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Bedeutung
In vielen indogermanischen Sprachen
bilden der Aorist (bzw. seine
Äquivalente aus dem lateinischen
Perfekt) und das Imperfekt ein
semantisches Paar. Der Unterschied
zwischen beiden lässt sich anhand
deutscher Verbpaare wie „erblicken“
und „betrachten“, „finden“ und
„suchen“, „vernehmen“ und „zuhören“
nachvollziehen; in jedem dieser Paare
hat das erste Verb eine dem Aorist
ähnliche Bedeutung: es kennzeichnet
eine einmalige, abgeschlossene
Handlung, mit einem klar abgegrenzten
Anfang und Ende.[2] Das jeweils zweite
Verb zeigt hingegen einen andauernden
Vorgang an, der nicht auf einen
bestimmten Moment oder eine
bestimmte Handlung beschränkt
werden kann; auch eine wiederholte
oder gewohnte Handlung kann so
angezeigt werden.
Über Zeitformen hinausgehend lieferte
diese Aspektzweiheit die Grundlage für
Wortbedeutungen im
Indogermanischen. Dies wird gut im
Altgriechischen demonstriert. Zum
Beispiel haben der Präsens- und der
Aoriststamm im Konjunktiv und der
Wunschform keine zeitliche Bedeutung,
sondern drücken lediglich verschiedene
Aspekte aus. So unterscheidet das Paar
ἀκούωμεν und ἀκούσωμεν zwischen
„wir wollen zuhören“ und „wir wollen
[es] hören (‚vernehmen‘)“, nicht etwa
zwischen „wir wollen zuhören“ und „wir
wollen zugehört haben“.
Man vermutet, dass der Aorist in der
indogermanischen Ursprache nur den
Aspekt ausdrückte, aber sich schon früh
mit der zeitlichen Bedeutung verband.
Ähnlich wie im Griechischen war der
Aorist im Sanskrit ursprünglich eine
Zeit- und Aspekt-Kategorie. Die
Bedeutungsunterschiede zwischen den
Vergangenheitstempora des Sanskrits
verblassten aber schon früh. Allerdings
tritt das Phänomen im Hindi erneut
auf.[2]
Morphologie
Im Urindogermanischen existierten
mehrere Bildungsweisen des Aorists, die
sich am besten anhand des
Griechischen und des Sanskrits oder
Altindischen nachvollziehen lassen.
Auch im Lateinischen, in dem der Aorist
mit dem Perfekt zusammengefallen ist,
leben alte Aoristformen als
Bildungsweisen des Perfekts weiter. Im
Altgriechischen und Sanskrit erhält der
Aorist, wie alle Vergangenheitstempora,
ein Augment. Die folgenden
Bildungsweisen des Aorists ragen als
die am meisten verwendeten hervor.
Der s-Aorist
Der s-Aorist oder sigmatische Aorist
(nach dem griechischen Buchstaben
Sigma) wird mit dem Tempuszeichen -s-
gebildet. Im Indogermanischen wurde
er aus einem betonten präfigierten
Augment, der Dehnstufe der Wurzel
und den präfigierten
Sekundärendungen gebildet. Beispiele:
altgriechisch ἀκούω akouō „ich höre“
– ἤκουσα, ēkousa „ich hörte“
(regelmäßige Bildungsweise des
schwachen Aorists);
Sanskrit करोमि karomi „ich mache“ –
अकार्षम् akārṣam „ich machte“ (ṣ < s (s.
ruki-Regel), gedehntes ā);
Latein dīcō „ich sage“ – dīxī (<*dic-s-
i) „ich habe gesagt“ (sog. s-Perfekt,
Wurzel-ī);
altkirchenslawisch вести vesti
„führen“ – вѣсъ věsъ „ich habe
geführt“ (gedehntes ě [< idg. *ē]).
Thematischer Aorist, starker Aorist
Der thematische Aorist im Sanskrit wird
ohne Tempuszeichen, aber mit dem
Themavokal a gebildet. Entsprechend
werden auch einige starke Aoristformen
im Altgriechischen ohne Tempuszeichen
gebildet. Gegebenenfalls kommt der
quantitative Ablaut zum Tragen, wobei
das Verb im Präsens die Normalstufe
und im Aorist die Schwundstufe
aufweist. Auch die Bildungsweise des
Präteritums bei den starken Verben des
Deutschen ist ein Überbleibsel des
indogermanischen Ablauts. Beispiel:
altgriechisch λείπω leipō „ich
verlasse“ – ἔλιπον elipon „ich verließ“;
Sanskrit शक्नोमि śaknomi „ich kann“ –
अशकम् aśakam „ich konnte“.
Wurzelaorist
Beim Wurzelaorist ist die Verbalwurzel
identisch mit dem Aoriststamm. Er
wurde im Indogermanischen aus einem
präfigierten betonten Augment, der
Vollstufe der Wurzel und den
Sekundärendungen gebildet. Beispiele:
altgriechisch γιγνώσκω gignōskō „ich
erkenne“ – ἔγνων egnōn „ich
erkannte“;
Sanskrit ददामि dadāmi „ich gebe“ –
अदाम् adām „ich gab“;
Latein videō „ich sehe“ – vīdī „ich sah“
(sog. Dehnungsperfekt);
altkirchenslawisch ѹсънѫти usъnǫti
(< *ѹ-съп-нѫ-ти u-sъp-nǫ-ti, sog.
„Gesetz der offenen Silbe“)
„einschlafen“ – ѹсъпъ „ich schlief
ein“.
Reduplizierter Aorist
Der reduplizierte Aorist wird durch die
Verdopplung der ersten Stammsilbe
(Reduplikation) gebildet, eine
Bildungsweise, die sonst für das Perfekt
typisch ist. Beispiele:
altgriechisch ἄγω agō „ich führe“ –
ἤγαγον ēgagon;
Verbalaspekt
Aorist · Habituativ/Habituell ·
Imperfektiv · Perfektiv · Kontinuativ ·
Perfektisch
Tempora (Zeiten)
Aorist | Futur (Futur I, Futur II) |
Imperfekt | Perfekt | Plusquamperfekt |
Präsens | Präteritum
Englisch:
Past Perfect Simple | Simple Past
Französisch:
Futur composé | Futur simple | Imparfait |
Passé composé | Passé récent | Passé
simple
Griechisch:
Paratatikos
Abgerufen von
„https://de.wikipedia.org/w/index.php?
title=Aorist&oldid=231589761“