höchstfalle
auf 105% kommt, was noch zulässig ist. Ist die Spannung etwas höher
als 101%, dann darf die erhöhte Anzapfung nicht benutzt werden, da
man sonst über 105% käme. Die niedrigste Spannung, die ein Trans-
formator auf der Niederspannungsseite hat, ist also 101%, da sonst die
höhere Anzapfung gewählt werden würde. Läßt man beim Verbraucher
als niedrigste Spannung 95% der Nennspannung zu, dann verbleiben als
zulässiger Spannungsabfall bis zum Verbraucher noch 6%. In der
Anschlußleitung vom Niederspannungsnetz zum Zähler und in den
Leitungen innerhalb des Hauses wird bei voller Belastung im allgemeinen
ein Spannungsabfall von je 1,5%, insgesamt also von 3% zugelassen.
Für das Niederspannungsverteilungsnetz verbleibt somit ebenfalls ein
Spannungsabfall von 3%. Je nach Sicherheitszuschlag wird man daher
im Niederspannungsnetz einen Spannungsabfall von 2 bis 3%, in Not-
zeiten dagegen bis zu 8 bis 100/o zulassen können.
Im folgenden seien noch die Spannungsverhältnisse für den Fall unter-
sucht, daß an einer längeren Mittelspannungsleitung eine Reihe von
Transforntatoren angeschlossen sind (ähnlich der Abb. 427, rechter
Zweig). Es soll angenommen werden, daß die Spannung am Anfang der
Leitung derart geregelt werde, daß auf der Niederspannungsseite des
+
ersten Transformators (Mittelanzapfung) die Spannung um 9% gegen-
über der Nennspannung zu hoch ist (Punkt A s. Abb. 428a). Die Leitung
422 Richtlinien für die Bemessung elektrischer Leitungen und Netze

sei so lang, daß auf der Niederspannungsseite des letzten Transformators


Punkt B (Mittelanzapfung) die Spannung um - 3% zu tief liegt. Die
Spannungen zwischen dem ersten und letzten Transformator unter-
scheiden sich also um 12<>fo. Für alle Spannungen der Mittelanzapfung
für den Bereich A'-a wollen wir die Transformatoren auf die niedere
Anzapfung (-4%) umschalten, so daß dort die Spannung entsprechend
A' -a' verläuft. Längs des Bereiches a-b werde die Mittelanzapfung
gewählt. Für Transformatoren, deren Mittelanzapfungen die Spannung
b- B auiweisen, sei die erhöhte Anzapfung (+ 4%) eingeschaltet, so
daß die Spannung auf der Niederspannungsseite dieser Transformatoren
entsprechend b'- B' verläuft. Die Spannungen, unmittelbar an den
Niederspannungsklemmen der Transformatoren gemessen, liegen also
A in dem Bereich von 101 bis
105% der Nennspannung.

~ ~r~~
Läßt man jetzt noch im
Netz (z. B. vom Punkte a')
einen Spannungsabfall von
a 3% und in den Anschluß-
leitungen ebenfalls einen
Spannungsabfall von3% zu,
dann hat der ungünstigste
Abnehmer eine Spannung
Abb. 428a u. b. Spannungsverlauf auf einer Mlttelspaunungs- VOn 95%.
Ieitung, be~~ ~:n~~~r!~~::,aunungsselte Von Wichtigkeit zu wis-
sen ist noch, welcher Ge-
samtspannungsabfall auf der Mittelspannungsleitung (z. B. 10 kV) auf-
treten darf. Zunächst müssen wir beachten, daß in den Transformatoren
selbst ein Spannungsabfall vorhanden ist. Dieser Spannungsabfall wird
jedoch annähernd ausgeglichen, da die Transformatoren nicht auf die
Netzspannung 380/220 V, sondern z. B. von 10 000 auf 400/231 V, also auf
Spannungen, die 5% oberhalb der Nennspannung liegen, übersetzen.
Nehmen wir näherungsweise an, der Spannungsabfall der Transforma-
toren werde hierdurch ausgeglichen, dann muß im betrachteten Falle,
damit im angeschlossenen Niederspannungsnetz der zulässige Spannungs-
abfall von ±5% nicht überschritten wird, die Spannung auf der Hoch-
spannungsseite am Anfang auf + 9% eingestellt werden, um längs der
Leitung bis auf - 3% abzunehmen, es würde also ein zulässiger Span-
nungsabfall von 12<>/o vorhanden sein.
In städtischen Mittelspannungskabelnetzen wird dieser im Idealfall
mögliche Spannungsabfall von 12% bei weitem nicht erreicht, da mit
Rücksicht auf die Kabelerwärmung größere Querschnitte gewählt werden
müssen. Man braucht also bei den Hochspannungsleitungen der Kabel-
netze nicht nach dem Spannungsabfall zu bemessen, sondern maßgebend
Bemessung der Leitungen auf Wirtschaftlichkeit 423

ist entweder die Erwärmung der Kabel oder sind wirtschaftliche Gesichts-
punkte (s. Abschnitt C). Bei Freileitungen, welche die Ortsnetztrans-
formatoren von Dörfern beliefern, ist es wegen der wesentlich größeren
Längen und der größeren Induktivität der Freileitungen möglich, daß
der Spannungsabfall für die Bemessung der Leitung maßgebend ist.
Die. Abb. 428b zeigt die Spannungsverhältnisse für den extremen
Fall, daß die Belastungen Null sind, auf der Mittelspannungsleitung also
kein Spannungsabfall eintritt. In diesem Falle muß am Anfang der
Leitung der die Mittelspannung liefernde Regeltransformator seine
Spannung erniedrigen.
Es ·sei noch erwähnt, daß, falls in manchen Teilen von Netzen, was
sich nicht immer in der Praxis vermeiden läßt, dauernd eine zu hohe
Spannung vorhanden ist, man Lam-
pen für eine höhere Nennspannung
(z. B. 225 V) einbauen muß. Für
schwierige Fälle kann es dagegen oft
zweckmäßig sein, einen Netzregler
einzubauen. Es handelt sich hier um
einen Spartransformator mit inner-
halb gewisser Grenzen veränder-
lichem Übersetzungsverhältnis, wel-
ches automatisch so gesteuert wird,
daß praktisch konstante Spannung
vorhanden ist.
Abb. 429. Hochspannungs· und Mittel·
Als weiteres Beispiel sei noch das spannungsnetz
Hochspannungsnetz der Abb. 429
betrachtet. Ein Kraftwerk A versorgt ein eigenes Netz und über zwei
60 kV-Leitungen zwei 10 kV-Überlandgebiete. Die Spannung an den
Speisestellen der Überlandgebiete muß bei B und C entsprechend den
aufgestellten Forderungen geregelt werden können, so daß also hier
Regeltransformatoren anzuwenden sind. Der Spannungsabfall in den
60 kV-Leitungen kann prinzipiell beliebig groß sein, sofern der Regel-
bereich der Reguliertransformatoren diesen Spannungsabfall auszuregeln
gestattet. Selbstverständlich ist zu prüfen, ob dieser Spannungsabfall
nicht zu große Werte annimmt, da sonst die Regeltransformatoren zu
groß und unter Umständen unausführbar werden.

C. Bemessung der Leitungen auf Wirtschaftlichkeit


Wenn wie bei den zuletzt behandelten Hochspannungsleitungen der
Spannungsabfall zunächst nicht die ausschlaggebende Rolle spielt, hat
man die Leitungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessen.
In einer Leitung treten pro Jahr eine bestimmte Zahl von Verlust-kWh
424 Gesichtspunkte für die Ausbildung von elektrischen Niederspannungszeiten

auf, die Kosten verursachen. Auch muß das Kraftwerk um die Verlust-
leistung größer gebaut sein, so daß der jährliche Kapitaldienst vergrößert
wird. Will man diese Verlustkosten klein halten, so muß die Leitung mit
größerem Querschnitt ausgeführt werden, sie wird dadurch teuerer.
Läßt man größere Verluste zu, dann kann die Leitung mit kleinerem
Querschnitt gebaut werden und die Leitung wird damit billiger. Man
kann zeigen, daß die jährlichen Kosten für die Verluste und die Kosten
für Verzinsung und Amortisierung des Kapitals für Leitung und Kraft-
werksvergrößerung bei einem bestimmten (wirtschaftlichen) Querschnitt
am kleinsten sind (s. S. 494). Sollte dann eine Nachprüfung ergeben, daß
bei diesem wirtschaftlichen Querschnitt der Spannungsabfall in der
Leitung unzulässig groß wird, dann ist die angenommene Übertragungs-
spannung nicht richtig und man muß zu einer höheren übergehen.

XVIII. Gesichtspunkte für die Ansbildung von


elektrischen Niederspannungsnetzen
Ehe auf dj.e Berechnungsgrundlagen der Netze eingegangen werde,
seien einige charakteristische Ausführungsformen von Niederspannungs-
netzen behandelt. Es werde der Betrachtung ein Netz entsprechend der
aok Abb. 430a zugrunde gelegt,
bei der eine Transforma-
torenstation T 0 von einer
Hochspannungsleitungoder
unmittelbar von einem
Kraftwerk gespeist werde.
I Die Spannung wird in T 0
beispielsweise auf 6 kV um-
gespannt, innerhalb des
Stadtgebietes durch 6 kV-
B.,_.,r--.---ra Leitungen verteilt und in
b kleinen Transformatoren-
stationen T1, T 2 von 6 kV
a auf 380f220Vumgewandelt
Abb. 480a u. b. Niederspannungsnetz mit 6 kV und den einzelnen Netzbe-
Speiseleitung.
zirken zugeführt. In größe-
ren Städten kann oft die Belieferung der Trafostationen mit der Mittel-
spannung 20 bzw. 30 kV statt 6 kV zweckmäßig sein. Maßgebend sind
hier Verbraucherstruktur und Lastdichte des Versorgungsgebietes. In der
Abb. 430a sind drei Netzbezirke I, 11 und 111 angedeutet. Bei kleineren
Ortschaften wird man auf die Verteilerzwischenspannung verzichten und
unmittelbar von der ankommenden Fernleitung die Spannung in einer
Gesichtspunkte für die Ausbildung von elektrischen Niederspannungszeiten 425

Transformatorenstation auf 380/220 V umformen. Bei größeren Netzen


wird man jedoch, wie in der Abb. 430a dargestellt, zur Kleinhaltung der
Spannungsabfälle die elektrische ·Energie zunächst mit beispielsweise
6 kV verteilen und dann erst durch eine Reihe von Transformatoren die
einzelnen Netzbezirke speisen. Jeder Transformator arbeitet nach
Abb. 430a auf ein in sich abgeschlossenes, strahlenförmig aufgebautes
Netz.
In der Abb. 430a ist das Netz einphasig dargestellt. In Wirklichkeit
sind jedoch bei einer Spannung von 380/220 V vier Leitungen vorhanden,
drei Leitungen für die Phasen R, S und T und eine meist schwächere Lei-
tung für den das Erdpotential aufweisenden Nulleiter. Man muß sich vor-
stellen, daß von den in der Abb. 430a dargestellten Leitungen, die längs
der Straßenzüge in Kabeln oder Freileitungen verlaufen, Abzweig-
leitungen nach den einzelnen Gebäuden gehen, wie es z. B. in der
Abb. 430b schematisch für eine Leitungsstrecke durch ~
kleine Pfeile dargestellt ist. Jeder dieser Abzweige
sieht etwa so aus wie der etwas näher ausgeführte .
Abzweig am Punkt B. Der AbzwP.ig führt zur Haus- a,
anschlußsicherung und von hier vermittels Steig- 1
Ieitungen durch die Stockwerke, wo in Verteilungs- Abb. 481. Netz.
kästen eine weitere Verteilung und Absicherung erfolgt.
Wenn die Leitungen des Netzes I (s. Abb. 430 a) an den Punkten 1
und 2 praktisch zusammenstoßen, so drängt sich die Frage auf, ob man
die Leitungen an den Stellen 1 und 2 nicht miteinander verbinden soll.
Gleiches gilt für das Netz II an den Stellen 3 und 4. Es soll deswegen
noch im folgenden auf die Frage der Vermaschung eingegangen werden.
In der Abb. 431 ist ein einfaches Netz aufgezeichnet, welches in den
Punkten a 1 und ~ je durch den Strom I belastet ist. Bei richtiger Aus-
legung wird in den Punkten a 1 und a 2 gleicher Spannungsabfall vor-
handen sein, so daß man ~ und a2 verbinden kann, ohne daß die Be-
lastungsverhältnisse im Netz sich irgendwie ändern. Die durch die Ver-
bindung a1a2 vorgenommene Vermaschung hat also bis jetzt keinerlei
Vorteile gebracht. Meist treten jedoch in den Netzen die einzelnen Be-
lastungen nicht gleicfunäßig auf. Nehmen wir an, daß in Abb. 431 die
Strombelastung I für die rechte Netzhälfte zu einer anderen Zeit erfolgt
als in der linken Netzhälfte, dann muß bei fehlender Verbindung a1a2
jede Netzhälfte in bezug auf den zulässigen Spannungsabfall für den
Strom I bemessen sein. Sind jedoch die beiden Netzhälften bei a1a2 mit-
einander verbunden, dann wird, falls der Strom I nur bei a 1 entnommen
wird, dieser Strom sich auf beide Netzhälften verteilen, also halben
Spannungsabfall und entsp~echend kleinere Verluste im Netz hervor-
rufen. Bei gegebenem Spannungsabfall könnten somit die Leitungen
schwächer ausgeführt werden.
426 Gesichtspunkte für die Ausbildung von elektrischen Niederspannungsrz:eiten

Wenn auch unser Beispiel infolge extremer Annahmen die Vorteile


der Vermaschung zu günstig zeigt, so wird auch bei praktischen Netzen
die Vermaschung sich in bezug auf Spannungsabfall und Verluste immer
günstig auswirken und die Netze elastischer machen. Es ist jedoch zu
beachten, daß bei Störungen in vermaschten Netzen leichter größere
Netzbezirke beeinflußt werden als es z. B. im Falle eines strahlen-
förmigen Netzes nach Abb. 430a der Fall ist.. Man
muß daher bei vermaschten Netzen darauf achten,
daß bei einem auftretenden Fehler dieser mög-
lichst selektiv durch Sicherungen abgeschaltet
wird, also derart, daß keine anderen Netzteile in
Mitleidenschaft gezogen werden.
Prinzipiell kann man auch daran denken, die
einzelnen Niederspannungsnetze miteinander zu
verbinden, etwa an den Stellen a, b und c. Durch
diese Vermaschung wird die Spannungshaltung im
allgemeinen auch verbessert, jedoch gilt das oben
Abb. 432. Niederspannungs- bezüglich der Selektivität Gesagte in erhöhtem
maschennetz. Maße. Während man bei kleineren Netzen meist
die strahlenförmige Ausbildung mit unter Umständen beschränkter Ver-
maschung bevorzugt, sieht man heute bei Verteilungsnetzen in Groß-
städten mit großem Energieverbrauch pro Flächeneinheit vorwiegend
eine restlose Vermaschung entsprechend Abb. 432 vor. Das Maschen-
netz wird dann durch einzelne Transforma-
toren gespeist (s. auch S. 451).
Die oberspannungsseitige Speisung eines
städtischen Netzes, bei dem die einzelnen
Niederspannungsnetze für sich bestehen,
erfolgt meist wie in Abb. 433 aufgezeichnet,
d. h. man sieht oberspannungsseitig Lei-
tungsringe, die man normalerweise in der
Mitte aufgeschnitten hat, also einseitig
Abb. 433. Niederspannungsnetz mit speist, vor. Dadurch kann man für den
Mittelspannungs-Speiseleitung.
Schutz der Hochspannungsleitung einen
einfachen Zeitstaffelschutz ohne Richtungsglied verwenden. Tritt eine
Leitungsstörung auf, z. B. bei K ein Schaden am Kabel, so wird das
kranke Kabelstück abgetrennt und die sonst bei a offene Verbindung
wird geschlossen, so daß die Speisung der Transformatorenstationen 3
und 4 weiterhin möglich ist.
Man muß beachten, daß gelegentlich der Fall eintreten kann, daß in
einer Transformatorenstation ein Transformator schadhaft wird. Man
muß nun entweder zwei Transformatoren in jeder Station aufstellen und
ihre Leistung so bemessen, daß beim Ausfall eines Transformators wenig-
Gesichtspunkte für die Ausbildung von elektrischen Niederspannungszeiten 427
stens kurzzeitig der andere den Betrieb übernehmen kann oder man stellt
in jeder Station einen Transformator auf und sieht eine Verbindung b
auf der Niederspannungsseite zwischen zwei Transformatorenstationen
vor (s. Abb. 433), die im Falle eines Transformatorschadens geschlossen
wird. Damit kann der betroffene Netzteil von dem gesunden Transfor-
mator mitgespeist werden. Aber auch dieser muß in seiner Leistung
größer als normal sein, damit er diese Zusatzlast wenigstens kurzzeitig
übernehmen kann. lnfolge dieser Reserven, die in den Transformatoren-
stationen vorzusehen sind, erhöhen sich die Kosten für die Stationen.
Man kann die besondere Verbindungsleitung b der Abb. 433 ersparen,
falls man im Störungsfalle die beiden Niederspannungsnetze dort, wo
Leitungen benachbart liegen, miteinander verbindet. Allerdings kann
hierbei, falls man an diesen Fall bei Bemessung der Leitungen und der
Sicherungen nicht gedacht hat, leicht
eine Überlastung der Leitungen und ein
ungewolltes Durchschmelzen der Siche-
rungen stattfinden.
Gegenüber obigen Verfahren bietet
das Maschennetz, sofern genügend Trans-
formatoren eingebaut sind, den Vorteil,
daß bei Ausfall eines Transformators
mehrere benachbarte Transformatoren
die Belieferung des fraglichen Netzteiles
mit übernehmen, SO daß eine nennens- Abb. 434. Speisungeines Niederspannungs•
werte Mehrbelastung dieser Transforma- netzesdurch zwei Mittelspannungen.
toren nicht stattfindet. Die Aufwendungen für Reserve werden somit
beim Maschennetz kleiner.
In sehr großen Städten kann es zweckmäßig sein, noch eine dritte Ver-
teilungsspannung zu verwenden. Abb. 434 zeigt schematisch eine der-
artige Netzanordnung. Es sind drei Kraftwerke angenommen, von denen
aus die Verteilung zunächst mit z. B. 30 kV erfolgt. Von diesen Kraft-
werken werden eineReihe von Unterstationen, die in der Stadt angeord-
net sind, mit Strom versorgt und zwar so, daß, wenn ein Kraftwerk aus-
fällt, die Stromversorgung durch das andere Kraftwerk sichergestellt ist.
Zur Kleinhaltung der Kurzschlußströme sindin den Zuleitungen Drossel-
spulen eingebaut. Von den Unterstationen erfolgt in bekannter Weise die
Verteilung mit der Mittelspannung, etwa mit 6 kV.
428 Die Berechnung elektrischer Netze

XIX. Die Berechnung elektrischer Netze


A. Die einseitig gespeiste Leitung
Ist eine Leitung (s. Abb. 435) am einen Ende durch einen Verbraucher
mit dem Strom i belastet und beträgt die Länge von Hin- und Rück-
leitung jeweils l m, der Querschnitt q mm2 und ist die Leitfähigkeit des
Leitungsmaterials gleich "• so ist die Spannung beim Verbraucher um den
Spannungsabfall
il
LJU = 2 - Volt (155)
"q
kleiner als am Anfang der Leitung (s. Abb. 436). Vorausgesetzt sei bier-
bei, wie auch im folgenden, daß die Belastung durch Gleichstrom oder

f___ -----1t
t.._
rr
t
durch Wechselstrom mit einer Phasenverschiebung
q;= 0 über induktivitätsfreier Leitung erfolge. Be-
sitzt die Leitung mehrere Stromverbraucher i 1, i 2
Abb. 436 . Hin- und Rück- usw. (s. Abb. 437) und haben die Widerstände fl
Ieitung mit Strom- · der einzelnen Leitungsstücke, die für Hin- und
verbraueher.
Rückleitung jeweils gleich seien, die in der
Abb. 437 angegebenen Werte (h• e2 • •• , dann ergibt sieb der Spannungs-
abfall am Ende der Leitung zu
L1U=2 (11 e1+12 e2+13 e3+14 e4). (156)
In dieser Formel bedeuten / 1 , / 2 usw. die Ströme, die in den jeweiligen
Leitungsstücken fließen. Meist sind jedoch nicht diese Ströme bekannt,

t, iz i, iv
1;::,

!! -!f-
fb
r;~
f!a

rJ
l!J {!9

r,
Abb. 436. Spannungsverlauf Abb. 437. Leitung mit mehreren Verbrauchern.
für Hin- und Rückleitung.

sondern die Ströme, die von den Verbrauchern abgenommen werden,


also die Ströme i 1 , i 2 , i 3 usw. Es besteht jedoch die Beziehung:

11 = i1
12=
+ ~2 + ~ + ~4~
~+ ~+ ~, {157)
1s= is+ i4
14= i4.
Setzt man diese Werte in GI. {156) ein, dann erhält man
LJU= 2 [(il + i2+ia+ i4) €?1 + {i2+ ia+ i4) e2+ (ia+ i4) es+ i4 e4J
oder
LJU= 2 [i1 e1 + i2 (et + e2) + is (et + e2+ ea) + i4 (~?t + e2+ es+ e4)] ·
Die einseitig gespeiste Leitung 429
Da nach Abb.437 e1 =T1 ; e1 -/--Q2 =T2 ; e1 -/--e2 -/--e3 =T3 usw. ist, er-
gibt sich: AU= 2 [it T1 -/-- i 2 T2 -/-- i 3 r3 -/-- i 4 TJ
oder allgemeiner:
AU=2.2iT. (158a)
Oft ist längs der Leitung konstanter Querschnitt q vorhanden. Bezeichnet
man die Entfernungen vom Speisepunkt bis zu den einzelnen Abnehmern
mit l 1, l 2 , la usw., dann kann man, z. B. für T2 schreiben: T2 = Za/x q.
Dies auf GI. (158a) angewandt, ergibt die Beziehung:

AU=.!_ .2il. (158b)


"q
Die bis jetzt abgeleiteten Gleichungen gelten unter der Voraus-
setzung, daß die Widerstände bzw. die Querschnitte für die Hin- und
Rückleitung gleich sind, daß also der Abfall Au für die Hinleitung gleich
dem der Rückleitung und der Gesamtspannungsabfall AU=2 ·Au ist.
Gelegentlich sind jedoch für Hin- und Rückleitung verschiedene Wider-
stände vorhanden, oft fällt scheinbar sogar die Rückleitung gänzlich fort.
Dieser Fallliegt z. B. in gleichmäßig belasteten Drehstromsystemen vor.
Es ist dann für den Spannungsabfall pro Phase nur der Abfall in der Zu-
leitung zu berechnen. Wir wollen deshalb im folgenden stets nur den
Spannungsabfall Au (u sei klein geschrieben) für die Zuleitung berechnen.
Ist noch der Spannungsabfall in einer Rückleitung zu berücksichtigen,
dann ist dieser Spannungsabfall sinngemäß zu ermitteln. Der Gesamt-
abfall ist dann gleich der Summe aus beiden. Unsere bishE>rigen Formeln,
nur auf die Hinleitung bezogen, lauten:
Au=l1 l?1 -/--l2es-/--ls es+··· .2Ie (159)
+
Au=i1 T1 i 2 T2 -/-- is T3 -/-- • • • =.2iT (160)
Au=_!_ (i1 l 1
"q
+i 2 l 2 -/-- i 3 l 3 • • ·) = _!__ ,2;il.
"rl
(161)

Oit sind statt der Ströme die Leistungen N, die entnommen werden,
gegeben. Bei symmetrisch belastetem Drehstromsystem mit der ver-
ketteten Spannung U ist i=Nffä U. Setzt man dies in GI. (161) ein,
dann folgt

Au=---:;~(N1 Zt-/--N2 la-/--N3 l3 -/--···)= ,~3 ul:Nz. (162)


"rlr 3 U "qr ;J

Die GI. (160) und (161) zeigen, daß man den Spannungsabfall Au erhält,
indem man die durch die einzelnen Ströme bedingten Spannungsabfälle
einander überlagert. Die Größen i ·l der GI. (161) bezeichnet man als
Strommomente. Die Abb. 438a zeigt eine einseitig gespeiste Strecke mit
drei Stromverbrauchern. In den Abb. 438 b, c und d sind die Spannungs-
abfälle, die jeder Strom auf der Strecke für sich allein erzeugen würde,
430 Die Berechnung elektrischer Netze

aufgetragen. Die Summe der Spannungsabfälle ergibt den resultierenden


Spannungsabfall (Abb. 438e).
Obige und auch die im folgenden abgeleiteten Werte für die Span·
nungsabfälle gelten auch be~ vorhandener Induktivität und Phasenver-
schiebung, falls man mit den Wirkströmen bzw. Wirkleistungen rechnet
und einen Verzögerungsfaktor k einführt. Es handelt sich hier um eine
Näherungsrechnung (s. S. 450), welche gilt, falls der Spannungsabfall
klein ist.
Für den Fall, daß der Spannungsabfall nicht am Ende der Leitung,
sondern im Punkte a (Abb. 438a), zu bestimmen ist, denkt man sich bei a
die Leitung geschnitten. Aus der Schnitt·
stelle, die den Abstand l11 von der Speise-
stelle habe, fließt der Strom i 2 i:J. Die +
iJ I"l Strommomente, bewgen auf den Punkt a,
sind also i 1 l1
• + +
(ia i 3) 111• Teilt man
b - ... __
------- JLO diesen Ausdruck durch "- · q, so erhält
man den Spannungsabfall im Punkt a.
Sehr oft ist der Spannungsabfall Llu
c ------------ J~
!
d ............... ------------
in % und damit LI u gegeben (bei Dreh-
strom bezieht sich LI u auf die Phasen-
va .
LI u%U
spannung uA Uff8· also LI U= 100

·~=t-= In Fällen mit großem Spannungsabfall


muß bei Llu% angegeben werden, ob es

t~jj
sich auf die Spannung am Anfang oder
am Ende der Leitung, oder auf die Nenn-
spannung bezieht). Gesucht ist dann der
"""~....;-
Abb. 4.88a-f. LeitUDg mit mehreren
Querschnitt der Leitung. Es ist
Stromverllrauehem, sowie die hierdurch
bedingten Spimnungsabfälle auf
Eil
der Leitung.
q= "·Liu • (163)

Um komplizierte Netzgebilde zu berechnen, ist es zweckmäßig, die


meist zahlreich vorhandenen Stromabnahmen einer Leitungsstrecke
durch einen gedachten ideellen Strom I" mit gleicher Wirkung wie die
einzelnen Ströme, zu ersetzen. Denkt man sich I" (s. Abb. 438a) am Ende
der Leitung im Abstand L vom Speisepunkt angreifend, dann gilt, wenn
I" gleichen Spannungsahfall wie die Ströme i 1, i 3 usw. erzeugen soll

I" L = .2 il oder I "-


-
Eil
L. (164)

Abb. 438f zeigt die tatsächlich vorhandenen Spannungsabfälle und den


durch I" bedingten (gestrichelt gezeichnet). Am Ende der Leitung ist
also Gleichheit der Spannungsabfälle vorhanden. Um das Ersatzbild zu
Die einseitig gespeiste Leitung 431
vervollständigen, ist es notwendig, am Anfang der Leitung einen Be-
lastungsstrom
I' =.2i-I" (165)
einzuführen. I' verändert nicht den Spannungsabfall auf der Leitung,
aber die Summe unserer ideellen Ströme I'+ I" wird jetzt gleich ,2i,
also gleich den Strömen, welche die Stromquelle liefert. Die Notwendig-
keit, I' einzuführen, geht aus der Abb. 439 hervor, bei der zwei in Reihe
geschaltete Leitungen l1 und l2 vorhanden sind und l2 eine Reihe von
Stromabnahmen besitzt. Der Spannungsabfall auf l2 ergibt sich zu

Um den Spannungsabfall auf der Strecke l1 richtig zu erhalten, ist zu


beachten, daß diese von einem Strom von der Größe .2 i durchflossen
wird, man aber auch zu einem richtigen Ergebnis gelangt, falls man,
wie oben angegeben, nicht nur den ideellen Strom I", sondern auch I'
berücksichtigt. Der Spannungsabfall <---l, •. t2 ~
ani Ende der Leitung ergibt sich als 1lt, V2 t lq •
-----+T:--T;---:"'T'"":",..-1
b-6

Summe der Einzelspannungsabfälle, r ~I


also zu Ei
(I' +1")l1 +I"l 2 Abb. 439. Leitung, bei welcher die ab-
L1u 'Xq
genommenen Ströme durch zwei Kompo-
nentenströme ersetzt werden.

Nach GI. (165) war I'=.2i-I". Setztman für I" den Wert nach Gl.(164)
ein, dann erhält man
I ,_""._ I: il _ (i1 +i 2 +i3)L-i1 l 1 - i2 l 2 - i8 l 8
-..,:;.;~ L - L

I ,_4~-~+~~-~+~~-~
- L
oder
I ' - I;i(L-l) (166)
- L .

Man kann also I' in ähnlicher Weise wie I" erhalten, nur muß man die
Summe der Strommomente vom anderen Ende der Leitung aus bilden.
Die ideellen Ströme I' und I" nennt man auch die Stromkomponenten.
Es sei eine Leitung vorhanden, bei der pro m Länge gleichmäßig ver-
teilt die Stromstärke j abgenommen werde. Gefragt wird, wie groß der
Spannungsabfall im Abstand x von der Speisestelle ist. Man legt durch
die Leitung (s. Abb. 440a) bei x einen Schnitt. Aus der Schnittstelle
wird der Stromj (l- x) fließen (Abb. 440b). Denkt man sich die auf der
Strecke x gleichförmig verteilte Strombelastung auf die Enden des Strek-
kenabschnitts gebracht (Abb. 440c), so erhält man für die Stromkompo-
432 Die Berechnung elektrischer Netze

nente J' und J" je den Wert (j • xj2). Der Spannungsabfall an der Stelle
ist dann gleich
L1u:IJ =3!_·(jx-l--J'fl-x
'Jeq 2 I
)) •

oder
(167)

Setzt man x = l, so erhält man

tiillllllllllll~llliilllllllli~~~
den Spannungsabfall am Ende der
• Leitung
i l2
(168)
L1u =2-x q.

b jilllllllllllillllllllllllir-,; Beispiel. Ein Wechselstromkreis 220 V


habe die aus Abb. 441 zu ersehenden Ab-
nahmen(ohmsche Belastung vorausgesetzt)
:r r- ~kl-:r) und Längen. Es sind 3% Spannungsabfall
zugelassen und gefragt ist nach dem Quer-
l'lchnitt. Sowohl für Hin- und Rückleitung
Abb. 4.4.0a-c. Leitung mit gleichmäßig
verteilter Stromabnahme. gilt:
Eil
q= U.Tu.
Es sei Cu gewählt, mit <X =56. Für die Hinleitung ist
3
Llu = 21 . 100 · 220 = 3,3 V,

also
10 • 50 + 22 . 100
q= 56 • 3,3 = 14,6 mm2 .
Gewählt wird der genormte Querschnitt q = 16 mm2 • Der Spannungsabfall ist
SOm dann
J
toA
14 •6 . 3
16
= 2,74% •
Abb. "1. Strom-
belastungen für Beispiel. Die Ströme der Abb. 441 belasten jetzt sym-
Beispiel.
metrisch ein Drehstromsystem, dessen verkettete Spannung
380 V, die Phasenspannung also 220 V beträgt. Da nur auf der Hinleitung
Spannungsabfall auftritt, ist
3
Llu = 100 · 220 = 6,6 V.
Es ist somit
- 10 • 50 + 22 • 100 - 7 3 2
q- 56 • 6,6 - ' mm •
Gewählt wird der genormte Querschnitt 10 mm2, so daß der Spannungsabfall
7,3 3 = 2,20/10 1St.
1Q' •

Beispiel. Auf einer symmetrisch belasteten Drehstromleitung aus Al liege


eine Belastung von 30 kW, die gleichmäßig verteilt entnommen werde. Die Länge
Zweiseitig gespeiste Leitungen 433
der Leitung sei 400 m, der zulässige Spannungsabfall sei 2%, die Spannung U
beträgt 380/220 V. Gefragt wird nach dem Querschnitt q.
Aus Gl. (168) folgt
j l2
q=2;JU'

30 kW entspricht I = ~OOO = 45,6 A. Pro m Leitungslänge entfällt dann


V3 · 380
j = !~~ = 0,114 Afm. Es ist Llu = 1 ~0 · 220 = 4,4 V.

. d - 0,114 . 400 2 - 9 5 2
Es w1rd ann q - 2 . 34 ,8 . 4, 4 - 5 , mm .
Es wird q = 70 mm 2 gewählt.

B. Zweiseitig gespeiste Leitungen


Die Leitung nach Abb. 442 a sei von zwei Speisepunkten I und Il, die
zunächst gleiche Spannungen haben sollten, gespeist. Die Stromabnah-
men seien i 1 , i 2, i 3 usw. Es inter-
~--------l--------~
essieren die Ströme, welche von I
und I I in die Leitung hineinfließen.
Denkt man sich zunächst die a I ~>----lr---l-:-i1--+~:-~-tl:Jl
Leitung bei Il durchschnitten
(s. Abb. 442a), so erhält man eine
einseitig gespeiste Leitung; dP.r biooE~---~---.....:!!==!1>·
Spannungsabfall kann für die Lei-
tung und die Schnittstelle bei II
berechnet werden. Es gilt hierfür c I~ ! ::::::::::::::-'![
der Linienzug a der Abb. 442 b. +.1u -----.::>~ll--
Der Spannungsabfall ist an der
Schnittstelle gleich dem Span-
nungsabfall des äquivalenten
Stromes
I"= Eil. Abb. 442a-d. Zweiseitig gespeiste Leitung.
L
Man stellt sich nun vor, daß in die Leitung von rechts nach links ein
Strom von der Größp. I" fließt. Dieser StMm erzeugt für sich allein einen
Spannungsabfall, der durch die Gerade b der Abb. 442b dargestellt ist.
Fließen die Ströme i 1 , i 2 , i 3 und dieser Strom I" gleichzeitig, dann
überlagern sich die Spannungsabfälle und an der Schnittstelle bei II ist
der Spannungsabfall Null vorhanden. Die Schnittstelle und II haben
also gleiches Potentia.I, so daß der Schnitt jetzt nicht mehr notwendiß ist.
Der auf der Leitung tatsächlich vorhandene Spannungsabfall entspricht
nun der schraffierten Kurve der Abb. 442 b und ist in Abb. 442 c für sich
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 28
434 Die Berechnung elektrischer Netze

allein herausgezeichnet. Punkt I und II haben, wie verlangt, gleiches


Potential. Es gilt also das Gesetz, daß bei einer zweiseitig gespeisten
Strecke mit gleicher Spannung an den Speisepunkten der bei II in die
Leitung hineinfließende Strom gleich dem nach Gl. (164) berechneten
ideellen Strom I" ist. Entsprechend fließt von I in die Leitung der
Strom I'. Die Stromverteilung in den einzelnen Leitungsstücken ist
jetzt bekannt. Der Strom beträgt im ersten Abschnitt von links I', im
zweiten Abschnitt I'-i1 , im dritten Abschnitt I'- it- i 2• Ergibt sich
hierfür z. B. ein negativer Wert, dann fließt der im Abschnitt 3 vor-
handene Leitungsstrom entgegengesetzt der als positiv geltenden aus-
gezogenen Pfeilrichtung, also der Abnahmestelle 2 zu (gestrichelt gezeich-
net). Da hier von beiden Seiten Strom zufließt, bat dieser Punkt größten
Spannungsabfall, der, da die Stromverteilung bekannt ist, jetzt leicht
berechnet werden kann.
Oft haben die Speisepunkte J und II ungleiches Potential, z. B. u1
und un (bei Drehstrom sind für diese Werte die Phasenspannung einzu-
IJ-JBO IJ-Joo setzen). Nehmen wir zunächst
a ra----t.;;;;oo:;___+-:;;;;..__;T--_..:..;1o..::..o_-'][ an, es seien keine Stromab-
50 100 nahmen auf der Leitung vor-
handen, daun fließt ein Aus-
gleichsstrom (in Abb. 442d
strichpunktiert gezeichnet)
Abb. 443a u. b. Strombelastungen der zweiseitig
gespeisten Leitung für Beispiel. la = ur-un (169)
r '

wobei r der Widerstand der ganzen Leitungsbahn iat. Sind gleichzeitig


die Stromabnahmen i vorhanden, so überlagern sich die ausgezogenen
Leitungsströme der Abb. 442d und der Ausgleichsstrom Ia. Es fließt
also von links nach ~echts in die Leitung der Strom I'+ Ia, im
Abschnitt 1-2 der Stroml'-it+Ia, im Abschnitt2-3 der Strom I'-i1
- i 2 + Ia usw. Vom Punkte II fließt von rechts nach links der Strom
I"-Ia. Damit ist die neue Stromverteilung gegeben und die Spannungs-
abfälle können berechnet werden.
Beispiel. Eine zweiseitig gespeiste Drehstromleitung habe an den Speise-
punkten eine verkettete Spannung von 380 und 390 V. Ckfragt wird nach dem
größten Spannungsabfall, falls die (ohmschen) Belastungen pro Phase die der
Abb. 443a sind und als Leitung eine Aluminiumleitung von 35 mm2 Querschnitt
in Frage kommt.
Es ist
I" _ Eil _ 50 · 100 +
100 · 150 _ 80 A
-L- 250 -.

Da bei Il die verkettete Spannung 10 V höher ist, besteht zwischen II und I eine
Differenz der Phasenspannung von 10fV3 = 5, 78 V. Der Widerstand zwischen I I
Verteilung der Netzbelastungen auf die Knotenpunkte 435

und I ist r = 34 ~5 ~ 35 = 0,205 !J. Es fließt also von l i nach I ein Ausgleichs·
strom
Ia = 05~~~ = 28,2A.
'
Insgesamt fließen von II aus 80+28=108A (s.Abb.443b).
Im Abschnitt 1-2 fließen dann 108-100=8A und im Abschnitt I-1
8-50=-42A.
Im Punkte 1 ist, da er von beiden Seiten gespeist wird, der größte Spannungs-
abfall. Er ist, falls man von I aus rechnet
100.42
Llu = -34,8 . 35 = 3,5 V.

3 5· y3- 100
Prozentual ist der Spannungsabfall dann ' 380 = 1,59%, also klein.

C. Verteilung der Netzbelastungen auf die Knotenpunkte


Es wurde festgestellt, daß der bei einseitiger Speisung am Leitungs-
ende angreifende Ersatzstrom I" genau so groß wie der bei zweiseitiger
Speisung von diesem Ende in die c
A
Leitung hineinfließende Strom ist (der
Ausgleichsstrom wird gesondert be-
handelt). Dieses Ergebnis gestattet
in beliebigen Netzen sämtliche an
a
den Leitungen angreifende Belastungs-
ströme auf die Knotenpunkte zu brin-
gen. In Abb. 444a ist ein Netz dar-
gestellt, welehes die Speisepunkte A,
B und C besitzt, die beliebige Span-
nungen haben können. Uns interes-
siert das Leitungsstück I-li. Die
an diesem angreifenden Belastungen Abb. 444 a u. b. Anwendung der Komponenten·
zerlegung auf ein belie blges Netz.
bewirken, falls die Punkte I und II
gleiches Potential haben, das Zufließen der Ströme I' und I". Bei
verschiedener Spannung der Punkte I und II kommt außerdem noch
der Ausgleichsstrom Ia hinzu. Falls wir uns nur für die Potentiale
an den Knotenpunkten I und II interessieren, wird sich in den Netz-
gebilden links von I und rechts von I I nichts ändern, wenn wir an-
nehmen, daß die Belastung auf der Strecke I - l i durch die an den
Knotenpunkten I und II angreifenden Ströme I' und I" ersetzt werden
(s. Abb. 444b). Diese Vereinfachung ist zclässig, da nur durch den
Ausgleichsstrom Ia die Spannungsdifferenz zwischen I und II geschaffen
wird und die im übrigen Netz fließenden Ströme nicht geändert werden,
da es für diese einerlei ist, ob die Ströme I' und J" in die Leitung 1-II
28*
436 Die Berechnung elektrischer Netze

hineinfließen oder an den Punkten I und II abgenommen werden. Man


kann also die auf einer Strecke 1-II angreifenden Belastungen stets
ersetzt denken durch zwei an den Knotenpunkten angreifende Kom-
ponentenströme I' und [". Das bis jetzt für die Strecke 1-II ab-
geleitete Ergebnis gilt allgemein und man kann in einem Netz sämtliche
Belastungen auf die Knotenpunkte verteilen. Das Verfahren gilt auch,
falls die zu betrachtende Strecke nur einseitig gespeist ist, denn der dann
am Ende angreifende Ersatzstrom hat genau gleiche Größe wie der
Komponentenstrom.

D. Berechnung von sternförmigen Netzgebilden


In Netzen kommen häufig sternförmige Gebilde (s. Abb. 445a) vor
(z. B. in allen Knotenpunkten der Netze). Zur Vereinfachung der Be-
rechnung ist es zunächst notwendig, die Belastungen durch die Kom-

a
Abb. 445a-c. Leitungsstern.

ponentenströme zu ersetzen. Dies führt zu Abb. 445 b. Die am Stern-


punkt angreifenden Komponentenströme I[', Ii[ und I'JII kann man zu
einem einzigen Strom I zusammenfassen
I= I'r' + Ii[ + Iru (s. Abb. 445c).
Zur Berechnung des Sternpunktpotentials u0 werde dieses Potential
zunächst als bekannt vorausgesetzt. Es ist dann möglich, die dem Stern-
punkt zufließenden Ströme / 1 , / 2, / 3 zu berechnen. Sie ergeben sich,
falls u1 , u2, u3 die Eckpunktspotentiale bzw. Phasenspannungen sind, zu:
I 1- -ul-uo.
---,
I 2- -ua-uo.
---, I s- -Ua-Uo
--. (170)
rl r2 ra
Da 11 +I +I
2 3 = I sein muß, folgt

oder
(171)
Berechnung von sternförmigen Netzgebilden 437

Setzt man

wobei r 0 der Ersatzwiderstand für die Parallelschaltung der Leiter-


widerstände r1 , r2 und r3 ist, so kann man die Gleichung auch schreiben:

Uo=ro(ul+
r
u2+ ~s-l)=ro(-2_!!_-J).
r 1 2r 13
(172)

Nachdem jetzt u0 bekannt ist, kann man die Stromverteilung und die
Spannungsabfälle der einzelnen Schenkel des Sternes ermitteln, denn
jeden Schenkel kann man als zweiseitig gespeiste Strecke auffassen.
Es sei erwähnt, daß in einem beliebigen Netz für jeden Knotenpunkt
eine solche Sternpunktsgleichung, in der die Eckpunktspotentiale u1 ,
u2 , u3 usw. vorkommen, gilt. Sind einige dieser Eckpunkte Speisepunkte,
dann sind hier die Potentiale bekannt. Die anderen Potentiale sind zu-
nächst unbekannt, können jedoch berechnet werden, da man ebenso viele
.780/220
I
1

nm n
a .798/2Jfl 230

Abb. 446a-c. Strombelastungen des Netzsternes für Beispiel.

Sternpunktsgleichungen (auch Knotenpunktsgleichungen genannt) auf-


stellen kann, als zur Berechnung der Potentiale nötig sind. Da diese Be-
rechnung sehr kompliziert wird, seien im folgenden andere Methoden ge-
bracht, die Rchneller zum Ziel führen.
Beispiel. Gesucht ist bei dem Leitungsstern der Abb. 446a der Punkt größten
Spannungsabfalles und die Stromverteilung. Die Phasenwiderstände und die
Ströme des Drehstromsystemes sind in der Abbildung eingetragen. Es werde
zunächst die Berechnung der Komponentenströme durchgeführt.

I[ =20 . 1 t 10 . 4 =10 A, I[ =30 - 10 = 20 A

I[r = 4 ~~ 6 = 24 A , I[1 = 40 - 24 = 16 A

I[n = 0, I[n= 0 (s. Abb. 446b).


Die Sternpunktsbelastung ist I= I'i + I'i1 + l'iu = 10 + 24 + 0 = 34 A. Das
Sternpunktspotential bzw. dessen Phasenspannung berechnet sich nach

U0 =ro(.27--J);
438 Die Berechnung elektrischer Netze

hierin ist
1 1 1 1 1 1 1 23
-=-+-+-~=-+-+-=-;
r0 r1 r2 r3 6 10 2 30
hieraus ist r 0 = 1,3 Q. Es ist also
)
u0 = 220 230
1,3 ( i j + lO + T240 - 34 = 189,9 V.

Man kann jetzt die Ausgleichströme der einzelnen Schenkel berechnen.


11 = 220-189,9 = 5 A.
6
Ia = 230-189,9 = 4 A.
10
13 = 240- 189,9 = 25 A.
2
Außer diesen Ausgleichsströmen fließen in die drei Schenkel die Ströme I[ ,
III und I[u hinein.
In den Schenkel 1 fließt also von I 5 + 20 = 25 A (s. Abb. 446c).
In den Schenkel 2 fließt aleo von II 4 16 = 20 A. +
In den Schenkel 3 fließt also von I I I 25 + 0 = 25 A.
Daraus kann jetzt die Stromverteilung nach Abb. 446 c ermittelt werden. Punkte
größten Spannungsabfalles liegen bei h und w. Die Spannung bei w ist
230-20 · 6 = 110 V und die bei h 189,9-5 · 2 = 179,9 V.
Vergleicht man diese Spannungen mit der Nennspannung 220 V, so erkennt man,
daß die Spannungsabfälle derart groß sind, daß die angenommenen Ströme nicht
möglich sind, so daß es sich um einen praktisch nicht ausführbaren Belastungs-
fall handelt.

E. Netzumwandlungen
Es soll im folgenden versucht werden, kompliziertere Netzgebilde in
einfachere, die der Berechnung besser zugänglich sind, zu verwandeln.
Da bei solchen Umwandlungen auch als Aus-
I u,
gangsgebilde Netzsterne in Betracht kommen
r, und es dabei hinderlich ist, wenn im Stern-
punkt ein Strom I (s. Abb. 447a) abgenom-
men wird, soll als erstes clieser Stromwert I
vom Sternpunkt auf die Eckpunkte über-
I führt werden. Dabei können diese Eck-
a b punkte I, II und III mit einem beliebigen
Abb. 447a u. b. Überführung einer Netz in Verbindung stehen. Wir nehmen zu-
Stempunktbelastung auf die
Eckpunkte.
nächst an, daß die Punkte I, II und III
gleiches Potential haben. Die drei Punkte
können dann zusammengeiaßt werden. Man erhält drei parallel ge-
schaltete Leiter mit den Widerständen T1 , T2 und T3 (s. Abb. 447b) und
der Stromabnahme I am Ende. Der Ersatzwiderstand Ta für die drei
Netzumwandlungen 439
parallel geschalteten Widerstände berechnet sich aus
__!__
ro
= __!__
rl
+ + _!_ra •
__!__
Tz

Im Sternpunkt des Netzgebildes wird infolge der Stromabnahme I das


Potential um den Betrag
Llu0 = Ir0
niedriger sein als an den Speisepunkten. Da nun der Spannungsabfall
am Sternpunkt bekannt ist, können die in den einzelnen Leitungen
fließenden Ströme ermittelt werden. Sie ergeben
sich zu:
11= Iro; 12= Iro; ls= Iro. (173) 'Jt•ft
r1 r8 r8
Statt diese Ströme in die Leitungen hineinfließen
zu lassen, kann man, ohne an den Strom-
und Spannungsverhältnissen des angeschlossenen
Netzes etwas zu ändern, annehmen, daß diese
Ströme als zusätzliche Belastungsströme 'zu den Abb. "8. Netzstem, bel dem
Strömen I[, 1[1 und I[u (s. Abb.445c) an den sämtliche Belastungen aufdie
Eckpunkte iiberführt slod.
Punkten I, II und III angreifen (s. Abb. 448).
Man kann also eine Belastung vom Sternpunkt auf die benachbarten
Netzpunkte übertragen. Da unsere Eckpunkte I, II und III normaler·
weise ungleiches Potential haben, werden durch den Stern noch zusätz-
liche Ausgleichsströme fließen, die uns jedoch im Augen\Jlick nicht
interessieren.
Abb. 449a zeigt einen vierpoligen Netzstern, Abb. 449b ein allge·
meines Viereck, bei dem sämtliche ·Ecken miteinander verbunden sind.

J
a
Abb. 449 a u. b. Widerstandstreue Umbl!dung eines VIelecks in elo Vlelselt.

Die Widerstandswerte sind in beiden Abbildungen eingezeichnet. Es sei


nachgeprüft, ob sich ein Stern stets in ein widerstandstreues Vieleck
umwandeln läßt (bzw. umgekehrt), wobei wir unter Widerstandstreue
die Eigenschaft verstehen, daß die im anstoßenden Netz herrschenden
Strom· und Spannungsverhältnisse unverändert bleiben, einerlei ob
man den Stern oder das Vieleck im Netz eingeschaltet hat. Für das
440 Die Berechnung elektrischer Netze

Potential u0 des Sternpunktes gilt, wenn die Potentiale der Eckpunkte u1 ,


u 2 usw. sind, die Sternpunktsgleichung

(174)

Da im Netz der Abb. 449 für die Ströme nur die Potentialunterschiede
maßgebend sind, nicht jedoch die absoluten Größen der Potentiale,
können wir deren Nullpunkt so wählen, daß beispielsweise das Potential
des Punktes 3 gleich Null ist, d. h. u3 =0. Der dem Punkt 3 durch den
Widerstand r3 zufließende Strom 13 hat dann den Wert

(175)

Wir betrachten jetzt das Vieleck der Abb. 449 und berechnen ebenfalls
die Ströme, welche dem Punkt 3 zufließen. Besitzen diese Ströme zu-
sammen die Größe I~, so gilt:

(176)

Sind Vieleck und Stern widerstandstreu, dann muß 13 gleich 13 sein, und
zwar bei beliebigen Potentialen der anderen Eckpunkte. Die Überein-
stimmung der GI. (175) und (176) ist unter diesen Voraussetzungen nur
gegeben, wenn folgende Beziehungen bestehen:
T _ 1 T _ 1 T _ 1
-0 - - , -0 - - , -0 - - . (177a)
T1 Ta T1s Ts Ta Tsa Ta T4 Tat

Ähnliche Gleichungen gelten auch für die anderen Eckpunkte, so daß,


falls wir beliebige Eckpunkte mit v und p. bezeichnen, allgemein gilt:
r. · Tp
r,,.=--·
To
(177b)

Wir können also stets einen Stern mit gegebenen Widerständen in ein
Vieleck verwandeln. Die Größen der Widerstandswerte der Vieleckseiten
lassen sich nach GI. (177b) berechnen.
Die Umwandlung eines Vielecks in einen Stern erscheint zunächst
ebenfalls durchführbar, ist jedoch im allgemeinen nicht möglich. Das
allgemeine Viereck nach Abb. 449b hat z. B. 6 Seiten, es ergeben sich also
6 Gleichungen entsprechend GI. (177b), aus denen wir jedoch nur die vier
Sternseiten, also vier Unbekannte ermitteln wollen. Die Aufgabe der
Umwandlung eines Vielecks in einen Stern ist daher überbestimmt, so
daß die Umwandlung im allgemeinen nicht möglich ist. Eine Ausnahme
macht die Umwandlung eines Dreiecks in einen Stern, da hier die Zahl
der Widerstände sowohl beim Dreieck und beim Stern gleich 3 ist, eine
Überbestimmung der Gleichungen damit nicht vorliegt.
Netzumwandlungen 441
Da die Umwandlung eines Sterns in ein Dreieck bzw. umgekehrt oft
vorkommt, seien die Formeln hierfür noch angegeben. Nach GI. (l77b)
gilt für den Fall des Dreiecks:

ri2 =r 1-
r 2 = rlr2 ( -1 + -1 + -1 ) = -r 1r 2 + rl + r2.
ro rl ra ra ra
Für die übrigen Dreiecksseiten gelten sinngemäße Formeln. Es ist:

r12=-
r1r2
ra +rl + r2, 1
r2a=- r2rs+ r2 + ra' (178)
rl r
rarl + '
rai = T;- ra i r1 · J
Um nun den Stern aus den gegebenen Dreiecksseiten r12, r23 und r31
berechnen zu können, gehen wir von folgenden drei Gleichungen aus:

oder
(179)

. I'!Zieren
Mu Itlp . . d'1e GIew
Wir . h ungen r 12 = -rlr2 un d r23 =rsrs .
- m1tein·
ro ro
ander, dann ergibt sich
(180)

Durch Division dieser Gleichung durch Gl. (179) erhält man schließlich:

Sinngemäß gilt für die anderen Sternseiten ähnliches, so daß wir für die
Umwandlung eines Dreiecks in einen Stern folgende Beziehungen er-
halten:
r2lral
rl=
r12 + rsa + r31 '
r32r12
1181)
r2=
+
r12 r2a r31 + '
____rlo.ea_,r2"'-a__
ra-
+
r12 r2a r31 +
Ein Beispiel möge den Rechnungsgang bei einer Netzumbildung zeigen: Ge-
geben ist das Netzgebilde der Abb. 450a. Bringt man die Belastungen durch
Ermittlung der Komponentenströme auf die Knotenpunkte, dann ergibt sich
442 Die Berechnung elektrischer Netze

Abb. 450b. Ersetzt man da.s linke und das rechte Dreieck durch einen wider-
standstreuen Stern, der nach GI. (181) berechnet werden ka.nn, so geht da.s Netz.
gebildein die Form der Abb. 450c über. Bringt man die Ströme auf die Knoten-
punkte x und y, so entsteht Abb. 450d. Jetzt ka.nn man die beiden parallel
geschalteten Leitungen zu einer Resultierenden zusammenfassen (Abb. 450e).
Da die Potentiale ur und urr. die verblei-
benden beiden Stromabnahmen lx und ly
undsämtliche Widerstandswerte bekannt sind,
können die Potentiale Ux und -uy, man hat
jetzt eine zweiseitig gespeiste Strecke vor
sich, berechnet werden. Nachdem Ux und Uy
ermittelt sind, bilden wir unser Ersatzbild in
I das der Abb. 450c zurück. Da die Potentiale
in Ux und Uy, die Widerstandsverhältnisse
und auch die Ströme il' i 2 , i 3 , i 4 bekannt sind,
c können die Potentiale der Eckpunkte ul' u 2,
I n u 3 und u 4 berechnet werden. Man kann die
zwischen x und y liegenden Leitungen wieder-
iJ ig um als zweiseitig gespeiste Strecken auf-
d~24
1 x ll
fassen. Die ermittelten Potentiale ul' u 2 , u 3
3 'I
und u 4 stimmen mit den Eckpunktspoten-
tialen der Abb. 450 a überein, so daß man
e 1:1 t4 ,n nun zur Ausgangsform des Netzes zurück-
I= ·x Y
kehren kann. Falls noch die Potentiale bzw.
Abb. '50 a-e. Belspiel für Spannungsabfälle zwischen den Eckpunkten
Netzumblldung.
bei gegebenen Stromabnahmen gesucht sind,
kann man diese jetzt auch berechnen, wobei man nur die Gesetze für die zwei-
seitig gespeiste Strecke anzuwenden hat.
Wir wollen noch den Beweis liefern, daß man jedes beliebige Netz-
gebilde mit der Methode der Netzumbildung berechnen kann. Es sei
der Betrachtung das Netz der Abb. 451 mit den drei Speisepunkten J,

Abb. 451 a-d. Vereinfachung eines Netzes durch Netzumblldung.

11 und 111 zugrunde gelegt. Es soll versucht werden, durch Netzumbil-


dung einen Knotenpunkt nach dem anderen fortzuschaffen. Fängt man
mit dem Knotenpunkt A an, so kann man den vierpoligen Stern durch ein
Vieleck ersetzen, welches in der Abb. 451 b gestrichelt eingezeichnet ist.
Faßt man die parallel geschalteten Strecken zusammen, so entsteht das
Netzgebilde der Abb. 451 c. Der Knotenpunkt A ist verschwunden und
nur noch der Knotenpunkt 0 vorhanden. Verwandelt man den nach dem
Knotenpunkt 0 führenden Stern in ein Dreieck, so ergeben sich die ge-
strichelten Dreiecksseiten der Abb. 451 d. Durch Zusammenfassen der
Die Bemessung von verästelten Leitungen 443
parallel geschalteten Seiten hat man schließlich das ursprüngliche Netz-
gebilde auf das Dreieck I, Il, III reduziert. Eigentlich hätte man die
Umwandlung schon mit der Abb. 451c beenden sollen, da das Potential
des Punktes 0 nach GI. (172) berechnet werden kann. Ist u 0 bekannt,
dann läßt sich u.a in Abb. 451 a ebenfalls nach GI. (172) berechnen. Bei
komplizierteren Netzen macht die Berechnung nach dieser Methode eben-
falls sehr viel Arbeit.

F. Die Bemessung von verästelten Leitungen


Es sei ein Leitungsgebilde entsprechend Abb. 452 a gegeben. Von
einer Stammstrecke mit der Länge l 0 gehen eine Reihe von Abzweig-
leitungen l 1 , l 2 usw. aus. Die Belastungen auf den Strecken seien bereits
auf die Knotenpunkte gebracht, so daß, falls nur zwei Abzweigleitungen
vorhanden sind, wir Abb. 452 a erhalten. Der Spannungsabfall am Ende
der Leitungen an den Punkten 1
1
und 2 soll L1u betragen. Gefragt wird
nach dem Leitungsquerschnitt der ao..r_ _.....;l;::.o_ _......:;;('
Leitungen. Der Spannungsabfall auf
der Stammstrecke L1u0 und der
Spannungsabfall L1u' in den Ab- Zu A Ä z
zweigen können innerhalb gewisser b ~--~--......;;o.......!l:..,...,
Werte gewählt werden, ohne daß lo A Jl 1-ig+.l:i
dabei der Gesamtspannungsabfall L1u c ======::::5~:......,
beeinflußt zu werden braucht. Ist
10 V d
Z. B • LJ'U =
A
, ann kann LJ'Uo A Abb. 452a-c. Stammleitung mit
mehreren Abzweigen.
zu 6 V und der Spannungsabfall auf
den Strecken A -1 und A- 2 zu je 4 V gewählt werden. Genau so gut
kann man aber auch für L1u0 = 2 V und für den Spannungsabfall auf den
Strecken A-1 und A-2 je 8 V annehmen. Unter diesen verschiedenen
Möglichkeiten ist daher sicher eine, welche am günstigsten ist. Wir wollen,
um zu einer eindeutigen Lösung zu gelangen, die Forderung stellen; daß
die Materialmenge, also das Volumen der Leitungen möglichst klein sein
soll. Der Spannungsabfall auf der Strecke A-1 und A-2 sei L1u'. Es
gilt dann:
L1u' = it lt ' Llu' = i2 12 •
"'ql "'q2
Multipliziert man Zähler und Nenner die;;er Gleichungen mit l 1 bzw. l 2 ,
so erhält man, da q1 l1 = V1 bzw. q2 l 2 = V2 das Volumen der jeweiligen

l
Strecke ist,
oder
(182)
J
444 Die Berechnung elektrischer Netze

Das Gesamtvolumen der beiden Strecke-n l1 und l2 ist


V='ll · t•+ I·•z• 2
"Liu'
oder allgemein geschrieben
:E il•
V=-. (183)
"Llu'
Wir denken uns im folgenden die Leitungen 11 und l2 durch eine einzige
fiktive Leitung von der Länge it ersetzt, die gleichen Spannungsabfall Llu'
wie die Einzelstrecken haben soll und die vom seihen Strom durchflossen
wird wie die Stammstrecke 10 • Da der Strom der Stammstrecke gleich
I= i 0 +i +i
1 2 (184)
ist, ergibt sich für das Volumen des fiktiven Leiters
J).B
V=---. (185)
"Llu'
]fordern wir, daß das Volumen des fiktiven Leiters gleich dem der beiden
Teilstrecken ist, so gilt:
J).l ;};ilZ
"Liu'- "Liu'
oder A. = yxt. (186)

Da sowohl die Stammstrecke, als auch der fiktive Leiter vom gleichen
Strom I durchflossen wird, erhält man das Ersatzbild nach Abb. 452b.
Je nachdem, ob wir den Querschnitt der Stammstrecke l 0 groß wählen
(s. Abb. 452c) und den Querschnitt der Strecke it entsprechend klein be-
messen, haben wir es in der Hand, bei gleichem Gesamtspannungsabfall
Llu den Spannungsabfall Llu0 im Punkte A verändern zu können. Es ist
jedoch einleuchtend und läßt sich auch streng mathematisch nachweisen,
daß das kleinste Gesamtvolumen bei gegebenem Spannungsabfall vor-
handen ist, wenn sowohl der Querschnitt auf der Stammstrecke, als auch
der Querschnitt auf der fiktiven Strecke gleich sind. Bei gleichem Quer-
schnitt q0 für beide Strecken gilt dann

qo = I~+~
HAu.
8
(1 7)

Für Llu0 ergibt sich damit


LI u0 = llo . (188)
qo"
Der Spannungsabfall auf den Einzelstrecken beträgt demnach:
Llu' = Llu- Llu0 • (189)
Man findet schließlich die Leiterquerschnitte für die Einzelstrecken zu
(190)
Die Bemessung von verästelten Leitungen 445
bzw.

Bei obiger Berechnung hatten wir gefordert, dai3 der Materialaufwand


ein möglichst geringer sein soll. Unter Umständen können andere Forde-
rungen zweckmäßig sein, z. B. kann man die Leitung so bemessen, daß
bei gegebenem Spannungsabfall kleinste Verluste vorhanden sind.
Wenn man schnell rechnen will, kann man ein Verfahren anwenden,
welches recht brauchbare Werte liefert, sofern die Leitungslängen l 1 , l 2
usw. nicht gar zu verschieden lang sind. Man denkt sich die Leiter-
längen durch eine mittlere Länge lm = 11 + 12 + · · · ln ersetzt und fordert,
n
daß der Spannungsabfall proportional den Längen ist. In diesem Fall
gilt für Llu0 :
1
Lluo = Llu - l
lo_l_. (191)
o+ m
Nachdem Llu0 bekannt ist, können a
100
die Querschnitte q1 , q2 ••• berech-
net werden. Sind die Abzweig-
leitungen gleich lang, so würde das
vereinfachte Berechnungsverfahren
zur Folge haben, daß in sämtlichen b
Leitern gleiche Stromdichte j vor-
handen ist, da dann unabhängig i(;~s
vom Querschnitt der Spannungs·
abfall proportional der Länge zu-
nimmt Abb. 453a u. b. Strombelastungen für Beispiel.

( .du= !i_ =
uq
lj).
"
Beispiel. Es sei die Drehstromleitung (220/380 V) nach Abb. 453a so zu
bemessen, daß der Materialaufwand möglichst klein sei und der Spannungsabfall
etwa 3% betrage.
Ermittlung der Komponentenströme
." = _!5. 100 = 10 A i~= 15 -10=5A.
to 150 '
." 10·50+20·100
t, = 100 25A, i{ = (20 + 10)- 25 =5A.
i~ =25A,
Es ist der Strom der Stammstrecke
I = (i{ + i; + i;) + i; + i; = 5 + 0 + 10 + 25 + 25 = 65 A.
Es ist die fiktive Länge

i. = l/ .E
I
il2 = 1 j 25 · 1002 + 25 · 80 2 = 79 m .
V 65
446 Die Berechnung elektrischer Netze

Es ist ferner Llu = 1 ~ · 220 = 6,6 V; es gilt


6,6. 150
Lluo = 150+79 = 4,32V.
Es ergibt sich für die Strecke 10
- ~- 65. 150 - 2.
- 34,8 • 4,32- 65 mm '
qo- "Liu 0
gewählt wird

Dann wird
65
Llu 0 = 70 · 4,32 = 4 V.
Für die Abzweigleitungen verbleibt dann Llu' = 6,6 - 4 = 2,6 V. Es wird
100 ' 25 -276
lliT -- 34
- "Liu'
gl- ,8 . 2,6 - , gewa"'hlt w1r
. d g1--25 mm2 ( evt l. ~tue h q1--35 mm1) •

Es Wir lzi; = 80, ' .25, = 221


"d q2 = "Liu'- , ; gewa""hlt w1r
'd q2 = 25 mm2.
34 8 2 6

G. Leitungsberechnung und Leitungsbemessung


nach der Schnittmethode
Eine Methode, die vermaschte Netze nachzurechnen erlaubt und mit
der man auch Netze bemessen kann, ist die Schnittmethode. Sie sei
am Netzgebilde der Abb. 454 a erläutert. Man geht hierbei so vor, daß
man zunächst solche
Stellen des Netzes auf-
I sucht, von denen man
vermutet, daß sie tiefstes
Potential haben, alsovon
zwei Seiten aus ihren
Strom erhalten. Ist dies
an den Punkten a und b
der Fall, so denkt man
sich hier die Leitung
Abb. 454a-c. Bestimmung der Spannungsabfälle durch
Schnittmethoden. aufgeschnitten. Man er-
hält dann das Ersatzbild
der Abb. 454b. Man führt allgemein so viele Schnittstellen ein, daß
das vermaschte Netz in Gebilde zerfällt, die leicht berechenbar sind.
Da an der Schnittstelle a der Strom von beiden Seiten zufließen soll,
wird von der oberen Leitung der Strom J]. und von der unteren Leitung
der Strom I~' zufließen. Wie groß beide sind, ist zunächst unbekannt,
ihre Summe muß in a jedoch 11 ergeben. Man schätzt zunächst I]. und li'
und führt ähn1iche Schätzungen an der Stelle b dureh. Man kann dann
den Spannungsabfall in a' und a", desgleichen in b' und b" berechnen.
Leitungsberechnung und Leitungsbemessung nach der Schnittmethode 447
Sind I~ und I~' richtig gewählt worden, dann muß der Spannungsabfall
im Punkt a' gleich dem im Punkt a" sein. Gleiches gilt für b' und b".
Sollte jedoch herauskommen, daß a" einen Spannungsabfall von 10 V,
a' dagegen nur einen von 5 V aufweist, dann war I~' zu groß und I~ zu
klein gewählt. Man muß jetzt neue Werte für I{ und I~' annehmen und
nochmals nachprüfen, ob nun der Spannungsabfall in a' und a" annä-
hernd gleich ist.
Mitunter führt folgendes Verfahren recht schnell zum Ziel: Hat man,
wie eben angenommen, bei der ersten Annahme herausbekommen, daß
zwischen a' und a" eine Differenz von 5 V besteht, dann kann man sagen,
daß diese 5 V, falls die Punkte a' und a" miteinander verbunden werden,
einen Ausgleichsstrom Ia herbeiführen, der näheru~gsweise berechnet
werden kann, indem man den Spannungsunterschied durch den Wider-
stand der Strecke 1-4 teilt. Dieses Verfahren ist jedoch nur ein Nähe-
rungsverfahren, welches voraussetzt, daß Ia vorwiegend durch r14 be-
stimmt. ist. Die Spannungsabfälle
n b
in a' und a" müssen mit der neuen
Stromverteilung nochmals kon- a,
az
trolliert werden. e c
aJ
Bei Anwendung des Schnitt- a~
verfahrens ist es nicht unbedingt d
notwendig, daß der Schnittpunkt a
Abb. 455a u. b. Bemessung eines Netzes
an eine Stelle größten Spannungs- nach der Schnittmethode.
abfalls gelegt wird. In Abb. 454 c
ist der Schnittpunkt bei 1 angenommen worden. Um beim Zusammen-
setzen der Schnittstelle Potentialgleichheit zu erhalten, muß man jedoeh
beachten, daß in die geschnittene Leitung 1-4 Strom hineinfließt, man
also eine negative Stromabnahme / 0 einführen muß, die zunächst ge-
schiitzt werden muß, man andererseits am Schnittpunkt 1 eine ent-
spreehende Stromabnahme / 0 vorzusehen hat. Die Schnittmethode, die
ein Probierverfahren darstellt, führt bei einiger Übung meist rascher zum
Ziel als die anderen Verfahren.
Die Schnittmethode läßt sich auch mit Vorteil bei der Bemessung
von Leitungen anwenden. Ist etwa das Netz der Abb 455a mit den
Speisepunkten I und [[gegeben, so kann man eine Reihe von Schnitt-
punkten wählen, an denen man größten Spannungsabfall wünscht. Dies
sei an den Stellen a1 , a2 , a 3 , a4 der Fall. Die Schnittstellen müssen selbst-
verständlich so gelegt werden, daß möglichst einfache Leitungsgebilde
entstehen, die leicht berechnet werden können (deshalb auch noch einen
Schnitt bei b). Nach Durchführung der Schnitte erhält man das Ersatz-
schema der Abb. 455b. Nimmt man an, daß an den Stellen a1 , a2 , a 3 , a4
der zugelassene Spannungsabfall LI u auftreten soll, so lassen sich sämt-
liche Leitungsquerschnitte nach den bekannten ·Methoden berechnen
448 Die Berechnung elektrischer Netze

und auch beim Verbinden der Schnittstellen werden keine Ausgleichs-


ströme fließen. Bei einer solchen Berechnung wird jedoch herauskom-
men, daß beispielsweise dt-r Querschnitt der Strecke c-a2 ein anderer
sein muß, wie der der Strecke e-a.2• Dies dürfte jedoch im allgemt-inen
nicht zulässig sein, auch wird man für die Strecke e-c einen genormten
Querschnitt verwenden. Diesen wählt man zweckmäßigerweise so, daß
er zwischen den rechnerischen Querschnitten der Strecken e-a2 und
a2-c liegt. Wenn man auf diese Weise neue Querschnitte eingeführt hat
(man wird versuchen, mit möglichst wenigen Quersehnitten auszukom-
men), werdt-n die Schnittstellen a 1, ~. a3 usw. jetzt nicht mehr größten
Spannungsabfall haben. Man muß daher das neue Netz nochmals nach-
rechnen, ob an keiner Stelle der Spannungsabfall zu groß wird, bzw. in
einem solchen Falle eine Querschnittsverstärkung vornehmen. Die Nach-
rechnung kann nach der Methode der Netzumbildung oder wiederum
nach der Schnittmethode erfolgen.

H. Die Berechnung des Spannungsabfalls bei Dreiphasen-


strom unter näherungsweiser Berücksichtigung der
Induktivität und der Phasenverschiebung
Die bis jetzt abgeleiteten Formeln gelten voraussetzungsgemäß für
Leitungen, welche nur ohmseben Widerstand aufweisen und entweder
von Gleichstrom oder von Wechselstrom mit der Phasenverschiebung
Null durchflossen werden. Die erhaltenen Beziehungen für den Span-
nungasbfall haben unter obigen Voraussetzungen auch unverändert Gül-
tigkeit für eine symmetrisch belastete
Drehstromleitung. Ist an einer Stelle
der Drehstromleitung die abgenommene
Leistung gleich N, so ist, falls U die
verkettete Spannung ist, der in der
Zuleitung fließende Phasenstrom all-
gemein gleich
N
l=-:-=-- (192)
UV3cos q.>
oder bei cos rp = l
Abb. 456. Spannungsstern N
mit Spannungsabfall. l=--
V3U .
Dieser Phasenstrom ist unabhängig davon, ob der Verbraucher im Stern
oder im Dreieck an das Netz angeschlossen ist. Abb. 456 zeigt den Span-
nungsstern für ein Drehstromsystem. Die Phasenspannung am Anfang
der Leitung sei UAo, der Spannungsabfall in jeder Phase gleich Au.
Beim Verbraucher ist also die Spannung U vorhanden. Man erkennt,
Die Berechnung des Spannungsabfalls bei Dreiphasenstrom 449
daß, symmetrische Belastung des Drehstromsystems vorausgesetzt, beim
Abnehmer die Spannungen U}.. der drei Phasen gleich groß und in der
Phase um I20° verschoben sind. Meist ist der Spannungsabfall in Pro-
zenten der Nennspannung angegeben. Man muß beachten, daß bei einem
Drehstromsystem der Spannungsabfall stets nur von der Phasenspannung
UAO abgezogen werden darf und nicht von der verketteten Spannung U0 •
In unserem Falle ist der Spannungsabfall in Prozenten (bezogen auf die
Spannung am Abnahmeort) gleich
ö
• Llu% = ~ · 100 = ~Va · IOO. (I93)
U;.. U
Die bis jetzt angenommenen Vereinfachungen, daß die
Leitung keine Induktivität habe und daß die Strom-
abnahmen mit einem cos rp = I erfolgen, sind praktisch
kaum vorhanden. Es sei deswegen versucht, die wahren
Verhältnisse nähenmgsweise zu berücksichtigen. In
Abb. 457 ist das Diagramm für eine Phase aufgezeichnet.
U;.. sei die Spannung beim Verbraucher, I der abgenom-
mene Strom, der gegen die Spannung UA eine Phasen-
verschiebung rp besitzt. Die Spannung U)..o am Anfang
der Leitung erhalten wir, indem wir vom Verbraucher
ausgehend zu UA gleich_sinnig mit dem Strom I den ohm-
sehen Spannungsabfall] r und dem Strom um 90° vor- 0
eilend, den induktiven Spannungsabfall I X antragen. Abb. 457. Dia-
gramm. zur Berück-
Den Spannungsabfall auf der Leitung Prhält man sichtigung der In-
duktivltät und
exakt, wenn man algebraisch U).. von U}..o abzieht. Der der Phasenver-
schiebung,
Spannungsabfall ist gleich der Strecke a-b der Abb. 457
(0- a erhält man durch den Kreis mit U A um 0). Aus der Abbildung
kann man entnehmen, daß mit ziemlicher Annäherung der Spannungs-

l
abfall Llu gleich der Streckec-d gesetzt werden darf. Es kann dann für
den Spannungsabfall geschrieben werden:

Llu=Ircosrp+IXsinrp,
(194)
Llu=Ircosrp(I+ ;tanrp)·
Setzt man
X
I+ - tanrp = k, (195)
r

so geht die Gleichung über in die Form


Llu= I cosrprk. (I96)
Beachtet man, daß I cos rp = I w• also gleich dem Wirkstrom ist, so er-
gibt sich:
(I97)
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 29
450 Die Berechnung elektrischer Netze

Aus dieser Gleichung folgt, daß man bei Berücksichtigung der tatsäch-
lichen Leitungsverhältnisse annäherungsweise so rechnen darf, als ob
von der Leitung nur Wirkströme abgenommen würden und der ohmsehe
Widerstand der Leitung um den Faktor k größer wäre. k ist 1, wenn die
Induktivität der Strecke bzw. die Phasenverschiebung gleich Null ist.
Sonst ist k größer als 1, z. B. bei einem 95 mm2-Dreiphasenkabel aus
Kupfer bei cos fP = 0,9 ist k = 1,18, bei cos qJ = 0,8 hat k den Wert 1,28.
Weist die betrachtete Strecke konstanten Querschnitt auf, dann ist
lk
Llu=lw~· (198)
xq

Zur Berechnung des Faktors k benötigt man die Reaktanz der Leitung.
Für ein Niederspannungskabel (1 kV isoliert) ergibt sich beispielsweise
die Induktivität pro km und
Phase in Abhängigkeit vom
Querschnitt aus Abb. 458. Es
istX=wL=2nfL. Beif=50
ergibt sich X = 314 L. Es
ist L in Henry einzusetzen
1 (1 mH = 10-3 Henr~·).
Die Betrachtungen, die wir

.
bis jetzt für einen einzigen Ab-
nehmer durchgeführt haben,
0 ta'{} ~00 .JOO mm, I{(}(}.
fuersehniff gelten auch, falls mehrere Ab-
Abb. 458. Induktivität eines 1 kV Dreileiterkabels nehmer vorhanden sind.
(niiherungsweise gültig auch für Vlerleiterkabel). Die angenäherte Berech-
nung des Spannungsabfalls
unter Berücksichtigung der Leitungsinduktivität und der Phasenver-
schiebung zwischen Strom und Spannung läßt sich allgemein auf die ein-
seitig gespeiste Strecke anwenden, auf die zweiseitig gespeiste Strecke
jedoch nur, wenn das Verhältnis von Leitungsinduktivität und ohmscheu
Widerstand über die ganze Leitung konstant ist (s. S. 487).
Bei Netzberechnungen wird man meist so vorgehen, daß man mit
einem mittleren Wert für k, der sich aus einem mittleren cos fP und einem
mittleren Querschnitt q ergibt, rechnet. In die Berechnung einzuführen
sind, wie abgeleitet, nur die Wirkströme und der ohmsehe Widerstand
der Leitung (Au= lwr). Der sich dann ergebende Spannungsabfall ist
um den Faktor k zu vergrößern. Soll der Querschnitt q einer Leitung
berechnet werden, so muß der Faktor k, der ja vom Querschnitt ab-
hängig ist, zunächst geschätzt werden. Es sei betont, daß die gebrachten
Näherungsrechnungen nur gelten, falls der Spannungsabfall nicht zu groß
ist. Ist dies jedoch der Fall, so sind die im Kapitel K gebrachten Me-
thoden anzuwenden.
Niederspannungsmaschennetze 451
I. Niederspannungsmaschennetze
In Großstädten, in denen die Straßenzüge meist quadratisch oder
rechteckig angeordnet sind, wird man die Niederspannungsverteilungs-
kabel längs dieser Straßenzüge verlegen. Dabei erweist es sich als zweck-
mäßig, wenn an den Kreuzungsstellen die Kabel miteinander verbunden
werden, so daß ein vermaschtes Netz entsteht. Die Abb. 459a-d zeigen
quadratisch angeordnete Niederspannungskabelnetze, welche mit der Lage
der Straßenzüge zusammenfallen sollen.
Die kleinen eingezeichneten Kreise seien
die Einspeisestellen der Transforma- a
torenstationen. In der Abb. 459a ent-
fällt auf den Flächeninhalt einer Masche
(schraffierte Fläche), also auf die
Größe l 2 , eine Transformatorenstation;
das Netzgebilde hat die spezifische
Maschenzahl m = 1. In der Abb. 459b
sind weniger Transformatorenstationen
angeordnet. Hier entfällt eine Trans-
formatorenstation auf den doppelten
Flächeninhalt einer Masche, die spezi-
fische Maschenzahl ist damit m = 2.
Die Abb. 459c und d zeigen die Anord-
nung der Transformatorenstationen bei
spezifischen Maschenzahlen m = 4 und
m = 8. Es ist selbstverständlich, daß
die Straßenzüge nicht wie in den d
Abb. 459 dargestellt, quadratisch ange-
ordnet sein müssen; sie können auch
rechteckig sein, auch können die Trans-
Abb. 459a-d. Maschennetze mit verschie-
formatorenstationen anders eingesetzt dener Zahl und Lage der Spe!sepunk.te.
sein, etwa wie die Abb. 460 zeigt.
AufS. 426 war darauf hingewiesen worden, daß das Maschennetz in
bezugauf Spannungsabfall sehr günstig ist. Ein Vorteil der vermaschten
Netze besteht ferner darin, daß man zu belastungsschwachen Jahres-
zeiten (Sommer) eine Reihe von Transformatorenstationen außer Betrieb
nehmen kann, so daß Leerlaufverluste vermieden werden. In Maschen-
netzen ist es unnötig, jede Transformatorenstation mit zwei Transfor-
matoren zu versehen (s. S. 426), da bei Ausfall einer Transformatoren-
einheit die übrigen Stationen die Speisung des zum kranken Transforma-
tor gehörenden Netzbezirkes übernehmen. Man kommt daher mit einem
Transformator in jed~r Station aus. Ein weiterer Vorteil des Maschen-
netzes ist, daß, wenn ursprünglich das Netz mit verhältnismäßig wenig
29*
452 Die Berechnung elektrischer Netze

Transformatorenstationen ausgerüstet war, späterhin jederzeit die Mög-


lichkeit besteht, bei größer werdender Netzbelastung zusätzliche Trans-
formatoren an den noch freien Knotenpunkten anzubringen. Man kann
damit ohne Vergrößerung der Leitungsquerschnitte den Spannungsabfall
verkleinern. Vorausgesetzt ist dabei allerdings, daß die Kabel thermisch
nicht überbeansprucht werden. Schaltungstechnisch sind diese Trans·
formatorenstationen sehr einfach, da, wie auf S. 352 angegeben, nur auf
der Niederspannungsseite ein Schalter (Rückwattschalter) vorgesehen
wird.
Der Spannungsabfall in einem vermaschten Netz kann im allgemeinen
nicht berechnet werden, da die Stromabnahmen in einem derartigen Netz
nie ganz regelmäßig verteilt sind und das Netz an sich ebenfalls Unsym-
metrien aufweist. Die Rechenarbeit würde damit derart groß werden,

][ I
I
I
li c I
1--Z- I
I
a b lA
I
I
I
][ i
a

Abb. 460a-g. Maschennetz aufgeschnitten, um die Berechnung zu ermöglichen.

daß sie nicht geleistet werden kann. Man ist deshalb bei vermaschten
Netzen darauf angewiesen, sie entweder in Modellen nachzubilden und
sie experimentell zu untersuchen oder man muß sich die Maschennetze
in bezugauf ihre Gestalt und Belastung derart vereinfachen, daß sie mit
einem vernünftigen Rechenaufwand gelöst werden können.
Wie eine solche Rechnung durchgeführt wird, sei an Hand der
Abb. 460 a gezeigt. Es sei dabei vorausgesetzt, daß pro m Straßenlänge der
abgenommene Strom die Größe j habe. In unserem Beispiel ist weiterhin
angenommen, daß die Straßenlänge konstant und gleich l sei. Es ist,
wenn man die Abbildung betrachtet, leicht einzusehen, daß der größte
Spannungsabfall im Punkte A vorhanden ist. Um diesen Spannungs-
abfall berechnen zu können, legen wir eine Reihe von Symmetrieschnit-
ten, und zwar die Schnitte I-I, II-Il, Ill-III und IV-IV. Durch
den Schnitt I-I wird die linke Netzhälfte von der rechten getrennt. Der
Schnitt II-Il, desgleichen die Schnitte III-III und IV-IV werden
so gelegt, daß sie längs der Leitung verlaufen. Damit wird der Leitungs-
zug in zwei Leitungen, die je halben Querschnitt aufweisen und auch nur
halbe Belastung führen, aufgetrennt. Abb. 460b zeigt, welches Leitungs-
gebilde für unsere Berechnung übrig bleibt, nachdem die oben erwähnten
Niederspannungsmaschennetze 453

Symmetrieschnitte gelegt worden sind. Setzt man vereinfachend zu-


nächst den Widerstand einerungeschnittenen Straßenseite gleich 1, dann
haben die Leitungszüge (geschnittene Leitungen sind gestrichelt gezeich-
net) die in Abb. 460b angegebenen Widerstände. Nur auf der Straßen-
länge c-b ist der Leiter nicht geschnitten, so daß sein Widerstand die
Größe 1 hat. Die übrigen Leiter sind geschnitten, so daß ihr Widerstand
verdoppelt wurde. Der Widerstand der Streckeb-A hat den Wert 1,
da er bei halber Länge halben Querschnitt aufweist. Pro Straßenlänge
ist die Belastung j · l vorhanden. Wird ein Schnitt längs einer Leitung
gelegt, dann entfällt auf eine derart geschnittene Leitung nur die Be-
lastung ~l • Bringt man die einzelnen Belastungen auf die Eckpunkte
und läßt vereinfachend in der Abb. 460c die Bezeichnung jl fort, dann
ergeben sich die eingezeichneten Strombelastungen. In Abb. 460 d sind
diese Strombelastungen in den Eckpunkten zusammengefaßt, in Abb.460e
die Belastungen in den Punkten c und a auf den Punkt b reduziert
(die entsprechenden Strombelastungen an der Einspeisestelle wurden
nicht eingetragen, da sie auf den Spannungsabfall keinen Einfluß haben).
Die Abb. 460 f zeigt den resultierenden Strom im Punkt b, er beträgt~:,
streng genommen~: j l. Ersetzt man die Parallelschaltung der Wider-
stände (Abb. 460f) durch einen einzigen Widerstand von der Größe
3. 4 12 12 l
- - =-, oder streng genommen -7 - (s. Abb. 460g), dann kann
3+4 ·7 uq
der Spannungsabfall im Punkte b berechnet werden. Er ergibt sich zu:
LI 12 l 23 . l 23 ;zz
Uo=7uq.12 1 ' ='fuq'
Um den Spannungsabfall im Punkte A zu erhalten, ist noch der Span-
nungsabfall der Streckeb-A hinzuzuzählen (gleichmäßige Belastung!).
Dieser Spannungsabfall ergibt sich zu:
Llu' = __!____ • jl = _E_ .
uq 8 8-xq
Der gesamte Spannungsabfall ist damit:
Llu = Lluo + L1u' = (237 + _!__)
8 uq
jl2 = 191 jlZ •
56 uq
In ähnlicher Weise lassen sich die Spannungsabfälle in anderen ver-
maschten Netzen berechnen, sofern die Netze symmetrisch aufgebaut
sind. Man wird deshalb in der Praxis versuchen, näherungsweise die tat-
sächlichen unregelmäßigen Belastungen durch gleichmäßige zu ersetzen
und die Netzgestalt so zu vereinfachen, daß eine Berechnung durchführ·
bar wird. Falls dies nicht möglich ist, müssen Modellversuche vorge·
nommen werden. Für die Netzgebilde der Abb. 459 ist die Größe des je-
weiligen größten Spannungsabfalls angegeben.
454 Die Berechnung elektrischer Netze

Wenn für eine Stadt ein Maschennetz entworfen werden soll, ist zu-
nächst unbekannt, wieviel Transformatorenstationen man vorsehen soll.
Nimmt man wenig Stationen, so ergeben sich große Leiterquerschnitte.
Wählt man die Zahl der St.ationen groß, dann können die Leiterquer-
schnitte klein werden, aber die Transformatorenstationen in ihrer Ge-
samtheit werden teuer. Es gibt also sicher eine günstigste Zahl der Trans-
formatorenstationen, bei der größte Wirtschaftlichkeit vorhanden ist.
Von verschiedenen Verfassern sind unter vereinfachenden Annahmen
hierzu Berechnungen durchgeführt worden. So kommt z. B. MENNY in
seiner Arbeit: "Die wirtschaftliche Bemessung städtischer Drehstrom-
Niederspannungsmaschennetze" zu den in der Abb. 461 gebrachten
Werten. Da~ei geht er von einer symmetrischen Anordnung des Netzes
entsprechend Abb. 459 aus. Die Länge der Straßenzüge ist mit l = 200m
eingesetzt. Unsere Zeichnung gilt für
~f(J
einen Gleichzeitigkeitsfaktor g = 0,55,
.~~~_,___,~~---+---; und g = 1 (s. Abb. 461), d. h. es wurde
120~_,~~~~--~~-; angenommen, daß im Falle g = 0,55
die Summe der Einzellasten, welche ja
~ 101--7-s+'"----+-+----l---l
nicht alle gleichzeitig auftreten 1/0,55
~Q = 1,82 größer ist als die Kraftwerks-
Abb. 461. Zabl der Transformatoren- belastung. Der Berechnung liegt weiter
stationen/km• in Abhängigkeit zugrunde, daß das Hochspannungsver-
der Fliichenbelastung.
teilungsnetz mit 10kV betrieben wird
und daß für Hoch- und Niederspannung als Leitermaterial Kupfer 'ZUr An-
wendung kommt. Es ergeben sich dann in Abhängigkeit von der als gleich-
mäßig angenommenen Belastungsdichte (kW, bezogen auf das Kraft-
werk/km2) die in Abb. 461 aufgezeichneten Kurven. Diese Kurven lassen
sichjedoch auch auf von obigen Voraussetzungen abweichende Verhältnisse
näherungsweise übertragen, da die wirtschaftlichen Maxima flach ver-
laufen. Man wird also beim Entwurf eines Netzes so vorgehen, daß man je
nach der vorliegenden mittleren Flächenbelastung nach Abb. 461 die Zahl
der Transformatorenstationen pro km2ermittelt, entsprechend dieser Zahl
die Transformatorenstationen im Netz einzeichnet und dann den Quer-
schnitt der Leitung in bezugauf den Spannungsabfall bestimmt. Oft muß
jedoch mit Rücksicht auf die Erwärmung der Kabel ein höherer Quer-
schnitt gewählt werden. Es ist zweckmäßig, für die Hauptverkehrsstraßen
mit einem Querschnitt auszukommen. Für die schlechter belasteten
Nebenstraßen wird man einen weiteren, kleineren Querschnitt wählen.
Im folgenden sollen noch einige Angaben über die Kosten gemacht
werden, die beim Ausbau eines Maschennetzes entstehen. Nach den Be-
rechnungen von MENNYl ergeben sich diese wie folgt:
1 Siehe K. MENNY: Die wirtschaftliche Bemessung städtischer Drehstrom·
Niederspannungsmaschennetze. Dissertation Hannover 1935.
Die Berechnung der Induktivität und Kapazität von Netzen 455
Tabelle 17. Netzkosten (nach Perechnung von MENNY)
Anlagekosten je kW für g = 0,75
Belastungs·
dichte Niederspannungs- Transformatoren-~ Gesamtkosten
netz I stationen Hochspannungsnetz

kW/km' % I % % %
500 74 8 18 100
1 000 68 12 20 100
2 000 60 18 22 100
4 000 51,5 26 22,5 100
6 000 48 30 22 100
8 000 46 33 21 100
10000 44 35 21 .100
12 000 41 39 20 100
15 000 41 40 19 100
20000 40 43 17 100

In dieser Aufstellung sind nicht enthalten die Aufwendungen für die


Hausanschlüsse. Kommt ein Dreispannungsnetz zur Anwendung, so tritt
für die dritte Spannung (Netz, Unterwerk) eine Erhöhung der Gesamt-
kosten auf.
Aus der Tabelle folgt, daß die Kosten stark mit der Belastungsdichte
abnehmen. Weiter ist interessant, daß die Kosten für das Hochspan-
nungsnetz etwa nur 1/ 5 der Gesamtkosten ausmachen und daß die Kosten
der Transformatorenstationen mit größer werdender Belastungsdichte
prozentual ansteigen. Da gerade bei Maschennetzen die Transformatoren-
stationen wegen der wegfallenden Reserve und dem fortfallenden Lei-
stungsschalter auf der Hochvoltseite billiger sind als bei Strahlennetzen,
ergibt sich der Vorteil der Maschennetze bei größerer Belastungsdichte.
Infolge der einfacheren und billigeren Transformatorenstationen kann
man in Städten, in denen man schon ein Dreispannungssystem haben
müßte, bei einem Maschennetz unter Umständen mit einem Zweispan-
nungssystem auskommen, falls die Übertragungsspannung erhöht wird.

J. Die Berechnung der Induktivität und Kapazität


von Netzen
a) Allgemeines
Bei den bisherigen Leitungsberechnungen wurde angenommen, daß
für den Spannungsabfall und die Stromverteilung in Netzen vorwiegend
der ohmsehe Widerstand maßgebend ist. Diese Annahme trifft für Nie-
derspannungsnetze, besonders wenn es sich um Kabelnetze handelt, eini-
germaßen zu. Es wurde gezeigt, daß man den Einfluß der vorhandenen
Induktivität und der Phasenverschiebung bei den Abnehmern näherungs-
weise durch einen Vergrößerungsfaktor k berücksichtigen kann.
456 Die Berechnung elekfrischer Netze

Bei Freileitungen höherer Spannung wird der induktive Widerstand


einer Leitung wesentlich größer als der ohmsche, so daß die bisherigen
Rechnungsmethoden nicht immer angebracht sind und durch genauere
ergänzt werden müssen. So wird man oft Vektordiagramme benutzen,
kommt aber bei schwierigen Aufgaben mit diesen allein nicht zum Ziel.
Hier bietet dann zur Lösung der Aufgaben die Methode der symbolischen
Rechnung ein vorzügliches Hilfsmittel. Diese Methode gibt die Möglich-
keit, bei sinngemäßer Anwendung der bis jetzt abgeleiteten Gleichungen,
selbst kompliziertere Probleme zu lösen.
Bei Leitungen höherer Spannung, und zwar unabhängig .davon, ob
es sich U)ll Kabel oder Freileitungen handelt, muß für die Behandlung
mancher Fragen auch die Kapazität der Leitung berücksichtigt werden.
Im folgenden soll deshalb zunächst auf die Berechnung von Leitungs-
induktivität und Leitungskapazität eingegangen werden.

b) Die Berechnung der Induktivität von Leitungen


Um die Induktivität L einer Leitung zu berechnen, sei zunächst er-
mittelt, mit welcher Kraftlinienzahl jeder Leiter eines Leitungssystems
verkettet ist. Dabei werde von einem einzel-
nen Leiter (s. Abb. 462) mit dem Radius r
ausgegangen. Die Kraftliniendichte B in
Gauß im Innern des Leiters im Abstand x
berechnet sich, falls der vom Fluß Bdx (es
sei 1 cm Leiterlänge betrachtet) umschlun-
gene Strom ia: Amp., die Permeabilität
ft = 1 und der Kraftlinienweg l = 2 n x cm
ist, nach der Beziehung
Abb. 462. Stromdurchflossener Leiter B. 2nx = 4 n i oder B = 2 ia: (199)
mit eingezeichneten Kraftlinien. 10 a; 10 x •
' 2
Ist der gesamte Leitungsstrom i, dann ist ia: = !:
r2
- i und GI. (199) geht

über in die Form


(200)

Wir betrachten den Kraftlinienfluß B · (dx · 1), der die Fläche von der
Breite dx und der Länge 1 cm an der Stelle x durchsetzt. Dieser Fluß
umschlingt nicht den Gesamtstrom i, sondern nur den Strom ia:· Er ist,
wenn wir die Kraftlinienverkettung auf den Strom i der Leitung beziehen
wollen, mit dem Faktor ia:/i = x2fr2 zu multiplizieren. Wir erhalten also
als Kraftlinienverkettung des Stromes i mit dem Flusse Bdx den Wert
(201)
Die Berechnung der Induktivität von Leitungen 457
Um sämtliche Kraftlinienverkettungen innerhalb des Leiters zu erhalten,
muß dW' von Null bis r integriert werden. Es ergibt sich dann:
,
(/J' = !1
0
2' 3 •
~ :, dx = ; · 10-1 • (202)

In einer Entfernung x' außerhalb des Leiters (s. Abb. 462) ergibt sich
die Kraftliniendichte B m Gauß nach GI. (199), indem iz = i gesetzt
wird, zu
B = 2i 10-1. (203)
x'
Da jetzt alle Kraftlinien mit dem vollen Strom i verkettet sind, erhalten
wir die Kraftlinienverkettung (/J" außerhalb des Leiters, wenn wir Bdx'
von r bis zu einer großen Entfernung R integrieren, zu

JBdx' = J!~ ·
B B
(/)" = 10-ldx' = 2i · 10-1 (ln R- ln r) bzw.
r r
W" = 2i · 10-11n !!_.
r
Die Gesamtkraftlinienverkettung des Leiters ist
(204)

I
I
/// / /

I
/
/

1
/

/
.....-....
...
,",..... -
damit I I I

(/J = (/J' + (/)" = 2i 10-1 (ln ~ + !) . (205) I I I

Man könnte zunächst glauben, zu einem brauch-


baren Ergebnis zu kommen, falls R unendlich
groß gewählt wird. Dies ergibt jedoch eine un-
endlich große Kraftlinienverkettung, ein Zeichen,
daß in den bisherigen Annahmen irgend etwas
falsch, bzw. nicht berücksichtigt worden ist. Es
wurde bis jetzt nicht beachtet, daß ein nur in
einer Richtung fließender Strom unmöglich ist, Abb. 463. Drei Leiter mit ein·
sondern daß jeder Strom in anderen Leitungen gezeichneten Kraftlinien.
oder auch in Erde wieder zurückfließen muß. Wir wollen deshalb unsere
Betrachtungen auf mehrere Leiter eines Stromsystems, beispielsweise auf
die drei Leiter der Abb. 463 mit den Radien r1 , r 2 und r3 , beziehen. Wir
führen die Ströme i 1, i 2 und i 3 als positiv ein, wenn sie in die Papierebene
hineinfließen. Es muß dann gelten:
i1 +i +i2 3 = 0.
Um die wirkliche Kraftlinienverkettung (/)1 des Leiters 1 zu erhalten, muß
man beachten, daß dieser Leiter 1 nicht nur von den eigenen Kraftlinien
umfaßt wird, sondern daß auch ein Teil der Kraftlinien, die vom Leiter 2
458 Die Berechnung elektrischer Netze

erzeugt werden, ihn umschlingen, und zwar die Kraftlinien, die in der Ab-
bildung gestrichelt eingezeichnet sind (im Abstand d12 von Leiter 2 ab).
Zur Kraftlinienverkettung des Leiters 1 zählen ferner die vom Strom i 3
erzeugten Kraftlinien, soweit sie strichpunktiert eingetragen sind. Die
Verkettung des Leiters 1 mit den vom Strom i 2 herrührenden Kraftlinien
läßt sich nach Formel (204) berechnen, falls dort r glei<'h dem Abstand
der beiden Leiter, also gleich d12 gesetzt wird. Entsprechendes gilt für
die vom Strom i 3 herrührende Kraftlinienverkettung. Die gesamte Kraft·
Iinienverkettung des Leiters 1 ergibt sich damit zu:

l/J1 = 2 i1 · 10-1 (In R +


r1
.!_)
4
+ 2 i2 • 10-1 ln dR + 2 i3 • 10-lln dR
12 13
oder
l/J1 = 2 ·10-1 [(i1+i2+i3) In R+i1(ln : 1 + !)+ i2ln L +i3 ln L] ·
Beachtet man, daß i 1 + i 2 + i 3 = 0 ist, so kann man die letzte Gleichung
überführen in die Form:
W1=2 ·I0-1 [i1 (In_!_+_!_)+ i 2ln dl +i3 ln dl
r1 4 21
J ·I0-8 ·105 •
1s
(206)

Der Faktor 10- 8 ist am Klammerende hinzugefügt worden, um den ver-


ketteten Fluß im praktischen Maßsystem in V · sec zu erhalten. Der
Faktor 105 ergibt sich dadurch, daß man den Fluß auf l km Leitungs-
länge, also auf 105 cm, statt auf 1 cm bezieht.
In gleicher Weise, wie eben durchgeführt, lassen sich die Kraftlinien-
verkettungen für den Leiter 2 und für den Leiter 3 berechnen. Es sollen
jetzt folgende Abkürzungen eingeführt werden:

a 11 =2(In : 1 +±)10- 4 , a22 =2(ln r~ +±)I0- 4 , a33=2(ln : 3 +±)I0-4 ,)


1 1 1 (207)
a 12 =2lndl0- 4 , a 23 =2lndl0- 4 , a 31 =2ln-d 10-4 ,
12 23 31

wobei man z. B a11 als Feldkoeffizient des Leiters 1 und a 12 als Feld-
koeffizient des Leiters 1 gegen den Leiter 2 bezeichnet. (Statt mit natür-
lichen kann auch mit Briggsehen Logarithmen gerechnet werden, nur
muß man beachten, daß In x = 2,3log x ist.) Die Kraftlinienverkettun-
gen, gemessen in Vsec pro km Länge, können damitbei Anwendung der
eingeführten Abkürzungen wie folgt geschrieben werden:
lP1 = i1 an + i2 ai2 + ia a1s )
lP2 = i1 a21 + i2 a22 + ia a2a (208)
Wa = it aal + i2 aa2 + ia aaa ·
Diese Gleichungen, welche für drei Leiter ab~eleitet wurden, gelten in
sinngemäßer Erweiterung auch für beliebig viele Leiter. Die Anwendung
dieser wichtigen Gleichungen ergibt sich aus folgenden Beispielen:
Die Berechnung der Induktivität von Leitungen 459
1. Einphasenleitungen (s. Abb. 464)
Es gilt hier für den Leiter 1
Wt = i1 au is a12 • +
Da in diesem Falle i 2 = - i 1 ist, erhält man, wenn man für die Koeffi-
zienten die Werte nach GI. (207) einsetzt

W1 = i 1 • 2 · 10-4 (tn ~ + ! -In !) ,


Abb. 464.
oder umgeschrieben Wechselstromleitung.

W1 = i 1 • 2 · lü-4 (ln: + !)·


Nach dieser Beziehung kann man W1 als vom Strom i 1 erzeugt annehmen,
obwohl dies physikalisch nicht stimmt. Beachtet man, daß die Kraft-
linienverkettung in Vsec gleich der Stromstärke des Leiters mal der In-
duktivität, also W1 = L1 i 1, ist, dann ergibt sich die Induktivität pro
Phase und pro km Länge in Henry zu
L= 2 ·l0-4 (ln; + !) . (209)

Für die Induktivität von Hin- und Rückleitung zusammen ist der dop-
pelte Wert einzusetzen.

2. Symmetrische Drehstromleitung
Für eine symmetrische Drehstromleitung nach Abb. 465 gilt für die
Kraftlinienverkettung des Leiters 1
+ +
W1 = i 1 a 11 i 2 a 12 i 3 a 13 • Q/km
Beachtet man, daß 0,50

a 12 =~3 und i 1 =-U2 +i ~ ............. ~---

"'
3)
~~

/ ~r-..
8
~.Jd't t-..
0,30
V .......... ........
'?o 100 100 300 '100 GOO BIKJ 1000 1500 425
.f<.-
Abb. 465. Symmetrische Abb. 466. Reaktanz und Betriebskapazität
Drehstromleitung. einer Drehstrom.Ieitung.

ist, dann gilt


cpt = il (au- at:J·
oder falls man für die Koeffizienten die entsprechenden Werte nnch
GI. (207) einsetzt,
W
1= i 1 2 · 10-4 (In ~ + ! - ln ~) .
460 Die Berechnung elektrischer Netze

Für die anderen Leiter ergeben sich gleiche Klammerausdrücke. Die


Induktivität pro Phase und km in Henry ergibt sich damit zu

L= 2 ·IO-'(ln ~ + !)· (210)

In Abb. 466 ist die Reaktanz X = 2 n f L in Abhängigkeit von dfr


aufgetragen. X beträgt bei Freileitungen oft etwa 0,4 !Jjkm.

3. Unsymmetrisches, jedoch verdrilltes Drehstromsystem


Im allgemeinen sind die Leitungen eines Drehstromsystems räumlich nicht
symmetrisch angeordnet, sondern aus konstruktiven Gründen meist unsymme-
trisch. Um jedoch in jeder Phase gleiche Induktivität und auch pro Phase
gleiche Kapazität gegen Erde zu erhalten, muß man größere Überlandleitungen
gemäß dem Schema Abb. 467 verdrillen (wenigstens eine vollständige Verdrillung
zwischen zwei Stationen). Um die Kraftlinienverkettungen mit dem Strom i 1
zu erhalten, ist zu beachten, daß z.B. die vom Strom i 2 herrührenden Kraft-
linienverkettungen in den einzelnen Abschnitten der Leitung verschieden sind,
da der Leitungsabstand zwischen dem Strom i 1 und dem Strom i 2 nicht konstant,
sondern gleich d12 , da 1 und d2 a ist. Es muß deshalb für die Feldkoeffizienten ein
Mittelwert eingesetzt werden. Es ergibt sich dann für die Kraftlinienverkettung
des vom Strome i 1 durchflossenen Leiters
""' . + . (an+ ata + a2a) + . (au +a23+an)
"'1 = t1a11 '2 3 1a 3
Beachtet man, daß

ist, so erhält man

Es ist
a11 = 2 · 1o-4 (In ! + !)
1
a12 = 2 · 1o-4 In a,-,
12
1
a 2 a = 2 · 1o- 4 In a,-,
2a
1
aal = 2 • I0-4 In d- .
al
Somit ergibt sich

r 4 3 d 12 d 23
-)J
W1 = i1 · 2 • I0- 4 [In__!__ + __!__ - __!__(In _1_ + in _1_ + in - 1
d 31
oder

w1 = i 1 2 . 1o-4 [in Yd12~2ada1 + !l·


Führt man zur Abkürzung ein
Die Berechnung der Induktivität von Leitungen 461

wobei d der geometrische Mittelwert aus den Phasenabständen ist, dann ergibt
sich für die Phaseninduktivität in Henry der unsymmetrischen, jedoch ver-
drillten Drehstromleitung (s. Abb. 467)

L = 2 · lQ- 4 [ln ~+ !] . (211)

4. Drehstromdoppelleitung gleichmäßig verdrillt


Es sei die Drehstromdoppelleitung nach Abb. 468a, bei welcher das linke
System I und das rechte System I I gleichmäßig belastet seien, untersucht. Für
die Induktivität des vom Strom i 1 durchflossenen Leiters im System I würde die
Formel (211) gelten, falls nicht zusätzliche Beeinflussungen durch das System IJ
stattfinden. Diese zusätzlichen Beeinflussungen der Ströme i 1• i 2 und i 3 des

I ][

a
J t 1 11 2 1 3 1

1 2 3
~~a
&A'a2't1'2'
dt2
J ~-l'
d;~n
d,J 3
d31 rl3t1 1 dj,,t' dJ/fJ't'
b J 2
Abb. 467. Dreh- Abb. 468a u. b. Doppel- Abb. 469. Doppeldreh-
stromleitung drehstromleitung stromleitung mit
verdrillt. verdrillt. Spezialverdrillung.

Systems I I auf den vom Strome i 1 durchflossenen Leiter müssen ebenfalls berück-
sichtigt werden. Da die Beeinflussungen in jedem Abschnitt der Verdrillung
andere sind, werden auch hier Mittelwerte aus den Koeffizienten gebildet. , Es
ergibt sich damit für die Kraftlinienverkettung des Leiters I vom System I durch
das System I! folgender Wert:
".. _. (an,+a22'+aaa') +.f2 (a12'+a2a'+aav) +.fa (ala'+a2v+aa2')
3 ·
"'lh- f1 3- - - - 3

Hierin bedeutet z.B. a 22 , den Feldkoeffizienten des Leiters 2' gegen Leiter 2, also
a221 = 2 · IO-! ln l/d22', wobei d22' (s. Abb. 468 b) der Abstand des Leiters 2
gegen 2' ist. Da die beiden letzten Klammern der Gleichung gleich sind und
(i 2 + i 3 ) = - i 1 ist, findet sich

ifJ • (an,+a22'+aaa' al2'+a2a'+aal')


3
lll = fl 3 -
462 Die Berechnung elektrischer Netze

oder nach Einsetzung der Koeffizienten


du,dsa,da~ •
q,111 = i 1 • 2 • Io-' ln v ·
du,du,daa1
Um die gesamte Kraftlinienverkettung des Leiters 1 im linken System zu erhal-
ten, muß jetzt noch L 0 i 1 hinzuaddiert werden [L0 nach Gl. (211)].
Es ist also

lI
Setzt man zur Abkürzung
d= ~ dladud81
d' = Vdu,dBS,dal' (212)
3,--:---,----;;---
d" = Ydu,daa,daa' .
dann erhält man für die Phaseninduktivität in Henry pro km:

L = 2·Io-' [1~ ~ ;;, + !] . (213)

Gegenüber den Werten von L bei der Einfachieitung ist L bei der Doppel-
leitung etwas größer (5 bis 15% ).

ö. Drehstromdoppelleitung mit Spezialverdrillung


Es soll im folgenden gezeigt werden, daß, falls die Verdrillung nach Abb. 469
ausgeführt ist, die beiden Systeme I und I I sich gegenseitig nicht beeinflussen.
Wir untersuchen zunächst die Kraftlinienverkettung, die durch den Strom i 8 im
System II auf den Strom i 1 im System I ausgeübt wird. Die vom Strom ia her-
rührende Kraftlinienverkettung ergibt sich zu
. ( llts' +aw+lltl'+au,+au,+aaa'+aaa,+aal'+an,)
ta 9 •

Für die Ströme i 1 und i 8 vom System Il, die auf i 1 vom System I einwirken, er-
+ +
geben sich genau gleiche Klammerfaktoren. Da jedoch i 1 i 1 i 8 = 0 ist, ist
der Einfluß der drei Ströme des Systems II auf das System I gleich Null. Es
gilt also für die Induktivität in Henry einer vollkommen verdrillten Leitung
die in Gl. (211) angebeneue Formel:

~ = 2 · lo-' In ( ~ + !) . (214)

6. Die Induktivität eines Stromkreises bei Rückleitung des Stromes


in der Erde
In der Starkstromtechnik wird die Erde betriebsmäßig nie als Rück-
leitung benutzt (abgesehen von elektrischen Bahnen, bei denen aller-
dings der Strom vorwiegend in den Schienen zurückfließen soll). In Stö-
rungsfällen, etwa beim Doppelerdschluß (s. Abb. 345a) kann jedoch auch
bei Starkstromanlagen eine Rüekleitung des Stromes durch die Erde er-
folgen. Für manche Rechnungen, !?raucht man die Größe der hier gelten-
den Induktivität und deJ?, ohmseben Widerstand. Die Berechnung der
Die Barechnung der Induktivität von Leitungen 463

Induktivität einer Stromschleife, bei der ein Draht die Hinleitung und
die Erde die Rückleitung bildet, ist bis jetzt exakt nicht durchgeführt
worden, denn selbst Näherungslösungen führen mathematisch zu BAssei-
schen Funktionen, deren Kenntnis wir nicht voraussetzen wollen. Es
ergibt sich durch Messungen und auch durch die erwähnten Näherungs-
rechnungen, daß die Reaktanz, gebildet aus dem Draht als Hinleitung
und der Erde als Rückleitung größenordnungsmäßig zwischen 0,6 bis
0,8 .Qjkm)iegt. Dabei gelten die kleinen Werte für größere Leitungsquer-
schnitte bzw. umgekehrt. Für manche Überlegungen ist die Vorstellung
zweckmäßig (wenn auch nicht ganz exakt), daß in der Hinleitung die
normale Phasenreaktanz wirksam ist, welche normalerweise etwa 0,4 .Q
je km beträgt. Für die Rückleitung in Erde verbleibt damit eine Reak-
tanz im Betrage von 0,2 bis 0,4 .Qjkm, ein Wert, der 50 bis 100% der
Phasenreaktanz ausmacht.
Der Strom hat in der Erde neben induktivem Widerstand auch ohm-
sehen Widerstand zu überwinden. Dieser ist, wie man ableiten kann,
gleich 1 R 8= fn 2 • w-o· 105 .Qjkm (/=Frequenz in Hertz). In dieser Formel
kommt die spezifische Leitfähigkeit des Erdbodens sonderbarerweise nicht
vor. Einen Anhaltspunkt für diese Erscheinung gibt folgende Erklärung:
Betrachten wir in der Erde zwei Stromfäden, von denen der eine unmittel-
bar dicht an der Erdoberfläche verläuft, der andere dagegen in einem größe-
ren Abstand, dann ist sicher der Kraftlinienfluß, der von der Hinleitung
und dem ersten Stromfaden umschlungen wird, kleiner als der Kraftlinien-
fluß, der von der Hinleitung und dem zweiten Stromfaden umschlungen
wird. Der zweite Stromfaden hat also einen größeren induktiven Wider-
stand, seine Stromdichte wird also, da bei beiden Stromfäden eine gleiche
treibende Spannung zur Verfügung steht, kleiner sein als im ersten Falle.
Hieraus folgt, daß der Strom sich nicht beliebig tief im Erdreich aus-
breitet, sondern in einer der Erdoberfläche benachbarten Schicht mäßiger
Ausdehnung verläuft. Ist der Erdwiderstand größer, dann ist die für die
Rückleitung sich bildende Schicht stärker als bei besserer Leitfähigkeit,
so daß also die schlechtere Leitfähigkeit durch einen größeren Quer-
schnitt ausgeglichen wird. Bei f = 50 Perioden findet man den Erdwider-
stand zu 0,05 .Qjkm. Zu diesem Widerstand muß noch der Erdübergangs-
widerstand beim Stromeintritt und -austritt hinzugezählt werden. Letz-
terer ist sehr veränderlich und liegt größenordnungsmäßig zwischen eini-
gen wenigen Ohm bis einigen 100 .Q. Denkt man sich den Erdwiderstand
durch den Widerstand eines Kupferdrahtes ersetzt, so würde ein Draht
von 21,4 mm 0 gleichen Widerstand wie die Erde (abgesehen von den
Erdübergangswiderständen) besitzen. Bei höheren Frequenzen nimmt
der Erdwiderstand stark zu.
1 RÜD1!1lffilllRG: Elektrische Schaltvorgänge in geschlossenen Stromkreisen von
St".rk.stromanl.a.gen. 4. Aufl. BerlinJGöttingenfHeidelberg. Springer 1953.
464 Die Berechnung elektrischer Netze

Praktisch alle Hochspannungsleitungen besitzen ein oder mehrere Erd-


seile. Im Falle eines Doppelerdschlusses vermag somit der Strom nicht
nur über die Erde, sondern auch über das Erdseil zu fließen. Es zeigt
sich jedoch, da sowohl der induktive, als auch der ohmsehe Widerstand
des aus Eisen bestehenden Erdseiles wesentlich größer sind als die ent-
sprechenden Werte der Erde, daß durch das Erdseil nur einige Prozente
von dem zurückfließenden Strom verlaufen. Man kann also ohne nen-
nenswerten Fehler annehmen, daß der zurückfließende Strom praktisch
nur durch die Erde fließt. Bei einer Leitung, welche im Gelände einen
Bogen macht, fließen die Erdströme nicht in Richtung der Bogensehne,
also auf dem kürzesten Weg, sondern verlaufen praktisch längs der Lei-
tung. Würden nämlich die Rückströme längs der Sehne verlaufen, so
wäre der vom Strom umschlungene Fluß, also der induktive Widerstand
größer als für den Fall, daß der Strom der Leitung folgt.

c) Die Berechnung der Leitungskapazitäten


Wir gehen von einer linienförmig verteilten Elektrizitätsmenge q, die
sich auf 1 km Länge, also auf 105 cm erstrecke, aus. Der durch eine
Elektrizitätsmenge q (in Amp ·sec gemessen)
ausgestrahlte Verschiebungsfluß ist gleich der
Elektrizitätsmenge. Also wird, da Symmetrie
vorhanden ist, im Abstand r von der Elektrizi-
tätsmenge q die Verschiebungsdichte ~ in
Amp · secfcm2 sich berechnen lassen (s. Abb.
470a) nach
q=~2nr·10 5
oder
a-._ q • 1
il.J- 2n r 105 •
(215)
Die Verschiebungsdichte ~ ist proportional der
Feldstärke ~. Es gilt für Luft, bei der die rela-
tive Dielektrizitätskonstante gleich 1 ist, falls
die Feldstärke ~ in Vfern gemessen wird,
Abb. 470a-c. Llnlenförmige
Ladung und Potentialkrels. ~=(4n·9·1011)~ (216)
oder unter Benutzung von GI. (215)
~= ,.
2q 9 . 106 . (217)
In unserem Falle sind die Potentialflächen Kreise um den Mittelpunkt
der Ladung. Schreitet man in Richtung der Feldstärke um den Betrag dr
weiter (s. Abb. 470b), so nimmt bekanntlich das Potential u um den Be-
trag du ab. Es gilt:
-du = ~ = 2q 9 . 106 . (218)
dr
Die Berechnung der Leitungskapazitäten 465
Integriert ergibt die Gleichung
u = - 2q ln r · 9 · 106 + 0. {219)
In dieser Gleichung bedeutet 0 eine Integrationskonstante, deren Größe
später noch festgelegt werden muß. Bei mehreren Leitern, z. B. seien
drei Leiter vorhanden, überlagern sich die Potentiale und man erhält
(s. Abb. 470c) für das Potential an einer beliebigen Stelle die Beziehung

u = [- 2q1 lnr1 - 2q2 lnr2 } ( 220 )


- +
2q3 lnr3 ] • 9 · 106 0'.
Die uns interessierenden Leitungen sind jedoch nie im vollkommen
freien Raum angeordnet, sondern sind stets der Erde benachbart, welche
wir als leitend auffassen müssen. Da die elektrischen Kraftlinien infolge
des konstanten Potentials der Erde auf der Erde senkrecht stehen, kann
man sich den Einfluß der Erde auf das Potential eines Leiters ersetzt
denken, indem man zu dem wirklich vorhandenen Leiter mit der Ladung
+ q einen spiegelbildlich gedachten Leiter mit der Ladung -q anordnet

f.
(s. Abb. 471). Wenden wir unsere Potentialgleichung auf
diesen Fall an und berechnen wir das Potential u auf der
Erde, dann erhält man: 0

U= [ - 2qlnr + 2qlnr] · 9 ·10 + 0'.


6 (221)
'
r

Setzt man das Potential der Erde gleich Null, so daß also q
die Potentiale der Leitungen gleich den Leiterspannungen Abb. 471. Linien·
förmige Ladung
gegen Erde werden, dann ergibt sieb die Integrationskon- und Spiegelbild.
stante 0' = 0.
Die Einführung des spiegelbildlich anzuordnenden Leiters gilt auch
sinngemäß bei beliebig vielen Leitungen (s. Abb. 472a). Es soll im fol-
genden das Potential auf der Oberfläche des Leiters 1, der den Radius r1
habe, berechnet werden. Die Ladung q1 sei dabei im Mittelpunkt kon-
zentriert angenommen. Wir wollen weiter näherungsweise annehmen,
daß in nicht zu großemAbstand vonder linienförmig gedachtenLadungq 1
die Potentialflächen Kreise sind und daß eine solche Potentialfläche mit
unserer Leitoberfläche zusammenfällt, da auf dieser konstantes Potential
herrschen muß. Für das Potential an der in der Abb. 472a markierten
Stelle auf dem Leiter 1 ergibt sieb unter Beachtung der in der Abb. 472a
eingetragenen Bezeichnungen die Beziehung:

u1 = [ - 2q1 lnr1 - 2q2 lnd12 - 2q3 lnd13


+2q1 ln 2h 1 + 2q2 lnD12 +2q3 lnD13] • 9 · 106
oder

Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 30


466 Die Berechnung elektrischer Netze

In dieser Gleichung müßte z. B. d12 der Abstand sein, den die betrachtete
Stelle der Oberfläche des Leiters 1 vom Mittelpunkt des Leiters 2 hat.
Dieser ist jedoch praktisch gleich dem Abstand der Mittelpunkte der
Leiter 1 und 2 (s. Abb. 472b). Führt man folgende Abkürzungen ein

a 11 = 2ln 2h1 • 9 · 106 , a 22 = 2 ln 2: 1 • 9 · 106 , a 33 = · · ·)


rl 2 D (223)
a12 -- a 21 -2
-
Da · 9 · 106 '
In ~ a 23 = a 32 = 2ln ~
d13 · 9 · 10 ,
6

Abb. 472a U; b. Drei Leitungen parallel


zur Erde mit Spiegelbild.
r
Abb. 473. Hilfsbild
für Berechnung.

dann kann man die soeben aufgestellte Gleichung für das Potential
des Leiters 1 und auch sinngemäß die Gleichungen für die Potentiale der
Leiter 2 und 3 schreiben:

ul = an ql -!- a12 q2 + als qs )


U2 = a21 ql +
a22 q2 + a2a qa (224)
Ua = aal ql +
aa2 q2 + aas qs ·
Die bei den Ladungen stehenden Koeffizienten bezeichnet ,man als
Potentialkoeffizienten. Es sei der Potentialkoeffizient zwischen dem
"-ten und dem .u-ten Leiter
a. = 2ln D.,.. · 9 · 106
,. a.,..
etwas umgeformt. Unter Benutzung der Abb. 473 lassen sich folgende
Beziehungen aufstellen:
D~,.. = (h. +
h,..) 2 +
d~,..- (h,.. -h,)2 )
D~~' = 4h,h,.. +
d~,.. (225)
D, I' = 1 I 4 h, h,.. + I
a.,.. V a;~' ·
Die Berechnung der Leitungskapazitäten 467
Man kann also für den Potentialkoeffizienten a,"' allgemein schreiben (be-
zogen auf 1 km Leitungslänge)
a
.,. =2Inl/'!_h,h,.-+-1·9·106
V dZ.,. I

ode:t;
a,,. =In [4 ~~ + 1] 9 ·10 8• (226)
Der Ausdruck für den Potentialkoeffizienten a11 bzw. ~2, a33 allgemein
geschrieben, ergibt sich nach Gl. (223) wie folgt:
a,, = 2ln 2 "• · 9 · 106
r,
(227)

1. Die Berechnung der Leitungskapazität für eine verdrillte


Drehstromleitung
Es sei die verdrillte Drehstromleitung nach Abb. 474a gegeben. In-
folge der Verdrillung wird der mittlere Abstand jeder der drei Phasen
gegen Erde gleich sein. Als Mittelwert sei der geometrische
Mittelwert genommen, der sich auch schon bei Berechnung
der Leitungsinduktivität als einzusetzender Mittelwert er-
geben hat. Für die mittlere Höhe h ergibt sich, falls die
Leiterabstände nach Abb. 474b h1, h2 und h3 sind,
h = yh1h2h3. (228)
Da die Radien der drei Leiter gleich sind, werden die
Koeffizienten a11 , a22 und a 33 gleich sein. Man findet also
2h
au = a22 = aaa= 2ln-. 9 ·106 • (229)
r
In der GI. (226) kommt die Größe d,,. vor. Die mittleren
Abstände der einzelnen Leiter voneinander sind infolge der
Verdrillung ebenfalls gleich. Führt man den mittleren
Abstand gemäß der Beziehung
(230)
in die GI. (226) ein, dann erhält man für die Potential- Abb. 474a u. b.
koeff izienten den Wert:
Drehstrom-
Ieitung verdrillt.

al2 = a23 =aal= In [Cd"t+1]. 9. 106 • (231)


Unter Benutzung des Gleichungssystems (224) erhält man für die Poten-
tiale der drei Leitungen des Drehstromsystems die Beziehungen:
ul=auq1+a12q2+a12qsl
U2 = ~2ql + au q2+ al2 qs (232)
Ua = ai2 ql + a12 q2+ au qa •
30*
468 Die Berechnung elektrischer Netze

Diese drei Gleichungen kann man noch wie folgt umformen:


U1 = an ql + a12 qs + als qs
fLt - U2 = (an - ~s) ql + (als- an) q2 + 0
ul- Us = (an- atsl ql +0 + (als-~~) qs.
Multipliziert man die zweite und dritte Gleichung mit "'z
au-C~ts
und
addiert die drei Gleichungen, so erhält man
U1 + (ul- Us) ~-1 -+ (ul- Us) ~-
au-C~ta
1 - =
au-all
qdan + 2al2]
oder umgeschrieben

(233)

Führt man jetzt folgende Abkürzungen ein

K- 1 (234)
n - "tt + 2C~tl

(235)

dann läßt sich die GI. (233) auch schreiben


Abb. 476. Kapazl·
tiiten der Dreh·
stromleltung.

Auf Grund dieser Beziehung kann man die Auffassung entwickeln, daß
die auf dem Leiter 1 sitzende Ladung q1 zustande kommt durch die Erd-
kapazität Kn des Leiters1, welche an der Spannung u1 gegen Erde liegt
und durch die Gegenkapazitä~n K 12 del'ILeiters 1 gegen die Leiter 2 und 3,
an welchen die Potentialunterschiede (u1 - u 2) und (u1 - u3) herrschen
(s. Abb. 475).
Man kann die GI. (236) auch schreiben:
q1 = u1 K 11 + (2u1- tts- ?J.3)K12 •
Beachtet man, daß bei einem symmetrischen Drehstromsystem (ohne
Erdschluß !)

ist, dann folgt


(237)
In einem DrehstrOmsystem ist also die Ladung q1 proportional dem
Potential u1• Man kann deshalb die Kapazitäten in einer einzigen Ersatz-
kapazität, der Betriebskapazität, zusammenfassen, an der das Potentialu1
(Phasenspannung!) liegt und welche die Größe hat:
(238)
Die Berechnung der Leitungskapazitäten 469
Nach 01. (232) ergibt sich für das Drehstromsystem
U1 =· au ql + al2 (q2 + qa)· (239)
Beachtet man, daß q2 +q = 3 - (j1 ist, dann kann man schreiben
u 1 = q1 (au- a 12). (240)
Also ist die Betriebskapazität Cb au<1h gleich (s. auch Abb. 466)

Zusammengefaßt ergab si<1h also für die Kapazitäten einer Leitung:


K
u= au+2al2'
1 K al2K
12=au-at2 u•
1
(232a)
Cb= - 1- = K11 +3K12,
au-aa
J
für die Potentialkoeffizienten:
2h
au = 2 In- · 9 ··106,
r
Die Kapazitäten ergeben sich nach obigen Formeln in :Farad und
genau wie die Potentialkoeffizienten für 1 km Länge. Die Werte für
h, d und r sind in gleichen Einheiten, z. B. in cm, einzusetzen.

2. Berechnung der Kapazitäten für eine verdrillte Drehstromdoppelleitung


Es sei das Potential u 1 des Leiters 1 im linken System der Drehstromdoppel-
leitung (Abb. 476) berechnet und werde von der Voraussetzung ausgegangen,
daß gleichphasige Leitungen im rechten und linken System zueinander symme-
trisch angeordnet sind, also gleiche Ladungen und Potentiale besitzen. Für
das Potential des Leiters 1 im linken System gilt unter Beachtung, daß a 12 = a18
und a 12 , = a 13 " die Beziehung
Ut = auqt + a12q2 + a12qa } (243)
+ au,qt + a12,q2 + a12,qa ·
In dieser Gleichung wird durch die Glieder in der zweiten Zeile die Beeinflussung
des rechten Systems auf den ersten Leiter des linken Systems ausgedrückt.
Die Koeffizienten a 11 und a 12 sind nach den GI. (226) und (227) berechenbar. Für
den Koeffizienten a 11 , ergibt sich

a 11 , =In [(~~r + 1} · 9 · lQG. (244)


Hierin bedeutet h die mittlere Höhe und
~---- (245)
= Vdu, d22' daa,
3
d"
den mittleren Abstand, den gleichphasige Leiter beider Systeme gegeneinander
haben. Für a 12 , ergibt sich

a 121 = In [( d')
2h
+ 1 · 9 · 106 .
\2 ]
(246)
470 Die Berechnung elektrischer Netze

Hierin bedeutet:
(247)
den mittleren Abstand, den ein Leiter im linken System gegen einen nicht gleich-
phasigen Leiter im rechten System hat. Man kann Gl. (243) auch schreiben:
(248)
Erdseil li Setzt man zur Abkürzung
Au = au + au,, } (249)
Au= au +
au,,
dann ergibt sich
U1 =Auql + A1da+ Auq3 • (250)
Entsprechende Gleichungen gelten
für u1 und u8 • Die letzte Gleichung
hat genau gleiche Form wie die
Gl. (232), so daß die dort abge-
leiteten Werte für die Erdkapazi-
tät, für die Gegenkapazität und
für die Betriebskapazität sinn-
gemäß angewandt werden können.
Es ergibt sich dann unter Be-
achtung der Gl. (234), (235), (241)
und (238)
•1'

Abb. 476& u. b. Doppel-


drehstromleitung
verdrillt.
liii·
Abb. 476c u. d. Doppel-
drehstromleitung
verdrillt mit Erdseil.

3. Drehstromleitungen mit Erdseil


Es werde eine Drehstromleitung mit Erdseil (Abb. 276 c u. d) untersucht,
und zwar sei die Ableitung der Formeln sowohl für die Doppel-, als auch die
Einfachleitung gleichzeitig durchgeführt. Geht man von der Doppelleitung aus
und bezeichnet die Potentialkoeffizienten diesmal mit Au
und Ai_2 , so erhält
man für die Potentiale der drei Leiter und für das Potential des Erdseils folgende
Beziehungen
ul = A~1q1 + A~•q• + A~aqa + alBqBI
Ua = A~aql + A;_lqa + A~aqa + alBqB
(252)
u 3 = A~ 1 q1 + A~ 1 q1 + A~ 1 q3 + a 18 q,
u8 = 0 = a 18 (2)q1 + a 18 (2)q1 + a 18 (2)q3 + a88 q8 •
In den drei ersten Zeilen berücksichtigt das 4. Glied den Einfluß des Erdseiles
mit der Ladung q8 auf die Potentiale der Leiter. Hat das Erdseil den Abstand k 8
Die :Berechnung der Leitungskapazitäten 471
von der Erde, dann ergibt sich a 18 nach GI. (226) zu

a 18 =ln( 4:;:• +1)·9·106. (253)


Hierin bedeutet
(254)

den mittleren Abstand des Erdseiles von den drei Leitungen. Die 4. Gleichung
gilt für das Potential des Erdseiles, welches Null ist. Es ist hierin, falls r8 der
Radius des Erdseiles ist,
2h8
ass = 2 l n - · 9 · 106 • (255)
rs

Der in der letzten Zeile der GI. (252) in Klammer geschriebene Faktor 2 gilt nur
für den Fall der Doppelleitung, da dann sowohl die Ladung q1 im rechten, als
auch im linken System einen Einfluß auf das Potential des Erdseiles ausübt. Bei
der Einfachleitung ist der Faktor 2 durch den Faktor 1 zu ersetzen. Multipli:r.iert
man die letzte Beziehung der GI. (252) mit a 18 fa 88 und zieht sie von der ersten
ab, dann erhält man

u 1= (.A;l- (2) af •) ql + (.Af.- (2) ars ais) q3.


) q2 + (A~. + (2) ass
ass ass

Setzt man zur Abkürzung


(256)

und im Falle der Doppelleitung


Au= A~ 1 - 2a 8 = au + au,- 2a8 } (257)
A 12 = A~ 2 - 2a 8 = a 12 +a 12 , - 2a 8
im Falle der Einfachleitung
Au = A~ 1 - a8 = au- a8 } (258)
A12 = A 12 - a 8 = a 12 - a 8
dann geht die Gleichung über in:
U1 = Auql + A12q2 + Auqa. (259)
Damit haben auch hier die Beziehungen der GI. (251) Gültigkeit, sofern für A 11
und A12 die Werte nach Gl.(257) bzw. (258) eingesetzt werden.

4. Drehstromleitungen mit mehreren Erdseilen


Mit den Potentialkoeffizienten lassen sich auch die Kapazitäten K11 , K 12 und
Cb für Drehstromleitungen mit mehreren Erdseilen, die in gewitterreichen Gegen·
den oft angewandt werden, berechnen. Die Berechnung soll nicht durchgeführt
werden, da keinerlei neue Gesichtspunkte vorkommen, die Rechnung außerdem
etwas langwierig ist. Es wird sich deswegen damit begnügt, im folgenden die
Ergebnisse der Rechnung mitzuteilen. Es gelten auch für Drehstromleitungen
mit mehreren Erdseilen die GI. (251), wenn für die Potentialkoeffizienten im
Falle der Doppelleitung die Werte der GI. (257), im Falle der Einfachleitung die
Werte der Gl. (258) eingesetzt werden. In den beiden letzten Gleichungen kommt
die Größe a8 vor.
472 Die Berechnung elektrischer Netze

Ist die Zahl der Erdseile gleich z, dann ergibt sich a8 zu1

a8 =z· afs (260)


a8 g+ (z-1) ·aps
Die in dieser Gleichung vorkommenden Koeffizienten ermitteln sich wie folgt:

a18 = In [2 ~~;~hs + 1] • 9 · 10 6 ,

aps = In [ ( ~~ 8 r + 1J· 9 · 106, (261)

a 88 = 2ln [ 2 r~ 8 ] • 9 · 106 •

In diesen Gleichungen ist


h= f
h1 • h2 • h3 p, q, s Erdseile
d, d', d", wie in den GI. (230), (247) u. (245) z Zahl der Erdseile
r Seilradius
r 8 Erdseilradius I 1123} . des Stromkreises
, 2, 3, Le1ter . {III

h8 sowie d8 b~rechnen sich entsprechend nachstehender Tabelle. In dieser Tabelle


bedeutet z. B. hq den Abstand des Erdseiles q vom Erdboden. Es bedeutet dq 1
den Abstand des Erdseiles q vom Leiter 1 des Stromkreises I, dpq den Abstand
des Erdseiles p vom Erdseil q. Die Längen für d und h sind in cm einzusetzen.
Tabelle 18.

z 1 2 3
2 3
hs hs Vh 11 hq Vh 11 hqh 8
3
ds - dpq Vdps dsq dqp

·v •
8
d'8 3
V dsl ds2 dsa VvaPl aP2 dpa aq1 dq2 dqa VvaPl aP2 °pa V dql dq2 dqa V dsl ds2 dsa

5. Allgemeines zur Berechnung der Leitungskapazitäten


In den Formeln zur Berechnung der Leitungskapazitäten kommt die
Größe h, d. i. der mittlere Abstand der drei Phasen vom Erdboden vor.
h ist streng genommen keine Konstante, da die Leitungen einen gewissen
Durchhang aufweisen. Man bekommt jedoch befriedigende Werte, wenn
man für h den Wert einsetzt, der etwa dem Schwerpunkt der Leitung
entspricht. Diesen findet man genügend genau zu
h= H- 0,7 I· (262)
Hierin bedeutet H den mittleren Abstand der Seile gegen Erde an den
Aufhängepunkten und I den Durchhang der Leitung. Der Durchhang ist
von der Temperatur abhängig, also streng genommen auch die Kapazität.
Es genügt jedoch, für den Durchhang I den Wert bei+ 10° einzusetzen.
1 Siehe AEG-Rechnungsgrößen für Hochspannungsanlagen.
Über Zusatzverluste und die Koronaerscheinung an Hochspannungsleitungen 473

Es sei erwähnt, daß die Werte für die Kapazitäten verschiedener


Leitungen keinen sehr großen Schwankungen unterworfen sind, da Ver-
änderungen in den Leitungsabständen wenig ausmachen, denn die be·
treffenden Größen stehen unter dem Logarithmus. Für grobe Überschlags-
rechnungen kann man sich für Hochspannungsleitungen merken, daß
die Betriebskapazität in der Größenordnung Ca= 9 · 10-9 F/km,
die Erdkapazität bei Doppelleitungen mit Erdseil in der Größen-
ordnung K 11 = 3,5 ·10-11 F/km (etwa 40% von Ca) und
die Gegenkapazität bei Doppelleitungen mit Erdseil in der Größen-
ordnung K 12 = 1,8 · 10-9 F/km (etwa 50% von K 11 ) liegt.
Bei Einfachleitungen liegt K 11 höher,
Tabelle 19.
etwa bei 5 · 10- 9 F /km, und K 12 etwa bei
1,3 · 10-9 F/km. Betriebs- Zuschlag für die
spannung Erdkapazität
Bei der rechnerischen Ermittlung der kV %
Erdkapazität K 11 ergeben sich Werte, die
etwas kleiner als die durch die Messung er- 10 16
100 9
haltenen sind. Dies hat seinen Grund 200 7
darin, daß die Maste zusätzliche Erd-
kapazitäten bilden, ferner durch Schaltanlagen, Transformatorenstationen
usw. ebenfalls eine Vergrößerung der Erdkapazität zustande kommt. Die
notwendigen Zuschläge sind um so kleiner, je höher die Spannung ist,
da dann weniger Maste und weniger Stationen vorhanden sind. Als Zu-
schläge zu den rechl)erisch erhaltenen Größen kommen etwa Werte nach
Tabelle 19 in Frage.

d) Über Zusatzverluste und die Koronaerscheinung


an Hochspannungsleitungen
Die in einer Leitung auftretenden Verluste entstehen überwiegend
durch die Stromwärme. Man dimensioniert bei großen Übertragungs-
leitungen die Leiter so, daß diese Verluste etwa 2%/100 km Leitungs-
länge bei Übertragung der natürlichen Leistung betragen. Die Ableitungs-
verluste über die Isolatoren spielen eine untergeordnete Rolle, da die
Isolation einer Leitung relativ hoch ist; der Isolationswiderstand je km
Leitung ist in der Regel größer als 20 X 106 Ohm.
Bei größeren Lei tungsquersch ni tten treten zusätzliche StromWärmever-
luste durch die Stromverdrängung auf. Diese entsteht zum Teil durch den
normalen Skin-Effekt, dessen Einfluß bei verseilten Kupferleitern über
20 mm Dmr. in der Größenordnung von 10% liegt. Aluminiumseile
enthalten aus Festigkeitsgründen Stahlseelen, die durch den Leiterstrom
magnetisiert werden; denn der Strom folgt vorwiegend dem Drall der
Teilleiter, und obwohl man abwechselnde Lagen im Gegenschlag aus-
führt, gelingt es nicht vollkommen, die magnetisierende Wirkung der
474 Die Berechnung elektrischer Netze

Stromfäden auf die Stahlseele aufzuheben. Zusätzliche Verluste ent·


stehen hier also als Eisenverluste in den Stahldrähten. Bei Stahl-Alu-
miniumseilen bis 40 mm Dmr. erhält man Zusatzverluste in der
Größenordnung von 5%.
Leiter größeren Außendurchmessers werden vielfach als Hohlseile
hergestellt. In solchen Seilen aus Aluminium, die ebenfalls eine Stahl-
seele als Tragkonstruktion enthalten, werden durch den dem Drall fol-
genden und den Stahl magnetisierenden Strom Zusatzverluste in der Grö-
ßenordnung von 10% und darüber hervorgerufen. Kupferhohlseile von
derartigem Durchmesser bedürfen der Stahlseele nicht und sind daher
praktisch zusatzverlustfrei. Bei Bündelleitern, die aus mehreren Stahl-
Aluminiumseilen geringen Durchmessers gebildet werden, sind die zusätz-
lichen Verluste ebenfalls unerheblich.
Mit dem Höherwerden der Betriebsspannung von Hochspannungslei-
tungen erhält die Koronaerscheinung größere Bedeutung. Je nach Feld-
stärke an der Leiteroberfläche und Witterung sind die hiermit verbun-
denen Verluste verschieden und nehmen unter ungünstigen Verhält-
nissen beträchtliche Werte an. Bei glatter Leiteroberfläche und trockenem
Wetter beginnt eine Leitung zu glimmen, wenn die Feldstärke an der
Leiteroberfläche 21,4 kVef//cm beträgt. Aus der spezifischen Ladung der
Leiteroberfläche läßt sich nach Gl. (217) die Feldstärke berechnen:

E = 2q • 9 · 106 • (263)
r
Die Ladung q ist
q= u)... cb, (264)
also kann man die Feldstärke auch schreiben
E =---;:-2 u;.. cb. 9. 106 • (265)
Wenn man E = 21 400 Vjcm einsetzt, ergibt sich für die Spannung U)..,
in Volt, falls r in cm und Cb in F/km eingeführt wird,
r
U;.. = 1,19 0 b ·10- 3 • (266)
Diese errechnete Spannung, bei der das Glimmen in ~er eine-tJ. ideal
glatten Leiter umgebenden Luft einsetzt, berücksichtigt-:poch nicht, daß
die Leiteroberfläche Rauhigkeit besitzt oder daß ein Einfluß der Witte-
rung vorherrscht. Man pflegt diese Einflüsse durch die Einführung
eines Faktors, der kleiner als 1 ist, in GI. {266) zu berücksichtigen.
Dieser Faktor beträgt für normale Leiteroberfläche, die bereits dem Ein-
fluß der Alterung im Betrieb unterworfen gewesen ist, und starken Regen
etwa 0,7, für trockenes Wetter etwa 0,9.
Bei Leitern großen Durchmessers kann man von einem ausgesproche-
nen Glimmeinsatz überhaupt kaum sprechen, da die Entladungen an
Ober Zusatzverluste und die Koronaerscheinung an Hochspannungsleitungen 4 75

einzelnen Punkten der Oberfläche, an denen eine Rauhigkeit vorliegt,


zu beginnen pflegen, und dies geschieht, wie sich durch mathematische
Berücksichtigung der Rauhigkeit nachweisen läßt und auch experimen-
tell bestätigt wird, bei etwa einem Drittel der oben angenommenen EiD-
satzfeldstärke des glatten Leiters.
Haben die Koronaentladungen einmal eingesetzt, so treten Verluste
auf, für deren BerechnungFormelnangegeben worden sind, jedoch haben
sich diese Formeln im
allgemeinen wenig be-
währt, da die oben er-
wähnte Oberflächenbe-
schaffenheit und die
Wetterlage die Verluste
zu sehr und zu unregel-
mäßig beeinflussen. Man
pflegt daher, um die Ver-
luste einer Leitung vor-
auszuberechnen, Ver-
suchsleitungen zu bauen,
die das zur Verwendung
vorgesehene Seil unter
möglichst natürlichen
Verhältnissen zu messen
erlauben. Da die Ver-
luste eines Seiles von be-
stimmtem Außendurch-
messer und derselben
0 herflächenbeschaffen-
heit die gleichen blei-
ben, wenn nur die Feld- Abb. 477. Berechnungstafelfür die Ermittlung der Korona-
verluste, abhängig von der Feldstärke.
stärke an der Leiter-
oberfläche die gleiche ist, so läßt sich das ·versuchsergebnis auf die
Feldverhältnisse der Übertragungsleitung umrechnen.
In Abb. 477 ist eiue Berechnungstafel wiedergegeben, der eine grö-
ßere Anzahl von Messungen zugrunde liegt. Man hat zur Anwendung
der Tafel die Feldstärke an der Leiteroberfläche nach GI. (217) und für
Bündelleitungen die am Teilleiterumfang vorkommende, höchste Feld-
stärke (Ema!IJ als Effektivwert) aus den Leitungskonstanten zu ermitteln.
Für diese Feldstärke geht man in den für die gesuchte Witterung und je
nach Rauhigkeit des Leiters geltenden Koronabereich und stellt die Ver-
lustgröße N 2 fest. N bedeutet Verluste je km und Phase, n die Anzahl
nr
der·parallelen Teilleiter bei Bündelleitungen (n = 1 für die Leitung mit
476 Die Berechnung elektrischer Netze

Einfachseil), r 2 das Quadrat des Leiter- bzw. Teilleiterradius in cm2•


Durch Multiplikation der Verlustgröße mit n. und r• erhält man dann
die an dem Leiter bzw. Bündel einer Phase auftretenden Koronaverluste
je km in kW.
In einem Beispiel für eine Höchstspannungsleitung von 380 kV Be-
triebsspannung mit 50 mm Hohlseil, deren Betriebsfeldstärke zwischen
15 und 17 kVettfcm zu liegen pflegt, ermittelt man nach Abb. 477 die
je Phase auftretenden Koronaverluste bei trockenem Wetter zu etwa
0,2 kWJkm und bei starkem Regen zu 20 kWfkm. Wenn die Leitung
mit Vierfachbündel 4 X 21 mm belegt ist, so pflegt man die Betriebs-
feldstärke auf etwa 14 kVettfcm zu bemessen. Die entsprechenden Ver-
luste werden dann 0,15 kW/km und 8 kW/km je Phase der Leitung
betragen.
Zur Beurteilung dieser Verluste für den Betrieb der Leitung bezieht
man sie auf 100 km Leitungslänge und die natürliche Übertragungslei-
stung. Für das 50 mm-Hohlseil ergibt sich dann bei troC'kenem Wetter
der Wert von etwa 0,02%/100 km, bei starkem Regen dagegen etwa 2%
je 100 km. Für die Leitung mit dem Bündelleiter von 4 X 21 mm erhält
mal?- dagegen nur 0,004%/100 km bei trockenem Wetter und 0,5%/100 km
bei starkem Regen. Die Koronaverluste bei trockenem Wetter sind,
wirtschaftlich gesehen, ohne Belang. Für die wirtschaftliche Bedeutung
der Koronaverluste bei Regen muß berücksichtigt werden, daß ein
Regengebiet nur begrenzte Ausdehnung hat und daß, über das Jahr
betrachtet, die Regenzeit begrenzt ist.

K. Die Berechnung von Wechselstromnetzen unter


Berücksichtigung der.Jndnktivität
a) Leitungen mit gegebener Stromverteilung
J~;s sei eine einseitig gespeiste Strecke mit dem ohmseben Widerstand r
und dem induktiven Widerstand X gegeben (s. Abb.478a). Die Leitung
besitze eine Reihe von Stromabnahmen. Im allgemeinen werden nicht
unmittelbar die Ströme, sondern die abgenommenen Leistungen und die
Leistungsfaktoren gegeben sein. Die erwähnten Stromabnahmen sind
in den meisten Fällen Umspannstationen, die den Strom mit durch Trans-
formatoren herabgesetzter Spannung -verteilen. Ist am Ende der Strecke
(s. Abb. 478a) die Phasenspannung UA2 (damit auch die verkettete
Spannung U2) bekannt, dann ·ergibt sich bei einer abgenommenen Lei-
stung N 2 an dieser Abnahme der Strom zu
12= Nz .
V3 • U2 cosqJ 2
Dieser Strom erzeugt auf der Strecke 1-2 einen ohmseben Spannungs-
abfall 12 r2, der in Phase mit dem Strom liegt, und einen induk1liven
Die Berechnung von Wechselstromnetzen 477
Spannungsabfall 12 X 2 , der dem Strom um 90° voreilt. Die geometrische
Addition dieser Spannungsabfälle zur Phasenspannung U)...2 ergibt die
Spannung U)...l in 1. Der Strom I 1 kann jetzt aus N 1 berechnet und unter
dem Winkel q;1 an U)...1 angetragen werden.

I 1- - Nl
va . ul. cos Cfl
Bei Berechnung der Spannungsabfälle auf der Strecke 0-1 in r1 und X 1,
muß beachtet werden, daß diese Widerstände vom geometrischen Sum-
menstrom I 1 .f- I 2 durchflossen werden. Durch Addition dieser ohmseben
und induktiven Spannungsabfälle zu UAl erhält man die an der Speise-
stelle vorhandene Spannung U )...o (Abb. 478 b).
Auch die zweiseitig gespeiste Strecke nach Abb. 479a ist berechenbar,
falls die Stromverteilung von vornherein gegeben ist. Stellt man beispiels-

U. ~; X1 r2 Xz
~~
. a .Lr1 4+
Nr,vr i\1,vz
Abb. 478a u. b. Leitung mit zwei Abb. 4.79 a u. b. Zweiseitig gespeiste Leitung
Stromverbrauchern. mit gegebener Stromvertellung.

weise die Forderung, daß die Abnahmestelle 2, deren Spannung bekannt


sei, vom Speisepunkt I den Strom lj und vom Speisepunkt II den
Strom Iu beziehen soll, dann kann man ohne weiteres die Leitung in 2
aurschneiden. Man erhält damit zwei einseitig gespeiste Strecken, wo-
durch die Berechnung der Spannungen U )..I und U )..u möglich ist. Diese
beiden Spannungen (s. Abb. 479b) werden im allgemeinen verschiedene
Größe und Phasenlage haben. Damit die geforderte Strombelieferung
auch eingehalten wird, muß es möglich sein, daß die Spannungen in
den Speisepunkten I und I I wie berechnet auch hingei·egelt werden
können. Strecken mit beliebig vielen Speisestellen und Stromabnahmen
(s. Abb.480a) können in ähnlicher Weise berechnet werden, nur muß
von vornherein festgelegt werden, in welcherWeise die Leistungen bzw. die
Ströme au'f die einzelnen Kraftwerke verteilt werden sollen (Abb. 480b).
Diese Verteilung wird entsprechend der Leistungsfähigkeit der Werke
vorgenommen. Es muß sein:
Ir.f- Iu..f-Im=I1 -f. I2 -f.. I 3 •
478 Die Berechnung elektrischer Netze

Ist die Spannung beispielsweise in I gegeben, sie sei gleich UAt• dann
muß man, um U ,1.1 zu erhalten, den durch I 1 bedingten ohmscheu und
induktiven Spannungsabfall von UAI geometrisch abziehen (s. Abb. 480 c)
Die Spannung U)...II in I I ergibt sich dadurch, daß man die durch den
Strom h~I1 bedingten Spannungsabfälle von UAt abzieht usw. Auf
diese Weise können unter Benutzung der in Abb. 480 b eingetragenen
Ströme sämtliche Spannungen ermittelt werden.
Beim Konstruieren der Spannungsdiagramme denkt man sich diese
oft mit y3multipliziert. Dadurch kann man statt der Phasenspannungen

e
~.II[

][
[,

c
Abb. 480a-c. Mehrfachgespeiste Leitung mitgegebener Stromvertellung.

jetzt numerisch die verketteten Spannungen einsetzen (obgleich diese


eine andere Phasenlage haben), muß aber bei der Berechnung der Span-
nungsabfälle alle Widerstände "{3 mal größer annehmen.

b) Leitungen mit gesuchter Stromverteilung


1. Symbolische Rechnung
Wenn in Netzgebilden zur Berechnung der Spannungen erst die Strom-
verteilung ermittelt werden muß, versagt die bis jetzt geführte rein geo-
metrische Betrachtung.
+j
Man muß in solchenFällen
die Hilfsmittel der sym-
bolischen Rechnung an-
wenden, wobei wir diese
vorwiegend in geometri-
scher Form gebrauchen
wollen. Es ist bekannt,
daß man in der Gaußsehen
Abb. 48la-il. Vektorbllder. Zahlenebene einen Vek-
tor 3 vom absoluten Betrag I (Vektoren als gerichtete Größen werden
deutsch, ungerichtete Größen lateinisch geschrieben) wie folgt schreiben
kann (Abb. 481 a):
3 =I.:+ j I 11 = I (cos1p+ jsin1p). (267)
Leitungen mit gesuchter Stromverteilung 479
Darin bedeutet: j = f l die imaginäre Einheit, I den absoluten Wert
und 'P den Winkel zwischen Vektor 3 und der Abszissenachse. I ergibt
sich zu: I= yi~+I~. Nach den Gesetzen der Mathematik ist
cos'P+ jsin'P = ei"'.
Man kann also auch schreiben:
3 =I ei"'. (268)
Diese Gleichung besagt, daß der Vektor 3 gleich ist dem absoluten
Wert I, multipliziert mit ei"', d.h. mit einem Vektor von der Größe 1,
der gegen die Abszissenachse den Winkel 'P bildet. 'P berechnet sich zu
t an'P= I"
I~». (269)

Das Rechnen.mit komplexen Zahlen sei an einigen Beispielen gezeigt.


Gleichzeitig sollen dieRechenregeln für dasArbeiten mit dersymbolischen
Methode abgeleitet werden.
Ein Wechselstrom 3 durchfließe einen ohmseben Widerstand r und
einen induktiven Widerstand X. Ermittelt soll die Spannung werden.
Man bildet zunächst (die Zweckmäßigkeit Wird sich später zeigen) für
die Impedanz nach Abb. 48lc einen Vektor
(270)
vom absoluten Betrag z und dem Winkel cp gegen die reelle Achse:
X
tancp = -. (271)
r
Multiplizieren wir den Stromwert 3 mit der Impedanz 3• dann ergibt
sich ein Vektor U
ll=33=lei"zei'l' =lzeC'I'+'I'>, (272)
dessen Größe gleich dem Produkt der absoluten Beträge der EinzeJ-
vektoren, also gleich I z ist und der gegen die Abszissenachse den Winkel
+
'P cp bildet (s. Abb. 481 a). U eilt also gegen 3 um den Winkel cp vor.
Da tancp = Xfr und der absolute Betrag von 3 gleich z = yr 2 +X 2 ist,

muß der gebildete Vektor U gleich der Wechselspannung sein, die den
Strom 3 durch den ohmscheu Widerstand r und den induktiven Wider-
stand X treibt. Hat man umgekehrt einen Spannungsvektor ll= U eifJ.
(s. Abb. 481 b) und teilt diesen durch die Größe 3 = zei'l', so ergibt sich
ein Vektor
3=·u = u~fJ. =!!__ efCfJ.-<p>, (273)
3 ze1 '~' z
der gegen U um den Winkel cp zurückgedreht ist (s . .Abb. 481 b) und dessen
Größe und Richtung mit den Forderungen der Wechselstromtheorie über-
einstimmt. Wir können also das ohmsehe Gesetz auch auf Wechselstrom,
480 Die Berechnung elektrischer Netze

d.h. auf Vektoren anwenden, sofern man statt der Widerstände die
Impedanzen als Vektoren in die Gleichung einführt. Liegt die Span-
nung U an einer Reihenschaltung von einem Widerstand r, einem in-
duktiven Widerstand XL= wL und einem kapazitiven Widerstand
Xe= 0010 , so ist in die Rechnung als Impedanz der. Wert

3= r + j(XL- Xe)= r + j ( wL- :o) (274)

einzusetzen. Dabei ist


1
wL--
wO
und tanqJ=--- (275)
r

Für die geometrische Betrachtung von Wechselstromaufgaben ist das


Ergebnis wichtig, daß man zwei Vektoren miteinander multipliziert, in-
dem man die absoluten Beträge multipliziert und die Richtung des neuen

Abb. 482 a-c. Ermittlung der Impedanz einer Stromverzweigung.

Vektors erhält, hidem man die Winkel der beiden Vektoren (von der
reellen Achse aus gemessen) addiert, daß man zwei Vektoren durchein-
ander dividiert, indem man die absoluten Beträge dividiert und die Rich-
tung des neuen Vektors durch Subtraktion der Winkel erhält. Die Addition
und Subtraktion von Vektoren ist selbstverständlich geometrisch durch·
zuführen.
Der große Vorteil der symbolischen Behandlung von Wechselstrom-
aufgaben besteht darin, daß sämtliche bis jetzt für rein ohmsehe Wider-
stände abgeleiteten Beziehungen zwischen den Spannungen und Strömen
unver.ändert übernommen werden können, sofern man sie ins Geome-
tris<>he übersetzt. Beispielsweise gilt für den Ersatzwiderstand r 0 von
zwei Widerständen r 1 und r2

-=-+-·
1
ro
1
r1
1
'"•
Sinngemäß berechnet sich die Ersatzimpedanz 3o zweier parallel geschal-
+
teter Impedanzen (Abb. 482a) 31 = r1 jXL und 3s= r 2 - jX0 aus

-=-+-·
1
3o
1
31
1
3a
Leitungen mit gesuchter: Stromverteilung 481

Wir wollen 5o graphisch ermittflln und bilden zunächst 1/51" Da 51 =z1 e:i'l',
ist (Abb. 482b), wird_!__=_!__ e/(-<p,J. Man ersieht hieraus, daß die Rich-
3t Zt
tung des Vektors 1/?n durch den Winkel -q;1 bestimmt ist, also durch
Spiegelung von 51 in bezug auf die reelle Achse erhalten wird (Abb. 482 c).
Der absolute Betrag von 1/51 ist gleich 1fz1 , kann also berechnet werden.Ent-
sprechendesgiltfür1/52· Die geometrische Summe von! +_!_ergibt1/3o·
Öl ÖB
Um 5o zu erhalten, muß 1/3o in bezug' auf die reelle Achse gespiegelt
werden und die absolute Größe z0 = (l;zo) berechnet werden. (1fz 0 kann

L '
it '
'' 2
',
' ',32
' 1

\
\
\
\ 1
b 1 1j
lO
Abb. 483 a-d. Bestimmung der Mittelpunktspannung
eines unsymmetrischen Drehstromsystems.

aus Abb. 482c abgegriffen werden.) Der so gebildete Vektor 5o ist in der
Abb. 482b eingezeichnet. In ähnlicher Weise kann man beliebige Impe-
danzkombinationen geometrisch ermitteln. Selbstverständlich kann
man 3o auch rechnerisch ermitteln, indem man für 31 und 32 die reellen
und imaginären Bestandteile einsetzt.
Ein weiteres Beispiel zeige die Anwendung der symbolischen Rech-
nung auf Netzaufgaben. Es sei ein Impedanzstern (Abb. 483a) mit den
Impedanz~n 31, 32 und 53 gegeben, deren Größen und Richtungen aus der
Abb. 483b entnommen werden können. Die Potentiale der Punkte 1, 2
und 3 sind durch das Potentialdreieck 1, 2, 3 der Abb. 483c gegeben oder,
wenn wir für unsere Betrachtungen das Potential des Punktes 2 will-
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 31
482 Die Berechnupg elektrischer Netze

kürlieh gleich 0 setzen, sind die Potentiale von 1 und 3 durch die Vek-
toren U1 und U3 (Abb. 483c) gegeben. Die Sternpunktsglei chung Gl. (172)
geht unter Beachtung, daß U2 = 0 gesetzt ist (desgleichen ist die Strom-
abnahme im Sternpunkt gleich 0), über in
11n = 00(U1 + Ua) .
01 5s
Um diesen Ausdruck zu konstruieren, muß zunächst &o auf Grund der
Beziehung _!_ = _!_
5o
_!_
51
+ 52 + 5s
_!_gebildet werden. Diese Konstruktion ist in
Abb. 483b durchgeführt worden. Man benötigt ferner die Vektoren U1/ö1
und U3 /~3 , die man addieren muß. Da U1 , U3 und 51 , &a bekannt sind, kann
(U1 + Us) er:r;nittelt werden (s. Abb. 483c). Multipliziert man jetzt 1 (U + Ua)
Ös
01 3s 31
mit der resultierenden Impedanz Öo• welche nach Abb. 483b gebildet
wird, dann f'rhält man das Potential U0 des Sternpunktes und damit
auch die an den drei Impedanzen ö1 , ö2 und öa wirkenden Spannungen U~,
u~ und u~ (s. Abb. 483d), so daß die Berechnung der Ströme 31• 32 und 3s
möglich ist. Beispielsweise ist 31 = U~/31 •

2. Berechnung der beidseitig gespeisten Strecke


Es sei die beidseitig gespeiste Strecke nach Abb. 484a betrachtet. Die
Wechselstrompotentiale (Abb. 484b) in den Speisepunkten I und Il seien

a
+J +j +j
u.._!u...
~u.~.o

reell l'ee/1 reell reell


b c d e f
Abb. 484a-f. Zweiseitig gespeiste Leitung.

gleich. Dieser Fallliegt vor bei einem einseitig gespeisten Ring, den man
aus der Abb. 484a erhält, wenn man die Punkte I und II zusammenfallen
läßt. Es sind die Stromabnahme n 31 und 32 , sowie die Leitungsimpe-
danzen ö1 , 32, 3o nach Abb. 484d und c gegeben. Man kann weiterhin bilden
31= Öl
32= 31 +52
.Bo = &1 + 32 + 5o •
Leitungen mit gesuchter Stromverteilung 483

Es ergibt sich bei sinngemäßer Anwendung der für die gleichstrom-


belastete Leitung abgeleiteten Gleichungen der von II in die Leitung
hineinfließende Strom zu
31~h +S282
0!"
0 = 8o
(276)

und der von I in die Leitung fließende Strom zu


0' = 0t + 02- 0"· (277)

Da sämtliche Größen bekannt sind, lassen sich 0" bzw. 0' berechnen
bzw. geometrisch konstruieren. Ist die Spannung in I und I I bekannt,
sie sei gleich U;..0 , so läßt sich jetzt bei bekannter Stromverteilung die
Spannung im Punkt l ermitteln.
ll},l = ll,Ao- 0' Öt·
In gleicher Weise erhält man die Spannung UA 2
ll;,2= ll;_t- (0'- 01lö2·
Im allgemeineren Falle sind U.Az und U;.,rr nicht gleich (Abb.484e),
sondern voneinander verschieden. Dies bedingt einen zusätzlichen Aus-
gleichsstrom von der Größe
0! U}..r-U;.,rr (278)
o\.Sa = o
<00
'

wobei als positive Richtung für den Ausgleichsstrom die Richtung von I
nach II gilt. Man erhält jetzt für die einzelnen Spannungen folgende
Werte:
ll;.,1 = UA.I- (0' + 0al &1 } (279)
ll.,\2= U;..l- (0' + 0a- 01)&2·
Diese Spannungen können ebenfalls leicht geometrisch gebildet werden.
Da man in Hochspannungsnetzen meistens wesentlich größere Span-
nungsabfälle hat als in Niederspannungsnetzen, kann man, wenn nicht
die Ströme, sondern die Leistungen beim Abnehmer gegeben sind, zur
Berechnung der Ströme nicht annehmen, daß die beim Abnehmer vor-
handene Spannung und Phasenanlage gleich der der Speisestelle ist. Dies
geht an und für sich schon nicht, wenn zwei Speisestellen (Abb. 484) mit
verschiedenen Spannungen und verschiedenen Phasenlagen vorhanden
sind. Man muß sich dann so helfen, daß man die Spannungen an den
Abnahmestellen (Abb. 484f) in bezugauf Größe und Phasenlage schätzt
und aufzeichnet und hiernach mit den bekannten Leistungen N (in W)
und bekannten cos rp die Ströme I berechnet und ebenfalls ins Diagramm
einträgt. Mit diesen Strömen konstruiert man in bekannter Weise die
Spannungen an den Abnahmestellen und muß nun feststellen, ob die-
selben stark von den angenommenen Spannungen abweichen. Sollte dies
31*
484 Die Berechnung elektrischer Netze

der Fall sein, so wird man mit den neuen Spannungen aus den bekannten
Leistungen nochmals die Abnahmeströme berechnen und mit diesen die
Rechnung durchführen. Diese zweite Rechnung ergibt dann meist die
Spannungen mit genügender Genauigkeit. In der Mehrzahl der Fälle
wird man schon mit der ersten Rechnung genügend genaue Ergebnisse
erzielen.

c) Berücksichtigung der Leitungskapazität


Die Freileitungen, sowie die Kabel besitzen eine über die gesamtP.
Leitungslänge gleichmäßig verteilte Kapazität. Bei symmetrischen Be-
lastungen kann man pro Phase mit einer sog. Betriebskapazität rechnen,
die sich nach den Angaben auf S. 469 berechnen läßt. Für die meisten
Rechnungen ist es zweckmäßig, nicht mit verteilten, sondern mit konzen-
trierten Kapazitäten zu rechnen. Es sei beispielsweise eine Leitung von
der Länge l km und
l
a der auf den km be-
=t=f zogenen Betriebska-
~
lt 2 lJ pazität c vorhanden.
1'500 :(li
TT T Man kann ~>ich nun
t2 c l3 c tJc
T 2T 2 die längs der Leitung
la z2,z3 c ::I.lf verteilte Kapazität
T"'~-.- CnT
entweder durch eine
2 in der Mitte der Lei-
~JJl~c2 .i5c,
e
tung angreifende kon-
zentrierte Kapazität
~2
Abb. 485a-e. Berücksichtigung der Leitun~skapazität.
von derGröße C = lc
(Abb. 485a) oder
auch durch zwei Kapazitäten von je Cj2, die auf die beiden Enden der
Leitung konzentriert sind, ersetzt denken (in Abb. 485a gestrichelt ge-
zeichnet). Die Annahme einer konzentriert gedachten Leitungskapazität
ist je nach verlangter Genauigkeit zulässig bis zu Entfernungen von
300 bis 500 km (s. S. 524). Hat man eine einseitig oder auch zweiseitig
gespeiste Strecke mit einer Reihe von Streckenabschnitten, so kann
man sich fiir jeden Abschnitt (Abb. 485 b) die Leitungskapazitäten auf
die Enden, also auf die Punkte 1, 2, I und II verteilt denken und diese
dann dort zusammenfassen (Abb. 485c). Die Phasenspannung an der
Abnahme 1 sei gleich U Al· Diese Spannung ruft einen um 90° voreilen-
den kapazitiven Strom hervor von der Größe I o1= ~~~ = U ).1 wC1 oder
vektoriell geschrieben
(280)
Da man, falls die Leistungen gegeben sind, zur Ermittlung der abgenom-
menen Verbraucherströme ~10 und ~20 die Spannungen Uv U2 haben
Die Berechnung v:on Leitungen der Wirk- und Blindströme 485

bzw. schätzen muß, kann man auch gleichzeitig die Ladeströme 3o der
Leitung (s. Abb. 485d) berechnen. Im Punkt 1 greift damit (unter Be-
rücksichtigung der konzentrierten Leitungskapazität) als Gesamtstrom
der Strom (Abb. 485e)
31 = 31o 3o1 + (281)
an. Da die Belastungs- und Ladeströme für die übrigen Abnahmestellen
genau so bestimmt werden können, kann die Berechnung der Leitung
nach den bisherigen Grundsätzen erfolgen.

d) Die Berechnung von Leitungen unter Benutzung der Wirk- und


Blindströme der Abnehmer
Es sei eine einseitig gespeiste Leitung (Abb. 486) mit den Impedanzen
ß1 , .82 usw. oder allgemein geschrieben mit den Impedanzen .8 vorhanden.
Der Spannungsabfall auf der Lei-
tung kann unter Benutzung der
symbolischen Methode geschrie-
02
ben werden:
3t 3., 33
(282) Abb. !86. Leitung mit mehreren Strom·
verbrauchern.
[n unserem speziellen Beispiel,
in dem drei Stromabnahmen vorhanden sind, wollen wir vorübergehend
annehmen, daß die Spannung am Ende der Leitung ll)..s und die Spannung
am Anfang der Leitung U,1..0 der Größe und Phase
nach bekannt (s. Abb. 487) seien. Wir legen unser •J
Koordinatensystem (in der Abb. 487 dünn gezeich- {
net) so, daß die imaginäre Achse eine mittlere Richtung du
zwischen den beiden Spannungen U)..o und U,1..3 ein- uAJ
nimmt. Die vorhandenen Ströme 31, 32 und 33 oder
ganz allgemein geschrieben 3, zerlegen wir in je· eine
Blindkomponente h, welche in Richtung der reellen ~ Jw l.
und in eine Wirkkomponente Iw, welche in Richtung
der imaginären Achse fällt. Ferner zerlegen wir den
Spannungsabfall AUb ebenfalls (s. Abb. 487) in zwei 4 reell
Komponenten L1 ub und L1 uW' Wir können jetzt die Abb. 487. Diagramm.
Gl. (282), da. .8 = r +jX ist, auch schreiben:
jAUw+ AUb=.J:(jiw+ h) (r+ jX), }
(283)
jAUw+ AUb = j.J: (Iwr+IbX)+ .l:(hr-IwXl.
Der reelle Teil und der imaginäre Teil dieser Gleichung müssen überein-
stimmen, also gilt:
AUw=.J: (Iwr+ hX), (284)
AUb =.J:(hr-IwX). (285)
486 Die Berechnung elektrischer Netze

Nun ist L1 Uw mit ziemlicher Annäherung gleich dem Spannungsabfall


L1 U = U Ao- U )..s, so daß wir für diesen auch schreiben können:
(286)
Die Ströme Iw und Ib sind die Wirk- bzw. Blindströme für eine Spannung,
die mit der j-Achse zusammenfällt. Da die tatsächlich vorhandenen Span-
nungen in ihrer Richtung von dieser mittleren Spannungslage meist nicht
sehr abweichen, kann man Iw und Ib auch als Wirk- und Blindströme,
bezogen auf diese tatsächlichen Spannungen, betrachten. Man hat dann
das Gesetz, daß der Spannungsabfall der Leitung gleich ist der Summe
der Strommomente, gebildet aus den Wirkströmen mal den Widerständen
(gemessen von der Speisestelle aus) plus der Summe der Strommomente,
gebildet aus den Blindströmen mal den Reaktanzen. Sind nicht die
Ströme, sondern die Leistungen gegeben, dann müssen die Spannungen
zunächst angenommen und hier-
aus die Ströme berechnet wer-
den, die dann in die GI. (286) ein-
~==--+---+-_,r--=:---~>n gesetzt werden.
~ Diese oft augewandte Nähe-
'Z
4.,,-4; 43.1~ rungsmetbade zur Berechnung
des Spannungsabfalls in einer
a &! ;tq
Leitung, welche auch auf einseitig
gespeiste Strahlennetze übertra-
:X
gen werden kann, ist sehr einfach
r
b Ro und man mag geneigt sein, das
Abb. 488 a u. b. Zweiseitig gespeiste Leitung.
Verfahren bei beliebig vermasch-
ten Netzen anzuwenden, da man
dann den Vorteil hätte, daß, nachdem einmal sämtliche Ströme in Wirk-
und Blindströme zerlegt sind, man die Wirk- und Blindströme je für sich
betrachtet und die Spannungsabfälle am Schluß ähnlich GI. (286) super-
paniert. Leider ist unser Gesetz allgemein nur für einseitig gespeiste
Leitungen gültig. Schon für die zweiseitig gespeiste Strecke gilt es nur,
wie wir sehen werden, unter einschränkenden Voraussetzungen.
Es sei die zweiseitig gespeiste Strecke nach Abb. 488a gegeben. Pie
Spannungen in den Punkten I und I I seien gleich. Der von I I in die
Leitung hineinfließende Strom läßt sich berechnen zu:

S" = .E:o8' wobei .8o= ßt +52+ ...


Spalten wir sämtliche Ströme in Wirk- und Blindströme auf, dann geht
unsere Gleichung über in:

- J• ]"w _L
01." -
o\5 I
_ · "' 1w 8
I"b-J..:."-- + ..:."-·
"' I b 8 (287)
8o 8o
Verluste in einer Fernleitung 487
Nehmen wir an, daß die einzelnen Impedanzen der Leitung ß1, ,&, ß, .8o
(s. Abb. 488b) gleiche Richtung haben, dann wird:

~= _!__ = -~ oder auch _!_ = Xo •


.So Ro Xo r Ro

Man kann also GI. (287) in diesem angenommenen Falle auch schreiben:

J"I"+
w I"--. I:lwr+ -
TJ-J-- I:lb·X
---.
Ro Xo
Hieraus folgt:
und (288)

Weiter ist:
und
Nach diesen Formeln können wir also Wirk- und Blindströme für sich
getrennt betrachten und auch die Wirk- und Blindströme auf die Lei-
tungsendan überführen. Voraussetzung für die getrennte Betrachtung
der Wirk- und Blindströme, welche auch auf ganze Netze übertragen
werden kann, ist allerdings, daß auf den Leitungen die Größe Xfr kon-
stant ist, was normalerweise gleichbedeutend mit konstantem Quer-
schnitt der Leitungen ist. Oft wird man, um obiges Rechenverfahren
ausführen zu können, näherungsweise annehmen können, da~ Xfr kon-
stant ist. Prinzipiell ist obiges Rechenverfahren identisch mit dem auf
S_. 482 gebrachten, so daß die jetzt bewiesenen Einschränkungen auch
dort gelten.

e) Verluste in einer Fernleitung


Bis jetzt handelte es sich stets um die Ermittlung des Spannungs-
abfalles in einer Fernleitung. Von wesentlichem Einfluß auf die Aus-
legung einer Leitung sind jedoch auch die Leistungsverluste, die, damit
der Wirkungsgrad der Obertragung nicht zu schlecht wird, bestimmte
Werte nicht überschreiten sollen. Die auftretenden Verluste sind gleich
/ 2 r = Pl pro Phase, also ergeben sich die Gesamtverluste N'O für das
~q

Drehstromsystem zu:
(289)

Ist die abgenommene Leistung N in Watt, die verkettete Spannung U


in Volt, sowie der cos 'P gegeben, dann läßt sich der abgenommene
Strom I ermitteln zu:
N
1=----.
~yau cos rp
488 Die Berechnung elektrischer Netze

Diesen Wert in die Gl. (289) eingesetzt ergibt:


N _ N1 l (290)
v - "'U;;;:1 --xq-co-s"
1 rp-

Sollen die Verluste nur o:-mal der abgegebenen Leistung sein, also
Nv=o:N, (291)
dann geht die GI. (290) über in die Form:
Nl
lX= •
U2 -xq cos 2 rp

Wir können also nachrechnen, wieviel Prozent der übertragenen Leistung


die Verluste in einer Fernleitung ausmachen bzw. umgekehrt, wenn die
Verluste und die Spannung U gegeben sind, wie groß der Querschnitt q
der Leitung zu wählen ist. Die Größe der in Hochspannungsleitungen
auftretenden Verluste unterliegt starken Schwankungen. Größenord-
nungsmäßig sind die Verluste einer Leitung 5 bis 100/o der übertragenen
Leistung.

f) Beeinflussung der Verluste durch geeignete Belastungsverteilung


-bei zweiseitig gespeisten Strecken
Es sei die zweiseitig gespeiste Strecke nach Abb. 489 betrachtet. Die
Stromabnahmen 11 , / 2 seien nach Größe und Phasenlage bekannt. Man
denkt sich diese Ströme in Wirk-
rv
ströme I w und in Blindströme h auf-
geteilt. Zunächst seien die Blind-
ströme betrachtet. Die abgenom-
menen Blindströme müssen von den
beiden Kraftwerken geliefert werden
Abb. 489. Leitung mlt eingezeichneter und es fragt sich, welche Verteilungs-
Bllndstromvertellung.
art ergibt die geringsten Leitungs-
verluste. Der vom rechten Kraftwerk gelieferte Blindstrom Stli 1;, der
vom linken Kraftwerk gelieferte I~. Wie groß I; ist, sei zunächst un-
bekannt. Beachten wir, daß der Widerstand es vom Strom I;, der Wider-
stand e2 von (I;- / 112) und der Widerstand e1 vom Strom (I;- lb 2 - h 1)
durchflossen wird, dann ergibt sich für die gesamten Leitungsverluste,
wenn k eine Konstante ist,
Nv = k [(I;- h2- htl 2e1 + (I;- h2l 2 !?2 + 1;2 Qs]. (292)

Um das Minimum zu erhalten, wird :::gebildet und gleich Null gesetzt.


b

dd~: = 0 = k 2 [(I;-- h 2- h 1) e1+(I;- h2) e2+ 1~ ea] · (293)


b
Die Verwendung von Kondensatoren bzw. von Phasenschiebern 489

Beachtet man, daß


T l = ~?1

r2 = 1?1 + 1?2
R= !h + ed- ea
ist, so ergibt sich na<>h kleiner Umrechnung
I~= lhlri+Ib2r2 = };lbr. (294)
R R
I~ erhält man aus der Beziehung I~ = L,Ib - I~.

Wir erhalten also die geringsten Verluste, falls die von den Kraft-
werken zu liefernden Blindströme nach diesen Gleichungen, die dem
gleichen Gesetz gehorchen wie die Beziehungen zur Bestimmung der
Komponentenströme, aufgeteilt werden.
Das Optimum der Verluste ändert sich nicht, falls wir jetzt noch die
abgenommenen Wirkströme betrachten und annehmen, daß die zufließen-
den Wirkströme von vornherein fest gegeben sind und entsprechend der
Leistung der beiden Kraftwerke ermittelt wurden. Die Verluste der
Wirkströme überlagern sich den Verlusten der Blindströme, da, falls I
der durch eine Leitung fließende Strom ist, die Beziehung gilt
I!+ I~= J2.
Sollte man auch die Verteilung der Wirkströme auf die beiden Kraft-
werke beliebig vornehmen können, dann ergeben sich günstigste Ver-
laste, falls der vom Kraftwerk II zufließende Wirkstrom /~
I~= };lwr (295)
R
und der von I zufließende Wirkstrom

I~= .2Iw- I~ (296)


ist. Ob die gewünschte Verteilung der Wirk- und Blindströme auf die
einzelnen Kraftwerke möglich ist, muß von Fall zu Fall geprüft werden.

g) Die Verwendung von Kondensatoren bzw. von Phasenschiebern


zur Kleinhaltung des Spannungsabfalls und der Leitungsverluste
Für die Verringerung des Spannungsabfalls von Leitungen werden
heute vielfach Reihenkondensatoren verwendet. Sie sind insbesondere
nützlich bei starken, rasch veränderlichen Belastungen, wie sie bei Licht-
bogen- Öfen und Schweißeinrichtungen vorkommen.
Die Gl. (194) des Abschnittes XIX H geht, wenn mit XL der Wider-
stand der Längsinduktivität und mit Xe der Widerstand der Reihen-
490 Die Berechnung elektrischer Netze

kapazität bezeichnet wird, über in

L1u =Ir coscp +I (XL- Xe) sincp

=Ir coscp (1 +XL -;Xe tancp)


Der Spannungsabfall L1u wird Null für
Xe· XL+ rcotcp

Man erkennt, daß man mit einer um so kleineren Kapazität auskommt, je


niedriger der Leistungsfaktor ist.
Abb. 490 zeigt in Anlehnung an Abb. 457, daß bei Reihenschaltung
eines Kondensators, welcher der obigen Gleichung entspricht, die Span-
nung am Anfang und Ende der Leitung nahezu gleich
ist. Man erkennt auch die Verbesserung des cos cp am
Anfang der Leitung.
Reihenkondensatoren müssen beim Kurzschließen
u. . o geschützt werden z. B. durch Funkenstrecken in Ver-
bindung mit einem Überbrückungsschalter. Auch
erfordern Resonanzschwingungen u. U. zusätzliche
Schutzmaßnahmen durch ohmsehe Widerstände.
Bei der Untersuchung des Einflusses von Parallel-
Kondensatoren auf den Spannungsabfall am Ende der
Leitung der einseitig gespeisten Strecken der Abb. 491
gehen wir von der Gl. (286) aus.
L1u = .J: Iwr + .J: IbX.
Eine am Ende der Leitung vorgesehene Kapazität
bzw. vorgesehener Phasenschieber nimmt voreilenden
Blindstrom auf, bzw. liefert nacheilenden Blind-
strom 10 in die Leitung, wirkt also als ein Blind-
Abb.400. Spannungs-
diagramm bei Reihen- stromerzeuger. Die Gleichung gilt auch für diesen
schaltung eines
Kondensators. Fall, nur muß der von der Kapazität (bzw. Phasen-
schieber) erzeugte Blindstrom I 0 mit Minuszeichen
zusätzlich in die Gleichung eingeführt werden. Der Spannungsabfall am
Ende der Leitung ist also

(297)

Bei passender Wahl von I 0 kann der Spannungsabfall am Ende der


Leitung Null werden. In diesem Falle gilt:
Die Verwendung von Kondensatoren bzw. von Phasenschiebern 491

und
(298)

Statt die Kapazität am Ende der Leitung vorzusehen, kann man sie
auch bei einem Zwischenverbraucher anbringen. Es ist dann in Gl. (298)
für X 0 die von der Speisestelle bis zum Ort der Kapazität vorhandene
Reaktanz einzusetzen.
Durch· Verwendung einer .Kapazität (bzw. eines Phasenschiebers)
können auch die Verluste in einer Leitung verkleinert werden. Abb. 492
zeigt nochmals die einseitig gespeiste Strecke. In der Abbildung sind nur
die Blindströme eingetragen. Denken wir uns am Ende der Strecke eine
Kapazität, die, wie erwähnt, als.:Slindstromerzeugerwirkt, so kann für den
Blindstrom die Leitung als zweiseitig gespeist aufgefaßt werden. Auf

Abb. 491. Leitung mit angeschlossener Abb. 402. Leitung mit angeschlossener
Kapazität. Kapazität.

S. 489 war gezeigt worden, daß die Leitungsverluste durch den Blind-
strom am kleinsten werden, wenn I;, welches in unserem Falle dem I 0
entspricht, gleich wird:

(299)

Bemißt man also die Kapazität derart, daß dieser Blindstrom abgegeben
wird, so herrschen in der Leitung kleinste Verluste. Die erforderliche
Kapazität pro Phase kann leicht auf Grund der Beziehungen

I 0 = U)..wC und C = 1~ ~ (Farad) (300)

berechnet werden. Wird die Kapazität nicht unmittelbar an die Leitung


angeschlossen, sondern über einen Transformator, dann ist zu beachten,
daß die unterspannungsseitig vorhandene Kapazität Cu auf die Ober-
spannungsseite so wirkt, als ob sie um das Quadrat des Übersetzungs-
verhältnisses verkleinert wäre. Es gilt also für die auf dif' Oberspannungs-
seite bezogene Kapa?Jtät

(301)
492 Die Berechnung elektrischer Netze

Wenn auch nach Gl. (299) die Leitungsverluste durch eine Parallel-
Kapazität bzw. einen Phasenschieber verkleinert.werden können, so sind
die Verluste trotz allem immer noch größer, als wenn überhaupt keine
Blindströme in den Leitungen vorhanden wären. Man muß deshalb be-
strebt sein, die Blindströme möglichst ganz von der Leitung fernzuhalten
und sie unter Umständen an Ort und Stelle des Blindstrombedarfes durch
Kondensatoren oder Phasenschieber zu kompensieren.· Abb. 493a zeigt
eine Umspannstation (Verbraucher), welche den benötigten Blindstrom
über die Leitung bezieht. Die Hochspannungsleitung kann vom Blind-
strom entlastet werden, wenn der Blindstrom auf der.Hochspannungsseite
des Abnehmers durch Kapazitäten oder Phasenschieber erzeugt wird
(Abb. 493b). Bei dieser Anordnung ist zu beachten, daß der Blindstrom
durch den Transformator hindurchfließen muß und diesen nach wie
vor erwärmt. Erfolgt die Blindstrom-
erzeugung auf der Unterspannungsseite
des Transformators (s. Abb. 493c), dann
wird auch der Transformator von den
Blindströmen entlastet, so daß er nur
Wirkströme zu übertragen hat, er somit
Abb. (03a-c. Verechiedene Möglich-
keiten der Blindstromzuführung. weniger erwärmt wird bzw. man ihn
stärker mit Wirkleistung belasten kann.
Da der Blindstrombedarf zeitlich meist nicht konstant ist, sondernstarken
Schwankungen unterliegt, muß in einem solchen Falle die Kapazität
regelbar sein.
Die heute in Netzen zur Anwendung kommenden Kondensatoren sind
Papierkondensatoren. Zum Aufbau dieser Kondensatoren verwendet
man ein dünnes, aus Sicherheitsgründen aus mehreren Lagen bestehendes
Papierband, welches beidseitig von einer dünnen Aluminiumfolie um-
geben ist. Dieses Band wird über einen Dorn gewickelt und nach Ent-
fernen desselben zusammengepreßt. Eine Reihe solcher Wickel werden
in einem MetaJlkasten bzw. Kessel parallelgeschaltet. Um hohe elek-
trische Festigkeit des Papieres zu erhalten, wird dieses z. B. mit Öl,
welches den ganzen Kessel ausfüllt, getränkt. Man kann die Konden-
satoren sehr günstig für einen Spannungsbereich von etwa 550 V bis
etwa 6 kV bauen. In dem obengenannten Spannungsbereich ist der
Raumbedarf pro kV A Blindleistung praktisch g~eich. Bei kleineren Span-
nungen, z. B. 220 V, benötigt man mehr Raum, weil man mit der Papier-
dicke der Kondensatoren unter bestimmte Beträge nicht heruntergehen
kann. Hat man höhere Spannungen, so wird man eine Reihe von Konden-
satoren, z. B. solche von 6 kV in Reihe schalten. Um zu vermeiden, daß
dabei zu hohe Spannungen der Kondensatorbeläge gegenüber dem Kasten
auftreten, werden die einzelnen Kästen gegeneinander und gegen Erde
durch Isolatoren isoliPrt. Damit kann man Kondensatoren für 100 kV
Die Verwendung von Kondensatoren bzw. von Phasenschiebern 493

und noch höhere Spannungen bauen. Abb. 494 zeigt eine Kondensatoren-
batterie für 100 kV.
Um die Größe der Kapazität der vom Netz benötigten Blindleistung
anzupassen, wird man diese in etwa 5 bis 7 Stufen regelbar ausführen.
Beim Zuschalten einer Kapazität an eine Spannungsquelle mit unendlich
großer Ergiebigkeit würde theoretisch der Kondensator seine Lade-
leistung in unendlich kurzer Zeit aufnehmen. Dies würde einen unendlich
großen Strom bedingen. Wegen der im Netz vorhandenen Widerstände
und der beschränkten Ergiebigkeit der Spannungsquelle kann ein unend-
lich großer Strom nicht fließen. Immerhin vermögen jedoch kurzzeitig

Abb. 494. Kondensatorenbatterie für 100 kV (SSW).

sehr hohe Stromstöße und hierdurch bedingte Spannungsahsenkungen


des Netzes aufzutreten. Deshalb schaltet man die Kondensatoren über
einen Dämpfungswiderstand an das Netz, wobei dieser anschließend kurz-
geschlossen wird. Das Zu- und Abschalten der Kondensatoren erfolgt
durch Leistungsschalter. Um jedoch mit zwei Leistungsschaltern eine
beliebige Zahl von Kondensatoren an- und abschalten zu können, sieht
man zu den einzelnen Kondensatoren Trennmesser vor, welche die Schal-
tung vorbereiten, während die eigentliche Ab- und Zuschaltung von den
Leistungsschaltern vorgenommen wird.
Statt Kondensatoren können umlaufende Phasenschieber (leerlaufende
Synchronmaschinen) gewählt werden. Die Verluste der Kondensatoren
sind etwa 0,2 bis 0,3%, während die der Phasenschieber bei größeren
Leistungen (10000 bis 30000 kVA) etwa 2 bis 1,3% betragen, also wesent-
lich größer sind. Unterhalb von 10000 kVA dürften meist die Konden-
satoren die wirtschaftlicheren sein. Oberhalb von 10000 kV A können
Phasenschieber günstiger sein, falls die jährliche Betriebszeit klein ist,
494 Die Berechnung elektrischer Netze

die höheren Verluste also nicht viel ausmachen. Bei höheren Spannungen
für welche sich Phasenschieber nicht bauen Jassen, müßte man noch b8-
sondere Transformatoren verwenden, so daß ein wirtschaftlicher Vergleich
zugunsten der Kondensatoren ausfällt.

L. Berechnung des wirtschaftlichen Leitungsquerschnitts


Ein Kraftwerk speise eine Leitung von der Länge l km mit der Span-
nung U, am Ende der Leitung werde die Leistung N kW abgenommen.
Berücksichtigt man zunächst nicht den Spannungsabfall, so gelten fol-
gende Überlegungen fürdie Gestaltung
~//slkratfwerk ~ p der Leitung. Baut man die Leitung
ll
Abb. 495. Hochspannungsleitung mit '
mit kleinem Querschnitt, dann wird
die Leitung billig und die jährlichen
gedachtem Verlustkraftwerk.
Kosten, die man für Verzinsung und
Abschreibung des Anlagekapitals aufwenden muß, bleiben klein. Die in
der Leitung auftretenden Verluste werden dagegen hoch, außerdem muß
das Kraftwerk um den Betrag der Verluste größer gebaut werden, was
beides Kosten mit sich bringt. Man kann sich die Vergrößerung des
Kraftwerkes idealisiert so vorstellen, daß ein besonderes Verlustkraft-
werk gebaut werden muß (s. Abb. 495). Legt man umgekehrt die Leitung
mit großem Querschnitt aus, ~o werden die Kosten für den Kapitalzins,
für Abschreibungen der Leitung usw. groß, die
Kosten für die Verluste, sowie für das Verlust-
kraftwerk jedoch klein. Es gibt also sicher einen
Querschnitt, bei dem die jährlichen Gesamt-
kosten am günstigsten sind. Dieser Querschnitt
soll im folgenden ermittelt werden.
Sind die Verluste, welche in der Leitung
auftreten gleich Nv kW, dann muß das Verlust-
kraftwerk für Nv kW ausgebaut werden. Be-
tragen die Ausbaukosten pro kW aDM, so kostet
die Vergrößerung des Kraftwerkes Nv a DM.
Die Kosten für die Verzinsung des Kapitals, für
Abb. 496. Geordnete Jahres· die Abschreibungen usw. seien durch den
kurve für 1'. Faktor p 1 erfaß t. Die Jä
· hrlich au f zu b rmgen
· den
Kosten für das Verlustkraftwerk belaufen sich dann auf Nv ap1 DM
oder auf NvkK DM, falls kx=ap 1 ist. Wir müssen in diese Beziehung
für Nv die Verluste einsetzen, die bei größter abzugebender Leistung Nm
auftreten.
Bei Ermittlung der Leitungsverluste innerhalb eines Jahres ist zu
beachten, daß die Leistungsabnahme Schwankungen unterliegt. AufS. 46
wurde gezeigt, daß durch die geordnete Jahresbelastungskurve ein Über-
Berechnung des wirtschaftlichen Leitungsquerschnitts 495
blick über die während eines Jahres abgegebene Leistung N in kW erreicht
wird. Eine ähnliche Kurve kann man für die abgegebenen kVA bzw. für
den abgegebenen Strom I aufstellen. Diese geordnete Jahreskurve für
den Strom I ist in Abb. 496 aufgezeichnet, desgleichen die I 2-Knrve. Der
Flächeninhalt der Kurve I 2 = f (t) ist proportional den Leitungsverlusten
im Jahr.
Man stellt sich jetzt vor, die Leitung werde mit dem größten Strom Im
(entsprechend größter Leistung Nm) während h Stunden im Jahr be-
trieben, wobei in dieser Zeit gleiche Verluste auftreten sollen wie bei der
tatsächlichen Belastung pro Jahr. In der Abb. 496 ist ein Rechteck ein-
gezeichnet mit der Höhe I! und der Breite h. Der Inhalt des Recht-
eckes I~h muß gleich dem Inhalt der schraffierten Fläche .2 I 2 At sein.
Es gilt also
h = J;JBAt (302)
J2 .
".

Die jährlichen Leitungsverluste sind also Nv·h kWh. Kostet die kWh
b DM, so sind die jährlichen Kosten Kv, die für die Vergrößerung des
Kraftwerkes und für die Verluste in der Leitung aufzubringen sind, gleich
Kv= NvkK+ Nvhb. (303)
Trägt man die Anlagekosten pro km Fernleitung bei gegebener Spannung
in Abhängigkeit vom Querschnitt auf, so erhält man als Ergebnis, wenn
als Abszisse der Querschnitt und als Ordinate der Preis aufgetragen wird,
eine gerade Linie. Man kann daher für die Kosten von 1 km Leitung
setzen
(304)
Beträgt der Kapitalfaktor p 2 , so sind die jährlichen Kosten für die Leitung
K~= AL+ BLq, (305)
wobei man zur Abkürzung AL= p 2 A und BL = p 2 B gesetzt hat.
Die Gesamtkosten der Leitung pro Jahr belaufen sich damit auf:
K = Nv (kK+ hb) + l(AL+ BLq). (306)
Setzt man für Nv den Wert aus GI. (290) ein, dann ist
N l
K= us cos8
s
rpuq
(kK+hb)+l(AL+BLq).
.
(307)
Differenziert man diese Gleichung nach q und setzt den Differential-
quotienten gleich Null, so erhält man
dK = 0=-
dq
N•z
U8 cos 8 rpuq2
(kK+ hb) + l BL
oder
bzw. - I l r3 vkK+hb
q- B • (308)
'K. L
496 Die Berechnung elektrischer Netze

Der wirtschaftliche Querschnitt kann damit berechnet werden. Beachtet


man, daß die Stromdichte gleich ist
j= Ijq
und setzt man diesen Wert in die GI. (308) ein, so findet sich für die
wirtschaftliche Stromdichte j der Wert

(309)

Handelt es sich bei dem Kraftwerk um ein Wasserkraftwerk, bei dem


die Energiekosten gleich Null sind, so muß in den gefundenen Glei-
chungen b, die Energiekosten für die kWh, gleich Null gesetzt werden.
Handelt es sich andererseits um den Anschluß einer Leitung an ein vor-
handenes Kraftwerk, so kann man unter Umständen kK gleich Null
setzen. In den Formeln muß N und U (verkettete Spannung) in W und
in V bzw. in kWundin kV eingesetzt werden. kKsind die jährlichen festen
Kosten für 1 kW installierte Kraftwerkleistung in DM (kK = ap1), bist
der Preis pro kWh in DM (reine Energiekosten) und BL=Bp2 sind die
jährlichen festen Kosten pro km Freileitung für den querschnittabhän-
1, h gigen Anteil. ~ist die Leitfähigkeit des Leiter-
a ~T, 1 ::::J · materials.
r-- f· lg- -:1
t, tt In den Formeln für den wirtschaftlichen
b \. L----::ll Querschnitt und für die wirtschaftliche
Stromdichte ist die Leitungslänge l nicht ent-
Abb. 497 a u. b. Leitung mit zwei halten. Man kommt also, J. e länger die
Stromverbrauchern.
Leitung gewählt wird, zu immer größeren
Verlusten, so daß, da diese bestimmte Werte nicht überschreiten sollen,
die Übertragungsspannung erhöht werden muß. Die Gesichtspunkte, die
für die Wahl der Spannung maßgebend sind, seien später erörtert. Zur
Orientierung diene, daß die wirtschaftliche Stromdichte bei Kupferfrei-
leitungen 1,8 Ajmm2 , bei Aluminiumfreileitungen etwa 1 Ajmm2 beträgt.
Bei Kabeln aus Kupfer beträgt sie etwa 2 bis 3 Ajmm2•
Unsere Überlegungen bezüglich der wirtschaftlichen Stromdichte oder
bezüglich des wirtschaftlichen Querschnittes lassen sich auch, konstanten
Querschnitt vorausgesetzt, auf eine Leitung mit mehreren Strom-
abnahmen, düi einseitig (s. z.B. Abb. 497a) oder auch zweiseitig gespeist
sei, übertragen. Die in der Abb. 497a den Leistungen N 1 und N 2 ent-
sprechenden Ströme i 1 und i 2 verursachen in der Leitung im Laufe
eines Jahres Verluste. Die Leitungsströme seien mit I 1 und I 2 bezeichnet
(s. Abb. 497a). Um die Gesamtverluste im Jahr berechnen zu können,
müssen die Ströme in ihrem zeitlichen Verlauf während eines Jahres
bekannt sein. Zu einem gegebenen Zeitpunkt, und zwar bei den Leitungs-
strömen I~ und I~ werden die Verluste am größten sein. Denkt man sich
Berechnung der Übertragungsspannung einer Fernleitung 497
diese größten Verluste durch einen Strom /, der die ganze Leitung L
durchfließen soll (s. Abb. 497b), erzeugt, dann gilt
I2 L = I~2lt + I;2z2
oder
['2l +
J'2!2
/ 2 _ _1 _ 1 _ ! _
- L . (310)

Die Verluste in der Leitung pro Jahr sind proportional


l1_2 /fL1t +l 2 .2 I~ L1t,
wobei L1 t kleine Zeitabschnitte l:leien.
Denkt man sich diese Verluste durch den konstanten, die Leitung L
während h Stunden durchfließenden Strom I erzeugt, dann gilt
12 Lh = lt-2 /f L1t + l2;L; l~L1t
h _ l 1 .E lfLI t+ l 2 .EI~ LI t (311)
- Ll2 •

Da I und h somit bekannt sind, kann wiederum Gl. (308) zur Ermittlung
des wirtschaftlichen Querschnittes
q=h'3
'
V- - -
kK+hB
"BL
angewandt werden.

M. Berechnung der Ubertragungsspannung


einer Fernleitung
Bei Berechnung des wirtschaftlichen Querschnittes bzw. der wirt-
schaftlichen Stromdichte war die. Übertragungsspannung als bekannt
vorausgesetzt worden. In der Formel für die Stromdichte kommt die
Spannung nicht vor, jedoch ist die Größe BL etwas von der Spannung
abhängig. Wenn wir jedoch d~n zugrunde zu legenden Spannungsbereich
nicht so groß wählen, können wir in erster Annähel'Jlng j als unabhängig
von der Spannung ansehen. Bei Kupferfreileitungen liegt j etwa bei
1,8 Ajmm 2 , bei Aluminiumleitungen ist j etwa 1 Ajmm2 • Setzen wir fest,
daß die Verluste a-mal der abgegebenen Leistung betragen dürfen, dann
läßt sich die Übertragungsspannung für eine einseitig gespeiste Fern-
leitung bestimmen. Die Verluste sind

Nv= - = a
312 l
"q
y3- U I cosq;.
Da j = I j q ist, ergibt sich weiterhin

U= V3 _!j_. (312)
"cx costp
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 32
498 Die Berechnung elektrischer Netze

Berechnet man nach dieser Gleichung die verkettete Spannung U für


eine Aluminiumleitung unter Zugrundelegung folgender Größen

"'= 34,8, j = 1 Ajmm 2, 1X = 7% und cosq; = 0,72,


so erhält man bei einseitiger Speisung

Ukv= lkm bzw. Uv= lm. (313)


Bei einer Leitung von 100 km Länge müßte also die Spannung zu 100 kV
gewählt werden.
Nach Gl. (312) ist die Übertragungsspannung proportional der
Leitungslänge und umgekehrt proportional dem zugelassenen Leitungs-
verlust. Die Größe der übertragenen Leistung spielt keine Rolle. Bei
großer Leistung ist, da die Stromdichte gegeben ist, ein großer Quer-
schnitt zu verwenden. Dieser Querschnitt kann, besonders wenn große
Leistungen auf kleine Entfernungen zu übertragen sind, so groß werden,
daß er sich in einer Leitung schlecht unterbringen läßt. Man muß dann
eine größere Übertragungsspannung zugrunde legen, wodurch die V er-
luste abnehmen.
Die Berechnung der Übertragungsspannung nach Gl. (312) befriedigt
nicht ganz, da Annahmen über die Größe der auftretenden Verluste
gemacht werden müssen. Man kann die günstigste Spannung auch exakt
ohne die Annahme von 1X berechnen. Meist weiß man, in welcher Größen-
ordnung die zu erwartende Spannung liegt. Man wählt dann diese Span-
nung, außerdem noch eine Spannung oberhalb und eine Spannung unter-
halb, wobei man natürlich genormte Spannungen zugrunde legt. Für
diese Spannungen berechnet man die jährlichen Kosten für die 'Leitung,
die Verluste und die Kraftwerksvergrößerung unter Zugrunrlelegung des
wirtschaftlichen Querschnittes. Da die Leitung mit höherer Spannung
als der Generatorspannung gespeist wird, sind zum Hoch- und Abwärts·
spannen je eine Schaltstation mit Transformatoren notwendig. Die Schalt-
anlage und die Transformatoren werden bei gleicher Leistung mit wach-
sender Spannung teurer. Demgemäß steigen auch die jährlichen hierfür
aufzuwendenden Kapitalkosten. Umgekehrt werden mit wachsender
Spannung die jährlichen Leitungs- und Verlustkosten, sowie die Kosten
für die Kraftwerksvergrößerung geringer. (Die Verluste in den Trans-
formatoren werden nicht berücksichtigt, da sie ziemlich unabhängig von
der Spannung sind.) Es gibt also sicher bei einer bestimmten Spannung
ein Minimum der Kosten. Diese Spannung ist dann die günstigste Über-
tragungsspannung. Diese genaueren Rechnungen sind nicht notwendig,
wenn eine Leitung gebaut wird, die an eine vorhandene Hochspannungs-
leitung angeschlossen werden muß oder wenn ein solcher Anschluß in
Kürze zu erwarten ist.
Ringleitungen 499

N. Ringleitungen
Oft arbeiten eine Reihe von Kraftwerken auf eine Hochspannungs-
leitung, an der außerdem Abnehmer angeschlossen sein können. Es be-
steht so die Möglichkeit, daß zu Zeiten geringen Elektrizitätsbedarfes un-
günstig arbeitende Kraftwerke abgeschaltet werden und der Strom von
den restlichen Kraftwerken geliefert wird. Auch kann auf diese Weise
ein Wasserkraftwerk bei Wassermangel über die Hochspannungsleitung
den für das eigene Versorgungsgebiet benötigten Strom von den anderen
angeschlossenen Kraftwerken beziehen. Oft
wird eine solche Hochspannungsleitung, so-
fern die örtlichen Verhältnisse es gestat-
ten, zu einem Ring zusammengeschlossen
(s. Abb. 498a). Man hat dann als weiteren
Vorteil, daß nach Abschalten einer gestörten
Leitung der Strom dem beziehenden Werk
von der anderen Seite geliefert werden kann.
Von Interesse sind die Strom- und
Abb. 498 a u. b. Leitungsring.
Spannungsverhältnisse in einem solchen
Ring. Die abgenommenen und die dem Ring zugeführten Ströme seien
gegeben. Da nirgends Str0m verlorengehen kann, müssen die in den
Ring hineinfließenden Ströme gleich den abgenommenen sein. Man
kann die Strom- und Spannungsverteilung in einem solchen Ring nach
dem auf S. 482 gebrachten Verfahren genau ermitteln. Man braucht sich
nur an einer Stelle den Ring aufgeschnitten zu denken, z. B. in der
Abb. 498a am oberen Kraftwerk. Denkt man sich nun die Leitung aus-
gebreitet, so entsteht die zwei-
seitig gespeiste Strecke der
I'
.J -
.r ]1
Abb. 499, deren Endpunkte
gleiches Potential haben. Man
kann, da die Leitungsimpedan- c-----
------~~Xo--------~·
I
zen bekannt sind, den von links Abb. 499. Leitungsring geschnitten.
und den von rechts zufließenden
Strom I' und I" ermitteln. Damit kennt man auch die in den übrigen
Leitungen fließenden Ströme und man kann die Spannungen in den
einzelnen Punkten berechnen. Man muß nur beachten, daß die in die
Leitung hineingespeisten Ströme (in Abb. 499 der Strom I 2 ) als negative
Abnehmer in die Gl. (276) eingesetzt werden müssen.
Wenn die Ströme I 1 , I 2 , I 3 tatsächlich geliefert bzw. entnommen
werden sollen, müssen die einzelnen Kraftwerke genau die Spannung
halten, die sich für die Punkte 1, 2 und 3 ergeben. Die Phasenlage und
die Größe dieser Spannungen stellt sich richtig ein, wenn jedes Kraftwerk
die ihm zukommende Wirkleistung abgibt und wenn die absolute Höhe
32*
500 Die Berechnung elektrischer Netze

der Spannung durch Veränderung der Erregung auf den verlangten Wert
gebracht wird. Die einzelnen Kraftwerke bzw. Abnehmer müssen also
um die gewünschte Leistungsabgabe bzw. Leistungsentnahme zu er-
zwingen, ihre Spannungen um gewisse Beträge gegenüber der Sollspannung
verändern. Da jedoch die Kraftwerke meistens noch ein eigenes Netz zu
versorgen haben, würden diese Spannungsabweichungen unmittelbar
auch auf das eigene Netz gelangen. Ist dies unerwünscht, so sind Regel-
transformatoren notwendig, die je nach Zweckmäßigkeit entweder für
das Mittel- oder das Hochspannungsnetz (s. Abb. 498b) vorzusehen und
sinngemäß zu regeln sind.
Auf die Stromverteilung innerhalb des Ringes hat man keinen Einfluß.
Je nach den Widerstands- und Induktivitätsverhältnissen wird sich dü~se
einstellen.
Sollte aus irgendwelchen Gründen in der Ringleitung eine andere,
natürlich mit den Kirchhoffscben Gesetzen verträgliche Stromverteilung
erwünscht sein, dann wird damit auch I' und 1" entsprechend festgelegt.
4u Ma.n kann dann wieder vom Punkt I mit der Spannung U,v
"A~rn!JJ (Abb. 499) ausgehend, berechnen, welche Spannungsabfälle
'J..z in den Punkten 1, 2, 3 und II vorbanden sind. Die Span-
nung U;,.n im Punkt II wird jetzt mit der Spannung UAI in I
nicht mehr übereinstimmen, sondern die in der Abb. 500 ge-
s~~~- zeichnete Lage haben. U)..r und UArr unterscheiden sich um
dlagramm. die Spannung .:1 U. Sollen jetzt die Punkte I und I I zum Ring
zusammengeschlossen werden, dann muß, wenn die gewünschte Strom-
verteilung bleiben soll, in den Ring eine EMK eingebracht werden, welche
.:1 U nach Größe und Phase kompensiert. Da diese EMK (nach Abb. 500)
annähernd um 90° gegen UAI phasenverschoben ist, kann sie durch einen
normalen Transformator nicht erzeugt werden, sondern muß durch einen
Quertransformator gebildet werden (s. S. 154).
Prinzipiell sind sämtliche Aufgaben über die Strom- und Spannungs-
verteilung in einem Ring lösbar. Es sei jedoch die Aufgabe noch von
einem anderen Gesichtspunkt aus behandelt, um einen besseren physi-
kalischen Einblick zu gewinnen. Wir nehmen wieder an, die abgenom-
menen bzw. zugeführten Ströme seien der Größe und Phasenlage nach
gegeben. Wir denken uns sämtliche Ströme in Wirk- und Blindströme
zerlegt. Wir wollen, um die Verhältnisse ganz klar zu gestalten,, zunächst
annehmen, es seien nur Wirkströme lw vorhanden und die Leitung besitze
nur Induktivität. Da diePunkte I und 11 gleichesPotential haben, müssen
die Spannungsabfälle auf der Leitung (Abb. 499) addiert Null ergeben.
Abb. 501 a zeigt die Spannungsabfälle. Den von links in die Leitung zuflie-
ßenden Strom!~ und den von rechts zufließenden Stromi~kann man nach
der Beziehung
(314)
Ringleitungen 501
berechnen. (Der Strich über der Größe X soll darauf hinweisen, daß die
Reaktanz von I bis zur Abnahme von Iw gemessen wird.) Die Ableitung
obiger Gleichung, die auf S. 433 nur für ohmsehe Widerstände durch-
geführt ist, läßt sich in gleicher Weise auch für Induktivitäten durch-
führen. Wir wollen mit der so ermittelten Stromverteilung jetzt auch die
ohmseben Spannungsabfälle berücksichtigen. Es entsteht dann das Bild
der Abb. 501 b. Der Linienzug wird sich im allgemeinen nicht mehr
schließen, da die Ströme gegeben sind und die Widerstände beliebige
Werte haben können. In diesemFall kann die ursprünglich angenommene
Stromverteilung nicht stimmen, denn wenn wir die Punkte I und II
.in Abb. 501 b miteinander verbinden, wird durch die Restspannung vom
Betrage der Strecke I - l i einAusgleichsstrom erzeugt werden, der eine
Phasenverschiebung gegen die Spannung UAI besitzt und der sich dem
in die Leitung fließenden Strome überlagert. Unser Linienzug schließt
sich jedoch immer, wenn die ohmseben Widerstände proportional den
induktiven sind, was
z.B. bei einer Leitung,
die mit konstantem
Querschnitt und kon-
stanten Phasenabstän-
den ausgeführt wird, zu- .r.vx,
trifft. In einem solchen
Falle hat der Linienzug a b c
den Verlauf der Abb. Abb. 501 a-c. Spannungsdiagrammfür Ringleitung.
501 c. Dieser Fall ist
sehr wichtig und sollte, wie aus den folgenden Gründen hervorgeht,
möglichst angestrebt werden. Da die ohmseben Widerstände, wie ange·
nommen, proportional den induktiven sein sollen, kann man für die Be-
rechnung von I~ und I~ statt GI. (314) auch folgende Formel anwenden:

I "_ Elwr
w- Ro •
I' ~I
w =..:::..
,,
w- 1w• {315)

Auf S. 489 wurde gezeigt, daß bei obiger Stromverteilung die Gesamt-
verluste in der Leitung am kleinsten sind. Es ergibt sich also das inter-
essante Ergebnis, daß in einem Ring, in welchem in allen Teilen die ohm-
sehen Widerstände proportional den induktiven sind, die Stromverteilung
sich so einstellt, daß die LeitungsverlÜSte ein Minimum wer4en. Ist die
Bedingung, daß die ohmseben Widerstände proportional den induktiven
sind, nicht erfüllt, dann ergibt sich eine andere Stromverteilung und es
treten erhöhte Kupferverluste auf. Selbstverständlich kann in einem
solchen Falle jederzeit durch eine in den Ring hineingebrachte Zusatz-
EMK, die für die Verluste günstigste Verteilung nach GI. (315) erzwungen
werden.
502 Die Berechnung elektrischer Netze

Wir haben bis jetzt nur die Wirkströme betrachtet. Sind jedoch auch
Blindströme im Ring vorhanden, so lassen sich die für die Wirkströme
aufgestellten Ergebnisse genau auf die Blindströme übertragen. Zeichnet
man für die Blindströme ein Polygon entsprechend Abb.50lc auf, so
wird sich dieses ebenfalls schließen, falls die induktiven Widerstände den
ohmseben proportional sind. Die Stromverteilung ergibt sich dann ent-
sprechend der Beziehung:
I" - J:lbr
b--~,
I'b=..::..
"'I b- I"b• (316)
Ro

0. Zusammenschluß von verschiedenen Großversorgungen


zur Verbundwirtschaft
Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, wenn Großversorgungen, die
je eine Reihe von Kraftwerken besitzen, ihre Netze miteinander durch
Kuppelleitungen verbinden. Die Gründe eines solchen Zusammen-
schlusses sind wirtschaftlicher und betrieblicher Art. So kann folgender
Fall vorliegen: Das eine Netz habe sehr viel Wasserkräfte. Es besteht
die Möglichkeit, daß in wasserreichen Zeiten mehr Energie erzeugt wird
als verbraucht werden kann, in wasserarmen Zeiten dagegen ein Mangel
an Energie vorhanden ist, so daß man gezwungen wäre, hierfür ein
besonderes Dampfkraftwerk zu bauen. Ein anderes Netz habe dagegen
Dampfkraftwerke genügender Größe. Man wird dann zweckmäßig
zwischen beiden Großversorgungen ein Übereinkommen treffen, daß in
wasserreichen Zeiten das Netz mit vorwiegender Dampfkraft die durch
Wasserkraft erzeugte Überschußenergie, die ja sehr billig ist, bezieht,
während zu Zeiten des Wassermangels das Dampfkraftwerk die fehlende
Energie für das Netz mit den Wasserkraftwerken liefert, dieses also kein
zusätzliches Dampfkraftwerk zu haben braucht. Ein Vorteil ist auch,
daß man in zusammengeschlossenen Netzen der Großversorgung die
Maschinenreserve kleiner halten kann, da beim Ausfall eines Maschinen-
satzes in einem Kraftwerk oder sogar eines ganzen Kraftwerkes die
anderen Werke einspringen können.
Man muß den Zusammenschluß zweier derartiger Großversorgungen
so vornehmen, daß Störungen in dem einen Netz möglichst nicht auf
das andere übertragen werden. Sind beide Netze unmittelbar miteinander
verbunden, so wird ein Erdschluß in dem einen Netz sich voll auf das
andere auswirken. Dies kann man vermeiden, falls man einen Kuppel-
transformator mit dem Übersetzungsverhältnis 1:1 (falls die Spannungen
beider Netze gleich sind) in der Kuppelleitung vorsieht (Abb. 502). Um
Kurzschlüsse in einem Netz möglichst wenig auf das andere Netz zu
übertragen, wird man die Kupplungstransformatoren (meist als Regel-
transformator ausgeführt) mit großer Streuung ausführen. Um eine ge-
regelte Zusammenarbeit zwischen zwei solchen im 0,.-emeinschaftsbetrieb
Zusammenschluß von verschiedenen Großversorgungen 503

arbeitenden Netzen zu erzielen, kann vereinbart werden, daß ein Netz


die Frequenz genau einhält (Frequenznetz), während das andere Netz
durch entsprechende Regelung seiner Maschinen dafür sorgt, daß die
vereinbarte Übertragungsleistung eingehalten wird (FahrplannetzF). Es
muß ferner im Fahrplannetz F ein Kraftwerk a beauftragt werden, seine
Maschinen so zu regeln, daß die gewünschte Kupplungsleistung stets vor-
handen ist. Die übrigen Werke dieses Netzes fahren nach dem ihnen im
voraus angegebenen Plan die zugeteilte Leistung.
Es ist notwendig, daß in der Kupplungsleitung Meßinstrumente ein-
gebaut sind, welche mittels Fernmeßeinrichtungen dem die Kupplungs·
Ieitung überwachenden Kraftwerk genau
anzeigen, welche Kupplungsleistung über-

Abb. 502. Zwei Netze mit Kupplungsleitung Abb. 503. Beispielfür Fahrplan·
und Kupplungstrafo. steuerung (schematisch).

tragen wird. Die Überwachung der Kupplungsleistung kann auch auto-


matisch erfolgen mittels einer Fahrplansteuerung (Abb. 503). Diese
besteht z. B. aus einer Schablone, welche durch ein Uhrwerk fort-
bewegt wird. Durch die Schablone wird ein Kontakthebel gesteuert, der
als Anschläge zwei Kontakte a 1 und a2 besitzt. Zwischen diesen beiden
befindet sich der Zeiger eines Wattmeters, welcher die übertragene Kupp-
lungsleistung angibt. Wird der Hebel H durch die Schablone nach oben
bewegt, was gleichbedeutend ist, daß mehr Leistung über die Kupplungs-
leitung geliefert werden soll, dann berührt der Zeiger des Wattmeters den
Kontakt a 1 und der Verstellmotor an den Turbinen wird derart beein[lußt,
daß mehr Leistung abgegeben wird, bis schließlich der Zeiger wieder die
Mittellage zwischen den Kontakten a 1 und a2 einnimmt. Sollte zuviel
Leistung über die Kupplungsleitung übertragen werden, dann wird der
Kontakt a 2 geschlossen und die Regelmotoren arbeiten im Sinne einer
Leistungsverminderung. Es können auch mehrere Netze miteinander
arbeiten, wobei zwischen je zwei Netzen ein Übertragungsfahrplan ein-
gehalten werden kann, sofern die Netze strahlenförmig oder in Reihen-
schaltung miteinander verbunden sind (s. Abb. 504a u. b). Etwas kom-
plizierter werden die Verhältnisse, wenn ein Netz mit einem an-
deren Netz über zwei Leitungen in Verbindung steht (s. Abb. 505).
504 Die Berechnung elektrischer Netze

Man kann es im Fahrplannetz durch Beeinflussung der Maschinen er-


reichen, daß die an dasFrequenznetz gelieferte bzw. entnommene Leistung
dem gewünschten Wert entspricht, hat es jedoch nicht in der Hand, die
Leistungsübertragung über die beiden Leitungen will-
kürlich vorzunehmen. Eine willkürliche Leistungsüber-
tragung über die beiden Kuppelleitungen ist nur mög-
"' '
lich, wenn ein Quertransformator eingebaut ist. Im
r Fahrplankraftwerk wird jetzt die Summenleistung der
beiden Kuppelleitungen gemessen. Schwierigkeiten

~
treten auf, wenn drei Netze durch einen Ring mit-
einander verbunden sind (Abb. 506) und zwischen
Werk A und Beine bestimmte Obertragungsleistung
eingehalten werden muß und weiter das Werk C vom
G~:u~;~~a ~~~~. Werk A und vom Werk B je einen bestimmten Betrag
beziehen soll. Will man hier die an das Werk C zu
liefernde Leistung zwingen, in gewünschter Weise die Leitungen A-C
und B-0 zu durchfließen, so muß in einer dieser Leitungen ein Quer-
transformator eingebaut werden 1•
Man wird im allgemeinen versuchen, überbestimmte Kupplungen
nach Abb. 505 u. 506 zu vermeiden und Anordnungen nach Abb. 504
-· ·---~ ". wählen, bei denen die Zahl der Kupplungen um eins
·- , kleiner ist als die Zahl der Netze. Die geschilderte Zu-
sammenarbeit von Netzen und deren Unterteilung in ein
~--
Abb. 505. zwei Netze Frequenz- und in Fahrplannetze erfolgt nur zufrieden-
m~:;~~~r stellend, falls das Frequenznetz groß im Vergleich zu den
übrigen Netzen ist.
Ordnet man einem Netz die Frequenzhaltung und dem anderen die
Einhaltung der Obergabeleistung (z. B. nach Fahrplan) zu, so treten
leicht Überregelungen auf, die erst allmählich ausgeglichen werden.
EineidealeRegelung besteht darin, daßwenn z.B.
2 Netze zusammen geschlossen sind und in dem einen
Netz eine Laständerung auftritt, die Regelmaschine
nur dieses Netzes zum Ausregeln eingreift. Dieses Ziel
wird durch die Netzkennlinienregelung erreicht.
Ein Kriterium dafür, in welchem Netz dieLastände-
Abb. 506. Drei Netze rung auftritt, erhält man durch Gegenüberstellung der
du~r=:!~ng Frequenzänderung t1f und der Übergabeleistung t1N
in beiden Netzen. Betrachten wir zwei Netze I und li
(s. Abb. 507a) und nehmen wir an, vom Netz I und Netz li werde die
Leistung NG als Obergabeleistung abgegeben. Erfolgt im Netz li ein
1 Siehe A. ScHMoLz: Betrieb von vermaschten Höchstspannungs-Dreh-
stromnetzen zur einheitlichen Versorgung von großen Gebieten. Dissertation
München 1933.
Zusammenschluß von verschiedenen Großversorgungen 505
Laststoß iJN, so wird im Netz I und im Netz II die Frequenz um den
Betrag iJf absinken, wobei die Übergabeleistung um den Betrag L1Na zu-
nimmt. Bezogen auf das Werk II wollen wir dieser Leistung, als einer
aufgenommenen Leistung, das negative Vorzeichen geben.
iJNa wird erhalten, indem meßtechnisch die Übergabeleistung mit
der Sollübergabeleistung verglichen wird. Wir wünschen, daß nur das
Werk II seinen eigenen Belastungsstoß ausregelt, der Frequenzregler des
Werkes I dagegen gesperrt ist. Diese Sperre ist schaltungstechnisch
möglich auf Grund der Tatsache, daß das Produkt aus iJf und iJNa im
Netz I negativ ist, während es im Werk II positiv ist. Betrachten wir
jetzt den Fall, daß im Netz II eine Lastabnahme auftritt (Abb. 507b), so
steigt die Frequenz und die aufgenommene Übergabeleistung wird um Na
P- i (' tlp"
a -df,+L1Ju~-t1};-t1
~
p~!/up
-.11/f'
b +t1f, -tlfu M +Jf, +t1
I ll n
11J/
r~1r
c -4f,-Llfü ~ -Jj, +Ll
I Nu
JJf
f~J/P n
d r4f,+Llt/ü - +Af, -J
I ~ ll
Abb. 507 a-d. Zwei gekuppelte Netze bei Lastschwankungen.

kleiner; mit anderen Worten: iJNii wird für Werk II positiv, für Werk I
dagegen negativ. Wir wünschen, daß auch diesmal der Regler des
Werkes I gesperrt ist, wobei als Kennzeichen dienen kann, daß auch hier
das Produkt aus iJf und L1Na negativ ist. Ähnliche Überlegungen gelten
auch für die Fälle Abb. 507c und d.
Beim Netzkennlinienverfahren wird der Begriff der Netzstatik ein-
geführt. Die Netzstatik ist nichts anderes als die resultierende Statik,
bezogen auf die Summenleistung aller Generatoren des Gesamtnetzes.
Die Verhältnisse lassen sich anhand eines Zahlenbeispiels einfach über-
blicken.
Netz I mit 100 MW Gesamtleistung und einer Statik 8 = 4% sei
mit einem Netz II von 200MW mit einer Statistik 8 = 2% gekuppelt.
Zwischen den beiden Netzen sei eine Übergabeleistung von 50 MW von
Netz I zum Netz II vereinbart. Die Leistungszahl Kr des Netzes I
(s. S. 69) und damit die Statik der Übergabeleistung, bezogen auf dieses
Netz, beträgt 1 ~0 MWjHz, oder bezogen auf die Übergabeleistung
506 Die Berechnung elektrischer Net:r.e

~1
MW/Hz. Die Leistungszahl Ku des Netzes II beträgt 201 MW/Hz
.
°
oder bezogenaufdie Übergabeleistung ~~ MWjHz. DieFrequenzänderung
bei einer Leistungsänderung ist durch die Summe der Leistungszahlen,
50MW

100MW
S='l%

!(,
r
= 100 MW
z Hz
K.n=zoo MW
1 Hz
Kü= s: ~~ /(;·-_.§!!.
u- f'l
MW
Hz
I:= so+ zoo= zso Mw=AJ- P
1 1 1 Hz M
Abb. 508. Beispiel für Netzkennlinien-Regelung.

d. h. 2 ~ 0 MWjHz bestimmt. Nehmen wir an, daß im Netz I eine


Leistungszunahme· um 25 MW auftritt, so hat entsprechend Abb. 508
dies einen Frequenz~bfall von 110 Hz entsprechend 2~0 = 25
1 zur
10
Folge. Das Netz I beteiligt sich zunächst entsprechend der Leistungszahl
!
''
Hz ',
I II

t..... w~
"'"'
0,8

~q5

"'
'I

-- --
'2 ' ...-
0 ~ 1t:- ~ ~0
...- 75
Ag-
~~

-41
.,
~
Bia ~ Bu 20MW
-Q 0 10 20 30 '10 50 60 70 MW MW 50 50 '10 30 ?IJ 10 0
+- -+
Abb. 509. Regelvorgang bei Netzkennlinlen-Regelung.

Ka ° +mit 5 MW und das Netz II entsprechend der Leistungs-


= 51 =

10
zahl von ~ = 2°mit 20MW an der Deckung der zusätzlich benötigten
2 0
1
10
Die Hochspannungsleitung ohne Spannungsabfall 507
Leistung. Die Steigung der Netzkennlinie des Netzes I beträgt I: 50 und
!
die des Netzes II :50.
Die Leistung von 20 MW (Abb. 509) erscheint beim Netz I als auf-
genommene Leistung. Der Punkt Bra fällt außerhalb der Kennlinie, das
Produkt -LINa -Lij ist positiv entsprechend Abb. 507c. Der Netz-
regler des Netzes I wird daher eingreifen und die Kennlinie so lange
parallel verschieben, bis der Punkt B wieder auf die Netzkennlinie zu
liegen kommt (BJb). Llj ist im Endzustand wieder zu Null geworden.
Netz I hat vollständig die Zusatzlast von 25 MW (75-50) MW über-
nommen und Punkt Bu ist nach Au zurückgewandert, der dem Aus-
gangspunkt 50 MW bei Sollfrequenz entspricht.
Während für die Verteilung der Wirkströme in den Netzen vorwie-
gend die Energiezufuhr in den Kraftwerken maßgebend ist, ist für die
Verteilung der Blindleistung die Spannungshaltung in den Netzen
bestimmend. Will man z. B. Blindstrom von A nach B übertragen, so
muß die Spannung in A höher als in B sein. Dies erkennt man am besten
aus dem zweiten Glied der Gl. (286).

P. Die Hochspannungsleitung ohne Spannungsabfall


a) Unter Vernachlässigung des Leitungswiderstandes
Bei einer vollkommenen Leitung sollte bei der Leistungsübertragung
kein Spannungsabfall auftreten. Es soll im folgenden untersucht werden,
ob solche Leitungen möglich sind.
Dabei sei zunächst der ohmsehe
Widerstand der Leitung gleich Null
gesetzt.
Es sei ein Leitungsabschnitt
nach Abb. 510a betrachtet, dessen
Induktivität L ist und der vom
Strom/0 durchflossen wird. An den
Punkten 1 und 2 der Leitung seien
die Spannungen ihrer Größe nach Abb. 5tOa u. b. Leitung ohne Spannungsabfall.
gleich, sie müssen jedoch, um einen
Strom durch die Induktivität zu treiben, gegeneinander phasenver-
schoben sein. Die Differenzspannung ist 10 wL. Der Strom 10 eilt der
Spannung I 0 wL um 90° nach und hat die in der Abb. 510b dargestellte
Phasenlage. Es sei die Forderung gestellt, daß im Punkt 1 der Leitung
nur Wirkstrom zugeführt wird und daß bei 2 Wirkstrom entnommen
wird. Führen wir der Leitung bei 1 den Wirkstrom I zu, dann muß
man, um den Leitungsstrom 10 zu erhalten, zu I noch einen Strom-
508 Die Berechnung elektrischer Netze

wert LI I 1 (s. Abb. 510 b) hinzufügen. LI I 1 eilt der Spannung U um 90°


nach, ist also ein Blindstrom, der durch eine Kapazität Of2 geliefert
werden kann, da Kapazitäten voreilende Ströme aufnehmen bzw. nach-
eilende Ströme abgeben.
Im Punkt 2 soll, wie vorausgesetzt, ein Wirkstrom I abgenommen
werden. Wir erhalten den Wirkstrom I, indem wir den Strom LII2 zu I 0
addieren. LI I 2 , welches der Größe nach gleich LI I 1 oder allgemein gleich
LII ist, kann ebenfalls durch eine passend bemessene Kapazität Oj2 ge-
liefert werden (auf das gesamte Leitungsstück L entfällt also insgesamt
die Kapazität C). Dabei ist
(317)

Wir erkennen, daß wir durch eine Leitung, die Induktivität besitzt,
bei konstanter Spannung 'Wirkstrom zuführen und Wirkstrom abnehmt>n
können. Auf Grund ähnlicher Dreiecke ergibt sich nach Abb. 510 b die
Beziehung

oder
(318}

Diese Gleichung sagt aus, daß die induktive Blindleistung der Leitung
gleich der kapazitiven sein muß. Führt man die Maximalwerte UAm und
I 0 m in die GI. (318) ein, dann erhält man

{ LI~m= -} 0 Ulm . (319)

Diese Gleichung besagt, daß die maximal in der Kapazität aufgespei-


cherte Energie gleich der maximal in der Induktivität aufgespeicherten
Energie sein muß. Umgeschrieben lautet die Gleichung

UA=l/~ (320)
10 Y0'
Bis jetzt haben wir an den Leitungsenden die benötigten Kapazitäten
zusätzlich angebracht. Es fragt sich, da ja eine Leitung verteilte Kapa-
zitäten besitzt und man sich diese· bei nicht zu großen Leitungslängen
auf die Enden gebracht denken kann, ob diese Leitungskapazitäten unter
Umständen die erforderliche Größe besitzen, um die Lei!!tung ohne Span-
nungsabfall über die Leitung zu schicken. Set?..en wir in GI. (320) L = L 0 l
und 0 = 0 0 l dann ergibt sich

(321)
Die Hochspannungsleitung ohne Spannungsabfall 509

d. h. konstante Spannung ist in den beiden Punkten 1 und 2 vorhanden,


wenn der durch die Leitung fließende Strom eine solche Größe besitzt,
daß I 0 = UJJZ ist. Z wird als Wellenwiderstand der Leitung bezeichnet.
Ist die betrachtete Leitungslänge genügend klein, dann ist I 0 gleich dem
Wirkstrom I und es gilt I = UAfZ. Man kann sich jetzt beliebig viele
kurze Leitungslängen zu einer großen Leitungslänge l aneinandergereiht
denken. Die Spannung und der Strom wird dann längs der Leitung kon-
stant bleiben, jedoch wird der Phasenwinkel {}für Strom und Spannung
immer mehr nacheilend (s. Abb. 5ll b). Der durch die Leitung fließende
Strom muß am Ende der Leitung abgenommen werden (s. Abb. 5lla).
Dies bedingt, daß die Ver- ~t:=---1 \zeifsfruhl
braueher einem ohmseben ~---.....1..----::::::-,
Widerstand R gleichwer- a H-Z-~~ \, II;_ 1
tig sein müssen, der gleich \
I
dem Wellenwiderstand Z \
\
der Leitung ist. Es gilt \
I

also \
(322) Abb. 511a u. b. Leitung ohne Spannungsabfall,
am Ende belastet.

In diesem Falle kann der Strom über beliebig lange Leitungen ohne
Spannungsabfall übertragen werden. Der Strom I hat dabei stets gleiche
Phasenlage wie die Spannung, ist also stets Wirkstrom (s. Abb. 511 b).
Es sei noch berechnet, wie groß der Winkel {} ist, den die Spannung
im Abstande l gegen die Spannung am Leitungsanfang hat. Der Bogen,
welcher die beiden Spannungsvektoren miteinander verbindet, hat die
Größe I wL0 l. Teilt man diesen Wert durch die Spannung U)..• dann
erhält man den Winkel zu {} = 1 ~LcJ_ oder da ; = ~= V 1 ist,
A J... L 0/Co
{} = w 1 • Beachtet man, daß 1 =v die Lichtgeschwindigkeit
1VLoCo VLoCo
ist (s. S. 516), so kann man auch schreiben

fJ=wl. (323)
V

Bei einer Freileitung und f = 50 Hz entspricht nach dieser Formel,


da v = 300000 kmfsec ist, einem Winkel 2:n eine Leitungslänge l von
6000 km. Betrachtet man dieMomentanwerte, indem man denZeitstrahl
in die Abb. 5ll b einführt, so ersieht man, daß die Augenblickswerte der
Spannungen und Ströme an den verschiedenen Stellen der Leitungen
verschiedene Größe haben. Wesentlich für die Konstanz der Spannung
ist die Bedingung
510 Die Berechnung elektrischer Netze

Bei einem Drehstromsystem ist die abgenommene Leistung gleich

N= 3(v~r ].
Setzt man R = Z, so folgt
U2
Nn=y· (324}

Die dieser Formel entsprechende Leistung heißt die "natürliche" Lei-


stung N n der Leitung. Rechnet man für verschiedene Spannungen diese
natürliche Leistung für Z = 375 Q aus (dieser Wert ist ziemlich unab-
hängig von den Abmessungen der Leitung s. S. 517), dann ergibt sich

I
Tabelle 20.
Verkettete
Spannulll( in kV
I Leistung
Natürliche
in kW
Verkett.ete
Spannung in kV
I Leistung
Natürliche
in kW

15 600 150 60000


30 2400 220
I 130000
60 9600
110 32000 400 I 430000

Bei Hochspannungsleitungen ist es nicht möglich, immer die natür-


liche Leistung zu übertragen. Ist die Leistung kleiner als die natürliche,
so werden Spannungserhöhungen oder, falls die übertragene Leistung
größer als die natürliche ist, Spannungsahsenkungen längs der Leitung
auftreten. Die Bedingung der konstanten Spannung muß jedoch auch
bei variabler Leistung aufrechterhalten werden und es fragt sich, durch
welche Maßnahmen dies erreicht wird. Die GI. (324) umgeschrieben er-
gibt:

Z= V~:=~:- (325)

Wird N kleiner als die natürliche Leistung Nm dann müßte der Wellen-
widerstand der Leitung größer werden. Man kann ihn jedoch nur da-
durch veränderlich machen, daß man Zusatzinduktivitäten bzw. Zusatz-
kapazitäten einschaltet. Um den Wellenwiderstand zu vergrößern, müßte
man beispielsweise die Kapazi tä t C verkleinern. Die Lei tungskapazi tä t C0
ist jedoch gegeben und eine Verkleinerung ist nur möglich, indem man
Drosselspulen LI L ·parallel zur Leitung schaltet, da diese dann einen Teil
des von den Leitungskapazitäten abgegebenen Stromes kompensieren
(s. Abb. 512a). Der Wellenwiderstand kann auch vergrößert werden,
indem man die Induktivität vergrößert, d. h. zur LeitungsinduktivitätL0
noch besondere Induktivitäten LI L 0 hinzufügt (s. Abb. 512b). Str~ng­
genommen müßten diese Kompensierungsmittel unendlich fein verteilt
in die Leitung eingeführt werden. Praktisch genügt es jedoch, wenn die
Die Hochspannungsleitung ohne Spannungsabfall 511

Zusatzkapazitäten bzw. -Induktivitäten in Abständen von größenord-


nungsgemäß 200 km eingeschaltet werden. Bei den größeren Fernleitun-
gen in Deutschland, etwa bei den 220 kV-Fernleitungen der RWE, ar-
beitet man meist unterhalb der natürlichen Leistung der Leitung. In
diesem Falle erfolgt die Kompensierung der Leitung durch parallel ge-
schaltete Drosselspulen, die veränderlich sein müssen, um dem jeweiligen
Belastungszustand angepaßt werden zu können. Bei Leistungen niederer
Spannung überträgt man meist Leistungen, die über der natürlichen
Leistung liegen.
Ist die zu übertragende Leistung größer als die natürliche, dann muß
der Wellenwiderstand verkleinert werden. Dies kann erreicht werden,
indem zusätzliche Parallel-
ka pazi täten vorgesehen ~.dl <!i <!i
werden (s. Abb. 512c) oder 7 a 7
indem man die Induktivi-
tät der Leitung verkleinert,
indem man im Zuge der
+AtO f c f +.d0J ~-:j.~-~H~
Leitung Kapazitäten ein-
schaltet (s. Abb. 512d). Hat
man eine Leitung, die teils
Abb. 512a-e. Verschiedene Möglichkeiten der
unterhalb, teils oberhalb Kompensierung einer Hochspannungsleitung.
der natürlichen Leistung
arbeitet, dann müssen die Kompensierungsmittel teils induktiver, teils
kapazitiver Art sein. In einem solchen Fall kann man auch parallel ge-
schaltete Synchronphasenschieber verwenden, die bei Untererregung die
Eigenschaft von Drosselspulen, bei Übererregung die Eigenschaft von
Kapazitäten haben.
Es besteht die Möglichkeit, wenigstens theoretisch, die Leitung so zu kom-
pensieren, daß unabhängig von der Belastung die Spannung ohne Nachregelung
längs der Leitung konstant bleibt. Hierzu ist erforderlich, daß man im Zuge
der Leitung Zusatzkapazitäten .dC und parallel zur Leitung Zusatzinduktivi-
täten .dL schaltet (Abb. 512e) . .dC wird dabei so gewählt, daß es die Induktivi-
tät des zugehörigen Leitungsabschnittes gerade kompensiert. Es gilt also die
Bedingungsgleichung:
1
w LlC = wL 0 l . (326)

.dL wird derart gewählt, daß es die Leitungskapazität kompensiert:

(327)

So ideal die letzte Kompensierungsart erscheinen mag, so groß ist jedoch der Auf-
wand an Kapazitäten und Drosselspulen, so daß aus wirtschaftlichen Gründen
diese Lösung ausscheidet.
512 Die Berechnung elektrischer Netze

b) Unter Berücksichtigung des Leitungswiderstandes


Es sei jetzt der Widerstand der Leitung berücksichtigt und unter-
sucht, ob auch dann die Forderung nach konstanter Übertragungsspan-
nung erfüllt werden kann. Der zu untersuchende Leitungsabschnitt
(Abb. 513a) von der Länge l besitze die Induktivität L und den ohm-
sehen Widerstand r. Die Spannungen an den Punkten 1 und 2 seien der
Größe nach gleich und durch das Vektordiagramm der Abb. 513b ge-
geben. Die Differenz der Spannungen UAl und U;... 2 muß den ohmschen
Spannungsabfall und den induktiven Spannungsabfall überwinden. Die
Lage des durch die Leitung fließenden Stromes / 0 muß parallel dem ohm-
sehen Spannungsabfall sein und ergibt eine Phasenlage, die gegenüber
der Mittellinie unseres Diagramms eine Verschiebung Ö aufweist. Es ist
tan Ö= _r_. (328)
wL
Es sei ebenfalls die Forderung
a gestellt, daß der der Leitung
zugeführte Strom / 1 und der der
Leitung abgenommene Strom 12
Wirkströme sein sollen. Man
projiziert J 9_ zunächst auf U Al
und findet;- da man den Wirk-
Abb. 513a u. b. Hochspannungsleitung ohne t J f-.. h t d ß d L ·
S rom 1 ZU U r ' a
Spannungsabfall unter Berücksichtigung er el-
des Widerstandes. tung noch der Strom ,1/1 zuge-
führt werden muß, um / 0 zu erhalten. Entsprechend findet man, daß,
wenn am Ende der Leitung der Strom / 2 abgenommen werden soll, zum
ankommenden Strom / 0 der Blindstrom L112 hinzugezählt werden muß.
Aus dem Diagramm kann man ablesen, daß / 1 größer als / 2 ist. Das hat
seinen Grund darin, daß infolge der ohmschen Verluste die abgegebene
Leistung kleiner als die zugeführte sein muß. L111 und L112 sind Ströme,
welche ihren zugehörigen Spannungen um 90° nacheilen, sie können also
durch Kapazitäten 0 1 und 0 2 erzeugt werden, die aus folgenden Formeln
berechnet werden können:

L111 = UA w 0 1 , c - .111 l

I
1- wU;...
(329)
L112 = u).. w 02 ' 02= .1/2 .
wU)..

Berücksichtigen wir die an und für sich vorhandene Leitungskapazität,


die wir zur Hälfte je auf die beiden Leitungsenden konzentriert denken
können, dann sind je nach der Größfl von l ~0 die noch zusät?Jich er-
forderlichen Kapazitäten positiv oder negativ. Negative Kapazitäten
bedeuten jedoch lnduktivitäten.
Unter Berücksichtigung des Leitungswiderstandes 513
Will man das Diagramm nach Abb. 513b für eine gegebene Leitung
aufstellen, so ist zunächst der Winkel UAl und U;..2 unbekannt. Man kann
ihn durch folgende Konstruktion leicht ermitteln. Wir gehen von der
Spannung U;..2 und dem dort vorhandenen Wirkstrom I 2 aus. Wäre nur
12 vorhanden, so würde er in der Leitung einen Spannungsabfall
12 Z = I 2 2 (w L)2fr +
erzeugen, der gegenüber U;..2 um 90- fJ voreilt. Dieser ist in Abb. 513c
eingetragen. Berücksichtigt man, daß der tatsächliche, durch die Lei-
tung fließende Strom gleich dem Wirkstrom 12 plus dem Strom LII2 ist,
so erzeugt letzterer einen Spannungsabfall, der, weil L1I2 dem Strom um
90° voreilt (L11 2 muß hierbei umgekehrte Richtung wie in Abb. 513 b
bekommen), dem Spannungsabfall I 2 • Z um 90° voreilt. Da der End-
punkt von UAl auf einem Kreis liegen muß, ergibt sich sofort die räum-
liche Lage von U;..1 und aus der Länge von L112 Z kann
man L1I2 erhalten, so daß jetzt auch I 0 und die
sonstigen interessierenden Größen konstruiert werden
können.
Wenn man eine lange Leitung hat, kann man sich
beliebig viele solcher betrachteter Abschnitte neben-
einander gesetzt denken und kann stets erreichen,
daß die Spannung konstant bleibt. Der durch die Lei-
tung fließende Strom wird allerdings, je länger die
Leitung ist, immer kleiner.
Meistens hat man Leitungen, die abschnittsweise
unterteilt sind, sei es, daß Leistung entnommen oder
Leistung zugeführt wird. Wir betrachten in der gramm Abb. 518 0 • HUfsdia-
für Abb. 513 b.
Abb. 514a eine Leitung, die aus zwei Abschnitten be-
steht. Im ersten Abschnitt werde der Wirkstrom I 1 zugeführt, am Ende
dieses Abschnittes steht der Wirkstrom I~ zur Verfügung. Führen wir hier
durch einKraftwerknoch den Wirkstromiw zu, dann istderindenzweiten
Abschnitt eingeführte Wirkstrom I;= I;+ IW'
Für den zweiten Ab-
schnitt gilt ein entsprechendes Bild wie für den ersten Abschnitt. Dem
Ende der ersten und dem Anfang der zweiten Leitung muß ein Blind-
strom insgesamt von der Größe LI/~+ L1 I; zugeführt werden (Abb. 514b).
Wir haben jedoch, falls wir die Leitungskapazitäten auf die Enden über-
führen, im Punkt 2 die Kapazität (11 ~ 1 •) 0 0 zur Verfügung. Die er-
forderliche Blindleistung pro Phase ist
U;.. (L1I; LI I;) .+ (330)
Die durch die Leitungskapazität zur Verfügung stehende Blindleistung
beträgt
(331)
Bucllhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 33
514 Die Berechnung elektrischer Netze

Die noch zuzuführende Blindleistung ist demnach

UA·IB = UJ.. (AI;+ AI;)- Ui_ w et 1•)0


1 0• (332)

In der Mehrzahl der Fälle wird diese Blindleistung negativ sein, d. h.


wir müssen zusätzliche Drosselspulen vorsehen, wie in der Abb. 514a auf-
gezeichnet ist. In ähnlicher Weise können die Punkte 1 und 3 behandelt
werden. Statt zwei Abschnitte kann die Leitung beliebig viele Abschnitte
haben, ohne daß in der prinzipiellen Behandlung sich etwas ändert. Sollen

Abb. 5148 u. b. Hochspannungsleitung ohne Spannungsabfall


mit mehrfacher Abnahme.

Drosselspulen in den Stationen vorgesehen werden, so schließt man sie


am_ besten mit Dreiwicklungstransformatoren nach Abb. 515 an die Lei-
tung. Ein Transformator ist sowieso notwendig, um Leistung zu- bzw.
abzuführen. Sieht man an dem Transformator noch eine dmtte Wiek-
lung vor, so kann über diese die veränderliche Drossel-
spule eingeschaltet werden.
Ist an einer Station eine Leistungsabnahme~mit einem
gewissen Blindleistungsbedarf vorhanden, so kal1n dieser
Abb. 515. Drei- Blindstrombedarf, falls er nicht zu groß ist, durch die
wicklungstrans-
formator mit an
Leitung gedeckt werden. Es muß dann die einzuschal-
geschlossener
Regeldrossel.
tende Drossel kleiner gewählt werden, denn der Blind-
strombedarf des Abnehmers wirkt an und für sich schon
wie eine Drosselspule. Genügt die von den Leitungskapazitäten ge-
lieferte Blindleistung nicht, so muß man zusätzliche Kapazitäten oder
Phasenschieber vorsehen bzw. die Blindleistung muß von einem ange-
schlossenen Kraftwerk geliefert werden.

Q. Leitungen großer Länge


Im folgenden seien die Grundlagen für die Berechnung von Leitungen
großer Länge mit gleichmäßig verteilter Induktivität und Kapazität ge-
bracht. Dabei sei bei der Ableitung der Theorie vorwiegend physikalisch
vorgegangen. In Abb. 516a ist eine widerstandslose Stromquelle von der
Leitungen großer Länge 515
Spannung u vorhanden, welche über einen Schalter auf eine Leitung ge-
schaltet werden kann. Diese sei im Abstand x durch ein bewegliches Kon-
taktstück a mit der Rückleitung verbunden, so daß ein Strom i fließen
kann. Das Kontaktstück a werde mit der Geschwindigkeit v = ~; nach
rechts bewegt, wodurch der verkettete Kraftfluß zunimmt. Ist die In-
duktivität pro Längeneinheit L 0 , so ist der verkettete Fluß, falls das
Kontaktstück den Abstand x hat, l/1 = L 0 • i · x. Bei der Bewegung des
Kontaktstückes ändert sich der Kraftfluß, so daß bei konstantem Strom
gilt:
(333)

Die Änderung des Kraft-


flusses muß (Verluste der
a ...
.L c '
r
Leitung seien Null) gleich u~ i
der aufgedrückten Span-
nung u sein b ~lt:====~u:::::;J
_ 1!-v :r
u = L 0 iv. (334)

c ~FI.====~u=z;l,-----~j _____-:-f~:~t~
Bei der Bewegung des
Kontaktstückes a wird
stets links von a zwischen

· ~I~·i
a ,b :r
den beiden Leitungen die
volle Spannung u, rechts
von a dagegen die Span-
a
1::::_-:]~
;b :r
nung Null sein. Bei kon- '
stanter Bewegung des a Leitungsanordnung,
Abb. 516a-d. Wanderwellen aufeiner Leitung.
b Spannungs- und Stromwelle, c für
Kontaktstückes läuft also Reflexion benötigte von rechts kommende Hllfswelle,
d Wanderwelle bei Reflexion.
eine Spannungswelle u
(Abb. 516b) und auch eine Stromwelle i mit der Geschwindigkeit v über
die Leitung.
Es werde jetzt die Kapazität 0 0 pro Längeneinheit berücksichtigt.
Hat die Leitungslänge x die Kapazität 0 0 • x, so ist die hierauf sitzende
Ladung gleich
(335)
Bewegt sich eine Spannungswelle u nach rechts, so werden immer mehr
Kapazitätselemente an Spannung gelegt, also die Ladung q vergrößert.
Hierdurch fließt ein Strom i' = dq
dt
., = 0 oUdt=
~
d:x; 0 oUV. (336)

Dieser Strom fließt durch die Leitung und schließt sich an der Stirn der
Spannungswelle über das Kapazitätselement, welches gerade aufgeladen
33*
516 Die Berechnung elektrischer Netze

wird. Wählt man die Geschwindigkeit v so groß, daß der durch die In-
duktivität bedingte Strom i gerade so groß ist wie der durch die Kapa-
zität bedingte i', dann kann die Kontaktverbindung a weggelassen werden.
Es muß dann gleichzeitig gelten:
\ .
u = Lo~V } (337)
i= C0 uv.
Multipliziert man die beiden Gleichungen miteinander, so findet sich:
1
V=-- (338)
VLoGo
und dividiert man sie durcheinander, so erhält man:
~ = 1/Lo = z. (339)
i VG0
Aus unseren Überlegungen können wir folgendes schließen: wird die
Spannung u auf die Leitung geschaltet, so wandert bei vorhandenem L 0
und C0 eine rechteckige Spannungs- und Stromwelle über die Leitung.
Die sich einstellende Geschwindigkeit ist v = . 1 und zwischen Span-
VLoGo
nung und Strom besteht die Beziehung u = iZ.
Es werde zunächst ausgerechnet, wie groß die sich einstellende Ge-
schwindigkeit ist, mit welcher sowohl die Spannung als die Stromwelle
über die Leitung läuft. Für die Induktivität einer Phase gilt nach S. 459:
L 0 = 2 · 10-4 (In! +.0,25)Hfkm.
Verzichtet man auf den Summanden 0,25, der gegenüber In!:__ klein ist.
r
so ergibt sich:
d
L 0 = 2 · 10-4 In - . (340)
r
Die Betriebskapazität hat nach S. 469 die Größe
Co=-1-= 1 .-1-Ffkm.
au-al2 2ln~ -ln(4h2+1) 9·106
r d2
Vernachlässigt man den Summanden 1 unter dem 2. Logarithmus im
Nenner (1 ist klein gegen 4 h2fd2), so erhält man:
1 1
Co= - d - · 9 . 106 · (341)
2ln-
r
Setzt man L 0 und C0 in die GI. (338) für v ein, so ergibt sich
1
V= -;====::;====:;=
l/ 2 · 10iln!:__ 1
V r d
2ln- · 9 ·106
r
oder v = 300000 kmfsec • (342)
Leitungen großer Länge 517
v ist also gleich der Lichtgeschwindigkeit und unabhängig von der be-
sonderen Ausbildung der Freileitung. Bei Kabeln spielt die Dielektri-
zitätskonstante des Isoliermaterials für die Kapazität des Kabels eine
besondere Rolle, deswegen ist hier v keine Konstante. v liegt bei Kabeln
etwa in der Größenordnung von
v = 150000 kmjsec.

In der Formel (339) kommt der Wellenwiderstand Z = 1/Lo vor. Setzt


Voo
man die Werte für L 0 und 0 0 in die Gleichung für Zein, dann erhält man:

Z= V d d
2 · I0-4 ln- · 2 ln - · 9 · 106
r r
oder
d
Z= 60ln-. (340)
r
Wähltmanz.B. d=300cm und r=0,6cm, dannergibtsichZ zu3750hm.
Dieser Wert ist für die meisten Hochspannungsleitungen annähernd eine
Konstante, da dundrunter dem Logarithmus vorkommen. Für Kabel
ist der Wellenwiderstand wesentlich kleiner und liegt größenordnungs-
mäßig etwa bei 35 bis 40 Ohm. Obige Werte von Z gelten für eine Phase
gegen Erde, d. h. auch für Drehstrom. Für solche W anderwellen, bei
denen zwei Leitungen die Hin- und Rückleitung bilden, gilt, falls u die
Spannung· zwischen beiden Leitungen ist, für Z der doppelte Wert, also
bei Freileitungen etwa 750 und für Kabel etwa 70 bis 80 Ohm. Die
Geschwindigkeit v bleibt unverändert.
Wir betrachten in Abb. 516c eine Leitung von endlicher Länge l,
welche an Spannung gelegt wird, so daß über sie eine Spannungs- und
eine Stromwelle läuft. Es interessiert die Veränderung der Strom- und
Spannungswelle, falls sie das Leitungsende b erreicht. Am besten stellt
man sich vor, daß in Abb. 516c von rechts nach links ebenfalls eine
Strom- und Spannungswelle läuft. Treffen beide Spannungswellen zu-
sammen, so tritt eine Verdoppelung der Spannung auf, wie sie Abb.516d
zeigt. Die beiden entgegengesetzt verlaufenden Stromwellen ergeben
jedoch den resultierenden Strom Null. Die Grenzbedingungen, daß für
das Leitungsende b der resultierende Strom stets gleich Null und am
Leitungsanfang die Spannung stets u ist, wird also bei der Überlagerung
der beiden Wauderwellen erfüllt. Abb. 516d zeigt die bei der sog. Re-
flexion der Wauderwellen am Leitungsende entstehenden Wellenumbil-
dungen. Es entsteht also beim Auftreffen einer Spannungswelle am
Leitungsende eine Verdoppelung der Spannung.
Ist das Leitungsende durch einen beliebigen Widerstand abgeschlossen,
so kann auch hier die Reflexion durch das Zusammenwirken einer nach
rechts und einer nach links verlaufenden Wanderwelle, die jedoch ver-
518 Die Berechnung elektrischer Netze

schierlene Größe haben, beschrieben werden. Ist jedoch der Abschluß-


widerstand R = Z, so ist der beim Auftreffen der Welle durch diesen
fließende Strom gleich dem der Stromwelle, so daß keine Reflexion
stattfindet.
Ist am Leitungsanfang keine Gleichspannung, sondern eine Wechsel-
spannung vorhanden, so verläuft eine sinusförmige Wanderwelle mit der
Geschwindigkeit v über die Leitung. Dies kommt daher, weil man sich
eine sinusförmige Spannung aus konstanten Spannungsstößen zusammen-
gesetzt denken kann, die sich überlagern, so daß, wie in Abb. 517 ge-
zeichnet, kleine Rechteckwellen über

/·'13-'
~/~------
.'
1\
x
die Leitung laufen, deren Addition eine
sinusförmige Wanderwelle ergibt. Auch
bei einer solchen gilt wegen der Super-
position für jede Stelle das Gesetz:
Abb. 517. Zerlegung einer slnusförmigen
Wanderwelle in Rechteckwellen. ~=Z= 1/l:J~.
i VCo
Daraus folgt, daß in Verbindung mit der Spannungswelle stets eine
gleichphasige Stromwelle über die Leitung läuft. Dies gilt für eine un-
endlich lange Leitung, oder falls diese mit einem Widerstand R abge-
schlossen ist, der gleich dem Wellenwiderstand Z ist. Bei einem anderen
Widerstand müßte eine entgegengesetzt laufende, sinusförmige Welle
a superponiert werden, so
Go....,. v 2n=a daß eineRefle..rion statt-
u -.?.-- - 7 c findet.
i :u f :. u,~uffu Ist eine Leitung mit
' c I einem Widerstand R = Z
' 'I
-,ii--->r-----+---' abgeschlossen .(Abb.
,, , 518a), so sind die Maxi-
,, b malwerte von Strom und
_"' Spannung an allen Stel-
Abb. 518a-c. Slnusförmige Wanderwelle. len der Leitung gleich
a Leitung ist mit Wellenwiderstand abgeschlossen, b Strom·
und Spannungswelle Iings der Leitung, c Vektordlagramm. groß unddieübertragene
Leistung ist gerade die
natürliche, welche auf S. 510 behandelt wurde.. Denkt man sich die Span-
nungswelle nach rechts über die Leitung laufend, so wird an der Stelle x
die Spannung zu einem späteren Zeitpunkt ihren Maximalwert erreichen
als am Leitungsanfang (Abb. 518b).
Führt man den Begriff Wellenlänge ein, so ist diese

A=;' (344)

d.h. bei einer Frequenz /=50 ergibt sich bei v=300000 km eine Wellen-
länge von 6000 km und dieser Wert entspricht bei der Sinuskurve einem
Leitungen großer Länge 519
Winkel 2 :n;. Ist die Entfernung gleich x, so wird der an der Stelle x

I
wirksame Spannungsvektor U um den Winkel {} gegen U0 (Abb. 518c)
verdreht sein. Es ist

{} = _x__ • 2:rc
l
oder da = _!_
Ä.
I
(345a)
xw fL 0 C0 =
X W --
{}=- 2:rcf= X-= X!X
V V

falls man
(345b)
setzt.
Die Leitung habe jetzt ohmsche- und auch Ableitungsverluste, deren
Einfluß, verglichen mit dem der Induktivität und Kapazität, jedoch
nicht allzu groß sein soll. Betrachten wir wieder den Fall der recht-
eckigen Weile, so wird deren Rücken bei Vorhandensein von Verlusten
nicht mehr horizontal sein, sondern nach dem Leitungsanfang hin zu-
nehmen. Betrachtet man die Stelle x, so ist hier die Spannung u und
der Strom i vorhanden, d. h. durch den Leitungsquerschnitt wird die
Leistung u·i transportiert. Ist an der Stelle x+dx die Spannung u+du
und der Strom i + di, so ist die austretende Leistung jetzt

Da außerdem in dem Leitungselement die ohmseben Verluste


ri 2 dx
und die Ableitungsverluste
Gu 2 dx
auftreten (r und G beziehen sich auf die Längeneinheit}, gilt, falls man
annimmt, daß an der Stelle x während der Zeit dt die aufgespeicherten
magnetischen und kapazitiven Energien sich praktisch kaum ändern, die
Beziehung:
ui = (u +du) (i + di) + i 2r dx + u G dx
2 (346)
oder
·udi + idu = -- (i r + u G) dx.
2 2

Wir wollen nun näherungsweise annehmen, daß, obwohl infolge der Ver-
luste die Spannungs- und Stromwelle längs der Leitung abnimmt, zwi-
schen u und i die Beziehung nach GI. (339) gilt:
. u
~= z·
520 Die Berechnung elektrischer Netze

Setzt man in Gl. (346) i = ; , so findet man:

du+ zu dU = - (u-z2T
UZ
2
r . GU ~) dX
du=
u
_ _!_(~-+-
2 z '
G z) dx (347)

-f(i-+az)x
u=u0 e
wobei u0 die Spannung am Leitungsanfang ist. Gleiches Gesetz gilt auch
für die Stromwelle. Man ersieht, daß die Spannungswelle mit größer
werdender Entfernung vom Leitungsanfang exponentiell mit der Dämp-
fungskonstanten

ß=_!_(~+oz)=--=_!_(rll~o +Gl/Lo) (348)


2 Z 2 VL0 V0 0
abnimmt, es gilt also

und (349)
In den meisten Fällen (von Koronaverlusten sei abgesehen) sind die
Ableitungsverluste klein, so daß näherungsweise geschrieben werden
kann:
(350)

Hat man am Anfang der Leitung eine sinusförmig sich ändernde Span-
nung, so kann man sich diese durch sich überlagernde kleine Spannungs-
stöße (s. S. 518) ersetzt denken. Jeder Stoß erregt eine Rechteckwelle,
welche bei Vorhandensein vonVerlustenexponentiell abklingt. Demgemäß
ist bei sinusförmiger Spannung am Leitungsanfang die über die Leitung
laufende Welle eine Sinuswelle, deren Werte mit l-x abnehmen. Be-
deutet in Abb. 519b u:A den Spannungsvektor am Anfang der Leitung,
so wird an einer Stelle a, welche die Entfernung x vom Leitungsende,
also l-x vom Leitungsanfang hat (Abb. 519a), der neue Spannungs-
vektor, falls keine Verluste vorhanden sind, gleiche Größe haben, jedoch
nach Abb. 519b um den Winkel &=tx(l-x) zurückgedreht sein. Da
jedoch Verluste vorhanden sind, wird die Größe des neuen Spannungs-
vektors (Abb. 519b):
(351)
und die des Stromvektors

(352)
Leitungen großer Länge 521
sein. Man kann nun diesen neuen Spannungsvektor unter Berücksich-
tigung seiner Größe und Phasenlage wie folgt schreiben:

(353a)
falls man
y=ß+jtx (353b)
setzt.
Wir wollen nun gleichzeitig eine von rechts nach links in der Leitung
laufende Wanderwelle untersuchen. Hat diese am Leitungsende den
Wert U~A• so kann man den Spannungsvektor an der Stelleaschreiben
(Abb. 519c):
(354)
a
~~-
L_
-z-:r: z--~
.1. :r:_j

Abb. 519a-c. Ermittlung des Spannungs- und Stromzustandes einer Leitung


durch Überlagerung einer rechts- und einerlinkslaufenden Welle.
a Leitungsanordnung, b Vektordiagramm für rechtslaufende Wellen,
c Vektordiagramm für linkslaufende Wellen.

und für den Stromvektor


(355)

Die Resultierende in a vorhandene Spannung U ist dann:


UA = u~A e-y(l-x)+ u~A e-l'X (356)

und der resultit>rende Strom, der proportional den jeweiligen Spannungs-


vektoren ist, hat die Größe

(357)

Das Minuszeichen in der zweiten Gleichung kommt zustande, weil die


zweite Stromwelle von rechts nach links in der Leitung läuft, wir jedoch
die Richtung vom Leitungsanfang zum Leitungsende als die für die
522 Die Berechnung elektrischer Netze

Stromrichtung positive annehmen wollen. Beziehen wir die beiden Glei-


chungen auf das Leitungsende, also auf x = 0, so ergibt sich:

(358)

l
Multipliziert man die zweite Gleichung mit Z und addiert bzw. sub-
trahiert sie von der ersten, so ergibt sich:

' e-yl_
Ut,l.. -
11a.l.+3aZ
2 '
(359)
_ _
U,2}.- u.;.-3.z
_2 ___ •

Setzt man diese Werte in GI. (356) ein, so erhält man:

U;. = UaA ~3aZ e+ yz + UaA -;3aZ e- "z . (360)

coshyx= e"z+e-yz
.
2
e"z-e-Y"'
, l
Berücksichtigt man, daß der hyperbolische Cosinus und Sinus

(361)
sinh yx = - -2- - .

ist, so kann man auch schreiben:

(362a)

Setzt man die Werte nach GI. (359) in (357) ein, so ergibt sich, falls / 2
der Strom am Leitungsende ist:

3 = 311 cosh )' x + !~!!. sinh yx . (362b)

Die beiden Gl.(362a) u. (362b) gestatten, falls der Strom und die Span-
nung am Ende gegeben sind, die Berechnung des Stromes und der
Spannung an einer beliebigen Stelle der Leitung und auch für den
Leitungsumfang.
Sollten der .Strom 31 und die Spannung U1,1.. am Anfang der Leitung
gegeben sein und ist jetzt x der Abstand vom Leitungsanfang, so erhält
man nach ähnlicher Rechnung:

u,~.. = ul}. cosh yx- 3tZ sinh yx


3 = 31 cosh y x - 11 "i- sinh y x .
I (363)
Leitungen großer Länge 523
Da im allgemeinen unter dem hyperbolischen Cosinus bzw. Sinus ein
komplexes Glied steht, sind für die Anwendung folgende mathematische
Formeln wichtig:
sinh (ß +jtX) x = sinh ß x cos lXX + cosh ß x sin
j lXX }
cosh (ß +j IX) x = cosh ß x cos IX x + j sinh ß x sin IX x . (364)
Hiermit und unter Benutzung der GI. (362) u. (363) lassen sich alle
Rechnungen für lange Leitungen unter Berücksichtigung der Dämpfung
ausführen. Die GI. (362a u. b) gelten auch für die Übertragung von
Telefonie- und Hochfrequenzströmen auf Freileitungen und Kabeln.
Es sei jetzt der für viele prinzipielle Untersuchungen wichtige Sonder-
fall untersucht, daß die Leitungsdämpfung ß = 0 ist. Unter Benutzung
der GI. (362) findet man aus den GI. (364) :
U;.. = u2A cos lXX+ j32Z sin lXX
('< ~
'U=o\j2 COSIXX
• + ]-z-SllltXX.
. u.A. .
l (365)

Leerlaufende Leitung. Es sei jetzt der Fall der leerlaufenden Leitung


untersucht. Hierfür muß in GI. (365) 12 = 0 gesetzt werden. Man erhält
dann:

(366)

d. h. die Spannungs- und Stromvektoren sind an allen Stellen der Leitung


für sich in Phase. Abb. 520 a zeigt die Verteilung der Spannungsvektoren
längs der Leitung. Dabei entspricht 90° einer Leitungslänge von 1500 km.
Ist die Leitungslänge kleiner als 1500 km, so eilt, wie man aus GI. (366)
erkennen kann, der Strom der Spannung vor (Abb. 520b). Ist jedoch
die Leitungslänge größer als 90°, jedoch kleiner als 180°, so eilt die
Spannung dem Strome vor (Abb. 520c). Je nach der Leit~gslänge wirkt
also eine leerlaufende Leitung als Kapazität bzw. als Induktivität.
Es sei jetzt eine Näherungsrechnung angestellt, die für Leitungs-
längen von einigen hundert km gilt. Setzt man in GI. (366) x = l und
IX = ro , so wird
tl

U;.. = llaA. cos rol. (367)


"'
Entwickelt man den cosinus in einer Reihe und berücksichtigt unter
Annahme kleiner Winkel ( :z)
nur das l. und 2. Glied, dann ergibt sich:

(368)
524 Die Berechnung elektrischer Netze

oder umgewandelt unter Beachtung, daß V= v--


1
LoGo

UJ-- ll2,.l. = - 2
ro2l2
1 ~ lt 2A == (•u
J 2Y -lC0-
2
ro) (J·w lL)o • (369)

In der letzten Gleichung ist j U2J- l 0;C:: der kapazitive Strom, der durch
die Leitungsinduktivität lL0 fließt, falls wir uns nach Abb. 521 die gleich-

l----~---'-{/)_:..;;~:...-_,-~-----]~

Abb. 520a-c. Leerlaufenn& Leitung.


a Stehende Spannungswelle auf der Leitu:Ög, b Vektordiagramm für eine
Leitungslänge kleiner als 1500 km, c Vektordiagramm für eine
Leitungslänge zwischen 1500 und 3000 km.

mäßig verteilte Leitungskapazität in den beiden Leitungsenden zu je l ~0


konzentriert denken. Man kann also, sofern roZ ein kleiner Bruch ist, mit
V
genügender Genauigkeit die gleichmäßig verteilte Kapazität der Leitung
auf die beiden Enden überführen. Wählt man z. B. l = 500 km, dann ent-
spricht dieser Strecke (weil 6000 km= 360°) 30° oder ~; = 0,524 und

Abb. 521. Hochspannungs· Abb. 522. Spannungsverlauf einer


Ieitung, Kapazität auf die zweiseitig gespeisten leerlau'enden
Enden überführt. Hochspannungsleitung.

der Klammerausdruck der GI. (368) wird ( 1 - 0•5242 ) = 0,863. Der tat-
2
sächliche Wert des cosinus von 30 o ist 0,866, so daß die Übereinstimmung
mit der Näherungslösung sehr genau ist. Bei geringeren Ansprüchen an
die Genauigkeit kann dieses Verfahren auch auf Leitungen mit Längen
größer als 500 km angewandt werden. Die Überführung der Leitungs-
kapazität auf die Enden gilt auch, falls die Leitung belastet ist.
Es sei eine beidseitig gespeiste leerlaufende Leitung betrachtet
(Abb. 522). Sind die Spannungen an beiden Enden gleich, so wird in
der Mitte der Leitung der Ladestrom von beiden Seiten zufließen und der
Leitungen großer Länge 525
Strom hier gleich Null sein. Wenn man sich an dieser Stelle einen Schnitt
durch die Leitung denkt, erhält man zwei einseitig gespeiste Leitungen.
Betrachtet man wieder eine Gesamtlänge von l = 500 km, so entspricht
der halben Entfernung, die für unsere einseitig gedachte Speisung in
Frage kommt, eine Länge von 250 km oder ein Winkel von 15°. Es ist
cos 15 ° gleich 0, 96, d. h. daß die Spannung UA an den beiden Speisestellen
um nicht ganz 4% kleiner als die Spannung 112 A in der Mitte der Leitung
ist. Man kann daher in diesem Fall annehmen, daß in der Leitung durch
die Kapazität praktisch keine Spannungserhöhung eintritt. Man macht
also im Falle der zweiseitig gespeisten Leitung, falls man sich ebenfall&
die glPichmäßig verteilte Kapazität der ganzen Leitung auf die beiden
Enden verteilt denkt, einen Fehler von 4%.
Kurzschluß der Leitung. Es sei die Leitung im Kurzschluß unter-
sucht. Man muß jetzt in den GI. (365) U2A gleich Null setzen und erhält
dann:
UJ.. = i32Z sin lXX
3 = 32 COS CX"X.
b c
~I
Abb. 523a-c. Leitung Im Kurzschluß.
a Stehende Stromwelle, b Vektordiagramm füreine Leitungslänge kleiner
als 1500 km, c Vektordiagramm füreine Leltungs!ii.nge zwischen 1500
undSOOOkm.

Auch diesmal sind die Amplituden der Spannungs- und Stromvektoren


längs der Leitung für sich gleichphasig (Abb. 523a). Bei einer Leitungs-
länge kleiner als 1500 km eilt die
Spannung dem Strom um 90° vor l
(Abb. 523 b) und die Leitung wirkt
wie eine Induktivität. Ist die Lei- Abb. 524. "Ober eine Reaktanz
kurzgeschlossene Leitung.
tungslänge größer als 1500 km,
jedoch kleiner als 3000 km, so eilt der Strom der Spannung vor, die
Leitung wirkt also wie eine Kapazität (Abb. 523c). I~:~t eine Leitung
über eine Reaktanz X kurzgeschlossen (Abb. 524), so gilt für den
Leitungsanfang:
U1A = i32 Z sin!Xl} (370)
31 = 32 COS!Xl.
Vor der Reaktanz gilt
526 Die Berechnung elektrischer Netze

also

oder
~
2
= UoA
j(Z sin 01Z +X cos 01Z]
(371)

R. Die Stabilität von Leitungen


Arbeitet ein Kraftwerk über eine Leitung auf ein Netz, welches nur
Widerstände und Reaktanzen besitzt, also keine größeren, die Spannung

r
und die Frequenz haltenden Generatoren enthält, so kann die Leitungs-
a x länge beliebig groß sein. Ein sog. Sta-
bilitätsproblem gibt es hierbei nicht.
fi1 ~ H}~ ~A Anders sind die Verhältnisse, falls das
_ _ zu speisende Netz eigene Generatoren
b X besitzt. Deshalb sei jetzt der Fall unter-
~ t sucht, daß ein Kraftwerk über eine
Eßi~ 1r.t Leitung auf ein großes Netz mit der als
starr angenommenen Spannung U2;..
arbeite. In einem Ersatzbild 525a sei
das Kraftwerk durch einen Generator I
mit der inneren EMK E 21 (s. S. 78) und
Abb. 525a-c. Stabilität zwischen 2 Kraft· das Netz mit der starren Spannung U2;..
werken, welche über eine Leitung, die
nur Induktivität hat, miteinander durch den Generator II dargestellt. Die
verbunden sind.
a Schaltanordnung, b die Spannung des
Reaktanz der Leitung einschließlich der
Kraftwerkes li wird Null gesetzt, c die Reaktanzen der Generatoren und Trans-
Spannung des Kraftwerkes I wird
Null gesetzt. formatoren (s. Abb. 525} sei X. Wir
denken uns nun den Spannungsvektor E 21
gegenüber dem Spannungsvektor U2 ;.. um den Winkel {} vorgedreht.
Welche Leistung wird dem Kraftwerk II zugeführt 1 Wir denken uns
zunächst die Spannung des Kraftwerks li gleich Null gesetzt, so daß
das Ersatzbild 525b gilt. Der Generator l wird mit seiner Spannung E 21
einen Kurzschlußstrom It'k liefern. Jetzt sei die Spannung des Gene·
rators I gleich Null gesetzt und die Spannung U2;.. wieder wirksam.
Es gilt jetzt Abb. 525 c und der Generator II wird einen Kurzschluß-
strom l 21e erzeugen. Überlagßrn wir die in Abb. 525b und c' aufgt>zeich-
neten Zustände, so bekommen wir den dem Kraftwerk II zugeführten
Strom 12 zu
12 = l 11e /'.. l 21e • (372}
Abb. 526a zeigt die beiden Spannungsvektoren E 21 und U2 j... Der von der
Spannung E 21 erzeugte Kurzschlußstrom 11k eilt um 90° na.ch. Ent-
sprechend eilt l 21e der Spannung U2 um 90° nach. Nach GI. (372) muß l 21e
jedoch entgegengesetzt aufgetragen werden. Abb. 526 a zeigt, daß 12 auf
Die Stabilität von Leitungen 527
einem Kreis liegt und daß nur der Kurzschlußstrom l 11c mit der Span-
nung U2 einen Wirkstrom bildet, nicht jedoch der Kurzschlußstrom 12Tc·
Man kann für die übertragene Wirkleistung nach Abb. 526a schreiben:
(373)

und man erkennt (Abb. 526b), daß die Leistung sinusförmig mit dem
Voreilwinkel {} zunimmt. Die größte Leistung wird bei einem Winkel
{f = 90° übertragen. Steigert man die mechanische Antriebsleistung
des Generators I, bis der Winkel {} größer als 90° wird, die elektrische
Leistung also abnimmt, so ist ein stabiler Betrieb nicht mehr möglich,
da der Generator I sich beschleunigt und außer Tritt fällt.
Die gebrachte Ableitung für die Gl. (373) hat allgemeine Gültigkeit und
beschränkt sich nicht nur darauf, daß zwischen den beiden Kraftwerken I

Abb. 526a u. b. Stabilitätsuntersuchung.


a Vektordiagramm, b "Übertragene Leistung in Abhängigkeit
des Voreilwinkels.

und II eine Induktivität geschaltet ist. Zwischen den beiden Kraftwerken


kann ein Netzgebilde geschaltet sein, welches aus beliebigen Indukti-
vitäten und Kapazitäten besteht, denn in unserer Ableitung war ja nur
maßgebend, daß der Kurzschlußstrom J11c der Spannung E 1 um 90° nach-
eilt und diese Nacheilung ist bei Kombination von Reaktanzen möglich,
bzw. falls eine Voreilung um 90° stattfindet, muß der Kurzschlußstrom
I 11c negativ eingesetzt werden. Unsere Ableitung gilt also auch fü1· den
Fall, daß zwischen Kraftwerk I und II Induktivitäten und dann eine
lange Leitung mit gleichmäßig verteilter Kapazität und Induktivität
geschaltet ist. Auch hier ist die statische Stabilität erreicht, falls
zwischen E 21 und U2 eine Phasenverschiebung von 90° vorhanden ist.
l 11c in Gl. (373) kann gemäß Gl. (371) berechnet werden.
Interessant ist, daß man nach Gl. (373) um so mehr Leistung stabil
übertragen kann, je größer der Kurzschlußstrom l 11c ist. Dies kann man
z. B. erreichen, indem man die Leitungsinduktivitäten teilweise durch
Reihenkapazitäten kompensiert.
528 Die Berechnung elektrischer Netze

Es sei jetzt der Fall geprüft, daß unsere Reaktanz in Abb. 525 (ver·
allgemeinert das Netzwerk) Widerstand besitze. E~ seien gleiche Über-
legungen wie in Abb. 526a angestellt, nur eilen diesmal die Kurzschluß-
ströme nur um 90°- d nach. Das aufgezeichnete Diagramm Abb. 527a
zeigt, daß infolge der Verluste eine Verkleinerung des Wirkstromes 1111~
eintritt und die maximale Leistung schon bei einem Winkel 90°- d
auftritt. Für die Wirkleistung kann man schreiben:
Nw 2 = 3 U2)... [11 k sin (D+ d)- 12 k sind]. (374)
Diese Formel gilt auch für ein beliebiges Netzwerk zwischen den Kraft-
werken I und II.
N

Abb. 527 a u. b. Stabilitätsuntersuchung unter Berilckslchtlgung des ohmschen Widerstandes


der Leitung.
a Vektordlagramm, b vom Kraftwerk I abgt'gebene Leistung N1111 und vom Kraftwerk IJ
empfangene Leistung N 1112 ln Abhängigkelt vom Voreilwlnkel.

Es sei jetzt die Wirkleistung des Kraftwerkes I untersucht, welche


sich von der Leistung des Werkes II wegen der Leitungsverluste unter-
scheidet. Für den vom Werk I abgegebenen Strom 11 gilt:
l1 = ltk!:::::.. l2k •
Im allgemeinen Falle sind dabei 11k und I 2k auf das Werk I zu beziehen,
denn bei einer Leitung mit verteilter Induktivität und Kapazität ist
z. B. 11k anders, je nachdem man es auf den Leitungsanfang oder das
Leitungsende bezieht. Bei einer einfachen Leitung ist jedoch kein Unter-
schied vorhanden. Man kann I 1111 erhalten, falls man in Abb. 527a 110
welches statt 12 einzutragen wäre (bei einer einfachen Leitung stimmen
beide überein), auf E 21 A projiziert. Da E 21 , gegen U2 um den Winkel D
vorgedreht ist, kann man nach Abb. 527a N 1111 erhalten, indem man in
Die Stabilität von Leitungen 529
Gl. (374) die Winkel um fJ verkleinert und E 21 A statt U2A schreibt.
N w1 = 3 E 21 A [1 1k sin ~- 12k sin (6- fJ)] = )
= 3E 21 ).. [12k sin (f)- ~) +
11" sin ~]. J
(375)
Für den Fall einer einfachen Leitung kann man schreiben:
X
tan~=-. (376)
'1'

In Abb. 527b sind N wt und N W2 in Abhängigkeit von f) aufgetragen.


Man erkennt, daß der Maximalwert von N wt bei 90° ~ und der von +
N w2 bei 90° -- ~liegt. Der erste Wert ist, verglichen mit dem der verlust-
freien Leitung, größer, der zweite Wert dagegen kleiner geworden. Wo
liegt nun die Stabilitätsgrenze 1 Bei einem unendlich starren Netz
sicher beim Maximum von N wt• bei einem nachgiebigen Netz dagegen
beim Maximum von N w 2• Vergrößert man nämlich den Winkel {} über
90°- ~.so sinkt die elektrische Leistung, die Belastung bleibt dagegen.
so daß ein Abbremsen und da-
mit ein Außertrittfallen eintritt.
Man wird also in der Regel damit
rechnen müssen, daß bei vor- a
bandenen Verlusten die Kipp-
grenze schon bei einem Winkel
b
90°- ~ eintritt.
In Abb. 528a arbeite ein
Generator über seine synchrone Abb. 528 a u. b. Stabllitii.tsunteuuchung für ein Kraft-
Reaktanz xtl auf ein Sammel- werk, welches über eine Reaktanz aufein starres
Netz arbeitet.
Schienensystem und dann über a Schaltplan, b Vektordiagramm.
die Leitungsreaktanz (einschl.
Transformatorenreaktanz) auf das starre Netz mit der Spannung U2A.
Durch einen Spannungsregler im Werk I werde an den Sammelschienen
die Spannung U1A konstant (gleich U2A) gehalten. Ist der Strom gegeben,
dann läßt sich das für die Leitung geltende Diagramm zeichnen
(Abb.528b}. Verlängert man IX um den Betrag JXtf., so erhält man die
innere EMK E 21 des Generators. Diese muß für Stabilitätsbetrachtungen
zugrunde gelegt werden, da bei Gleichgewichtsstörungen der Regler nicht
schnell genug ist, um U1A konstant zu halten. Wir dürfen so rechnen,
als ob die innere EMK E 21 konstant bliebe. Dabei muß unter Umständen,
wie aufS. 113 gezeigt, statt der synchronen- die kleinere Pendelreaktanz
eingesetzt werden. Auf jeden Fall muß, je nach der Ruhe des Netzes und
der beabsichtigten Sicherheit, der zwischen E 21 und U2 A liegende Winkel
um einen· Betrag kleiner als 90° sein.
Bei Maschinen mit ausgeprägten Polen erhält man bei üblichen Ver-
hältnissen von Xt~.fX11 ungefähre Ergebnisse bei der Stabilitäts-Berech-
nung wenn man X 11 = Xtl setzt.
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Aufl. 34
530 Die :Berechnung elektrischer Netze

In Abb. 529a ist parallel zur Sammelschiene eine Drossel ange-


schlossen und es sei ihr Einfluß auf die Stabilität untersucht. Abb. 529b
zeigt das Diagramm zunächst ohne die Drossel X 0• Wird die Drossel
angeschlossen, so wird Xd von einem zusätzlichen Strom 10 durch·
flossen, der U1A um 90° nacheilt. Dies ergibt in X 4 eine zusätzliche
um 90° voreilende Spannung, die zu E 21 addiert die neue innere EM KE; 1
ergibt, die lnit U2).. einen kleineren Winkel bildet als E 21 • Da das System

Abb. 521la u. b. Einfluß einer an den Sammelschienen angeschlossenen


Reaktanz anf die Stab1Iltät.
a Schaltplan, b Vektordiagramm.

verlustlos ist, folgt, daß dadurch die Stabilität verbessert ist. Die
Magnetisierungsströme der im Zuge der Leitung' vorhandenen Trans-
formatoren wirken wie solche Drosseln .
.Ähnlich wie oben läßt sich zeigen, daß Kapazitäten parallel Zll ul
die Stabilität verschlechtern.
In Abb. 530a sei jetzt parallel zu U1).. eine Wirklast vorhanden. Das
Diagramm Abb. 530 b zeigt, daß der durch r bedingte zusätzliche

Abb. 530 a-c. Einfluß eines an den Sammelschienen angeschlossenen


Widerstandes anf die Stabilität.
a Schaltplan, b Ersatzschaltblld, c Vektordlagramm.

Strom 10 , der gleiche Phase wie U1A hat, in Xd einen Spannungs-


abfall erzeugt, der zu E 21 addiert eine neue innere El\IK E;1 ergibt, welche
mit U2 A einen größeren Winkel als E 21 bildet. Wir können vermuten, daß
hierdurch die Stabilität verschlechtert wird. Es sei jedoch eine ge-
nauere Untersuchung durchgeführt, die in ähnlicher Weise auch auf
andere Stabilitätsprobleme übertragen werden kann.
Die Impedanzen X 4 , X und r bilden einen Widerstandsstern, der
nach den Regeln auf S. 441 in ein widerstandsgetreues Dreieck um·
Die Stabilität von Leitungen 531
gewandelt werden kann. Abb. 530b zeigt die Dreiecksumwandlung.
Gemäß GI. (178) gilt für die neue Impedanz Z, welche zwischen E 21 und
u2}.. liegt:
Z= iXa·iX +i(Xa+X)
r

z= - Xa. X + j (Xa + X) . {377)


r
Z ist für die Stabilität wichtig, da es zwischen E 21 und U2 geschaltet ist.
Die Impedanzen Z1 und Z2 s.ind dagegen ohne Bedeutung, da sie als
Belastungen des widerstandslosen Generators und des Netzes gelten.

z
I J[

c
Abb. 531 a-c. Kraftwerkauf eitet über iB:eak~z und über eine lange Leitung
lloUf ein starr~ll Kraftwerk.
a Schaltplan, b Vektordlagramm, c tlbertragene Leistung in Abhängigkelt
vom Vorell~el.

Nach GI. (377) besteht Z aus einer Induktivität und einem nega
tiven Wirkwiderstand. Man kamr die GI. (37~) anwenden, muß jedoch
beachten, daß ~ jetzt negativ ist~
.s: Xa+X (378)
tanu=- Xa·X r.
Man erhält, falls man t1 =-«50 setzt, wobei ~0 positiv ist:
N w1 = 3 E 21 [12k sin ({} +6 0) - ltk sin 60] • (379)
Hieraus folgt, daß für N wt die Stabilitätsgrenze bereits bei einem
Winkel 90°- 60 erreicht wird.· Nw 2 erreicht zwar bei einem späteren
Winkel sein Maximum, jedoch wird die Stabilität hier nur durch N tot
bestimmt. ·
Es sei jetzt (Abb. 53la) der Fall einer langen, jedoch verlustfreien
Leitung untersucht, welche von einem Kraftwerk mit der inneren
EMK E 21 gespeist wird, welche über die Generator- und Transformator-
reaktanz X über die Leitungslänge l auf das Netz limitder starren
Spannung U2 arbeite. Am Anfang der Leitung herrscht die Spannung U1
34*
532 Die Berechnung elektrischer Netze

und es werde gerade die natürliche Leistung übertragen, so daß der


Winkel zwischen U1A und U2A nach Gl. (345a) {}0 = ro l ist. Infolge
V
des Spannungsabfalls IX in der Reaktanz eilt die EMK E 21 der Span·
nung U1 um den Winkel e vor. Es gilt nach Abb. 531b:
IX IX X
tane= - = - = - - . (380)
U1J... IZ Z
Wir wissen, daß aus Stabilitätsgründen der Winkel
fJ= {}o+e (381)
maximal 90° werden darf. Um auf große Leitungslängen zu kommen,
muß X so klein als möglich gehalten werden. In unserem Falle wollen
wir damit rechnen, daß im Kraftwerk eine schnell wirkende Spannungs-
regelung vorhanden ist, so daß bei Pendelungen die transiente Generator-
reaktanz X~ annähernd konstant bleibt. Diese und die Transformator-
reaktanz Xp wird also wirksam. Nehmen wir an, daß bei Nennstrom
IX= 1 (X~+ Xp) 30% von U1A ist, so ergibt sich nach Gl. (380):
tan e= 0,3
und hieraus e = 17°. Für den Winkel {}0 , d. h. für die Leitung bleibt
dann ein Winkel von 73° übrig. Da 90° einer Leitungslänge von 1500 km
entspricht, dürfte bei einem Winkel von 73° die Leitung maximal nur
1200 km lang sein. In Wirklichkeit muß jedoch die Leitungslänge kleiner
gewählt werden, da sonst der kleinsteLaststoß genügt, um einAußertritt-
fallen zu bewirken. Da das Netz II nicht vollkommen starr ist, sondern
Laststöße und auch Kurzschlüsse auftreten können, durch welche
Frequenzschwankungen und Spannungsahsenkungen entstehen, muß
mit einer gewissen Sicherheit gerechnet werden. Es soll deswegen nur
ein solcher Winkel {} zugelassen werden, daß die übertragene Leistung
nur etwa 2/ 3 von der bei 90° übertragbaren ist, (s. Abb. 53lc), d. h., daß
für {} nur ein Winkel von 42°, d. h. für die Leitung nur ein Winkel
{} 0 = 42 o - 17 ~= 25 o möglich ist. Einem Winkel von 25 ° entspricht
jedoch eine Leitungslänge von 400 km. Bei den oben getroffenen An-
nahmen läßt also die sog. dynamische Stabilität nur eine Leitungslänge
von 400 km statt von 1200 km zu. Selbstverständlich war die von uns
gemachte Annahme, daß die übertragene Leistung 2/ 3 der Kippleistung
ist, eine willkürliche. Selbst wenn man etwas andere Annahmen trifft,
so wird man doch über obigen Wert kaum hinausgehen.
Es fragt sich, durch welche Maßnahmen man bei größeren Leitungs-
längen wieder Stabilität erhalten kann. Dabei interessieren uns be-
sonders Leitungslängen in der Größenordnung von 1000 km. Zur Be-
urteilung diene GI. (345a) für den Leitungswinkel {}0•
Do = -wl = wl ,
r L,0- -
C0 • {382)
V
Die Stabilität von Leitungen 533

Aus der Gleichung folgt, daß bei konstantem zulässigem f}0 eine Er-
niedrigung der Frequenz eine größere Leitungslänge l zuläßt. Von diesem
Verfahren wird man jedoch kaum Gebrauch machen.
Schaltet man in regelmäßigen Abständen parallel zur Leitung In-
duktivitäten, so nimmt der Ladestrom ab und die scheinbare Kapazi-
tät G8 pro km Leitung wird kleiner. Es gilt:

(383)

Verkleinert man nun die scheinbare Kapazität G8 , so kann man bei


konstantem 0 0 die Leitungslänge l wieder vergrößern. Dies hat jedoch
in bezug auf die natürliche Leistung

N=~~= u2v~: (384)

die Wirkung, daß diese kleiner wird. Um auf den alten Wert zu kommen,
müßte man die Spannung erhöhen, was jedoch oft nicht möglich ist.
Man kann ferner die Leitungsinduktivität L 0 durch in regelmäßigen
Abständen in Reihe geschaltete Kondensatoren scheinbar verkleinern.
Ist die scheinbare Induktivität L 8 , so gilt:

(385)

Wird also L8 verkleinert, so kann bei konstantem f}0 ebenfalls die Lei-
tungslänge vergrößert werden. Die natürliche Leistung

N= U2VCo (386)
Ls
wird jetzt vergrößert. Diese Lösung wurde in Schweden ausgeführt.
Ideal wäre es, sowohl die Leitungsinduktivität als auch die Leitungs-
kapazität teilweise zu kompensieren. Man erhält dann für den Winkel
(387)

und für die natürliche Leistung

N = ij21(0;. (388)
V:Ls
Bei gegebener Spannung, Leitungslänge, Leistung und 0 0 können aus
diesen beiden Gleichungen die Größen L 8 und G8 ermittelt werden. Da
man L 0 und C0 kennt, weiß man dann, welche zusätzlichen Kompen-
sationsmittel notwendig sind. Man wird selbstverständlich nicht, wie bei
der prinzipiellen Überlegung, die Kompensierung zu feinstufig durch-
führen, sondern diese aus preislichen Gründen in möglichst wenig Stufen
534 Die Berechnung elektrischer Netze

erfolgen lassen. Allerdings wird dann die Spannung bzw. der Strom nicht
mehr an allen Stellen der Leitung gleich sein.
An Reihenkondensatoren liegt bei einem Leitungskurzschluß eine so
hohe Spannung, daß diese gefährdet sind. Man muß deshalb Funken·
strecken oder Drosselspulen parallel schalten, die so ausgelegt sind, daß
sie bei zu großer Spannung am Kondensator sich stark sättigen und
dadurch die Spannung begrenzen.

S. Über die Möglichkeiten


der Gleichstrom-Hochspannungsübertragung
Soll Energie über große Entfernungen ( > 400 km) übertragen wer-
den, so sind wegen Stabilitätsschwierigkeiten besondere Zusatzeinrich-
tungen, wie Kondensatoren, Drosselspulen, Phasenschieber usw. einzu-
bauen. Diese Zusatzeinrichtungen werden um so umfangreicher, je grö-
ßer die Leitungslänge ist. Aus diesen Gründen denkt man daran, die
Leistungsübertragung durch hochgespannten Gleichstrom erfolgen zu
lassen, weil hierbei ein Stabilitätsproblem nicht vorliegt, prinzipiell also
beliebig große Entfernungen überbrückbar sind. Da die Energie in Form
von Drehstromleistung erzeugt wird, muß der Drehstrom in hochge-
spannten Gleichstrom umgewandelt, über die Leitung geschickt und am
Ende wieder in Drehstrom umgewandelt werden, da für die Unterver-
teilung ebenfalls nur Drehstrom in Frage kommt. Abgesehen vom Fort-
fall der Stabilitätsschwierigkeiten wird die Gleichstromleitung billiger
als eine Drehstromleitung und man kann auch Kabel verwenden, die
sich bei Gleichstrom leichter bauen lassen und hier in der Isolation kein
Glimmen bei evtl. Hohlraumbildung eintritt, da die Spannungsverteilung
in der Isolation sich nicht wie bei Wechselstrom nach dem Dielektrikum
ausbildet, sondern nach den Isolationswiderständen der Kabelisolation.
Bei Drehstrom ist zwar der Bau von Hochspannungskabeln bis 200 kV
möglich, jedoch müßten bei größeren Kabellängen wegen der sehr großen
Kapazität große Kompensationsdrosseln benutzt werden, so daß aus wirt-
schaftlichen Gründen solche Drehstromkabel nur auf geringe Entfernun-
gen (z. B. Energieleitung durch eine Stadt) in Frage kommen. Allerdings
erfordert das Gleichstromsystem einen erhöhten Aufwand, um denDreh-
strom in Gleichstrom und dann wieder am Ende der Leitung den Gleich-
strom in Drehstrom umzuwandeln. Auch liegen für diese Umwandlungen
Erfahrungen im Großbetrieb noch nicht vor.
Zunächst sei an Hand einer idealisierten Betrachtung festgestellt,
warum eine Gleichstromleitung billiger als eine Drehstromleitung ist,
Abb. 532a zeigt ein Drehstromsystem mit der verketteten Spannung U,
also dem Maximalwert Uy2. Abb. 532b zeigt das Vektordiagramm.
Über die Möglichkeiten der Gleichstrom-Hochspan nungsübertragung 535

Abb. 532 c zeigt bei Gleichstrom die Hin- und Rückleitung, die gegenein-
ander die Spannung Uu haben. Dabei ist angenommen, daß die Gleich-
spannungserzeugung in der Mitte geerdet ist, also jeder Leiter gegen Erde
nur die Spannung ~u hat.
Wir gehen von der Drehstromübertragu ng aus und deren Leitungs-
durchmesser sei so gewählt, daß kein Glimmen eintritt. Maßgebend für
das Glimmen ist der Maximalwert der Phasenspannung gegen Erde, also
die Größe U Ay2. Wird das Gleichstromsystem mit gleichem Durchmesser
ausgebildet, so dürfte u
u V'3 I\·
2(/ = UAy2 (389)
I \
.----------- I \
I
Ul
sein. .1iJr--t--.•I--- ---- I
I

Wir wollen jetzt I


I
I
annehmen, daß für I
I

die Drehstrom- und


die Gleichstromlei- a b
tungen gleiche Mate-
rialmengen benutzt t c
f/g
werden. Ist der Quer-
I
schnitt der Dreh- Abb 532 a-c. Vergleich zwischen Drehstrom-
stromleitung q~ und und Gleichstromübertt:agung.
a Schaltplan für Drehstrom, b dazugehöriges Vektordiagramm,
der der Gleichstrom- c Schaltplan für Gleichstrom.
leitung q_, so gilt
(390)

Da der Gleichstromquerschn itt größer als der Wechselstromquersc hnitt


ist, darf die Gleichspannung bei gleicher Glimmsicherheit im Verhältnis
der Radien vergrößert werden. Da diese jedoch mit der Wurzel der Quer-
schnitte zunehmen, darf die Gleichspannung gegen Erde folgenden Wert
haben.
(391)

Die Drehstromleistung ist, falls I der Strom ist,


(392)

und die Gleichstromleistung ist, falls I der Gleichstrom ist,

(393)

Infolge des größeren Leitungsquerschnitte s darf bei gleicher Strom-


dichte der Strom 3/2 mal so groß, als bei Wechselstrom sein. Läßt man
536 Die Berechnung elektrischer Netze

jedoch gleichen prozentualen Spannungsabfall oder gleiche prozentuale


Verluste zu, so kann die Stromdichte wegen der nach GI. (391) f3
mal
höheren Spannung f3mal so groß gewählt werden. Es gilt also für die
Gleichstromleistung

N _ = 2 (U,JJ/3) (I : (3) = 3 (3 U ,1/) = 3N~. (394)

D. h., daß bei gleicher Glirnrngrenze, gleichem Materialaufwand und


gleichen prozentualen Verlusten bei Gleichstrom eine dreimal so große
Leistung übertragen werden könnte. Obige Betrachtung stellt natürlich
keinen wirtschaftlichen Vergleich dar, da bei einem solchen der Aufwand
der Stationen für die Stromumwandlung mit berücksichtigt werden
müßte. Auch wird man bei Gleichstrom-Freileitungen nicht so dicht
an die Glimmgrenze herangehen, wie bei Wechselstrom, da, wenn eine
Gleichstromleitung zu glimmen anf-ängt, die Glimmverluste wesentlich
größer als bei Wechselstrom sind. Immerhin zeigen obige Überlegungen,
daß bei sehr großen Entfernungen die Verbilligung durch die Leitung
sicher so groß sein kann, daß eine Verteuerung der Umformungsstationen
mit in Kauf genommen werden kann.
Es sei jetzt geprüft, in welcher Art die Umformung des Drehstroms
in Gleichstrom und die Rückwandlung in Drehstrom möglich ist. Hierfür
kommen heute nur ruhende Geräte, d. h. Stromrichtergeräte in Frage,
wobei es belanglos ist, ob man einanodige Gefäße, oder mehranodige
wählt, auch können druckluftbeblasene Lichtbogen-Ventile nach Prof.
MARX vorgesehen werden.
Im folgenden sei das Prinzipielle der Umformung an einem zweiano-
digen Stromrichtergefäß für Wechselstrom, Abb. 533a gezeigt. Es be-
deutet T1 einen Transformator, der auf die beiden Anoden 1 und 2 des
Stromrichtergefäßes G1 arbeitet. Der vom Stromrichter G1 gelieferte
Gleichstrom fließt durch die Leitungen.a1 und a2 und gelangt dann in ein
weiteres Stromrichtergefäß G2, in welchem die Rückwandlung in Wech-
selstrom erfolgen soll. In der Leitung a 2 ist eine Drossel D vorgesehen,
durch welche die Welligkeit des Gleichstromes beseitigt werden soll.
Zunächst sei nur die Wirkung des Stromrichters G1 , der als Gleich-
richter arbeitet, untersucht, wobei angenommen werden soll, daß er durch
Gitter g gesteuert werden kann. Es ist bekannt, daß eine nicht brennende
Anode bei negativer Ladung des Gitters nicht zum Zünden kommt, selbst
wenn ihre Anodenspannung den hierfür richtigen Wert hat. Andererseits
kann im Gegensatz zur Elektronenröhre eine Anode, die brennt, nicht
erlöschen, falls ihr Gitter eine negative Ladung erhält. Dies ist unmög-
lich, weil im Gegensatz zu einer Elektronenröhre, die nur Elektronen ent-
hält, bei einem Stromrichter außer Elektronen auch positive Ionen vor-
kommen. Diese werden von dem negativen Gitter angesaugt, häufen sich
Über die Möglichkeiten der Gleichstrom-Hochspannungsübertra.gnng 537

LJ
af(~-~-a""~' -I

b ~ZWI t;t;'tJ
o n Gi!tersp!IIIHUII!fAnot!e 1 ~

Strom Anode 1 I Jig


)lg I Anode 2
e

V
lf

d
0

2 2
1/

g
'
Im ------'I

Abb. 533a-h. Gleichstrom-Hochspannungsübertragung in zweipoliger Anordnung dargestellt.


a Schaltplan, b Liniendiagramm für Spannungen, c Liniendiagramm für Anodenstrom, d Linien·
dlagramm für Wechselstrom, e Vektordiagramm, f Liniendiagramm der Spannungen für G!eichricbter G.,
g Liniendiagramm des zu fgehörigen Wechselstromes, b dazugehör~es Vektordiagramm.
538 Die Berechnung elektrischer Netze

in dessen Nähe und kompensieren die steuernde Wirkung des Gitters.


In Abb. 533b ist die EMK der Anoden 1 und 2 aufgezeichnet. Es ist an-
genommen, zum Zeitpunkt t1 wird das negative Gitter der Anode 1 po-
sitiv, so daß die Anode 1 zünden kann. Kurzzeitig darauf wird das Gitter
wieder negativ gemacht, was jedoch, da jetzt ein Anodenstrom fließt,
keinen Einfluß auf dessen Verlauf hat. Im Zeitpunkt t 2 wird das Gitter
der Anode 2, welches bis jetzt negativ war, positiv und die Anode 2 wird
jetzt zünden, da sie ein höheres Potential als die Anode 1 hat. Kurz nach
dem Zünden wird das Gitter wieder negativ gemacht. Zum Zeitpunkt t3
wird das Gitter der Anode 1 kurzzeitig positiv, so daß jetzt die Anode 1
wieder brennt. Eine Anode ist also 180° im Betrieb und 180° in Ruhe.
Während der Betriebszeit ist die Spannung teils positiv, teils negativ.
Da jedoch die positive Fläche, welche größer als die negative ist, über-
wiegt, haben wir eine mittlere positive Gleichspannung. Um trotz der
verzerrten Gleichspannung einen glatten Gleichstrom zu bekommen, ist
angenommen, daß eine unendlich große Drosselspule D vorhanden ist.
Unter dieser Voraussetzung sehen die Anodenströme wie in Abb. 533c
aufgezeichnet aus. Der entsprechende Wechselstrom ergibt sieb aus der
Forderung des Amperewindungsgleicbgewichts. D. h., jedesmal, wenn
die Anode wechselt, ändern sieb die Amperewindungen im Transforma-
tor, d. b. auch die Richtung des primären zufließenden Stromes. Der
Wechselstrom hat den Rechteckverlauf der Abb. 533d (Magnetisierungs-
strom des Transformators gleich Null gesetzt). Man erkennt, daß dieser
Wechselstrom gegenüber der Spannung eine Phasenverschiebung q; hat.
Das zugehörige Vektordiagramm zeigt Abb. 533e. Man kann ferner
zeigen, daß mit verzögertem Einsatz der Gittersteuerung die mittlere
Gleichspannung Eu kleiner wird und zwar gilt das Gesetz
Eu= Eu. cosq;. (395)
Dabei ist Euo die Gleichspannung bei voller Aussteuerung, also bei
q; = 0. Der Einsatz der Gittersteuerung soll jetzt beim Stromrichter G2
Abb. 533f so weit verschoben sein, daß er bei t~ liegt. Die Anode sol1
180° brennen, also bist~, dann erst soll die Anode 2 zünden (was möglich
ist, da sie ein höheres Potential, als die Anode 1 hat) und bis t~ brennen.
Die für die Anode 1 wirksame EMK-Fläche besteht aus einem größeren
negativen und einem kleineren positiven Teil. Die mittlere Gleichspan-
nung ist also negativ. Physikalisch bedeutet dieses, daß beim Strom-
richter G2 der Strom I gegen die wirksame EMK des Transformators
durch die Anode 2 fließt. Dies ist möglich, falls dem Stromrichter G2
durch G1 eine genügend hohe Gleichspannung geliefert werden kann,
welche die Gegen-EMK im Transformator T2 überwindet. Dem Strom-
richter G2 wird also Gleichstromenergie zugeführt, welche in Wechsel-
stromenergie umgewandelt wird. Zeichnet man den primär zufließenden
Über die Möglichkeiten der Gleichstrom-Hochspannungsübertragung 539
Wechselstrom auf, Abb. 533g, so hat dieser, verglichen mit der Spannung
E nach Abb. 533b, eine solche Richtung, daß Energie an das Wechsel-
stromnetz zurückgegeben wird. Abb. 533g zeigt, daß der Wechselstrom
diesmal eine Phasenverschiebung q/ hat, die größer als 90° ist und
Abb. 533h zeigt das zugehörige Vektordiagramm. Dieses läßt erkennen,
daß, obwohl das Wechselstromnetz einen Wirkstrom lw empfängt, es
einen nacheilenden Blindstrom Ib liefern muß, dieser also nicht vom
Stromrichter abgegeben werden kann. Der Blindstrom wäre 0, falls
der Winkellp' = 180° wäre. Einen Aussteuerwinkel von 180° kann man
jedoch nicht wählen, denn dann wäre nicht die Bedingung erfüllt, daß
die Anode, welche zünden soll, eine größere Spannung haben muß, als
die, welche erlöschen soll. Berücksichtigt man noch die Streuung in dem
Transformator, so muß man sogar bei einem Winkel kleiner als 180°
bleiben, damit die Stromrichtersteuerung einwandfrei arbeitet. D. h.,
daß stets am Empfangsort bei der Umwandlung von Gleichstrom in
Wechselstrom vomWechselstromnetz Blindleistung geliefert werden muß,
wofür auch Phasenschieber und Kondensatoren benutzt werden können.
Die bisherigen prinzipiellen für Wechselstrom durchgeführten Betrach-
tungen lassen sich auch auf ein Drehstromsystem übertragen.
Eine Gleichstromhochspannungsübertragung hat nur Interesse, wenn
hohe Gleichspannungen, z. B. 200 bis 400 kV, übertragen werden. Ver-
wendet man für die Erzeugung des Gleichstromes Quecksilberdampf-
gefäße, so müssen von diesen einige in Reihe geschaltet werden, da der
einzelne Gleichrichter nicht für so hohe Spannungen zu bauen ist (maxi-
mal bis etwa 50 kV). Zur Veranschaulichung ist in Abb. 534a eine Mög-
lichkeit zur Erzeugung hoher Gleichspannungen mit zweianodigen Ge-
fäßen aufgezeichnet (eine Gittersteuerung ist nicht eingezeichnet). Es
kommen hier 6 Gleichrichtergefäße G1 , G2 usw. zur Anwendung. Die
Speisung der Gleichrichter erfolgt von dem Drehstromnetz über die bei-
den Transformatoren t1 und tu. Betrachtet man den Transformator tb
so sitzt beispielsweise die primäre Wicklung w1 und die sekundäre Gleich-
richterwicklung W1 auf demselben Kern. Die an den Wicklungen Wein-
getragenen Pfeile geben die Richtung der zu einem gegebenen Zeitpunkt
vorhandenen EMK und auch die Richtung des fließenden Stromes an.
Man erkennt, welche Anoden jeweils vom Strom durchflossen sind.
Bei der Hintereinanderschaltung der Gleichrichter tritt eine Addition
der Spannungen in den Wicklungen W1, W2 usw. ein. Es seien die Span-
nungen E 1 , E 2 nnd E 3 , .Abb. 534a der drei Wicklungen W1 , W 2 , W3 unter-
sucht. Addiert man die Augenblickswerte der 3 Spannungen, so erhält
man Abb. 534 b. Die für die 3 Gleichrichter resultierende Spannung hat
eine Welligkeit, welche der eines 6-Phasengleichrichters entspricht.
Untersucht man die Gleichrichter G4 , G5, G6 , so werden diese von
einem Transformator tu gespeist, der diesmal nicht im Dreieck, sondern
540 Die Berechnung elektrischer Netze

im Stern geschaltet ist. Diese Änderung der Schaltart wurde gewählt,


damit die Spannungskuppen E 4 , E 5 , E6 gegenüber, den Spannungskuppen
E 1, E 2, E 3 eine Verschiebung von 30° erhalten. Die Gesamtspannung der
6 Gleichrichter wird dann noch weniger wellig. Die Welligkeit entspricht
jetzt der eines 12-Phasengleichrichters. In Abb. 534a ist nach dem
3. Gleichrichter eine Erdung angebracht, damit die Gesamtspannung sich
gleichmäßig gegenüber der Erde verteilt.

~~
b IJ/eic/Jsponnung zwisc!Jen .!nuntf-

~
Abb. 534au. b. Gleichrichterschaltung für hochgespannten Gleichstrom.
a Reihenschaltung der Gleichrichter, b Spannung der Gleichrichter.

Im Prinzip ist die Anlage, welche den hochgespannten Gleichstrom


wieder in Drehstrom umwandelt, genauso aufgebaut wie die in Abb. 534a
aufgezeichnete, nur ist es dort wesentlich, daß die Anoden Gitter
haben und diese wie in Abb. 534a gezeigt, so gesteuert werden, daß der
durch die einzelnen Wicklungen fließende Strom die dort wirksame mitt-
lere EMK überwindet. Außerdem sind, wie bereits erwähnt, an der
Empfangsstation Blindstromerzeuger aufzustellen, welche die benötigte
Blindleistung liefern.

Zusammenfassung
Hat man große Leistungen auf große Entfernungen zu übertragen, so
erfordert das Drehstromsystem aus Stabilitätsgründen zusätzliche Ein-
richtungen. Diese können in der Regel in dicht besiedelten Ländern ent-
Die Berechnung des Stoßk:urzschlußstromes 541
fallen, da hier die Möglichkeit gegeben ist, in gewissen Abständen die
Leitung an fremde Netze anzuschließen, welche die Spannung stützen
und dadurch den Betrieb der Fernleitung stabil gestalten. Ist jedoch
die Möglichkeit solcher von Natur aus gegebenen Stützungen nicht mög-
lich, so hat das Gleichstromhochspannungssytem Vorteile, da Stabili-
tätsschwierigkeiten nicht vorhanden sind und die Möglichkeit besteht,
Gleichstromhochspannungskabel zu verwenden.

XX. Berechnung der Kurzschlußströme


In unseren Netzen ist mit gelegentlichen Kurzschlüssen zu rechnen.
Die Größe der hierbei auftretenden Kurzschlußströme ist für die Bemes-
sung des Selektivschutzes der Leitungen, der Apparate, der Wandler und
der Schalter von größter Bedeutung, da erhöhte Beanspruchungen in
bezug auf Erwärmung, mechanische Festigkeit und auf Abschaltvermögen
auftreten. Im ersten Augenblick des Kurzschlusses liefern die Generatoren
einen sehr hohen Stoßstrom (Amplitude etwa das 15 bis 18fache des
Maximalwertes des Nennstromes), der in einigen Sekunden auf den Wert
des Dauerkurzschlußstromes abklingt. Von Interesse ist der gesamte Ver-
lauf des Kurzschlußstromes. Während früher bei den großen Eigenzeiten
der Schalter und den reichlichen Auslösezeiten der Netze vor allem die
Größe des Dauerkurzschlußstromes interessierte, ist heute die Größe des
abklingenden Stoßstromes meist wichtiger, da die Schaltereigenzeiten
und die Auslösezeiten wesentlich kleiner geworden sind.

A. Die Berechnung des Stoßkurzschlußstromes


Im Abschnitt III über Generatoren wurde der subtransiente Kurz-
schlußstrom (Stoßkurzschluß-Wechselstrom) J'lc und der transiente
Kurzschlußstrom (Übergangskurzschluß-Wechselstrom) J~ bei Klem-
menkurzschluß des Generators ausgehend vom Leerlaufzustand ermittelt.
Bei Berechnung des Kurzschlußstromes von Netzen muß der Blind-
widerstand X und der Wirkwiderstand R der gesamten Kurzschlußbahn
berücksichtigt werden. Man geht hierbei von der Betriebsspannung des
Netzes U aus und nicht von der Generatornennspannung, die in der
Regel5% höher als die Netzspannung liegt. Die treibende Spannung ist
die EMK E, d. h. die geometrische Summe von Generatornennspannung
und Statorstreuspannung. Dem Unterschied zwischen Generator-EMK
und Netzspannung bei Belastung trägt man ungefahr Rechnung durch
den Faktor 1,1, so daß für J'lc gilt:
J x-
/1 - 1,1 u
V3 ·vx•+ R 2
542 Berechnung der Kurzschlußströme

Hierin bedeuten:
U = Betriebsspannung des Netzes
R = Wirkwidersta.nd der gesamten Kurzschlußbahn
X = Blindwiderstand der gesamten Kurzschlußba.hn.
Der größtmögliche Stoßkurzschluß ergibt sich zu

JB = U ·{2' J~ • (396}
Der Faktor " kann rechnerisch oder näherungsweise entsprechend den
Vorschriften VDE 0670 nach Abb. 535 ermittelt werden.
Dieser Stoßkurzschlußstrom J, tritt beim· Einschalten auf einen
Kurzschluß auf und bestimmt die dynamische Beanspruchung der in der
Kurzschlußbahn ·liegenden Maschinen und Geräte.
Hindesfscholtverzug ...o'Sicherun!/)

' "'~:::::- -
1jJ

\ qs ~~
\ r-- -a
,,_
tqa47 ....... --....
-
r\. ['.. ..... lJ
..._
',
-
/1
~ r-C
,z
1. o,B
~
,0 0,5
1. 0 42 411 4G (),8 1jJ 0 1 z J 11 5 G 7 8 9 10
R/X- 11
Ix/In.-
Abb. 535. Reduktion des größt- Abb. 536. 1 11 /Ig -p,abhinglg von 1K}111 •
möglichen Stoßkul'zschlußstromes,
abbingig von R/ X. a lflndestscbaltverzug ,.. 0,05 Sekunden; b Ylndestschalt-
verzug ""'0,1 Sekunden; o lflndestschaltverzug ;;;: 0,25 Sekunden.

Für die Bestimmung des Ausschaltstromes eines Leistungsschalters


ist der effektive Wert der Wechselstromkomponente des Stromes, welcher
im Zeitpunkt der Kontakttrennung durch den Schalterpol fließt, zu
berücksichtigen. Bei mehrpoligen Schaltern ist der Mittelwert der sym·
metrischen Ausschaltströme zu bilden. Die 3-phasige symmetrische
Ausschaltleistung ergibt sich durch Multiplikation des Ausschaltstromes
mit der Nennspannung und dem Faktor {3.
Das Abklingen des Stoßkurzschlußstromes kann rechnerisch ent-
sprechend den Zeitkonstanten ermittelt werden. Näherungsweise läßt
er sich auch abhängig von J~fJ.", aus Abb. 536 entnehmen.
Es gilt für
den symmetrischen Ausschaltstrom J 11 = p. • J';c.
Das Abklingen des Stoßkurzschlußstromes kann wie nach Bild 73 g
auch unter Berücksichtig1mg der Netzimpedanz berechnet werden.
Die einzusetzenden Zeitkonstanten erhält man angenähert, indem
man die subtransiente Zeitkonstante bei Klemmenkurzschluß mit -: ,
xa
Die Berechnung des Dauerkurzschlußstromes 543
die transiente Zeitkonstante mit ~ und die Gleichstromzeitkonstante
xd
mit ra. X multipliziert. Auch bei der Bestimmung des subtransienten
R x:;
Stromes und des transient.en Stromes im Kurzschlußaugenblick sind
die Generatorreaktanzen um die Netzimpedanzen zu vergrößern.
Arbeiten mehrere Generatoren parallel, so ist es zweckmäßig, die
resultierende Kurzschlußleistung dadurch zu ermitteln, daß man relative
Reaktanzen einsetzt und die Leistungen auf gleiche Reaktanzen um-
rechnet. Arbeitet z. B. ein Generator von 50 MVA X~ = 0,1 und ein
Generator von 20 MVA Xa
= 0,2 parallel, so beträgt die Kurzschluß-
leistung des 1. Generators g,~ MVA und die des 2. Generators ~.~ =
__!Q_ MVA und die gesamte Stoßkurzschlußwechselstromleistung ergibt
0,1
sich zu
50 + 10 =
0,1
600 MVA.

Bei Hintereinanderschaltung z. B. eines Generators und eines Trans·


formators empfiehlt es sich, die Reaktanzen auf gleiche Leistung umzu-
rechnen. Arbeitet z. B. ein Generator von 50 MVA Xä = 0,2 in Reihe
mit einem Transformator von 40 MVA = u 8 uk = =
10% 0,1, so =
beträgt die Kurzschlußleistung des Transformators ~~ = 0 ~~ 5 und
' ' Gene-
die Stoßkurzschlußwechselstromleistung für die Reihenschaltung
rator - Transformator wird:
50
0,2 + 0,125 = 154 MVA .

B. Die Berechnung des Dauerkurzschlußstromes


a) Dreipoliger Kurzschluß
Der dreipolige Dauerkurzschlußstrom bei Leerlauferregung beträgt
für die ungesättigte Maschine, wie wir gesehen haben

Irri-
- IKunges- UA.
- xd. (398)

Tritt der Kurzschluß im Netz auf, so daß die Netzreaktanz XN vor-


geschaltet ist, so wird der Dauerkurzschlußstrom bei Leerlauferregung

I -I UA.
lll - Kunges -
-
Xd + XN
(399)
544 Berechnung der Kurzschlußströme

i
Bei höherer Erregung i ist dieser Wert im Verhältnis-.,----- zu ver-
iounuea
größern.
Ist die äußere Rea.ktanz XN groß, so empfiehlt es sich, durch ein
graphisches Verfahren nach Abb. 537 den Einfluß der Sättigung auf die
Höhe des Dauerkurzschlußstromes nachzuprüfen. Man trägt auf die
Abszisse die Erregung als Vielfaches der Leerlauferregung v 0 = 1 auf
und zwar zunächst o - a = Vxn = i~n = 11n = Xa auf. Auf der
~o K
Ordinate trägt man die relative Statorstreuspannung X, auf und
erhält damit den Punkt b der Leerlaufkennlinie. Die Erregung VKn kann

r
I

u c
:::! :-....

~
~
~"'
•!
~
IS Va
1
v-
ß
I'-.
t- Ia'

'Wn
v,'
a
Abb. 537. Diagramm zur Ermittlung des drelpoligen Dauerkurzschlußstromes
bei Kurzschluß im Netz.

in den Anteil v8 für die Statorstreuung und in den Anteil Va für die
Ankerrückwirkung, die dem Strom proportional ist, zerlegt werden.
Der Kurzschlußstrom erfolge jetzt nicht unmittelbar am Generator,
sondern im Netz. Je Phase ist dann die Streureaktanz X,+ XN vorhan-
den (XN = Netzreaktanz). Führt man den Begriff der numerischen
Kurzschlußentfernung a ein,

(400)

dann muß bei einem Kurzschlußstrom, der gleich dem Normalstrom In


ist, eine EMK von der Größe a · X, vorhanden sein.
Bei der Erregung Vxn kann der Kurzschlußstrom In bei der vergrößer-
ten Reaktanz jetzt nicht bestehen, da e außerhalb der Leerlaufkennlinie
liegt. Der Strom muß daher solange verkleinert werden bis die Streu-
spannung im Punkt d die Kennlinie schneidet. Ist eine beliebige Er-
regung v z. B. v = 3, am Generator eingestellt (s. Abb. 537), dann ist
zur Bestimmung des Dauerkurzschlußstromes parallel zur Strecke a-e
Zweipoliger Kurzschluß 545
die Gerade a' -d' zu zeichnen, welche die Leerlaufcharakteristik im
Punkt d1 schneidet. Wird von diesem Punkt d' aus das Lot auf die
Abszisse gefällt, dann erhält man durch die Strecke d' -e die EMK
bzw. die vorhandene Streuspannung ax;, 0-e ist das hierfür nötige
Restfeld. Die Strecke e-a' ist gleich der vorhandenen Ankerrückwir-
kung v~ im Erregermaßstab. Der Kurzschlußstrom IE_v~III ergibt sieb
auf Grund der Beziehung
I

IK I - I nVa
- (401)
va I I I - Va ·

Gelegentlich interessiert die Klemmenspannung, welche beim Kurz-


schluß im Netz am Generator vorhanden ist. Im Generator wird eine
EMK von der Größe e-d' erzeugt (Abb. 537). Zieht man parallel zu
a-b die Gerade a'-b 1 dann entspricht der Abschnitt b'-e der Streu-
spannung x; in der Maschine selbst, während durch die Strecke b' -d'
die Streuspannung im Netz gegeben ist, welche gleich der Klemmenspan-
nung ist. Sämtliche aus der Abbildung herausgreifbaren Spannungen
sind nur relativ. Man muß deshalb z. B. b' -d' mit der verketteten
Nennspannung multiplizieren, um di"e tatsächliche an den Maschinen-
klemmen vorhandene verkettete Spannung zu erhalten 1 •
Ist die numerische Kurzschlußentfernung groß, so sind die Kurz-
schlußströme für den erzeugenden Generator klein, können jedoch, so-
fern sie einen schwachen Abzweig durchfließen, für diesen immer noch
von beträchtlicher Größe sein, so daß die Kenntnis der Größe des Kurz-
schlußstromeswesentlich ist. In Fällen, in denen durch den entstehenden
Kurzschlußstrom keine nennenswerte Spannungsahsenkung im Kraft-
werk stattfindet, kann man annehmen, daß eine konstante Klemmen-
spannung U auf den Kurzschlußkreis arbeitet. Der Kurzschlußstrom
ist dann
u (402)
IK[[[ = V3 VR 2 + X 2 '

wobei R der Gesamtwiderstand und X die Gesamtreaktanz des Kurz-


schlußkreises, gemessen vom Kraftwerk ab, sind.

b) Zweipoliger Kurzschluß
Der zweipolige Kurzschlußstrom von Generatoren beträgt entspre
chendAbschn. III. D· c. über Generatoren ungefähr das Y3-fache des drei-
poligen Kurzschlußstromes.

1 Statt durch geometrische Konstruktion kann man die Kurzschlußströme


auch rechnerisch ermitteln; s. z. B. REH. 1929 und M. WALTER: Kurzschluß-
ströme in Drehstromnetzen. München: R. Oldenbourg 1944.
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 35
546 Berechnung der Kurzschlußströme

Fließt beim dreipoligen Kurzschluß der Strom In, dann ist die
erzeugte Streuspannung pro Phase InXs oder bezogen auf die verkettete
Spannung gleich f3 InX 8 • Beim zweipoligen Kurzschluß, bei dem die
Streuspannungen der beiden Phasen sich addieren, ergibt sich beim
Nennstrom In die Streuspannung zu 2 InX8 • Die Streuspannung ist also,
bezogen a1,1f gleichenNennstrom, im Falle des zweiphasigenKurzschlusses
2/Y3-mal so groß geworden, hat also die Größe
2
Xsn= Xs - . (403)
Y3
Unser Ziel ist, zur Ermittlung des zweipoligen Kurzschlußstromes,
möglichst die für den dreipoligen Kurzschlußstrom gefundene Kon-

~
1.9~
c
~
1

t ~ r-..,
'.i' u
lh
~~{ r--- 1---
11~~ 1---
!.:::. e I

0 1 2 J
Va v-
I va'
Vn
V :1
Abb. 538. Diagramm zur Ermittlung des zweipoligen Kurzschlußstromes.

struktion verwenden zu können. Dies ist möglich, wenn wir uns die Ströme
beim zweipoligen Kurzschluß V3-mal so groß gewählt denken wie beim
dreipoligen. Die Ankerfelder sind dann gleich, während die Streuspan-
nung doppelt so groß wird, also 2 x 8 bzw. im Falle des Netzkurzschlusses
2ax8 • Die bisherige Konstruktion zur Ermittlung des dreipoligen Kurz-
schlußstromes kann dann auf den zweipoligen Kurzschluß übertragen
werden, nur muß beachtet werden, wenn vom Ankerfeld auf den zwei-
poligen Strom geschlossen wird, daß der Faktor V3 hinzukommt. Für
den zweipoligen Kurzschlußstrom gilt also nach Abb. 538 (Kurzschluß
im Netz!) ,
lx ' 11 = In va Vä. (404)
va Va

Im Generator tritt eine relative Streuspannung von der Größe der


Strecke e-b' auf, während an den Klemmen des Generators eine Span-
nung von der Größe b' -d' (multipliziert mit der verketteten Nennspan-
nung) erscheint.
Berechnung der Kurzschlußströme in komplizierten Netzgebilden 547
Ist die numerische Kurzschlußentfernung a groß, so kann, da pro
Phase UJ2 entfällt, der Kurzschlußstrom ähnlich der Gl. (402) berechnet
werden:
I - U (405)
Kn- 2VRa+xa

C. Berechnung der Kurzschlußströme in komplizierten


Netzgebilden
Zur Berechnung der Größe und der Verteilung der Kurzschlußströme
in komplizierten Netzgebilden ist folgendes Verfahren zweckmäßig:

Abb. 539. Mehrfach gespeistes Netz Abb. 540. Mehrfach gespeistes Netz mit
bei Kurzschluß. zwei gedachten Generatoren A und B.

Gegeben ist das Netz der Abb. 539. Im Punkte a trete ein dreipoliger
Kurzschluß auf. Ist kein Kurzschluß vorhanden, dann kann man sich
an der Stelle a den ·widerstandslos Xa_"bez.~
gedachten Generator A, der die in - II•
diesem Punkte herrschende Span-
nung + U A haben muß, angebracht
denken, ohne daß sich an der Gesamt-
stromverteilung des Netzes irgend
etwas ändert (Abb. 540). Wird jetzt
zusätzlich ein weiterer Generator B
mit der Spannung - UA an der glei-
chen Stelle hinzugeschaltet, so erhält Abb. 541. Mehrfach gespeistes Netz mit
der Punkt a das Potential Null und gedachtem Generator A an Kurzschlußstelle
und Ersatz der Kraftwerksgeneratoren
die jetzt fließenden Ströme sind die durch Reaktanzen.
gewünschten Kurzschlußströme. Man
muß also, um die im Kurzschluß auftretenden Ströme zu erhalten, die
durch den Generator B erzeugten Ströme berechnen, welche sich den
ursprünglichen Strömen überlagern (letztere vernachlässigt man oft).
Dabei muß man sich die Generatoren], 2 und 3 durch Reaktanzen
ersetzt denken (s. Abb. 541). Die Größe dieser Generatorreaktanzen,
die außerdem nicht konstant sind, da sie von der Sättigung der Genera-
35*
548 Berechnung der Kurzschlußströme

toren abhängen, sind vorläufig unbekannt. Für die Berechnung des Stoß-
kurzschluß-Wechselstromes kann man mit genügender Genauigkeit für
die Generatorreaktanzen die subtransienten Reaktanzen x;
einsetzen.
Berechnet man jetzt den Ersatzwiderstand Z des ganzen Netzes, so
ergibt sich der Strom an der Kurzschlußstelle zu
" -u- .
1K=
vaz (406)

Die Reaktanzen lassen sich jedoch auch für den Dauerkurzschluß-


strom berechnen, sofern man zunächst annimmt, daß im Kurzschluß-
falle die Generatoren im ungesättigten Teil der Charakteristik arbeiten.
Der betrachtete Generator habe bei der Erregung v =I im Leerlauf
die Klemmenspannung U. Der bei v = I im Kurzschlußfalle fließende
Kurzschlußstrom ist gleich 1K. Stellt man sich vor, daß dieser Strom 1x
durch eine EMK U)... erzeugt wird, so kann man sich den Generator durch
die synchrone Ersatzreaktanz Xe ersetzt denken. Es gilt die Beziehung:
U}..= _u_=Xe. (407)
h V3h
Denkt man sich den Generator B (Kurzschlußfall !) auf die Reak-
tanzen, die gleich den Ersatzreaktanzen Xe und den Netzreaktanzen
sind, wirken, so kommt ein Strom :r.um fließen, der prinzipiell berechnet
werden kann. Ferner lassen sich die aus den einzelnen Generatore~ her-
ausfließenden Ströme 11 , 12 usw. angeben.
Unser Verfahren gilt nur, solange wir im ungesättigten Teil der Gene-
ratoren arbeiten, was bei gering erregten Generatoren, etwa bis v= l
(leerlaufendes Netz), der Fall ist. Im allgemeinen sind jedoch im Kurz-
schlußfall die Generatoren stärker erregt, z. B. mit v=3,5. Hierdurch
werden die Dauerkurzschlußströme wesentlich größer. Um unser Ver-
fahren auch für diesen Fall, wenigstens als Näherungsrechnung zu ver-
allgemeinern, müssen wir die Ersatzreaktanzen Xe wesentlich kleiner
wählen. Wir stellen uns vor, daß im Netz, welches nicht belastet sei,
sämtliche Generatoren voll erregt seien (v= 3,5) und ermitteln, wie groß
für jeden Generator bei dieser Erregung v die Leerlauf-EMK E und der
zu v gehörende dreipolige Kurzschlußstrom ist. Ist lkfln (bei v= l)
gegeben, dann ist der Kurzschlußstrom bei der Erregung v:

(408)

Wir bilden nun unsere Ersatzreaktanzen, durch welche wir unsere


Generatoren ersetzen wollen, zu
E
Xe=-, (409)
hv
Berechnung der auftretenden Kurzschlußkräfte 549
Um den Kurzschlußstrom an der Kurzschlußstelle berechnen zu
können, denken wir uns (s. Abb. 541) dort einen Generator, der jedoch
diesmal nicht die Spannung ll, sondern die EMK E (mittlere EMK der
Generatoren) habe. Unsere Näherungsrechnung kann bei sinngemäßer
Anwendung auch für den zweipoligen Kurzschlußstl'Om durchgeführt
werden.

D. Berechnung der auftretenden Kurzschlußkräfte


Zwei vom Strom i durchflossene Leiter von der Länge 1 cm (s .
.Abb. 542), üben aufeinander Kräfte aus. Die auf den rechten Leiter
ausgeübte Kraft P beträgt, wenn die vom linken
I.eiter erzeugte Kraftliniendichte B ist,

P = 10 .~~liOOO kgfcm Leiterlänge. (410)

Die Kraftliniendichte B ist im Leiterabstand l cm


vom Leiter
2i
B = 1öi. (4ll)
Abb. 542. Kraftwirkung
zweler stromdurch-
Dies in obige Gleichung eingesetzt, ergibt flossener Leiter.


P= 2,04 T·I0-
·s
8 kgfcm Leiterlänge. (412)

Bei einem Dreiphasensystem bereitet die Berechnung der Kräfte im


zweiphasigen Kurzschluß keinerlei Schwierigkeiten. Die größten Kräfte
ergeben sich im ersten Moment, wenn der
Stoßstrom fließ~.
Beim dreiphasigen Kurzschluß ist die
Berechnung der· Kräfte etwas umständ-
licher, so daß man meist die Kräfte ein-
setzt, die beim zweipoligen Kurzschluß
entstehen.
Abb. 5,3. Zeitlicher Kraftverlauf
Die Kenntnis der beim Kurzschluß auf- beim Wechselstrom.
tretenden Kräfte ist wesentlich, um Sammel-
schienensy~teme, Stützerund Stromwandler den entstehenden Kräften
gemäß bemessen und. auswählen zu können. Die erzeugten Kräfte sind
nicht konstant. Im Falle eines die Kräfte hervorrufenden Wechselstromes
bestehen sie aus eiuem konstanten Glied Pm und einer darüber ge-
lagerten Kraft, die gegenüber dem Wechselstrom doppelte Frequenz
aufweist (s. Abb. 543). Es ist dafür Sorge zu tragen, daß nicht Resonanz
der sam:melschienen mit dieser Frequenz (/= 100} vorliegt.
550 Berechnung der Kurzschlußströme

E. Kurzschlußerwärmung
Es sei zunächst die Erwärmung eines Körpers durch den Dauerkurz-
schlußstrom bei Nennerregung berechnet. Ist die Stromdichte ia =lxnfq
und wird ein Leiterelement v;on 1 mm1 Querschnitt und 1m Länge
untersucht, dann ist die in t sec erzeugte Wärmemenge gleicb. (! j~t.
Wird angenommen, daß keine Wärmeabstrahlung und Ableitung an die
Umgebung stattfindet, dann muß die Wärmemenge (!jät zur Temperatur-
erhöhung des Leiters dienen. Ist die spezifische Wärme des Leiter-
materials bezogen auf 1 cm3 gleich c (in Wsect C cm3 ), so stellt sich
eine Temperatur{} ein.
_n e ·2 t .
-v=-Ja (413)
c
Für Kupfer mit einer mittleren Erwärmung um 90° (von 20° auf 200° C) ist
e= 1/41,5 und c = 3,5.
Dies in GI. (413) eingesetzt, ergibt
;je
IJcu= 145. (414)
Für Alunünium findet man für eine
mittlere Erwärmung um 80° (von 20°
auf 180° C) (! = 27~ 3 = c 2,42

Abb. 544. Temperaturverlauf durch (415)


Kurzschlußstrom.
Es sei noch untersucht, inwieweit der Stoßstrom eine Erhöhung der
Erwärmung bedingt. Trägt man die Erwärmung des Leiters im Kurz-
schluß in Abhängigkeit von der Zeit auf, dann erhält man den in der
Abb. 544 aufgezeichneten Verlauf. Die Erwärmung wird nach einiger
Zeit, falls der Stoßstrom abgeklungen ist, einen geradlinigen durch den
Dauerkurzschlußstrom bedingten Anstieg nehmen (keine Abstrahlung
und Ableitung der Wärme vorausgesetzt). Man kann sich nun den Ein-
fluß des Stoßstromes durch die Zeit Llt (Abb. 544) berücksichtigt denken.
Es gilt dann z. B. für den Fall von Kupfer als Leitermaterial die
Gleichung
IJcu = 1~5 j~ (t + Llt) ' (416)

Für Llt kann man näherungsweise setzen:

Llt=( I, ) 2 T. (417)
1,sy2 Ixn
In dieser Formel wird man beim dreipoligen Klemmenkurzschluß für
T.-0,3 sec einsetzen. Dieser Wert nimmt bei entfernteren Kurz-
Erwärmung von Ma.schinen und Apparaten 551
schlüssen bis auf 0,1 sec ab. Die entsprechenden Werte beim zweipoligen
Kurzschluß sind 0,6 bzw. 0,2 sec 1 •
Falls man die Erwärmung eines Leiters genauer ermitteln will, kann
man so vorgehen, daß man sich den Verlauf des Kurzschlußstromes in
Abhängigkeit von der Zeit ermittelt und hieraus die entwickelte Wärme-
menge und Temperatur bestimmt.
Die im Kurzschlußfalle zulässige, stets nur kurzzeitige Erwärmung
ist wesentlich höher, als die des normalen Betriebes. Sie liegt etwa bei
100-160° 0 bei Kabeln, 300° 0 bei blanken Leitungen (Cu),
130-180° C bei Freileitungen 2, 250° C bei blanken Leitungen (Al),
200° C bei Stromwandlern.

XXI. Erwärmung von Maschinen und Apparaten


Oft ist es notwendig, sich ein Bild über den Erwärmungsverlauf von
Leitungen, Kabeln, Maschinen und Apparaten zu machen. Dies ist
nicht immer einfach, da die auftretenden Belastungen meist nicht kon·
stant sind, sondern Schwankungen unterliegen. Um sich Klarheit dar-
über zu verschaffen, ob diese Schwankungen bzw. Belastungsspitzen für
die Maschine oder die Leitung bezüglich der Erwärmung zulässig sind,
muß man den Erwärmungsverlauf bestimmen.
Es sei zunächst ein einfacher Körper z. B. ein Draht untersucht, dem
sekundlich durch einen elektrischen Strom die WärmemengeQ Watt zu-
geführt wird. Ist c die spezifische Wärme des Körpers in (Wsecjkg 0 0},
e
G das Gewicht des Körpers in kg, IJ die Temperatur in °0, der spezi-
fische Wärmeabgabekoeffizient in (Wjcm 2 0} und F die Oberfläche des
0

Körpers in cm 2 , dann gilt unter Beachtung, daß die in der kleinen Zeit
dt zugeführte Wärmemenge Q dt einmal dazu dient, um die Temperatur
des Körpers um df} zu erhöhen, zum anderen um die durch die Tempe-
ratur f} bedingten Wärmeabgabeverluste an die Umgebung zu decken,
die Beziehung
+
Q dt = c G df} eF IJ dt (418)
oder nach Umformung
_g__f}
d{} Q - e F {} Fe
dt= ----ca-= cG (419)
eF
_!?_ist gleich der Endtemperatur De, da dann ddf} = 0 ist. Es gilt also
eF t
Q
ße = --. (420)
(!F

1 JACOTT]1T: Arch. Elektrotechn. 1932, S. 679.


2 Um Entfestigung der hartgezogenen Drähte zu vermeiden.
552 Erwärmung von Maschinen und Apparaten

Setzt man ferner zur Abkürzung


Z= cG (421)
(}F'
so kann man die Gleichung auch schreiben:
d{} {} - {}
Tt--z-· (422)
Der Faktor Z wird Zeitkonstante genannt, da er die Dimension einer
Zeit hat.
Es sei angenommen, der Temperaturverlauf wäre bekannt und er-
folge nach der Kurve I der Abb. 545. Die erreichte Endtemperatur be-
trage {}6 • Errichtet man in einem beliebigen Punkte der Kurve I die
Tangente und betrachtet den Abschnitt a-b auf der Horizontalen in
Höhe der Endtemperatur, so muß dieser Abstand a-b gleich der Zeit-
konstanten sein, denn die Streckea-c ist gleich {} 8 - { } und
d{} ac {}e- {} ( )
-=tan!X=-=
dt ab
-ab
-. 423
Durch Vergleich mit
GI. (422) folgt, daß der
I
Abschnitt a b gleich Z
sein muß. Unabhängig,
in welchem Punkte der
!{ ____ _ ][
K1lrve man die Kon-
~ struktion durchführt,
~----~------------~~--------~
immer erhält man für ab
t den Betrag Z. Gleiches
Abb. 545. Temperaturverlauf. gilt auch, wenn die
Wärmezufuhr, also auch {} 8 , kleiner ist (s. Kurve Jl der Abb. 545).
Man kann die GI. (422) noch integrieren und erhält, wenn die Erwär-
mung bei der Temperatur Null beginnt und man unter dem Werte die
Exponentialfunktion versteht
fJ= {} 8 (1-e-tfZ) (424)
oder wenn man den Fall der Abkühlung betrachtet (Q=O) und die An-
fangstemperatur mit {}0 bezeichnet.
{} = {}0 e-t/Z. (425)
Bei den bisher betrachteten Kurven war angenommen, daß die zuge-
führte WärmemengeQ konstant war. Die Gl. (422) gilt jedoch allgemein.
Verändert sich die zugeführte Wärmemenge, so ist in der GI. (422) nur
ein anderes {}8 einzuführen. Die Gl.(422} gibt die Grundlage für eine sehr
einfache geometrische Konstruktion des Erwärmungsverlaufes.
In der Abb. 546 sind links im Abstand der Zeitkonstanten Z zwei
Vertikalen 1-1 und Jl-II errichtet. Auf /-/ wird die jeweils vor-
handene Temperatur und auf II-II die Endtemperatur {}e aufgetragen.
Erwärmung von Maschinen und Apparaten 553
Rechts von diesen Vertikalen befindet sich ein Koordinatensystem,
welches als Abszisse die Zeit t und als Ordinate die Temperatur {}enthält.
Die Ausgangstemperatur ist fJ 0 • Die zugeführte Wärmemenge sei gleich
Q1• Der Körper erreiche dann eine Endtemperatur {}61 • Diese End·
temperatur ist im linken Bild der Abb. 546 aufgetragen. Da die Steigung
der Temperaturkurve nach GI. (423) gleich tan lX = Oe;- 0 , bzw. im be-
trachteten Falle tan lX= 0 et;: 0 o ist, kann man die Steigung leicht be-
stimmen. Man bat nur in der Abb. 546 links den Punkt {}0 mit der
Temperatur {}61 zu verbinden. Geht man ins rechte Koordinatensystem
und zieht zur Geraden {}0- { }61 eine Parallele durch {}0 , so findet man im
Abstand .1t1 von der Ordinate die zur Zeit .1 t1 erreichte Temperatur {}1•
Voraussetzung ist dabei, um das kleine Kurvenstück der Exponentialkurve
{} = ffe 1 (1-e-tfZ) durch einen Teil der 1 li
Tangente ersetzen zu können, daß .1 t nicht tJ t?e tJ
zu groß ist. Projiziert man den Punkt {}1
auf I-I, so erhält man den Punkt 1'. Der
Punkt 1' ist neuer Ausgangspunkt. Man
erhält die Temperatur {} 2 , die sich bei der
gleichen zugeführten Wärmemenge Q1
nach weiteren .1t 2 sec einstellt, indem man
1' mit D61 verbindet und zu 1'-{}61 eine
Parallele durch {}1 (rechtes Koordinaten·
system) zieht. Projiziert man {}2 wieder t
auf I-1, so erhält man 2'. Die Wärme·
zufuhr werde nun im folgenden kleiner, Abb. 546. Diagramm zur Ermittlung
des Temperaturverlaufes.
so daß eine kleinere Endtemperatur {} 82
erreicht werden würde. Man muß jetzt den Punkt 2' mit {}62 verbinden
und parallel zur Geraden 2'- {} 62 im rechten System eine Parallele ziehen.
Nach der weiteren Zeit .1t3 wird die Temperatur {}3 erreicht. In derselben
Weise kann der Verlauf der Temperaturkurve bei beliebiger Wärme-
zufuhr aufgezeichnet werden. Voraussetzung ist nur, daß die Zeit-
abschnitte .dt nicht zu groß gewählt werden. Da die Temperaturbe-
rechnungen wegen meist nicht genügend genauer Unterlagen häufig nur
Näherungsrechnungen sind, genügt es in solchen Fällen, wenn .dt;;;;;; Z/5
gewählt wird.
Das Verfahren läßt sich für den Fall, daß die Wärmemenge propor-
tional dem Quadrat des Stromes I ist, noch etwas angenehmer durch-
führen, wenn man auf der Vertikalen II-II der Abb. 546 Ströme auf-
trägt. Am besten geht man dabei von der zulässigen Temperatur ßz, zu
welcher der Dauerstrom I a gehört, aus. Bei einem beliebigen Strom I
wird dann die Endtemperatur {}6 , falls man die Widerstandsänderung
des Leiters mit der Temperatur nicht berücksichtigt, sondern mit dem
554 Erwärmung von Maschinen und Apparaten

Widerstand, der bei der Temperatur fJz vorhanden ist, rechnet, den
Wert haben
(426)
Man wird also die Vertikale II-II, auf der die Endtemperaturen auf-
gezeichnet sind, mit den Strömen, welche die jeweiligen Endtemperaturen
ergeben, beziffern. Die Bezifferung mit den Strömen hat einen quadrati-
schen Charakter (s. Abb. 547). Diese Konstruktion hat den Vorteil, da
die Belastungsströme meist bekannt sind, daß man sofort weiß, wohin
man die HUfsgeraden zu zeichnen hat. Oft weiß man nicht wie groß {}z
ist. In einem solchen Fall setzt man die zu Ia gehörige Temperatur
1 fJz= lOOOfo und führt die Rechnung prozentual durch.
(} Bis jetzt war angenommen, daß die Erwärmung in
'7
u einem homogenen Körper erfolgt, der an allen Stellen
~ ------- 1d gleichmäßige Temperatur annimmt. Unsere Maschinen,
Transformatoren, Apparate, Kabel usw. sind jedoch
komplizierte Gebilde, die im Innern an verschiedenen
Stellen verschiedene Temperaturen besitzen und in denen
1 verwickelte Wärmeströmungen stattfinden. Nimmt man
etwa für eine bestimmte Wicklung den Temperaturver-
Abb. 547. Hilfsdia-
lauf auf, so erhält man eine Erwärmungskurve, bei der
gramm mit quadratl- man, wenn man die Zeitkonstante ermitteln will, ver-
scher Stromskala. •
schwdene Werte von Z erh''l . nac h dem an welcher
a t, Je
Stelle der Kurve man sich befindet (Abb. 548). Dabei ist im allgemeinen
die Zeitkonstante zu Erwärmungsbeginn meist viel kleiner als nach
längerer Erwärmungsdauer. Um trotzdem einigermaßen den Temperatur-
verlauf abschätzen zu können, ist man
in einem solchen Fall gezwungen, sich
eine mittlere Zeitkonstante zu bestim-

f
men, um die Erwärmungsrechnung
durchführen zu können.
Um einen Überblick
t welcher Größenordnung zudiehaben, in
so be-
Abb. 548. Temperaturverlauf bei
veränderlicher Zeltl<onstante. stimmten Zeitkonstanten liegen, sei
Tabelle 21 angegeben 1.
Für genauere Erwärmungsrechnungen ist man unter Umständen
gezwungen, zwei Erwärmungsvorgänge zu überlagern. Abb. 549a zeigt
beispielsweise, wie die Erwärmung des Öles in einem Transformator erfolgt
(Kurve 1). Für den Verlauf kann man näherungsweise eine Exponential-
kurve annehmen. Die Übertemperatur, welche die Wicklung für sich
gegen das Öl annimmt, ist durch die Exponentialkurve 2 näherungs-
weise dargestellt. Die tatsächliche Temperatur als näherungsweise
1 Siehe E. KROHNE: Die wirtschaftliche Erzeugung der elektrischen Spitzen-
kraft in Großstädten. Berlin: Springer 1929.
Erwärmung von Maschinen und Apparaten 555
Tabelle 21.
Zeit!<ons~ante Z
I mmm

Generator 20000-50000 kVA . . . . . . . . . . . . 25


Transformator 12500 kVA (30/6 kV) mit Fremdbelüftung 75
Transformator 250 kVA (6/0,38 kV) mit Eigenlüftung 250
Kabel 30 kV für 70-150 mm2 120
Kabel 6 kV für 70-150 mm2 90
Kabel 1 kV für 70-240 mm2 60
Gummikabel NGA usw. . . . 10-20
Motoren mittlerer Größe eigenventiliert . etwa 60

Überlagerung der Kurve 1 und 2 zeigt die Abb. 549 b. Erfolgt jetzt plötz•
lieh eine starke Zunahme der Belastung, die kurz darauf wieder ver·
schwindet, so wird das Öl infolge " b
seiner großen Zeitkonstanten sich

" a

t t
Abb. 549 a u. b. Temperaturverlauf eiues Öltransformators.

kaum zusätzlich erwärmen, anders jedoch die Wicklung, welche infolge


seiner kleinen Zeitkonstante eine starke Temperaturzunahme erfährt.
Die wirkliche Erwärmungskurve wird
also etwa den Verlauf der Abb. 549 b € a
haben. Man erkennt hieraus, daß es
nicht genügt, die Öltemperatur eines
Transformators zu messen, da trotz
mäßiger Öltemperatur bei kurzzeitigen
Belastungen hohe Temperatur~n im

tr:r=r
Kupfer auftreten können.
b
Oft hat man es mit periodisch sich
wiederholenden Belastungsänderungen
zu tun. Ist z. B. die in einem Körper
erzeugte Verlustwärme durch die Flächen
t
der Abb. 550a gegeben, so kann man Abb. 550 a u. b. Belastungsspiel
eine mittlere gleichmäßig zugeführte und Temperaturverlauf.
sekundliehe Verlustwärme Qm annehmen,
bei der, bezogen auf die Gesamtzeit, gleiche Verluste wie in Wirklichkeit
vorhanden sind. Bei den mittleren Verlusten Qm würde nach längerer Zeit
eine konstante Endtemperatur {}m eneicht werden (s. Abb. 550b). In
Wirklichkeit wird jedoch wegen der intermittierenden Belastung die
556 Über die Gefährdung durch den elektrischen Strom

Temperatur Schwankungen unterworfen sein. Wenn jedoch die Spiel-


dauer, das ist die Zeit; in der die Belastungswechsel sich wiederholen, klein
ist im Vergleich zur Zeitkonstante, dann sind die Abweichungen von der
mittleren Temperatur Dm klein. Die mittlere Temperatur {}m kann man
leicht ermittel:p., wenn man die mittleren Verluste kenn-t. Nimmt man an,
daß die Verluste Qm proportional dem Quadrat des Stromes sind, dann
gilt für den Mittelwert des Stromes, dessen Verluste, bezogen auf die
Gesamtspieldauer, gleich den tatsächlichen Verlusten sind, die Beziehung
l~(t1 + t + ia) r =
2 (l~t1 + I~t2 + 1:t
3) • r

(427)
oder allgemein
Im= yr~:t.
Ist der Dauerstrom Id, bei dem die zulässige Temperatur fJz etwa eines
Motors erreicht wird, bekannt, dann ist die sich einstellende mittlere
Temperaturgleich &m=(~;)zfJz· (428)

Man nennt dieses Verfahren die Methode des quadratischen Strom-


mittels. Sie wird sehr viel angewandt, wenn schwankende, sich wieder-
holende Belastungen auftreten. Bei starkschwankenden Belastungs-
stößen ist das Verfahren genügend genau, wenn die Spieldauer kleiner
als 1/ 6 der Zeitkonstanten ist. Sind jedoch die Belastungsschwankungen
während des Spieles weniger stark, dann kann man mit dem Verhältnis
Spieldauer zur Zeitkonstante wesentlich höher gehen. Die Zulässigkeit
muß jedoch immer von Fall zu Fall beurteilt werden.
Zur Orientierung diene, daß die zulässigen Temperaturerhöhungen
etwa wie folgt liegen:
Wicklungen je nach Verwendung und Art der Isolierung . 60-90° c
Eisen bei Transformatoren . . . . . . 60-70° c
Transformatorenöl in oberster Schicht . 60° c
Kabel . . • . . . . . . . . . . . . 25-35° c
Schaltstücke aus geblätterten Bürsten . 35° c
Schaltstücke mit massiven Kontakten . 70° c
Kontaktstücke von Sicherungen . . . 85° c

XXII. Überdie Gefährdung durch den elektrischen


Strom und die erforderlichen Schutzmaßnahmen 1
Durchfließt ein elektrischer Strom den menschlichen Körper, so
kann der Tod eintreten. Oft ist die Todesursache durch das Herz
bedingt, weil dieses, falls es in der Strombahn liegt, zu starker, unregel-
1 Siehe W. SCHRANK: Schutz gegen Berührungsspannungen. 'i. Aufl. Berlin/
GöttingenfHeidelberg: Springer 1952.
Über die Gefährdung durch den elektrischen Strom 557

mäßiger Tätigkeit - Herzkammerflimmern - veranlaßt und dadurch


erschöpft wird und dann aussetzt. Man hat gefunden, daß der Herztod
in einem Strombereich von 20-150 mA auftritt, vorausgesetzt, daß ein
Teil dieses Stromes durch das Herz gelangt. Dies ist z. B. der Fall, wenn
der Strom in die eine Hand hinein- und aus der anderen Hand heraus-
bzw. wenn er in die eine Hand hinein- und aus einem oder beiden Füßen
heraustritt. Bis das Herz beginnt, auszusetzen, vergeht eine kleine Zeit
von etwa 0,2 Sekunden.
Ist die Stromstärke größer als 150 mA, so nimmt meist die Gefähr-
lichkeit ab. Das Herz erfährt hier oft eine krampfartige Lähmung,
welche sich nach dem Abschalten des Stromes löst, mitunter erst nach
Wiederbelebungsversuchen. Selbst wenn ein elektriseher Unfall nicht
tödlich verläuft, so kann doch das Nervensystem geschädigt werden,
z. B. in Form von Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen, Sprach- und
Gehörverlust. Bei größeren Strömen entstehen im Körper Verbren-
nungen, die ihrerseits zum Tode führen können. Gleiches gilt, wenn der
Körper der Fußpunkt eines größeren Lichtbogens ist.
Gleichströme sind nicht ganz so gefährlich wie der 50-periodige
Wechselstrom. Hochfrequente Wechselströme dagegen sind ungefähr-
lich, es sei denn, daß Verbrennungen eintreten.
Obwohl der einzelne menschliche Körper verschieden reagiert, sei
im folgenden angenommen, daß die Gefährlichkeit des elektrischen
Stromes bei 20 mA und einer Einwirkung von etwa 0,2 Sekunden be-
ginne. Wichtig ist, welche Spannung für diesen Strom notwendig ist.
Maßgebend hierfür ist der Widerstand des menschlichen Körpers. Dieser
ist individuell verschieden und abhängig von der Beschaffenheit der
Stelle, an welcher der Strom ein- und austritt. Bei den Händen ist es
wesentlich, ob diese trocken odEjr schweißig sind, ob eine Hornhaut vor-
handen usw. Unter ZugrundelegungvonMittelwerten findet man, daß bei
einer Spannung von 65 Volt ein Strom von etwa 20 mA durch den mensch-
lichen Körper fließt, was einem Körperwiderstand von rund 3000 Ohm
entspricht. Dabei ist vorausgesetzt, daß der Strom mit gutem Kontakt
in die eine Hand ein- und aus der anderen heraustritt, bzw. in die eine
Hand hinein- und aus einem Fuß heraustritt. Man hat festgestellt, daß
der Widerstand des menschlichen Körpers spannungsabhängig ist und
mit größer werdender Spannung auf etwa 1000 Ohm abnimmt, während
er bei kleinen Spannungen fast 4000 Ohm wird. Die Spannungsa b-
hängigkeit entsteht, weil bei höheren Spannungen mehr Stellen der
Haut durchschlagen werden.
Der Mensch ist bei Berührungsspannungen größer als 65 Volt, unter
Umständen auch bei keineren Werten, gefährdet. Leider verbietet es
die Wirtschaftlichkeit unserer elektrischen Anlagen, die Versorgung der
Verbraucher mit einer so kleinen Spannung durchzuführen. Die Span-
558 Über die Gefährdung durch den elektrischen Strom

nung, welche in neueren Niederspannungsnetzen herrscht, ist 220/380


Volt, wobei 220 Volt gegen Erde vorhanden ist. Diese Spannung
erfordert besondere Schutzmaßnahmen. -
Es ist interessant, daß von den gewerblichen Unfällen nur etwa 2%
elektrischer Art sind und von diesen wiede: nur etwa 10% tödlich verlaufen.
Für die Beurteilung der Gefährlichkeit des elektrischen Stromes ist
die Art und Weise der Berührung maßgebend. Es ist bei guten elek-
trischen Anlagen unwahrscheinlich, daß ein Pol großflächig mit der einen
Hand und der andere Pol großflächig mit der anderen Hand berührt
werden kann. Dagegen ist es möglich, daß eine einpolige Berührung mit
einem Spannung führenden Teil stattfindet (elektrisches Gerät hat
Schluß) und der Berührende auf Erde steht. Hierbei ist ein Antippen
ungefährlich, eine großflächige Berührung, bzw. eine Berührung unter
rNw---.----1? Druck kann dagegen gefährlich sein.
r+V>H<(I---l--T----.s Abb. 551 zeigt ein im Nullpunkt geerdetes
T Dreiphasen-Netz, wobei die Erde nicht wider-
standslos ist, sondern den Erdü hergangswider-
stand r0 habe. Von dem Netz werde ein Mo-
tor .M gespeist und es sei angenommen, dieser
tR bekomme Schluß mit der Phase S. Wird jetzt
Abb. 551. Netz mit Motor, der Motor großflächig mit der Hand berührt
der Körperschluß hat.
und steht der Betreffende auf Erde, so kann
durch seinen Körper, der den Widerstand Tm hat, ein Strom fließen.
Allerdings ist zu beachten, daß sein Standort nicht widerstandslos mit
der Erde verbunden ist, sondern daß hier ebenfalls ein Übergangswider-
stand T anzunehmen ist. Je größer der Widerstand T, um so geringer wird
der durch den menschlichen Körper fließende Strom und um so geringer
ist die Spannung, die am Körper, d. h. an Tm liegt. Diese Berührungs·
spannung ub ergibt sieb, falls Tz der Leitungswiderstand ist, zu:
Ub= rm U)... (429)
T0 +rz+r+rm
Die Berührungsspannung ist also in weitestem Maße von dem Erdwider-
stand r abhängig. Hat man z. B. trockene Wohn-, Büro- und Werkstatt-
räume mit Holzfußboden, der isoliert, so ist T außerordentlich groß und
Gefahren liegen nicht vor, selbst wenn der Motor, der Schluß hat, be-
rührt wird. Ungünstiger sind die Verhältnisse bei Stein- und Beton-
fußböden, besonders bei Eisen beton, oder, falls der Fußboden feucht ist.
Hier müssen besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

1. Kleinspannungen
Die ungünstigsten Verhältnisse liegen vor, wenn mit elektrischen
Geräten in einem Kessel, einer Rohrleitung oder in ähnlich engen Räu-
men mit gut leitenden Bauteilen gearbeitet wird, da hier dermenschliche
Isolierung 559
Körper großflächig Metall berühren kann. Hier verwendet man Span-
nungen, die unter 65 Volt liegen und zwar kommen als genormte Span-
nungen 42 bzw. 24 Volt in Frage. Bei Wechselstrom werden diese Span-
nungen durch einen Transformator erzeugt, während bei Gleichspannung
ein besonderer Umformer notwendig ist.

2. Isolierung
Nach Abb. 551 kann man leicht der Überzeugung sein, daß bei nicht
geerdetem Transformator (Abb. 552), wobei r 0 = oo und die Berührungs-
spannung Ub gleich Null ist, eine Gefährdung nicht stattfindet. Diese
Überlegungen gelten nicht für einen Transformator, der ein größeres
Netz speist, da die angeschlossenen Stromkreise Ableitungswiderstände
haben, wobei pro Stromkreis als zulässiger
Grenzstrom ein Ableitungsstrom von 1 mA ~~~----------R
gilt. Da oft Tausende von Stromkreisen vor- ~~~---------3
~~4-~--~~~r
handen und viele Verbrauchsgeräte ange- m
schlossen sind, kommt man auf beachtliche
Fehlerströme. Man muß deshalb in Abb. 552
an den drei Phasen AbleitungswiderständeR Abb. 552. Drehstromnetz ohne
ErdUDg des Transformators.
einzeichnen, zu denen außerdem parallel die
Kapazitäten der Leiter liegen. Sind die Ableitungswiderstände gleich,
so hat der Nullpunkt des Transformators Erdpotential, sind sie ver-
schieden, so hat der Nullpunkt Spannung gegen Erde.
Nimmt man in einer Phase einen Schluß an, z. B. an einem Isolier-
rohr, so vermag über den Widerstand des menschlichen Körpers Tm, über
den Erdwiderstand T und über die Ableitungswiderstände R und Kapazi-
tät C ein Strom zu fließen, so daß an Tm eine Berührungsspannung auftritt.
Um die Berührungsspannung herunterzusetzen, kann man in der
Nähe von elektrischen Geräten den Fußboden isolieren. Diese Maß-
nahme hat nur Wert, falls sich nicht in der Nähe ein geerdeter Metallteil,
z. B. eine Wasserleitung oder Heizung befindet. In diesem Falle könnte
die eine Hand auf dem Spannung führenden Gerät liegen, während die
andere die Wasserleitung berührt und so trotz isolierter Aufstellung
Strom durch den Körper fließt.
Eine weitere Möglichkeit besteht in der vollständigen Isolierung der
elektrischen Geräte. Wird z. B. eine elektrische Handbohrmaschine
nach außen isoliert verkleidet, so kann im Innernein Schluß auftreten,
ohne daß der Bedienende Spannung erhält. Allerdings läßt sich eine
vollständige Isolierung nur bei kleinen Geräten durchführen.
Eine weitere Möglichkeit besteht in der Verwendung von Isolier-
Transformatoren, welche oft das Übersetzungsverhältnis 1 : 1 haben.
Diese dürfen jedoch nur Einzelanschlüsse speisen, da bei einem Ver-
560 Über die Gefährdung durch den elektrischen Strom

teilungsnetz die Möglichkeit von weiteren Erdschlüssen gegeben wäre.


Tritt an einem solchen Isoliertransformator ein Schluß auf, so kann eine
meßbare Berührungsspannung gegen Erde nicht entstehen, da Ableit-
widerstände praktisch nicht vorhanden sind. Bei solchen Isoliertrans-
formatoren kann man Geräte für Normalspannungen benutzen.

3. Erdung
EinMittel zur Vermeidung von Berührungsspannungen besteht in der
Erdung der Gehäuse elektrischer Geräte. In Abb. 553 ist ein ungeerdetes
Drehstromnetz aufgezeichnet, welches allerdings über die Ableitwider-
stände R (Kapazitäten sind nicht eingezeichnet) mit der Erde verbunden
ist. Ein Motor M habe mit der Phase R Schluß. Das Gehäuse des Mo-
tors ist geerdet (Erdwiderstand r). Wird das Gehäuse berührt und steht
der Berührende in guter Verbindung mit
AMN-;------r---- -R
f"M'Y-t-r--t-r--- S' der Erde, so bekommt er die Berührungs-
~N-~~--~+-r--T spannung Ub. Diese hängt von dem Strome
ab, welcher durch den Widerstand r und
~ die Ableitwiderstände fließt. Der Span-
nungsabfall I · r = Ub soll nicht größer als
65. Volt sein. Die Größe des durch r fließen·
d!;ln Stromes ist nicht angegeben, da die
Abb. 553. Ungeerdetes Netz mit
Motor, der Körperschluß hat. Größe R der Ableitwiderstände unbekannt
-j'st und sich auch ändern kann. Es ist ferner
möglich, daß auch die Phase S Schluß mit der Erde hat, so daß jetzt die
verkettete Spannung auf r wirkt. Der größtmögliche Strom ist durch
die vorgeschaltete Sicherung begrenzt. Es wird vorgeschrieben, daß bei
größtmöglichem Strom keine größere Spannung am Widerstand r als
65 Volt entstehen darf. Die Zeitdauer für das Schmelzen einer Sicherung
ist jedoch von der Größe des hindurchfließenden Stromes abhängig. Da
eine längere Einwirkung des Stromes als 0,2 sec vermieden werden soll,
wird man als Abschaltstrom in der Regel den Strom wählen, welcher
eine Sicherung in 0,2 sec zum Ansprechen bringt. Bei normalen
Sicherungen für Nennstromstärken von 6-25 Ampere sprechen diese
bei etwa dem 2,5fachen Nennstrom nach 0,2 sec an. Hat man träge
Sicherungen, so erfolgt deren Ansprechen nach 0,2 sec etwa bei dem
6fachen Nennstrom. Auf Grund obiger Forderung ergibt sich die
Größe des Erdungswiderstandes zu :
65 Volt
r = Abschaltetrom · (430 )
Setzt man den Abschaltstrom als 2,5fachen Nennstrom ein, so ergibt
sich ein Erdübergangswiderstand bei 6 Ampere Nennstrom von 4,3 Q
und bei 25 Ampere Nennstrom von 1,04 Q.
Erdung 561
Es bereitet oft Schwierigkeiten, einen niedrigen Erdungswiderstand
zu erzielen. Dieser ist von dem spez. Widerstand des Erdbodens und in
hohem Maße von den geometrischen Abmessungen des Erders abhängig.
Um klar zu sehen, was man unter Erdungswiderstand versteht, soll in
Abb. 554a bei A und B ein Rohr als Erder im Boden vorhanden sein.
Befinden sich die Erder A undBin einem genügend großen Abstand und
wird durch beide ein Strom geschickt und mißt man vom Punkte m aus
die Spannung, welche der Erdboden hat, so ergibt sich eine Kurve nach
Abb. 554b. Man sieht, daß in der Nähe der Erder die Spannung gegen-
überM, welches die Erdspannung Null habe, trichterartig zunimmt.
Diese Zunahme der Spannung ist zu erklären, weil die Stromlinien sich
in der Nähe der Erder konzentrieren, während in größerem Abstand von
den Erdern ein sehr großer Querschnitt für den Stromdurchgang zur Ver-
fügung steht, der Spannungsabfall dann
praktisch gleich Null ist. Um den Erdungs-
widerstand zu erhalten, muß man also den
Strom und dessen Spannungsabfall messen.
Dabei genügt es, die Spannung zwischen a
dem Erder und einer Gegenelektrode zu
messen, die in einem Abstand von etwa
20m angebracht ist, so daß man dann damit b
rechnen kann, daß diese das Erdpotential
Null hat. In unmittelbarer Nachbarschaft
Abb. 554 a u. b. Messung der
des Erders ist, wie Abb. 554b zeigt, ein Spannung an Erdem.
größeres Spannungsgefälle vorhanden, wel· a Schaltanordnung, b Spannung
der Erder.
ches bei größeren Strömen, wie sie gelegent-
lich in Hochspannungsanlagen auftreten können, gefahrbringend sein
kann. Befindet sich ein dahin schreitender Mensch an dieser Stelle, so
ist zwischen den beiden Füßen eine Schrittspannung vorhanden, welche
einen Strom durch den Körper treibt. Allerdings ist es hier günstig, daß
der durch das Herz fließende Stromanteil verhältnismäßig klein ist.
Ungünstiger sind Tiere daran, z. B. Kühe, die wegen ihrer körperlichen
Größe große Schrittspannungen überbrücken und bei denen auch das
Herz im Stromverlauf liegt. Beim Vorliegen solcher Gefahrenmomente
muß die Umgebung des Erders geschützt sein.
Maßgebend für den Erdungswiderstand ist einmal der spez. Wider·
stand des Erdbodens. Dieser ist bei
Qm
Moorboden . . . . . 50
Acker- und Lehmboden 100
Sandboden 600
Kiesboden . . . . . . 1000
Felsboden . . . . . . 3000
Buchhold/Happoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 36
562 Über die Gefährdung dur<ih den elektrischen Strom usw.

Vergleicht man die Leitfähigkeit des Ackerbodens mit der von Kup-
fer, so findet man, daß Ackerboden 5,7 X 108 mal schlechter leitet als
Kupfer.
Als Erder kommen Tiefen- bzw. Oberflächenerder in Frage. Tiefen-
erder sind Rohre, welche in größerer Länge in den Erdboden eingetrieben
werden, Oberflächenerder sind z. B. Seile oder Eisenbänder, welche in
einer Tiefe von etwa 0,5 m meist strahlenförmig im Erdboden verlegt sind.
Dann.gibt es auch noch Plattenerder, bei denen eine quadratische Erd-
platte in den Boden eingebaut wird. Zur Orientierung seien die Erdungs-
widerstlinde einiger Erdungen bei verschiedenen Bodenarten angegeben:

Tabelle 22. Erdungswiderstände gebräuchlicher Erder bei verschiedenen


Bodenarten (in !J)
1-2 zö!Jige Banderder (Querschnitt Quadratische Platten·
Bodenart Rohrarder 50mm') erder
Tiefe in m Linge in m Eins. Obern. in m•
2 4, 6 25 50 100 0,5 1 2

Moorboden. 23 12 7,5 4,2 2,1 1,1 25 12 6


Acker- od. Lehmboden 45 23 15 9 4,5 2,5 50 25 12
Sandboden 270 135 90 50 25 12 300 150 75
Kiesboden • 450 230 150 95 45 25 500 250 120

Die meisten unserer Niederspannungsnetze sind jedoch geerdet, wobei


der Erdwiderstand r 0 sei (s. Abb. 555). Betrachtet man hier wieder einen
mit Schluß behaftenden Motor, dessen Ge-
häuse geerdet ist, so fließt der Strom der
~MN--~-------R
~MN~~-T-------s Phase R über" den Erdwiderstand r, den Be-
~MN--+;-r-----T triebswiderstand r 0 und über die Wicklung
des Transformators zuriick. Ist der Strom so
groß, daß die vorgeschaltete Sicherung
rasch durchschmilzt, so ist keine Gefahr
vorhanden.
Zunächst wird in den VDE-Vorschriften
Abb. 555. Geerdetes Netz mit Motor, angegeben, daß der Abschaltetrom im
der Körperschluß hat (Motor
hat Schutzerder).
Widerstand r 0 keinen größeren Spannungs-
abfall als 65 Volt erzielen soll, also
r ./" 65Volt
0 .;;:. Abschaltstrom <431 )
Dadurch soll erreicht werden, daß der Sternpunkt M des Transformators
keine größere Spannung als 65 Volt gegen Erde annimmt. Die Ver-
schiebung des Sternpunktes M gegenüber dem Erdungspunkt 0 zeigt
Abb. 556. Man erkennt, daß die beiden Phasenspannungen S und T
gegen Erde größer als 220 Volt und zwar etwa 260 Volt werden. An und
für sich sollen in Niederspannungsanlagen keine höheren Spannungen
Erdung 563
als 250 Volt gegen Erde auftreten. Der vorliegende Wert wird jedoch
noch als zulässig angesehen, da er nur kurzzeitig auftritt.
Die VDE-Vorschriften schreiben ferner vor, daß der Erdübergangs-
widerstand r so klein sein muß, daß beim Abschaltstrom keine größere
Spannung auftritt als die halbe Spannung, welche das Netz normaler-
weise gegen Erde hat. Hierdurch wird erreicht, R
daß in der Regel die Sicherung rasch abschaltet,
denn beim Abschaltstrom wird am Widerstand r 0
eine Spannung von 65 Volt, am Widerstand r (bei 0
220 Volt) eine Spannung von HO Volt, insgesamt
also 165 Volt verbraucht, während als treibende
Spannung 220 Volt zur Verfügung stehen. Durch
diesen Überschuß wird meist, selbst wenn man noch s
den Netzwiderstand berücksichtigt, ein genügend Abb. 556. Vektordiagramm
zu Abb. 555.
rasches Durchschmelzen der Sicherung erfolgen.
Die Schwierigkeiten, welche sich bei der Verwendung der Schutz-
erdung zeigen, beruhen meist darin, kleine Sehntzerder mit genügend
kleinen Ohmzahlen wirtschaftlich zu schaffen. Deshalb kommt die
Schutzerdung im allgemeinen nur dann in Frage, wenn keine besonderen
Erder zu schaffen sind, sondern ein Wasserleitungsnetz als Erder zur
Verfügung steht.
Bei Hochspannungsanlagen sind alle Metall teile, wie z. B. die Grund·
platte der Isolatoren, Gehäuse usw. zu erden. Kommt hier ein Erdschluß
zustande, so fließt über die Erde der
Erdschlußstrom, gegebenenfalls in N
kompensierten Netzen der Reststrom.
Es wird gefordert, daß dieser Strom
keinen größeren Spannungsabfall als
125 Volt verursachen darf. Diese Span-
nung von125 Volt ist höher als die sonst Abb. 557. überschlag an einem Trans-
zulässige von 65 Volt. Man hat diesen formator zwischen Hoch· und Nleder-
spannungswlcklung.
höheren Wert deswegen zugelassen,
weil es Schwierigkeiten verursachen würde, so niedrige Erdwiderstände
zu erzielen, welche keine größeren Spannungen als 65 Volt verursachen.
Es besteht die Möglichkeit, daß Hochspannung infolge eines Trans-
formatordefektes auf die Niederspannungsseite gelangt (Abb. 557).
Jetzt durchfließt der Erdschlußstrom bzw. der Reststrom die an und
für sich schon vorhandene Betriebserde r0• Die Größe von r0 , welche der
GI. (431) Genüge leisten muß, mußjetzt auch noch die Bedingung erfüllen,
daß der Erdschlußstrom bzw. Reststromkeinen größeren Spannungsabfall
als 125 Volt erzeugt. In diesem Falle kann also 125 Volt in die Nieder-
spannungsanJage kommen; man hat diesen Wert nur zugelassen, weil er
außerordentlich selten vorkommt.
36*
564 'Ober die Gefährdung durch den elektrischen Strom

4. Nnllung
Eine weitere Möglichkeit, die Gefahr zu verringern, ist die der Nullung.
Diese kommt bei Netzen mit Nulleiter in Frage. Hier werden die Gehäuse
mit dem Nulleiter verbunden (Abb. 558a), während der Nulleiter in der
Station geerdet ist (Erdwiderstand r 0). Bekommt das Gehäuse mit einer
Phase Schluß, so fließt über die Phase und über den Nulleiter ein Kurz-
schlußstrom, der die vorgeschaltete Sicherung ausschalten soll. Damit
auch wirklich die vorgeschaltete Sicherung ausgeschaltet wird, muß
nach den Vorschriften geprüft werden, ob der Kurzschlußstrom tat-
sächlich größer als das 2,5 fache des Nennstromes ist.
lx= 2,5 ] 5 • (432)

Der Faktor 2,5 kommt hinzu, weil beim


2,5fachen Nennstrom einer Sicherung
die Abschaltung rasch erfolgt.
Es können jedoch Fälle eintreten,
in denen der Leiterwiderstand so groß
ist, daß der Kurzschlußstrom nicht ge·
nügt, um die vorgeschaltete Sicherung
zum Ansprechen zu bringen. Dies kann
in Ortsnetzen vorkommen, bei ~enen
Abb. 55Ba-c. Drehstromnetz mit
sehr lange Leitungen vorhanden sind.
NulleituDg.• Ist hier z. B. ein Kurzschluß zwischen
a Schaltanordnung; b Spannungsvettellung
1m Nulleiter; c Spannungsverteilung Außenleiter und Nulleit~r vorhanden,
im Nulleiter, falls er zusAtzlieh so muß die im Leitungszuge vorge·
am Ende geerdet Ist.
schaltete Sicherung ansprechen. Dies
kann dazu zwingen, die Sicherung schwäc>her zu bemessen, als dem
Leitungsquerschnitt entspricht, so daß es z. B. nicht möglich ist, am
Anfang der Leitung einen größeren Strom abzunehmen, obwohl dies mit
Rücksicht auf den Spannungsabfall möglich wäre.
Falls keine sofortige Abschaltung eintritt, kann der Nulleiter hohe
Berührungsspannung erhalten. Denkt man sich in Abb. 558a. beim Ge·
häuseschluß den Kurzschlußstrom fließen, so wird die Spannung gegen
Erde im Nulleiter nach Abb. 558b ·verlaufen. Würde Außenleiter und
Nulleiter gleichen Querschnitt haben, so hätte bei 220 Volt Spannung im
Punkte A der Nulleiter eine Spannung von 110 V gegen Erde. Die Wirk·
Jichkeit ist meist noch schlimmer, da der Nulleiter oft mit einem gerin·
geren Querschnitt als der Außenleiter verlegt ist. Bringt man bei A noch
eine weitere Erde an (in Abb. 558a durch den Widerstand r~ dargestellt),
so wird der Potentialverlauf, falls r 0 den gleichen Widerstand wie r 0 hat
entsprechend Abb. 558c verlaufen, also günstiger sein. Nachrechnungen
zeigen jedoch, daß auch hier die Berührungsspannung oft größer als
Nullung 565
65 Volt ist, besonders wenn r 0 kleiner als r~ ist. Hieraus folgt, daß, um
unzulässige Berührungsspannungen zu vermeiden, auf jeden Fall rasch
abgeschaltet werden muß.
Es soll jetzt (Abb. 559) die Phase T einen Erdschluß erhalten (Erd-
widerstand r). Der Nulleiter bekommt hierbei gegen Erde eine Spannung
U0 =UJ...~· (433) UA
r0 +r ~I.Ar------R
Y'Hf..,._----..--.S
Diese Spannung ist um so größer, je kleiner rM'II------...-T
der Erdübergangswiderstand r ist. Es ist
also ungünstig, falls ein Schluß mit Erde
über einen kleinen Erdübergangswiderstand ..,.. ..,..
erfolgt. Sind im Netz gute Erder vorhanden, Abb. 559• Drehstromnetz mit Null·
von denen man fürchten muß, daß ein Ieiter mit Erdschluß der Phase 7'.
Erdschluß mit ihnen möglich ist, so sollen diese mit dem Nulleiter ver-
bunden werden.
Im übrigen ist festgesetzt worden, daß in Netzen, in denen genullt
wird, nicht gleichzeitig geerdet wird, weil, wie gezeigt, dann unter Um-
ständen hohe Spannungen des Nulleiters auftreten können. Eine Aus-
nahme liegt nur vor, wenn eine Erde be-
nutzt wird, die einem Wasserleitungsnetz
äquivalent ist und diese oft mit dem Null-
leiter verbunden ist.
Bei Netzen mit Nulleiter ist größte
Sorgfalt auf die Verlegung des Nulleiters
zu verwenden, damit dieser nicht reißt. In Abb. 560. Unterbrechung
des Nullelters.
Abb. 560 ist angenommen, daß der Nulleiter
durch Riß eine Trennstelle erhält. Ist am Ende der Leitung eine Lampe
eingeschaltet und ist der Nulleiter am Ende nicht geerdet, so würde er
dort volle Phasenspannung erhalten. Die Verhältnisse werden jedoch
wesentlich günstiger, falls der Nulleiter am Ende geerdet wird (Erd-
übergangswiderstand r~).
Die Nullung wird heute viel benutzt, besonders in Kabelnetzen. In
ländlichen Netzen können jedoch gelegentlich Fälle eintreten, daß die
Kurzschlußströme zu klein sind, um die vorge-
schalteten Sicherungen auszulösen, bzw. es können,
durch besondere Umstände bedingt, höhere Be-
rührungsspannungcn des Nulleiters auftreten. In
solchen Fällen kann man sich durch die Anwendung
besonderer Stationsschalter in den Transformatoren-
Abb. 561. Anordnung
stationen helfen. Ein solcher Stationsschalter kann eines statiGns·Bchutz·
eine Auslösung erhalten, falls der Nulleiterstrom zu schaltt>rs.
groß ist oder falls der Nulleiter eine zu hohe Spannung gegen Erde hat.
Er kann auch so ausgebildet sein, daß beide Auslösungen gleichzeitig
566 'Ober die Gefährdung durch den elektrischen Strom

vorhanden sind. Bei stattfindender Auslösung werden die drei Phasen


und der Nulleiter abgetrennt. Abb. 561 zeigt die Auslösespulen a und b
eines Stationsschalters. Man muß darauf achten, daß die Erdung der
Spannungsspule b in einem gewissen Abstand von der Erde des Trans-
formatornullpunktes angeordnet ist, damit diese Erde nicht in den evtl.
Spannungstrichter der Betriebserde fällt. Die Schaffung der Erde für die
Spule b bereitet keine Schwierigkeiten, da die Spule hochohmig gewickelt
ist und demgemäß der Erdübergangswiderstand nur eine untergeordnete
Rolle spielt. Gelegentlich findet man auch Stationsschalter, die noch
Auslöseorgane für Überstrom in den drei Phasen haben.

5. Schutzschalter
Bei diesen wird der zu schützende Apparat a (Abb. 562) über eine
Auslösespule mit der Erde verbunden. Die Auslösespule wirkt auf einen

III
dem Apparat vorgeschalteten Schalter,

~F
falls zwischen Gehäuse und der Erde
eine Fehlerspannung auftritt. Da die
Auslösespule hochohmig ausgeführt sein
~~-P'~
kann, ist an die Güte der Hilfsarde
keine besonders hohe .Anforderung zu
stellen. Diese Schutzschaltung wird
a
oft in Netzenohne Nulleiter angewandt,
in denen die normale Erdung nicht
Abb. 662. Schutzschalter.
durchgeführt werden kann, weil die
Erzielung der geringen Ohmwerte zu hohe Kosten verursacht. Die
Schutzschaltung kann auch in Netzen mit Nulleiter angewandt werden,
in denen die Nullung nicht zulässig ist. Bei der Benutzung von Schutz-
schaltern ist großer Wert darauf zu legen, daß ihre Ausbildung zuver-
lässig ist und diese betrieblich in Ordnung bleibt, da sonst der Schutz-
wert verschwindet.

6. Schutz durch DiHerentialrelais


Die bis jetzt behandelten Schutzmaßnahmen dienten vorwiegend
dem Schutze des Menschenlebens. Im folgenden sei eine Anordnung ge-
bracht, die gleiches leistet, jedoch außerdem einen wirksamen Brand-
schutz bildet. In seltenen Fällen treten nämlich in elektrischen Anlagen
Brände auf, ohne daß die vorgeschalteten Sicherungen als Schutz an-
sprechen. Eine solche Brandursache ist denkbar, falls sich zwischen
2 Phasen, oder zwischen Phase und Erde ein Schluß bildet, bei dem der
Fehlerstrom zwar kleiner als der Schmelzstrom der vorgeschalteten Siche-
rung ist, er jedoch in ungünstigen Fällen genügt, um örtlich eine solche
Erwärmung zu erzeugen, daß ein Brand entsteht. Abb. 563 zeigt eine
Schutz durch Differentialrelais 567
Schaltung, welche solche Fehler rechtzeitig bemerkt und einen vor-
geschalteten Schalter auslöst. Es sei r der durch den Fehler bedingte
Widerstand. der diesmal zwischen der Phase R und Erde liegt. Als
Schutzorgan kommt ein Differentialstromwandler d zur Anwendung,
der 4 Primärspulen hat, die ihren Strom von den 3 Phasen und dem
Nulleiter empfangen. Bei in Ordnung befind-
licher Anlage muß die Summe der 4 Ströme
stets Null sein und in der Sekundärwicklung des
Differentialwandlers darf kein Strom fließen.
Ist jedoch der über r fließende Ableitstrom
vorhanden, so ist die Summe der vom Wandler a
gemessenen Ströme nicht mehr Null, so daß
ein Strom induziert wird, welcher auf das Aus-
löserelais a wirkt, welches seinen Schalter b
auslöst.
Befindet sich jedoch ein Fehler zwischen R.
2 PhaRen, so wird der Differentialschutz diesen 111-C)o::::J-H
zunächst nicht bemerken. Bringt man jedoch,
wie dies bei Rohrdrähten und ummantelten 0 I? S T
Leitern oft der Fall ist, zwischen den Adern Abb. 563. Differential-
der Phasen einen geerdeten Beidraht, so wird , Schutzschaitung.
dieser den Fehlerstrom in der Regel zur Erde ableiten, so daß der
Differentialschutz ansprechen kann. (Am besten würde jede Phase eine
geerdete MetaHisierung erhalten.) Bei praktisch ausgeführten Anlagen
hat man das Differentialrelais so ausgebildet, daß es bei 50 bis 60 mA
Fehlerstrom anspricht und den Schalter nach der sehr kurzen Zeit von
etwa 1 / 50 sec auslöst.
Ergänzende Literatur zu verschiedenen Abschnitten
I
FLEISCHER, W.: Grenzleistungsfragen bei der zukünftigen Entwicklung der
Elektrizitätsversorgung. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 722.
M.ARGUERRE: Die zukünftige Entwicklung der deutschen Stromversorgung.
Elektrizitätswirtschaft 54 (1955) S. 78.
FLEISCHER, W., u. K. KLöss: Fortschritte im europäischen Verbundbetrieb
durch die UCPTE. "Elektrizitätswirtschaft Bd. 55 (1956) S. 65.
WESTINGHOUSE: Electrical Transmission and Distribution. Reference Book.

II.A
TAYLOR, ÜPENSHAW: Power System Plants Planning and Economics. El.
Journal 1956, S. 106.
RZIHA: Starkstromtechnik. Bd. I. Berlin (1955).
KRETSClllii.A.NN: Das Braunkohlenkraftwerk Weisweiler des RWE. Elek-
trizitätswirtschaft, Bd. 54 (1955) S. 342.
MARGUERRE: Das Großkraftwerk Mannheim und die Gesichtspunkte für seine
neueste Erweiterung. ZVDI Bd. 96 (1954) S. 414 und 457.

11. A.d
PFENNINGER: Gasturbinen für die Energieerzeugung. ETZ-B., Bd. 6 (1954)
s. 61.
II.B
VoGT: Die Wirtschaftlichkeit der Pumpspeicherung. Elektrizitätswirt-
schaft Bd. 52 (1953) S. 225 und 305.
JANSEN u. HAAGER: Wirtschaftlich gerechtfertigte Ausbaukosten von Wasser-
kraftanlagen für die öffentliche Versorgung. Elektrizitätswirtschaft Bd. 54
(1955) s. 697.
II. C
NISSEN: Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung zur Bestimmung der
Leistungsreserve und der Ausfalldauer der Belastung in Kraftwerken. Elektrizi-
tätswirtschaft Bd. 53 (1954) S. 625.
BAUER, H.: Verbundbetrieb mit geringsten Verlustkosten. ETZ-A, Bd. 76
(1955) s. 389.
v. KELLER, TH.: Die mittelfristige Energiedisposition in der Elektrizitäts-
versorgung. ETZ-A, Bd. 75 (1954) S. 36.

m.A
WIEDEMANN, E.: Grenzleistungs-Turbogeneratoren. ETZ-A Bd. 76 (1955)
s. 744 u. 869.
MoDLINGER, R.: Anlagen mit wasserstoffgekühlten Turbogeneratoren.
ETZ-A, Bd. 75 (1954) S. 520.
MoLDENHAUER, F.: Wasserstoffgekühlte elektrische Maschinen. AEG-Mitt.
Bd. 43 (1953) S. 336.
Ergänzende Literatur zu verschiedenen Abschnitten 569
LAIBLE, TH.: Die Theorie der Synchronmaschine im nichtstationären Betrieb.
BerlinfGöttingenfHeidelberg: Springer 1952.
IIA.RMs, D.: Über die Verteilung der Ströme in den Dämpferwicklungen von
Turbogeneratoren mit Massivläufern. ETZ-A, Bd. 73 (1952) S. 1673.

m.E
LEONHARD, A. : Ein neuer Schnellregler für Drehstromgeneratoren. ETZ,
Bd. 70 (1949) S. 329.
RoTHE, F. S.: Stabilität, Energieabgabe- und -Übertragung bei spannungs-
geregelten Generatoren. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 169.
HENNING, H.: Die Erregungsgeschwindigkeit von Erregermaschinen. ETZ-A.,
Bd. 76 (1955) S. 579.
m. F
WALTER, W.: Vergleich zwischen einem Kontaktregler und einem Magnet-
regler für Synchron-Generatoren. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 327.
NosER, R.: Erweiterung des Arbeitsgebietes von Synchronmaschinen durch
künstliche' Stabilisierung mittels spezieller Regelung der Erregung. VDE-Fach-
berichte, Bd. 18 (1954) Ill/12.
III. G
TJMASCHEFF: Stabilität elektr. Drehstrom-Kraftübertragung. Berlin: Sprin-
ger 1940.
m.H
KüMMEL, F.: Der selbsterregte Asynchrongenerator mit annähernd kon-
stanter Spannung. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 769.

IV
PoTTHOFF, K., u. L. RuEss: Stand der Entwicklung der Transformatoren-
bleche, sowie der Wandlerbleche auf Basis Eisen-Silizium. VDE-Fachberichte;
Bd. 17 (1953) S. 1/33.
ELSNER, R. : Detection of insulation failures during impulse testing of trans-
formers. CIGRE-Ber. 1954, Nr. 101.
RossiER, C. L., u. J. FROIDEVAUX: Very high voltage network interconnec-
tions: Transformers or auto-tra.nsformers. CIGRE-Ber. 1954, Nr. 124.
HURRLE, K., u. H. IBLER: Stand der Entwicklung im Ba.uvonMittelspannungs-
und Verteilungstra.nsformatoren. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 672.
ELSNER, R.: Grenzleistungen von Transformatoren. ETZ-A, Bd. 76 (1955)
s. 736.
ZINKE, L.: Sternpunktbelastbarkeit von Drehstrom-Spa.rtransforma.toren.
ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 159.
SALZMANN: Spannungsüberwachung in Netzen. El. Times Bd. 124 (1953)
S.195.
KÜBLER, E.: Zwei- und einpoliger Transformator-Dauerkurzschluß. ETZ-A,
Bd. 75 (1954) S. 809.
V
W ALTER, M. : Relais buch. Stuttgart, Franck'sche Verlagsbuchhandltmg,
4. Auflage (1951).
TITZE, H. : Fehler und Fehlerschutz in elektrischen Drehstromanlagen.
Wien: Springer, I. Bd. (1951) II. Bd. (1953).
BüTow, W.: Relais und Schutzschaltungen in elektrischen Hochspannungs-
anlagen. Ka.rlsruhe: G. Braun 1954.
570 Ergänzende Literatur zu verschiedenen Abschnitten

BoPP, E.: Der grundsätzliche Aufbau der fünf Hauptfehler-Überwachungs-


systeme des Generatorschutzes. Siem.-Z. Bd. 16 (1936) S. 405.
BROWN BovERI: Generatorschutz. Brown Boveri-Mitteil. Nr. 5 (1945) S. 155.
BECKER, F.: Der Schutz von Wechselstrom-Generatoren. Bull. Oerlikon
Nr. 297 (1953) S. 15.
VDEW: Richtlinien für den Generatorschutz. Elektrizitätswirtschaft, Bd. 52
(1953) s. 345.
AEG: Der Schutz von Drehstrom-Generatoren. AEG-Sonderdruck K 4/5705.
(1955).
VI
BROWN BoVERI: Transformatorschutz. Brown Boveri-Mitteil. (1947) S. 143.
BECKER, F.: Der Schutz von Transformatoren. Bull. Oerlikon Nr. 304 (1954)
S.31.
VIII
BöcKER, H. :• Sicherheit der Energieversorgung von wichtigen Betrieben in
Kraftwerken und Industrieanlagen durch Schnellumschaltung. VDE-Fach-
berichte, Bd. 18 (1954) 11/21.
GEILING, L. : Über die Wirtschaftlichkeit von Hoch- und Niederspannungs-
kabelanlagen. VDE-Fachberichte, Bd. 18 (1954) 11/25.
X.A
RosER, H.: Die 300 kV-Übertragung Brauweiler-Rheinau. ETZ-A, Bd. 74
(1953) s. 93.
RuscK, RATHSMAN u. JANCKE: Das schwedische 380 kV-System. CIGRE-
Ber. Nr. 404, Ref. ETZ-A, Bd. 73 (1952) S. 721.
SPORN, PH.: Bericht des Internationalen Studienausschusses für Wechsel-
strom-Übertragungen bei Höchstspannungen. CIGRE-Ber. 1952, Nr. 407,
Ref. ETZ-A, Bd. 73 (1952) S. 721.
SCHUMANN, W. 0., u. H. PRINZ: Fortschritte der Hochspannungstechnik.
Leipzig: Akad. Verlagsges. 1954.
RIER, W.: Nebelfrostablagerungen als Zusatzlast für Freileitungen. ETZ-A,
Bd. 76 (1955) S. 277.
MoRs, H.: Verfahren zur Ermittlung der Zusatzlast. ETZ-A, Bd. 76 (1955)
s. 282.
MEYER, H.: Störungen und Schäden an Freileitungen im Zusammenhang
mit winterlichen Zusatzlasten. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 285.
Die 400 kV-Forschungsanlage Rheinau. Teil I. 400 kV-Forschungsgemein-
schaft 1955, Heidelberg.
X. C
CRoN, H. v., W. EsTORFF u. H. LXPPLE: Das IsoHervermögen von Hoch-
spannungsisolatoren unter verschiedenen Oberflächenbedingungen. CIGRE-
Ber. 1954, Nr. 218.
v. TREUFELS, H.: Freileitungs- und Geräteisolatoren für Mittelspannungs-
netze. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 655.
REVEREY, G.: Der Fremdschicht-Überschlag an Isolatoren bei Betriebs-
spannung. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 36.

X. D
MoRS, H.: Der heutige Stand der Rohrgittermast-Bauweise. ETZ-A, Bd. 73
(1952) s. 593.
WEIDLER, G.: Mastformen für Mittelspannungsnetze. ETZ-A, Bd. 76 (1955)
s. 650.
Ergänzende Literatur zu verschiedenen Abschnitten 571
XII. B. e
BmRMANNS, J.: Hochspannung und Hochleistung. München: K. Hanser
1949.
ZÜHLKE, M.: Die Lichtbogenlöschung der Wechselstrom-Hochspannungs-
schalter. ETZ-A, Bd. 73 (1952) S. 166.
BIERMANNs, J.: Grenzleistungen von Schaltern, Schaltanlagen und Leitungs-
netzen. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 728.

xm
BAUER, R.: Die Meßwandler. BerlinfGöttingenfHeidelberg: Springer 1953.
RITZ, H.: Meßwandler für Höchstspannungsnetze. ETZ-A, Bd. 75 (1954)
s. 307.
REICHE, W.: Spannungswandler in Drehstromnetzen. ETZ, Bd. 65 (1944)
s. 291.
XIV. B
P ARSCHALX, F. : Einige technische und wirtschaftliche Gesichtspunkte beim
Bau von Hochspannungs-Schaltanlagen bis 30 kV für Innenräume. BBC-Nachr.
Bd. 355 (1953) S. 115.
XV
DENNHARDT, A.: Ausbaunotwendigkeiten und Entwicklungsrichtungen in
der Fernwirktechnik. Elektrizitätswirtschaft Bd. 53 (1954) S. 471.
DENNHARDT, A.: Fernwirktechnik in ländlichen Mittelspannungsnetzen.
ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 679.
XVI. A
LANGER, H.: Bedeutung des Kurzschlußproblems für Planung und Betrieb
r.lektrischer Netze. Elektrizitätswirtschaft, Bd. 54 (1955) S. 414.

XVI. B. b. 7
BAATZ, H.: Kurzunterbrechung in Verteilungsnetzen. ETZ-A, Bd. 76 (1955)
s. 640.
SCHlR u. BALTENSPERGER: Kurzschlußversuche mit Schnellwiedereinschal-
tung an der 220 kV-Leitung Mettlen-La.vorgo. Bull. schweiz. elektrot. Ver.
Bd. 46 (1955) S. 762.
XVI. D
RosER, H.: Übergang aufstarre Sternpunkterdung im 220 kV-Netz des RWE.
CIGRE-Ber. 1954, Nr. 302.
LANGER, H.: Einfluß verschiedenartiger Masterdungen auf Gefährdungs-
spannungen und Gefährdungsströme. ETZ-A, Bd. 75 (1954) S. 373.
FLEISCHHAUER, W.: Maßnahmen im schwedischen Höchstspannungsnetz bei
starrer Sternpunktserdung. ETZ-A, Bd. 75 (1954) S. 9.
BAATZ, H.: Sternpunkterdung in Hochspannungsnetzen. In: W. Sehnmann
und 0. Prinz, Fortschritte der Hochspannungstechnik Bd. II, S. 100 Leipzig:
Aka.d. Verlagsges ..
XVI. E
BAATZ, H.: Blitz und 'Oberspannungen. ETZ-A, Bd. 75 (1954) S. 498.
BAATZ, H., W. W ASTE u. H. ZADUK: tJberspannungen beim Abschalten leer-
la.ufender Transformatoren und Leitungen. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 241.
572 Ergänzende Literatur zu verschiedenen Abschnitten

DAVIS, R.: Überspannungsschutz von Stationen durch kurze Kabelstrecken.


ETZ-~, Bd. 76 (1955) S. 847.
GoLDE, R. H.: Überspannungen auf Freileitungen durch indirekte Blitz-
einwirkung. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 297.

XIX. J. d
SEYLAZ, E. u. K. BERGER: Versuchsanlage für die Messung der Korona-
Verluste von Höchstspannungsleitern unter willkürlich erzengbaren oder natür-
lichen klimatischen Verhältnissen. Bull. schweiz. elektrotechn. Ver. Bd. 43
(1952) s. 593.
XIX. 0
ÜAHEN, F., u. A. ÜHEVALLIER: Le reglage puissance-phase. Nouvelle methode
pour le reglage automatique de Ia frequence d'un reseau comportant de multiples
usines generatrices. Bull. Soc. Frang. Electr. Bd. 3 (1953) S. 614. CIGRE-Ber.
1954, Nr. 339.
CAHEN, F.: Quelques considerations sur le reglage automa.tique de Ia. fre-
quence et des echanges de puissa.nce dans les reseaux. Bull. Soc. Fra.ng. Electr.
Bd. 3 (1953) S. 59. ETZ-A, Bd. 74 (1953) S. 545.
KELLER, R., u. W. FREY: Beitrag zur Frequenz- und Leistungsregelung von
großen Netzen. CIGRE-Ber. 1954, Nr. 318.

XIX. Q
WANGER, W.: Probleme der 380kV-Übertra.gung. In: W.O. ScHUMANN
und H. PRINZ: Fortschritte der Hochspannungstechnik. Bd. 2, S. I. Leipzig:
Akad. Verla.gsges. 1954.
MmoLOUBOFF, A. V.: 400 kV-Übertragungsleitung Kuibyschew-Moskau.
CIGRE-Ber. 1952. Nr. 408. ETZ-A, Bd. 73 (1952) S. 779.
JANCKE, G., K. S. SMEDSFELT u. P. HJERTBERG: 380 kV-Serienkonden-
sa.toren in Schweden. CIGRE-Ber. 1954 Nr. 322.
BAUER, H.: Stabilität von Drehstromverbundsystemen. Siemens-Z. Bd. 27
(1953) s. 295.
Ü.AHEN, F.: Die wirtschaftlichen und technischen Aussichten der elektrischen
EnergieübertragUng mit Höchstspa.nnungen. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 17.
FLEISCHER, W.: Grenzleistungsfragen bei der zukünftigen Entwicklung der
Elektrizitätsversorgung. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 722.
HERLITZ, I.: Probleme der schwedischen 380 kV-Drehstromübertragung.
ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 585.
BAATZ, H.: Verteilungsnetze in den USA. ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 796.

XIX. S.
ScHULZE, E.: Energieübertragung mit Gleichstrom. Bericht über die CIGRE-
Tagung 1954. ETZ-A, Bd. 75 (1954) S. 502.
LAMM, U.: Kraftübertragung mit hochgespanntem GIeichstrom in Schweden.
ETZ-A, Bd. 76 (1955) S. 590.
XX.D
LEHMANN, W.: Elektrodynamische Beanspruchung paralleler Leiter. ETZ-A,
Bd. 76 (1955) S. 481.
xxn
KoCH, W.: Erdungen in Wechselstromanlagen über 1 kV. Berlin/Göttingenf
Heidelberg: Springer 1955.
Sachverzeichnis
Ableiter, tlberspannungs- 403, 415 Dampfgehalt, spezifischer 15
- Löschrohr- 404 Dampfturbine 7
Abschaltleistung 280, 542 Dampfverbrauch 18
- asymmetrische 281 DeckeilSpannung (ceiling voltage) 97
Abspannmast 261 Diagramm
Achterschutz 378 - i-s- 13
Anlaufzeit 122 - Generator-Erregung 93
Asynchrongenerator 126 - Leitung 449, 477, 478
Auslöser · 157 - Potier93
- , Primär- 158 - Schenkelpolgenerator 83
-, Sekundär- 158 - Stromwandler 298
Ausnutzungsfaktor 47 - Turbogenerator 78
Außertrittfallen von Generatoren 120 - Transformator 137
- - Kraftwerken 123, 529 Differentialschutz
Austenite 15 - für Generator 163
-für Leitungen 378
-für Transformatoren 183
Bedienungsschaltbild 322
Distanzrelais 362
Belastungsfaktor 43
- , Schnell- 373
Belastungskurven 2, 43, 44, 54, 55 Drahtlose Übertragung 332
- , geordnete 46, 52, 53, 494 Drehzahlregelung 62
Bensenkessel 26 Drehzahlreglerkopf 66
Benutzungsdauer 46 Drehzahl, spezifische 37
Benutzungsstundenzahl 47 Dreiwicklungstransformator 142, 190
Berechnung von Netzen 418, 428, 448,
Drosselspulen 118, 193, 313
455, 476
Blitzstrom 400 Eigenbedarfsanlage 195
Bohrfeldreaktanz 78 - Umschaltung 200
Buchholz-Schutz 182 Eigenverbrauch von Meßgeräten 301
Bündelleiter 246 Elektrischer Drehzahlregler 66
Bürde 300 Einrelais-Impedanzschutz 363
Energieversorgung, Verteilung der- 6
Dämpferwicklung 75, 76, 91' Enthalpie (Wärmeeinheit) 12
Dampfkessel, Benson- 25 Entladeverzug 402
- , Eintrommel-Steilrohr- 17 Entregung, Schnell- 177
- , Strahlungs- 22, 26 - , Schwingungs- 178
- , Schrä.grohr- 23 Entropie 12
- , Zwanglauf- 26 Erdboden-Widerstand 561
-, Feuerung mit Einblasemühlen 22 Erdschluß
- , Ros'tfeuerung 17, 19 - , allgemein 384
- , Schmelzfeuerung 25 - , Anzeige 390
- , Zyklonfeuerung 25 - , Doppel- 385
Dampfkraftwerk 19, 27 - , Kompensation 386
- , Eigenbedarf 29, 195 - , Reststrom 387
- , Feuerung 17, 19 - , Ströme bei Kabeln 217
- , Kohlebedarf 18 Erdschlußschutz
- , Kosten31 - für Generatoren 166, 174
574. Sachverzeichnis

Erdschlußschutz Freileitungsseile 244, 247


- für Netze 363, 386, 390 Freiluftschaltanlage 318
- für Transformatoren 182 Freistrahlschalter 292
Erdschlußspule 194, 387 Frequenzvariations-V erfahren 337
Erdseil 261, 400, 470 Fünfschenkelwandler 307, 390
Erdung 560
- , Mast- 263, 401 Gefährdung durch elektrischen Strom
Erregergeschwindigke it 96 556
Erregermaschine 95 Generator 74
- , Hilfs- 95 - , Asynchron- 126
Erwärmung von Freileitungen 265, - , Bestimmung des Erregerstromes
418 93
- - Kabeln 209 - , Diagramm 77, 78, 80, 82, 84
- im Kurzschluß 550 - , Eigenfrequenz 115
- von Maschinen und Apparaten 551 -, Eigenschwingungszah L 115
--Transformatore n 160 - , Erregung 93
Erwärmungstabelle 555 - , Kippleistung 120
- , Kühlung 74
Fahrplanwerk 62, 70, 503 - , Leistungsdiagramm 85
Fahrplansteuerung 503 - , mechanisches Modell113
Fernmelde- und Fernwirktechnik 327 - , mit ausgeprägten Polen 82
Fernmessen 334 -,Pendel- 65
Fernregeln 339 - , Pendelung 119
Fernschreiben 334 - , Phasenschieberleistun g 82
Fernsprechen 333 - , Reaktanzen 92
Fernsteuerung 339 - , Reaktionsleistung 84
- , Eindrahtschaltung 341 - , Schieflast 90
- , Zweidrahtschaltung 340 - , Schutz 156
- - Wählersystem 343 - , Spannung 76
Feuerung, Rost- 17, 19 - , Turbo- 74
- , Schmelz- 25 - , Wasserstoffkühlung 74
- , Zyklon- 25 - , Wirkungsgrad 76
- mit Einblasemühlen 22 - , Zeitkonstanten 89
Freileitung 235 Gestelldrossel 168
- , Bündelleiter 246 Gießharzwandler 306
- , Durchhang 237 Gleichstrom-Hochspan nungsüber-
- , Erwärmung 265, 418 tragung 534
- , günstigste Spannweite 264 Gleichstrom-Intensitä tsverfahren 334
- , Induktivität einer 455, 456 Gleichzeitigkeitsfakto r 47
- , Kapazität einer 455, 464 Grenzbenutzungsdaue r 52
- , kritische Spannweite 242 Grenzstrom, dynamischer 160, 301
- , Montagekurve 242 - , thermischer 159, 301
- , Seilschwingungen 249 Großversorgung 4
- , Temperaturverhalten 236
- , Übertragungsspannun g 497 Halbwertdauer 403
- , Verluste 487 Harmonische, höhere - durch Gleich-
- , verdrillte 460, 461 richter 411
- , Windverhalten 259 - , - - Transformator 128, 407
- , Zu~aizlast 245 Hochspannungskabel 212
- , Zusatzverluste bei Aluminiumsei- Hochspannungsleitung 53, 487, 497
len 248 - , kritische Leitungslänge 523
Freileitungsmaterialie n 247 -. ohne Spannungsabfall 507
Sachverzeichnis 575
Hochsp~nnungsleitung 53, 487, 497 Kabel, dielektrische Verluste 2ll
- , Stabilität 526 - , Verlustfaktor eines -s 210
- , Strom- und Spannungsverteilung - , Wärmedurchschlag 2ll
521 - , Zeitdurchschlagskurve 208
- , unbelastet 517 Kapazität 464, 484, 489
- , Zusatzverluste 473 - , Betriebs- 469
Hochspannungsnetze -,Erd- 468
- , Kurzschlußschutz 353 - , einer Freileitung 459,464
- , Netzberechnung 428 - , Gegen- 468
-, Oberwellen 406 - , Kabel- 215
- , Sternpunktserdung 396 Kessel, Schrägrohr- 23
- , Strahlungs- 22, 26
Impedanzrelais 356 - , Zwanglauf- 26
- , Drehfeld 374 Kippleistung von Generatoren 120
-, Einrelais 363 Kleinspannungen 558
- , Stufen 370 Kondensator (Dampf) ll
Impuls-Frequenzverfahren 335 - , Kühlturm 12
Induktivität 455 Kondensatoren 489
- von Freileitungen 455, 459 - , Reihen- 489
- - Kabeln 215, 450 - , Parallel- 490
Innenraum-Schaltanlagen 309 Konduktanzschutz 371
1-s-Diagramm 13 Kontakt, Klotz- 273
Isolationspegel 413 - , Lamellen- 273, 285
Isolatoren 253 - , Tulpen- 286
- , Stützen 253 Koordination der Isolation 413
-, Kappen- 253 Koronaerscheinungen 473
-, Langstab- 254 Kosten, feste -eines Kraftwerkes 48,
-, Vollkern- 254 495
Isolierung 559 - , veränderliche - eines Kraftwer-
kes 48, 495
Kabel209 - , Anlage- eines Dampfkraftwerkes
- , Aluminiummantelkabel203 31
- , Bleikabel 204 -, .Pnlage-eine Wa.sEerkraft'l'lerkes43
-, Dreimantel- 207 -, Netz- 423, 455, 494
- , Druck- 213 Kraftwerk 6
- , Endverschluß 225 - , Diesel- 7
- , Erdschlußströme 216 - , Gas- 6
-,Erwärmung von- 2ll - , Grundlast- 52, 68
- , Fernwirk- und Fernmelde- 223 -,Kanal- 41
-, Gummi- 218 -, Lastverteilung 71
- , Gürtel- 205 -,Lauf- 38
- , Hoch- und Höchstspannungs- 212 - , Maschinenregelung 62
- , Höchstädter- 207 - , Speicher- 42, 55
-, Induktivität von - 215, 450 - , Spitzen- 7, 52, 62, 68
- , Kapazität von - 215 -,Wärme- 6
-, Kunststoff- 218 - , Eigenbedarf, eines- es 29, 195
- , Ladeströme von - 216, 217 - , Einsatz der - e 71
-,Muffe 225 - , Regelung im Verbundbetrieb 502
-,Öl- 212 -, Schaltung eines - es 188
- , Papierblei- 202 - , Überflutbares Wehr- 38
- , Sektor- 205 - , Unterwasser- 38
-, Stahlwellmantel- 203 - , wirtschaftlicher Vergleich 52
576 Sachverzeichnis

Kraftwerk 6 Meßgeräte, Eigenverbrauch 301


- , Zusammenarbeit von - en 54 Meßwandler 298
Kühlturm 12 - , Gießharz- 306
Kurzschluß 349, 541 - , Querlochwandler 303
- , Erwärmung im - 550 - , Topfwandler 298
- , Kräfte im - 549 - , Stabstromwandler 302
-, Schutz im Netz 351 -, Stützerstromwandler 304
-, Schutz der Niederspannungsnetze
351
- , Schutz der Hochspannungsnetze Natürliche Übertragungsleistung 533
353 Netz, Fahrplan- 61, 70, 502
--Verhältnis 80 - , Frequenz 62, 503
Kurzschlußstrom, Stoß- 86, 541 - , Maschen" 352, 426, 451
- , Dauer- 91, 543 Niederspannungs- 2, 351, 419, 424
Kurzschlußfortschaltung 382 Netzberechnung 418, 428, 448, 455,
476
Lastverteilung 69 Netzkennlinienregelung 504
-, wirtschaftliche 71 Netzregelung 502
Leistung, Abschalt- asymmetrische Netzstatik 505
281, 542 Netzstörungen 349
- , natürliche - 510 - , :Berechnung von Kurzschluß-
- , synchronisierende 114 strömen 549
Leistungszahl 69 - durch Erdschluß 384
Leitfähigkeiten 418 - - Kurzschluß 349
Leitung, einseitig gespeist 428, 476 - - Oberwellen 406
-, zweiseitig gespeist 433, 482 - - Überspannungen 397
-, :Bemessung von- en 418,443 Netzumwandlung 438
- , isolierte - en 232 Nullung 564
- , Leitungen großer Länge 514 Numerische Kurzschlußentfernung
-, wirtschaftlicher Querschnitt 494 544
- , Stabilität 526
~itungsverlust, Beeinflussung der Oberwellen im Netz 406
- e 488 - durch Gleichrichter 411
Lichtbogenblasung 274 - Kompensation410
Ljungström-Turbine 10, 165 - durch Transformatoren 128, 407
Löschkammer eines Ölschalters 285 Ölarme Schalter 288
-eines Wasserschalters 286 Ölkonservator 146
- eines Druckausgleichschalters 288
-eines Druckluftschalters 291, 294 Parallelschaltung von Generatoren
Löschrohrableiter 404 116
- von Transformatoren 150
Magnetisierungsstrom 128 Pendelgenerator 65
Magnetische Regler 103 Pendelr.eaktanz 113
Mantelleitung 234 Pendelungen von Synchronmaschinen
Maschennetz 352, 426, 451 112
Mast, Abspann- 261 Petersen-Spule 386
-,Trag- 261 Phasenschieber 489
- , Schwenktraverse 263 Polradwinkel 80
Mastbild 262 Polygonschutz 379
Maste 257 Potierspannung 94
Masterdung 263, 400 Primärauslöser 158
Meldeschalter 323 pumpspeicherwerk 55
Sachverzeichnis 577
Querlochwandler 303 Richtungsvergleichsschutz 379
Querreaktanz eines Generators 83 Ringleitung 499
Querschnitt, wirtschaftlicher- 494 Rohrdraht 234
Quertransformator 154, 500
Rotor-Erdschlußschutz 174
Quittungsschalter 323
Rückwärtige Überschläge 400
Rückwattschalter 352
Reaktanz, Bohrfeld- 78 Rückzündung bei Schaltern 279
- , bezogene - 79 Ruths-Speicher 60
- , inverse 91
-,Null- 92
- , Pendel- 113 Sammelschiene, einfach 189
- , Quer- 83 -, Doppel- 191
- , synchrone- 79 - , Landes- 5
- , subtransiente- (Anfangs-) 88 Schaltanlagen 31, 308
- , transiente .:...... (Übergangs-) 87 - in Gebäuden 309
- , Tabelle 92 - , Freiluft. 318
Reaktanzrelais 363 - , Mindestabstand 310
Regelung der Generatorspannung 97 Schaltbild, Bedienungs- 322
-von Transformatoren 148 - , Leucht- 325
Regenerativverfahren 18, 28 Schalter 272
Regler, astatischer (Integral-) 62, 100 - , Druckausgleich- 288
- , statischer (proportional wirkender - , Druckluft- 289
63, 100 - , Fr.eistrahl- 292
- , elektrischer Drehzahlregler 66 - mit Funkenhörnern 273
- , hydraulischer - 102 - , Gleichstrom- 274
- , Isodrom - 64 - , Hartgas- 295
- , Schnell- 97 - , Hochleistungs- 278
- mit Servomotor 102 - , Kurzschlußabschaltung 280
- magnetische - 103 - , Leistungstrenn- 296
- , Öldruck- 102 - - Löschkammer 285, 286, 288,
- , Tirrill- 98 291,294
- , für Turbine 62 - , Luft- 272
- , Wälzsektoren- 99 - , Motorschutzschalter 275
Regulierpole 95 - , Öl- 283
Reihenkondensatoren 463, 469 - , ölarmer - 288
Relais 157 - , Wasser- 286
- , Anregung eines - 356 Schalterantrieb "297
- , Bimetall- 182 Schalterstellungsanzeiger 322
- , Differential-, einschaltsicher 188 Schaltleistung 280, 542
- , Distanz- 362 Schaltung von Kraftwerken und Um-
- , Drehfeld-Impedanz- 374 spannwerken 188
- , Einperioden- 368 Schaltüberspannungen 397
- , Impedanz- 356 Schaltwarte 321
- , Prüfeinrichtung 179 Schieflast 90
- , Reaktanz- 363 Schieflastschutz 175
Relais, Richtungsglied eines - 360 Schlägermühle 23
- , Schnelldistanz- 373 Schnellentregung 177
- , Thermo- 162 Schnittmethode, Leitungsberechnung
- , Überstrom-Zeit- 355, 358 446
- , Wattmetrisches- 160 Schutz, Achter- 378
- , Zeitglied eines - 159 - , Buchholz- 182
Reservefaktor 46 - , Differential- stabilisiert 164
Buchhold/Happolt. Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!. 37
578 Sachverzeichnis

Schutz, Einrelaisimpedanz- 363 Stromvergleichsschutz 377


- , Generator- 1556 Stromwandler 298
- , Konduktanz- 371 - , Diagramm 298
- , Polygon- 379 - , Fehlwinkel 300
- , Richtungsvergleichs- 379 - , Klassen 300
- , Rotor-Erdschluß- 174 - , Stromfehler 300
- , Spannungssteigerungs- 173 - , thermischer Grenzstrom 301
- , Schaltfehler- 325 - , Überstromziffer 302
- , Schieflast- 175 Symbolische Rechnung 478
- , Stator-Erdschluß- 166 Synchronisierung 116
- , Stromvergleichs- 377 - , Grob- 118
- , Turbinen- 175 - , Schnell- 119
- , Transformator- 183
- , Überlast- 161, 181 Tagesausgleich 60
- , Überspannungs- 181 Tirrillregler 98
- , Überstromzeit- 355 Topfwandler 298
- , Wicklungsschluß- (Differential-) Tragmast 261
163, 183 Trägerstromkanäle 329
- , Windungsschluß- 165 Transformator 127
Schutzerdung 560 - , Diagramm 137
Schutzschalter 566 - , Dreiwicklungs- 142, 190
Schwenktraverse 263 - , Einschaltvorgang 135
Seilschwingungen 249 - , Erdungs- 168
Sekundärauslöser 158 - , Ersatzbild 137, 138, 140, 141, 143
Sicherungen 267 408
- , Trenn- 272 - , Erwärmung 150
- , Prüfstrom von - 270 - , höhere Harmonische im - 128
Spannungsabfall in Netzen 419, 448, 407
489,507 - , Kurzschlußspannung 138
Spannung, Nenn- von Netzen 5 - , Kühlung 145
Spannungsregelung von Generatoren - , Lastschalter 148
97 - Magnetisierungsstrom 128, 407,
- , von Transformatoren 148 409
Spannungswandler 305 - , Nullpunktsbelastbarkeit 131, 388
- , Spannungsfehler 305 - , oberwellenfreier- 409
- , Fehlwinkel 305 - , Parallelschalten 150
Spannweite, kritische - 242 - , Quer- 154, 500
- , günstigste - 264 - , Regel- 148
Sperrelais für Differentialschutz 186 -,Rush 134
Stabilitätsgrenze 81 - , Schaltgruppen 152
Stabilität von Leitungen 526 - , Schaltungen 127
Stahl-Aluminiumsei1246 - , Schutz 180
Sternpunktserdung 396 - , schwingungsfreier - 399
Steuerquittungsschalter 323 - , Spannungsabfall141
Steuerung, Wählerfern- 343 - , Zusatz. 148
- , Tonfrequenz-Rund- 346 - , Zweiwicklungs- 136
Stoßwelle 402 Trenner 276
- , Stirndauer 402 -,Dreh- 278
- , Halbwertdauer 403' - , Schub- 277
Stoßkurzschlußstrom 86 Trennschalter, Leistungs- 296
Stoßkurzschlußwechselstrom 88 Trennsicherung 272
Streureaktanz eines Generators 78 Turbine, Axial- 10
Sachverzeichnis 579
Turbine, Dampf- 7 Überstrom-Zeitrelais, begrenzt ab-
-,Entnahme- 16 hängiges - 355, 358
- , Luft. 31 - , unabhängiges .,..- 355, 358
- , Gas- 31 Umspannwerk, Schaltung 188
- , Gegendruck- 16
- , Gleichdrucksystem 7 V-Kurve von Synchronmaschinen 82
- , Kondensations- 11 V-Schaltung von Spannungswandlern
- , Ljungström- 10 307
- , Radial- 10, 11 Verbundwirtschaft 502
- , Regelung der Dampf- 62 Verdrillung, Leitungs- 460, 461
- , Überdrucksystem 8
- , Verbrennungs- 31
Wärmekraftanlagen 6
- , thermischer Wirkungsgrad einer-
Wasserkraftanlagen 32
14
Wasserkraftwerk, Kosten 43
- , innerer Wirkungsgrad einer - 14 - , hochbauloses 40
- , mechanischer Wirkungsgrad einer Wasserschloß 32
-14 Wasserturbine 32
- , Gesamtwirkungsgrad einer - 14 -, Francis- 34
- , Wasser- 32
-, Freistrahl- 33
Turbinenschutz 75
- , Kaplan- 35
Turbogenerator 77 -,Rohr- 39
- , Leistungsdiagramm 82
-, SehneHäufigkeit 36
- , kapazitive Belastbarkeit 82 - , spez. Drehzahl 37
- , V-Kurven 82 Wellenlänge 518
Wellenwiderstand 509, 517
Überlastschutz von Generatoren 161 Wicklungsschluß 156
- von Transformatoren 181 - , -Schutz 163
Überschläge, rückwärtige 400 Windungsschluß 156
Überspannungen 397 - , -Schutz 165
- , Abieiter 403, 417 Wirkungsgrad, therm. 14
...:.., atmosphärische 399 Wirtschaftlichkeit einer Leitung 423
- , durch Schalten 397 - von Kraftwerken 50
- , Isolationspegel 413
- , Stoßwelle 402 Zeitkonstante, transiente 89
Überspannungsahleiter 403 - , subtransiente 89
Überstromschutz 160 - , Leerlauf 89
Übertragungsspannung 497 -,Wärme- 555
Übertragungskanäle 328 Zusatzlast bei Freileitungsseilen 245
Überstrom-Zeitrelais, abhängiges Zusatzverluste bei Stahl-Aluminium.
355,358 seilen 248

37*
Berichtigung.

S. 339 lies: Abschn. XIX 0. statt XIX.

S. 471 Zeile 15 lies: (A~ 2 - (2) a~") q3 statt (A~ 2 + (2) a~") q3 •
ass ass

S. 477 Abb. 478b lies: (11 -t- 12 ) X 1 statt (11 -t- 11 ) X 2 ;


-+ +
lies: (11 12 ) r 1 statt (11 12 ) r 2 •
S. 478 Zeile 5 lies: U)..I statt UAl.
S. 479 Zeile 4 v. unten lies: 3=~ statt
u
5 3.
S. 482 Abb. 484c lies: z0 statt z3 •
S. 484 in Abb. 485b ist die Zahl 455 zu streichen.
S. 485 in Abb. 487 ist die Zahl 457 zu streichen.

BuchholdfHappoldt, Elektrische Kraftwerke, 3. Auf!.

Das könnte Ihnen auch gefallen