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ARP – Akute Niereninsuffizienz (ANI)

Definition:
Die akute Niereninsuffizienz (ANI) kann auf zwei Arten definiert werden

- Nach Schweregrad:
eine akut einsetzende, potenziell reversible Abnahme der Nierenfunktion, gekennzeichnet durch
o verminderte GFR
o Anstieg der Nierenretentionswerte (Kreatinin, Harnstoff)

Leitsymptom: Oligurie oder Anurie

- Nach KDIGO (Kidney Disease Improving Global Outcomes):


ANI wenn Serumkreatinin um ≥ 0,3 mg/dl (in 48 h) ansteigt oder
auf das 1,5-Fache des Ausgangswerts innerhalb der letzten 7 d ansteigt oder
wenn das Urinvolumen < 0,5 ml/kg KG/h für 6–12 h ist.

ANI tritt häufig bei Patienten auf, welche bereits vorbelastet sind, also bereits eine Einschränkung der Niere haben,
verminderte Reservekapazität. Folgend sind einige Risikofaktoren aufgelistet:

Risikofaktor Risiko
Alter +++
Dehydration/Volumenmangel +++
Chronische NI +++
Diabetische Nephropathie +++
Herzinsuffizienz ++
Diuretika und/ oder ACE-Hemmer oder Sartan ++
Proteinurie/Myelom (= Knochen(marks) -Tumor) +

Ätiologie und Pathogenese:


Je nachdem, ob die Ursache der akuten Niereninsuffizienz proximal, innerhalb oder distal der Niere liegt, wird
eine prärenale, eine intrarenale und eine postrenale Form unterschieden.

60% 35% 5%
Prärenale akute Niereninsuffizienz

Ätiologie:
Auslöser der prärenalen ANI ist eine verminderte Nierendurchblutung, welche folgende Ursachen haben kann:

- Intravasaler Volumenmangel (Hämorrhagie, Diarrhoe, Diuretika, nephrotisches S., Sepsis, etc.)


- Vermindertes HZV (Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Lungenembolie)
- Arterieller Mitteldruck ↓ (Schockzustand)
- Mikroangiopathien (maligne Hypertonie, Systemsklerose)
- Embolien, insbesondere Cholesterinembolien
- Medikamente

Akute Niereninsuffizienz infolge Medikamente:


Medikamente (NSAID’s, Sartane und ACE-Hemmer) können zu einer Einschränkung der Autoregulation der Niere
führen, was insbesondere bei bereits vorbelasteten Patienten (Diabetes mellitus, Hypertonie, etc.) zu einer
massiven Abnahme der GFR führen kann.

NSAID → Hemmung Prostaglandinsynthese → PGE2↓ → Kontraktion der


afferenten Arteriole → glomerulärer Filtrationsdruck bzw. GFR↓

ACE-Hemmer (Bildung von Angiotensin II↓) und Sartane (= AT1-


Rezeptorblocker; Bindung von AngII ↓) führen beide zu einer Inhibition
der vaskonstriktorischen Wirkung von AngII auf die efferente Arteriole →
glomerulärer Filtrationsdruck bzw. GFR ↓

Pathogenese:

- Verminderter renaler Blutfluss → Aktivierung des RAAS und Sympathikus ↑ → Vasokonstriktion →


Blutdruck↑ und GFR↓
- Verminderter renaler Blutfluss → ADH-Sekretion ↑
➔ ADH↑ = Wasserresorption ↑; Aldosteron ↑ = Natirumresorption
 Oligurie; hyperosmolaler und natriumarmer Urin
- Bei rascher Identifizierung und Behebung der Störung (vor Schädigung des Nierengewebes) ist die prärenale
ANI reversibel
Glomeruläre/intrarenale akute Niereninsuffizienz

Ätiologie:
Auslöser ist eine Schädigung eines Nephron-Abschnittes oder benachbarter Strukturen. Die Einteilung der renalen
akuten Niereninsuffizienz erfolgt daher nach Lokalisation der Schädigung.

Lokalisation der Läsion Ursache der Schädigung Kommentar


Glomerulus Glomerulonephritiden Heterogene Gruppe von Pathologien, bei welchen
es meist zu einer bilateralen abakteriellen
Entzündung der Glomeruli kommt
Tubulussystem Akute Tubulusnekrose - Häufigste Ursache der
glomerulären/intrarenalen ANI
- Ursache ist eine Ischämie, z.B. im Rahmen
eines Niereninfarkts, oder Nephrotoxine
(exogene und endogene)
- Reversibel ausser es kommt im Rahmen
inflammatorischer Prozesse zur
Entwicklung einer interstitiellen Fibrose
Tubulusobstruktion Resultiert durch vermehrtes Anfallen und/oder
vermehrte Präzipitation glomerulär filtrierter
Moleküle.
Interstitium Pyelonephritis (Entzündung des Häufigste Ursache sind bakterielle aufsteigende
Nierenbeckenkelchsystems und Harnwegsinfekte
des Niereninterstitiums, meist
bakteriell, akut oder chronisch)
Akute interstitielle Nephritis Ursache sind vor allem Medikamente
(Hypersensitivitätsreaktion), kann aber auch durch
virale Infekte ausgelöst werden
Gefässe Vaskulitis Primäre und sekundäre Vskulutiden
Maligne Hypertonie Begünstigt das Auftreten von Mirkoangiopathien
Embolie Hauptsächlich Cholesterinembolien

Pathogenese:

- Tubulusfunktion eingeschränkt → Resorption Na+↓ → Detektion erhöhter tubulärer Na+-Konzentrationen


an Macula desna → Vasokonstriktion der afferenten Arteriole (tubuloglomeruläres Feedback) → GFR ↓
 Polyurie; hypoosmolaler und natirumreicher Urin
Postrenale akute Niereninsuffizienz:

Ätiologie:
Auslöser ist eine Störung des Harnabflusses. Bei gesunden Nieren entwickelt sich eine Nierenfunktionsstörung nur
wenn beide Nieren von der Harnabfluss-Störung betroffen sind. Mögliche Ursachen sind:

- Harnleiter/Ureter:
o Nierensteine
o Blutgerinnsel
o nekrotische Papillen
o Krebs
o extrinsische Kompression (retroperitoneale Fibrose)
- Blasenhals:
o Neurologische Blase
o Prostata-Hyperplasie
o Nierensteine
o Krebs
o Blutgerinnsel
- Uretra
o Schrumpfung
o Angeborene/Kongenitale Klappe
o Prostatahyperplasie
o Phimose (Vorhautverengung)

Pathogenese:

- Abflussstörung → proximal der Störung Druck↑ und Dilatation der Ureteren (Hydroureteren) sowie der
Nierenbecken → Ausdehnung des Kelchsystems (Hydronephrose) → intrarenaler Druck bzw. schliesslich
Druck in Bowman-Kapsel↑ → Effektiver Filtrationsdruck bzw. GFR↓
- Abhängig von der Lokalisation und dem Schweregrad der Abflussstörung kann es bis zur Anurie kommen.

- Wird die Ursache der Abflussstörung rechtzeitig entdeckt und es noch zu keiner Schädigung des
Nierengewebes gekommen ist, ist die postrenale ANI reversibel. Je länger der Harnabfluss beeinträchtigt ist,
umso höher ist das Risiko für einen bleibenden Nierenschaden – insbesondere, wenn die Nieren bereits
chronisch vorgeschädigt sind.
Diagnose:
Für die Prognose ist ganz entscheidend, dass die Funktionseinschränkungen der Niere frühzeitig diagnostiziert und
die Ursache schnellst möglich gefunden und beseitigt wird. Zusammen mit der Anamnese und der klinischen
Untersuchung ermöglichen eine Urinprobe und ein abdomineller Ultraschall in den meisten Fällen eine rasche
Orientierung der Diagnose und den schnellstmöglichen Beginn einer angemessenen Behandlung.

 Die Diagnose und Behandlung von akutem Nierenversagen ist ein nephrologischer Notfall.

Anamnese:

- Gezieltes Fragen nach prädisponierenden Faktoren und Risikofaktoren


o Grunderkrankungen (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Infekte, uro- & gynäkologische Erkrankungen)
o Metabolische Störungen (z.B. Diabetes mellitus)
o Operationen und klinische Untersuchungen (Jod-haltige Kontrastmittel)
o Traumata und Schockzustände
o Medikamente (NSAID, ACE-Hemmer, Sartane)
- Allgemeiner Zustand evaluieren (Gewicht, Durst, Appetit, Schmerzen etc.) → mögliche erste Hinweise

Status: Volumenstatus des Patienten von zentraler Bedeutung (periphere/pulmonale Ödeme, MAP, etc.)

Labordiagnostik:

- Typisch für alle 3 Arten der akuten Niereninsuffizienz: Plasma-Kreatinin (verzögerter Marker) und -Harnstoff
↑ und GFR ↓
- Das Urinvolumen ist in den meisten Fällen vermindert (Oligurie bis Anurie), jedoch ca. 1/3 der Patienten mit
ANI zeigen normales Urinvolumen
➔ Anstieg des Serumkreatinins der einzige diagnostische Hinweis (schnelles Absinken innert zwei Messungen)

- Weitere wichtige Laborparameter:


o Elektrolyte
o Blutbild (renale Anämie = Zeichen einer länger bestehenden Nierenschädigung)
o Blutgasanalyse (met. Azidose = Folge der verringerten Säureausscheidung)

Zur Differenzierung zwischen der prä- und der intrarenalen Form der ANI dient die Bestimmung der fraktionellen
Natriumexkretion: Sie entspricht der Natrium-Clearance, die ins Verhältnis zur Kreatinin-Clearance gesetzt wird:

Parameter Prärenale ANI Akute Tubulusnekrose Kommentare


(renale ANI)
Uosm (mOsm/kg) > 500 < 350 Eine Verminderung der Konzentrierung kommt bei
Urinosmolarität der akuten Tubulusnekrose aufgrund der
Schädigung der Tubuluszellen zustande)
UNa (mmol/l) < 20 > 40 Achtung bei Diuretika
[Natrium]Urin
FE-Na (%) = Natrium- < 1% > 2% Achtung bei Diuretika
Ausscheidungsfraktion Prärenal: Achtung bei Einnahme von
Schleifendiuretikum >1%
Renal: Achtung bei Kontrastmittel-Nephropathie,
Rhabdomyolyse, im Frühstadium der Sepsis und bei
Glomerulo-nephritis < 2%)
FE-Harnstoff (%) = < 35% > 35% Gleich auch bei Diuretika
Harnstoff-
Ausscheidungsfraktion
Harn-/Urinsediment Normal Zelltrümmer Trümmer von Tubuluszellen
Tubuläre Enzyme keine erhöht z.B. Lysozym, NAG (N-Acetyl-Glucosaminidase),
NGAL (neutrophil gelatinase-associated lipocalin)
Apparative Diagnostik:

- Bildgebende Verfahren primär bei Verdacht auf postrenale ANI (Abflussstörung) eingesetzt
- Durchführen einer Abdomensonografie nach Miktion → Suche nach Hydronephros, Hydroureter und
Beurteilung des Füllungsgrades der Harnblase
o Sonographische Untersuchung auch wichtig für Differenzierung zwischen chronischer (bis anhin
nicht bekannter) und akuter Niereninsuffizienz
▪ ANI: Nieren i.d.R. normal gross oder vergrössert
▪ CNI: fortgeschrittenes Stadium zeigt sich durch Verkleinerung der Nieren und schwerer
Abgrenzbarkeit vom umliegenden Gewebe
- Sonographisch keine eindeutige Ursache → CT induziert

Behandlung:
- ANI tritt typischerweise als Symptom einer Primärerkrankung auf, nicht als isoliertes KH-Bild → somit
Behandlung der Primärerkrankung und Auslöser der ANI (sehr verschieden, je nach Problematik)

allgemeines klinisches Management der der ANI:

- Massnahmen werden z.T. auch als Prävention bei Risikopatienten verwendet


- Absetzen nephrotoxischer Medikamente wie
o NSAID
o Sartane
o ACE-Hemmer
o Diuretika
o usw.
- Kontrastmittel möglichst vermeiden
- Volumengabe mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Nierenperfusion und des BD des Kreislaufs (bei
obstruktiver ANI kontrainduziert)
- gegebenenfalls Akutdialyse (wenn Nieren ihre Funktion nicht mehr wahrnehmen können und eine
Entgleisung droht)
- Blutzuckereinstellung und dadurch vermeiden einer sogenannten Stress-Hyperglykämie

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