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Plasmachemische Oxidationsverfahren Teil 4: Plasmachemische


Oxidation von Magnesiumlegierungen - Anwendungen in
optischen Geräte....

Article  in  Galvanotechnik · September 2003

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Galvanotechnik 2161

Plasmachemische Oxidationsverfahren
Teil 4: Plasmachemische Oxidation von Magnesiumlegierungen –
Anwendungen in optischen Geräten und im Fahrzeugbau
Von U. Bayer*, J. Schmidt* und A. Leitel**, Jena

1 Einführung zur technischen Anwendung Die wesentlichsten Eigenschaften von Magnesium


des Werkstoffes Magnesium im Vergleich zu Titan und Aluminium sind in
Tabelle 1 aufgeführt.
1.1 Allgemeine metallkundliche Aspekte /
Werkstoffeigenschaften 2 Einsatz von Magnesiumlegierungen
Magnesium kann im Vergleich zu anderen Metallen in der optischen Industrie
als sehr junger Konstruktionswerkstoff gelten. So
wurde die erste Magnesiumlegierung unter dem 2.1 Historie und Anforderungen
Namen Elektronmetall im Jahre 1909 durch die Wie auch in anderen Industriezweigen (z.B. Auto-
damalige Chemische Fabrik Griesheim Elektron mobil- und Flugzeugindustrie) erlebte der Einsatz
auf der ILA in Frankfurt a.M. der Öffentlichkeit von Magnesiumlegierungen in der optischen Indu-
vorgestellt [1]. strie seine Anfänge in den 30er und 40er Jahren des
Im Vergleich zu den Eisenwerkstoffen unterlag die vergangenen Jahrhunderts. Forciert durch die Rüs-
Verwendung von Magnesium als Konstruktions- tungsentwicklung des Zweiten Weltkrieges wurden
werkstoff häufig auch bestimmten Schwankungen z.B. zahlreiche Beobachtungs- und Zieleinrich-
[2]. Dies hatte sowohl politische (Einfluss der tungen mit Gehäusen aus Magnesiumlegierungen
Weltkriege auf den Primärverbrauch) als auch tech- ausgestattet [3].
nische Hintergründe (z. B. Einzug wassergekühlter Derzeit existiert eine zunehmende Nachfrage der
Motoren im Fahrzeugbau). Dabei sind die Vorzüge optischen Industrie nach leichten und gestalte-
dieses Metalls unumstritten. risch anspruchsvollen Produkten insbesondere in
Mit seiner Dichte von 1,74 g/cm3, die von keinem den Consumer-Märkten. Diesem wird man unter
anderen als Hauptlegierungskomponente zum Ein- anderem durch einen verstärkten Einsatz von
satz kommenden Metall unterboten wird, stellt es Magnesiumbauteilen gerecht. Um kostengünstig
ein wichtiges Material für die Durchsetzung von große Mengen an Formteilen herzustellen, wurden
werkstofftechnischen Leichtbauprinzipien dar. in der jüngsten Zeit Fortschritte auf dem Gebiet der
Durch seinen im Bereich des Aluminiums liegen- Druckguss- und Spritzgusstechnik (Thixomolding)
den Schmelzpunkt von nur 630 °C ist es mit relativ gemacht. Dadurch ist die Herstellung von dünn-
geringem Energieeinsatz urformbar. wandigen Gussteilen mit Toleranzen im hundertstel
Millimeter-Bereich möglich geworden, so dass
* Innovent Technologieentwicklung Jena häufig auf weitere kostenintensive spanende Ferti-
** Carl Zeiss Jena GmbH gungsschritte verzichtet werden kann.

Tab. 1: Technische Eigenschaften von Magnesium, Titan und Aluminium


(* maximale Festigkeit für Legierungen und spezielle Herstellungsverfahren)
Dichte E-Modul Zugfestigkeit α λ
(g/cm3) (Gpa) (MPa) (·10-6 K-1) (Wm-1K-1)
Magnesium 1,74 44 90 (500*) 26,1 157
Titan 4,5 105 235 8,3 15
Aluminium 2,7 72 45 (750*) 23,6 247

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Es zeigt sich jedoch, dass im Vergleich zu den – Optische Funktionalität (oft hochabsorbierend
Fertigungstechnologien die Verfahren der Ober- zur Streulichtminimierung);
flächenveredlung von Magnesiumlegierungen einen – Korrosionsschutz;
gewissen Nachholbedarf haben. Auf diesem Gebiet – Kontaminationsfreiheit (keine Emission von
wird auch gegenwärtig noch häufig auf Methoden Oberflächenbestandteilen, die zu einer Ver-
zurückgegriffen, die bereits in der ersten Blütezeit schlechterung der optischen Eigenschaften
der Anwendung von Magnesiumlegierungen in den benachbarter Baugruppen führen könnten);
dreißiger und vierziger Jahren entwickelt wurden. – Langzeitbeständigkeit (hochwertige optische Ge-
Beispielhaft wären hier die ammoniak-alkalischen räte, z.B. Spiegelreflexkameras, haben oft eine
Dichromat-Verfahren [4] benannt. Gebrauchsdauer von mehreren Jahrzehnten).
Bedingt durch den ständig steigenden Bedarf an Für konkrete Bauteile bzw. Bauteilregionen können
wehrtechnischen Produkten hat in dieser Zeit vor weitere Forderungen eine Rolle spielen, wie die
allem das Unternehmen DOW mehrere Verfahren, Eignung als Haftgrund für nachfolgende Verkle-
meist auf der Verwendung von chromathaltigen bungen oder Lackierungen oder auch elektrisch
Lösungen basierende anodische Oxidationsver- leitfähige Oberflächen zur Vermeidung von elek-
fahren entwickelt. Am bekanntesten wurde dabei trostatischen Aufladungen oder hochfrequenten
DOW 17 (mit Ammoniumhydrogendifluorid und Abstrahlungen (EMV).
Natriumchromat) und DOW 12 (Lithiumhydroxid
und Diethylenglykol). Nahezu zeitgleich wurde 2.2 Anwendungsbeispiel Digitale Projektion
1951 das heute als klassisch zu bezeichnende HAE- Eine relativ junge Produktgruppe der optischen
Verfahren von Henry A. Evangelides der Pitman- Industrie ist die Digitale Projektion mit Imager
Dunn Laboratories (Kalilauge, Natriumphosphat basierten Geräten, die zunehmend Overhead-
sowie Kaliummanganat) entwickelt [5]. Projektoren und CRT-Beamer ablösen (die Unter-
Die in den letzten Jahren immer heftiger geführte suchungen zu Komponenten der Digitalen Projek-
Diskussion zum Einsatz von chrom(VI)haltigen tion erfolgten im Rahmen des Projekts Innovative
Oberflächen und die daraus für die europäische Konzepte für miniaturisierte Projektionsdisplays,
Automobilindustrie resultierenden Einsatzbe- das vom BMBF unter dem Kennzeichnen 01BD150
schränkungen, machten auch vor der Oberflä- gefördert wurde). Seit 1997 entwickelt und pro-
chenbehandlung von optischen Bauteilen nicht duziert das Unternehmen Carl Zeiss Jena GmbH
halt. Sechswertige Chromate sind kanzerogen, in als Zulieferer der Projektorindustrie so genannte
höheren Konzentrationen akut toxisch und auch Optical Engines, die das optische Herzstück der
in Spuren noch sensibilisierend. Es dürfte deshalb modernen Daten-/Video-Projektoren darstellen.
nur eine Frage der Zeit sein, in welcher Form der Dabei geht der Trend zu immer kleineren, leichte-
Gesetzgeber die Verwendung dieser Verbindungen ren und preiswerteren Geräten (Abb. 1). Während
auch in optischen Geräten untersagt.
Die plasmachemischen Oxidationsverfahren haben
sich nicht zuletzt auch durch diese Chrom(VI)-
diskussion eine Position bei der Funktionalisierung
von Magnesiumoberflächen gesichert. Ursprüng-
lich für die Behandlung von Aluminium entwickelt,
sind unter verschiedenen Bezeichnungen eine
Reihe von Verfahren bekannt geworden, die in die
Rubrik der plasmachemischen Oxidationverfahren
einzuordnen sind [5].
Gegenwärtig müssen Oberflächenbeschichtungen
für optische Komponenten hauptsächlich den fol- Abb. 1: Drei Generationen transportabler digitaler Daten-
genden Kriterien gerecht werden: /Videoprojektoren mit Optikeinheiten von Carl Zeiss

Galvanotechnik 9/2003 101 Jahre Eugen G. Leuze Verlag


Galvanotechnik 2163

die erste transportable Gerätegeneration vor eini- typisches Mini-Chassis aus der Magnesiumlegie-
gen Jahren noch mehr als 5 kg wog, werden heute rung AZ91hp zur Aufnahme der optischen Kompo-
bereits so genannte Microportables mit weniger als nenten und des digitalen Bildgebers (Imager), das
1,5 kg oder sogar unter 1 kg angeboten. Bei den per Thixomolding hergestellt und mit einer plasma-
optischen Systemen bestimmt Carl Zeiss wesent- chemisch erzeugten Schwärzung vergütet wurde.
lich diese Entwicklung mit [6], wobei neben einem
intelligenten optischen Design auch der Einsatz von 2.3 Plasmachemisch geschwärzte
Magnesium als Chassismaterial hilft. Magnesiumoberflächen
Im Zusammenhang mit der Oberflächenbehandlung Für die Entwicklung eines geeigneten Schwär-
der Magnesiumchassis für die Digitale Projektion zungsverfahrens für die funktionalen Oberflächen
finden sich die meisten der unter Abschnitt 2.1 der Magnesiumteile in der Optikeinheit digitaler
genannten Forderungen wieder. Eine Besonderheit Projektoren wurde das in Tabelle 2 zusammen-
resultiert aus den geforderten hohen Lichtströmen, gefasste Anforderungsprofil aufgestellt.
die mittels leistungsstarker UHP-Lampen zwischen
100 und 270 W erzeugt werden. Dabei führen Ver- Tab. 2: Anforderungen an Magnesiumoberflächen in
Geräten der Digitalen Projektion
lustleistung und Lichtabsorption in immer kleineren
Projektoren zu erheblichen thermischen Belastun- Technische Forderung / Einzuhaltende
gen der Bauelemente. Zudem muss trotz Filterung Eigenschaft Mindestparameter
mit einem nicht zu vernachlässigenden UV-Anteil Schichtdicke < 10 µm (± 1,5 µm)
gerechnet werden. Damit scheiden Schwärzungs- Absorption > 90 % (schwarz)
verfahren auf Basis organischer Pigmente für alle Lichtstreuung diffus (streifender Einfall)
mechanischen Bauelemente, wie Chassis, Fassun- Transport-/ -40 bis +60 °C,
gen und Blenden aus, weil Strahlung und Tempe- Lagerbedingung korrosionsbeständig nach
raturbelastung ein schnelles Ausbleichen bewirken DIN ISO 9022-16-01-1
und sich die Entgasungsprodukte auf optischen Einsatztemperatur 80 °C (100 °C)
Funktionsflächen niederschlagen können [7]. Strahlungsbelastung 400 - 680 nm, UV-Anteile
Plasmachemisch erzeugte Oberflächen auf Mag- bis 330 nm bei bis zu
nesiumlegierungen sind geeignet, die Nachteile 10.000 lm der Lichtquelle
klassischer Schwärzungsverfahren zu überwinden. Elektromagnetische HF-Abschirmung
Dies um so mehr, da auch die Anforderungen Verträglichkeit (EMV)
hinsichtlich des Korrosionsschutzes (im speziellen
Kondenswasser-Wechselklima) ohne zusätzliche Wie bereits in Abschnitt 2.2 ausgeführt, macht die
Maßnahmen erfüllbar sind. Abbildung 2 zeigt ein Gesamtheit dieser Forderungen den Einsatz klassi-
scher Optiklacke nicht mehr möglich, da Degrada-
tionseffekte zu irreversiblen Funktionsbeeinträchti-
gungen führen können. Aus diesem Grunde wurde
untersucht, ob bei Nutzung von Funkenentladungs-
verfahren Schichteigenschaften erzielt werden
können, die den in Tabelle 2 geforderten Oberflä-
cheneigenschaften nahe kommen. Nach umfang-
reichen Versuchsreihen zur Elektrolytsynthese
und zu den elektrischen Beschichtungsparametern
wurden Grundlagen für ein Verfahren entwickelt,
das es ermöglicht, hochabsorbierende strahlungs-
Abb. 2: Magnesiumchassis aus AZ91hp mit plasmache- und langzeitbeständige, plasmachemisch oxidierte
misch hergestellter schwarzer Beschichtung (links) und Schichten auf Magnesiumlegierungen des Typs
gebeizt (rechts) AZ91 und AZ31 herzustellen.

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2164 Galvanotechnik

Komponenten der optischen


Gerätetechnik müssen sehr
oft hohe Anforderungen
bezüglich der Maßhaltig-
keit und Einhaltung
von Passungstoleranzen
erfüllen. Dies gestaltet
sich naturgemäß bei den
Lackierverfahren mit rela-
tiv dicken Schichtsystemen
äußerst schwierig. Dagegen
können bei der Anwendung
von plasmachemischen
Beschichtungsmethoden
geringe Schichtdicken von
5 bis 8 µm mit einer Streu-
breite von ±1,5 µm erzeugt
Abb. 5: UV/VIS- Spektrum (Reflexion) einer plasmachemisch geschwärzten Probe
werden. Dieses enge Tole-
aus AZ91
ranzfeld ermöglicht selbst
bei komplizierten Formen
die Herstellung passungsgerechter Bauteile, ohne stehenden Schichtmorphologien sind in Abbildung
dass aufwendige mechanische Abdeckmaßnahmen 3 und 4 zu sehen.
bzw. Nacharbeiten notwendig werden. Wie Abbildung 5 beweist, zeichnet sich das Absorp-
Das für optische Anwendungen oft erwünschte tionsverhalten im gesamten sichtbaren Spektralbe-
matte Aussehen wird durch die verfahrensbe- reich durch eine hohe Gleichmäßigkeit aus. Auch
dingt poröse Oberflächenstruktur hervorgerufen. im nahen Infrarot bei Wellenlängen über 800 nm
Dadurch kann in den meisten Fällen auf ein mecha- sind hohe Absorptionswerte einstellbar, was vor
nisches Aufrauen mittels Glasperlen- bzw. Sand- allem für optische Gerätesysteme interessant ist,
strahlen verzichtet werden. Die bei Anwendung die zur Bildgüteverbesserung in diesem Bereich
von Funkenentladungstechnologien auf AZ91 ent- auf streulichtminimierende Oberflächeneffekte

Abb. 3: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer


verfahrensbedingt porösen, plasmachemisch erzeugten Abb. 4: Einheitliche Schichtdickenverteilung plasmache-
Schichtmorphologie auf der Magnesiumlegierung AZ91 misch erzeugter Schichten auf AZ91

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Galvanotechnik 2165

angewiesen sind. Ein Beispiel sind Vermessungs- – Der Bedarf nach leichtgewichtigen, treibstoff-
geräte, bei denen der Gewichtsersparnis ebenfalls sparenden Fahrzeugen wuchs durch erkennbar
eine besondere Bedeutung zukommt [8]. knapper werdende Erdölreserven;
Neben den geometrischen, morphologischen und – Die Magnesiumindustrie offerierte dem Welt-
optischen Eigenschaften wurde auch die Klima- markt so genannten hp-Legierungen mit verbes-
beständigkeit gemäß den Anforderungen an Geräte serten Korrosionsschutzeigenschaften;
der Digitalen Projektion bei Transport, Lagerung – Die Kooperationen von Automobilherstellern
und Betrieb untersucht. Abbildung 6 verdeutlicht und Magnesiumproduzenten wurden enger.
anschaulich die Vorzüge der plasmachemisch
erzeugten Oberflächen. Im Vergleich zu den che- Diese und andere Aktivitäten rückten Magnesium
misch geschwärzten Chassis, die Ausbleichungen wieder mehr und mehr in den Blickpunkt der Kon-
und starke Oberflächendefekte aufwiesen, waren strukteure. Sie stellten wiederum Forderungen an
bei den plasmachemisch erzeugten Schwärzungen die Werkstoffentwickler, den bekannten Nachteilen
keinerlei Korrosionserscheinung sichtbar. (mangelnde Korrosionsbeständigkeit, schlechte
Kaltumformbarkeit, geringe Warmfestigkeit) durch
geeignete Verfahrensentwicklungen zu begegnen.
Erklärtes Ziel sollte es sein, den Magnesiumein-
satz in den Fahrzeugen mit den mittlerweile in der
Automobilbranche bestehenden Garantieumfängen
nicht in Frage zu stellen.
Gegenwärtig liegt der durchschnittliche weltweite
Magnesiumeinsatz bei ca. 3 kg/Pkw, wobei es
große Unterschiede zwischen den einzelnen Auto-
Abb. 6: Oberflächenbehandelte Magnesiumchassis
mobilherstellern gibt und sich diese Zahl in den
nach Klimatest chemisch (links) und plasmachemisch
erzeugte Oberfläche (rechts) meisten Fällen auf Gusslegierungen bezieht. Neben
den bereits aufgeführten werkstofftechnischen
Vorteilen des Magnesiums bzw. der Magnesium-
3 Einsatz von Magnesiumlegierungen legierungen kommen hier noch die Vorteile bei
in der Fahrzeugindustrie der Verarbeitung im Vergleich zu Aluminium- und
Zinkdruckguss hinzu. Diese bestehen vor allem in
Die ständig steigenden Forderungen nach Ein-
einer niedrigeren Gießtemperatur (650 bis 680 °C),
sparung von Treibstoffen initiiert vor allem im
einem moderaten Energiebedarf beim Aufschmel-
Fahrzeugbau immer mehr die Anwendung von
zen und einem geringeren Angriff der Stahlformen
Leichtbauprinzipien und damit auch den Einsatz
durch die Magnesiumschmelze.
von Magnesiumlegierungen. Dabei handelt es
sich letztlich um die Wiedergeburt eines an sich Diese positiven Eigenschaften führten dazu,
bekannten und bewährten Materials. So spielten dass Magnesiumdruckguss wieder verstärkt in
Magnesiumdruckgusslegierungen vor allem beim der Automobilindustrie eingesetzt wird. So sind
legendären VW-Käfer bis in die siebziger Jahre des gegenwärtig über 30 Komponenten bekannt, die
vergangenen Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. aus Magnesiumgusslegierungen gefertigt werden
Mit der Einführung von wassergekühlten Motoren (u.a. Getriebe- und Lenkgehäuse, Ansaugsysteme,
wurden aber Forderungen an die Korrosionsfestig- Zylinderkopfabdeckungen, Sitzrahmen, Lenkräder
keit gestellt, die mit den damals am Markt vorhan- und Felgen).
denen Legierungen nicht zu bewältigen waren. Aus Mit den Entwicklungen auf dem Gebiet der Halb-
diesem Grunde war ein drastischer Rückgang der zeugherstellung durch Anwendung von Umform-
Magnesiumanwendung zu verzeichnen, die bis zum prozessen (Walzen, Strangpressen, Schmieden) hat
Anfang der 90-er Jahre anhielt. Danach führten auch Magnesiumblech bzw. Magnesiumprofil als
folgende Einflussfaktoren zu einer Trendwende: Konstruktionsmaterial einen Platz in den Entwick-

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2166 Galvanotechnik

Abb. 7: Einsatz von Aluminium und Magnesium im 1-Liter-Auto von VW [9]

lungsabteilungen der Automobilindustrie gefunden. – Künstliche Beschädigung des Schichtaufbaus


Jüngstes Beispiel für den Einsatz derartiger Knet- durch:
legierungen ist wohl der Prototyp des 1-Liter-Autos a) Ritztest zur Beurteilung der Unterwanderung
von VW (Abb. 7). Hier besteht die Außenhaut der und
Karosserie aus kohlefaserverstärktem Kunststoff, b) Steinschlagtest mit Steinsplitt zur Simulation
der sich über einen Spaceframe aus Magnesium- flächenhafter Beschädigung;
profil spannt. Für innenliegende Verkleidungsteile – Zyklischer Korrosionstest nach der künstlichen
wird Magnesiumblech, für Verbindungselemente Beschädigung:
wird Magnesiumguss verwendet. Dieses Beispiel 24-Stunden-Zyklus mit folgenden Prüfschritten:
verdeutlicht die hohe Anwendungsbreite von Mag- Phase 1: Salzsprühnebelprüfung (NaCl bei
nesiumlegierungen sowohl als Guss- als auch als 35 °C) – 4 Stunden
Knetlegierung. Phase 2: Abkühlphase (18-28 °C, 40-60% r.F)
Sollen die erwähnten Magnesiumbleche als Sicht- – 4 Stunden
teile mit dekorativen Anforderungen eingesetzt Phase 3: Feucht-Wärme-Lagerung (40 °C,
werden (z.B. im Karosseriebereich), so ist eine 100% r.F.) – 16 Stunden.
Lackierung mit einer entsprechenden Beschichtung
als Haftgrund und Korrosionsschutz notwendig Dabei entsprechen einer Woche Belastungsdauer
[10]. An diese Bauteile werden Anforderungen einem Einsatz von ein bis drei Jahre unter Feldbe-
gestellt, die sich aus den Betriebsbedingungen dingungen. Angestrebt wird eine Belastungsdauer
eines Automobils im täglichen Gebrauch ergeben. von mindestens 60 Zyklen (12 Wochen) ohne deut-
Neben einer so genannten 1A-Oberfläche müssen lichen Korrosionsangriff.
sie Umwelteinflüssen und Beschädigungen ohne Im Folgenden werden Ergebnisse einer Unter-
Korrosionserscheinungen widerstehen. suchungsreihe vorgestellt, die zeigen, wie durch
Für die Simulation derartiger Belastungen gibt die Anwendung plasmachemischer Oxidationsver-
es eine Reihe spezifischer Tests, von denen im fahren diese o.g. Anforderungen mit Magnesium-
Folgenden zwei zur Prüfung von Magnesiumblech blech erfüllt werden können. Als Substratmaterial
herangezogen wurden: wurde die Legierung AZ31 in den Abmessungen

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Galvanotechnik 2167

290 x 110 x 1,3 mm3 verwendet. Dieses gewalzte Die anschließend aufgebrachten künstlichen
Material wurde nach folgendem Schema einer plas- Beschädigungen und zyklischen Korrosionstests
machemischen Oxidation unterzogen: nach den genannten Bedingungen erbrachten den
– Entfetten: Nachweis, dass mit diesem Schichtaufbau ein aus-
P3-almeco 18, 60 - 70 °C, 5%-ig, 5 - 10 min; reichender Korrosionsschutz auf der Magnesiumle-
– Spülen gierung AZ31 erreicht werden kann (Abb. 9). Die
Stadtwasser, Raumtemperatur Bleche absolvierten 60 Zyklen des Tests und waren
– Beizen in ihrem Erscheinungsbild vergleichbar mit parallel
Raumtemperatur, 1 - 5 min, pH-Wert 1 - 2 getesteten Karosserieblechen aus Aluminium.
– Spülen
Stadtwasser, Raumtemperatur
– Spülen
VE-Wasser, Raumtemperatur
– Plasmachemische Oxidation
Elektrolyttemperatur 20 - 28 °C, Stromdichte:
0,5 - 1,5 A/dm2, Spannung max. 250 V, pH-Wert:
10,3, Leitfähigkeit: 67 S/cm Abb. 9: Magnesiumblech AZ31 nach 60 Zyklen Korro-
– Spülen (3-fach-Kaskade) sionsbelastung; Steinschlagbereich rechts (quadratisch),
Stadtwasser, Raumtemperatur; VE-Wasser, links waagerechter und senkrechter Ritzbereich
70 - 80 °C
– Trocknen (Warmluft)
optional bei 90 °C 4 Ausblick
Mit der oben genannten plasmachemischen Oxi- Die Verfahren der plasmachemischen Oxidation
dationbehandlung konnten auf der Magnesium- besitzen ein hohes Potenzial, um auch den sehr kor-
legierung AZ31 gleichmäßige Oxidschichten im rosionsanfälligen Werkstoff Magnesium und seine
Schichtdickenbereich von 5 bis 25 µm (abhängig Legierungen mit einem vielfach modifizierbaren
von Verfahrensparametern) aufgebracht werden. Korrosionsschutz zu versehen.
Darauf wurde ein vierlagiger Lackaufbau mit Für leicht gewichtige Mechanikkomponenten opti-
kathodischem Tauchlack, Füller, Basislack und scher Systeme können eng tolerierte, strahlungs-
Decklack appliziert (Abb. 8). feste, matt schwarze Oberflächen hoher Korro-
sionsbeständigkeit erzeugt werden. Voraussetzung
für einen breiten Einsatz sind kosteneffiziente
Volumenprozesse.
Es werden zukünftig vermehrt Anstrengungen
notwendig sein, um den im Automobilbereich
vorhandenen enormen Kostendruck bei den Ober-
flächenbehandlungen auch mit plasmachemischen
Beschichtungsverfahren gerecht zu werden.

Schlussbemerkungen
Die Autoren hoffen, dass diese Artikelreihe einen
Beitrag dazu geleistet hat, das Verständnis für die
plasmachemischen Beschichtungsverfahren zu
erhöhen. Dies sollte sich bewusst nicht nur auf
Abb. 8: Querschliff eines plasmachemisch oxidierten und die recht exotischen Verfahrensmerkmale wie
lackierten Magnesiumbleches AZ31 z. B. hohe Arbeitsspannungen und damit ver-

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2168 Galvanotechnik

bundene Funkenentladungseffekte beschränken. zu sichern und von der Lohnbeschichterindustrie


Die Autoren sind der Meinung, dass sich diese wahrgenommen zu werden;
Technologie mittlerweile einen festen Platz in – Die plasmachemischen Beschichtungsverfah-
der immer vielfältiger werdenden Welt der Ober- ren beherbergen außerordentliches Potenzial
flächentechnik gesichert hat. Dabei sind sie weit für weitere Anwendungen auf verschiedensten
davon entfernt zu behaupten, dass die erzielbaren Gebieten (Umwelt, Fahrzeugbau, Implantate,...)
Schichteigenschaften allen Forderungen bezüglich Die Artikelreihe hat sicher einen Beitrag zur Ent-
optischer Funktionalität, sowie Verschleiß- und schleierung der Geheimnisse um Plasmaerschei-
Korrosionsschutz auf einmal entsprechen können. nungen außerhalb evakuierter Rezipienten geleistet
Was diese Verfahren so interessant macht, ist deren und wird zu neuen, kreativen Ideen führen. Die
Vielfältigkeit. Diese stellt sich einerseits durch Autoren und Coautoren freuen sich auf interessante
die Nutzung der Funkenentladungsphänomene als Kontakte aus der Leserschaft.
Schichtsynthesemechanismus ein. Andererseits ist
Literatur
es bei Variation der Verfahrensparameter (Arbeits- [1] A. Beck: Magnesium und seine Legierungen; Springer Verlag, 1939
spannung, Elektrolytzusammensetzung, Stromform und 2001
[2] C. Kammer: Magnesiumtaschenbuch; Aluminium-Zentrale e.V.
und dgl.) möglich, zielgerichtet Konversions- und/ Düsseldorf, 2000
oder Depositionseffekte zur Oberflächenfunktio- [3] Docter Firmen- und Produktgeschichte; Internet: http://www.docter-
nalisierung zu nutzen. germany.com/historie/
[4] Gmelin: Handbuch der Anorg. Chemie, Syst.-Nr. 27 Magnesium,
Der charakteristische Schichtbildungseffekt beruht Teil 1; Verlag Chemie GmbH Weinheim, 8. Aufl. 1952, S. 760-818
aus Sicht der Autoren sowohl auf Elementen der [5] G. Rauscher: Die Entwicklung der Anodisation von Magnesium;
Jahrbuch Oberflächentechnik, Bd. 56, Giesel Verl. 2000, S. 185-210
klassischen anodischen Konversionsschichtbildung, [6] H.-J. Stöhr: Zeiss drives to cost reduce DLP optics; Microdisplay
als auch auf Prozessen von Plasmaentladungen, Report 5(2002)8, S. 8
welche als wesentliches Charakteristikum dieser [7] U. Bayer: Oxidationsverfahren für Leichtmetallwerkstoffe - Anwen-
dungen für die Raumfahrt; Galvanotechnik 90(1999)8, S. 2116-2126
Verfahren anzusehen sind. Aus diesem Grunde [8] J. Schmidt, U. Bayer, A. Leitel: Oberflächenbehandlung von Mag-
ordnen die Auroren – konform mit vielen Fach- nesiumlegierungen für Anwendungen in der optischen Industrie; 10.
Magnesium Abnehmerseminar Aalen, 26./27. Sept. 2002
kollegen – diese Verfahren in den Grenzbereich
[9] Internet. http://www.mitglied.lycos.de/Autoelektrik/Erf.htm
zwischen Elektrochemie und Plasmatechnik ein. [10] B. Reinhold, M. Brettmann: Korrosionsschutz für Magnesium im
Aus dieser Veröffentlichungsreihe leiten sich aus Automobilbau; mo 54( 2000)4, S. 26-31
[11] K. U. Kainer, F. von Buch: Magnesium - Eigenschaften, Anwendun-
Sicht der Autoren folgende Thesen ab: gen, und Potentiale; TUContact 3/98
– Die plasmachemischen Beschichtungen verste- [12] H. Umehara et al.: Structure and Corrosion Behavior of Conversion
Coatings on magnesium Alloys; Materials Science Forum, 350-351
hen sich als Bereicherung der Oberflächentech- (2000) S. 273-282
nik und ergänzen etablierte Verfahren; [13] I. Häußler, R. Ellmies: Fakten, Analysen, wirtschaftliche Hinter-
grundinformationen – Magnesium; Bundesanstalt f. Geowissen-
– Neue Oberflächenbehandlungsverfahren benöti- schaften und Rohstoffe No. 11 / Juni 2000
gen relativ lange Zeiträume um sich Marktanteile [14] E. F. Emley: Principles of Magnesium Technology; Pergamon Pr. 1966

Die Autoren Dipl. Ing. Jürgen Schmidt


Dr. sc. techn. Armin Leitel Jahrgang 1957, 1979 bis 1984 Studium der
Jahrgang 1952, 1971 bis 1976 Physikstu- NE-Metallurgie an der TU Bergakademie
dium an der Friedrich-Schiller-Universität Freiberg; von 1984 bis 1999 Laborleiter
Jena; 1976 bis 1989 wissenschaftliche für Werkstoffanalytik und -prüfung bei
Arbeiten zur Optiktechnologie an der Carl Zeiss Jena bzw. PTS Jena GmbH; seit
Friedrich-Schiller-Universität Jena; seit 1999 Mitarbeiter in der wirtschaftsnahen
1989 Gruppen- und Laborleiter bei Carl Forschungseinrichtung Innovent Techno-
Zeiss Jena; seit 1998 verantwortlich für logieentwicklung Jena auf dem Gebiet
Technologieentwicklung des Geschäfts- der elektrochemischen Beschichtung;
feldes Optische Systeme; Anschrift: Carl Anschrift: Innovent Technologieentwick-
Zeiss Jena GmbH, Carl-Zeiss-Promenade lung Jena, Prüssingstraße 27 B, D-07745
10, D-07745 Jena; e-mail: leitel@zeiss.de; Jena; e-mail: js@innovent-jena.de; Tel.:
Tel.: 03641/642949 03541/282560, Fax: 03641/282560
Dipl.-Ing. Ullrich Bayer (siehe Galvanotechnik 4/2003, S. 823)

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