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Plasmachemische Oxidationsverfahren
Teil 4: Plasmachemische Oxidation von Magnesiumlegierungen –
Anwendungen in optischen Geräten und im Fahrzeugbau
Von U. Bayer*, J. Schmidt* und A. Leitel**, Jena
Es zeigt sich jedoch, dass im Vergleich zu den – Optische Funktionalität (oft hochabsorbierend
Fertigungstechnologien die Verfahren der Ober- zur Streulichtminimierung);
flächenveredlung von Magnesiumlegierungen einen – Korrosionsschutz;
gewissen Nachholbedarf haben. Auf diesem Gebiet – Kontaminationsfreiheit (keine Emission von
wird auch gegenwärtig noch häufig auf Methoden Oberflächenbestandteilen, die zu einer Ver-
zurückgegriffen, die bereits in der ersten Blütezeit schlechterung der optischen Eigenschaften
der Anwendung von Magnesiumlegierungen in den benachbarter Baugruppen führen könnten);
dreißiger und vierziger Jahren entwickelt wurden. – Langzeitbeständigkeit (hochwertige optische Ge-
Beispielhaft wären hier die ammoniak-alkalischen räte, z.B. Spiegelreflexkameras, haben oft eine
Dichromat-Verfahren [4] benannt. Gebrauchsdauer von mehreren Jahrzehnten).
Bedingt durch den ständig steigenden Bedarf an Für konkrete Bauteile bzw. Bauteilregionen können
wehrtechnischen Produkten hat in dieser Zeit vor weitere Forderungen eine Rolle spielen, wie die
allem das Unternehmen DOW mehrere Verfahren, Eignung als Haftgrund für nachfolgende Verkle-
meist auf der Verwendung von chromathaltigen bungen oder Lackierungen oder auch elektrisch
Lösungen basierende anodische Oxidationsver- leitfähige Oberflächen zur Vermeidung von elek-
fahren entwickelt. Am bekanntesten wurde dabei trostatischen Aufladungen oder hochfrequenten
DOW 17 (mit Ammoniumhydrogendifluorid und Abstrahlungen (EMV).
Natriumchromat) und DOW 12 (Lithiumhydroxid
und Diethylenglykol). Nahezu zeitgleich wurde 2.2 Anwendungsbeispiel Digitale Projektion
1951 das heute als klassisch zu bezeichnende HAE- Eine relativ junge Produktgruppe der optischen
Verfahren von Henry A. Evangelides der Pitman- Industrie ist die Digitale Projektion mit Imager
Dunn Laboratories (Kalilauge, Natriumphosphat basierten Geräten, die zunehmend Overhead-
sowie Kaliummanganat) entwickelt [5]. Projektoren und CRT-Beamer ablösen (die Unter-
Die in den letzten Jahren immer heftiger geführte suchungen zu Komponenten der Digitalen Projek-
Diskussion zum Einsatz von chrom(VI)haltigen tion erfolgten im Rahmen des Projekts Innovative
Oberflächen und die daraus für die europäische Konzepte für miniaturisierte Projektionsdisplays,
Automobilindustrie resultierenden Einsatzbe- das vom BMBF unter dem Kennzeichnen 01BD150
schränkungen, machten auch vor der Oberflä- gefördert wurde). Seit 1997 entwickelt und pro-
chenbehandlung von optischen Bauteilen nicht duziert das Unternehmen Carl Zeiss Jena GmbH
halt. Sechswertige Chromate sind kanzerogen, in als Zulieferer der Projektorindustrie so genannte
höheren Konzentrationen akut toxisch und auch Optical Engines, die das optische Herzstück der
in Spuren noch sensibilisierend. Es dürfte deshalb modernen Daten-/Video-Projektoren darstellen.
nur eine Frage der Zeit sein, in welcher Form der Dabei geht der Trend zu immer kleineren, leichte-
Gesetzgeber die Verwendung dieser Verbindungen ren und preiswerteren Geräten (Abb. 1). Während
auch in optischen Geräten untersagt.
Die plasmachemischen Oxidationsverfahren haben
sich nicht zuletzt auch durch diese Chrom(VI)-
diskussion eine Position bei der Funktionalisierung
von Magnesiumoberflächen gesichert. Ursprüng-
lich für die Behandlung von Aluminium entwickelt,
sind unter verschiedenen Bezeichnungen eine
Reihe von Verfahren bekannt geworden, die in die
Rubrik der plasmachemischen Oxidationverfahren
einzuordnen sind [5].
Gegenwärtig müssen Oberflächenbeschichtungen
für optische Komponenten hauptsächlich den fol- Abb. 1: Drei Generationen transportabler digitaler Daten-
genden Kriterien gerecht werden: /Videoprojektoren mit Optikeinheiten von Carl Zeiss
die erste transportable Gerätegeneration vor eini- typisches Mini-Chassis aus der Magnesiumlegie-
gen Jahren noch mehr als 5 kg wog, werden heute rung AZ91hp zur Aufnahme der optischen Kompo-
bereits so genannte Microportables mit weniger als nenten und des digitalen Bildgebers (Imager), das
1,5 kg oder sogar unter 1 kg angeboten. Bei den per Thixomolding hergestellt und mit einer plasma-
optischen Systemen bestimmt Carl Zeiss wesent- chemisch erzeugten Schwärzung vergütet wurde.
lich diese Entwicklung mit [6], wobei neben einem
intelligenten optischen Design auch der Einsatz von 2.3 Plasmachemisch geschwärzte
Magnesium als Chassismaterial hilft. Magnesiumoberflächen
Im Zusammenhang mit der Oberflächenbehandlung Für die Entwicklung eines geeigneten Schwär-
der Magnesiumchassis für die Digitale Projektion zungsverfahrens für die funktionalen Oberflächen
finden sich die meisten der unter Abschnitt 2.1 der Magnesiumteile in der Optikeinheit digitaler
genannten Forderungen wieder. Eine Besonderheit Projektoren wurde das in Tabelle 2 zusammen-
resultiert aus den geforderten hohen Lichtströmen, gefasste Anforderungsprofil aufgestellt.
die mittels leistungsstarker UHP-Lampen zwischen
100 und 270 W erzeugt werden. Dabei führen Ver- Tab. 2: Anforderungen an Magnesiumoberflächen in
Geräten der Digitalen Projektion
lustleistung und Lichtabsorption in immer kleineren
Projektoren zu erheblichen thermischen Belastun- Technische Forderung / Einzuhaltende
gen der Bauelemente. Zudem muss trotz Filterung Eigenschaft Mindestparameter
mit einem nicht zu vernachlässigenden UV-Anteil Schichtdicke < 10 µm (± 1,5 µm)
gerechnet werden. Damit scheiden Schwärzungs- Absorption > 90 % (schwarz)
verfahren auf Basis organischer Pigmente für alle Lichtstreuung diffus (streifender Einfall)
mechanischen Bauelemente, wie Chassis, Fassun- Transport-/ -40 bis +60 °C,
gen und Blenden aus, weil Strahlung und Tempe- Lagerbedingung korrosionsbeständig nach
raturbelastung ein schnelles Ausbleichen bewirken DIN ISO 9022-16-01-1
und sich die Entgasungsprodukte auf optischen Einsatztemperatur 80 °C (100 °C)
Funktionsflächen niederschlagen können [7]. Strahlungsbelastung 400 - 680 nm, UV-Anteile
Plasmachemisch erzeugte Oberflächen auf Mag- bis 330 nm bei bis zu
nesiumlegierungen sind geeignet, die Nachteile 10.000 lm der Lichtquelle
klassischer Schwärzungsverfahren zu überwinden. Elektromagnetische HF-Abschirmung
Dies um so mehr, da auch die Anforderungen Verträglichkeit (EMV)
hinsichtlich des Korrosionsschutzes (im speziellen
Kondenswasser-Wechselklima) ohne zusätzliche Wie bereits in Abschnitt 2.2 ausgeführt, macht die
Maßnahmen erfüllbar sind. Abbildung 2 zeigt ein Gesamtheit dieser Forderungen den Einsatz klassi-
scher Optiklacke nicht mehr möglich, da Degrada-
tionseffekte zu irreversiblen Funktionsbeeinträchti-
gungen führen können. Aus diesem Grunde wurde
untersucht, ob bei Nutzung von Funkenentladungs-
verfahren Schichteigenschaften erzielt werden
können, die den in Tabelle 2 geforderten Oberflä-
cheneigenschaften nahe kommen. Nach umfang-
reichen Versuchsreihen zur Elektrolytsynthese
und zu den elektrischen Beschichtungsparametern
wurden Grundlagen für ein Verfahren entwickelt,
das es ermöglicht, hochabsorbierende strahlungs-
Abb. 2: Magnesiumchassis aus AZ91hp mit plasmache- und langzeitbeständige, plasmachemisch oxidierte
misch hergestellter schwarzer Beschichtung (links) und Schichten auf Magnesiumlegierungen des Typs
gebeizt (rechts) AZ91 und AZ31 herzustellen.
angewiesen sind. Ein Beispiel sind Vermessungs- – Der Bedarf nach leichtgewichtigen, treibstoff-
geräte, bei denen der Gewichtsersparnis ebenfalls sparenden Fahrzeugen wuchs durch erkennbar
eine besondere Bedeutung zukommt [8]. knapper werdende Erdölreserven;
Neben den geometrischen, morphologischen und – Die Magnesiumindustrie offerierte dem Welt-
optischen Eigenschaften wurde auch die Klima- markt so genannten hp-Legierungen mit verbes-
beständigkeit gemäß den Anforderungen an Geräte serten Korrosionsschutzeigenschaften;
der Digitalen Projektion bei Transport, Lagerung – Die Kooperationen von Automobilherstellern
und Betrieb untersucht. Abbildung 6 verdeutlicht und Magnesiumproduzenten wurden enger.
anschaulich die Vorzüge der plasmachemisch
erzeugten Oberflächen. Im Vergleich zu den che- Diese und andere Aktivitäten rückten Magnesium
misch geschwärzten Chassis, die Ausbleichungen wieder mehr und mehr in den Blickpunkt der Kon-
und starke Oberflächendefekte aufwiesen, waren strukteure. Sie stellten wiederum Forderungen an
bei den plasmachemisch erzeugten Schwärzungen die Werkstoffentwickler, den bekannten Nachteilen
keinerlei Korrosionserscheinung sichtbar. (mangelnde Korrosionsbeständigkeit, schlechte
Kaltumformbarkeit, geringe Warmfestigkeit) durch
geeignete Verfahrensentwicklungen zu begegnen.
Erklärtes Ziel sollte es sein, den Magnesiumein-
satz in den Fahrzeugen mit den mittlerweile in der
Automobilbranche bestehenden Garantieumfängen
nicht in Frage zu stellen.
Gegenwärtig liegt der durchschnittliche weltweite
Magnesiumeinsatz bei ca. 3 kg/Pkw, wobei es
große Unterschiede zwischen den einzelnen Auto-
Abb. 6: Oberflächenbehandelte Magnesiumchassis
mobilherstellern gibt und sich diese Zahl in den
nach Klimatest chemisch (links) und plasmachemisch
erzeugte Oberfläche (rechts) meisten Fällen auf Gusslegierungen bezieht. Neben
den bereits aufgeführten werkstofftechnischen
Vorteilen des Magnesiums bzw. der Magnesium-
3 Einsatz von Magnesiumlegierungen legierungen kommen hier noch die Vorteile bei
in der Fahrzeugindustrie der Verarbeitung im Vergleich zu Aluminium- und
Zinkdruckguss hinzu. Diese bestehen vor allem in
Die ständig steigenden Forderungen nach Ein-
einer niedrigeren Gießtemperatur (650 bis 680 °C),
sparung von Treibstoffen initiiert vor allem im
einem moderaten Energiebedarf beim Aufschmel-
Fahrzeugbau immer mehr die Anwendung von
zen und einem geringeren Angriff der Stahlformen
Leichtbauprinzipien und damit auch den Einsatz
durch die Magnesiumschmelze.
von Magnesiumlegierungen. Dabei handelt es
sich letztlich um die Wiedergeburt eines an sich Diese positiven Eigenschaften führten dazu,
bekannten und bewährten Materials. So spielten dass Magnesiumdruckguss wieder verstärkt in
Magnesiumdruckgusslegierungen vor allem beim der Automobilindustrie eingesetzt wird. So sind
legendären VW-Käfer bis in die siebziger Jahre des gegenwärtig über 30 Komponenten bekannt, die
vergangenen Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. aus Magnesiumgusslegierungen gefertigt werden
Mit der Einführung von wassergekühlten Motoren (u.a. Getriebe- und Lenkgehäuse, Ansaugsysteme,
wurden aber Forderungen an die Korrosionsfestig- Zylinderkopfabdeckungen, Sitzrahmen, Lenkräder
keit gestellt, die mit den damals am Markt vorhan- und Felgen).
denen Legierungen nicht zu bewältigen waren. Aus Mit den Entwicklungen auf dem Gebiet der Halb-
diesem Grunde war ein drastischer Rückgang der zeugherstellung durch Anwendung von Umform-
Magnesiumanwendung zu verzeichnen, die bis zum prozessen (Walzen, Strangpressen, Schmieden) hat
Anfang der 90-er Jahre anhielt. Danach führten auch Magnesiumblech bzw. Magnesiumprofil als
folgende Einflussfaktoren zu einer Trendwende: Konstruktionsmaterial einen Platz in den Entwick-
290 x 110 x 1,3 mm3 verwendet. Dieses gewalzte Die anschließend aufgebrachten künstlichen
Material wurde nach folgendem Schema einer plas- Beschädigungen und zyklischen Korrosionstests
machemischen Oxidation unterzogen: nach den genannten Bedingungen erbrachten den
– Entfetten: Nachweis, dass mit diesem Schichtaufbau ein aus-
P3-almeco 18, 60 - 70 °C, 5%-ig, 5 - 10 min; reichender Korrosionsschutz auf der Magnesiumle-
– Spülen gierung AZ31 erreicht werden kann (Abb. 9). Die
Stadtwasser, Raumtemperatur Bleche absolvierten 60 Zyklen des Tests und waren
– Beizen in ihrem Erscheinungsbild vergleichbar mit parallel
Raumtemperatur, 1 - 5 min, pH-Wert 1 - 2 getesteten Karosserieblechen aus Aluminium.
– Spülen
Stadtwasser, Raumtemperatur
– Spülen
VE-Wasser, Raumtemperatur
– Plasmachemische Oxidation
Elektrolyttemperatur 20 - 28 °C, Stromdichte:
0,5 - 1,5 A/dm2, Spannung max. 250 V, pH-Wert:
10,3, Leitfähigkeit: 67 S/cm Abb. 9: Magnesiumblech AZ31 nach 60 Zyklen Korro-
– Spülen (3-fach-Kaskade) sionsbelastung; Steinschlagbereich rechts (quadratisch),
Stadtwasser, Raumtemperatur; VE-Wasser, links waagerechter und senkrechter Ritzbereich
70 - 80 °C
– Trocknen (Warmluft)
optional bei 90 °C 4 Ausblick
Mit der oben genannten plasmachemischen Oxi- Die Verfahren der plasmachemischen Oxidation
dationbehandlung konnten auf der Magnesium- besitzen ein hohes Potenzial, um auch den sehr kor-
legierung AZ31 gleichmäßige Oxidschichten im rosionsanfälligen Werkstoff Magnesium und seine
Schichtdickenbereich von 5 bis 25 µm (abhängig Legierungen mit einem vielfach modifizierbaren
von Verfahrensparametern) aufgebracht werden. Korrosionsschutz zu versehen.
Darauf wurde ein vierlagiger Lackaufbau mit Für leicht gewichtige Mechanikkomponenten opti-
kathodischem Tauchlack, Füller, Basislack und scher Systeme können eng tolerierte, strahlungs-
Decklack appliziert (Abb. 8). feste, matt schwarze Oberflächen hoher Korro-
sionsbeständigkeit erzeugt werden. Voraussetzung
für einen breiten Einsatz sind kosteneffiziente
Volumenprozesse.
Es werden zukünftig vermehrt Anstrengungen
notwendig sein, um den im Automobilbereich
vorhandenen enormen Kostendruck bei den Ober-
flächenbehandlungen auch mit plasmachemischen
Beschichtungsverfahren gerecht zu werden.
Schlussbemerkungen
Die Autoren hoffen, dass diese Artikelreihe einen
Beitrag dazu geleistet hat, das Verständnis für die
plasmachemischen Beschichtungsverfahren zu
erhöhen. Dies sollte sich bewusst nicht nur auf
Abb. 8: Querschliff eines plasmachemisch oxidierten und die recht exotischen Verfahrensmerkmale wie
lackierten Magnesiumbleches AZ31 z. B. hohe Arbeitsspannungen und damit ver-